Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2926
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. August 2019, Az. 4a O 5/18
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an einem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- a) Scheibenbremssättel, die ein Gehäuse und eine Kraftübertragungsvorrichtung für eine Scheibenbremse umfassen, die zum Bewegen eines Reibelements der Bremse in Eingriff mit einer Drehbremsscheibe entlang einer ersten Achse als Reaktion auf eine Belastung von einem Schubglied betätigbar ist, wobei die Vorrichtung an einer quer zur ersten Achse verlaufenden Bewegung nahe einem ersten Ende, das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann, gehindert wird, wobei die Kraftübertragungsvorrichtung nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird und wobei ein zweites Ende mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann,
- im Geltungsbereich des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 441 XXX B1 herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
- b) Scheibenbremsen mit einem Scheibenbremssattel, der ein Gehäuse und eine Kraftübertragungsvorrichtung für eine Scheibenbremse umfasst, die zum Bewegen eines Reibelements der Bremse in Eingriff mit einer Drehbremsscheibe entlang einer ersten Achse als Reaktion auf eine Belastung von einem Schubglied betätigbar ist, wobei die Vorrichtung an einer quer zur ersten Achse verlaufenden Bewegung nahe einem ersten Ende, das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann, gehindert wird, wobei die Kraftübertragungsvorrichtung nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird und wobei ein zweites Ende mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann,
- im Geltungsbereich des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 441 XXX B1 herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 17.12.2008 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 17.01.2009 begangen worden sind, und zwar unter Angabea) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Lieferungsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägern zu benennenden oder zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
- 5. die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 17.01.2009 in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird; und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die seit dem 17.01.2009 begangenen, in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 3 Mio. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf (Ziffern I. 1., I. 4. und I. 5. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 2.250.000,00. Ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffern I. 2. und I. 3. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 450.000,00. Im Kostenpunkt (Ziffer III. des Tenors) ist das Urteil gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d - Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unmittelbarer Verletzung des deutschen Teils des in englischer Verfahrenssprache erteilten Europäischen Patents EP 1 441 XXX B1 (Anlage K1, in deutscher Übersetzung als Anlage K1a; nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Das Klagepatent, deren eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, wurde am 22.01.2004 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 25.01.2003 der GB 0301798 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 28.07.2004 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 17.12.2008 bekanntgemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.
- Die Beklagte hat eine das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
- Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Kraftübertragung für eine Scheibenbremse. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche 1 und 10 lauten in der englischen Verfahrenssprache der Patenterteilung:
- Anspruch 1:
- „A disc brake caliper comprising a housing (124) and a force transmission device (105) for a disc brake operable to move a friction element (102) of the brake into engagement with a rotary brake disc (4) along a first axis in response to a loading from a thrust member, the device being restrained from movement transverse to the first axis proximate a first end (150) engageable with the thrust member, characterised in that the force transmission device is guided only by the housing at the first end, and in that a second end (174) is engageable with the friction element.”
- Anspruch 10:
- „A disc brake incorporating a disc brake caliper according to any one of claims 1 to 9.”
- In deutscher Übersetzung lauten die geltend gemachten Ansprüche:
- Anspruch 1:
- „Scheibenbremssattel, der ein Gehäuse (124) und eine Kraftübertragungsvorrichtung (105) für eine Scheibenbremse umfasst, die zum Bewegen eines Reibelements (102) der Bremse in Eingriff mit einer Drehbremsscheibe (4) entlang einer ersten Achse als Reaktion auf eine Belastung von einem Schubglied betätigbar ist, wobei die Vorrichtung an einer quer zur ersten Achse verlaufenden Bewegung nahe einem ersten Ende (150), das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann, gehindert wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Kraftübertragungsvorrichtung nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird und dass ein zweites Ende (174) mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann.“
- Anspruch 10:
- „Scheibenbremse, die einen Scheibenbremssattel nach einem der Ansprüche 1 bis 9 enthält.“
- Wegen des Wortlauts der nur „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 2 und 4 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Nachfolgend wird in verkleinerter Form Fig. 3 des Klagepatents eingeblendet. Dabei handelt es sich um eine Querschnittsansicht durch eine Scheibenbremse, die eine Kraftübertragungsvorrichtung gemäß einer Ausführungsform der Erfindung zeigt:
- Die Beklagte ist Zulieferin für Nutzfahrzeug-Anhängerachsen, Federungssysteme und Bremsen. Sie stellt unter anderem Anhängerachsen, Federungen und Bremsen her und vertreibt diese Produkte in der Bundesrepublik Deutschland.
- Sie bietet an und vertreibt in Deutschland Bremssättel, die für die „A“ Scheibenbremsen der Beklagten geeignet sind (angegriffene Ausführungsform 1). Hierzu gehören insbesondere Bremssättel mit den folgenden Produktbezeichnungen:
- XXX-1
XXX-2
XXX-3
XXX-4
XXX-5
XXX-6
XXX-7 XXX-8
XXX-9
XXX-10
XXX-11
XXX-12
XXX-13
XXX-14
XXX-15
XXX-16
XXX-17
XXX-18
XXX-19
XXX-20 - Darüber hinaus bietet die Beklagte an und vertreibt in Deutschland Scheibenbremsen unter der Bezeichnung „A“, die mit einer angegriffenen Ausführungsform 1 als Bremssattel ausgestattet sind (angegriffene Ausführungsform 2). Hierzu gehören insbesondere folgende Modelle der „A“:
- B
C
D - Auf der Website der Beklagten ist unter https://www.E.de/XXX ein Werkstatthandbuch mit der Bezeichnung „F“ abrufbar (ausgedruckt vorgelegt als Anlage K9).
- Nachfolgend wird die darin auf Seite 39 unter der Überschrift „Bremszylinder“ abgebildete schematische Darstellung mit Erläuterungen eingeblendet:
- Am 04.08.2017 erwarb die Klägerin im Wege eines Testkaufs bei der G einen Bremssattel der Beklagten für eine „A“ mit der Artikelnummer XXX-15 (Kaufbeleg vorgelegt als Anlage K5).
- Die Klägerin trägt vor, die angegriffene Ausführungsform 1 mache von der Lehre des Anspruchs 1 und die angegriffene Ausführungsform 2 von derjenigen des Anspruchs 10 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
- Insbesondere werde die Kraftübertragungsvorrichtung der angegriffenen Ausführungsform 1 an einer quer zur ersten Achse verlaufenden Bewegung nahe einem ersten Ende, das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann, gehindert. Als erstes Ende in diesem Sinne sei das im Verhältnis zum Reibelement abgewandte Ende der Kraftübertragungsvorrichtung anzusehen. Um das äußerste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung oder ein bestimmtes Bauteil müsse es sich dagegen nicht handeln. Entsprechend sei bei der angegriffenen Ausführungsform 1 das erste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung nicht auf den Druckkörper beschränkt. Auch die Fortsätze der Traverse, die in die Führungsnuten des Gehäuses griffen und dadurch die Vorrichtung an einer Querbewegung hinderten, seien vielmehr an dem ersten Ende angeordnet.
- Ferner werde die Kraftübertragungsvorrichtung der angegriffenen Ausführungsform 1 nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt. Ausreichend sei, dass sich dies in der Ausgangsstellung – ohne verschleißbedingtes Nachstellen – feststellen lasse. Jedenfalls in dieser Position befänden sich die Fortsätze der Traverse, die einzige Führung der Kraftübertragungsvorrichtung durch das Gehäuse, am ersten Ende.
- Eine Aussetzung des Rechtsstreits sei nicht geboten, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Die Klägerin beantragt,
- wie erkannt,
- wobei es im Antrag zu I. 1. a) – entsprechend dem Tenor zu I. 1. a) – am Ende weiter heißt:
- „insbesondere, wenn
- das zweite Ende von dem ersten Ende entfernt ist, wobei das zweite Ende mit einer Ausbildung versehen ist, um ein Reibelement in Eingriff zu nehmen und eine Relativbewegung dazwischen in einer quer zur ersten Achse verlaufenden Richtung zu beschränken;
- (Unteranspruch 2 des Klagepatents)
- und/oder
- die Vorrichtung mindestens einen Stößel umfasst.(Unteranspruch 4 des Klagepatents)“
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise,
- den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP 1 441 XXX gerichtete Nichtigkeitsklage auszusetzen.
- Die Beklagte trägt vor, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.
- Die Kraftübertragungsvorrichtung der angegriffenen Ausführungsform 1 weise an ihrem ersten Ende keine Mittel auf, die eine Querbewegung im Verhältnis zu der durch das Schubglied eingeleiteten ersten Bewegungsachse verhindern könnten. Das erste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung werde durch den Druckkörper gebildet, da nur dieser mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden könne. Zu der Traverse habe das Schubglied der angegriffenen Ausführungsform 1 dagegen keinerlei Kontakt. Der Druckkörper wiederum sei ohne Kontakt und beabstandet zum Gehäuse angeordnet.
- Ferner werde die Kraftübertragungsvorrichtung der angegriffenen Ausführungsform 1 nicht, wie es das Klagepatent voraussetze, nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung geführt. An ihrem ersten Ende werde die Kraftübertragungs¬vorrichtung vielmehr überhaupt nicht geführt. Geführt werde die Kraftübertragungsvorrichtung in einem Bereich, der weder erstes noch zweites Ende sei, und zwar durch Führungsnuten im Gehäuse über den gesamten Verstellweg der Traverse. Darüber hinaus liege eine weitere, die Merkmalsverwirklichung ausschlie¬ßende Führung vor, da die Führungshülse der angegriffenen Ausführungsform 1 an dem massiv verschraubten Blech angeordnet sei und so geführt werde. Die Führungs¬hülse sei Bestandteil sowohl der Einstell- als auch der Kraftübertragungsvorrichtung.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde.
- Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2019 Bezug genommen.
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die zulässige Klage ist begründet.
- Die angegriffene Ausführungsform 1 macht von Anspruch 1 und die angegriffene Ausführungsform 2 von Anspruch 10 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch (dazu unter I.). Die Klägerin hat aufgrund der patentverletzenden Handlungen der Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB (dazu unter II.) Der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche steht nicht die Einrede der Verjährung entgegen (dazu unter III.). Eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsklage ist nicht veranlasst (dazu unter IV).
- I.
Die angegriffene Ausführungsform 1 macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1, die angegriffene Ausführungsform 2 von derjenigen des Anspruchs 10 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche des Klagepatents) betrifft einen Scheibenbremssattel für eine Scheibenbremse sowie eine Scheibenbremse, die einen solchen Scheibenbremssattel enthält (Absatz [0001]). - Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents sind Kraftübertragungs-vorrichtungen aus Scheibenbremsen, insbesondere druckluftbetätigte Scheiben-bremsen, in einen Sattel der Bremse eingebaut und übertragen mittels Stößeln oder Kolben die Betätigungskraft von der Betätigungseinrichtung auf Reibelemente der Bremse. Kraftübertragungsvorrichtungen enthalten in der Regel einen Einstellmechanismus zum Ausgleich des Verschleißes der Reibelemente im Gebrauch (Absatz [0002]).
- Bei bekannten Kraftübertragungsvorrichtungen wurde, so das Klagepatent, eine Reihe von Problemen festgestellt. Zum Beispiel wird durch eine große Anzahl von Flächen in diesen Vorrichtungen, bei denen Metall gegen Metall gleitet, die Effizienz reduziert. Ferner ist die zur Bereitstellung einer engen Passung zwischen den Stößelschäften und dem Gehäuse dieser Vorrichtung notwendige Bearbeitung verhältnismäßig kostenintensiv und befinden sich Dichtungen häufig in großer Nähe zum Bereich hinter dem Reibelement. Bei Anwendungen mit extrem hohen Temperaturen können sie beschädigt werden. Darüber hinaus müssen die Stößelköpfe dieser Vorrichtungen, da sie Einzelkomponenten sind, fest an den Stößelschäften angebracht werden. Dies erfolgt in der Regel mittels eines Halterings oder Sprengrings, wodurch die Anzahl der Teile weiter erhöht wird. Darüber hinaus sind, obwohl Gusseisen-Rückenplatten als Reibelement immer häufiger auf dem kommerziellen Fahrzeugmarkt eingesetzt werden, mit der Bearbeitung der Rückenplatte der Reibelemente hohe Kosten verbunden, um sicherzustellen, dass sie flach ist und damit die Last der Kraftübertragungsvorrichtung angemessen über die Rückenplatte verteilt wird (Absatz [0003]).
- Davon ausgehend bezeichnet es das Klagepatent als seine Aufgabe, die Probleme des Stands der Technik zu überwinden oder wenigstens abzumildern (Absatz [0004]).
- 2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent einen Scheibenbremssattel nach dem vorliegend geltend gemachten Anspruch 1 vor, der sich wie folgt gliedern lässt: - I. Scheibenbremssattel, der ein
- 1. Gehäuse (124) und
- 2. eine Kraftübertragungsvorrichtung (105) für eine Scheibenbremse umfasst
- a) die zum Bewegen eines Reibelements (102) der Bremse in Eingriff mit einer Drehbremsscheibe (4)
- b) entlang einer ersten Achse als Reaktion auf eine Belastung von einem Schubglied betätigbar ist, wobei
- 3. die Vorrichtung an einer quer zur ersten Achse verlaufenden Bewegung nahe einem ersten Ende (150), das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann, gehindert wird, wobei
- 4. die Kraftübertragungsvorrichtung
- a) nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird und
- b) ein zweites Ende (174) mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann.
- Ferner schlägt das Klagepatent eine Scheibenbremse nach Anspruch 10 vor, die einen Scheibenbremssattel nach einem der Ansprüche 1 bis 9 enthält.
- 3.
Die angegriffene Ausführungsform 1 verwirklicht die Merkmale 3 und 4 a) des Klagepatentanspruchs 1. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es dazu keiner Ausführungen bedarf. - a)
Die angegriffene Ausführungsform 1 verwirklicht Merkmal 3. - aa)
Nach Merkmal 3 wird die Vorrichtung an einer quer zur ersten Achse verlaufenden Bewegung nahe einem ersten Ende, das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann, gehindert. - (1)
Bei der ersten Achse handelt es sich um die in Merkmal 2 b) angesprochene Achse, entlang derer die Kraftübertragungsvorrichtung als Reaktion auf eine Belastung von einem Schubglied betätigbar ist. Während die dadurch beschriebene Längsbewegung der Kraftübertragungsvorrichtung zum Bewegen des Reibelements der Bremse bei Einleitung einer Bremskraft erforderlich ist (vgl. Merkmal 2 a)), soll eine quer zu dieser Achse verlaufende Bewegung der Kraftübertragungsvorrichtung nach Merkmal 3 verhindert werden. - Funktion des Merkmals ist die Verhinderung unerwünschter Querbewegungen der Kraftübertragungsvorrichtung. Erforderlich ist eine solche Hinderung nach der Lehre des Klagepatents deshalb, weil im Unterschied zum Stand der Technik kein trilobulares Gleitlager mehr vorhanden ist, das den Stößelschaft entlang seiner axialen Länge aufnimmt und führt. Eine solche Gehäusebohrung hat nämlich im Stand der Technik nicht nur die Funktion erfüllt, die Stößelanordnung bei der gewünschten Längsbewegung zu führen, sondern konnte auch unerwünschte Drehbewegungen des Stößelschafts relativ zum Gehäuse verhindern (vgl. Absätze [0010], [0011], [0014]).
- Durch welche Mittel die Kraftübertragungsvorrichtung an einer solchen Querbewegung gehindert wird, gibt das Klagepatent nicht vor. Insbesondere ist der Patentanspruch nicht auf die im Ausführungsbeispiel (vgl. Fig. 3, Absatz [0014]) gezeigte Innenseite eines Zahnkranzes als Hinderungsmittel beschränkt.
- (2)
Die Hinderung der Kraftübertragungsvorrichtung an einer Querbewegung erfolgt nach Merkmal 3 „nahe einem ersten Ende“, das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann. - Der Anspruch ordnet sowohl das erste Ende als auch das zweite Ende der Kraftübertragungsvorrichtung zu. Bei der Kraftübertragungsvorrichtung handelt es sich um denjenigen Teil des Bremssattels, der räumlich-körperlich zwischen Schubglied und Reibelement angeordnet ist und funktional die von dem Schubglied eingeleitete Kraft durch eine Bewegung auf das Reibelement überträgt.
- Merkmal 3 stellt selbst klar, dass es sich bei dem „ersten Ende“ um den Teil der Kraftübertragungsvorrichtung handelt, der mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann. Demgegenüber handelt es sich bei dem in Merkmal 4 b) angesprochenen „zweiten Ende“ um den Teil der Vorrichtung, der mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann. Wenn Merkmal 3 die Hinderungsmittel räumlich-körperlich „nahe einem ersten Ende“ verortet, muss es sich demnach um die dem Schubglied zugewandte und dem Reibelement abgewandte Seite der Vorrichtung handeln. Ob der gesamte Bereich jenseits der Mitte der Kraftübertragungsvorrichtung dem ersten Ende zugeordnet werden kann, bedarf dabei keiner näheren Betrachtung. Jedenfalls der Bereich, der deutlich von der Mitte der Kraftübertragungsvorrichtung in Richtung Eingriffsort mit dem Schubglied versetzt ist, stellt das erste Ende bzw. den Bereich nahe einem ersten Ende dar.
- Demgegenüber lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen, dass das erste Ende nur durch die eigentliche Kontakt- bzw. Eingriffsfläche mit dem Schubglied gebildet wird. Dies gilt umso mehr als die Positionierung „nahe“ einem ersten Ende erfolgt und damit jedenfalls ein Bereich über die Kontaktfläche hinaus abgedeckt wäre. Der Fachmann erkennt zudem, dass die Mittel zur Hinderung der Vorrichtung an Querbewegungen sich selbst über einen gewissen Bereich erstrecken und schon vor diesem Hintergrund keine Begrenzung auf die eigentliche Kontaktfläche vorgenommen werden kann.
- Eine Begrenzung des ersten Endes auf die Eingriffsfläche ist auch nicht deshalb geboten, weil die Belastung durch das Schubglied an dieser Stelle in die Kraftübertragungsvorrichtung eingeleitet wird. Denn es lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen, dass unerwünschte Querbewegungen der Vorrichtung unmittelbar an der Stelle der Krafteinleitung verhindert werden müssten.
- Die dargestellte Sichtweise wird dadurch bestätigt, dass das Klagepatent in einem Ausführungsbeispiel das erste Ende zum einen als einen Bereich darstellt und dieser Bereich zum anderen nicht unmittelbar an der Kontaktfläche zu dem Schubglied angeordnet ist. Die im Patentanspruch verwendeten Begriffe sind im Zweifel so zu verstehen, dass sämtliche Ausführungsbeispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können (vgl. BGH, GRUR 2015, 972, 974 – Kreuzgestänge). In dem in Fig. 3 gezeigten Ausführungsbeispiel ist der Zahnkranz 152, der als Hinderungsmittel im Sinne des Merkmals 3 wirkt, an einer Stelle angeordnet, die nicht unmittelbar in Höhe der Kontaktfläche mit dem Schubglied liegt. Überdies erstreckt sich der Zahnkranz selbst über einen gewissen Bereich in Richtung zur Mitte der Kraftübertragungsvorrichtung.
- Sowohl das erste Ende als auch der Bereich nahe einem ersten Ende sind schließlich nicht auf ein bestimmtes Bauteil begrenzt. Insbesondere ist bei einer mehrteiligen Ausgestaltung der Kraftübertragungsvorrichtung das erste Ende nicht auf dasjenige Bauteil begrenzt, das in Eingriff mit dem Schubglied tritt. Vielmehr kann sich das erste Ende als ein Bereich auch über mehrere Bauteile erstrecken.
- (3)
Für die Verwirklichung des Merkmals ist es ausreichend, wenn sich die Positionierung der Hinderungsmittel nahe einem ersten Ende in einer Position feststellen lässt, in der sich die Vorrichtung ohne verschleißbedingte Veränderungen der Einstellung befindet. Denn zu diesem Zeitpunkt sind alle Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht. Die Nutzung der patentgemäßen Lehre ist somit objektiv möglich (vgl. BGH, GRUR 2006, 399 – Rangierkatze). Ob sich die Anordnung der Hinderungsmittel durch Nachstellen der Kraftübertragungsvorrichtung bei zunehmendem Verschleiß von dem ersten Ende wegbewegt, ist demnach für die Merkmalsverwirklichung unerheblich. - bb)
Diese Auslegung zugrunde gelegt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform 1 das Merkmal 3. - Auf der Traverse der Kraftübertragungsvorrichtung der angegriffenen Ausführungsform 1 sind auf beiden Seiten halbkreisförmige Fortsätze angeordnet. Diese greifen in entsprechende Ausbuchtungen (Führungsnuten) im Gehäuse ein. Auf diese Weise wird die Kraftübertragungsvorrichtung an einer Bewegung quer zur Längsachse, der ersten Achse im Sinne des Merkmals 3, gehindert.
- Die Fortsätze der Traverse sind auch im Sinne des Merkmals 3 „nahe einem ersten Ende“ angeordnet, das mit dem Schubglied in Eingriff gebracht werden kann. Dem steht nach obiger Auslegung nicht entgegen, dass der Eingriff mit dem Schubglied nicht an der Traverse erfolgt, sondern an dem Druckkörper. Das erste Ende und erst recht der Bereich nahe einem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung erstrecken sich über einen Bereich, der nicht auf den Druckkörper beschränkt ist. Vielmehr umfasst der dem ersten Ende zuzuordnende Bereich der Kraftübertragungsvorrichtung neben dem Druckkörper auch die Gewindehülse, die Gleitscheibe und den vorderen Teil der Traverse. Die Fortsätze der Traverse sind deutlich von der Mitte der Kraftübertragungsvorrichtung in Richtung Eingriffsort mit dem Schubglied versetzt angeordnet, was für die Merkmalsverwirklichung jedenfalls ausreichend ist.
- Schließlich steht es der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, dass bei einem verschleißbedingten Nachstellen die Traverse und damit auch die Ausbuchtungen zunehmend in Richtung der Bremsscheibe wandern und sich somit weg von der Eingriffsfläche mit dem Schubglied bewegen. Nach obiger Auslegung ist es ausreichend, dass sich die Anordnung der Hinderungsmittel „nahe einem ersten Ende“ in der Ausgangsposition feststellen lässt.
- b)
Ferner verwirklicht die angegriffene Ausführungsform 1 das Merkmal 4 a). - aa)
Nach Merkmal 4 a) wird die Kraftübertragungsvorrichtung nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt. - (1)
Mit dem Merkmal grenzt sich das Klagepatent von der aus dem Stand der Technik bekannten Führung des Stößelschafts entlang seiner axialen Länge durch ein trilobulares Gleitlager im Gehäuse ab (vgl. Absatz [0014]). Bei der aus dem Stand der Technik bekannten Führung gleitet die gesamte Stößelanordnung bei Beaufschlagung einer Kraft durch die Betätigungseinrichtung der Bremse entlang der Bohrung (vgl. Absatz [0011]). Auf eine solche Führung soll nach dem Klagepatent verzichtet werden. Auf diese Weise wird die Anzahl von Gleitkontaktpunkten verringert und so eine verbesserte Betriebseffizienz erreicht und die Herstellungskosten werden verringert (vgl. Absatz [0035]). Überdies ist speziell die aus dem Stand der Technik bekannte enge Passung zwischen den Stößelschäften und dem Gehäuse verhältnismäßig kostenintensiv, was zumindest abgemildert werden soll (vgl. Absätze [0003], [0004]). - Das Merkmal befasst sich mit der Führung der Kraftübertragungsvorrichtung bei der Kraftübertragung während des Bremsvorgangs. Die Verstellbarkeit der Vorrichtung zum Zwecke des Ausgleichs von Verschleiß ist dagegen nicht Gegenstand des Merkmals wie auch des gesamten Anspruchs. Zwar geht das Klagepatent davon aus, dass Kraftübertragungsvorrichtungen in der Regel einen Einstellmechanismus zum Ausgleich des Verschleißes der Reibelemente im Gebrauch enthalten (vgl. Absatz [0003]) und zeigt in seinen Ausführungsbeispielen sowohl bei der aus dem Stand der Technik bekannten Vorrichtung (vgl. Fig. 1, Absatz [0009]) als auch bei der erfindungsgemäßen Vorrichtung (vgl. Fig. 3, Absätze [0013] am Ende, [0031]) einen Verschleißeinstellmechanismus. Beansprucht ist ein solcher Mechanismus in Anspruch 1 indes nicht. Merkmal 4 a) enthält vor diesem Hintergrund keine Vorgabe dazu, wie der Verschleiß der Reibelemente ausgeglichen wird. Insbesondere schließt der Anspruch nicht aus, zu diesem Zweck eine weitere Führung vorzusehen.
- (2)
Mit der Vorgabe, dass die Kraftübertragungsvorrichtung „nur“ durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird, wird – worüber zwischen den Parteien auch zu Recht Einigkeit besteht – zunächst eine weitere Führung durch das Gehäuse während des Bremsvorgangs ausgeschlossen. - Darüber hinaus schließt der Anspruchswortlaut, in der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Verfahrenssprache „the force transmission device is guided only by the housing at the first end“, jedoch nicht nur eine weitere Führung durch das Gehäuse, sondern jede weitere Führung der Kraftübertragungsvorrichtung während des Bremsvorgangs aus. Der Begriff „nur“ („only“) bezieht sich nach dem Anspruchswortlaut auf die Führung der Kraftübertragungsvorrichtung. Es ist danach nur eine Führung zulässig, und zwar eine solche „durch das Gehäuse an dem ersten Ende“.
- Zwar wird der Fachmann bei einer solchen rein philologischen Betrachtung nicht stehenbleiben. Eine Auslegung hat vielmehr immer zu erfolgen, und zwar auch dann, wenn der Wortlaut des Patentanspruchs eindeutig zu sein scheint (BGH, GRUR 2016, 361, 362 – Fugenband; GRUR 2015, 875, 876 – Rotorelemente). Schließlich kann die Beschreibung des Patents Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein eigenes Lexikon darstellen (vgl. BGH, GRUR 2016, 361, 362 – Fugenband; GRUR 2015, 875, 876 – Rotorelemente; GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Auch aus der Patentschrift entnimmt der Fachmann indes keinen abweichenden Wortsinn. Zwar sieht es das Klagepatent ausdrücklich als vorteilhaft an, dass das Gleitlager für den Stößelschaft
– und damit das Gehäuse – nicht mehr bearbeitet werden muss. Zu der Funktion des Merkmals gehört es jedoch auch, die Anzahl von Gleitkontaktpunkten insgesamt zu verringern (vgl. Absatz [0035]). Vor diesem Hintergrund entnimmt der Fachmann dem Patent auch unter Berücksichtigung der Funktion den technischen Wortsinn, dass die Führung allein „durch das Gehäuse an dem ersten Ende“ erfolgen soll und jede weitere Führung während des Bremsvorgangs, auch eine solche außerhalb des Gehäuses, ausgeschlossen ist. - Ausgeschlossen ist indes nur eine weitere Führung der Kraftübertragungsvorrichtung, nicht auch eine solche anderer Bauteile.
- (3)
Dass es sich bei der nach Merkmal 4 a) zulässigen und erforderlichen Führung der Kraftübertragungsvorrichtung „durch das Gehäuse“ nicht um eine solche handeln darf, die eine Bearbeitung im Inneren des Gehäuses erfordert, lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen. Eine Beschränkung der Führung „durch das Gehäuse“ auf von außen wirkende Mittel entnimmt der Fachmann auch nicht daraus, dass das in Fig. 1 gezeigte und unter anderem in Absatz [0014] beschriebene Ausführungsbeispiel eine solche von außen wirkende Führung zeigt. Ausführungsbeispiele erlauben regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodensei¬tige Ver¬ein¬zelungs¬einrich¬tung; GRUR 2008, 779, 783 – Mehrgangnabe). - Ein solches Verständnis folgt auch nicht aus der Abgrenzung zum Stand der Technik in Absatz [0014]. Zwar können sich Anhaltspunkte für das Verständnis eines Merkmals auch aus dem in der Patentbeschreibung mit seinen Nachteilen gewürdigten Stand der Technik ergeben (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt A Rn. 62). Vorliegend lässt die Würdigung des Stands der Technik indes nicht erkennen, dass das Klagepatent sich von jeglicher Führung im Inneren des Gehäuses abgrenzen will. Soweit es in Absatz [0014] heißt, die aus dem Stand der Technik bekannten Führungen für die Stößelanordnungen seien „nicht mehr vorhanden“, ist dies im Zusammenhang mit dem vorherigen Satz zu sehen, in dem die Führung des Stößelschafts im Gehäuse „entlang seiner axialen Länge“ angesprochen ist. Dass eine solche Führung nicht mehr vorhanden ist, lässt demnach nicht den Schluss zu, dass auf eine Führung im Gehäuse insgesamt verzichtet wird.
- Zudem differenziert Absatz [0014], wie auch Absatz [0035], zwischen dem „Stößelschaft“ und demjenigen Teil der Kraftübertragungsvorrichtung, an dem sich die Schnittstelle des Zahnkranzes mit dem Gehäuse befindet. Der „Stößelschaft“ und das entsprechende „Gleitlager für den Stößelschaft“ müssen nach der Lehre des Klagepatents nicht mehr bearbeitet werden (Absatz [0035]). Das Klagepatent nimmt von der Bezeichnung als „Stößelschaft“ damit denjenigen Teil aus, an dem nach Merkmal 4 a) die Führung der Kraftübertragungsvorrichtung erfolgt und den es dementsprechend als „erstes Ende“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung in Absatz [0014] zu sehen, ein Kontakt zwischen dem Gehäuse und dem Stößelschaft sei „nicht notwendig“. Ein am „ersten Ende“ erfolgender Kontakt wird damit gerade nicht ausgeschlossen.
- (4)
Für das Verständnis des „ersten Endes“ der Kraftübertragungsvorrichtung, an dem die Führung durch das Gehäuse nach Merkmal 4 a) erfolgt, kann grundsätzlich auf das zu Merkmal 3 erörterte Verständnis Bezug genommen werden (siehe unter a) aa) (2)). Dabei ist zwar zu beachten, dass die Führung im Sinne des Merkmals 4 a) nur durch das Gehäuse „an dem ersten Ende“, die Verhinderung einer Querbewegung im Sinne des Merkmals 3 jedoch „nahe einem ersten Ende“ erfolgt. Wie an der genannten Stelle erläutert, sieht der Fachmann jedoch auch das „erste Ende“ als einen Bereich an. Insbesondere erkennt der Fachmann zu Merkmal 4 a), dass die Führung durch das Gehäuse selbst einen gewissen Bereich in Anspruch nimmt und es sich daher bei dem ersten Ende nicht nur um die Eingriffs- bzw. Kontaktfläche mit dem Schubglied handeln kann. - (5)
Dass die Führung im Sinne des Merkmals 4 a) und die Hinderung an einer Querbewegung im Sinne des Merkmals 3 durch dieselben Mittel bewirkt werden, schließt das Klagepatent nicht aus. Auch das Ausführungsbeispiel in Fig. 3 zeigt vielmehr eine solche Ausgestaltung. - bb)
Dieses Verständnis zugrunde gelegt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform 1 das Merkmal 4 a). - Die Kraftübertragungsvorrichtung der angegriffenen Ausführungsform 1 wird nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt, nämlich durch die bereits unter a) bb) erwähnten seitlichen Fortsätze der Traverse, die in die Ausbuchtungen (Führungsnuten) im Gehäuse eingreifen. Dass es sich dabei um diejenigen Mittel handelt, die auch im Sinne des Merkmals 3 eine Querbewegung verhindern, führt, wie gesehen, nicht aus der Verletzung heraus. Beim Bremsvorgang wird die Traverse in diesen Aussparungen über die gesamte Strecke der Zuspannbewegung bis zu dem Punkt, an dem der Bremsbelag an die Drehbremsscheibe gepresst wird und dadurch ein Bremsmoment auslöst, geführt.
- Die in das Gehäuse eingreifenden Fortsätze der Traverse der angegriffenen Ausführungsform 1 sind an dem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung angeordnet. Insoweit wird wiederum auf die Ausführungen unter a) bb) Bezug genommen. Die Fortsätze der Traverse sind angesichts ihrer deutlich von der Mitte der Kraftübertragungsvorrichtung in Richtung Eingriffsort mit dem Schubglied versetzten Anordnung nicht nur nahe einem ersten Ende, sondern auch in dem nach obiger Auslegung das erste Ende bildenden Bereich angeordnet.
- Dass sich im Inneren des Gehäuses Führungsnuten über den gesamten Verstellweg der Traverse erstrecken, steht der Merkmalsverwirklichung ebenfalls nicht entgegen. Bei dem Verstellweg handelt es sich um denjenigen Bereich, der ein Nachstellen der Traverse bei Verschleiß ermöglicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 wird ein solches Nachstellen so bewirkt, dass durch Drehung des zentralen Einstellschafts die Traverse einschließlich der zwei Stempel insgesamt verstellt wird. Bei zunehmender Abnutzung wandert die Traverse in den Führungsnuten der Gleitführung in Richtung Bremsscheibe, um die Abnutzung auszugleichen. Zwar sind zu diesem Zweck weitere Bohrungen im Inneren des Gehäuses vorhanden. Es handelt sich dabei aber gerade nicht um eine entgegen Merkmal 4 a) erfolgende weitere Führung, da sie nicht den Bremsvorgang betrifft.
- Die Verschiebung der Fortsätze der Traverse in Richtung der Bremsscheibe und damit weg von der Eingriffsfläche mit dem Schubglied bei zunehmendem Verschleiß steht der Merkmalsverwirklichung, wie bereits zu Merkmal 3 erörtert, ebenfalls nicht entgegen. Ausreichend ist es, dass sich in der Ausgangsposition ohne verschleißbedingtes Nachstellen eine Führung nur durch das Gehäuse „an dem ersten Ende“ feststellen lässt.
- Schließlich führt es nicht aus der Verletzung heraus, dass das von den Beklagtenvertretern in der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2019 als „Führungshülse“ bezeichnete mittige Bauteil fest mit dem Blech verschraubt ist. Eine die Merkmalsverwirklichung ausschließende weitere Führung der Kraft-übertragungs¬vorrichtung liegt nicht vor, weil das geführte Bauteil nicht der Kraftübertragungsvorrichtung zuzuordnen ist. Fest mit dem Blech verschraubt ist nicht die äußere Umwandung dieses Bauteils, die dem verschleißbedingten Nachstellen dient, sondern die innen liegende Feder. Diese Feder dient dem Rückstellen der Vorrichtung nach dem Bremsvorgang in die Ausgangsposition. Eine technisch relevante Funktion bei der Kraftübertragung während des Bremsvorgangs kommt ihr dagegen nicht zu. Sie ist deshalb nicht als Teil der Kraftübertragungsvorrichtung anzusehen.
- 4.
Die angegriffene Ausführungsform 2 verwirklicht Anspruch 10 des Klagepatents. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 handelt es sich um eine Scheibenbremse, die in Form der angegriffenen Ausführungsform 1 einen Scheibenbremssattel enthält, der die Merkmale des Anspruchs 1 verwirklicht. Auf die Ausführungen unter 3. wird Bezug genommen. - II.
Die Beklagte verletzt das Klagepatent durch das Herstellen, das Anbieten und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. - Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die nachfolgenden Rechtsfolgen.
- 1.
Gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG ist die Beklagte der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet. - 2.
Des Weiteren hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach (Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG). - Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 3 PatG. - Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren festgestellten Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 4.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 EPÜ
i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG und auf Vernichtung der streitgegenständlichen Erzeug-nisse aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 PatG. Für die Unverhältnismäßigkeit der Ansprüche bestehen keine Anhaltspunkte. - III.
Der Durchsetzung der Ansprüche der Klägerin steht auch nicht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) entgegen. - 1.
Die Ansprüche der Klägerin verjähren nach Art. 64 EPÜ i. V. m. § 141 S. 1 PatG, §§ 195, 199 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, § 195 BGB. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit der Entstehung des Anspruchs und Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Gläubigers von den haftungsbegründenden Umständen und der Person des Gläubigers. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjährt ein Schadensersatzanspruch wegen einer Patentverletzung als sonstiger Schadensersatzanspruch gemäß § 199 Abs. 3 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Die Frist beginnt taggenau (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Auflage 2019, § 199 Rn. 42). Für die weiteren Ansprüche gilt nach § 199 Abs. 4 BGB eine gleichlaufende Höchstfrist von zehn Jahren von der Entstehung des Anspruchs an. - 2.
Danach ist vorliegend keine Verjährung von Ansprüchen eingetreten. - Eine kenntnisabhängige Verjährung kommt nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, dass die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB zu einem früheren Zeitpunkt als innerhalb von drei Jahren vor dem Jahr der Klageerhebung (2018) vorgelegen haben. Die Beklagte trägt entsprechendes auch nicht vor.
- Aber auch eine kenntnisunabhängige Verjährung nach der Höchstfrist des § 199 Abs. 3, Abs. 4 BGB ist nicht eingetreten. Vor Ablauf des Zeitraums von zehn Jahren ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Anspruchsentstehung – dem 17.12.2008 – ist die Verjährung durch Klageerhebung gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Klage ist der Beklagten am 08.02.2018 zugestellt worden.
- IV.
Eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung über die das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage ist nicht veranlasst. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt allerdings ohne Weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelungen, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangen und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage und den Einspruch vor dem jeweiligen Patentamt zur Verfügung stellen, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679). - 2.
Daran gemessen ist eine Aussetzung nicht veranlasst. - a)
Dies gilt zunächst hinsichtlich einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme der Lehre des Klagepatents durch die US 2,820,530 (Anlage B13, in deutscher Übersetzung als Anlage B13a, Anlage D5 im Nichtigkeitsverfahren; nachfolgend: D5). - aa)
Die D5 offenbart einen Betätigungsmechanismus für Scheibenbremsen. - Zur Veranschaulichung werden die Fig. 4 und 5 der D5 eingeblendet:
- bb)
Merkmal 4 a) des Klagepatentanspruchs 1, wonach die Kraftübertragungsvorrichtung nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird, wird in der D5 nicht offenbart. - Der in der D5 offenbarten Kraftübertragungsvorrichtung sind, worüber auch zwischen den Parteien Einigkeit besteht, die Bauteile 82, 78, 77 und 72 zuzuordnen. Die Kraftübertragungsvorrichtung ist als Reaktion auf eine Belastung durch ein Schubglied im Sinne des Merkmals 2 b) entlang einer ersten Achse 5 (vgl. Fig. 4) betätigbar.
- Das erste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung befindet sich im Bereich des Eingriffs der Hülse 82 mit dem Schubglied 84. Die Hülse 82 der Kraftübertragungs-vorrichtung gleitet während des Bremsvorgangs innerhalb eines Gehäuses 66 in Richtung Bremsscheibe 56 (vgl. Fig. 5).
- Es handelt sich dabei um eine Führung des Stößelschafts nahezu entlang seiner axialen Länge wie sie aus dem im Klagepatent gewürdigten Stand der Technik bekannt ist. Eine nur „an dem ersten Ende“ der Kraftübertragungsvorrichtung erfolgende Führung ist damit nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.
- Darüber hinaus wird die Kraftübertragungsvorrichtung nicht im Sinne des Merkmals 4. a) „nur“ durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird, weil sie auch durch die zwei Stifte/Bolzen (74) an dem zweiten Ende geführt wird (vgl. Fig. 5 und Seite 6, Zeilen 36 ff. der Anlage B13a).
- b)
Ferner ist eine Aussetzung nicht im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch die US 4,645,038 (Anlage B14, in deutscher Übersetzung als Anlage B14a, Anlage D7 im Nichtigkeitsverfahren; nachfolgend: D7) veranlasst. - aa)
Die D7 betrifft eine Scheibenbremse. - Zur Veranschaulichung wird Fig. 1 der D7 eingeblendet:
- bb)
Auch die D7 offenbart das Merkmal 4 a), wonach die Kraftübertragungsvorrichtung nur durch das Gehäuse an dem ersten Ende geführt wird, nicht. - Zwar erfolgt nach der Lehre der D7 eine Führung der Kraftübertragungsvorrichtung durch das Gehäuse an dem ersten Ende. Diese liegt darin, dass die Gleitkomponente (sliding component) 26 in einer Gehäusebohrung des hinteren Gehäuseteils geführt wird. Der Eingriff mit dem Schubglied erfolgt unmittelbar an der Gleitkomponente 26, so dass es sich auch um eine Führung an dem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung handelt.
- Es ist indes eine weitere Führung der Kraftübertragungsvorrichtung vorhanden, so dass nach der Lehre der D7 die Führung nicht „nur“ durch das Gehäuse an dem ersten Ende erfolgt. Eine solche weitere Führung ist in Bezug auf den Verstärkungsbelag 34 vorhanden. Der Verstärkungsbelag 34 ist Teil der jedenfalls aus den Bauteilen 26, 30, 28, 36, 34 bestehenden Kraftübertragungsvorrichtung der D7. Seitenbereiche des Verstär¬kungs¬belags 34 werden durch einen festen Träger 12 geführt (vgl. Fig. 2).
- Diese weitere Führung schließt nach der unter I. 3. b) aa) (2) vorgenommenen Auslegung die Offenbarung des Merkmals 4 a) aus. Denn danach ist nicht nur eine weitere Führung durch das Gehäuse, sondern jede weitere Führung ausgeschlossen. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich bei dem festen Träger 12 um einen Teil des Gehäuses handelt, kommt es demnach nicht an.
- V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin sind Teilsicherheiten für die gesonderte vorläufige Vollstreckung festgesetzt worden.
- VI.
Der Streitwert wird auf € 3 Mio. festgesetzt.