Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2879
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 07. Februar 2019, Az. 4c O 103/17
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Vorstandsmitgliedern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
Steckverbinder für Medienleitungen, bestehend aus einem Steckerteil, das mit einem Steckerschaft dichtend in eine Aufnahmeöffnung eines Verbindergegenstückes einsteckbar und über Rastmittel lösbar gegen Herausziehen arretierbar ist, wobei das Steckerteil mit einem Leitungsanschlussabschnitt mindestens einen Leitungsabgang mit einer Leitungsachse aufweist, die zu einer Steckachse des Steckerschaftes quer oder gleichachsig ausgerichtet ist, wobei die Rastmittel aus mindestens zwei Rastarmen des Steckerteils bestehen, die sich zur Steckachse etwa parallel in Löserichtung erstrecken und in radialer Richtung federelastisch ausgebildet sind, wobei die Rastarme im eingesteckten Zustand jeweils eine innerhalb der Aufnahmeöffnung des Verbindergegenstückes vorhandene Raststufe rastend hintergreifen, und wobei das Steckerteil mit den Rastarmen als einstückiges, monolithisches Formteil ausgebildet ist, und ein derart beweglich mit dem Steckerteil verbundenes Verriegelungselement, dass es in einer Sicherungsstellung die Rastmittel gegen Lösen blockiert und in einer Lösestellung für eine die Arretierung aufhebende Lösebewegung freigibt, und wobei das Verriegelungselement in der Sicherungsstellung mit Riegelabschnitten derart in Spalte zwischen dem Steckerschaft und jedem Rastarm eingreift, dass jeder Rastarm in seinem freien Endbereich radial spielfrei fixiert ist - in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- bei denen die Rastmittel derart für eine kraftformschlüssige Verrastung ausgelegt sind, dass der Steckerschaft – in der Lösestellung des Verriegelungselements – einerseits mit einer Steckkraft rastend einsteckbar und andererseits mit einer Lösekraft rastend herausziehbar ist, wobei die Rastmittel zudem derart ausgebildet sind, dass die Steckkraft und die Lösekraft unterschiedlich groß sind, wobei jeder Rastarm einen radialen Rastansatz aufweist, der eine erste in Einstreckrichtung weisende Schrägfläche sowie eine gegenüberliegende zweite in Löserichtung weisende Schrägfläche aufweist; wobei der Rastansatz jedes Rastarmes im Zusammenwirken mit dem Verbindergegenstück derart mit unterschiedlichen Schrägflächen ausgebildet ist, dass die zum Lösen durch Herausziehen aus der Aufnahmeöffnung aufzubringende Lösekraft größer als die zum Einstecken erforderliche Steckkraft ist, wobei das Verriegelungselement in der Sicherungsstellung und in der Lösestellung kraftformschlüssig rastend relativ zum Steckerteil fixiert ist,
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
c. der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 28.12.2012 begangen hat, und zwar unter Angabe:
a. der Herstellungsmengen und -zeiten;
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet- Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,wobei die Angaben zu Ziffer 3.e. nur für die Zeit ab dem 01.01.2016 zu machen sind und
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
5. die unter Ziff. I.1. bezeichneten und benutzten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen. - II. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu Ziff. I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 01.10.2010 bis zum 27.12.2012 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen, wobei sich die Entschädigungspflicht auf die Herausgabe dessen beschränkt, was die Beklagte durch die Benutzung der angegriffenen Steckverbinder auf Kosten der Klägerin erlangt hat;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten und seit dem 01.01.2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei sich die Schadensersatzpflicht in der Zeit vom 28.12.2012 bis zum 31.12.2015 auf die Herausgabe dessen beschränkt, was die Beklagte durch die Benutzung der angegriffenen Steckverbinder auf Kosten der Klägerin erlangt hat. - III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. I.1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600.000,- EUR, hinsichtlich Ziff. I.2. und Ziff. I.3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- EUR, hinsichtlich Ziff. I.4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,- EUR, hinsichtlich Ziff. I.5 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,- EUR und hinsichtlich Ziff. III gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, wobei der Klägerin gestattet ist, die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen. - Tatbestand
- Die Klägerin ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 2 224 XXX B2 (Anlage K1; im Folgenden: Klagepatent), dessen deutschen Teil sie vorliegend geltend macht. Das Klagepatent wurde im August 2006 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 10. Oktober 2005 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 01. September 2010 und der Hinweis auf die Erteilung des Patents am 28. November 2012 veröffentlicht. Auf den Einspruch der Beklagten beim Europäischen Patentamt (im Folgenden: EPA) wurde das Klagepatent mit rechtskräftiger Entscheidung in der hier geltend gemachten Fassung eingeschränkt aufrechterhalten. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Das Klagepatent betrifft Steckverbinder für Medienleitungen. Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
- Steckverbinder (1) für Medienleitungen, bestehend aus einem Steckerteil (4), das mit einem Steckerschaft (6) dichtend in eine Aufnahmeöffnung (16) eines Verbindergegenstückes (2) einsteckbar und über Rastmittel (18) lösbar gegen Herausziehen arretierbar ist, wobei das Steckerteil (4) mit einem Leitungsanschlussabschnitt (8) mindestens einen Leitungsabgang (10) mit einer Leitungsachse (12) aufweist, die zu einer Steckachse (14) des Steckerschaftes (6) quer oder gleichachsig ausgerichtet ist,
wobei die Rastmittel (18) aus mindestens zwei Rastarmen (26) des Steckerteils (4) bestehen, die sich zur Steckachse (14) etwa parallel in Löserichtung (24) erstrecken und in radialer Richtung federelastisch ausgebildet sind, wobei die Rastarme (26) im eingesteckten Zustand jeweils eine innerhalb der Aufnahmeöffnung (16) des Verbindergegenstückes (2) vorhandene Raststufe (32) rastend hintergreifen, und wobei das Steckerteil (4) mit den Rastarmen (26) als einstückiges, monolithisches Formteil ausgebildet ist, und ein derart beweglich mit dem Steckerteil (4) verbundenes Verriegelungselement (34), dass es in einer Sicherungsstellung die Rastmittel (18) gegen Lösen blockiert und in einer Lösesteilung für eine die Arretierung aufhebende Lösebewegung freigibt, und wobei das Verriegelungselement (34) in der Sicherungsstellung mit Riegelabschnitten (74, 76) derart in Spalte (29, 29a) zwischen dem Steckerschaft (6) und jedem Rastarm (26) eingreift, dass jeder Rastarm (26) in seinem freien Endbereich radial spielfrei fixiert ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Rastmittel (18) derart für eine kraftformschlüssige Verrastung ausgelegt sind, dass der Steckerschaft (6) – in der Lösestellung des Verriegelungselements (34) – einerseits mit einer Steckkraft rastend einsteckbar und andererseits mit einer Lösekraft rastend herausziehbar ist,
wobei die Rastmittel (18) zudem derart ausgebildet sind, dass die Steckkraft und die Lösekraft unterschiedlich groß sind, wobei jeder Rastarm (26) einen radialen Rastansatz (30) aufweist, der eine erste in Einstreckrichtung weisende Schrägfläche (82) sowie eine gegenüberliegende zweite in Löserichtung weisende Schrägfläche (84) aufweist; wobei der Rastansatz (30) jedes Rastarmes (26) im Zusammenwirken mit dem Verbindergegenstück (2) derart mit unterschiedlichen Schrägflächen ausgebildet ist, dass die zum Lösen durch Herausziehen aus der Aufnahmeöffnung (16) aufzubringende Lösekraft größer als die zum Einstecken erforderliche Steckkraft ist, wobei das Verriegelungselement (34) in der Sicherungsstellung und in der Lösestellung kraftformschlüssig rastend relativ zum Steckerteil (4) fixiert ist. - Nachfolgende Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und zeigen exemplarisch ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel.
- Die Beklagte erhob mit Schriftsatz vom 04. April 2018 Nichtigkeitsklage zum Bundepatentgericht gegen das in beschränkter Fassung aufrechterhaltene Klagepatent, über die noch nicht entschieden worden ist.
- Die Klägerin agiert als weltweiter Zulieferer in der PKW- und Nutzfahrzeugindustrie. Ihr Fokus liegt auf Leitungs- und Verbindungstechnik. Zudem verfügt die Klägerin über Kenntnisse im Bereich von Pneumatiksystemen, SCR-Technik sowie Kraftstoff- und Hydrauliksystemen.
Gleichermaßen handelt es sich bei dem Unternehmen der Beklagten um einen Automobilzulieferer, der bei der Produktion und Verarbeitung von Gummi, Kunststoffen und Metall Weltmarktführer ist. Zu ihren Produkten zählen insbesondere Dichtungs- und Verbindungssysteme für die Automobilindustrie. Die Beklagte bietet an und vertreibt an die D einen Steckverbinder für Medienleitungen zusammen mit einer Leckölleitung (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die D ihrerseits bietet an und vertreibt die angegriffene Ausführungsform als D Originalteil unter der Nr. A 0651 XXX 01 32. Verbindungsgegenstück für diese Medienleitungen ist ein Injektor, der unter der Artikelnummer A 651 XXX 13 87 von der D vertrieben wird. - Unter dem 20. Dezember 2016 übersandte die Klägerin der Beklagten im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform eine Berechtigungsanfrage und signalisierte Bereitschaft zur Lizenzvergabe. Die Beklagte reagierte lediglich, indem sie rügte, dass keine Merkmalsgliederung beigefügt worden sei. Hinsichtlich der außergerichtlichen Korrespondenz wird auf das Anlagenkonvolut K3 verwiesen.
Durch die H, führte die Klägerin am 05. Juli 2016 einen Testkauf durch und erwarb eine angegriffene Ausführungsform. - Die Klägerin meint, dass die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform von der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents unmittelbaren wortsinngemäßen Gebrauch machen würde. Dies ergebe sich aus deren unstreitiger körperlicher Ausgestaltung, insbesondere aufweisend einen Steckerschaft mit zwei Rastarmen, welche ihrerseits über zwei in entgegengesetzte Richtungen angeordnete Schrägflächen verfügen würden, um die Verbindung mit einem entsprechenden Gegenstück zu ermöglichen. Auch sei die dafür erforderliche Lösekraft größer als die Steckkraft. Die Klägerin behauptet dazu, dass sowohl ihre eigene als auch die von ihr in Auftrag gegebene Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform, bei der ein Original-Verbindungsgegenstück mit der Teile-Nr. A651 XXX 13 87 eingesetzt worden sei, ergeben hätten, dass die Lösekraft größer als die Steckkraft sei. Die Lösekraft habe in den jeweiligen Versuchen bei über 50 N bzw. zwischen 64 und 68 N gelegen, wobei sich die Steckkraft auf knapp über 40 N bzw. zwischen 45 und 53 N bewegt habe. Diese Messergebnisse als Kurven dargestellt, würden zu den in der Klageschrift (S. 25, Bl. 25 GA) abgebildeten Graphen führen. Dieses Kräfteverhältnis werde durch die Anordnung der Schrägflächen an den Rastansätzen der angegriffenen Ausführungsform bedingt. Die kraftformschlüssige rastende Fixierung des Verriegelungselementes zum Steckerschaft werde über denselben Wirkmechanismus der Schrägflächen erreicht. Dazu behauptet die Klägerin, dass am Steckerschaft der angegriffenen Ausführungsform zwei Raststufen vorgesehen seien; Rastmittel an der Außenseite des Steckerschafts und korrespondierende Rastmittel an der Innenseite des Verriegelungselements würden kraftformschlüssig zusammenwirken.
Die Enden der Rastarme der angegriffenen Ausführungsform seien auch radial spielfrei fixiert. Hierzu meint die Klägerin, dass es für eine erfindungsgemäße Fixierung ausreiche, wenn die Bewegung des Rastarmendes in Richtung auf den Steckerschaft hin unterbunden werde. - Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag der Beklagten entgegen. Die entgegengehaltenen Dokumente nähmen die erfinderische Lehre des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg.
- Die Klägerin beantragt,
wie erkannt, mit Ausnahme der Anträge zu Ziff. I.2., in welchem Auskunft ab dem 28.12.2012, zu Ziff. I.3., in welchem Rechnungslegung ab dem 01.10.2010 bzw. für Ziff. I.3.e nur für die Zeit ab dem 28.12.2012, zu Ziff. II.1., in welchem die Feststellung der Entschädigungspflicht für die Zeit vom 01.10.2010 bis zum 27.12.2012 und zu Ziff. II.2., in welchem die Feststellung der Schadensersatzpflicht ab dem 28.12.2012 vorgesehen war. - Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise das Verfahren bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen. - Die Beklagte ist der Ansicht, dass keine Verletzung der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents vorliege. Sie behauptet, dass die angegriffene Ausführungsform nicht über Rastmittel für eine kraftformschlüssige Verrastung mit dem Verbindungsgegenstück verfügen würde, da die angegriffene Ausführungsform im zugehörigen Injektor auch nach dem Einstecken beweglich sei. Außerdem sei, wie sich aus den beauftragten Messungen der T ergebe (vgl. Anlage B4), die Lösekraft nicht größer, sondern sogar geringer als die Steckkraft. Die Lösekraft sei mit einem negativen Vorzeichen versehen worden, um die in umgekehrte Richtung zur Steckkraft wirkenden Kräfte zu veranschaulichen. Die gefundenen Messergebnisse würden – unstreitig – auf einem maximalen Verfahrweg von > 3,2 mm beruhen, da bei einem längeren Verfahrweg die Unterkante des Prüfadapters den Injektor berühren und die entstehende Querkraft beeinflussen würde.
Die seitens der Klägerin vorgetragenen Messwerte seien nicht plausibel. Im Verhältnis zueinander ergäben sich rechnerische Abweichungen, die technisch nicht zu erklären seien, im Übrigen würden Parameter der Messungen (wie Geschwindigkeiten und Zustand der benutzten Bauteile) fehlen, um diese nachvollziehen zu können. Alle diese Angaben seien dagegen, so behauptet die Beklagte weiter, aus dem ihrerseits zur Akte gereichten Prüfbericht zu ersehen.
Die angegriffene Ausführungsform weise keine Rastarme mit spielfrei fixierten Enden auf, weil, so behauptet die Beklagte, diese auch in der Sicherungsstellung noch nach außen bewegt werden könnten. Es sei keine Verriegelungsvorrichtung vorgesehen, welche über die äußeren Kanten der Rastarme reiche.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Hierzu behauptet die Beklagte, dass die Klägerin, was unstreitig ist, schon im Jahr 2007 von der streitgegenständlichen Patentverletzung Kenntnis gehabt habe. Dies folge aus dem eigenen Abmahnschreiben der Klägerin sowie aus der Tatsache, dass zu Beginn des Jahres 2008, im Ergebnis nicht erfolgreiche Lizenzverhandlungen zwischen den Parteien geschwebt hätten, was unstreitig ist.
Jedenfalls sei der Rechtsstreit auszusetzen, da dem Klagepatent mit Erfolg der Einwand mangelnder Neuheit entgegengehalten werden könne. Die Druckschrift EP 0 691 XXX A1 (Anlage B8; im Folgenden E1) würde die Merkmale des Klageanspruchs 1 neuheitsschädlich vorwegnehmen. Entsprechendes würde für die Druckschrift DE 39 35 XXX A1 (Anlage B7; im Folgenden E2) gelten. - Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet und nur im Hinblick auf den Umfang der begehrten Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Schadensersatz- und Entschädigungsfeststellung teilweise unbegründet. - I.
- 1.
Im Stand der Technik waren bereits Steckverbinder für Medienleitungen, insbesondere für Kraftstoffleitungen bekannt. Derartige Steckverbinder waren so ausgestaltet, dass sie am Steckerteil als Rastmittel zwei einstückig angeformte Rastarme aufweisen, welche sich auf einander diametral gegenüberliegenden Seiten des Steckerteils erstrecken. Die Rastarme verfügen über freie radial elastisch bewegliche Enden, die etwa parallel zur Streckachse und in die der Einsteckrichtung entgegengesetzten Richtung, was bedeutet in Löserichtung, ausgerichtet sind. Diese Rastarme dienen dazu, mit dem Aufnahmeteil eine Verbindung herzustellen, z.B. durch Verrastung oder Hintergreifen.
In seinen Absätzen [0002] bis [0006] führt das Klagepatent Dokumente an, um insbesondere die im Stand der Technik bekannten Mechanismen zur Sicherung der Rastarme mit dem Verbindungsgegenstück aufzuzeigen. So werden beispielsweise in dem von der Klagepatentschrift in Bezug genommenen Dokument DE 298 24 XXX U1 die Rastarme durch eine von außen über den Einsteckbereich aufsteckbare Schutzkappe gegen Lösen gesichert. Bevor sodann eine Lösebewegung durchgeführt werden kann, muss diese Schutzkappe zunächst entfernt werden. Die US 5 XXX 706 A offenbart einen hohlzylindrischen, am Rohr (Steckerschaft) verschiebbaren Ring, welcher auf diese Weise axial in den Bereich des Halteelementes geschoben werden kann.
Am Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, dass die bekannten Vorrichtungen viel Bauraum erfordern und die Schutzkappe, zur Sicherung der Rastarme ein separates Bauteil ist, welches einer nicht unerheblichen Verlustgefahr unterliegt. Deshalb formuliert es das Klagepatent als Aufgabe, einen Steckverbinder zu schaffen, der über eine kompakte Bauform verfügt und sich durch eine gute Handhabung mit geringem Raumbedarf für eine manuelle Lösebetätigung sowie durch einfache Herstellbarkeit und Montage auszeichnet. - Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1) Steckverbinder (1) für Medienleitungen,
2) bestehend aus einem Steckerteil (4), das mit einem Steckerschaft (6) dichtend in eine Aufnahmeöffnung (16) eines Verbindergegenstückes (2) einsteckbar und über Rastmittel (18) lösbar gegen Herausziehen arretierbar ist,
2.1) wobei das Steckerteil (4) mit einem Leitungsanschlussabschnitt (8) mindestens einen Leitungsabgang (10) mit einer Leitungsachse (12) aufweist, die zu einer Steckachse (14) des Steckerschaftes (6) quer oder gleichachsig ausgerichtet ist,
2.2) wobei die Rastmittel (18) aus mindestens zwei Rastarmen (26) des Steckerteils (4) bestehen, die sich zur Steckachse (14) etwa parallel in Löserichtung (24) erstrecken und in radialer Richtung federelastisch ausgebildet sind,
2.2.1) wobei die Rastarme (26) im eingesteckten Zustand jeweils eine innerhalb der Aufnahmeöffnung (16) des Verbindergegenstückes (2) vorhandene Raststufe (32) rastend hintergreifen,
2.3) und wobei das Steckerteil (4) mit den Rastarmen (26) als einstückiges, monolithisches Formteil ausgebildet ist,
3) und ein derart beweglich mit dem Steckerteil (4) verbundenes Verriegelungselement (34), das es in einer Sicherungsstellung die Rastmittel (18) gegen Lösen blockiert und in einer Lösesteilung für eine die Arretierung aufhebende Lösebewegung freigibt,
3.1) und wobei das Verriegelungselement (34) in der Sicherungsstellung mit Riegelabschnitten (74, 76) derart in Spalte (29, 29a) zwischen dem Steckerschaft (6) und jedem Rastarm (26) eingreift, dass jeder Rastarm (26) in seinem freien Endbereich radial spielfrei fixiert ist,
dadurch gekennzeichnet,
4) dass die Rastmittel (18) derart für eine kraftformschlüssige Verrastung ausgelegt sind, dass der Steckerschaft (6) – in der Lösestellung des Verriegelungselements (34) – einerseits mit einer Steckkraft rastend einsteckbar und andererseits mit einer Lösekraft rastend herausziehbar ist,
5) wobei die Rastmittel (18) zudem derart ausgebildet sind, dass die Steckkraft und die Lösekraft unterschiedlich groß sind,
5.1) wobei jeder Rastarm (26) einen radialen Rastansatz (30) aufweist, der eine erste In Einstreckrichtung weisende Schrägfläche (82) sowie eine gegenüberliegende zweite in Löserichtung weisende Schrägfläche (84) aufweist;
5.1.1) wobei der Rastansatz (30) jedes Rastarmes (26) im Zusammenwirken mit dem Verbindergegenstück (2) derart mit unterschiedlichen Schrägflächen ausgebildet ist, dass die zum Lösen durch Herausziehen aus der Aufnahmeöffnung (16) aufzubringende Lösekraft größer als die zum Einstecken erforderliche Steckkraft ist,
6) wobei das Verriegelungselement (34) in der Sicherungsstellung und in der Lösestellung kraftformschlüssig rastend relativ zum Steckerteil (4) fixiert ist. - 2.
Die Anspruchsmerkmale bzw. -gruppen 1), 2), 3) und 5) stehen zwischen den Parteien zurecht nicht in Streit, sodass sich hierzu Ausführungen erübrigen.
Im Streit steht hingegen die in den Merkmalen 4) und 6) genannte „Kraftformschlüssigkeit“, und der in Merkmal 3.1) vorgesehene Begriff „radial spielfrei fixiert“.
Nach Art. 69 EPÜ i.V.m. § 14 S. 1 PatG wird der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt, wobei auch die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind, § 14 S. 2 PatG. Eine Auslegung des Patentanspruchs hat immer zu erfolgen und darf selbst dann nicht unterbleiben, wenn der Wortlaut des Anspruchs eindeutig zu sein scheint (BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum; BGH, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente). Sie ist schon deshalb geboten, weil Patentschriften im Hinblick auf die dort verwendeten Begriffe ihr eigenes Lexikon darstellen. Weichen diese vom allgemeinen Sprachgebrauch ab, kommt es letztlich nur auf den sich aus der Patentschrift ergebenden Begriffsinhalt an (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Deswegen kann sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergeben, das von demjenigen abweicht, welches der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt (BGH, GRUR 2015, 972, – Kreuzgestänge; GRUR 2015, 875 – Rotorelemente; BGH, GRUR 2015, 1095 – Bitratenreduktion). Selbst dann, wenn der Anspruchswortlaut (vermeintlich) eindeutig erscheint, muss unter Heranziehung der Beschreibung eine Auslegung erfolgen. Der Grund hierfür ist, dass die Beschreibung die Funktion hat, die geschützte Erfindung zu erläutern. Dabei ist die Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und der Patentanspruch im Zweifel so zu verstehen, dass sich keine Widersprüche zu den Ausführungen in der Beschreibung und den bildlichen Darstellungen in den Zeichnungen ergeben, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als ein sinnvolles Ganzes verstanden werden (BGH, GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine; OLG Düsseldorf, Mitt 1998, 179 – Mehrpoliger Steckverbinder; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Kap. A., Rn. 11; Rinken/Kühnen in: Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 10. Aufl., § 14 Rn. 20 m. w. N.). - a.
Unter dem u.a. in Merkmal 4 benutzten Begriff „kraftformschlüssig“ versteht das Klagepatent einen Verbindungsmechanismus zweier Bauteile, dass zwei Vorrichtungselemente allein aufgrund der Ausgestaltung ihrer Flächen miteinander verbunden werden können. Der Kraftformschluss zeichnet sich dadurch aus, dass Schrägflächen derart angeordnet sind, dass zur Lösung einer bestehenden Verbindung zwischen zwei Elementen ein rastendes Herausziehen unter Anwendung einer bestimmten Lösekraft möglich ist. Die Rastmittel werden dabei nicht beschädigt. Die Herauslösung erfolgt in einem Schritt; es muss nicht zunächst die Rastung aus der Sicherheitsstellung gelöst werden, bevor die eigentliche Herausnahmebewegung stattfinden kann. - Die von der Klägerin als Anlagen K6 und K8 zur Akte gereichten Auszüge aus der Fachliteratur belegen, dass dem Fachmann der Begriff des Kraftformschlusses im Prioritätszeitpunkt als allgemeines Fachwissen bekannt war. Unerheblich ist, ob diese auszugsweise vorgelegten Lehrbuchauszüge im Klagepatent Erwähnung finden oder ob der Fachmann Anlass zu deren Kombination hatte. Damit stellt die Beklagte auf die Prüfkriterien der erfindungsgemäßen Tätigkeit ab, welche aber regelmäßig nur im Rahmen des Rechtsbestandes Anwendung finden. Im Übrigen will de Klägerin auch keine Kombination dieser Dokumente geltend machen, sondern lediglich veranschaulichen, dass der Fachmann wusste und weiß, was ein Kraftformschluss ist.
Das seitens der Beklagten angeführte Bild 12 der Anlage K8 begründet keinen Widerspruch zu dem Grundsatz, dass für einen Kraftformschluss die Rastmittel und Raststufen zueinander Schrägflächen aufweisen müssen. Denn bei dieser bildlichen Darstellung dürfte es sich um ein Beispiel für einen Formschluss, aufweisend rechtwinklige Flächen, handeln. So lautet bereits die Unterschrift der Abbildungsübersicht, dass es sich um Form- und Kraftformschlussverbindungen handelt. Die Beklagte hat mithin eine Formschlussverbindung ausgewählt, die keinen Aussagegehalt für den relevanten Kraftformschluss hat.
Schließlich verfängt auch die weitere Kritik der Beklagten an den vorgelegten Literaturauszügen nicht. Dass die Anlage K6 mit „Biegeelemente“ überschrieben ist, ist unschädlich. Jedenfalls im weiteren Verlauf der textlichen Ausführungen wird klar, dass Werkstoffe insgesamt in Bezug genommen werden. Unerheblich ist, dass keine explizite Definition des Begriffes Kraftformschluss aufgestellt wird. Denn aus den Schilderungen und bildlichen Darstellungen geht hinreichend deutlich hervor, wie der Wirkmechanismus eines solchen Schlusses funktioniert. Ebenfalls ohne Belang ist, dass auch gerade in der Anlage K8 verschiedene Ausgestaltungen derselben Verschlussart aufgezeigt werden. Nur wenn verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten derselben Verbindungsart vorhanden sind, schmälert dies nicht den Bedeutungsgehalt eines Kraftformschlusses, wobei die Beklagte eine solche Konsequenz in ihrem Vortrag auch gar nicht zieht.
Der Fachmann erkennt daher, dass es für das Vorliegen eines Kraftformschlusses auf in einer bestimmten Weise angeordnete Schrägflächen ankommt. Im Einzelnen können solche Kraftformschlüsse, wie die Fachliteratur zeigt, verschieden ausgestaltet sein, aber ohne den Wirkmechanismus aufzugeben. Den Auslegungsmaterialien kann der Fachmann keinen Hinweis darauf entnehmen, dass es weitere Faktoren wie Reibung, also Material und Oberflächenbeschaffenheit der jeweiligen Schrägflächen, gibt, die für ein Funktionieren dieses Verschlusses erforderlich sind.
Dieses genannte Verständnis wird von der in der Klagepatentschrift vorgesehenen Ausgestaltung der Rastmittel und der dort vorhandenen Schrägflächen bekräftigt. Denn diese sind gerade auf einen Kraftformschluss ausgerichtet. So wird unmittelbar in Merkmal 5.1 beschrieben, dass der Rastarm eine erste in Einsteckrichtung weisende und eine zweite in Löserichtung weisende Schrägfläche aufweist. Außerdem wird in den Absätzen [0029] und [0030] ausdrücklich die Anordnung der Schrägflächen thematisiert und angegeben, in welchem Winkel sich die Schrägflächen zur Steckachse verhalten. Nicht übersehen wird dabei, dass sich diese Beschreibungsabsätze auf bevorzugte Ausführungsbeispiele beziehen und die Winkelanordnung bevorzugterweise einem Kraftformschluss dient. Allerdings ist der Kraftformschluss ausdrücklich Gegenstand des Anspruchswortlauts, sodass hier über die Heranziehung der Ausführungsbeispiele zur Auslegung keine unzulässige Einengung des Schutzbereichs stattfindet.
Außerdem ist dem Fachmann bekannt, dass das erfindungsgemäße Kräfteverhältnis, wie es sich insbesondere den Absätzen [0029] und [0030] entnehmen lässt, anhand von Parallelogrammen jeweils für eine Steckrichtung geometrisch darstellbar ist. Die Addition der jeweiligen Einzelkräfte führt zur aufzuwendenden Gesamtkraft.
Die Kritik der Beklagten an der geometrischen Darstellung der wirkenden Kräfte verfängt nicht. Soweit sie sich auf die Absätze [0009] und [0014] der Patentbeschreibung stützt, besagen diese, dass die Steckkraft und Lösekraft unterschiedlich groß sein müssen. Tatsächlich sind diese Kräfte messbar und ausgehend von der Beschreibung muss eine solche Messung ergeben, dass die Lösekraft größer als die Steckkraft ist. Dies ändert aber nichts daran, dass schon/auch anhand geometrischer Zeichnungen und entsprechender Berechnungen festgestellt werden kann, dass bei einer Vorrichtung nach der erfindungsgemäßen Lehre die Lösekraft größer ist als die Steckkraft.
Die Formulierung in Merkmal 5, wonach Rastarme „zudem derart ausgebildet sind, dass…“ ist nicht als weitere Anforderung an die Ausgestaltung der Rastarme zu lesen, die zu der in Merkmal 4 beschriebenen Konzeption hinzukäme. Diese Wendung könnte rein philologisch zwar dahin zu verstehen sein, dass eine weitere Voraussetzung aufgestellt wird. Dafür finden sich aber in der Klagepatentschrift keine Anhaltspunkte. Vielmehr wird in Abs. [0009], in dem die Ausgestaltung der Rastarme beschrieben wird, zur beabsichtigten kraftformschlüssigen Verrastung ausgeführt, ohne dass zwischen einer primären Ausgestaltung, die dem Kraftschluss dient, und einer zusätzlichen (zudem), die der geringeren Lösekraft führt, differenziert. - b.
Das Merkmal 6 bedarf hinsichtlich des Ausdrucks „radial spielfrei fixiert“ der Auslegung.
Zuzugestehen ist der Beklagten, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 uneingeschränkt bezüglich der Bewegungsrichtung formuliert und auch in der Klagepatentschrift keine eigene Definition des Ausdrucks „radial spielfrei fixiert“ zu finden ist. Dennoch folgt allein aus dem Fehlen einer solchen Begriffsbestimmung nicht, dass nach der erfindungsgemäßen Lehre der Endbereich des Rastarms auch nach außen unbeweglich sein muss. Vielmehr ergibt sich für den Fachmann im Ergebnis, dass sich der Ausdruck „radial spielfrei“ nur auf die Bewegungsfreiheit der Endbereiche der Rastarme in Richtung auf den Steckerschaft bezieht, mithin nach innen.
Gestützt wird der Fachmann in diesem Verständnis durch eine Betrachtung des Klagepatentanspruchs 1 mit der allgemeinen Beschreibung sowie den weiteren zur Auslegung heranzuziehenden Materialien (Ausführungsbeispiele und Skizzen).
Der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift in Abs. [0007] und Abs. [0009] der allgemeinen Beschreibung, dass die erfindungsgemäße Lehre insbesondere darauf abzielt, ein ungewolltes Lösen der Rastarme zu verhindern. Wörtlich heißt es in Abs. [0009] dazu, dass eine radial nach innen gerichtete Lösebewegung blockiert werden soll. Es finden sich an keiner Stelle in der Beschreibung des Klagepatents Ausführungen, wie mit dem Endbereich der Rastarme nach außen hin zu verfahren ist. Dies ist indes unschädlich, da deren Absicherung gegen eine vom Steckerschaft weg gerichtete Bewegung nicht der erfindungsgemäßen Aufgabe der Blockade des Lösemechanismus dienen würde.
Die vorstehende Auslegung anhand des Wortlauts der Klagepatentschrift findet Bestätigung unter Berücksichtigung eines technisch-funktionalen Verständnisses. Der Fachmann erkennt, dass durch das Verriegelungselement in der Sicherungsstellung, mithilfe dessen die Fixierung der Rastarme bewerkstelligt werden soll, der Lösemechanismus blockiert werden soll. Dieser wird aber nur dann ausgelöst, wenn die Rastarme über Bewegungsfreiheit zum Steckerschaft hin verfügen. Dies ist Grund dafür, weshalb das Verriegelungselement zur Sicherung gerade in den Zwischenraum zwischen den Rastarmen und dem Steckerschaft eingreift, vgl. Abs. [0016]. Dagegen ist eine Bewegungsmöglichkeit der Rastarme nach außen, also vom Steckerschaft weg, nicht planmäßig vorgesehen. Wenngleich durch Krafteinwirkung überhaupt auch die Aufdehnung der Rastarme nach außen erfolgen kann, entnimmt der Fachmann der Klagepatentschrift jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass auch diese – nicht vorgesehene – Bewegungsmöglichkeit eliminiert werden müsste, da keine Lösung der Rastarme drohen würde. Selbst wenn die Rastarme nach außen gebogen werden können und nur ihre eigene Federkraft (so seitens der Beklagten eher untechnisch bezeichnet) dieser Bewegungsrichtung entgegenstehe, ergibt sich daraus für den Fachmann kein anderes Verständnis. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Rastarme für solche Bewegungen konzipiert wurden und dazu ausgelegt sind. Vielmehr ist jeder körperliche Gegenstand aufgrund einwirkender Kraft beweglich, ohne notwendigerweise dafür vorgesehen zu sein; bei zu großem Kraftaufwand sind Beschädigungen in der Folge aber nicht ausgeschlossen, nämlich dann, wenn die eigene Federkraft des Körpers nicht mehr groß genug ist, sich der einwirkenden Kraft zu widersetzen.
Schließlich bekräftigen bspw. die Figuren Ziff. 1 und Ziff. 36 aus der Klagepatentschrift das gefundene Auslegungsergebnis. Bei beiden Skizzen handelt es sich um bevorzugte Ausführungsbeispiele, die die Sicherungsstellung des Verriegelungselementes abbilden. In beiden Fällen werden keine Fixierungsmechanismen an den Außenseiten der Endbereiche der Rastarme offenbart. Für die Figur 36 gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil nur der Bereich des Verriegelungselementes und des Rastarms ohne den ihn umgebenden Teil des Verbindungsgegenstücks dargestellt werden. Die Figur 36 ist aber in unmittelbarem Zusammenhang mit der Figur 35 zu sehen, aus welcher eindeutig hervorgeht, dass das Verbindungsgegenstück lediglich bis zur Unterkante des Endbereichs ragt. Entgegen der Kritik der Beklagten, dass Merkmale der Ausführungsbeispiele generalisierend auf den Klagepatentanspruch 1 übertragen werden sollen, ist hier die Heranziehung der Ausführungsbeispiele unbedenklich, da sie hier nicht zu einer einengenden Betrachtung des Schutzbereichs führen (sollen).
Ihren pauschalen Ansatz, spielfrei bedeute, dass „keine relative Bewegung mehr möglich“ sei, erläutert die Beklagte nicht näher. Er ist damit nicht geeignet, ein anderes Verständnis zu begründen.
Darüber hinaus ändern an diesem Auslegungsergebnis auch die seitens der Beklagten angeführten Figuren 8a, 17a, 35 und 36 aus der Klagepatentschrift nichts, welche nach Ansicht der Beklagten zeigen sollen, dass ein Ausfedern der Rastarme auch nach außen hin verhindert werden soll. Unabhängig davon, dass es sich bei den angeführten Figuren lediglich um bevorzugte Ausführungsformen handelt, welche nicht in der Lage sind, den Anspruchsinhalt dahingehend einzuschränken, dass die spielfreie Fixierung zu beiden Seiten der Endbereiche gegeben sein muss, ergibt sich aus diesen Zeichnungen auch nicht, dass die Endbereiche der Rastarme nach außen hin spielfrei fixiert wären. Die Beklagte selbst macht keine näheren Ausführungen, woran sie diese Annahme technisch festmacht. Sie führt nur dazu aus, dass das radiale Ausfedern der Rastarme durch das anliegende Element verhindert wird. Dies verfängt aber schon nicht, weil es nicht den Endbereich der Rastarme betrifft.
Vielmehr ist anhand der Bezifferung der Vorrichtungsbestandteile in den Figuren eindeutig zu erkennen, dass die Endbereiche (28) stets freigehalten sind. Eine äußere Fixierung ist nicht vorgesehen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den mit diesen Zeichnungen korrespondierenden Absätzen der Klagepatentschrift, Abs. [0020], Abs. [0023]. Diese Beschreibungsstellen beziehen sich vorwiegend auf die Ausgestaltung des Verriegelungselementes als solches, welches ringförmig um den Steckerschaft herumsitzt. Dagegen ergeben sich keine Anhaltspunkte, wonach die Endbereiche der Rastarme etwa ringförmig von einer Fixierung umgeben wären.
Daher ist auch nicht die seitens der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BGH (GRUR 2015, 972, Kreuzgestänge) auf diesen Sachverhalt anwendbar. Danach gilt, dass, wenn in der Beschreibung eines Patents mehrere Ausführungsbeispiele als erfindungsgemäß vorgestellt werden, die im Patentanspruch verwendeten Begriffe im Zweifel so zu verstehen sind, dass sämtliche Beispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können. Nur wenn und soweit sich die Lehre des Patentanspruchs mit der Beschreibung und den Zeichnungen nicht in Einklang bringen lässt und ein unauflösbarer Widerspruch verbleibt, dürfen diejenigen Bestandteile der Beschreibung, die im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden haben, nicht zur Bestimmung des Gegenstands des Patents herangezogen werden (vgl. BGH, a.a.O., 2. Leitsatz). Dieser Grundsatz ist auf den hiesigen Rechtsstreit nicht zu übertragen, weil es gerade an Ausführungsbeispielen fehlt, die über den Inhalt des Patentanspruchs hinausgehen. - c.
Dem vorstehenden Verständnis steht nicht entgegen, dass die Klägerseite im Laufe des Einspruchsverfahrens aus dem Jahr 2014 eventuell einen anderen Auslegungsansatz als vorliegend vertreten hat. Selbst wenn in der seitens der Beklagten zitierten Passage auf Bl. 8 des Schriftsatzes der Klägerin vom 04.04.2014 (Anlage E1) eine andere Auffassung der Klägerin zum Ausdruck kommen sollte, ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn eine Partei innerhalb mehrerer Jahre und vor allem nach Durchlaufen eines Einspruchsverfahrens ihre Rechtsauffassung ändert. Für das hiesige Verfahren ist allein die hier vertretene klägerische Ansicht maßgeblich, ohne dass frühere Meinungen ein Gewicht haben. Im Übrigen dient der Parteivortrag zur Auslegung dem Gericht lediglich als Anhaltspunkt; das Gericht hat das Klagepatent eigenständig und nach seinem objektiven Regelungsgehalt auszulegen. - 3.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß.
a.
Für das Merkmal 1, die Merkmalsgruppe 2 sowie die Merkmale 3, 5 und 5.1 wird schon von den Parteien eine unmittelbare Verletzung des Klagepatentanspruchs nicht diskutiert. - b.
Die angegriffene Ausführungsform weist eine erfindungsgemäße kraftformschlüssigen Verrastung auf. Dies gilt sowohl im Verhältnis der Rastarme zum Verbindungsgegenstück (Merkmal 4) als auch für die Fixierung des Verriegelungselements hin zum Steckerteil (Merkmal 6).
Die angegriffene Ausführungsform ist so gestaltet, dass sie am Steckerschaft radiale Rastansätze aufweist, welche über zwei Schrägflächen verfügen, von denen die eine in Einsteckrichtung und die andere in Löserichtung weist. Dies hat die Klägerin mit zur Akte gereichten Lichtbildaufnahmen der angegriffenen Ausführungsform anschaulich aufgezeigt. Im Übrigen hat die Beklagte die Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform im Hinblick auf das Vorhandensein von Schrägflächen an den Rastansätzen zu keiner Zeit bestritten.
Unerheblich ist auch, aus welchem Material die Schrägflächen bestehen. Soweit die Beklagte auf daraus abzuleitende Eigenschaften wie z.B. Reibung abstellen will, welche auch das Funktionieren eines Kraftformschlusses bedingen würden, fehlen dazu im Auslegungsmaterial Hinweise. Im Übrigen betreffen gerade die Auszüge der Fachliteratur Vorrichtungen wie die angegriffene Ausführungsform. Denn diese Auszüge beziehen sich ausdrücklich auf Kunststofftechnik und die zur Akte gereichten Lichtbilder zeigen einen aus Kunststoff hergestellten Steckverbinder.
Soweit die Beklagte behauptet, es fehle an einem kraftformschlüssigen Verrasten und es verbleibe bei einer Beweglichkeit der Rastarme in der Öffnung des Injektors, bleibt dieser Vortrag ohne Erfolg. Es sind keine Tatsachen vorgetragen oder ersichtlich, aus denen die fortbestehende Beweglichkeit folgen würde. Die in der Klageerwiderung enthaltenen Angaben sind nicht geeignet, diesen Nachweis zu führen; eine technische Erläuterung ist nicht erfolgt.
Ausgehend von vorstehenden Erläuterungen einer kraftformschlüssigen Verrastung weist die angegriffene Ausführungsform auch ein Verriegelungselement auf, welches kraftformschlüssig relativ zum Steckerschaft fixiert wird. Diese Ausgestaltung hat die Klägerin durch Bezugnahme auf Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsform gezeigt. Auf diesen ist zu erkennen, dass für die Sicherungs- und Lösestellung zwei verschiedene Raststufen vorgesehen sind, in welche sich das Verriegelungselement jeweils kraftformschlüssig einfügt. Die Beklagte hat dagegen nur pauschal die kraftformschlüssige Fixierung angegriffen, ohne etwa die auf den Lichtbildern dargestellte körperliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform oder die technische Funktion der ausgebildeten Schrägflächen zu beanstanden. - c.
Die angegriffene Ausführungsform macht Gebrauch von Merkmal 3.1 des Klagepatentanspruchs 1. Die Rastarme sind dort im Endbereich im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre radial spielfrei fixiert. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass eine Verriegelungseinrichtung in den freien Spalt zwischen den Rastarmen und dem Steckerschaft eingreift und dadurch eine Bewegung der Rastarme nach innen, d.h. in Richtung des Steckerschaftes, verhindert wird. Es fehle lediglich an einem Übergreifen des Verriegelungselements über die äußeren Kanten der Rastarme. Wie aber im Rahmen der Auslegung gezeigt, kommt es auf die Beweglichkeit der Rastarme nach außen für eine Tatbestandverwirklichung nicht an. Wenn die Beklagte also behauptet, eine Biegung der Rastarme nach außen bliebe in der Sicherungsstellung möglich, steht dies einer Patentverletzung nicht entgegen. - d.
Es ist weiterhin feststellbar, dass die aufzuwendende Lösekraft größer als die Steckkraft ist (Merkmal 5.1.1).
Darlegungsbelastet für die Verwirklichung der Anspruchsmerkmale ist zunächst die Klägerin. Sie hat sowohl eine eigene Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform vorgenommen als auch eine weitere in Auftrag gegeben. Außerdem hat sie die Ähnlichkeit der angegriffenen Ausführungsform mit der ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel darstellenden Figur 36 des Klagepatents aufgezeigt. - aa.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich diese Merkmalsverwirklichung aber nicht schon aus den ihrerseits dokumentierten Messungen. Denn die eigenen Messungen der Klägerin bzw. diejenigen, die sie bei der Fa. Voss in Auftrag gegeben hat, sind für sich betrachtet nicht nachvollziehbar. Es fehlen Angaben zu den Prüfobjekten und deren Zustand, ob z.B. ein verschmutzter Injektor zum Einsatz kam; bekannt ist lediglich, dass es sich um Originalteile gehandelt hat. Der Prüfaufbau nebst eingesetzten Prüfgeräten ist nicht dokumentiert. So ist insbesondere aus der Anlage K10 nicht wie behauptet der relevante Versuchsaufbau als Ausgangpunkt der Messungen zu ersehen. Es handelt sich lediglich um eine Zusammenstellung von Lichtbildern, die teils noch in Verpackung befindliche Original-Teile zeigen und die Auskunft mithin über die für die Prüfung benutzten Prüfobjekte geben soll.
Deshalb ist nicht festzustellen, ob die seitens der Klägerin am Versuchsaufbau der Beklagten geäußerte Kritik, wonach die zu Testzwecken eingesetzte Kraft zentrisch auf die angegriffene Ausführungsform gewirkt hat, berechtigt ist. Denn es ist nicht ersichtlich, dass im klägerischen Versuch die aufgebrachte Kraft zentrisch gewirkt hätte. Vielmehr erscheint dies bereits aufgrund der Konstruktion der angegriffenen Vorrichtung auch nicht möglich zu sein. Im Übrigen dürfte ein Vergleich zwischen den von der Klägerin abgelichteten Versuchsaufbau mit demjenigen der Beklagten, ersichtlich aus der Anlage B4, S. 5 zeigen, dass die Vorgehensweise der beiden Parteien sehr ähnlich war. Relevante Unterschiede sind jedenfalls allein anhand der Lichtbilder nicht festzustellen. Im Zusammenhang mit dem Prüfaufbau fehlen desweiteren Angaben zur eingesetzten Geschwindigkeit.
Keinerlei Erklärung lieferte die Klägerin mehr zu den in der Klageschrift aufgezeigten Koordinatensystemen und dem darin dargestellten Kurvenverlauf, welcher die jeweils aufzuwendende Kraft darstellen soll, obwohl die Beklagte Kritik an dieser Darstellung geäußert hat.
Dagegen vermag das seitens der Beklagten in Auftrag gegebene Prüfgutachten ebenso wenig zu überzeugen. Zunächst ist jedoch festzustellen, dass nicht sämtliche Kritik der Klägerin an diesem Gutachten berechtigt ist. Insbesondere wird der Zustand der Prüfobjekte umfangreich dokumentiert; dies bezieht sich sowohl auf die Zeit vor Durchführung des Tests als auf diejenige danach. Negative Abweichungen werden vermerkt. Ebenso wird detailliert angegeben, um welche Prüfobjekte es sich handelte, sie wurden anhand ihrer jeweiligen Artikelnummern bezeichnet. Außerdem wurden die zur Messung herangezogenen Gerätschaften beschrieben. Insoweit gesteht das Gutachten zu, dass bei Verfahrwegen >3,2 mm die Unterkante des Prüfadapters den Injektor tangiert, sodass für größere Verfahrwege keine zuverlässigen Messergebnisse ermittelt werden können. Von Versuchen in dieser Größenordnung wurde daher abgesehen. Aufgrund dessen vermag die Kammer nicht festzustellen, ob die Messergebnisse basierend auf einem Verfahrweg unterhalb dieser Grenze hinreichend repräsentativ sind. - bb.
Die Verwirklichung dieses Anspruchsmerkmals resultiert indes aus der Ausbildung der Schrägflächen in der angegriffenen Ausführungsform und dem dadurch ermöglichten Kraftformschluss. Denn schon die bloße Ausgestaltung der Rastansätze mit den Schrägflächen als solche bedingt das anspruchsgemäße Kräfteverhältnis, sodass unschädlich ist, dass der Nachweis des Kräfteverhältnisses nicht schon aus den Gutachten resultiert.
Wie bereits ausgeführt, verfügt die angegriffene Ausführungsform an ihren Rastarmen über zwei verschieden ausgebildete Schrägflächen im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre. Aufgrund der im Verbindungsgegenstück korrespondierend ausgestalteten Flächen rasten die die Rastmittel kraftformschlüssig ein.
Den seitens der Klägerin zur Akte gereichten Lichtbildern (vgl. Klageschrift S. 28, Bl. 28 GA) ist dabei eindeutig zu entnehmen, dass der Winkel, der in Einsteckrichtung angeordneten Schrägfläche, gesehen vom Steckerschaft spitz ist. Demgegenüber ist der Winkel der in Löserichtung angeordneten Schrägfläche doppelt so groß, also stumpf messend vom Steckerschaft ausgebildet. Damit entspricht diese Konstruktion der Anordnung der Schrägflächen nebst vorgegebenen Winkeln, wie sie dem in Figur 36 dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispiel entnommen werden kann.
Gegenteilige tatsächliche Ausführungen der Beklagten, die für einen anderen Verschlussmechanismus in der angegriffenen Ausführungsform sprechen, fehlen auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung.
So sind schon die von der Beklagten behaupteten anderen Faktoren/Effekte, wie insbesondere Reibung, die sich auf das Kräfteverhältnis auswirken sollen, in technischer Hinsicht nicht festzustellen.
Unabhängig davon, dass das Klagepatent selbst keinen Bezug auf etwaige weitere die Kraftverhältnisse beeinflussende Materialeigenschaften nimmt, würde sich eine vom Material des Steckverbinders bedingte Reibung jedenfalls sowohl beim Einsteckvorgang als auch beim Lösevorgang auswirken und es wäre nicht einseitig die Lösekraft oder die Einsteckkraft betroffen.
Schließlich sind auch die Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung anhand der Anlage B1 des Protokolls zur Biegekraft der Rastarme nicht erheblich, um eine gegenüber der Einsteckkraft geringere Lösekraft aufzuzeigen. Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass die aufzuwendende Lösekraft im Bereich der Balkenbefestigung größer als im Bereich des Balkenendes ist, verfängt dies nicht. Denn zur Bestimmung der Lösekraft ist ausschließlich das Balkenende zu berücksichtigen, da nur dieser Bereich dafür vorgesehen ist, die Lösebewegung zu initiieren. Das Balkenende steht für die Lösebewegung gar nicht zur Verfügung, weil es im Verbindungsgegenstück verrastet ist. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob in der Erstreckung des Rastarms Kraft auf diesen ausgeübt werden könnte; tatsächlich wird Kraft nur im Endbereich auf diesen ausgeübt.
II.
Aus den zuvor festgestellten Verletzungshandlungen ergeben sich die aus dem Tenor ersichtlichen Rechtsfolgen. - 1.
Gem. Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG hat die Beklagte die verletzende Handlung zu unterlassen.
Hinsichtlich dieses Anspruchs kommt die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht zum Tragen.
Gem. § 141 PatG sind auf die Verjährung von Ansprüchen wegen Patentverletzung die allgemeinen Verjährungsvorschriften, §§ 199 BGB ff., anzuwenden. Danach beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt hat (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E, Rn. 661 ff.). Die haftungsbegründenden Tatsachen zu Tat und Täter müssen so vollständig und sicher sein, dass sie einen zwar nicht risikolosen, aber dennoch einigermaßen ausreichenden Erfolg einer Klage versprechen und diese dem Verletzten bei verständiger Würdigung der Rechtslage auch zumutbar ist.
Somit unterliegt auch ein Unterlassungsanspruch grundsätzlich der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist. Da es sich allerdings um einen in die Zukunft gerichteten Anspruch handelt, entsteht er aufgrund der kontinuierlichen Begehung der Verletzungshandlungen und der dadurch ausgelösten Wiederholungsgefahr immer wieder neu.
Zuletzt ist er vorliegend jedenfalls im Jahr 2016 durch den seitens der Klägerin durchgeführten Testkauf bei der R aktualisiert worden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte den Kauf an die Klägerin nicht selbst vorgenommen hat. Denn dieser Testkauf zeigt jedenfalls, dass auch im Jahr 2016 Produkte der Beklagten auf dem Markt käuflich erworben werden konnten. - 2.
a.
Aufgrund der erhobenen Einrede der Verjährung hat die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz bzw. die dahingehende Feststellung lediglich ab dem 01.01.2016.
Der Schadensersatzanspruch entstand, wie von der Klägerin beantragt, am 28.12.2012. Gem. § 141 PatG i.V.m. §§ 199 Abs. 1, 195 BGB ist dieser Anspruch aber zum 31.12.2015 verjährt. Unerheblich ist, dass der Klägerin bereits im Jahr 2007 bekannt war, dass die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent verletzt. Dass sogar beide Parteien von einer sehr wahrscheinlichen Patentverletzung ausgingen, belegen die zu Anfang des Jahres 2008 geführten Lizenzvertragsverhandlungen. Zu dieser Zeit fehlte es aber noch an einem Schutzrecht zugunsten der Klägerin, weil die Anmeldung des Klagepatents erst im Jahr 2010 und der Hinweis auf dessen Erteilung im Jahr 2012 veröffentlicht wurden.
Für die Zeit ab Beginn des Jahres 2016 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im hiesigen Verfahren, ist auch von weiteren Benutzungshandlungen durch die Beklagte auszugehen. Dafür spricht schon, dass die angegriffene Ausführungsform, wie der klägerische Testkauf zeigt, noch am Markt verfügbar war.
Für die Zeit vom 28.12.2012 bis zum 31.12.2015 verbleibt der Klägerin dagegen lediglich ein Restschadensersatzanspruch als Minus zum Schadensersatzanspruch. Der Anspruch auf Restschadensersatz folgt aus den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung, § 852 BGB i.V.m. §§ 812, 818 BGB. Dieser Anspruch ist auf die Herausgabe des durch die Benutzung des Klagepatents Erlangten gerichtet.
Dieser Anspruch verjährt 10 Jahren ab dessen Entstehung (§ 852 S. 2 BGB). Die Verjährungsregel des § 852 S. 2 BGB entspricht inhaltlich der des § 199 Abs. 3 BGB (Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, § 852 Rn. 2 a.E.). Für diese gilt die Ultimo-Regel von § 199 Abs. 1 BGB nicht, sondern eine taggenaue Verjährung (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 199 Rn. 42).
Der Lauf dieser Verjährungsfrist ist gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Erhebung der Klage gehemmt. Erhoben ist die Klage mit der Zustellung (§ 253 ZPO), wobei die verjährungshemmende Wirkung nach § 167 ZPO schon mit Einreichung der Klage eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 204 Rn. 6 f.). Die Klage wurde am 20.12.2017 bei Gericht eingereicht und der Beklagten demnächst, nämlich am 02.01.2018 zugestellt. - b.
Gleichfalls verjährt ist der aus Art. II § 1 IntPatÜG resultierende Entschädigungsanspruch. Er ist am 01.10.2010 entstanden und nach den anzuwendenden Vorschriften zum 31.12.2013 verjährt. Auch insoweit bleibt der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2010 bis zum 28.12.2012 nur ein Restentschädigungsanspruch gem. § 852 BGB i.V.m. §§ 812, 818 BGB. - c.
Für die verbleibenden auf Entschädigung bzw. Schadensersatz gerichteten Feststellungsansprüche hat die Klägerin das gem. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Denn mangels näherer Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist es dem Kläger erst nach Erteilung der Auskunft möglich, diese Ansprüche der Höhe nach zu beziffern. Bis dahin besteht jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung dem Grunde nach (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 465).
3.
Der geltend gemachte Anspruch auf Rechnungslegung resultiert aus Art. 64 EPÜ,
§§ 242, 259 BGB und besteht nur im tenorierten Umfang.
Er dient als Hilfsanspruch dazu, die Beklagte in die Lage zu versetzen, die Schadensersatz- und Restschadens- bzw. Restentschädigungsansprüche zu beziffern, da die Klägerin über diese Informationen ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Bedenken daran, dass die Beklagte Rechnung gegenüber einem von der Klägerin beauftragten Wirtschaftsprüfer legen dürfen, bestehen nicht.
Für die Restschadensersatz- und Restentschädigungsansprüche kann jedoch keine Auskunft im Hinblick auf die Gestehungskosten und die Gewinnsituation beim Verletzer (Klageantrag Ziff. III.5) gefordert werden, da die Berechnung dieser Ansprüche auf die Methode der Lizenzanalogie beschränkt ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E., Rn. 670 m.w.N.).
Der Rechnungslegungsanspruch mit eingeschränktem Umfang besteht ab dem 01.10.2010, als dem Tag, ab dem der Klägerin ein Restentschädigung-/schadensersatzanspruch zusteht. Die grundsätzlich bestehende eigenständige Verjährung dieses Anspruchs war nicht anzuwenden, da der Klägerin andernfalls für den gewährten Restschadensersatzanspruch und Restentschädigungsanspruch eine Bezifferung mangels hinreichender Angaben nicht möglich ist. Damit aber würden der Sinn und Zweck der verbleibenden verminderten Ansprüche konterkariert (LG Düsseldorf, Urteil vom 26. März 2009 – 4a O 89/08 –, Rn. 44, juris).
Im Übrigen besteht der Anspruch auf Rechnungslegung uneingeschränkt ab dem 01.01.2016. - 4.
Der Auskunftsanspruch gem. Art. 64 EPÜ, § 140b PatG besteht erst ab dem 01.01.2016. Soweit der Anspruch eine davorliegende Zeit betrifft, ist er gem. § 141 PatG i.V.m. §§ 195 ff. BGB verjährt. Dieser Anspruch verjährt nämlich selbstständig. Dieser Auskunftsanspruch ist mit Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung am 28.11.2012 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Klägerin sowohl über ein erteiltes Schutzrecht als auch über Kenntnis der durch die Beklagten begangenen Verletzungen. Die Verjährungsfrist endet deshalb am 31.12.2015. - 5.
Der Vernichtungsanspruch beruht auf § 140a Abs. 1 PatG, derjenige auf Rückruf auf § 140a Abs. 3 PatG – jeweils i.V.m. Art. 64. EPÜ. Für die Zeit vor dem 01.09.2008 (Umsetzung der Enforcement-Richtline) resultiert der Rückrufanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 PatG, 823 BGB, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i. V. m. Art. 10 Abs. 1 der Enforcement-Richtlinie (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 27.1.2011 – I-2 U 18/09, BeckRS 2011, 08380, beck-online). Es bestehen keine Bedenken daran, dass der Rückruf unter Angabe des Grundes – dieses Urteil – erfolgen muss (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 695 f.). Hinsichtlich der von den Beklagten begangenen rechtswidrigen Benutzungshandlungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Diese Ansprüche unterliegen auch nicht teilweise der Verjährung. Ähnlich wie beim Unterlassungsanspruch handelt es sich um zukunftsorientierte Ansprüche, deren Verjährung solange nicht beginnt, wie der Eingriff noch andauert (Benkard, a.a.O., § 141, Rn. 6 m.w.N.), was vorliegend ausweislich der festgestellten Verletzungshandlung der Fall war. - III.
Der Rechtsstreit ist nicht auszusetzen.
Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungs-vollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung führen zu können auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten).
Vorliegend beruft sich die Beklagte auf die Druckschriften E2 und E1, welche dem Klagepatent neuheitsschädlich entgegenstehen und somit der Nichtigkeitsklage zum Erfolg verhelfen sollen.
Neuheitsschädlichkeit liegt vor, wenn die Entgegenhaltung objektiv den Stand der Technik offenbart; unrichtige Annahmen oder Festlegungen des Anmelders in der Patentschrift selbst sind unerheblich (BGH GRUR 1999, 914, 917 li.Sp. – Kontaktfederblock). Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird (BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin; GRUR 2004, 407, 411 – Fahrzeugleitsystem). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der von ihr gegebenen (allgemeinen) Lehre „unmittelbar und eindeutig“ entnimmt (BGH, GRUR 2002, 146 – Luftverteiler; GRUR 2004, 133, 135 – Elektronische Funktionseinheit; GRUR 2008, 597 – Betonstraßenfertiger; GRUR 2011, 999, 1001 – Memantin) (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 2016 – I-2 U 55/15 –, Rn. 50, juris). - 1.
Das Dokument E2 nimmt die Anspruchsmerkmale des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg.
a.
Das Dokument E2 steht der Neuheit des Klagepatents schon deshalb nicht entgegen, weil es bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens war und das EPA den Einwand fehlender Neuheit abschlägig beschieden hat (dort als Anlage E1 geprüft, Anlage K12). Für den Fall aber, dass bereits eine erstinstanzliche Entscheidung eines technisch-besetzten Gremiums gab, kommt eine Aussetzung nur noch dann in Betracht, wenn dessen Entscheidung auf für das Verletzungsgericht nachweisbar unrichtigen Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation beruht oder wenn mit dem Rechtmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung weiterer Stand der Technik präsentiert wird. Andernfalls, solange die Argumentation im Rechtsbestandsverfahren möglich und mit nachvollziehbaren Gründen vertretbar erscheint, besteht kein Anlass, an dieser Entscheidung zu zweifeln (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E, Rn. 720). offensichtlich unrichtig ist.
Gemäß der vorstehenden Maßstäbe besteht hier keine Veranlassung an der Richtigkeit der Entscheidung des EPA zu zweifeln. Es hat sich ausführlich mit den seitens der Beklagten entgegengehaltenen Dokumenten auseinandergesetzt. Gründe, weshalb die auf dieser Grundlage getroffene Entscheidung unhaltbar sein sollen, sind weder von der Beklagten vorgetragen worden noch ersichtlich. - b.
Die Entgegenhaltung trägt aber auch in der Sache nicht. Es fehlt an der unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung sämtlicher Merkmale des Klagepatentanspruchs 1.
Das Merkmal 3 des Klagepatents wird nicht unmittelbar und eindeutig in der E2 offenbart.
Ein klagepatentgemäßes Verriegelungselement liegt nicht schon in den in dem Dokument als Beispiel I und Beispiel II angeführten Verriegelungsmechanismen. Denn zwar wird eine Rippe zur Beseitigung der Sicherungsstellung und Herbeiführung der Lösestellung durch Drehen des Rings nach unten gedrückt, was bewirkt, dass der gesamte Federarm nach unten gedrückt und die Fixierung (Rastung) aufgehoben wird. Ähnlich geschieht es im zweiten Beispiel. Dort ist eine Zunge vorgesehen, welche unter den Federarm greift und so für dessen zusätzliche Fixierung sorgt. Wird nun wieder der Ring gedreht, bewirkt die Zunge, dass sich die Feder verformt und eine unmittelbare Entnahme des Kupplungsteils möglich wird.
Wenn die Klägerin in diesem Kontext davon spricht, dass E2 kein rastendes Herausziehen offenbare, mag dies missverständlich klingen. Die Klägerin meint mit dieser Ausdrucksweise aber jedenfalls, dass nicht ein solcher Verriegelungsmechanismus offenbart wird, der zweiaktig funktioniere, indem zunächst die Verrastung aufgehoben wird, um sodann die Herauslösung des Steckers zu ermöglichen. In den in der E2 offenbarten Mechanismen geht vielmehr mit der Betätigung der Verriegelung unmittelbar die Lösung des Federarms (verallgemeinert: Rastmittel) einher.
Es fehlt an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung der Anspruchsmerkmale 4 und 6. In der E2 ist an keiner Stelle ein Verriegelungsmechanismus offenbart, der aufgrund eines Kraftformschlusses wirkt. Ausdrücklich spricht die E2 nur von einer formschlüssigen Verbindung, die bspw. zwischen Stutzen (15) und Kupplungsteil hergestellt wird. An keiner anderen Stelle der E2-Schrift werden weitere Ausführungen zur Verschlussart gemacht, die auf eine kraftformschlüssige Verriegelung schließen lassen könnten. Dass insoweit aber ein Unterschied zwischen einer kraftformschlüssigen und einer nur formschlüssigen Verriegelung besteht, wurde bereits im Rahmen der Auslegung des Klagepatents hinreichend herausgestellt. Deshalb ist der Vortrag der Beklagten, die Rippe (12) beaufschlage die Hinterschneidung (16) mit einer Kraft unerheblich. Selbst wenn dies so festgestellt werden könnte, folgt daraus kein Kraftformschluss. Auch die Angaben in Sp. 2, Z. 50 – 66 führen nicht, auch nicht in Kombination mit der Anlage K8 und dort der Bildunterschrift zu Bild 12, zu einem anderen Ergebnis. Zwar wird dort von einem „Überschnappen“ des Ringes dann gesprochen, wenn eine bestimmte Fügekraft erreicht wurde. Daraus allein ergibt sich nicht, dass es sich um einen Kraftformschluss handelt. Dies kann auch nicht aus Anlage K8 hergeleitet werden. Wenngleich dort von „schnappbaren“ Verschlüssen die Rede ist, wird jedenfalls zwischen Form- und Kraftformschlussverbindungen unterschieden.
Im Übrigen sind auch nicht die für einen Kraftformschluss notwendigen Schrägflächen, insbesondere an den Rastmitteln, welche in der E2 als Federarm mit zwei Rippen ausgestaltet sind, offenbart (Merkmal 5.1). In Merkmal 5.1 des Klagepatents heißt es ausdrücklich, dass die Rastansätze an den Rastarmen mit zwei Schrägflächen ausgestattet sind, wobei je eine Schrägfläche in Einsteckrichtung und in Löserichtung angeordnet ist. Vergleichbare nähere Anordnungen von Schrägflächen zur Ausgestaltung der Federarme sieht die E2 nicht vor. Allenfalls aus Fig. 11 wird die Anordnung der Rippen des Federarms ersichtlich. Demnach ist nur für die Rippe (12) überhaupt eine Schrägfläche zu ersehen. Die weitere Fläche ist zur Horizontalachse rechtwinklig ausgestaltet. Es kommt dabei nicht auf eine bestimmte Positionierung des Federarms an, in welcher die Schrägflächen vorhanden sein müssen. Da das Merkmal 5.1. des Klagepatents keine dahingehende Einschränkung enthält, müssen die Schrägflächen vielmehr zu jeder Zeit vorhanden sein. Die ersichtliche rechtwinklige Konstruktion schon der einen Rippe ist somit nicht neuheitsschädlich. Den Begriff „schräg“ versteht der Fachmann nämlich so – wie es auch seiner philologischen Bedeutung entspricht, dass ein stumpfer oder spitzer Winkel ausgehend von einer waagerechten Achse (hier die Steckachse) gegeben ist. Dies ist bei einem rechten Winkel dagegen offensichtlich gerade nicht der Fall. - Als Konsequenz aus der nicht offenbarten Anordnung der Schrägflächen ergibt sich, dass das Merkmal 5.1.1 hinsichtlich des aufzuwendenden Kräfteverhältnisses nicht neuheitsschädlich vorweggenommen wird. Schließlich sind der E2 jedenfalls keine Ausführungen dazu zu entnehmen, in welchem Verhältnis die Steckkraft und Lösekraft zueinanderstehen sollen. Sofern die Beklagte behauptet, dass die Steckkraft zwangsläufig deshalb geringer als die Lösekraft ist, da beim Steckvorgang keine Drehung des Drehrings benötigt werde, verfängt dies nicht ohne Weiteres. Die Beklagte hat keine technisch nachvollziehbaren Tatsachen vorgetragen, die dieses angeblich resultierende Kräfteverhältnis belegen.
- Da bereits sämtliche zuvor geprüften Merkmale nicht neuheitsschädlich von der E2 vorweggenommen worden sind, bedarf es keiner abschließenden Feststellung, ob dies auch für das Merkmal 3.1 gilt und ob eine zusätzliche Fixierung des Fedararms durch Druckausübung einer neuheitsschädlichen Offenbarung entgegenstehen würde.
- 2.
Auch die als E1 zur Akte gereichte Offenbarungsschrift steht der erfindungsgemäßen Lehre nicht neuheitsschädlich entgegen.
Es fehlt an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung des Merkmals 2.2, wonach sich die Rastarme parallel zur Steckachse in Löserichtung erstrecken. In der Offenbarungsschrift dagegen sind Rastarme vorgesehen, die sich in Richtung des freien Endes des Steckerschaftes erstrecken. Freies Ende ist derjenige Teil der Vorrichtung, an dem keine Schlauchleitungen befestigt sind, sondern der in das Aufnahmeteil/Verbindungsgegenstück eingebracht werden kann. In dem entgegengehaltenen Dokument erfolgt beim Lösevorgang eine Spreizung der Rastarme radial nach außen (28), wobei die Herausziehrichtung (32) als solche, gleichermaßen wie im Klagepatent, nach oben zeigt.
Entgegen der Darstellung der Beklagten ist irrelevant, ob die Löserichtung grundsätzlich parallel zur Steckachse verläuft. Denn es handelt es sich jedenfalls um Vorgänge, denen jeweils klar eine – im Verhältnis zueinander gegenläufige – Richtung zugeordnet werden kann. Die offenbarten Rastarme zeigen damit in der E1 in Steckrichtung. Dies ist auch vor dem Hintergrund schlüssig, dass sie aufgrund der vorhandenen Rastnocken gerade in eine Raststufe des Aufnahmeteils hintergreifen sollen.
Ferner liegt im Hinblick auf alle die Merkmale, die eine kraftformschlüssige Verrastung vorsehen (Merkmale 4 und 6), keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung vor. Diese besondere Art der Verriegelung per Kraftformschluss wird in der E1 nicht gelehrt. Die in der Offenbarungsschrift vorgesehenen Schrägflächen dienen vielmehr (nur) dazu, dass die Rastarme mit ihren Rastnocken im Aufnahmeteil eine Raststufe hintergreifen können. Die Fixierung erfolgt deshalb nicht mittels bloßen Kraftformschlusses. Jedenfalls ergibt sich dies nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Dokument. Sofern die Beklagte hierzu meint, die Tatsache, dass die Rastnocken „einschnappen“, was unstreitig ist, belege zugleich, dass ein Kraftformschluss gegeben sei, so geht diese Annahme fehl. Detailliertere Äußerungen dazu macht die Beklagte auch nicht; insbesondere dürfte für die Annahme eines Kraftformschlusses nicht schon genügen, dass überhaupt ein Vorrichtungselement mit Kraft beaufschlagt wird.
Im Übrigen hat das Verriegelungselement nicht nur die Funktion, einen sicheren Halt zu gewähren, sondern führt auch zu einer Aufspreizung der Rastarme, ohne die deren Lösung nicht möglich wäre. Nicht offenbart ist mithin, dass bloß durch Herausziehen des Verriegelungselementes, ohne Einwirkung auf die Rastarme, die Möglichkeit des Lösens bereitgestellt wird. In dem Dokument erfolgt lediglich die für Arretierung erforderliche Spreizung ohne weitere Betätigung.
Allein die Tatsache, dass bei dem am Steckerschaft verschiebbar angeordneten Mittel in der E1 von Lösemittel und nicht wie im Klagepatent von Verriegelungsmittel die Rede ist, dürfte zunächst für sich betrachtet einer neuheitsschädlichen Offenbarung nicht entgegenstehen. Allerdings unterschieden sich diese Elemente funktional. Denn nur nach der klagepatentgemäßen Erfindung dient das Verriegelungselement neben der Ermöglichung des Herauslösens auch zur Sicherung der Positionierung des Steckverbinders in dem Verbindungsgegenstück, während nach der Offenlegungsschrift die Sicherung bereits und ausschließlich durch die Ausgestaltung der Rastarme erfolgt. Dies wird durch die Beschreibung in Sp. 5 Zeile 24 ff., in der von einer „selbsttätigen Verriegelung“ die Rede ist, belegt. Dieses am Steckerschaft halternd vorgesehene Mittel ist daher nur für den Lösevorgang erforderlich. Aber insoweit löst es auch unmittelbar die Herauslösung aus, da eine Spreizung der Rastarme, aufgrund derer die Arretierung aufgehoben wird, bewirkt wird. Damit wird eine andere Funktionsweise der Herauslösung als in der Klagepatentschrift offenbart.
Schließlich gilt auch für die Ausgestaltung des offenbarten Lösemittels, dass eine kraftformschlüssige Wirkweise nicht offenbart wird. Zwar sind auch dort Schrägflächen vorgesehen; es fehlen jedoch weitere Ausführungen dazu, ob ihre Wirkweise auch von einer kraftformschlüssigen Fixierung mit den Rastmitteln abhängt.
Weiterhin fehlt es an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung des Merkmals 5.1 und der erforderlichen Schrägflächen des Rastansatzes. Wenngleich der in der E1 vorgesehene Rastarm zwei Rastnocken (22, 46) vorsieht, fehlt es an (jeweils) zwei Schrägflächen. Denn jedenfalls die Rastnocke (22) verfügt nur über eine Schrägfläche, da die andere Fläche rechtwinklig im Verhältnis zur Steckachse ausgebildet ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den anderen Schrägflächen mit den Bezugsziffern 38 und 40 um solche im Sinne des Anspruchsmerkmals handelt. Denn jedenfalls steht die rechtwinklige Fläche (22) der Neuheitsschädlichkeit entgegen. Diese rechtwinklige Ausgestaltung wird aus der Figur 2 ersichtlich, wohingegen die beschreibenden Passagen, vgl. Sp. 3, Z. 17 ff., lediglich von Schrägflächen sprechen, welche die Rastnocken aufweisen würden. Lediglich später wird dies dahingehend konkretisiert und anhand der Figur 2 dargestellt, dass die beschriebenen Schrägflächen nicht an der Rastnocke unmittelbar, sondern am darüber liegenden Teil des Rastarms angeordnet sind (vgl. Sp 3, 46ff.). Wie bereits zu der E2 ausgeführt, sind rechtwinklige Flächen nicht als Schrägflächen zu begreifen.
Einhergehend mit der mangelnden Offenbarung eines Kraftformschlusses und zwei Schrägflächen enthält das Dokument keine Angaben, zu den für das Stecken bzw. Lösen aufzuwendenden Kraftverhältnissen (vgl. Merkmal 5.1.1). Die Ausführungen der Beklagten dagegen, wonach die Lösekraft größer als die Steckkraft sein soll und sich als Folge aus der steileren Schrägfläche zwei ergeben soll, führt zu keiner anderen Bewertung. Technische Erläuterungen zu diesem Vorgang fehlen. Außerdem benötigt es gerade zweier Schrägflächen, um zu verschieden großen aufzuwendenden Kraftverhältnissen zu gelangen. - B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
Wenngleich die Klage im Hinblick auf verjährte Auskunfts-, Rechnungslegungs-, Entschädigungs- sowie Schadensersatzzeiten teilweise abzuweisen war, waren dennoch der Beklagtenseite vollständig die Kosten aufzuerlegen, da der abgesprochene Teil gegenüber der Verurteilung lediglich einen geringfügigen Anteil am Streitwert darstellt. - Streitwert: 1.000.000,- EUR