Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2935
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. September 2019, Az. 4a O 138/17
- I. Die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5) werden verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an einem ihrer gesetzlichen Vertreter und hinsichtlich der Beklagten zu 2) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Vorrichtungen zum Projizieren stereoskopischer Bilder, umfassend:
- ein polarisierendes Teiler-Element, das dafür konfiguriert ist, Bildinformationen enthaltendes Bildlicht zu empfangen und das empfangene Bildlicht aufzuspalten in entlang eines primären Weges gelenktes Primärweg-Bildlicht und entlang eines sekundären Weges gelenktes Sekundärweg-Bildlicht, wobei das Primärweg-Bildlicht eine erste Polarisation aufweist, das Sekundärweg-Bildlicht eine zweite Polarisation aufweist, und die erste Polarisation orthogonal zu der zweiten Polarisation ist;
- ein reflektierendes Element, das dafür konfiguriert ist, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche zu zu lenken, wobei das reflektierende Element operabel ist, um die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht auf der Oberfläche ausgerichtet sind;
- einen ersten Polarisationsmodulator, der in dem primären Weg angeordnet ist und dafür konfiguriert ist, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen, das Primärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Primärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden,
- und einen zweiten Polarisationsmodulator, der in dem sekundären Weg angeordnet und dafür konfiguriert ist, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden,
- wobei das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweisen;
(Anspruch 1 der EP 2 469 XXX B1) - in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5)) die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 13. September 2017 begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5)) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. Oktober 2017 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5) verpflichtet sind – die Beklagten zu 1), zu 4) und zu 5) als Gesamtschuldner –, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 13. Oktober 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin, die Beklagten zu 1) und zu 2) jeweils 25,8 % und die Beklagten zu 4) und zu 5) jeweils 11,3 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) trägt die Klägerin. Die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
- V. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 260.000,00.
- Daneben ist der Anspruch auf Unterlassung (Ziff. I.1. des Tenors) gesondert vorläufig vollstreckbar gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 65.000,00 und gegen die Beklagten zu 4) und zu 5) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 30.000,00.
- Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2. und Ziff. I.3. des Tenors) sind gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 10.000,00 und gegen die Beklagten zu 4) und zu 5) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 5.000,00.
- Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil für die Klägerin und die Beklagte zu 3) jeweils gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils vollstreckbaren Betrages.
- T a t b e s t a n d
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter unmittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung (nur die Beklagten zu 2) und 3)) und Rückruf (nur die Beklagten zu 1) bis 3)) patentverletzender Erzeugnisse sowie auf Feststellung der Pflicht zum Leisten von Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch.
- Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (vgl. Anlage BM2-EP‘XXX) eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 469 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent; vorgelegt in Anlage BM3-EP‘XXX; eine deutsche Übersetzung ist als Anlage BM4-EP‘XXX eingereicht worden). Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 11.10.2007 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 18.10.2006 der US 583XXX angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 13.09.2017 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Gegen die Erteilung des Klagepatents ist Einspruch vor dem Europäischen Patentamt eingelegt worden, über den noch nicht entschieden ist; die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ist auf den 11.10.2019 terminiert (vgl. Anlage QE-I-11). Hinsichtlich der mit der Ladung geäußerten vorläufigen Auffassung der Einspruchsabteilung wird auf die Anlage BM24-EP‘XXX bzw. auf die in Anlage BM24a-EP‘XXX vorgelegte Übersetzung verwiesen.Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
- „An apparatus for projecting stereoscopic images, comprising:
- a polarizing splitting element (303, 620) configured to receive image light that includes image information and split the image light received into primary path image light directed along a primary path and secondary path image light directed along a secondary path, wherein the primary path image light has a first polarization, the secondary path image light has a second polarization, and the first polarization is orthogonal to the second polarization;
- a reflective element (308, 603) configured to reflect one of the primary path image light and the secondary path image light and direct the reflected image light toward a surface (309, 608), the reflective element being operable to adjust the beam angles of the reflected image light so that the primary path image light and the secondary path image light are aligned at the surface;
- a first polarization modulator positioned in the primary path and configured to receive the primary path image light, modulate the primary path image light into primary path circularly-polarized image light, and transmit the primary path circularly-polarized image light toward the surface;
- and a second polarization modulator positioned in the secondary path and configured to receive the secondary path image light, modulate the secondary path image light into secondary path circularly-polarized image light, and transmit the secondary path circularly-polarized image light toward the surface, wherein the primary path circularly-polarized image light and the secondary path circularly-polarized image light have substantially the same polarization state.“
- In deutscher Übersetzung nach Anlage BM4-EP‘XXX lautet Anspruch 1 des Klagepatents wie folgt:
- „Vorrichtung zum Projizieren stereoskopischer Bilder, umfassend:
- ein polarisierendes Teiler-Element (303, 620), das dafür konfiguriert ist, Bildinformationen enthaltendes Bildlicht zu empfangen und das empfangene Bildlicht aufzuspalten in entlang eines primären Weges gelenktes Primärweg-Bildlicht und entlang eines sekundären Weges gelenktes Sekundärweg-Bildlicht, wobei das Primärweg-Bildlicht eine erste Polarisation aufweist, das Sekundärweg-Bildlicht eine zweite Polarisation aufweist, und die erste Polarisation orthogonal zu der zweiten Polarisation ist;
- ein reflektierendes Element (308, 603), das dafür konfiguriert ist, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche (309, 608) zu zu lenken, wobei das reflektierende Element operabel ist, um die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht auf der Oberfläche ausgerichtet sind;
- einen ersten Polarisationsmodulator, der in dem primären Weg angeordnet ist und dafür konfiguriert ist, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen, das Primärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Primärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden, und
- einen zweiten Polarisationsmodulator, der in dem sekundären Weg angeordnet und dafür konfiguriert ist, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden, wobei das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweisen.“
- Hinsichtlich des Wortlauts der nur im Wege von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 3 bis 8 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Nachfolgend wird zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre Fig. 3 des Klagepatents eingeblendet, das nach Abs. [0010] der Patentbeschreibung ein Beispiel eines zwei-Wege-Projektionssystems nach der Lehre des Klagepatents zeigt:
- Nach Abs. [0020] der Beschreibung des Klagepatents umfasst das in der vorstehend eingeblendeten Fig. 3 gezeigte Projektionssystem eine Abbildungsoberfläche 301 innerhalb des Projektors und die Projektionslinse 302, zu der Licht von einer nicht gezeigten Quelle gesendet wird. Der Lichtstrahl oder die Lichtenergie wird unter Verwendung eines Polarisationsteilers 303 in zwei Wege aufgeteilt, einen primären Weg P und einen sekundären Weg S, oder genauer gesagt in orthogonale Polarisationszustände. Die P-Strahlen 310 projizieren geradeaus durch den Teiler 303 hindurch entlang eines primären Weges und weisen eine Polarisationsrichtung auf. Die S-Strahlen 311 werden mit zu den P-Strahlen orthogonaler Polarisation entlang eines sekundären Wegs reflektiert.
- Die Beklagte zu 1) ist die Muttergesellschaft der Beklagten zu 3) (deren Alleineigentümerin sie ist) und der A SL. Der Beklagte zu 4) ist bzw. war Président (Präsident) der Beklagten zu 1), Geschäftsführer der Beklagten zu 3) und CEO der A SL. Im Oktober 2018 erklärte er den Rücktritt von diesen Ämtern. Der Beklagte zu 5) ist „Directeur Géneral“ (Generaldirektor) der Beklagten zu 1), Geschäftsführer der Beklagten zu 3) und Director der A SL.
- Mit Schriftsatz vom 26.07.2019, also nach Schluss der mündlichen Verhandlung, teilten die Beklagten zu 1), 3), 4) und 5) mit, dass gegen die Beklagten zu 1) am 10.07.2019 durch Urteil des Handelsgerichts Nanterre, Frankreich, das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Sanierungsverfahren eingeleitet wurde.
- Die Beklagte zu 2) ist ein deutsches Unternehmen und nicht Teil des Konzerns der Beklagten zu 1).
- Die Klägerin greift mit der Klage als „B C“ bezeichnete Geräte mit den Modellnummern D und E an (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen; vgl. die in Anlage BM6 bzw. BM7 vorgelegten Bedienungsanleitungen).
- Die Beklagte zu 2) verkaufte das Modell D bis 2014 im Inland und ab diesem Zeitpunkt das Model E, das sie im Oktober 2017 an die F Ltd. lieferte. Die A SL, eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), vertreibt das Modell E seit 2013.
- Die angegriffenen Ausführungsformen empfangen von einem Bildprojektor emittiertes, nicht- bzw. zufällig polarisiertes Licht. Dieses Licht trifft in den angegriffenen Ausführungsformen auf ein lichtstrahlteilendes Element (Polarisationsteiler, in der unten eingeblendeten Zeichnung mit Ziffer 18 gekennzeichnet), welches das Licht in drei Lichtbündel aufteilt. Das mittlere Lichtbündel weist einen ersten linearen Polarisationszustand („state of polarization“ – abgekürzt „SOP“), das obere und untere Lichtbündel einen hierzu orthogonalen zweiten linearen Polarisationszustand auf. Das Licht auf dem oberen und unteren Lichtweg wird jeweils von einem Spiegelelement (Bezugsziffer 15 und 17) in den angegriffenen Ausführungsformen reflektiert. Alle drei Lichtbündel durchlaufen sodann Polarisationsschalter (in Form von Flüssigkristall-Zellen, Bezugsziffern 10, 16, 19 in der unten eingeblendeten Zeichnung). Diese wandeln die (lineare) S- oder P-Polarisation des Lichts in eine links oder rechts-zirkulare Polarisation um.
- Die angegriffenen Ausführungsformen sind in den hier relevanten technischen Aspekten grundsätzlich identisch gestaltet. Allerdings sind bei der älteren angegriffenen Ausführungsform D OCE-Filmschichtverbunde in Lichtausbreitungsrichtung vor den Flüssigkristall-Zellen angeordnet, während sie bei der angegriffenen Ausführungsform E hinter diesen angeordnet sind (Bezugsziffern 20, 21 in der unten eingeblendeten Zeichnung). Bei der angegriffenen Ausführungsform D sind in Lichtausbreitungsrichtung hinter den Elementen 10, 16, 19 auf allen drei Wegen des Bildlichts Viertelwellenplatten (Bezugsziffern 22, 23, 24 in der unten eingeblendeten Zeichnung) angeordnet.
- Die OCE-Filmschichtverbunde wirken bei der neueren angegriffenen Ausführungsform E wie Halbwellen-Platten und bewirken eine Änderung der Polarisation – von linkszirkular nach rechtszirkular und von rechtszirkular nach linkszirkular. Damit wird die Polarisation des oberen und unteren Lichtstrahls an die Polarisation des mittleren Lichtstrahls angepasst.
- Falls die Halbwellenplatte vor dem Polarisationsmodulator (Flüssigkristall-Platten) angeordnet ist, wie bei der älteren angegriffenen Ausführungsform D, erfolgt eine Umwandlung von einer S- zu einer P-Polarisation und von einer P- zu einer S-Polarisation (die erst anschließend durch die Elemente 22, 23, 24 in eine links- oder rechtszirkulare Polarisation umgewandelt wird).
- Letztlich tritt bei beiden Varianten der angegriffenen Ausführungsformen damit das Licht auf allen drei Lichtwegen mit der gleichen Polarisation aus der angegriffenen Ausführungsform aus und trifft danach ggf. auf die (Leinwand-) Oberfläche auf.
- Eine Darstellung der (neueren) angegriffenen Ausführungsform E (von S. 13 der Klageerwiderung = Bl. 106 GA) wird nachfolgend eingeblendet:
- Wie bereits erwähnt unterscheidet sich die angegriffene Ausführungsform D dadurch, dass hier die OCE-Filmverbunde (Ziffern 20, 21) in Lichtausbreitungsrichtung vor den Polarisationsfiltern (Ziffern 10, 19) liegen. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend die Schema-Abbildung der angegriffenen Ausführungsform D von Seite 6 der Duplik (Bl. 228 GA) eingeblendet:
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des geltend gemachten Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Dies gelte auch für die angegriffene Ausführungsform E.
- Das Klagepatent verlange keinen Polarisationsrotator. Vielmehr stelle das Klagepatent auf das Ergebnis ab, nämlich zirkular polarisiertes Primär- und Sekundärweg-Bildlicht, das im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweist. Wie dieses Ergebnis erreicht wird, sei für den Anspruch nicht relevant.
- Die Flüssigkristall-Zellen und Halbwellen-Platten (OCE-Filmverbunde) in der angegriffenen Ausführungsform E gehörten nicht nur in funktioneller Sicht zusammen, sondern sind – insoweit unstreitig – hierin jeweils als ein Stapel untrennbar miteinander verbundener (verklebter) Schichten ausgeführt. Die Klägerin ist der Ansicht, sie bildeten so zusammen die obere bzw. untere Optik-Baugruppe.
- Die Klägerin behauptet, die Beklagten zu 1), 2) und 3) hätten angegriffene Ausführungsformen im Inland beworben. Die Beklagten zu 4) und 5) hafteten als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) und zu 3) zudem auch für ihre Handlungen als Geschäftsführer der A SL.
- Der Rechtsstreit sei nicht auszusetzen, da sich das Klagepatent als rechtsbeständig erweisen werde. Die nachveröffentlichte Entgegenhaltung WO 2008/042798 sei auch nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ kein Stand der Technik des Klagepatents.
- Die Klägerin beantragt:
- I. die Beklagten zu verurteilen,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an einem ihrer gesetzlichen Vertreter und hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Vorrichtungen zum Projizieren stereoskopischer Bilder, umfassend:
- ein polarisierendes Teiler-Element, das dafür konfiguriert ist, Bildinformationen enthaltendes Bildlicht zu empfangen und das empfangene Bildlicht aufzuspalten in entlang eines primären Weges gelenktes Primärweg-Bildlicht und entlang eines sekundären Weges gelenktes Sekundärweg-Bildlicht, wobei das Primärweg-Bildlicht eine erste Polarisation aufweist, das Sekundärweg-Bildlicht eine zweite Polarisation aufweist, und die erste Polarisation orthogonal zu der zweiten Polarisation ist;
- ein reflektierendes Element, das dafür konfiguriert ist, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche zu zu lenken, wobei das reflektierende Element operabel ist, um die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht auf der Oberfläche ausgerichtet sind;
- einen ersten Polarisationsmodulator, der in dem primären Weg angeordnet ist und dafür konfiguriert ist, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen, das Primärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Primärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden,
- und einen zweiten Polarisationsmodulator, der in dem sekundären Weg angeordnet und dafür konfiguriert ist, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden,
- wobei das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweisen
(Anspruch 1 der EP 2 469 XXX B1) - in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- insbesondere wenn
- die Vorrichtung ferner einen Verzögerer umfasst, der dafür konfiguriert ist, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen und verzögertes Primärweg-Bildlicht zu senden, oder der dafür konfiguriert ist, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen und verzögertes Sekundärweg- Bildlicht zu senden,
(Anspruch 3 der EP 2 469 XXX B1) - und / oder
- das reflektierende Element einen verformbaren Spiegel umfasst, der dafür konfiguriert ist, zwischen dem zweiten Weg und dem ersten Weg auf der Oberfläche die Lichtübertragung im Wesentlichen optisch zu überlagern,
(Anspruch 4 der EP 2 469 XXX B1) - und / oder
- die Vorrichtung ferner einen Reinigungs-Polarisator umfasst, der in dem sekundären Weg angeordnet ist,
(Anspruch 5 der EP 2 469 XXX B1) - und / oder
- der erste Polarisationsmodulator einen Push-Pull-Modulator umfasst,
(Anspruch 6 der EP 2 469 XXX B1) - und / oder
- der zweite Polarisationsmodulator einen Push-Pull-Modulator umfasst,
(Anspruch 7 der EP 2 469 XXX B1) - und / oder
- das polarisierende Teiler-Element aus einer Gruppe ausgewählt ist, welche umfasst: einen polarisierenden Strahlteiler, einen Drahtgitterpolarisator, und ein MacNeille-Prisma;
(Anspruch 8 der EP 2 469 XXX B1) - 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 13. September 2017 begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. Oktober 2017 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. nur die Beklagten zu 2) und 3): die in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) bzw. 3) – Kosten herauszugeben oder, nach ihrer Wahl, diese selbst zu vernichten;
- 5. nur die Beklagten zu 1), 2) und 3): die unter I.1. bezeichneten, seit dem 13. Oktober 2017 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind – die Beklagten zu 1), 4) und 5) sowie die Beklagten zu 3), 4) und 5) jeweils als Gesamtschuldner -, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 13. Oktober 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Weiterhin beantragt die Klägerin, für jeden zuerkannten Anspruch und die Kostengrundentscheidung Teilsicherheiten festzusetzen.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Hilfsweise:
Das Verfahren wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Einspruchsverfahren gegen das EP 2 496 XXX ausgesetzt. - Die Beklagten zu 1) und zu 3) bis 5) sind der Ansicht, die Klage sei hinsichtlich der Benutzungshandlungen teilweise unschlüssig. Die angegriffene Ausführungsform D werde seit 2014 nicht mehr vertrieben; die Beklagte zu 1) habe nach Erteilung des Klagepatents keine Benutzungshandlungen im Inland vorgenommen. Benutzungshandlungen der Beklagten zu 3) seien nicht ersichtlich.
- Jedenfalls die angegriffene Ausführungsform E verletze das Klagepatent nicht. Diese angegriffene Ausführungsform verwirkliche nicht das Merkmal, wonach die polarisierten Primärweg- und Sekundärweg-Bildlichter im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweisen müssen. Entscheidend für die Lehre des Klagepatents sei nicht der Polarisationszustand auf der Projektionsfläche, sondern der Polarisationszustand unmittelbar in dem Zeitpunkt des Verlassens der Polarisationsschalter.
- Die Polarisationsdrehung auf dem oberen und unteren Lichtweg beruhe bei der angegriffenen Ausführungsform E alleine auf dem hinter dem oberen und unteren Polarisationsschalter angebrachten OCE-Filmverbünden, wenn der Polarisationsmodulator abgeschaltet ist. Die in der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Polarisationsmodulatoren würden nicht so gesteuert, dass die Bildlichter zu einem bestimmten Zeitpunkt einen im Wesentlichen gleichen Ausgangs-Polarisationszustand (Ausgangs-SOP) aufweisen. Der Ausgangs-SOP für den oberen und unteren Lichtweg sei vielmehr orthogonal zu dem des mittleren Lichtwegs.
- Das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig und werde im anhängigen Einspruchsverfahren widerrufen werden. Die Lehre des Klagepatents werde durch die nachveröffentlichte Entgegenhaltung WO 2008/042798 (nachfolgend: WO‘798; vorgelegt als Anlage QE-I5 und in Übersetzung als Anlage QE-I6) neuheitsschädlich vorweggenommen. Es sei auf das von der WO‘798 beanspruchte Prioritätsdatum 29.09.2006 der US 60/827,657 abzustellen.
- Die Beklagte zu 2) schließt sich den Ausführungen der anderen Beklagten vollumfänglich an. Die Beklagte zu 2) habe seit 2014 nur ein Modell der angegriffenen Ausführungsform E verkauft und zwar an die F Ltd. Da es sich hierbei um ein offenbar mit der Klägerin verbundenes Unternehmen handele, sei die Beklagte zu 2) von einer konkludenten Zustimmung der Klägerin ausgegangen. Ansonsten liege ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor.
- Auf die Einrede der Beklagten hin hat die Klägerin den Beklagten aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 20.06.2018 (Bl. 171 GA) Sicherheit wegen der Prozesskosten in Höhe von EUR 69.500,00 geleistet (vgl. die in Anlage BM16-EP‘XXX vorgelegte Kopie der Einzahlungsquittung).
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 Bezug genommen.
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Eine Entscheidung in Bezug auf die Beklagte zu 1) durfte ergehen (hierzu unter I.). Die zuerkannten Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) beruhen auf Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB; wohingegen ihr Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und Abs. 3 PatG nicht zustehen ( hierzu unter IV.). Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre von Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch (hierzu unter II.). Allerdings lassen sich Benutzungshandlungen nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG nur hinsichtlich der Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) feststellen, so dass die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 3) abzuweisen war (hierzu unter III.). Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird das Verfahren nicht in Bezug auf das gegen das Klagepatent anhängige Einspruchsverfahren ausgesetzt (hierzu unter V.).
- I.
Die Kammer ist an einer Entscheidung in Bezug auf gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachte Ansprüche nicht gehindert. Zwar ist das Verfahren auf Grund der Insolvenz der Beklagten zu 1) grundsätzlich nach § 240 S. 1 ZPO unterbrochen. Allerdings wird nach § 249 Abs. 3 ZPO durch die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert. So liegt der Fall hier. Die Insolvenz der Beklagten zu 1) und damit der die Unterbrechung begründende Umstand trat erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein. - II.
Beide angegriffenen Ausführungsformen machen von Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend entstammen Abs. ohne Quellenangabe dem Klagepatent) betrifft die Anzeige stereoskopischer Filme und insbesondere die Erhöhung der Bildhelligkeit bei der Projektion stereoskopischer Bilder. - In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass stereographische Filme häufig unter Verwendung von Projektionssystemen übertragen werden. Ein großes Problem im Zusammenhang der stereoskopischen Bildprojektion ist die geringe Helligkeit des Bildes auf der Projektionsfläche. Bei im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen ist das stereoskopische Bild weniger als halb so hell wie ein projiziertes planares Bild. Da Analysator-Polarisatoren zur Bildauswahl verwendet werden, resultiert die finale Helligkeit aus den Verlusten zweier Polarisatoren mit parallelen Achsen, was deutlich weniger als die Hälfte der Helligkeit im planaren Fall ergibt (Abs. [0002]).
- Zum Verringern des Verlusts an Helligkeit durch die Projektion unter Verwendung der Bildauswahl mittels Polarisatoren werden hocheffiziente Projektionsflächen verwendet. Dieses Verfahren kann den Helligkeitsverlust teilweise mildern, aber das mit den Absorptionspolarisatoren verbundene, grundsätzliche Problem des Verlustes an Licht bleibt dabei aber bestehen (Abs. [0003]).
- Der Stand der Technik WO 2006/038744 offenbart ein digitales Bildprojektionssystem zur Anzeige zeitsequentieller, stereographischer Bilder auf einem Schirm. Das offenbarte System teilt Licht in einen primären und einen sekundären Weg mit entgegengesetzter Polarisation auf und leitet diese auf entsprechende Shutter. Um nacheinander Bilder mit entgegengesetzter Polarisation anzuzeigen, werden die Shutter abwechselnd geöffnet und geschlossen (Abs. [0004]).
- Das Klagepatent äußert, dass es von Vorteil sei, die in den vorbekannten Techniken zur stereoskopischen Bildauswahl vorhandene Helligkeits-Problematik anzugehen und zu überwinden und eine stereoskopische Projektionsvorrichtung oder eine Gestaltung bereitzustellen, die eine gegenüber Geräten, die den beschriebenen Verlust an Licht zeigen, verbesserte Helligkeit aufweist (Abs. [0004]).
- Anschließend nennt das Klagepatent zwei weitere Schriften aus dem Stand der Technik, ohne diese näher zu diskutieren (Abs. [0005] f.).
- Das Klagepatent nennt keine Aufgabe (technisches Problem). Dieses kann aber vor dem Hintergrund des vom Klagepatent diskutierten Stands der Technik darin gesehen werden, eine Vorrichtung zum Projizieren stereoskopischer Bilder bereitzustellen, bei der die Bilder eine bessere Helligkeit aufweisen.
- 2.
Zur Lösung schlägt das Klagepatent ein Erzeugnis nach Maßgabe von Anspruch 1 vor, der sich in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt darstellen lässt: - 1 Vorrichtung zum Projizieren stereoskopischer Bilder, umfassend:
1.1 ein polarisierendes Teiler-Element (303, 620),
1.2 ein reflektierendes Element (308, 603),
1.3 einen ersten Polarisationsmodulator,
1.4 einen zweiten Polarisationsmodulator. - 2 Das polarisierendes Teiler-Element (303, 620) ist dafür konfiguriert, Bildinformationen enthaltendes Bildlicht zu empfangen und das empfangene Bildlicht aufzuspalten in entlang eines primären Weges gelenktes Primärweg-Bildlicht und entlang eines sekundären Weges gelenktes Sekundärweg-Bildlicht, wobei
2.1 das Primärweg-Bildlicht eine erste Polarisation aufweist,
2.2 das Sekundärweg-Bildlicht eine zweite Polarisation aufweist, und
2.3 die erste Polarisation orthogonal zu der zweiten Polarisation ist. - 3 Das reflektierende Element (308, 603)
3.1 ist dafür konfiguriert, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche (309, 608) zu zu lenken;
3.2 ist operabel, um die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht auf der Oberfläche ausgerichtet sind. - 4 Der erste Polarisationsmodulator ist
4.1 in dem primären Weg angeordnet und
4.2 dafür konfiguriert, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen, das Primärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Primärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden. - 5 Der zweite Polarisationsmodulator ist
5.1 in dem sekundären Weg angeordnet und
5.2 dafür konfiguriert, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden. - 6 Das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht weisen im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand auf.
- 3.
Das Klagepatent schlägt eine Projektionsvorrichtung vor, bei der ein polarisierendes Teiler-Element (Merkmal 1.1 und Merkmalsgruppe 2) das Licht in Primärweg-Licht und Sekundärweg-Licht aufteilt, wobei die beiden Bildlichter eine jeweils zueinander orthogonale Polarisation aufweisen. Diese beiden Bildlichter bleiben erhalten und werden auf die Oberfläche – also auf den Bildschirm oder die Kinoleinwand – projiziert, so dass keine Helligkeit verloren geht. - Damit das vom polarisierenden Teiler-Element aufgespaltene Licht auf der Oberfläche trotz der beiden Lichtwege zueinander ausgerichtet ankommt, ist ein von Merkmalsgruppe 3 näher beschriebenes reflektierendes Element vorgesehen.
- Im primären und im sekundären (Bildlicht-) Weg ist jeweils ein Polarisationsmodulator vorgesehen (vgl. Merkmale 1.3, 1.4 und 4 – 5.2). Die Polarisationsmodulatoren sollen das primäre bzw. sekundäre Bildlicht jeweils in zirkular polarisiertes Licht umformen und dieses auf die Oberfläche zusenden. Schließlich sollen beide Bildlichter nach Merkmal 6 den im Wesentlichen gleichen Polarisationszustand aufweisen.
- 4.
Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform D erscheint die Anspruchsverwirklichung nach der Duplik unstreitig, was auch nicht auf patentrechtlich unzulässigen Erwägungen beruht. - Aber auch die angegriffene Ausführungsform E verwirklicht alle Merkmale des geltend gemachten Anspruchs. Dies steht für die Merkmale 1 – 5 zwischen den Parteien zu recht nicht in Streit, so dass weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind. Aber auch die Verwirklichung von Merkmal 6 (entspricht Merkmal 1.6 nach der Gliederung der Parteien) lässt sich feststellen.
- a)
Jenes streitige Merkmal 6, - „6 Das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht weisen im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand auf“,
- macht keine Vorgabe dazu, an welchem Punkt in der beanspruchten Vorrichtung der gleiche Polarisationszustand der beiden Lichtwege erreicht werden muss.
- aa)
Nach Merkmalsgruppe 2 sollen nach dem Durchlaufen des polarisierenden Teiler-Elements zwei Lichtwege (Primärweg-Bildlicht und Sekundärweg-Bildlicht) mit jeweils orthogonal zueinander polarisierten Licht vorhanden sein. Das Licht auf beiden Lichtwegen wird jeweils durch ein Polarisationsmodulator geleitet und in zirkular polarisiertes Bildlicht umgewandelt. Da nach dem polarisierenden Teiler-Element das Licht auf den beiden Lichtwegen orthogonal zueinander polarisiert ist, wäre grundsätzlich auch das Licht nach der Umformung in zirkular polarisiertes Bildlicht (Merkmal 4.2 bzw. 5.2) orthogonal zueinander polarisiert – nämlich einerseits links und anderseits rechts (oder umgekehrt). - Der Fachmann erkennt aber, dass auf der Oberfläche (etwa eine Kinoleinwand) das Licht aus beiden Lichtwegen die gleiche Polarisation aufweisen muss. Dies wird vom Klagepatent in Abs. [0022] im Rahmen eines Ausführungsbeispiels auch geschildert. Hinweise zu der Funktion eines Merkmals kann der Fachmann auch aus den Beschreibungsstellen entnehmen, die Ausführungsbeispiele erläutern. Um den gleichen Polarisationszustand zu erreichen, muss das Bildlicht auf dem primären oder sekundären Lichtweg umgewandelt werden, so dass am Ende aus beiden Lichtwegen links- oder rechts polarisiertes Licht auf die Kinoleinwand auftrifft. Dies wird entsprechend von Merkmal 6 vorgeschrieben.
- bb)
Der Anspruch verlangt weder, dass die Angleichung vor der Umwandlung des Primärweg- oder Sekundär-Bildlichts in zirkulares Licht erfolgen muss, noch, dass dies im Polarisationsmodul erfolgt. - Eine Vorgabe zum Ort oder Zeitpunkt der Polarisationsangleichung enthält Merkmal 6 nicht. Funktional kommt es dem Klagepatent insoweit nur darauf an, dass am Ausgang der Projektionsvorrichtung das Licht beider Lichtwege dieselbe zirkulare Polarisation aufweist und entsprechend gleichartig polarisiertes Licht auf die Oberfläche (Leinwand) projiziert wird.
- Abgesehen von der Anordnung im primären oder sekundären (Licht-) Weg werden die Polarisationsmodulatoren vom Klagepatent im Wesentlichen über ihre Funktion beschrieben: Sie sollen das Bildlicht empfangen, in zirkular polarisiertes Licht umformen und auf die Oberfläche zusenden. Die erforderliche und von Merkmal 6 vorausgesetzte Angleichung der Polarisation muss klagepatentgemäß nicht in einem der Polarisationsmodule erfolgen.
- So ist in dem in Abs. [0021] geschilderten Ausführungsbeispiel ein Halbwellen-Verzögerer 306 nach dem Polarisationsteiler 303, bzw. zwischen dem Polarisationsteiler 303 und der Projektionsfläche 309 angeordnet. Dieser Halbwellen-Verzögerer bewirkt die Polarisationsangleichung des Primär- und des Sekundärweg-Bildlichts (indem die erforderliche Drehung der Achse erfolgt, wie Abs. [0022] erläutert). Dass dieser Halbwellen-Verzögerer zwingend vor dem Polarisationsmodulator angeordnet ist, kann dem Ausführungsbeispiel nicht entnommen werden. Vielmehr ist nach Abs. [0021] jede Position möglich, die vor der Projektionsfläche 309 (die der Oberfläche im Anspruch entspricht) liegt.
- Dies verdeutlicht dem Fachmann, dass die Angleichung in Lichtausbreitungsrichtung nicht in einem der Polarisationsmodulatoren stattfinden muss, sondern ebenso gut vor oder hinter diesen erfolgen kann. In der Regel ist daher davon auszugehen, dass Ausführungsbeispiele vom Patentanspruch erfasst werden (BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875, 876 Rn. [16] – Rotorelemente; BGH, GRUR 2015, 159 Rn. [26] – Zugriffsrechte).
- cc)
Dem steht auch Abs. [0022] a.E. nicht entgegen. Hierin heißt es: - „So muss die Achse eines Strahls gedreht werden, aber es ist unwesentlich, welche, solange beide in die Polarisationsmodulatoren mit parallelen Achsen eintreten.“
- Dies bezieht sich auf eine Vorrichtung wie in Fig. 3 gezeigt und beschreibt damit ein Ausführungsbeispiel. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Die Einbeziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf also nicht zu einer sachlichen Einengung oder inhaltlichen Erweiterung des durch seinen Wortlaut festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Eine entsprechende Vorgabe enthält der bei der Auslegung vorrangig zu berücksichtigende Anspruch hier nicht.
- Der Fachmann erkennt, dass zum Erreichen der Funktion von Merkmal 6 es nicht erforderlich ist, dass die Achsendrehung (Angleichung der Polarisation) eines der Lichtstrahlen vor dem Eintritt des Lichts in eines der Polarisationsmodulatoren erfolgt. Eine Angleichung im oder nach den Polarisationsmodulatoren führt vielmehr zu demselben Ergebnis. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Position oder einen bestimmten Zeitpunkt der Polarisationsangleichung enthält Merkmal 6 gerade nicht.
- b)
Nach Maßgabe dieser Erwägungen ist Merkmal 6 bei beiden angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß verwirklicht. - aa)
Bei der angegriffenen Ausführungsform E sind (unstreitig) im unteren und oberen Lichtweg jeweils OCE-Filmschichtverbunde (Bezugsziffern 20 und 21) angeordnet, die aus einem Stapel von Verzögerungsplatten (Retarder Stacks) bestehen. Diese OCE-Filmschichtverbunde enthalten eine Halbwellen-Platte und sorgen dafür, dass das Licht nach Durchtreten dieser OCE-Filmschichtverbunde dieselbe Polarisation aufweist wie das Licht auf dem mittleren Lichtweg. Beim Austritt aus der angegriffenen Ausführungsform E weist das Licht aus allen drei Lichtwegen die gleiche Polarisation auf. - Im Übrigen wäre Merkmal 6 auch bei einer engeren Auslegung verwirklicht. Die OCE-Filmschichtverbunde gehören bei der angegriffenen Ausführungsform E funktional und räumlich-körperlich zu den Polarisationsmodulen nach Merkmalsgruppe 5. Diese bestehen auf den oberen und unteren Lichtweg aus mehreren Platten, die das Licht zirkular polarisieren und um eine halbe Wellenlänge verzögern. Am jeweiligen Ausgang dieser Bauteile besitzt das Licht auf dem oberen und unteren Lichtweg dieselbe Polarisation wie das Licht auf den mittleren Lichtweg.
- bb)
Bei der älteren angegriffenen Ausführungsform D ist die Verwirklichung auch von Merkmal 6 unstrittig. Denn bei dieser Version sind die Halbwellen-Platten – anders als bei der angegriffenen Ausführungsform E – vor den Polarisationsmodulatoren (in Form von Flüssigkristall-Zellen) angeordnet. Damit ist bereits an deren jeweiligen Ausgang Licht mit der gleichen Polarisation wie auf dem mittleren Lichtweg vorhanden. Diese Ausgestaltung entspricht derjenigen, wie sie in Abs. [0022] vom Klagepatent im Rahmen eines Ausführungsbeispiels beschrieben ist. - III.
Feststellbare Benutzungshandlungen nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen D und E haben nur die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5) vorgenommen, nicht aber die Beklagte zu 3). - 1.
Die Beklagte zu 1) hat beide angegriffenen Ausführungsformen (E und D) nach Erteilung des Klagepatents im Inland angeboten. Ferner ist ihr als Muttergesellschaft des B-Konzerns die Vertriebshandlung der Beklagten zu 2) zuzurechnen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen zu III.2.b). - a)
Das Anbieten ist eine eigenständige Benutzungsart neben diesen Handlungen, die selbstständig zu beurteilen und für sich allein anspruchsbegründend ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; GRUR 2007, 221, 222 – Simvastin; OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 419 – Cholesterinspiegelsenker). Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 = BeckRS 2014, 16067). Maßgeblich ist, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach dem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – 15 U 19/14 = GRUR-RS 2014, 16067). Voraussetzung für ein Anbieten ist grundsätzlich nicht das tatsächliche Bestehen einer Lieferbereitschaft (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für elektrische Geräte) oder ob das Angebot Erfolg hat, es also nachfolgend zu einem Inverkehrbringen kommt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.10.2016 – I-2 U 19/16 – Rn. 97 bei Juris m.w.N.). - Ein Mittel für das Anbieten ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet, da dies bereits dazu bestimmt und geeignet ist, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 261 – Thermocycler).
- Ein Internetangebot stellt dabei nicht schon deshalb ein inländisches Angebot dar, weil die betreffende Internetseite im Inland aufgerufen werden kann. Notwendig ist vielmehr ein wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Aufl. 2019, Kap. A. Rn. 296). Auf die tatsächliche Lieferbereitschaft ins Inland kommt es auch bei Internetangeboten nicht an; maßgeblich ist vielmehr, wie das Angebot aus Sicht der interessierten Verkehrskreise im Inland zu verstehen ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.01.2009 – Az. 6 U 54/06 – Rn. 99 bei Juris – SMD-Widerstand).
- b)
Die Beklagte zu 1) hat bei Anwendung dieser Maßstäbe die angegriffenen Ausführungsformen in beiden Versionen im Inland angeboten. - aa)
Eine Angebotshandlung liegt in dem Datenblatt nach Anlage BM26, das auf der Homepage www.B.com auch nach Erteilung des Klagepatents heruntergeladen werden konnte. Dieses Datenblatt ist als Angebot der Beklagten zu 1) hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen D und E zu werten. - (1)
Zwar werden die Internetseiten nunmehr möglicherweise von der A SL betrieben. Dies schließt aber Angebote der Beklagten zu 1) auf diesen Seiten nicht aus; insbesondere, da es sich bei ihr um die Muttergesellschaft der A SL handelt. - Das von der Internetseite herunterladbare Datenblatt (vorgelegt in Anlage BM26) weist konkret auf die Beklagte zu 1) als Anbieterin der angegriffenen Ausführungsformen hin. Dieses Datenblatt enthält am Rand der zweiten Seite den Zusatz:
- „Document and pictures not contractual, the informations on this product sheet can be changed by B SAS at any time without notice.“
- Auf Deutsch:
- „Dokument und Bilder sind nicht vertraglich; die Informationen auf diesem Datenblatt können von B SAS zu jeder Zeit ohne Vorwarnung geändert werden.“ (Übersetzung des Gerichts).
- Dem kann entnommen werden, dass die beschriebenen Produkte von der Beklagten zu 1) stammen, sich diese aber im Falle eines Vertragsschlusses nicht an die wiedergegebenen technischen Spezifikationen gebunden sieht. Dass die Beklagte zu 1) derartige Vorbehalte hinsichtlich eines Vertragsschlusses macht, kann nur so verstanden werden, dass Kaufverträge über die angegriffenen Ausführungsformen mit ihr abgeschlossen werden können.
- Ferner wird im Datenblatt die Marke „B“ benutzt, die der Beklagten zu 1) gehört. Auf der ersten Seite des Datenblatts heißt es zudem „Designed by B in France“, was auf die Beklagte zu 1) und nicht auf die in Spanien ansässige A SL hindeutet.
- Dies alles zeigt jedenfalls in der Gesamtschau, dass es sich bei den gezeigten angegriffenen Ausführungsformen um Produkte der Beklagten zu 1) handelt, welche hier angeboten werden.
- (2)
Nach den oben dargestellten Grundsätzen stellt das Datenblatt ein Anbieten dar, denn es ist geeignet, die Nachfrage nach den angegriffenen Ausführungsformen zu fördern. Die angegriffenen Ausführungsführungsformen werden werbend dargestellt („G“); das Datenblatt ermöglicht einem potenziellen Kunden, sich für die gezeigten Produkte zu entscheiden. - (3)
Die Verwendung der englischen Sprache im Datenblatt steht einem inländischen Angebot nicht entgegen. Zum einen kann bei spezialisierten technischen Geräten wie den angegriffenen Ausführungsformen angenommen werden, dass potenzielle Kunden die englische Sprache verstehen, insbesondere da kein längerer Text vorhanden ist, sondern primär technische Daten. Zum anderen ist der Rest der Internetseiten auch in Deutsch verfügbar. - (4)
Vor dem Hintergrund des unstreitigen Datenblatts stellt sich das allgemeine Bestreiten (S. 3 Duplik = Bl. 225 GA) von Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1) im Inland als unbeachtlich dar. - bb)
Das Datenblatt stellt auch ein Angebot für beide Versionen der angegriffenen Ausführungsform dar. - Dass sich das Datenblatt hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform D auf eine nicht mehr angebotene Ausführungsform bezieht – wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 vorgetragen haben – lässt sich nicht feststellen. Zwar mag es sein, dass teilweise Datenblätter, Betriebsanleitungen etc. von Produkten erhältlich sind, die nicht mehr vertrieben werden. Dies bedarf jedoch insbesondere bei werbenden Datenblätter eines besonderen Hinweises, der hier fehlt.
- Vielmehr versteht ein potenzieller Abnehmer das Datenblatt nach Anlage BM26 als Werbung für die angegriffenen Ausführungsformen D und E (sowie für das nicht angegriffene Produkt H). Er entnimmt dem Datenblatt, dass sich diese beiden Produkte hinsichtlich der „dark time“ unterscheiden und er je nach Anwendungsbereich und seinen technischen Bedürfnissen zwischen den genannten Modellen auswählen kann. Dass eines davon – konkret die angegriffene Ausführungsform D – nicht mehr erhältlich ist, geht aus dem Datenblatt nicht hervor. Auch ansonsten lässt sich im Zusammenhang mit dem Datenblatt kein Hinweis ersehen, dass eines der dargestellten Modelle nicht mehr erhältlich ist. Entsprechend werden die angegriffenen Ausführungsformen auch auf der Internetseite www.B.com nicht als „eingestellte Produkte“ geführt.
- cc)
Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob weitere Angebotshandlungen der Beklagten zu 1) festgestellt werden können. - 2.
Die Beklagte zu 2) hat nach Erteilung des Klagepatents inländische Benutzungshandlungen (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG) vorgenommen. - a)
Die Beklagte zu 2) hat beide angegriffenen Ausführungsformen auch nach Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents auf ihren Internetseiten angeboten. - aa)
Auf den Internetseiten der Beklagten zu 2) (vgl. die in Anlage BM27 vorgelegten Auszüge mit dem Stand 06.05.2019) wird eine angegriffene Ausführungsform werbend dargestellt, wobei sich die beiden angegriffenen Ausführungsformen äußerlich nicht unterscheiden. - Die Beklagte zu 2) hat zudem vorgetragen, bei ihren Angeboten nicht zwischen den beiden Modellen der angegriffenen Ausführungsform unterschieden zu haben. Dies ist in Bezug auf das Bild auf der Internetseite unstreitig – in einem anderen Zusammenhang unterscheidet die Beklagte zu 2) dagegen sehr wohl zwischen den beiden angegriffenen Ausführungsformen. Auf ihren Internetseiten ist das in Anlage BM28 vorgelegte Datenblatt der Beklagten zu 1) erhältlich, das dem Datenblatt in Anlage BM26 entspricht. Wie oben dargelegt ist dieses Datenblatt als Angebot sowohl für die angegriffene Ausführungsform D als auch für die angegriffene Ausführungsform E anzusehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Durch die Aufnahme des Datenblatts auf ihrer Internetseite bietet die Beklagte zu 2) beide angegriffenen Ausführungsformen an.
- bb)
Es steht nach dem oben ausgeführten Verständnis des Anbietens (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG) einer Benutzungshandlung nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2) keine unmittelbare Bestellmöglichkeit auf ihrer Internetseite vorsieht, sondern nach Interessensbekundungen konkrete Angebote unterbreitet. Die Internetseite der Beklagten zu 2) mit dem Datenblatt fördert jedenfalls die Nachfrage, die die Beklagte zu 2) zu befriedigen ermöglicht. Auch ist es für ein Anbieten nicht erforderlich, dass es zu Absatzgeschäften gekommen ist. - b)
Die Beklagte zu 2) hat ferner eine angegriffene Ausführungsform in Deutschland am 18.10.2017 an eine Gesellschaft der Klägerin (F Ltd) geliefert (vgl. den Lieferschein in Anlage BM13). - Soweit die Beklagte zu 2) einwendet, diese Lieferung sei letztlich mit Zustimmung der Klägerin erfolgt, greift dies nur teilweise gegen die Ansprüche der Klägerin durch. Testkäufe sind im Patentrecht zum Nachweis von Patentverletzungen grundsätzlich zulässig, sofern der Mitbewerber nicht reingelegt wird oder verwerfliche Mittel angewendet werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2010 – I-2 U 131/08 – Rn. 93 f. bei Juris – Interframe dropping; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Aufl. 2019, Kap. B. Rn. 295). Zwar wird angenommen, dass die Lieferung im Rahmen eines Testkaufs selbst wegen Erschöpfung nicht rechtswidrig ist (BGH, GRUR 2013, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung). Allerdings besteht gleichwohl die für den Unterlassungsantrag notwendige Erstbegehungsgefahr, denn es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) auch an andere Abnehmer geliefert hätte. Unredliche Mittel hat die Klägerin beim Testkauf nicht eingesetzt. Die Beklagte zu 2) hat auch nicht vorgetragen, dass sie an andere Besteller nicht geliefert hätte.
- Im Übrigen liegt eine Benutzungshandlung der Beklagten zu 2) schon in Form des Anbietens (siehe oben) vor.
- 3.
Eine nach der Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents am 13.09.2017 begangene Benutzungshandlung der Beklagten zu 3) lässt sich nicht feststellen. - a)
Ein Angebot kann nicht auf den aktuellen Internetseiten www.B.com ersehen werden. Soweit nunmehr auf der englischen Fassung der Homepage (nicht aber in der deutschen Version) ein deutsches Verkaufsbüro genannt wird (vgl. S. 17 im Anlagenkonvolut nach Anlage BM25), ist dies nicht ausreichend konkret, um einen Bezug zur Beklagten zu 3) und (zugleich) zu den angegriffen Ausführungsformen herzustellen. - b)
Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Angebotshandlung darin liegt, dass die Beklagte zu 3) ohne ersichtlichen, konkreten Bezug zu den angegriffenen Ausführungsformen als Ansprechpartner des B-Konzern in Deutschland auf deren Internetseiten genannt wurde, wie es die Auszüge in Anlage BM1-3-1 zeigen. Denn diese Version der Internetseite stammt aus der Zeit vor der Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents. - Dass in einem älteren Produktdatenblatt (Anlage BM10) das Wort „München“ abgedruckt war, reicht schon deshalb nicht als Angebotshandlung, weil nicht ersichtlich ist, dass dieses Produktdatenblatt noch nach Erteilung des Klagepatents verwendet wurde. Insofern kann dahinstehen, ob ein Angebot bereits aus der Verwendung des Wortes „München“ folgen kann.
- c)
Ferner kann auch kein Inverkehrbringen seitens der Beklagten zu 3) festgestellt werden. Die Beklagten haben vorgetragen, die Beklagte zu 3) habe im Jahre 2014 letztmalig eine angegriffene Ausführungsform in Deutschland vertrieben – also Jahre vor der Erteilung des Klagepatents. Etwas anderes hat die insofern darlegungsbelastete Klägerin nicht vorgebracht. - 4.
Die Beklagten zu 4) und zu 5) haften als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) und der A SL. - a)
Geschäftsführer haben kraft ihrer Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen. Dabei ist im Falle der schuldhaften Verletzung, derer es für den Unterlassungsanspruch nicht bedarf, eines Patents durch eine Gesellschaft grundsätzlich davon auszugehen, dass dies auf dem schuldhaften Fehlverhalten ihrer gesetzlichen Vertreter beruht (BGH, GRUR 2016, 257, Rn. 115 ff. – Glasfasern II). Deshalb hat der Verletzte – dem grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt – regelmäßig keinen Anlass näher zur persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers vorzutragen (BGH, a.a.O., Rn.119). Vielmehr obliegt dem gesetzlichen Vertreter der verletzenden Gesellschaft eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wie er den ihm obliegenden Pflichten nachgekommen ist. Hierbei hat er gegebenenfalls insbesondere darzulegen, weshalb er keinen Anlass hatte, sich eine Entscheidung über die angegriffenen Handlungen vorzubehalten und welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine Schutzrechtsverletzung durch Mitarbeiter des Unternehmens zu verhindern (BGH, a.a.O., Rn. 120). - b)
Die Beklagten zu 4) und zu 5) waren bei der Beklagten zu 1) und der A SL auch gesetzliche Vertreter im Sinne der vorstehend dargelegten Rechtsprechung. Dass sie für die Beachtung gewerblicher Schutzrechte nicht zuständig waren, ist nicht dargetan. - c)
Die Beklagten zu 4) und zu 5) haften als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) für deren Benutzungshandlungen (vgl. die Ausführungen oben). - Sie haften ferner als gesetzliche Vertreter der hier nicht verklagten A SL. Dass die A SL Benutzungshandlungen nach Erteilung des Klagepatents vorgenommen hat, wird von den Beklagten nicht in Abrede gestellt.
- In beiden Fällen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu 4) und 5) die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung von Schutzrechtsverletzungen vorgenommen haben.
- d)
Mangels patentverletzender Handlungen der Beklagten zu 3) (vgl. oben) haften die Beklagten zu 4) und zu 5) nicht auch als deren gesetzliche Vertreter. - e)
Beim Beklagten zu 4) war die Haftung für Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz nicht zu begrenzen. Es ist nicht ersichtlich, dass er im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung wirksam aus seinen Ämtern ausgeschieden ist, weil nicht feststellbar ist, dass die Erklärung des Rücktritts zu einer Beendigung seiner Organstellung geführt hat. - IV.
Aus der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen, wobei der Klägerin gegen die Beklagte zu 3) mangels Passivlegitimation keine Ansprüche zustehen. Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf stehen der Klägerin gegen keine der Beklagten zu. - 1.
Die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) sind der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. - Im Übrigen bestände der Unterlassungsanspruch auch gegenüber den Beklagten zu 4), selbst wenn dieser als gesetzlicher Vertreter schon ausgeschieden wäre. Die Wiederholungsgefahr kann durch das Ausscheiden aufgrund der begangenen Verletzungshandlungen regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann (BGH, GRUR 2009, 845, Rn. 47 – Internet-Videorecoder; Grabinski/ Zülch, in Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 139, Rn. 22).
- 2.
Des Weiteren haben die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG). - Als Fachunternehmen bzw. deren gesetzliche Vertreter hätten die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- Die Beklagten zu 1), 4) und 5) haften für die Patentverletzung als Gesamtschuldner, § 840 Abs. 1 BGB (vgl. Grabinski/Zülch, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 139 PatG Rn. 21).
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform gegenüber den Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. - Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) ferner ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 4.
Die Klägerin hat auch gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Vernichtung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. - Den hierfür erforderlichen Inlandsbesitz der Beklagten zu 2) am Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist dieser sonst ersichtlich. Nach dem Vortrag der Beklagten zu 2) ist davon auszugehen, dass sie angegriffene Ausführungsformen erst bezieht, wenn eine konkrete Bestellung hierfür vorliegt.
- 5.
Ansprüche auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG, die geltend gemacht sind gegen die Beklagten zu 1), 2) und 3), stehen der Klägerin nicht zu. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) und zu 3) lassen sich keine unmittelbar von ihnen stammenden Lieferungen ins Inland feststellen, die sie zurückrufen könnte; hinsichtlich der Beklagten zu 2) war die Lieferung an eine Gesellschaft aus dem Konzern der Klägerin nicht rechtswidrig; weitere Lieferungen sind nicht dargetan worden. - V.
Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird das Verfahren im Hinblick auf das Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent nicht ausgesetzt. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Einspruchsverfahrens gegeben. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage oder eines Einspruchs gegen die Patenterteilung stellt ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage sowie den Einspruch vor dem jeweiligen Patentamt zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. 2 U 64/14, S. 29 f.).2.
Die von den Beklagten im Einspruchsverfahren angeführten Rechtsbestandsangriffe reichen aus Sicht der Kammer nicht zu der Prognose einer hinreichenden Widerrufswahrscheinlichkeit aus. - Die im Verletzungsverfahren alleine diskutiere Entgegenhaltung WO 2008/042798 (nachfolgend: WO‘798; vorgelegt als Anlage QE-I5 und in Übersetzung als Anlage QE-I6) nimmt das Klagepatent nicht neuheitsschädlich vorweg, da es sich bei ihr nicht um Stand der Technik des Klagepatents handelt.
- Die WO‘798 ist in Bezug auf das Klagepatent eine nachveröffentlichte Schrift und kann daher nur für die Frage der Neuheit berücksichtigt werden (Art. 54 Abs. 3 EPÜ).
- a)
Gegen eine Aussetzung auf Grundlage dieser Entgegenhaltung spricht zunächst, dass diese bereits im Erteilungsverfahren den Prüfern zur Kenntnis gebracht wurde und das Klagepatent gleichwohl erteilt wurde (hierzu unter (1)). Weiterhin hält die Einspruchsabteilung in ihrer vorläufigen Auffassung das Klagepatent für rechtsbeständig, was ebenfalls gegen eine Aussetzung spricht (hierzu unter (2)). - aa)
Eine Aussetzung kann regelmäßig nicht in Betracht kommen, wenn der dem Klageschutzrecht entgegen gehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt wurde (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Aufl. 2019, Kap. E. Rn. 719). Eine Aussetzung auf Grundlage solcher Entgegenhaltungen würde sich unmittelbar gegen den Erteilungsakt wenden, da dabei das Verletzungsgericht seine Beurteilung eines Standes der Technik an die Stelle der Bewertung des Prüfers im Erteilungsverfahren setzt. Dies kann nur dann erfolgen, wenn für die technisch nicht-fachkundige Kammer offensichtlich ist, dass eine Entgegenhaltung im Erteilungsverfahren falsch gewürdigt wurde. - Im Erteilungsverfahren hat eine Einwendung eines Drittens ausdrücklich auf die angeblich mangelnde Neuheit gegenüber der EP 2 067 XXX geltend gemacht, die wiederum auch auf dem Prioritätsdokument US827XXXX mit dem Prioritätsdatum 29.09.2006 beruhen sollte (vgl. Anlagen BM21-EP‘XXX bzw. die Übersetzung in Anlage BM21a-EP‘XXX). Das Europäische Patent hat mit Erteilung des Klagepatents zum Ausdruck gebracht, dass es nicht von einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme des Klagepatents ausgeht. Dass dies offenbar unrichtig ist, kann nicht festgestellt werden. Auf die Ausführungen unten wird verwiesen.
- bb)
Weiterhin sprechen die Hinweise der Einspruchsabteilung in der Ladung hier gegen eine Aussetzung. - Wenn die Hinweise in der Ladung des EPA nicht nur anspricht, welche Punkte einer näheren Diskussion in der mündlichen Verhandlung bedürfen, sondern eine ausreichend begründete und gefestigte Auffassung erkennen lässt, sind solche Hinweise für die Aussetzungsentscheidung von einiger Relevanz. Dies gilt insbesondere, da bei der Aussetzungsentscheidung die Entscheidung im Rechtsbestandsverfahren zu prognostizieren ist, was es verbietet, die Auffassung der Kammer ohne weiteres an die Stelle der Ansicht des für die Entscheidung über den Rechtsbestand zuständigen Stelle zu setzen. Allerdings ist die Aussagekraft der Hinweise in der Ladung abhängig davon, wie ausführlich die Auffassung begründet wird.
- Zwar ist die Begründung hier eher kurz, dennoch ist erkennbar, dass sich die Einspruchsabteilung mit der Frage der Priorität der Entgegenhaltung WO‘798 auseinander gesetzt hat und hierin kein durchschlagenden Grund gegen den Rechtsbestand gesehen hat. Jedenfalls tendenziell ist dies ein weiteres Argument gegen die Aussetzung.
- b)
Unabhängig von diesen Einschätzungen kann die Kammer nicht feststellen, dass die WO‘798 zum Stand der Technik des Klagepatents gehört. - Das Anmeldedatum der WO‘798 (28.09.2007) liegt nach dem Prioritätsdatum des Klagepatents (18.10.2006). Die Beklagten tragen vor, die WO‘798 könne aber ihrerseits auf das Prioritätsdatum 29.09.2006 der US60/827,657 (nachfolgend: US‘657; vorgelegt als Anlage QE-I9 und in Übersetzung als Anlage QE-I10) beanspruchen, welches vor dem des Klagepatents liegt.
- Es erscheint aus Sicht der Kammer zweifelhaft, ob die Entgegenhaltung WO‘798 hinsichtlich der hier relevanten Offenbarungsstellen das Prioritätsdatum der US‘657 in Anspruch nehmen kann.
- Die US‘657 offenbart kein zirkular polarisiertes Licht (ob dies in der WO‘798 offenbart ist, kann damit dahingestellt bleiben). Während die WO‘798 in Abs. [0025] offenbart, dass der dort gezeigte „polarization switch 120“ einer wie in der US 4 792 850 (vorgelegt Anlage QE-I-7 und in Übersetzung als Anlage QE-I-8) sein kann, heißt es in der US‘657 insoweit in Abs. [0002] unter „Background“ nur:
- „Drei-dimensionale (3D) Bilder können mittels einer auf den Projektor folgenden Polarisationsteuerung und polarisationssteuernder Brillen synthetisiert werden (siehe z.B. US Patent 4,792,850 von Lipton, das hiermit durch Verweis aufgenommen ist).“
- Damit dürfte in dem Prioritätsdokument US‘657 eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung fehlen, dass der polarization switch 120 so wie in der US 4 792 850 beschrieben ausgestaltet werden kann. In der US‘657 wird – anders als in der WO‘798 – auf diese Schrift nur allgemein zum Hintergrund (Stand der Technik) verwiesen, aber weder für ein konkretes Bauteil der in der US‘657 offenbarten Lehre noch für die vorgeschlagene Lehre allgemein. Diese wird vielmehr erst ab Abs. [0005] US‘657 beschrieben.
- c)
Dass die Auffassungen des Prüfers und der Einspruchsabteilung unzutreffend sind, haben die Beklagten nicht ausreichend dargelegt. Ihr Vortrag beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass Abs. [0002] US‘657 „identisch“ mit Abs. [0025] WO‘798 sei – was nicht zutrifft, wie oben dargelegt wurde. - VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ § 91 Abs. 1. S. 1, 92 Abs. 1, 100 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Auf Antrag waren Teilsicherheiten für die Vollstreckung der einzelnen Ansprüche gegen die verschiedenen Beklagten festzusetzen.
- VII.
Der Streitwert wird auf EUR 350.000,00 festgesetzt.