Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2857
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 09. November 2018, Az. 4a O 63/17
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00
– ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen, - a) Bewegungsvektordekodiervorrichtungen zum Erzeugen eines vorausberechneten Bewegungsvektors für einen aktuellen Block, der zu dekodieren ist, und zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks unter Verwendung des vorausberechneten Bewegungsvektors,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wobei die Bewegungsvektordekodiervorrichtung umfasst:
- eine Zuweisungseinheit
- zum Zuweisen einer Kennung zu einem jeweiligen Bewegungsvektor der Mehrzahl von dekodierten Blocks auf einer Blockbasis
- gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen,
- wenn wenigstens ein Block aus einer Mehrzahl von dekodierten Blocks in der Nachbarschaft des aktuellen Blocks zwei Bewegungsvektoren aufweist,
- die auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen;
- eine Ableitungseinheit zum Ableiten des vorausberechneten Bewegungsvektors für jeden Bewegungsvektor des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung, wie sie zu jedem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl von dekodierten Blocks zugewiesen ist;
- und/oder
- b) Bewegungsvektordekodiervorrichtungen, die geeignet sind zur Ausübung eines Bewegungsvektordekodierverfahrens zum Erzeugen eines vorausberechneten Bewegungsvektors für einen aktuellen Block, der zu dekodieren ist, und zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks unter Verwendung des vorausberechneten Bewegungsvektors,
- Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
- wobei das Bewegungsvektordekodierverfahren umfasst:
- Zuweisen,
- wenn wenigstens ein Block aus einer Mehrzahl von dekodierten Blocks in der Nachbarschaft des aktuellen Blocks zwei Bewegungsvektoren aufweist,
- die auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen,
- einer Kennung zu einem jeweiligen Bewegungsvektor der Mehrzahl von dekodierten Blocks auf einer Blockbasis
- gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen, und
- Ableiten des vorausberechneten Bewegungsvektors für jeden Bewegungsvektor des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung, wie sie zu jedem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl von dekodierten Blocks zugewiesen ist;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11.02.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei
- – zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11.02.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe:
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei
- – der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1.a) bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
- 5. die unter 1.a) bezeichneten, seit dem 11.02.2015 im Besitz gewerblicher Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt,
- dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1.a) und b) bezeichneten, seit dem 11.02.2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 5 Mio. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (Ziff. I.1., I.4. und I.5. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 3.750.000,00; ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2., I.3. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 750.000,00. Im Kostenpunkt ist das Urteil gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teil des in englischer Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents EP A (Anlage K1, deutsche Übersetzung DE B als Anlage K2, nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Das Klagepatent, deren eingetragene Inhaberin die Klägerin seit dem 11.02.2015 ist, wurde am 10.04.2003 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der JP C vom 23.04.2002 und der JP D vom 14.06.2002 angemeldet. Die Anmeldung des Klagepatents wurde am 19.01.2005 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 09.04.2008 bekanntgemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Die Beklagte hat eine das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
- Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren eine Verletzung der Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents geltend.
- Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache der Patenterteilung:
- „A motion vector decoding method for generating a predicted motion vector for a current block to be decoded and for decoding a coded motion vector of the current block using the predicted motion vector, the motion vector decoding method comprising:
assigning, when at least one block among a plurality of decoded blocks in the neighborhood of the current block has two motion vectors which refer to reference pictures in the same direction in display order, an identifier to respective motion vector of the plurality of decoded blocks on a block basis according to an order in which the motion vectors of the each block appear in a bitstream; and
deriving the predicted motion vector for each motion vector of the current block by using the motion vectors having the same identifier as assigned to the each motion vector of the current block among the motion vectors for the plurality of decoded blocks.” - In deutscher Übersetzung lautet Anspruch 1 des Klagepatents wie folgt:
- „Bewegungsvektordekodierverfahren zum Erzeugen eines vorausberechneten Bewegungsvektors für einen aktuellen Block, der zu dekodieren ist, und zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks unter Verwendung des vorausberechneten Bewegungsvektors, wobei das Bewegungsvektordekodierverfahren umfasst:
Zuweisen einer Kennung zu einem jeweiligen Bewegungsvektor der Mehrzahl von dekodierten Blocks auf einer Blockbasis gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen, wenn wenigstens ein Block aus einer Mehrzahl von dekodierten Blocks in der Nachbarschaft des aktuellen Blocks zwei Bewegungsvektoren aufweist, die auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen, und
Ableiten des vorausberechneten Bewegungsvektors für jeden Bewegungsvektor des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung, wie sie zu jedem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl von dekodierten Blocks zugewiesen ist.“ - Anspruch 2 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache der Patenterteilung:
- „A motion vector decoding apparatus (711) for generating a predicted motion vector for a current block to be decoded and for decoding a coded motion vector of the current block using the predicted motion vector, the motion vector
decoding apparatus comprising:
an assigning unit for, when at least one block among a plurality of decoded blocks in the neighborhood of the current block has two motion vectors which refer to reference pictures in the same direction in display order, assigning an identifier to respective motion vector of the plurality of decoded blocks on a block basis according to an order in which the motion vectors of the each block appear in a bitstream; and
a deriving unit for deriving the predicted motion vector for each motion vector of the current block by using the motion vectors having the same identifier as assigned to the each motion vector of the current block among the motion vectors for the plurality of decoded blocks.” - In deutscher Übersetzung lautet Anspruch 2 des Klagepatents wie folgt:
- „Bewegungsvektordekodiervorrichtung (711) zum Erzeugen eines vorausberechneten Bewegungsvektors für einen aktuellen Block, der zu dekodieren ist, und zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks unter Verwendung des vorausberechneten Bewegungsvektors, wobei die Bewegungsvektordekodiervorrichtung umfasst:
eine Zuweisungseinheit zum Zuweisen einer Kennung zu einem jeweiligen Bewegungsvektor der Mehrzahl von dekodierten Blocks auf einer Blockbasis gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen, wenn wenigstens ein Block aus einer Mehrzahl von dekodierten Blocks in der Nachbarschaft des aktuellen Blocks zwei Bewegungsvektoren aufweist, die auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen, und
eine Ableitungseinheit zum Ableiten des vorausberechneten Bewegungsvektors für jeden Bewegungsvektor des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung, wie sie zu jedem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl von dekodierten Blocks zugewiesen ist.“ - Der MPEG-4 Teil 10 (Part 10)-Standard mit der Nummer ISO/IEC14496-10, der auch als H.264 oder MPEG-4 AVC bezeichnet wird (nachfolgend kurz: „der Standard“ oder „AVC/H.264-Standard“), ist ein Standard für die Kompression von Videodaten. Auszüge des Standards sind in Anlage K5 (Übersetzung: Anlage K5a) zur Akte gereicht worden. Für die hier relevanten Abschnitte haben sich seit der ersten Fassung des Standards vom 01.12.2003 keine relevanten Änderungen gegenüber der 8. Ausgabe vom 01.09.2014 ergeben, die in Anlage K5 vorgelegt ist.
- Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen im chinesischen Konzern E. Sie vertreibt in Deutschland Mobiltelefone, beispielsweise die Modelle „X“ und „Y“, die in der Lage sind, den AVC/H.264-Standard anzuwenden (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen).
- Das Klagepatent, für welches eine FRAND-Erklärung vorliegt, ist Teil eines im Jahre 2004 aufgelegten Patentpools, in dem die Benutzung des AVC/H.264-Standards betreffende Patente eingebracht worden sind (nachfolgend auch: AVC/H.264-Patentpool). In dem AVC/H.264-Patentpool befinden sich knapp über 5.000 Patente. Der Pool beinhaltet standardwesentliche Patente, wobei zwischen den Parteien streitig ist, in welchem Umfang. Nicht nur die Klägerin, sondern auch andere Patentinhaber brachten ihre Patente in den Patentpool ein. Eine Liste der Poolpatentinhaber nebst zugehörigen Poolpatenten liegt als Anlage K10 – Exhibit C (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit C – a) vor. Hiernach beläuft sich die Anzahl der Poolpatentinhaber auf knapp 40. Als Pooladministrator fungiert die M (nachfolgend: M).
- Auf der Internetseite der M mit der Adresse „X“ wird der als Anlage K10 – Exhibit G (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit G – a) vorgelegte Lizenzvertrag als Standardlizenzvertrag (nachfolgend auch kurz: Standardlizenzvertrag oder AVC/H.264-Standardlizenzvertrag) bereitgehalten. Es existieren ca. 1.400 Lizenznehmer (vgl. Liste der Lizenznehmer, Stand Mai 2017, abrufbar unter der Internetseite der M, Anlage K10 – Exhibit F; deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit F – a), wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob mit jedem dieser Lizenznehmer der in Bezug genommene Standardlizenzvertrag abgeschlossen worden ist. Über die Internetseite sind außerdem eine Konkordanzliste/ Cross Reference Chart mit Bezug auf einschlägige Standardabschnitte, denen die Poolpatente zugeordnet sind (Anlage K10 – Exhibit E), sowie eine Liste der Lizenzgeber (vgl. screenshot Anlage K10 – Exhibit D (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit D – a) abrufbar.
- Anfang des Jahres 2009 bat E, wie die Beklagte eine Tochtergesellschaft der chinesischen Muttergesellschaft E. (nachfolgend auch: Muttergesellschaft oder Mutterkonzern), M um die Zusendung von Informationen über den Patentpool, der den sog. MPEG-2 Standard betrifft. Daraufhin wies M darauf hin, dass etwaige Verhandlungen ausschließlich mit den jeweiligen Muttergesellschaften bzw. eine Lizenzierung nur gegenüber allen Konzerngesellschaften erfolgen könne. In der Folgezeit kam es zu Lizenzverhandlungen, die jedoch zu keinem erfolgreichen Ergebnis führten. Ein Streitpunkt in diesen Verhandlungen war unter anderem, dass die Muttergesellschaft eine Lizenzierung unter Ausnahme Chinas anstrebte, während die Klägerin den chinesischen Markt in die Lizenzierung einbeziehen wollte.
- Unter dem 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A; deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit A – a) wandte sich M hinsichtlich des hier streitgegenständlichen AVC/H.264-Standards an die Muttergesellschaft der Beklagten. In der E-Mail heißt es:
- Soweit im Rahmen der E-Mail auf weitere Standards („MPEG-4-Visual“ und „ VC-1“) Bezug genommen wird, sind diese vorliegend nicht streitgegenständlich.
- Per E-Mail vom 15.09.2011 (Anlage B21; deutsche Übersetzung: Anlage B21a) bat Herr F, genannt „G“, in Reaktion auf die E-Mail vom 06.09.2011 um ein Telefonat zur Besprechung der Lizenzierungsfrage. In der dann folgenden Kommunikation in Bezug auf den AVC/H.264-Standard waren – wie bereits im Zusammenhang mit den Verhandlungen zu dem MPEG-2 Standard – die Lizenzierung unter Aussparung des chinesischen Marktes sowie die Lizenzvergabe an einzelne Konzernunternehmen ein Gesichtspunkt.
- Anfang Februar 2012 erhielt die Muttergesellschaft den AVC/H.264-Standardlizenzvertrag nach Anlage K10 – Exhibit G (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit G – a) per Post. In Ziffer 2.1 des Standardlizenzvertrags, der gemäß dessen Ziffer 8.16 dem Recht des Staates New York unterliegt, heißt es zum Umfang der Lizenz:
- „AVC Produkt(e). Vorbehaltlich der Bestimmungen der vorliegenden Vereinbarungen (einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Artikel 3 und 7), gewährt der Lizenzverwalter hiermit einem Codec-Lizenznehmer eine gebührenpflichtige, weltweite, nicht ausschließliche und nicht übertragbare Unterlizenz nach allen AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio, ein AVC Produkt herzustellen, herstellen zu lassen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten und […].“,
- wobei ein „Codec-Lizenznehmer“ gemäß Ziffer 1.17 des Standardlizenzvertrags eine Person oder einen Rechtsträger bezeichnet, der ein AVC Produkt an (i) einen Codec-Lizenznehmerkunden (vgl. dazu Ziffer 1.18 des Vertrags) bzw. (ii) einen Endkunden verkauft. Der Umfang der gewährten Lizenz ist weiter in den Ziffern 2.2 – 2.10 geregelt, auf die wegen ihres genauen Inhalts Bezug genommen wird.
- In Ziff. 3.1.1 sieht der Standardlizenzvertrag einen volumenbasierten Staffellizenzsatz in Form einer Stücklizenz sowie einen Höchstlizenzsatz wie folgt vor:
- „Vorbehaltlich der Beschränkung aus Artikel 3.1.0, ist in jedem Kalenderjahr für die nach Absatz 2.1 der vorliegenden Vereinbarung gewährte Unterlizenz bei einem Verkauf nach dem 31. Dezember 2004 eines AVC Encoders, eines AVC Decoders oder eines AVC Codec (die nachstehend in diesem Artikel als „Einheit“ bezeichnet werden) und unabhängig davon, ob eine oder mehrere Einheiten in ein einziges Produkt integriert sind, die folgende Gebühr [zu]entrichten:
- Verkauf von Einheiten in einem beliebigen Kalenderjahr nach dem 31. Dezember 2004
zu entrichtende Gebühren
0 bis 100.000 Einheiten
0,00.
100.001 bis 5.000.000 Einheiten
0,20 $ pro Einheit
Mehr als 5.000.000 Einheiten
0,10 $ pro Einheit - Die Gebühr für die nach Absatz 2.1 der vorliegenden Vereinbarung gewährte Unterlizenz übersteigt jedoch keinesfalls die nachstehend aufgeführten Beträge für den kombinierten Verkauf von AVC Produkten eines Lizenznehmers und seiner Tochtergesellschaften:
- Kalenderjahr
Zu entrichtende Gebühren nach Unternehmen pro Jahr - Verkauf 2005 und 2006
3.500.000 $
Verkauf 2007 und 2008 4.250.000 $ - Verkauf 2009 und 2010 5.000.000 $
- Verkauf zwischen 2011 und 2015 6.500.000 $
- Verkauf 2016
8.125.000 $
Verkauf zwischen 2017 und 2020
9.750.000 $.“ - Wegen des weiteren Inhalts des Standardlizenzvertrags wird auf diesen verwiesen.
- Mit E-Mail vom 21.02.2012 (Anlage B23; deutsche Übersetzung: Anlage B23a) teilte „G“ mit, dass weitere Informationen zu dem Lizenzierungsstatus der Lizenznehmer „H“ und „I.“ AVC/H.264-Patentpool benötigt werden würden. Im November 2013 endeten die Gespräche über die Vergabe einer AVC/H.264-Lizenz zunächst ohne Lizenzvergabe, bevor es im Juli 2016 zu einer erneuten Zusammenkunft zur Verhandlung über eine Lizenznahme unter anderem an dem hier streitgegenständlichen Standard kam.
- Im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits machte die Beklagte der Klägerin mit Klageerwiderung vom 03.11.2017 ein Angebot über eine weltweite Lizenz am gesamten Portfolio der Klägerin (nachfolgend auch kurz: Gegenangebot). Das Gegenangebot liegt der Akte als Anlage B2 (deutsche Übersetzung: Anlage B2a) bei.
- Die vorgeschlagene Vereinbarung soll zwischen der Klägerin auf der einen Seite sowie der „E“., der „E.“ und der „E auf der anderen Seite bestehen und sieht einleitend eine Rückwirkung der Lizenznahme zum „1. Januar 2017“ vor.
- Zum Umfang der erteilten Lizenz heißt es in Ziff. 3. (Rechtschreibfehler werden übernommen): X
- Zu den Lizenzgebühren sieht das Gegenangebot in Ziff. 4.1 Folgendes vor:
X - Ziffer 4.2 des Vorschlags sieht außerdem eine Rabattregelung wie folgt vor:
X - Mit Schreiben vom 01.03.2018 (Anlage B55; deutsche Übersetzung: Anlage B55a) rechnete die Beklagte über die zwischen Januar 2009 und Dezember 2017 gemäß ihres Angebots (Anlage B2/ B2a) angefallenen Lizenzgebühren ab und hinterlegte mit Schreiben vom 15.03.2018 eine unwiderrufliche Bankbürgschaft der Industrial and Commercial Bank of China über einen Betrag in Höhe von USD XXX (Anlage B56; deutsche Übersetzung: Anlage B56a). Mit Schreiben vom 12.09.2018 (Anlage B67) brachte die Beklagte eine weitere Bankgarantie bei, die die (auf Grundlage ihres Gegenangebots) voraussichtlich anfallenden Lizenzgebühren für den Zeitraum Januar 2018 bis Dezember 2020 abdecken soll. Umfasst ist ein Bürgschaftsbetrag von EUR XXX.
- Neben dem hier zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit sind weitere Verfahren zwischen den Parteien im Hinblick auf ein anderes Poolpatent der Klägerin (Az.: 4a O 17/17) sowie weitere Verfahren anderer Poolmitglieder gegen die hiesige Beklagte (Az.: 4c O 3/17 und 4b O 4/17 [Klägerin jeweils: H], Az.: 4b O 38/17 [Klägerin: P], Az.: 4c O 12/17 [Klägerin: M]) anhängig. Auch in den Verfahren gegen andere Poolmitglieder erklärte sich die Beklagte zum Abschluss individueller Portfoliolizenzverträge bereit. Daneben ist auch ein Verfahren der hiesigen Klägerin gegen die O (Az.: 4a O 16/17) anhängig.
- Die Klägerin trägt vor, das Klagepatent sei standardwesentlich für die Benutzung des AVC/H.264-Standards. Durch den Vertrieb der standardkompatiblen angegriffenen Ausführungsformen verletze die Beklagte den Klagepatentanspruch 1 (Verfahrensanspruch) mittelbar und den Klagepatentanspruch 2 (Vorrichtungsanspruch) unmittelbar. Entgegen der Ansicht der Beklagten würden auch die Merkmale 2.2, 2.3 und 2.4 der noch folgenden Merkmalsgliederung des Klagepatentanspruchs 1 sowie die entsprechenden Merkmale des Klagepatentanspruchs 2 (nachfolgend genannte Merkmale ohne weitere Zuordnung sind solche des Klagepatentanspruchs 1) durch den Standard verwirklicht.
- Der Begriff „Verweisen“ in Merkmal 2.2 sei nach der Lehre des Klagepatents so zu verstehen, dass sich die Bewegungsvektoren auf bestimmte Referenzbilder beziehen. Dagegen müssten die Bewegungsvektoren nicht selbst einen Verweis auf die Referenzbilder darstellen. Die Ausgestaltung einer Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 gebe das Klagepatent nicht vor. Diese müsse lediglich die Funktion erfüllen, eine Reihenfolge der Bewegungsvektoren anzuzeigen, indem sie eine Unterscheidung zwischen dem ersten und dem zweiten Bewegungsvektor ermögliche. Merkmal 2.4 verlange nicht, dass im Bitstrom der gesamte Bewegungsvektor erscheine. Vielmehr gehe das Klagepatent davon aus, dass im Bitstrom ein differenzieller Bewegungsvektor enthalten sei und die Dekodierung des Bewegungsvektors dadurch erfolge, dass der im Bitstrom gespeicherte differenzielle Bewegungsvektor und der prädizierte Bewegungsvektor addiert würden.
- Bei dieser Auslegung des Klagepatents verwirkliche der AVC/H.264-Standard auch die Merkmale 2.2, 2.3 und 2.4. So stelle der Bezeichner X = 0,1 eine Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 dar. Mit dem Bezeichner werde zwischen zwei unterschiedlichen Bewegungsvektoren eines aktuellen Blocks oder benachbarter Blöcke unterschieden. Der Bezeichner werde auch im Sinne des Merkmals 2.4 in der Reihenfolge zugewiesen, in der die Bewegungsvektoren, hier die differenziellen Bewegungsvektorinformationen mvd_lX, im Bitstrom erscheinen. Im Falle des Bildreihenfolgezählers Typ 2 lägen zudem die Voraussetzungen des Merkmals 2.2 vor.
- Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche auch bei Berücksichtigung der Standardessentialität des Klagepatents zu. Die Beklagte könne sich nicht erfolgreich auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen. Sie, die Klägerin, habe sich im Einklang mit den von der Rechtsprechung in der Rechtssache E./ O, Az.: C-170/13, in dem Urteil vom 16.07.2015 (nachfolgend: das EUGH-Urteil) aufgestellten Grundsätzen verhalten, ohne dass die Beklagte ihrerseits ein diesen Grundsätzen entsprechendes Gegenangebot unterbreitet habe.
- Das Schreiben vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A/ Exhibit A – a) der M an die Muttergesellschaft sei als hinreichender Verletzungshinweis zu verstehen.
- Insoweit müsse sich die hiesige Beklagte die Vorkorrespondenz der M mit ihrer (der Beklagten) Muttergesellschaft entgegenhalten lassen.
- In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin – was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet –, dass die M das Mandat und die einfache Lizenz erhalten habe, namens der Patentinhaber Lizenzen an dem AVC/H.264 Patentpool zu vergeben.
- Die M sei auch in der Vergangenheit mit den übrigen AVC/H.264-Lizenznehmern so verfahren, dass sie entweder mit der Muttergesellschaft oder mit jeder Konzerngesellschaft separat verhandelt habe, um im Ergebnis zu gewährleisten, dass sämtliche einer Konzerngruppe zugehörige Gesellschaften, die patentverletzende Produkte vertreiben, von der Lizenznahme erfasst seien.
- Das Schreiben der M vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A/ Exhibit A – a) enthalte schließlich auch den für einen Verletzungshinweis erforderlichen Inhalt. Der konkreten Nennung der verletzenden AVC-Patente sei durch den Verweis auf die öffentlich zugängliche Webseite von M in dem Schreiben vom 14.06.2017 Genüge getan (Anlage K10).
- Im Übrigen würde sich ein Verletzungshinweis aber auch als bloße Förmelei darstellen.
- Die Beklagte bzw. die Muttergesellschaft habe auf die Verletzungsanzeige der M keine Bereitschaft bekundet, einen FRAND-gemäßen Lizenzvertrag abzuschließen. Die Bedingung der Muttergesellschaft, eine Lizenz für den AVC/H.264-Standard nur dann abzuschließen, wenn man den chinesischen Markt ausspart, sei so zu verstehen gewesen, dass die Beklagte nicht lizenzwillig gewesen sei.
- Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe der Beklagten durch Übersendung des Standardlizenzvertrags im Februar 2012 ein FRAND-Grundsätzen entsprechendes Angebot unterbreitet.
- Da der Standardlizenzvertrag von nahezu 1.400 Lizenznehmern unterzeichnet worden sei, bedürfe es einer Erläuterung der Art und Weise der Berechnung nicht. Der Nachweis der FRAND-Konformität des Standardvertrags sei vielmehr dadurch geführt, dass dieser – wie die Vorlage der Standardlizenzverträge zeige – von nahezu 1.400 Lizenznehmern unverändert angenommen worden sei.
- Die Einwände der Beklagte zu den vorgelegten Standardlizenzverträgen würden kartellrechtlich relevante Unterschiede nicht aufzeigen.
- Da die genannte Anzahl von Lizenznehmern den Standardvertrag auch stets und ohne jegliche Ausnahme unverändert abgeschlossen habe, sei dieser auch weder unangemessen noch diskriminierend.
- Insbesondere hätten sämtliche Lizenznehmer den Standardlizenzvertrag unter Einschluss von Lizenzen für den chinesischen Markt (Anlage K10 – Exhibit G; deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit G – a) akzeptiert. Ein Großteil auch des chinesischen Marktes sei lizenziert. Außer der Beklagten sind – insoweit unstreitig – die in China ansässigen Firmen „L“, „V“, „X“, „P“ und „O“ nicht lizenziert.Es laufe auch FRAND-Grundsätzen nicht zuwider, dass die AVC-Lizenzsätze für den chinesischen Markt nicht derart angepasst sind, dass sie niedriger sind. Der chinesische Markt stelle sich im Vergleich zu dem amerikanischen und dem europäischen Markt insbesondere nicht als niedrigpreisig dar. Des Weiteren würden die einheitlichen Lizenzsätze auch von sämtlichen Lizenznehmern gezahlt. Schon aus Gründen der kartellrechtlichen Gleichbehandlung könne dem Mutterkonzern der Beklagten daher keine spezifische Rate für den chinesischen Markt gewährt werden.
- Auch erweise sich die Bündelung mehrere Profile/Profilmerkmale in dem AVC/H.264-Standard nicht als diskriminierend. Es sei nicht erforderlich, dass der Lizenznehmer alle Profile/Profilmerkmale der in dem Pool eingelagerten Patente nutze, vielmehr sei maßgeblich, dass er sie nutzen und so ein AVC-fähiges Produkt auf dem Markt anbieten könne.
- Der AVC/H.264-Pool bündele auch keine essentiellen mit nicht essentiellen Patenten, vielmehr seien sämtliche eingebrachten Poolpatente standardwesentlich. Dies lasse sich auch anhand der über die Internetseite der M abrufbaren XX (Anlage K10 – Exhibit E) nachvollziehen.
- Die Lizenznehmer hätten auch ausnahmslos die in Ziff. 3.1.1 vorgesehenen Höchstsatze akzeptiert.
- Weiter bedürfe es in dem Standardlizenzvertrag auch keiner Anpassungsklausel. Das Erfordernis einer solchen hänge von der in Rede stehenden Technologie und von dem konkreten Patentpool ab. Auch insoweit sei zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Vertrag von einer Vielzahl von Lizenznehmern in der vorliegenden Form akzeptiert worden sei.
- Das Gegenangebot der Beklagten (Anlage B2; deutsche Übersetzung: Anlage B2a) auf Abschluss einer individuellen Portfoliolizenz widerspreche FRAND-Grundsätzen und sei zudem verspätet, weil die Beklagte ein solches im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz – insoweit unstreitig – nie geäußert hat.
- Sie, die Klägerin, sei nicht verpflichtet, der Beklagten ein Angebot über den Abschluss einer individuellen Portfoliolizenz zu unterbreiten. Der Abschluss einer individuellen Portfoliolizenz weiche von der mit nahezu 1.400 Lizenznehmern praktizierten Übung der Klägerin, ausschließlich Patente im Rahmen des AVC/H.264-Patentpools zu gewähren, ab. Es habe auch bisher kein Lizenzinteressierter bei der Klägerin um eine Portfoliolizenz nachgesucht.
- Auch seien die in dem Gegenangebot aufgeführten unterschiedlichen Lizenzraten für unterschiedliche Vertragsgebiete (USA, Europa, China) unter FRAND-Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Das gelte schon in Anbetracht der nahezu 1.400 Lizenznehmer, mit denen der AVC/H.264-Standardlizenzvertrag ohne entsprechende Differenzierung bestehe. Des Weiteren seien die Durchschnittspreise in China auch mit denjenigen in USA und Europa vergleichbar. Nicht ersichtlich sei zudem, weshalb auch für alle anderen Regionen (außerhalb USA und Europa) dieselben Lizenzsätze wie in China gelten sollen.
- Schließlich sei auch eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht geboten, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Die Klägerin beantragt,
- wie erkannt, hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise,
- den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die betreffend das Klagepatent beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen;
- weiter hilfsweise,
- ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
- Die Beklagte ist der Auffassung, sie mache mit dem Vertrieb der standardkompatiblen angegriffenen Ausführungsformen keinen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents. Der AVC/H.264-Standard verwirkliche die Klagepatentansprüche 1 und 2, insbesondere die Merkmale 2.2, 2.3 und 2.4 des Klagepatentanspruchs 1 sowie die entsprechenden Merkmale des Klagepatentanspruchs 2, nicht.
- Merkmal 2.2 setze voraus, dass die Bewegungsvektoren selbst auf die Referenzbilder verweisen, wie sich beispielsweise aus den Fig. 4 und 5 ergebe. Der Begriff „Verweisen“ sei als „Hinweis auf etwas“ technisch enger zu betrachten als ein bloßes „Beziehen“.
- Bei einer Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 müsse es sich um eine selbstständige Information handeln, die einem Bewegungsvektor dadurch zugewiesen werde, dass sie zusammen mit diesem gespeichert werde. In Absatz [0104] der Anlage K2 werde klar zwischen zwei Verfahren zum Speichern und Verwalten von Bewegungsvektoren unterschieden, von denen nur das erstgenannte unter die Patentansprüche falle. Das zweite Verfahren benötige gerade keine Kennungen, so dass es sich verbiete, den darin erwähnten Zugriff auf bestimmte Speicherstellen als anspruchsgemäß anzusehen.
- Merkmal 2.4 fordere nach seinem eindeutigen Wortlaut, dass die Bewegungsvektoren selbst im Bitstrom erscheinen. Demgegenüber werde eine Kodierung von Bewegungsvektoren als Differenzvektoren im Klagepatent lediglich im Zusammenhang mit dem MPEG-4-Standard diskutiert, von dem es als Stand der Technik ausgehe. Lediglich für das Kodierverfahren erwähne das Klagepatent, dass die Bewegungsvektordifferenzen in den Bitstrom eingebettet würden. Eine entsprechende Formulierung für das Dekodierverfahren fehle nicht nur, sondern dort sei im Gegenteil ausdrücklich die Rede davon, dass die Bewegungsvektoren selbst im Bitstrom erscheinen. Zudem müsse zwischen den abzuleitenden Bewegungsvektoren des aktuellen Blocks und den hierfür zu verwendenden Bewegungsvektoren der Nachbarblöcke unterschieden werden. Wenn Bewegungsvektoren des aktuellen Blocks differenziell kodiert seien, bedeute dies keineswegs zwingend, dass dies auch auf die Bewegungsvektoren der Nachbarblöcke zutreffe.
- Diese Auslegung zugrunde gelegt, fehle es im AVC/H.264-Standard an einer Verwirklichung der Klagepatentansprüche 1 und 2. Die Verwendung einer Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 sei im Standard nicht erforderlich, insbesondere stelle die Angabe X = 0,1 keine solche Kennung dar. Die Bewegungsvektoren würden vielmehr nach vorbestimmten Speicherorten unterschieden, ohne hierfür eigene Kennungen zuzuweisen bzw. zu speichern oder auf diese zuzugreifen. Zudem stellten die Bewegungsvektoren im Standard weder selbst einen Verweis auf die Referenzbilder dar (Merkmal 2.2) noch erschienen sie in vollständiger Form im Bitstrom (Merkmal 2.4).
- Die Beklagte erhebt zudem den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) und ist der Auffassung, die Klägerin habe sich nicht entsprechend der Vorgaben des EuGH-Urteils verhalten.
- Die Beklagten sind der Auffassung, eine im Sinne der EUGH Entscheidung E/ O hinreichende Verteidigungsanzeige liege nicht vor.
- Unbeschadet dessen, dass eine Kontaktaufnahme der Klägerin an die Beklagte zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist, fehle es auch an einer Liste, die zumindest einige Patente repräsentativ nenne, sowie an einer Gegenüberstellung der einzelnen Patentansprüche mit den entsprechenden Passagen des Standards. Ein bloßer Verweis auf die über die Webseite der M abrufbaren Informationen mit Schreiben vom 14.06.2017 (Anlage K10/ Anlage K10a) genüge insoweit nicht.
- Auch fehle es an jeder Erläuterung dazu, durch welche konkrete Handlung das Klagepatent verletzt worden sein soll.
- Ihre, der Beklagten, Lizenzwilligkeit sei in der E-Mail vom 15.09.2011 (Anlage B21/ Anlage B21a) hinreichend zum Ausdruck gekommen.
- Weiter fehlt es nach Ansicht der Beklagten auch an einem FRAND-gemäßen Angebot der Klägerin.
- Unbeschadet dessen, dass die Vertretungsbefugnis von M für die Klägerin nicht erkennbar sei, habe M durch die bloße Übersendung der Standardlizenzverträge kein wirksames FRAND-Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags vorgelegt. Diese Mustervertragsbedingungen könnten nur als Grundlage für weitere Verhandlungen über eine mit der Beklagten konkret zu vereinbarende Lizenz verstanden werden. Das zugesandte Formular ist – was unstreitig ist – auch nicht unterschrieben gewesen.
- Auch ergebe sich aus dem Vertrag die Art und Weise der Berechnung der Standardlizenzgebühr nicht hinreichend, weil die Umstände, die die Vergütungsfaktoren (Umsatz als Bezugsgröße, Staffellizenzsatz) als diskriminierungs- und ausbeutungsfrei erscheinen lassen, nicht angeführt werden.
- In diesem Zusammenhang könne sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass der Standardlizenzvertrag von einer Vielzahl von Lizenznehmern (nahezu 1.400) akzeptiert worden seiSelbst dann, wenn man den von M zugesandten Standardlizenzvertrag als Angebot ausreichen lasse, sei dieses unfair/unangemessen und diskriminierend.
- Das ergebe sich bereits daraus, dass das Musterformular die Vergabe einer weltweiten Lizenz davon abhängig macht, dass auch lizenzpflichtige Verkäufe in China umfasst sind. In diesem Zusammenhang behauptet die Beklagte, die Klägerin habe bisher keinen Lizenzvertrag über die AVC/H.264-Technologie mit einem chinesischen Hersteller von Mobilfunkgeräten geschlossen, der auch Verkäufe in China umfasse.
- Eine weitere Diskriminierung des Angebots der Klägerin auf Grundlage des Standardlizenzvertrags ergebe sich daraus, dass dieser die unterschiedlichen Absatzmärkte mit sehr unterschiedlichen Verkaufspreisen und die daraus folgenden Differenzen im Lizenzniveau nicht berücksichtige. Bei Anwendung eines einheitlichen weltweiten Lizenzsatzes auch auf Endgeräteverkäufe in China entstehe bei dortigen Verkäufen im Verhältnis zum Verkaufspreis eine höhere Lizenzbelastung. Denn die auf dem chinesischen Markt erzielten Umsätze würden deutlich hinter denjenigen auf anderen Märkten (USA, Deutschland) zurückbleiben, weil bei einem technisch gleichwertigen Gerät auf diesen anderen Märkten höhere Verkaufspreise erzielt werden könnten. Innerhalb der Industrie herrsche deshalb Einigkeit, dass China-spezifische Lizenzraten zu vereinbaren seien.
- Ein Bedürfnis für von den Standardlizenzsätzen abweichende Lizenzraten für China ergebe sich weiter auch daraus, dass M die überwiegende Mehrheit der durch den Pool verwalteten Patente gerade nicht in China, sondern in hocÖreisigen Märkten halte.
- Der Effekt der Ungleichbehandlung werde weiter dadurch verstärkt, dass der AVC/H.264-Standard verschiedene Profile aufweist und der AVC/H.264-Patentpool diese Profile/ Substandards und Patente bündelt. Die angegriffenen Ausführungsformen aber würden im Allgemeinen nur einige ausgewählte Profile umsetzen. Dies bringe Vorteile für Multiproduktanbieter, die neben mobilen Endgeräten weitere AVC-fähige Produkte (TV-Geräte, HD-Set-Top-Boxen-HD-Monitore usw.) anbieten, benachteilige jedoch Anbieter wie die Beklagte, die ausschließlich mobile Endgeräte und Tablet-PCs vertreibt.
- Eine kartellrechtswidrige Zusammensetzung des Pools ergebe sich weiter auch daraus, dass darin in wesentlichem Umfang für den Standard nicht-wesentliche Patente enthalten seien. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf eine Analyse und Stellungnahme des Beratungsunternehmens J(Anlage B37, Anlage B38; deutsche Übersetzungen: Anlage B37a, Anlage B38a) sowie einer korrigierten Auswertung (Anlage B50; deutsche Übersetzung: Anlage B50a). Danach seien unter anderem die von der Klägerin in den Pool eingebrachten Patente zu XXX % nicht essentiell. Weitere Poolmitglieder mit ausschließlich nicht essentiellen Schutzrechten seien K, R und Ö. Der Gesamtanteil nicht essentieller Patente in dem Pool liege bei 50 %.
- Einen weiteren Anknüpfungspunkt für den diskriminierenden Charakter des Angebots erblickt die Beklagte darin, dass der Standardlizenzvertrag Höchstsätze („royalty caps“) vorsieht, über die eine jährliche Deckelung der Lizenzgebühren bewirkt wird. Dadurch würden – so die Beklagte – großvolumige Lizenznehmer mit hohen Absatzzahlen überproportional begünstigt. Das gelte insbesondere für solche Lizenznehmer, die – anders als die Beklagte – nicht ausschließlich die Mobilfunkpatente und -profile, sondern auch die Patente und Profile des Standards nutzen, die andere Anwendungen (Digital-TV oder Digitalkameras) betreffen.
- Auch laufe es FRAND-Grundsätzen zuwider, dass das an dem Standardlizenzvertrag orientierte Angebot der Klägerin keine Anpassungsklausel für den Fall, dass bei der Lizenzierung berücksichtigte Patente später rechtskräftig vernichtet werden, vorsieht.
- Unabhängig von der FRAND-Gemäßheit der Poollizenz hätte die Klägerin jedenfalls auf die Nachfrage der Beklagten ein Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags allein über ihr Patentportfolio machen müssen – sowie es auch das Gegenangebot der Beklagten vorsieht.
- Dieses erweise sich auch im Übrigen als FRAND-gemäß, insbesondere auch insoweit wie es bei der Höhe der Lizenzgebühren nach Vertriebshandlungen in den USA, Europa und „China und anderen Ländern“ differenziert.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit aber auch gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen. Das Klagepatent sei gegenüber der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert. Zudem fehle es ihm gegenüber dem Stand der Technik an Neuheit und Erfindungshöhe.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2017 und vom 02.10.2018 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist begründet.
- Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB. Durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen werden der Klagepatentanspruch 1 mittelbar und der Klagepatentanspruch 2 unmittelbar verletzt. Der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) der Beklagten greift nicht durch. Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsklage ist nicht veranlasst.
- I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bewegungsvektorkodierung und -dekodierung. - Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents wird beim Kodieren von Bewegtbildern im Allgemeinen der Informationsbetrag durch Unterdrückung der räumlichen und zeitlichen Redundanzen komprimiert, die innerhalb von Bewegtbildern vorhanden sind. Als ein Verfahren zur Unterdrückung der zeitlichen Redundanzen wird die Inter-Bild-Prädiktionskodierung verwendet. Dabei werden zum Kodieren eines aktuellen Bildes die Bilder, die dem aktuellen Bild zeitlich vorhergehen oder nachfolgen, als Referenzbilder genutzt. Die Bewegung des aktuellen Bildes aus den Referenzbildern wird detektiert und die Differenz zwischen dem durch Bewegungskompensation erhaltenen Bild und dem aktuellen Bild berechnet. Dann werden aus dieser Differenz die räumlichen Redundanzen eliminiert, um den Informationsbetrag der Bewegtbilder zu komprimieren ([Abs. 0002] der Anlage K2).
- Weiter führt das Klagepatent aus, dass es beim herkömmlichen Bewegtbildkodierverfahren nach dem MPEG-4-Standard drei Typen von Bildern gibt, nämlich I-Bilder (intrakodierte Bilder), P-Bilder (prädizierte Bilder) und B-Bilder (bidirektional prädizierte Bilder). I-Bilder sind intrakodiert, es wird jedoch keine Inter-Bild-Prädizierung genutzt. P-Bilder werden mittels Inter-Bild-Prädizierung mit Bezug auf ein vorhergehendes Bild kodiert. B-Bilder werden mittels Inter-Bild-Prädizierung mit Bezug auf ein vorhergehendes Bild (I-Bild oder B-Bild) und ein nachfolgendes (I-Bild oder P-Bild) kodiert.
- Dies erläutert das Klagepatent anhand der nachfolgend in verkleinerter Form eingeblendeten Fig. 15:
- Fig. 15 zeigt vorhersagbare Beziehungen zwischen entsprechenden Bildern im oben genannten Bewegtbildkodierverfahren. In Fig. 15 stellen vertikale Linien Bilder dar. An der unteren rechten Seite der jeweiligen Bilder sind Bildtypen (I, P und B) angegeben. Die Bilder an den Pfeilspitzen werden durch Inter-Bild-Prädiktionskodierung mit Bezug auf die Bilder an den anderen Enden der Pfeile kodiert. Zum Beispiel wird das zweite B-Bild kodiert, indem das erste I-Bild und das vierte P-Bild als Referenzbilder verwendet werden ([Abs. 0003] der Anlage K2).
- Nach dem MPEG-4-Standard wird zum Kodieren von Bewegungsvektoren eine Differenz zwischen einem Bewegungsvektor eines aktuellen Blocks und einem aus den Bewegungsvektoren für die benachbarten Blocks erhaltenen prädizierten Vektor kodiert. Weil die Bewegungsvektoren der benachbarten Blocks normalerweise eine ähnliche Größe und Richtung der Bewegung auf der räumlichen Koordinate zu den Bewegungsvektoren für den aktuellen Block aufweisen, kann der Kodierungsbetrag der Bewegungsvektoren durch Berechnen der Differenz aus dem prädizierten Vektor, der aus den Bewegungsvektoren der benachbarten Blocks erhalten wird, reduziert werden.
- Die Kodierung von Bewegungsvektoren nach MPEG-4 erläutert das Klagepatent unter Bezugnahme auf die Fig. 16A bis 16D, die nachfolgend in verkleinerter Form eingeblendet werden:
- In diesen Abbildungen sind halbfett angegebene Blocks Makroblocks von 16×16 Pixel, wobei in jedem Makroblock vier Blocks von 8×8 Pixel vorhanden sind. In Fig. 16A bis 16D ist der Bewegungsvektor (MV) jedes Blocks auf der Basis der Differenz aus dem prädizierten Vektor, der aus den Bewegungsvektoren (MV1, MV2 und MV3) der drei benachbarten Blocks erhalten wird, kodiert. So wie dieser prädizierte Vektor werden Mittelwerte genutzt, die jeweils aus den horizontalen und vertikalen Komponenten dieser drei Bewegungsvektoren MV1, MV2 und MV3 berechnet sind. Jedoch hat ein benachbarter Block manchmal keinen Bewegungsvektor, wenn er zum Beispiel intrakodiert ist oder als ein B-Bild im direkten Modus kodiert ist. Wenn einer der benachbarten Blocks ein Block dieses Typs ist, wird der Bewegungsvektor für den Block als gleich Null betrachtet. Wenn zwei der benachbarten Blocks Blocks dieses Typs sind, wird der Bewegungsvektor des übrig bleibenden einen Blocks als ein prädizierter Vektor genutzt. Wenn alle der benachbarten Blocks keinen Bewegungsvektor besitzen, dann wird der Bewegungsvektor des aktuellen Blocks in der Annahme kodiert, dass der prädizierte Vektor Null ist ([Abs. 0005] der Anlage K2).
- Inzwischen wird im Verfahren H.26L, das zur Standardisierung entwickelt wurde, ein neues Kodierverfahren von B-Bildern vorgeschlagen. B-Bilder werden üblicherweise kodiert, indem ein vorher kodiertes vorhergehendes Bild und ein vorher kodiertes nachfolgendes Bild als Referenzbilder genutzt werden, wobei aber bei dem neuen Kodierverfahren B-Bilder kodiert werden, indem zwei vorher kodierte vorhergehende Bilder, zwei vorher kodierte nachfolgende Bilder oder ein vorher kodiertes vorhergehendes Bild und ein vorher kodiertes nachfolgendes Bild verwendet werden (Abs. [0005] der Anlage K2).
- Auch wenn die benachbarten Blocks in einem B-Bild jeweils zwei Bewegungsvektoren in Richtung der vorhergehenden Referenzbilder oder zwei Bewegungsvektoren in Richtung der folgenden Referenzbilder aufweisen, gibt es, so das Klagepatent, bei dem herkömmlichen Bewegungsvektorkodierverfahren keine bestimmte und vereinheitlichte Methode zur Bestimmung, welcher dieser zwei Vektoren als ein prädizierter Vektor verwendet werden soll, womit es kein effizientes Kodierverfahren des bestimmten Bewegungsvektors gibt (Abs. [0006] der Anlage K2).
- Im Stand der Technik wird ein Bewegungskompensationsverfahren mit blockunterteilender Prädiktion und Nutzung zweier zeitlich differenzieller Referenzbilder offenbart. Der Prädiktionsbewegungsvektor basiert hierbei entweder auf einem Bewegungsvektor eines kurzzeitigen Vollbildes oder eines langzeitigen Vollbildes oder auf einer Kombination von zwei Bewegungsvektoren der Vollbilder ([Abs. 0007] der Anlage K2). Darüber hinaus wird im Stand der Technik die selektive Verwendung von Bewegungsvektoren des benachbarten Blocks in den Berechnungen des prädizierten Vektors gelehrt ([Abs. 0008] der Anlage K2).
- Das Klagepatent stellt sich die Aufgabe, ein Bewegungsvektorkodierverfahren und ein Bewegungsvektordekodierverfahren bereitzustellen, die das Verfahren zum Bestimmen eines prädizierten Vektors zum Kodieren eines Bewegungsvektors vereinheitlichen und die Vorausberechenbarkeit verbessern können ([Abs. 0009] der Anlage K2).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 sowie eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 2 vor, die nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben werden:
- Anspruch 1:
- 1. Bewegungsvektordekodierverfahren zum Erzeugen eines vorausberechneten Bewegungsvektors für einen aktuellen Block, der zu dekodieren ist, und zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks unter Verwendung des vorausberechneten Bewegungsvektors,
wobei das Bewegungsvektordekodierverfahren umfasst:
2. Zuweisen,
2.1 wenn wenigstens ein Block aus einer Mehrzahl von dekodierten Blocks in der Nachbarschaft des aktuellen Blocks zwei Bewegungsvektoren aufweist,
2.2 die auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen,
2.3 einer Kennung zu einem jeweiligen Bewegungsvektor der Mehrzahl von dekodierten Blocks auf einer Blockbasis
2.4 gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen; und
3. Ableiten des vorausberechneten Bewegungsvektors für jeden Bewegungsvektor des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung, wie sie zu jedem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl von dekodierten Blocks zugewiesen ist. - Anspruch 2:
- 1. Bewegungsvektordekodiervorrichtung zum Erzeugen eines vorausberechneten Bewegungsvektors für einen aktuellen Block, der zu dekodieren ist, und zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks unter Verwendung des vorausberechneten Bewegungsvektors,
wobei die Bewegungsvektordekodiervorrichtung umfasst:
2. eine Zuweisungseinheit
2.1 zum Zuweisen einer Kennung zu einem jeweiligen Bewegungsvektor der Mehrzahl von dekodierten Blocks auf einer Blockbasis
2.2 gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen,
2.3 wenn wenigstens ein Block aus einer Mehrzahl von dekodierten Blocks in der Nachbarschaft des aktuellen Blocks zwei Bewegungsvektoren aufweist,
2.4 die auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen;
3. eine Ableitungseinheit zum Ableiten des vorausberechneten Bewegungsvektors für jeden Bewegungsvektor des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung, wie sie zu jedem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl von dekodierten Blocks zugewiesen ist. - II.
Einer näheren Erläuterung bedürfen zunächst die Merkmale der Merkmalsgruppe 2 des Klagepatentanspruchs 1 (Verfahrensanspruch). - 1.
Wenn die in den Merkmalen 2.1 und 2.2 beschriebene Situation vorliegt, wird nach dem Klagepatent eine Kennung zugewiesen. Dass in anderen Fällen eine Kennung nicht zugewiesen werden darf, gibt der Patentanspruch dagegen nicht vor. - Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beschreibung der Situation, in der die Kennung zugewiesen wird (Merkmale 2.1, 2.2), der näheren Beschreibung des Zuweisens selbst (Merkmale 2.3, 2.4) unter Verwendung der Begrifflichkeit „wenn wenigstens“ sprachlich vorangestellt ist. Durch die Konjunktion „wenn“ („when“) wird vorgegeben, dass eine Kennung dann zugewiesen wird, wenn die Situation vorliegt. Der Begriff „wenigstens“ („at least“) bezieht sich auf den Begriff „ein Block“. Er drückt aus, dass mindestens ein näher beschriebener Block zwei Bewegungsvektoren aufweisen muss, diese Vorgabe aber auch auf mehrere solcher Blocks zutreffen kann.
Eine Bedeutung, wonach nur bei Vorliegen der Merkmale 2.1 und 2.2 eine Kennung zugewiesen werden darf, lässt sich der Formulierung dagegen nicht entnehmen. - Ein „Erfassen“ der in den Merkmalen 2.1 und 2.2 beschriebenen Situation als einen gesonderten Verfahrensschritt gibt der Patentanspruch ebenfalls nicht vor. Wie sichergestellt wird, dass bei Vorliegen der beschriebenen Situation eine Kennung zugewiesen wird, lässt das Klagepatent vielmehr offen.
- 2.
Nach Merkmal 2.2 verweisen die in Merkmal 2.1 beschriebenen zwei Bewegungsvektoren auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigenreihenfolge. - Was das Klagepatent unter dem „Verweisen“ („refer to“) von Bewegungsvektoren auf Referenzbilder versteht, definiert es nicht ausdrücklich. Allerdings lässt sich die Bedeutung des Begriffs aus der Funktion von Bewegungsvektoren nach der Lehre des Klagepatents, insbesondere im Verhältnis zu den Referenzbildern, ableiten.
- Nach der Lehre des Klagepatents wird eine Bewegung zwischen dem aktuellen Bild und dem Referenzbild kompensiert, indem die Pixelwerte entsprechend einem Bewegungsvektor verschoben werden. Der Bewegungsvektor gibt die Verschiebung der Pixel dabei sowohl in horizontaler (X-) als auch in vertikaler (Y-)-Richtung an (vgl. Absätze [0004], [0050], [0084] der Anlage K2). Das Referenzbild eines Bewegungsvektors ist das Bild, aus dem die Pixelwerte eines Blocks unter Verwendung des Bewegungsvektors verschoben werden, um ein prädiktives Bild für einen aktuellen Block zu erzeugen. Der Bewegungsvektor ist somit der Verschiebevektor für die an diesem Referenzbild vorzunehmende Bewegungskompensation.
- Dagegen kommt dem Bewegungsvektor nach der Lehre des Klagepatents nicht die Funktion zu, in die Richtung des Referenzbildes zu zeigen und dadurch das in Bezug genommene Referenzbild zu kennzeichnen. Sowohl die horizontale als auch die vertikale Komponente des Bewegungsvektors werden vielmehr für die Darstellung der Pixelverschiebung benötigt. Vor diesem Hintergrund kann das „Verweisen“ im Sinne des Merkmals 2.2 nur so verstanden werden, dass die Bewegungsvektoren sich auf bestimmte Referenzbilder – nämlich solche in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge – beziehen.
- Diese Auslegung steht sowohl in Einklang mit dem Wortlaut der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Verfahrenssprache als auch mit der vorgenommenen Übersetzung. Auf die Frage, ob das maßgebliche englische Verb „refer to“ statt, wie geschehen, mit „verweisen“ auch mit „sich beziehen auf“ hätte übersetzt werden können, kommt es daher nicht an.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Fig. 4 und 5 des Klagepatents. So gibt es in der Fig. 4 keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei den in Klammerzusätzen genannten Referenzbildern nicht um die im Sinne der vorgenommenen Auslegung in Bezug genommenen Referenzbilder handeln sollte. Die Pfeile in der Fig. 5 stellen lediglich schematisch die Richtung der Referenzbilder dar. Abgesehen davon hätte ein etwaiger Bedeutungsgehalt der Art, dass die Bewegungsvektoren selbst die Richtung der Referenzbilder anzeigen, keinen Niederschlag in dem zu beurteilenden Patentanspruch gefunden, so dass sie diesen nicht zu beschränken vermögen (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.1999 – X ZR 23/97, Extrusionskopf).
- Bewegungsvektoren verweisen im Sinne des Merkmals 2.2 auf Referenzbilder „in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge“, wenn beide Bewegungsvektoren in Anzeigereihenfolge entweder vorwärts- oder rückwärtsgerichtet sind (vgl. Fig. 4A, 4B, 4C). Dies ist der Fall, wenn die in Bezug genommenen Referenzbilder beide jeweils vorhergehende oder nachfolgende Bilder in Anzeigereihenfolge sind (vgl. Absätze [0006], [0042] der Anlage K2).
- 3.
Merkmal 2.3 bestimmt, dass eine „Kennung“ zu einem jeweiligen Bewegungsvektor der Mehrzahl von dekodierten Blocks auf einer Blockbasis zugewiesen wird. - Die Funktion der Kennung ergibt sich aus dem Patentanspruch selbst. Sie dient dazu, im Verfahrensschritt des Ableitens eines vorausberechneten Bewegungsvektors (Merkmal 3) Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung von Bewegungsvektoren mit anderer Kennung unterscheiden zu können. Da sich der Patentanspruch mit dem Auftreten zweier Bewegungsvektoren befasst (vgl. Merkmal 2.1), geht es namentlich um die Unterscheidung zwischen dem ersten und dem zweiten Bewegungsvektor. Diese Funktion der Kennung bestätigt Absatz [0104] der Anlage K2 (Absatz [0080] der Anlage K1), wonach die Kennungscodes anzeigen, ob es sich um die ersten oder zweiten Bewegungsvektoren handelt. Eine Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 muss demnach dazu geeignet sein, einen ersten und einen zweiten Bewegungsvektor voneinander zu unterscheiden.
- Wie die Kennung im Übrigen ausgestaltet ist, lässt das Klagepatent offen. Der Wortlaut „Kennung“ („identifier“) gibt keine besondere Form vor. Es ist daher jede beliebige Ausgestaltung patentgemäß, solange sie zur Erfüllung der genannten Funktion geeignet ist. Soweit in den Ausführungsbeispielen Kennungscodes beispielhaft als Variablen („0 und 1, 1 und 2, MV1 und MV2 oder dergleichen“, Absatz [0068] der Anlage K2) beschrieben werden, vermag dies den Patentanspruch, in dem eine solche Ausgestaltung keinen Niederschlag gefunden hat, nicht zu beschränken. Überdies ist zu beachten, dass der Wortlaut des Patentanspruchs mit dem Begriff „Kennung“ weiter ist als der in den Ausführungsbeispielen durchgehend verwendete Begriff „Kennungscode“. Auch in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache wird nur im Patentanspruch der Begriff „identifier“ verwendet, während in den Ausführungsbeispielen der Begriff „ID“ gewählt wurde. Selbst wenn man den Begriff „Kennungscode“ („ID“) einschränkend dahingehend verstehen wollte, dass es sich um eine selbstständige Information handeln muss, trifft dies daher auf den im Klagepatentanspruch verwendeten Wortlaut nicht zu.
- Eine Einschränkung auf gemeinsam mit dem Bewegungsvektor gespeicherte Kennungen lässt sich auch nicht aus dem Ausführungsbeispiel in Absatz [0104] der Anlage K2 (Absatz [0080] der Anlage K1) entnehmen. In Absatz [0104] werden zwei Verfahren zum Speichern und Verwalten von Bewegungsvektoren beschrieben, die die ersten und zweiten Bewegungsvektoren auf verschiedene Weise voneinander unterscheiden. Nach dem ersten Verfahren (Absatz 1) wird diese Unterscheidung dadurch sichergestellt, dass gemeinsam mit den Bewegungsvektoren deren Reihenfolge in Form von Kennungscodes gespeichert wird. Nach dem zweiten Verfahren (Absatz 2) werden die Speicherorte des ersten und des zweiten Bewegungsvektors vorherbestimmt, so dass diese durch Zugriff auf die Speicherstellen erfasst – und damit voneinander unterschieden – werden können. Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass nur das zuerst beschriebene Verfahren patentgemäß ist. Auch bei der im zweiten Verfahren genannten Speicheradresse kann es sich um eine Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 handeln. Funktional macht es keinen Unterschied, ob man dem Bewegungsvektor eine Information hinzufügt oder diesen Bewegungsvektor an einer hierfür vorgesehenen Adresse abspeichert. Eine Beschränkung von Kennungen auf selbstständige Informationen, die mit den Bewegungsvektoren gespeichert werden, ist für das Erreichen der patentgemäß angestrebten Vorteile nicht erforderlich.
- 4.
Durch das „Zuweisen“ (Merkmal 2) wird der Bewegungsvektor eines Blocks mit der so definierten Kennung verknüpft. Die Verknüpfung gewährleistet, dass Bewegungsvektor und Kennung so miteinander verbunden sind, dass die im Bitstrom erscheinenden ersten und zweiten Bewegungsvektoren voneinander unterschieden werden können. Auf welche Weise diese Verknüpfung erfolgt, stellt das Klagepatent in das Belieben des Fachmanns. So kann auch das Ablegen von Bewegungsvektoren an bestimmten Speicherorten, das den soeben erläuterten Zugriff auf bestimmte Speicherstellen ermöglicht, ein Zuweisen im Sinne des Merkmals 2 sein. Ein „Zuweisen“ setzt zudem nicht voraus, dass ein Bewegungsvektor erstmalig mit der ihn als ersten oder zweiten Bewegungsvektor ausweisenden Information verknüpft wird. - 5.
Nach Merkmal 2.4 hat das Zuweisen einer Kennung „gemäß einer Reihenfolge“ zu erfolgen, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen. - Das Zuweisen einer Kennung dient, wie bereits erörtert, dazu, erste und zweite Bewegungsvektoren voneinander unterscheidbar zu machen. Nach Merkmal 2.4 kommt es hierfür, also für die Einordnung als erste oder zweite Bewegungsvektoren, auf die Abfolge ihres Erscheinens im Bitstrom an. Das Zuweisen einer Kennung „gemäß einer Reihenfolge“ setzt somit voraus, dass der im Bitstrom zuerst übertragene Bewegungsvektor durch das Zuweisen einer Kennung von dem im Bitstrom danach übertragenen Bewegungsvektor unterscheidbar ist. Dagegen fordert der Patentanspruch nicht, dass die Reihenfolge der Bewegungsvektoren im Bitstrom zunächst in einem gesonderten Verfahrensschritt erfasst wird und ausgehend von diesem Ergebnis eine Kennung zugewiesen wird. Wie sichergestellt wird, dass dem im Bitstrom zuerst übertragenen Bewegungsvektor eine ihn von dem im Bitstrom danach übertragenen Bewegungsvektor unterscheidbare Kennung zugewiesen wird, lässt der Patentanspruch vielmehr offen.
- 6.
Wie die „Bewegungsvektoren“ ausgestaltet sein müssen, gemäß deren Reihenfolge im Bitstrom Kennungen zugewiesen werden, gibt das Klagepatent ebenfalls nicht vor. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Funktion der Bewegungsvektoren im Rahmen des Merkmals 2.4 lässt sich insbesondere ableiten, dass es sich um unkodierte Bewegungsvektoren handeln muss. Um auf die Abfolge ihres Erscheinens im Bitstrom abstellen zu können, kann es sich ebenso um kodierte Bewegungsvektoren handeln. Tatsächlich geht das Klagepatent selbst davon aus, dass die Bewegungsvektoren im Bitstrom in kodierter Form, nämlich in Form von Bewegungsvektordifferenzen, erscheinen. Bei der Bewegungsvektordifferenz handelt es sich nach der Lehre des Klagepatents um die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem prädizierten Bewegungsvektor. - Dass nach der Lehre des Klagepatents im Bitstrom kodierte Bewegungsvektoren erscheinen, ergibt sich beispielsweise aus Absatz [0054] der Anlage K2, wonach die Bitstrom-Erzeugungseinheit nach Empfang der kodierten Daten unter anderem die von der Bewegungsvektorkodiereinheit eingegebenen kodierten Bewegungsvektoren addiert, um einen Bitstrom zur Ausgabe zu entwickeln. Aber auch an diversen anderen Stellen der Ausführungsbeispiele wird deutlich, dass im Bitstrom kodierte Daten enthalten sind (vgl. Absätze [0045], [0051], [0066], [0082], [0085] der Anlage K2). Die Kodierung der Bewegungsvektoren erfolgt nach der Lehre des Klagepatents durch Bildung der Bewegungsvektordifferenz. Dies wird beispielsweise aus Absatz [0048] der Anlage K2 deutlich, wonach die Kodierung des zu kodierenden Bewegungsvektors für den aktuellen Block auf der Basis der Differenz von dem aus den Bewegungsvektoren der drei benachbarten kodierten Blocks erhaltenen prädizierten Vektor erfolgt. In Absatz [0136] wird als Anwendungsfall der Erfindung das Kodieren der Differenz zwischen dem Bewegungsvektor und dem prädizierten Vektor und das Unterbringen der kodierten Differenz in einem ein Bewegtbild darstellenden Bitstrom genannt. Da Kodierung und Dekodierung regelmäßig invers zueinander verlaufen, erkennt der Fachmann, dass in dem in Merkmal 2.4 beschriebenen Bitstrom die Bewegungsvektordifferenzen erscheinen.
- Auch Merkmal 1 bestätigt, dass nach der Lehre des Klagepatents im Bitstrom Bewegungsvektordifferenzen erscheinen. Das Merkmal unterscheidet zwischen dem Erzeugen eines vorausberechneten Bewegungsvektors für einen zu dekodierenden aktuellen Block und dem Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks unter Verwendung eben dieses vorausberechneten Bewegungsvektors. Der Verwendung eines solchen vorausberechneten (prädizierten) Bewegungsvektors bedarf es gerade deshalb, weil der zu dekodierende Bewegungsvektor im Bitstrom kodiert, nämlich als Bewegungsvektordifferenz, vorliegt. Der Bewegungsvektor für den aktuellen Block wird durch Addition des prädizierten Vektors und des kodierten Bewegungsvektors (der Bewegungsvektordifferenz) berechnet (vgl. Absatz [0082] der Anlage K2).
- Dieses Verständnis des Klagepatents stellt auch keinen Widerspruch zu dem in der einleitenden Beschreibung erörterten Stand der Technik dar. Dort wird, wie unter I. erörtert, ausgeführt, dass im MPEG-4-Standard zum Kodieren von Bewegungsvektoren eine Differenz zwischen einem Bewegungsvektor eines aktuellen Blocks und einem aus den Bewegungsvektoren für die benachbarten Blocks erhaltenen prädizierten Vektor kodiert (Absatz [0004] der Anlage K2). Das Klagepatent macht sich diesen Stand der Technik zu eigen, indem es von einer vorbekannten Konstruktion ausgeht, diese als durchaus vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2014 – I-15 U 30/14). Das Klagepatent geht ersichtlich von der Kodierung des MPEG-4-Standards aus und möchte bei bestimmten B-Bildern das Verfahren zum Bestimmen eines prädizierten Vektors verbessern. Den hier in Streit stehenden Aspekt der Kodierung und Übertragung/Speicherung nur der Differenz lässt das Klagepatent dagegen unverändert.
- Es führt nicht zu einer anderen Betrachtung, dass in Fig. 8 des Klagepatents, die die einem Bild in dem Bitstrom entsprechenden Bilddaten zeigt (Absatz [0066] der Anlage K2), die Bewegungsvektoren eines Blocks B als „MV1“, „MV2“ („MV“ für „motion vector“) bezeichnet sind. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass es sich um unkodierte oder „vollständige“ Bewegungsvektoren handeln muss. Es wird mit dieser Auslegung auch nicht gleichen Begriffen im Patentanspruch eine unterschiedliche Bedeutung zugemessen, ohne dass sich aus dem Patentanspruch in seiner Gesamtheit ein solches Verständnis ergibt (vgl. dazu BGH, GRUR 2017, 152 – Zungenbett). Der im Patentanspruch verwendete Begriff des Bewegungsvektors erfasst sowohl dessen unkodierte als auch dessen kodierte Form, ohne dass es sich um ein unterschiedliches Verständnis des gleichen Begriffs handelt. Der Patentanspruch befasst sich gerade mit beiden Formen des Bewegungsvektors.
- Dass nach der Lehre des Klagepatents im Bitstrom Bewegungsvektordifferenzen übertragen werden, gilt schließlich unabhängig davon, ob es sich um den zu dekodierenden aktuellen Block (vgl. Merkmal 1) oder um die Nachbarblocks (vgl. Merkmal 2.1) handelt. Die Bewegungsvektoren der bereits dekodierten Nachbarblocks sind nach der Lehre des Klagepatents dadurch dekodiert worden, dass die im Bitstrom erscheinende Bewegungsvektordifferenz zu einem jeweiligen vorausberechneten (prädizierten) Bewegungsvektor addiert wurde. Ein davon abweichendes Dekodierverfahren für die Nachbarblocks stellt das Klagepatent nicht zur Verfügung. Ob es sich bei einem bestimmten Block um einen aktuellen Block oder um einen Nachbarblock handelt, hängt zudem nur davon ab, welche Dekodierung gerade betrachtet wird.
- III.
Hinsichtlich des Klagepatentanspruchs 2 (Vorrichtungsanspruch) kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Die Vorrichtung nach Anspruch 2 ist so ausgestaltet, dass sie das Verfahren nach Anspruch 1 ausführen kann. Hierfür müssen nach Anspruch 2 entsprechende Einheiten vorhanden sein, deren Ausgestaltung das Klagepatent aber dem Fachmann überlässt. Besondere räumlich-körperliche Anforderungen stellt das Klagepatent in dieser Hinsicht nicht auf. - IV.
Die Beklagte verletzt durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 mittelbar, Art. 64 EPÜ i. V. m. § 10 Abs. 1 PatG. Nach § 10 Abs. 1 PatG ist es Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Diese Voraussetzungen liegen vor. - 1.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind objektiv geeignet, ein Verfahren gemäß dem Klagepatentanspruch 1 durchzuführen. Der in den angegriffenen Ausführungsformen enthaltene AVC-Decoder arbeitet unstreitig nach dem AVC/H.264-Standard. Die Anwendung des Standards verwirklicht sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 und insbesondere diejenigen der Merkmalsgruppe 2. Die objektive Eignung zur Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, weshalb sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. - a)
Der AVC/H.264-Standard ist objektiv geeignet, das Merkmal 2.2 des Klagepatentanspruchs 1 zu verwirklichen, nämlich im Fall der Dekodierungsprozesse für den Bildreihenfolgezähler Typ 2 (Abschnitt 8.2.1.3 des AVC/H.264-Standards, Seite 119 der Anlage K5a). Nach der „ANMERKUNG 3“ des Abschnitts 8.2.1.3 ergibt der Bildreihenfolgezähler Typ 2 eine Ausgabereihenfolge, die der Dekodierungsreihenfolge entspricht. Sind Ausgabe- und Dekodierungsreihenfolge identisch, können nur Referenzbilder verwendet werden, die vergangene Bilder in der Ausgabereihenfolge sind. Zukünftige Bilder können nicht dekodiert werden. In Fällen, in denen es zwei Bewegungsvektoren mvL0 und mvL1 gibt, sind demnach beide rückwärtsgerichtet und verweisen im Sinne obiger Auslegung auf Referenzbilder „in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge“. - Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der „ANMERKUNG 3“ des Abschnitts 8.2.1.3 nicht um einen integralen Bestandteil des Standards handelt (vgl. Abschnitt 0.7 des AVC/H.264-Standards, Seite xx der Anlage K5a). Dass die darin enthaltene, soeben dargestellte Information nicht zutreffend ist, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
- Dem ersten und zweiten Bewegungsvektor sind im Standard Referenzbilder zugeordnet. Der Verweis auf die zugeordneten Referenzbilder (refidxL0 bzw. refidxL1) wird im Bitstrom übertragen. Dass die Bewegungsvektoren durch ihre Richtung nicht selbst den Verweis auf die Referenzbilder darstellen, führt nach obiger Auslegung nicht aus der Verletzung heraus.
- b)
Es wird bei Anwendung des AVC/H.264-Standards auch eine Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 zugewiesen, nämlich in Form des Bezeichners X = 0,1. - Der im Bitstrom übertragenen Bewegungsvektordifferenz wird nach dem AVC/H.264-Standard der Bezeichner X = 0,1 zugewiesen, so dass die Differenzen die Bezeichnungen mvd_l0 bzw. mvd_l1 erhalten. Diese Zuweisung ist geeignet, den ersten (mvd_l0) von dem zweiten (mvd_l1) Bewegungsvektor zu unterscheiden.
- Die Zuweisung des Bezeichners ergibt sich aus Abschnitt 8.4.1.3.1 des AVC/H.264-Standards, der die mediane Luma-Bewegungsvektor-Prädiktion beschreibt. Danach sind Eingaben für den Ableitungsprozess neben weiteren die Bewegungsvektoren mvLXN (wobei N durch A, B oder C ersetzt wird; A, B und C identifizieren einen von drei benachbarten Blöcken) der benachbarten Partitionen. Ist X gleich 0 oder 1 (X = 0,1) haben die benachbarten Partitionen zwei Bewegungsvektoren. Ausgabe dieses Prozesses ist die Bewegungsvektor-Prädiktion mvpLX. Bei Vorliegen zweier Bewegungsvektoren wird damit der Bezeichner X = 0,1 zugewiesen.
- Der Bezeichner X = 0,1 wird nach dem AVC/H.264-Standard bei Vorliegen von zwei Bewegungsvektoren immer vergeben und damit auch unter den weiteren Voraussetzungen der Merkmale 2.1 und 2.2. Nach obiger Auslegung führt es nicht aus der Verletzung heraus, dass der Bezeichner X = 0,1 somit auch in anderen Situationen als der in den Merkmalen 2.1 und 2.2 beschriebenen zugewiesen wird. Dass das Vorliegen einer Situation gemäß den Merkmalen 2.1 und 2.2 nicht in einem gesonderten Verfahrensschritt erfasst wird, ist für die Merkmalsverwirklichung ebenfalls nicht von Belang.
- Ob und in welcher Form der Bezeichner bei der Übersetzung des in dem AVC/H.264-Standard festgelegten Programmcodes in die Maschinensprache (Kompilierung) erhalten bleibt, ist für die Verwirklichung des Merkmals 2.3 unerheblich. Die Klägerin hat nachvollziehbar erläutert, dass die Kompilierung zu einem Maschinencode führt, der den ursprünglichen Programmcode repräsentiert, so dass der semantische Inhalt des Programmcodes im Maschinencode – wenn auch in eine andere Sprache übersetzt – weiterhin enthalten ist. Eine Kennung im Sinne des Merkmals 2.3 ist damit bei Implementierung des Standards bereits deshalb weiterhin vorhanden, weil der im Standard verwendete Bezeichner, wenn auch in kompilierter Form, im Maschinencode weiterhin existent ist.
- c)
Die Zuweisung der Kennung erfolgt auch im Sinne des Merkmals 2.4 „gemäß einer Reihenfolge“, in der die Bewegungsvektoren in einem Bitstrom erscheinen. Im Standard wird mvd_l0 im Bitstrom vor mvd_l1 übermittelt bzw. – umgekehrt – der im Bitstrom zuerst übertragene Bewegungsvektor trägt den Bezeichner 0 und der danach übertragene Bewegungsvektor trägt den Bezeichner 1. Dass die Reihenfolge der Bewegungsvektoren im Bitstrom zunächst in einem gesonderten Verfahrensschritt erfasst wird, ist nach obiger Auslegung nicht erforderlich. - Dass nach dem AVC/H.264-Standard unstreitig nicht der Bewegungsvektor mvLX, sondern die Differenz mvd_lX zwischen dem tatsächlichen Bewegungsvektor mvLX und der Bewegungsvektorprädiktion mvpLX im Bitstrom übertragen wird, führt nach obigen Ausführungen nicht aus der Verletzung heraus. Auch bei der Bewegungsvektordifferenz mvd_lX handelt es sich um einen Bewegungsvektor im Sinne des Merkmals 2.4.
- d)
Es findet schließlich ein „Zuweisen“ einer Kennung im Sinne des Merkmals 2 statt. Dafür ist es nach obiger Auslegung unerheblich, dass die Bewegungsvektordifferenzen erstmalig bei Erzeugung des Bitstroms mit der Information verknüpft werden, ob es sich um den ersten oder zweiten Bewegungsvektor handelt, somit im Rahmen der Kodierung. Auch im Rahmen der Dekodierung findet eine entsprechende Verknüpfung statt, wenn der Bitstrom ausgelesen und die an entsprechender Stelle übertragene Bewegungsvektordifferenz an einem hierfür vorgesehenen Speicherort abgelegt wird. - 2.
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die angegriffenen Ausführungsformen mit dem darin enthaltenen AVC-Decoder in der Lage sind, die im Klagepatentanspruch 1 vorgesehenen Verfahrensschritte auszuführen (vgl. BGH, GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung). - 3.
Die angegriffenen Ausführungsformen werden auch in Deutschland zur Benutzung in Deutschland vertrieben. Die Abnehmer der Beklagten sind mangels Zustimmung der Klägerin als Patentinhaberin auch nicht berechtigt, das geschützte Verfahren anzuwenden. - 4.
Es ist aufgrund der Umstände offensichtlich, dass die angegriffenen Ausführungsformen dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Die Offensichtlichkeit folgt zwar nicht bereits daraus, dass die angegriffenen Ausführungsformen ausschließlich patentverletzend verwendet werden können (vgl. dazu BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat; GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug). Allerdings drängt sich die patentverletzende Nutzung durch die Abnehmer auf, weil der AVC-Decoder fest installierter Bestandteil der angegriffenen Ausführungsformen ist und, etwa beim Abspielen von Videos, zur Anwendung gelangt, ohne dass die Nutzer hiervon Kenntnis nehmen. - V.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen ferner von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 2 (Vorrichtungsanspruch) unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen mit dem AVC-Decoder über eine Bewegungsvektordekodiervorrichtung im Sinne des Merkmals 1, die eine Zuweisungseinheit im Sinne der Merkmalsgruppe 2 und eine Ableitungseinheit im Sinne der Merkmalsgruppe 3 umfasst. Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter IV. Bezug genommen werden. - VI.
Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen. - Es ist nicht feststellbar, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung (vgl. dazu unter Ziff. 1.) in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzt (dazu unter Ziff. 2.).
- 1.
Die Klägerin verfügt über eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV. - a)
„Marktbeherrschung“ meint in diesem Kontext die wirtschaftliche Macht, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich relevanten) Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (EuGH SIg. 78, 207 Rn. 65 f. – United Brands; EuGH Slg. 79, 461 Rn. 38 f. – Hoffmann-La Roche). Die notwendige exakte Abgrenzung des Marktes in sachlicher und räumlicher Hinsicht erfolgt mittels des sog. Bedarfsmarktkonzepts. Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu eruieren, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen. Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug vom Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren (bspw. Marktanteil, Unternehmensstruktur, Wettbewerbssituation, Verhalten auf dem Markt; grds. jedoch nicht der Preis) (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 148 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). - Im Zusammenhang mit den hier geltend gemachten Verbietungsrechten aus einem Patent ist die geschilderte Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 149; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 217): Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe am jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender. Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten alleine ist noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so liegt eine marktbeherrschende Stellung vor (EuGH, GRUR Int 1995, 490 – Magill TVG Guide; EuGH, WuW 2013, 427 – Astra Zeneca; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte). Ein solcher nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen.
- Nicht jedes standardessentielle Patent begründet als solches eine Marktbeherrschung (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 150; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 220). Eine solche ist jedoch ohne weiteres anzunehmen, wenn sich der Zugang zur Nutzung des fraglichen SEP als regelrechte Marktzutrittsvoraussetzung darstellt (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E, Rn. 221), was der Fall ist, wenn auf dem relevanten Markt überhaupt nur Produkte angeboten und nachgefragt werden, die den Standard durch Benutzung des SEP ausführen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.). Entsprechendes gilt, wenn auf dem relevanten Markt zwar auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des SEP nicht aufweisen, jedoch ein wettbewerbsfähiges Angebot ohne Zugang zur Nutzung des streitigen SEP nicht möglich ist (Kühnen, a.a.O.).
- Aus dem zuvor Gesagten folgt umgekehrt, dass mangelnde Standardessentialität eines Patents der Annahme einer Marktbeherrschung nicht zwangsläufig entgegensteht. Eine Marktbeherrschung kann sich auch ohne Standardessentialität aus einer technischen oder wirtschaftlichen Überlegenheit der patentierten Erfindung ergeben (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- Der Beklagte trägt für die Marktbeherrschung nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 151; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 225). Der Beklagte ist insoweit gehalten, ganz konkrete Tatsachen vorzutragen, die eine gerichtliche Überprüfung, ob eine beherrschende Stellung auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt gegeben ist oder nicht, erlauben (Kühnen, a.a.O.).
- b)
Auf der Basis vorstehender Grundsätze bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Klägerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Inhaberin des Klagepatents eine marktbeherrschende Stellung zukommt. - Die Beklagte hat vorgebracht, dass auf dem Lizenzvergabemarkt für den AVC/H.264-Standard keine wirtschaftlich sinnvoll umsetzbare („realistische“) Alternative zu dem AVC/H.264-Patentpool besteht. Auf dem hier maßgeblichen nachfolgenden Markt seien nahezu sämtliche marktfähigen mobilen Endgeräte mit dem geltend gemachten AVC-Standard ausgerüstet, so dass sich der Grad der Marktdurchdringung des Standards auf der Ebene des nachgelagerten Produktmarktes auf nahezu XXX % belaufe.
- Diesen Vortrag, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist, hat die Beklagte zusätzlich anhand sticÖrobenartiger Marktanalysen weiter substantiiert. Aus den vorgelegten Proben (Anlagenkonvolut B42) geht hervor, dass jedenfalls dem Gericht als gewichtige Marktteilnehmer bekannte Unternehmen (XXX), ihre Endgeräte als AVC/H.264-fähig bewerben und vertreiben.
- Auch ist eine Austauschbarkeit des AVC-Standards mit anderen gängigen Standards zur Videocodierung (AVI, DivX, Flash Video, WMV) nicht gegeben. Da das verwendete Videoformat durch den Inhalte-Anbieter, nicht den Hersteller des Endgeräts, bestimmt wird, statten die Hersteller ihre Produkte mit der Möglichkeit zur Unterstützung verschiedener Standards, eben auch des hier streitgegenständlichen AVC/H.264-Standards, aus.
- Das Ausgeführte trifft auch auf die technische Funktion zu, die das Klagepatent bereitstellt. Die Klägerin selbst beruft sich im Rahmen ihrer Klageschrift darauf, dass das Klagepatent wesentlich für die Nutzung des AVC/H.264-Standards ist – (vgl. unter Ziff. III.).
- 2.
Es kann hingegen nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzt, indem sie den in dem EuGH-Urteil aufgestellten Anforderungen an den Inhaber eines SEP, für das eine FRAND-Erklärung vorliegt, nicht nachgekommen ist. - a)
Der EuGH hat dem Inhaber eines standardessentiellen Patents (nachfolgend kurz: „SEP“), der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation dazu verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen („FRAND“ = „fair, reasonable and non-discriminatory“) zu gewähren, in der Rechtssache E/ XXX, Az.: C-170/13, mit Urteil vom 16.07.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015 (GRUR 2015, 764) in Auslegung des Art. 102 AEUV Verpflichtungen auferlegt, die – sofern sie von diesem eingehalten werden – dazu führen, dass eine von diesem erhobene Klage auf Unterlassen oder Rückruf nicht als Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung anzusehen ist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 55) (dazu unter lit. aa)). Nach dieser Maßgabe ist auch der hier zur Entscheidung stehende Fall zu beurteilen (dazu unter lit. bb)). - aa)
Aus dem in Bezug genommenen EuGH-Urteil ergibt sich ein von Patentinhaber und Patentbenutzer zu befolgendes Regime von Pflichten/ Obliegenheiten, dessen einzelnen Verfahrensschritte aufeinander aufbauen, so dass der Patentverletzer nur dann in der ihm obliegenden Art und Weise zu reagieren hat, wenn der Patentinhaber seinerseits zuvor die ihm oliegenden Pflichten erfüllt hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). - Dieses Regime sieht vor, dass der Patentinhaber den angeblichen Verletzter „vor Erhebung der Klage“ (bzw. „vor der gerichtlichen Geltendmachung“) unter Angabe des fraglichen SEP sowie der Art und Weise der Verletzung hinzuweisen hat (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 62, 71). Hat der angebliche Patentverletzer daraufhin seine Lizenzbereitschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrags unter FRAND-Bedingungen zum Ausdruck gebracht, hat der Patentinhaber – um sich nicht dem Vorwurf des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung auszusetzen – ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten (EuGH, ebd., Rn. 71). Aus diesem müssen insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung hervorgehen (a.a.O.). Dem vermeintlichen Patentverletzer obliegt es sodann, auf dieses Angebot mit Sorgfalt, gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, zu reagieren (EuGH, ebd., Rn. 65, 71). Nimmt der vermeintliche Verletzer das Angebot nicht an, kann er sich auf die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht (EUGH, ebd., Rn. 66). Weiter hat der Patentbenutzer ab dem Zeitpunkt, zu dem sein Gegenangebot abgelehnt wurde, eine angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten zu leisten (EuGH, ebd., Rn. 67).
- Die vom EuGH für die Geltendmachung des Unterlassungs- und Rückrufanspruchs aufgestellten kartellrechtlichen Einschränkungen gelten auch für den Vernichtungsanspruch (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2016, Az.: I-15 U 65/15, Rn. 16, zitiert nach juris).
- bb)
Die dargestellte EuGH-Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. - Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation, wonach – was noch zu zeigen ist – bereits eine routinierte Lizenzpraxis existiert, stehe einer Anwendung der in dem zitierten EuGH-Urteil aufgestellten Grundsätze entgegen, es habe vielmehr ein Rückgriff auf die sog. „Orange-Book-Standard“-Rechtsprechung, die dem Patentbenutzer das Erfordernis eines Angebots auf Abschluss eines Lizenzvertrags auferlegt (BGH, GRUR 2009, 694, Rn. 29), zu erfolgen, schließt sich die Kammer dem nicht an.
- Der EuGH hat – wie den Entscheidungsgründen des Urteils zu entnehmen ist – den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt dadurch charakterisiert gesehen, dass „zum einen“ das Klagepatent für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essenziell ist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 48) und „zum anderen“ eine unwiderrufliche Verpflichtungszusage des Inhabers besteht, Dritten zu FRAND-Bedingungen Lizenzen zu erteilen (EuGH, ebd., Rn. 51). Gerade mit diesen Aspekten verknüpft der EuGH den besonderen, für den Patentinhaber aufgestellten Pflichtenkatalog:
- „In einer solchen Konstellation muss der Inhaber eines SEP, damit eine Klage auf Unterlassung oder Rückruf nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet werden soll.“ (EuGH, ebd., Rn. 55; Hervorhebung diesseits).
- Die (weitergehende) Abgrenzung der so beschriebenen Ausgangssituation zu Fällen, in denen eine bestehende Lizenzierungspraxis existiert, ist dem EuGH-Urteil hingegen nicht zu entnehmen. Zwar heißt es in Randnummer 64 des EuGH-Urteils:
- „[…]. Außerdem ist der Inhaber des SEP, wenn weder ein Standardlizenzvertrag noch mit anderen Wettbewerbern bereits geschlossene Lizenzverträge veröffentlicht sind, in einer besseren Lage, um zu prüfen, ob sein Angebot die Voraussetzungen der Gleichbehandlung wahrt, als der angebliche Verletzer.“ (Hervorhebung diesseits),
- damit hat der EuGH jedoch nicht erkennbar ein weiteres Abgrenzungskriterium schaffen wollen. Dagegen spricht bereits die sprachliche Einleitung mit dem Wort „außerdem“, die lediglich ein zusätzliches Argument für die Ansicht, dass der Patentinhaber in Richtung des Abschluss eines Lizenzvertrages initiativ werden muss, markiert. Auch die systematische Stellung des Passus im Zusammenhang mit der Darstellung der Obliegenheiten des Patentinhabers, die sich gerade aus den zuvor (in den Randnummern 48 und 51) beschriebenen Besonderheiten ergibt, unterstreicht, dass lediglich ein zusätzliches Argument für diese Obliegenheiten, nicht aber ein neues Unterscheidungskriterium präsentiert werden soll. Letztlich spricht gegen eine Abkehr von dem aufgestellten Pflichtenprogramm im Falle einer bestehenden Lizenzierungspraxis auch, dass auch in einem solchen Fall, die von dem Patentinhaber geweckte Erwartungshaltung, er sei zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen bereit, bestehen bleibt (EuGH, ebd., Rn. 54). Diese wird durch die bereits „gelebte“ Lizenzpraxis sogar noch besonders geschürt. Gleichermaßen verbleibt es auch in diesen Fällen bei der Möglichkeit eines Informationsdefizits hinsichtlich der Benutzung der Lehre eines standardessentiellen Patents auf Seiten des vermeintlichen Verletzers – ein Umstand, der den EuGH gerade zur Statuierung der Pflicht zum Erstangebot auf Seiten des Patentinhabers bewogen hat (EuGH, ebd., Rn. 62). Aus dem bloßen Umstand, dass ein Standardlizenzvertrag veröffentlicht ist, ist nicht der zwingende Schluss ableitbar, dass der Patentbenutzer von der Benutzung des standardessentiellen Patents/ standardessentieller Patente auch Kenntnis hat. Die Recherche nach einem entsprechenden Standardlizenzvertrag dürfte eine solche Kenntnis regelmäßig vielmehr voraussetzen.
- Hinzukommt, dass die Auffassung, wonach eine etablierte Lizenzvertragspraxis aus den in dem EUGH-Urteil aufgestellten Grundsätzen hinausführt, auch zu praktischen Abgrenzungsproblemen führt, ab wann von einer solchen Konstellation auszugehen ist.
- Die vorherigen Ausführungen schließen hingegen nicht aus, einer etwaigen bestehende Lizenzierungspraxis des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des von ihm zu erbringenden Pflichtenprogramms eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen – wozu nachfolgend unter lit. d) ausführlich und mit konkretem Bezug zu dem hier zur Entscheidung stehenden Fall ausgeführt wird.
- b)
Mit der E-Mail vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) liegt eine hinreichende Verletzungsanzeige vor. - Da bei der Verletzungsanzeige „das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben ist, auf welche Weise es verletzt worden sein soll“ (EuGH, ebd., Rn. 61), ist zumindest die Angabe der Veröffentlichungsnummer des Klagepatents, die angegriffene Ausführungsform und die vorgeworfene Benutzungshandlung (im Sinne von §§ 9 f. PatG) gegenüber dem Verletzer erforderlich (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 172 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). Die Verletzungsanzeige verlangt aber keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen – der andere Teil muss nur in die Lage versetzt werden – ggf. mit sachverständiger Hilfe – den Verletzungsvorwurf zu prüfen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 328; weitergehend LG Mannheim, Urteil vom 29.01.2016 – 7 O 66/15 – Rn. 57). Die Verletzungsanzeige dient dazu, dem hinsichtlich des Schutzbereichseingriffs ggf. noch gutgläubigen Benutzer die Gelegenheit zu geben, um die Erteilung einer aufgrund der FRAND-Erklärung jedem Interessenten zugesagten Benutzungserlaubnis nachzufragen (Kühnen, a.a.O.). Die Pflicht zur Selbstanzeige ist jedoch kein Selbstzweck. Sie ist deshalb dort entbehrlich, wo sie sich als nutzlose Förmelei darstellt, weil aufgrund der Gesamtumstände mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Verletzungsbeklagte Kenntnis von der Benutzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform hat und sein Berufen darauf, der Kläger habe ihm dies nicht angezeigt, als Rechtsmissbrauch erscheint (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 33). An das Vorliegen eines solchen Tatbestandes sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen (a.a.O.).
- Nach dieser Maßgabe erweist sich das Schreiben der M vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) als hinreichender Verletzungshinweis.
- aa)
Unschädlich ist zunächst, dass das in Rede stehende Schreiben zwischen der M und Herrn F, genannt „G“, ausgetauscht worden ist. - (1)
Sofern – auf Seiten des Patentbenutzers – sichergestellt ist, dass eine der Muttergesellschaft übersandte Verletzungsanzeige konzernintern an die jeweils betroffenen Tochtergesellschaften weitergeleitet wird, bedarf es keiner formalen Benachrichtigung an sämtliche Tochtergesellschaften (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 175; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 329). Bereits die Konzernzugehörigkeit begründet in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte die berechtigte Annahme, dass die betroffenen Tochtergesellschaften informiert werden (OLG Düsseldorf, a.a.O.). - Im Übrigen rechtfertigt vorliegend aber auch die Vorkorrespondenz der Parteien das Vertrauen darauf, dass Lizenzierungsfragen betreffende Informationen innerhalb des Konzerns der Beklagten weitergeleitet werden. So liefen auch bereits die vorgelagerten Lizenzgespräche über den MPEG-2 Standard regelmäßig über „G“, der Mitarbeiter der Tochtergesellschaft E XXX ist, jedoch für den E Konzern in Erscheinung trat und den Eindruck vermittelte, als liefen die den Konzern betreffenden Lizenzierungsfragen bei ihm zusammen. So heißt es in einer E-Mail von „G“ vom 10.11.2009 (Anlage B10; deutsche Übersetzung: Anlage B10a):
- und in einer weiteren E-Mail vom 09.12.2009 (Anlage B16; deutsche Übersetzung: Anlage B16a):
- In Übereinstimmung mit dieser bisherigen Verhandlungspraxis war dann auch das hier in Rede stehende Schreiben der M vom 06.09.2011 an „G“ adressiert. Darin heißt es:
- In der daraufhin ergehenden Antwortmail vom 15.09.2011 (Anlage B21/ Anlage B21a) wird dieser Passus von „G“ nicht angegriffen, sondern vielmehr ausgeführt:
- (2)
Auch kann das von der M verfasste Schreiben als Verletzungshinweis der Klägerin gewertet werden. - Es ist davon auszugehen, dass die M Rechtshandlungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lizenzen an dem AVC/H.264-Patentpool vornehmen kann.
- Der Standardlizenzvertrag zu dem hier streitgegenständlichen Pool (Anlage K10 – Exhibit G – a) kommt nach dem Eingangspassus,
- „Dieser Vertrag wurde am XXX 20XXX zwischen M und XXX (nachstehende „Lizenznehmer“ genannt) geschlossen.“,
- zwischen der M und dem jeweils Lizenzwilligen zustande. Zu diesem Zweck werden der M von den Inhabern der Poolpatente Unterlizenzen gewährt:
- „Jeder Lizenzgeber gewährt dem Lizenzverwalter eine weltweite, nicht-exklusive Lizenz und/ oder Unterlizenz an allen vom Lizenzgeber lizenzierbaren oder unterlizenzierbaren für AVC wesentlichen Patenten, um es dem Lizenzverwalter zu ermögliche, weltweite nicht-exklusive Unterlizenzen an allen diesen für AVC wesentlichen Patent gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags zu gewähren.“ (Standardlizenzvertrag, Anlage K10 – Exhibit G – a, S. 2, letzter Abs.).
- In Ziff. 3.1 des Standardlizenzvertrags (Anlage K10 – Exhibit G – a; Hervorhebung diesseits) heißt es außerdem:
- „Für die Lizenzen, die in Artikel 2 dieser Vereinbarung nach den AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio gewährt werden, muss der Lizenznehmer dem Lizenzverwalter zugunsten der Lizenzgeber für die Laufzeit der vorliegenden Vereinbarung die im Folgenden festgesetzten Gebühren entrichten:“
- Dieser Vertragsinhalt regelt zwar das Vertragsverhältnis der M und den jeweiligen Poolpatentinhabern nicht unmittelbar – Regelungsgegenstand ist vielmehr das Vertragsverhältnis zwischen der M und dem jeweiligen Lizenznehmer – , er gibt jedoch einen Hinweis auf die Handlungsmöglichkeiten der M im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe an dem hier streitgegenständlichen Standard.
- Hinzukommt, dass M eine Vielzahl von Standardlizenzverträgen auch tatsächlich abgeschlossen hat, mithin das in dem Standardlizenzvertrag dargestellte Modell auch gelebt wird. Dies zeigen unter anderem die mit den Anlage K26 und K27 vorgelegten (ausgefüllten) Standardlizenzvertrag, beispielhaft seien hier die Verträge mit (…) genannt.
- Auch die Muttergesellschaft der Beklagten selbst stand zu Verhandlungszwecken mit der M über mehrere Jahre – anhand der vorgelegten Unterlagen können die Verhandlungen bis in das Jahr 2009 zurückverfolgt werden – in Kontakt. So trägt die Beklagte selbst vor, „E habe den Kontakt zu Vertretern des M Patentpools gesucht“. Insoweit liegt auch eine dies bestätigende E-Mail des Herrn L(E) vom 13.02.2009 (Anlage B4; deutsche Übersetzung: Anlage B4a) vor. Auch wenn diese Kontaktaufnahme zunächst eine Lizenzierung im Hinblick auf den MPEG-2 Standard zum Gegenstand hatte, spricht daraus die Annahme der Beklagten, dass M zu einer Lizenzvergabe im Zusammenhang mit dem MPEG-Standard rechtlich in der Lage ist. In der Antwortmail der M vom 16.02.2009 (Anlage B5; deutsche Übersetzung: Anlage B5a) gab M auch zu erkennen, dass die Möglichkeit zur Lizenzvergabe auch den MPEG-4 Standard erfasst (Hervorhebung diesseits):
- Auch in der Folgezeit hat die Muttergesellschaft der Beklagten (bzw. E) etwaige Verhandlungen mit M geführt. Insoweit sei insbesondere auf den E-Mailverkehr des Jahres 2009 verwiesen, der in den Anlagen B4 – B8, dem Anlagenkonvolut B9 und den Anlagen B10 – B16 (die deutschen Übersetzungen der Anlagen sind jeweils mit dem Buchstaben „a“ gekennzeichnet) zum Ausdruck kommt.
- Die angeführten Tatsachen, wonach I im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe an dem streitgegenständlichen Standard vielfach in Erscheinung getreten ist, berücksichtigend würde es sich zudem auch als treuwidrig erweisen, wenn etwaige Patentinhaber sich im Verhältnis zu Lizenznehmern auf die fehlende Handlungsmöglichkeit der M berufen würden. In Übereinstimmung mit der Lizenzierungspraxis beruft sich die Klägerin als Poolpatentinhaberin in dem hiesigen Verfahren auch gerade auf die Handlungsbefugnis der M.
- Unbeschadet dessen ist auch davon auszugehen, dass der Beklagten der Einsatz eines Lizenzverwalters in der Branche sowie die Rolle von M als ein solcher grundsätzlich bekannt gewesen sind, was deren Bestreiten der Handlungsmöglichkeit der M mit Nichtwissen jedenfalls fragwürdig erscheinen lässt.
- Insbesondere lässt sich der E-Mailkorrespondenz zwischen den Parteien entnehmen, dass der Konzern der Beklagten eine Zusammenarbeit mit M im Hinblick auf einen „LTE Patentpool“ andachte:
- Die Zusammenarbeit zwischen M und dem Konzern der Beklagten wird schließlich auch von „G“ in einer E-Mail vom 19.11.2009 (Anlage B14; deutsche Übersetzung: Anlage B14a) als „langjährig“ beschrieben.
- bb)
Im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen an einen Verletzungshinweis ist der Beklagten zuzugestehen, dass das Schreiben der M vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) lediglich pauschale Angaben zum Verletzungsprodukt – dort bezeichnet mit „mobile Handapparat- und Tablet-Produkte“ – und zu den/ dem verletzten Schutzrecht(en) – in Form des Hinweises auf „das AVC-Patentportfolio“ mit „mehr als 1000 essentiellen AVC-Patenten von 25 Patentinhabern“ – enthält. Die Veröffentlichungsnummer konkreter Patente aus dem umfangreichen Pool werden darin ebenso wenig genannt wie die konkrete Bezeichnung vermeintlicher Verletzungsprodukte. - Dieser Inhalt ist jedoch vor dem Hintergrund der Vorkorrespondenz zwischen der Muttergesellschaft der Beklagten und der M sowie dem Verhalten der Muttergesellschaft nach dem Verletzungshinweis ausnahmsweise ausreichend.
- Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Muttergesellschaft (bzw. zunächst E ) MPEG2-Standard in Kontakt standen. In diesem Rahmen teilte die M bereits mit, dass hinsichtlich der Komprimierung von Videos nicht nur der (von der E USA angefragte) MPEG-2 Standard, sondern auch der Standard AVC/H.264 (MPEG-4 Teil zehn) bekannt sei, weshalb auch dieser Standard angesichts der von E vertriebenen Produkte relevant sei (E-Mail vom 16.02.2009, Anlage B5/B5a). In diesem Zusammenhang erhielt der Konzern der Beklagten auch die AVC/H.264 Standardlizenz zur Kenntnis (vgl. Antwort-E-Mail des Herrn L vom 26.02.2009, Anlage B6/B6a), dem auch eine Patentliste beigefügt war. Mit E-Mail vom 18.03.2009 (Anlage B7/B7a) meldete sich der mit den Lizenzverhandlungen auf Seiten des Konzerns der Beklagten betraute „G“ und bezog sich bei seiner Antwort zumindest auch auf den MPEG-4 Standard,
- obgleich insoweit (noch) kein konkreter Wille zur Verhandlung auch dieses Standards (neben dem MPEG-2 Standard) erkennbar wird. Auch in der Folgezeit klang eine Lizenzierung des MPEG4-Standards in der Kommunikation mit der Muttergesellschaft an:
- Vor dem Hintergrund dieser Korrespondenz war davon auszugehen, dass die Beklagte außer der in dem Schreiben vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) enthaltenen Informationen keiner weiteren Angaben mehr bedurfte, um eine Entscheidung im Hinblick auf ihre grundsätzliche Lizenzwilligkeit zu treffen.
- Die M machte mit dem in Bezug genommenen Schreiben deutlich, dass sie – in Abgrenzung zu den Verhandlungen zu dem MPEG-2 Standard – nunmehr auch gezielt Gespräche zur Lizenzvergabe an dem hier streitgegenständlichen AVC/H.264 Standard anstrebte. Dabei hatte sie der Muttergesellschaft bereits im Jahre 2009 Unterlagen in Form des Standardlizenzvertrages zukommen lassen. Im Rahmen dieser Kommunikation hat die Muttergesellschaft trotz Interessenbekundungen auch im Hinblick auf eine Lizenz an dem AVC/H.264-Standard keine weitergehenden Informationen zu diesem angefordert, und damit zu erkennen gegeben, dass ihr eine Beurteilung ihrer Lizenzwilligkeit auf der Grundlage des bereits bestehenden Wissens möglich ist. Auch im Nachgang zu dem Aufforderungsschreiben vom 06.09.2011 hat die Muttergesellschaft einen weitergehenden Informationsbedarf nicht erkennen lassen, sondern stattdessen um einen Gesprächstermin zur Erörterung gebeten (E-Mail „G“ vom 15.09.2011, Anlage B21/B21a). Eine Anfrage der Claim Chart durch die Beklagte lässt sich erst in das Jahr 2016 datieren (vgl. Protokoll zur Verhandlungssitzung mit M_20160720, Ziff. II. 1. (9), Anlage B26; deutsche Übersetzung: Anlage B26a). Des Weiteren gab die Muttergesellschaft auch zu erkennen, dass ihr die M als Lizenzverwalterin grundsätzlich bereits im Jahr 2009 bekannt war (vgl. E-Mail J vom 01.07.2009, Anlagenkonvolut B9/B9a), was eine Kenntnis auch des Internetauftritts der M, der eine Übersicht der Poolpatentinhaber nebst zugehörigen Poolpatenten (Anlage K10 – Exhibit C) sowie eine Konkordanzliste/ Cross Reference Chart mit Bezug auf einschlägige Standardabschnitte (Anlage K10 – Exhibit E) bereithält.
- Das dargestellte Kommunikationsverhalten der Muttergesellschaft spricht zugleich für das Vorbringen der Klägerin, dass in der Smartphone- und Tablet-Branche offenkundig ist, dass der AVC/H.264-Standard bei der Nutzung der angegriffenen Geräte verwendet wird, und steht im Widerspruch zu dem Vortrag der Beklagten, dem E Konzern sei der AVC/H.264-Standard noch im Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens von M unbekannt gewesen.
- c)
Der Mutterkonzern der Beklagten hat im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz auch – wie vom EuGH verlangt – seine Lizenzbereitschaft zu erkennen gegeben. - An die auf den Verletzungshinweis erforderliche Bitte zur Lizenzierung sind inhaltlich keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie kann pauschal sowie formlos geschehen, das Verhalten des Patentbenutzers muss jedoch den eindeutigen Willen zur Lizenznahme erkennen lassen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn.183 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 333). Von der Lizenzbereitschaftserklärung darf in der Folge nicht abgewichen werden, so dass es auch dann noch Bestand hat, wenn der Patentinhaber sein FRAND-Angebot abzugeben hat (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 195). Inhaltliche Ausführungen, derer es nicht bedarf, können sich dann als schädlich erweisen, wenn der Patentinhaber auf ihrer Grundlage annehmen muss, dass eine Bereitschaft zur Lizenznahme nur unter ganz bestimmten, nicht verhandelbaren Bedingungen besteht, die nicht FRAND sind und auf die sich der Schutzrechtsinhaber deshalb nicht einlassen muss (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 197 a. E.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 333). Jedoch sind an die Feststellung eines solchen Tatbestandes hohe Anforderungen zu stellen. Die Angabe zu begehrten Lizenzbedingungen entkräftet die Annahme der Lizenzbereitschaft nur dann, wenn sie den sicheren Schluss zulässt, dass der Patentbenutzer in Wahrheit keine Lizenz nehmen möchte (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 9, zitiert nach juris).
- Orientiert an diesem Maßstab war die grundsätzliche Lizenzbereitschaft des Konzerns der Beklagten für die Klägerin erkennbar. Nachdem der Verhandlungsführer der Muttergesellschaft die E-Mail vom 06.09.2011 erhalten hatte, bat dieser mit E-Mail vom 15.09.2011 (Anlage B21/ Anlage B21a) um ein Telefonat „damit die weiteren Einzelheiten dieser Angelegenheit besprochen werden können“. Die Antwort lässt – bei isolierter Betrachtung – zwar grundsätzlich auch Raum dafür, dass ein Interesse an einer rechtsverbindlichen Einigung am Ende des Gespräches (doch) nicht besteht, was dann aus Sicht der Klägerin die Zusendung von Vertragsunterlagen auch nicht lohnen würde.
- Jedoch war die Antwortmail vom 15.09.2011 bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des zwischen der Muttergesellschaft und der M im Jahre 2009 bereits stattgefundenen Austauschs so nicht zu verstehen (zur grundsätzlichen Berücksichtigung des Gesamtkontextes auch: OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 198).
- Ein Verweis der M auf die AVC/H.264 Lizenzierung gegenüber dem Mutterkonzern befindet sich bereits in der Email des Herrn XXX vom 16.02.2009 (Anlage B5/B5a). Auf diesen Verweis reagierte der Mutterkonzern auch mit E-Mail vom 18.03.2009 (Anlage B7/B7a) durch namentliche Benennung des Standards – in allgemeiner Form als I4 (darunter fallen weitere, hier nicht streitgegenständliche Standards wie MPEG-4 Visual (Teil zwei)) – und brachte dies in einen Zusammenhang mit dem Bestreben des Konzerns, eine Lizenzierung nur von Tochterunternehmen (insbesondere E ) zu vereinbaren. In der Folgezeit festigte sich diese Forderung vor allem im Hinblick auf eine Lizenzerteilung an dem MPEG-2 Standard aber auch im Zusammenhang mit dem „I4-Standard“ (vgl. Email J vom 01.07.2009, Anlage B8/B8a). Die M setzte die Gespräche mit der Muttergesellschaft in Kenntnis dieser Forderung zunächst mit hauptsächlichem Bezug zur Lizenzierung des MPEG-2-Standards, immer aber auch unter Verweis auf den AVC/H.264-Standard (vgl. bspw. E-Mail Herr K vom 12.09.2009, Anlage B11/B11a), fort. Daraus wird deutlich, dass die M und die Konzerngesellschaft bereits im Vorfeld der als Verletzungsanzeige verstandenen E-Mail vom 06.09.2011 in Verhandlungen waren. Das Schreiben vom 06.09.2011 erweist sich vor diesem Hintergrund als Konkretisierung der zuvor mit Augenmerk auf den MPEG-2-Standard durchgeführten Vertragsverhandlungen auf den AVC/H.264-Standard. Als „G“ dann die weitere Besprechung der Angelegenheit anregte, war dies deshalb dahingehend zu verstehen, dass die bereits begonnenen Verhandlungen fortgeführt werden sollten.
- Dass auch die M das Verhalten des Mutterkonzerns, insbesondere deren Bestreben zum Abschluss nur einzelner, unternehmensbezogener Lizenzen bzw. für Sonderkonditionen hinsichtlich des chinesischen Marktes bis dahin nicht so verstand, dass dieser schlechthin lizenzunwillig ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass die M mit der E-Mail vom 06.09.2011 auch ein konkretes Vertragsangebot für die Lizenzierung des AVC/H.264-Standards in Richtung der Muttergesellschaft versandte – wozu unter lit. d), aa) noch näher ausgeführt wird – und sich daran Lizenzierungsgespräche bis in das Jahr 2013 anschlossen (vgl. bspw. E-Mail des „G“ vom 21.02.2012, Anlage B23/ Anlage B23a; E-Mail des Hr. YYY vom 07.11.2013, Anlage K16, deutsche Übersetzung: Anlage K16a).
- d)
Durch die Zusendung des Standardlizenzvertrags im Februar 2012 an die Muttergesellschaft liegt ein der Klägerin zurechenbares FRAND-gemäßes Angebot vor, welches sowohl den vom EuGH aufgestellten (eher) „ formellen“ Anforderungen entspricht (dazu unter lit. aa)), und sich auch im Hinblick auf den Inhalt als fair, angemessen und nicht diskriminierend erweist (dazu unter lit. bb)). - aa)
Die Zusendung des Standardlizenzvertrags wird den (eher) „formellen“ Anforderungen, die der EUGH an das Angebot des Patentinhabers stellt, gerecht. - Das Angebot ist danach schriftlich zu verfassen und muss darüber hinaus konkret in dem Sinne sein, dass daraus die Lizenzgebühr und die einschlägigen Berechnungsparameter (maßgebliche Bezugsgröße, anzuwendender Lizenzsatz, ggf. Abstaffelung) sowie die Art und Weise der Berechnung hervorgehen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 203 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E. Rn. 325). Die Punkte, die üblicherweise Regelungsgegenstand von Lizenzverträgen sind, müssen in das Angebot in Form von aussagekräftigen Bestimmungen aufgenommen sein (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- Diese Kriterien sind mit der Zusendung des Standardlizenzvertrag-Dokuments erfüllt.
- (1)
Die Zusendung des Standardlizenzvertrags ist ihrem objektiven Erklärungswert nach eine hinreichend konkrete Angebotshandlung, die insbesondere auch die Berechnungsparameter erkennen lässt. - Aus der Zusendung des schriftlichen Standardlizenzvertrags wird für die Muttergesellschaft deutlich, dass und zu welchen Bedingungen sie eine Lizenz an den in den AVC/H.264-Poll eingelagerten Schutzrechten erhalten kann.
- Sofern die Beklagten geltend macht, die Vertragsunterlagen seien lediglich zu Informationszwecken übersandt worden, und nicht erkennbar als eine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung aufzufassen gewesen, trifft dies in der Allgemeinheit nicht zu. Bei dem zugesandten Vertragsdokument handelte es sich erkennbar um einen Vertrag, der nicht gezielt auf die Muttergesellschaft zugeschnitten, sondern – im Sinne eines Standardvertrags – für eine Vielzahl von Lizenzwilligen gelten soll. Erkennbar wird dies beispielsweise daran, dass das Datum des Vertragsschlusses sowie der Name des Lizenznehmers in das Vertragsdokument einzusetzen sind, dies im Übrigen aber eine in sich geschlossene Struktur aufweist. Daran, dass die M dieses Dokument unterschreiben würde, musste die Muttergesellschaft mithin keine begründeten Zweifel haben. Des Weiteren heißt es in der E-Mail des Herrn YYY (M) vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) zur Erklärung (Hervorhebung diesseits):
- Aus dem allein auf die digitale Vertragsversion beschränkten Hinweis, dass die so zugegangen Unterlagen nicht als maßgebliches Vertragsdokument fungieren können, folgt im Umkehrschluss, dass die postalisch zugesandten Schriftstücke diese Funktion sehr wohl erfüllen konnten. In der Zusendung derselben trat deshalb die Absicht der M zum Vertragsschluss offen zu tage.
- An dem Angebotscharakter der Zusendung des Standardlizenzvertrags fehlt es auch nicht deshalb, weil die M bereits zuvor Vertragsunterlagen für den streitgegenständlichen Standard an die Muttergesellschaft versandte. Denn anders als bei den vorherigen Handlungen war der Zusendung der Vertragsdokumente im Februar 2012 die E-Mail vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) vorausgegangen, anhand derer die Muttergesellschaft – wie dargelegt (vgl. unter lit. b)) – erkennen konnte, dass der M nunmehr auch an der Einleitung konkreter Vertragsverhandlungen über den MPEG-4 Standard gelegen war.
- Der Standardvertrag lässt schließlich auch die für die Lizenzberechnung erforderlichen Parameter erkennen, wobei sich insbesondere aus Ziff. 3.1.1 die Berechnungsfaktoren für die Stücklizenz ergeben.
- (2)
Es ist auch unschädlich, dass der Standardlizenzvertrag nicht an die Beklagte, sondern an die in dem Konzern der Beklagten mit den Lizenzverhandlungen betraute Person („G“) gerichtet worden ist. Da der Abschluss einer Konzernlizenz in Rede stand und die Verhandlungen auch vor dem 06.09.2011 bereits mit „G“ geführt wurden, ist dieser der richtige Adressat (vgl. dazu allgemein auch: Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 320). - (3)
Im Ergebnis ist auch die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr ausreichend dargelegt, obwohl sich weder das Vertragsdokument noch im Zusammenhang mit diesem übersandte Unterlagen ausdrücklich dazu verhalten. - Als Angaben zur „Art und Weise der Berechnung“ verlangt der EuGH nicht nur Informationen zur Höhe der Lizenzgebühr und zu ihrer Berechnung. Vielmehr muss der SEP-Inhaber dem Verletzer konkret und für diesen nachvollziehbar erläutern, warum die vorgesehenen Lizenzgebühren FRAND sind (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 203; Kühnen, ebd., Kap. E. Rn. 309). Die Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung erfordert keine streng mathematische Herleitung. Sofern dies im konkreten Fall möglich ist, ist es ausreichend, die Akzeptanz der verlangten (Standard-) Lizenzsätze am Markt über bereits abgeschlossene Lizenzverträge darzulegen (LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 311, zitiert nach juris). Der Patentinhaber hat dann jedoch (je nach den Umständen des Einzelfalles mehr oder weniger substantiiert) insbesondere zu begründen, warum die von ihm vorgesehene Lizenzvergütung gerade vor diesem Hintergrund FRAND ist (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 203; LG Düsseldorf, ebd., Rn. 310; Kühnen, ebd., Rn. 326). Bei einer ausreichenden Anzahl von Lizenzverträgen und einer so nachgewiesenen Akzeptanz am Markt (beispielsweise über den Marktanteil der zu einer bestimmten Gebührenhöhe lizenzierten Produkte), werden im Regelfall keine weiteren Angaben zur Angemessenheit der Lizenzgebührenhöhe mehr erforderlich sein (LG Düsseldorf, ebd., Rn. 311). Der SEP-Inhaber muss jedoch grundsätzlich zu allen wesentlichen Lizenzverträgen vortragen – andernfalls besteht die Gefahr, dass selektiv nur solche Verträge vorgelegt werden, die die geforderte Lizenzgebührenhöhe stützen (LG Düsseldorf, ebd., Rn. 313).
- Nach dieser Maßgabe ist die Art und Weise der Berechnung im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Angebotshandlung hinreichend dargelegt worden.
- Der Standardlizenzvertrag, der der Muttergesellschaft im Februar 2012 zuging, enthält selbst zwar keine Ausführungen zur Art und Weise der Berechnung in dem dargelegten Sinn. Insoweit kann jedoch auf das Wissen des Mutterkonzerns darum, dass es sich bei dem Vertragsdokument um einen Standardlizenzvertrag handelt, welcher bereits durch eine Vielzahl von Lizenznehmern abgeschossen worden ist, abgestellt werden.
- Von einem solchen Wissen auf Seiten der Muttergesellschaft kann einerseits aufgrund der Ausgestaltung des Vertragsdokuments selbst ausgegangen werden (vgl. dazu unter (Ziff. (1)), andererseits stand der Konzern der Beklagten aber auch bereits seit längerer Zeit mit der M in Kontakt (vgl. dazu unter lit. b), aa), Ziff. (2)), und war/ ist eine Liste der Lizenznehmer (Anlage K10 – Exhibit F) über die Internetseite der M abrufbar. Dass der Konzern der Beklagten nicht ohne Kenntnis etwaiger Lizenznehmer war, wird weiter auch aus der vorgelegten E-Mail Korrespondenz deutlich. In deren Verlauf verwies die Muttergesellschaft, um ihrem Verlangen nach einer nur einzelne Tochterunternehmen betreffenden Lizenz Nachdruck zu verleihen, die M mehrfach darauf, dass es Lizenznehmer (..)
Die Vorlage der einzelnen abgeschlossenen Lizenzverträge selbst ist hingegen im Rahmen des Vertragsangebots nicht zu verlangen. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass dies branchenüblich ist. - Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Muttergesellschaft weitere Informationen im Zusammenhang mit der Vorlage des Standardlizenzvertrags nicht verlangt hat und sich dennoch in Vertragsverhandlungen begab, dafür, dass weitergehende Informationen nicht branchenüblich sind.
- bb)
Das hier zur Prüfung stehende Angebot entspricht auch inhaltlich FRAND-Grundsätzen. - (1)
Als „faire und angemessene“ Vertragsbedingungen sind solche zu verstehen, die dem Lizenzwilligen nicht unter Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung angeboten werden. Die Vertragsbedingungen müssen zumutbar und dürfen nicht ausbeuterisch sein (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 15, zitiert nach juris). Ein Angebot des Lizenzgebers kann sich insbesondere dann als unfair/ unangemessen erweisen, wenn eine Lizenzgebühr verlangt wird, die den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt gebildet hätte, erheblich überschreitet, es sei denn, es gibt eine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Preisbildung (LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 225, zitiert nach juris; Huttenlauch/ Lübbig, in: Loewenheim/ Meessen/ Riesenkampff/ Kerstin/ Meyer-Lindemann, Kartellrecht, Kommentar, 3. Auflage, 2016, Art. 102 AEUV, Rn. 182; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 245). Handelt es sich um ein standardgebundenes Schutzrecht, kann sich die Unangemessenheit ferner daraus ergeben, dass sich im Falle einer Lizenzforderung auch für die übrigen Standard-Schutzrechte eine kumulative Gesamtlizenzbelastung ergeben würde, die wirtschaftlich nicht tragbar ist (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 246). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine mathematisch genaue Herleitung einer FRAND-gemäßen Lizenzgebühr nicht zu erfolgen hat, vielmehr ist eine annäherungsweise Entscheidung, die auf Wertungen und Schätzungen beruht, vorzunehmen (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 425). Vergleichbare Lizenzverträge können dabei ein gewichtiges Indiz für die Angemessenheit der angebotenen Lizenzbedingungen sein (LG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 245, Rn. 430). Das Vertragsangebot hat sich des Weiteren auch im Hinblick auf die übrigen Vertragsbedingungen (lizenzpflichtige Schutzrechte, Lizenzgebiet usw.) als angemessen zu erweisen. - Das Diskriminierungsverbot normiert für das marktbeherrschende Unternehmen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung, indem es Handelspartnern, die sich in gleicher Lage befinden, dieselben Preise und Geschäftsbedingungen einräumen muss (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 208 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). In das Gleichbehandlungsgebot sind dabei nur Sachverhalte, die auch vergleichbar sind, einzubeziehen, während auch marktbeherrschende Unternehmen auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert reagieren können (a.a.O.). Eine Ungleichbehandlung ist daher zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist (a.a.O.). Der dem Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts grundsätzlich zustehende weite Spielraum für eine sachliche Rechtfertigung ist eingeschränkt, wenn neben die marktbeherrschende Stellung weitere Umstände treten, aus denen sich ergibt, dass die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährdet (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 209). Diese können insbesondere darin bestehen, dass der Zugang zu einem nachgeordneten Produktmarkt von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist (BGH, GRUR 2004, 966 (968) – Standard-Spundfass) oder das Produkt – wie hier – erst bei Benutzung des Patents wettbewerbsfähig ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- Der Lizenzsucher ist darlegungs- und beweispflichtig für eine Ungleichbehandlung (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 212) bzw. das Vorliegen eines Ausbeutungstatbestandes (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 58/05, Rn. 140 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 247, Rn. 308). Jedoch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Lizenzsucher regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des SEP-Inhabers, insbesondere über mit Dritten bestehende Lizenzverträge und deren Regelungsgehalt, besitzt. Dies rechtfertigt es, dem SEP-Inhaber, der naturgemäß in Kenntnis der Vertragsverhältnisse mit anderen Lizenznehmern ist, und dem nähere Angaben hierzu auch zumutbar sind, insoweit eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 212; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 311). Die Angabe zu den Lizenznehmern hat in diesem Zusammenhang vollständig zu erfolgen, und darf nicht auf einige namhafte Unternehmen der Branche reduziert werden (Kühnen, a.a.O.). Der Vortrag hat auch Angaben dazu zu enthalten, welche – konkret zu benennenden – Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Konditionen eine Lizenz genommen haben (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Steht eine Ungleichbehandlung fest, so obliegt es dem Patentinhaber, etwaige die unterschiedliche Behandlung rechtfertigende Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.).
- (2)
Orientiert an dem unter Ziffer (1) dargelegten Maßstab greifen die gegen die FRAND-Gemäßheit gerichteten Einwände der Beklagten nicht durch. - (a)
Die räumliche Erstreckung des Lizenzvertrags auch auf den chinesischen Markt stellt sich weder unter dem Aspekt der selektiven Durchsetzung der Patentrechte als eine kartellrechtswidrige Diskriminierung dar (dazu unter lit. (aa)), noch ist die Höhe der Lizenzgebühren unangemessen, weil sie nicht zwischen einzelnen regionalen Märkten, insbesondere im Hinblick auf eine Lizenz für Benutzungshandlungen auf dem chinesischen Markt, differenziert (dazu unter lit. (bb)). - (aa)
Zwischen den Parteien ist zwar unstreitig, dass mit bestimmten Smartphone-Anbietern keine Standardlizenzverträge abgeschlossen worden sind, obwohl diese mit dem AVC/H.264-Standard ausgestattete Mobilfunktelefone anbieten, eine gegen das Kartellrecht verstoßende Ungleichbehandlung ergibt sich daraus gleichwohl nicht. - Nach Auffassung der Beklagten läuft das Angebot der Klägerin, welches eine Lizenzierung auch des chinesischen Markts vorsieht, FRAND-Bedingungen zuwider, weil die M bisher noch mit keinem chinesischen Hersteller von Mobilfunkgeräten, der auf dem chinesischen Markt tätig ist, Lizenzen für eben diesen Markt vergeben habe.
- Insoweit ist zunächst zu beachten, dass die Beklagte sich, insbesondere auch nach Vorlage der Standardlizenzverträge durch die Klägerin, nicht erheblich gegen deren Vortrag gewandt hat, dass bereits ein erheblicher Teil der auf dem chinesischen Markt tätigen Anbieter –. Sofern die Beklagte als Unternehmen, denen es an einer Lizenz für den chinesischen Markt fehlt, die (…) ergibt sich aus dem von ihr selbst in Bezug genommenen E-Mail Verkehr (Anlage B7/B7a), dass es sich dabei um Sachverhalte zum MPEG-2-Standard handelt.Soweit danach noch die Unternehmen „L“, „V“, „X“, „P“ und „O“ verbleiben, die unstreitig keinen Lizenzvertrag abgeschlossen haben, ergibt sich daraus zwar unter dem Aspekt der selektiven Rechtsverfolgung zunächst ein Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung, die die Klägerin jedoch sachlich rechtfertigt.
- Eine Ungleichbehandlung liegt tatbestandlich nicht nur dann vor, wenn der marktbeherrschende Patentinhaber einzelnen Lizenzsuchern vertragliche Vorzugskonditionen einräumt, die er anderen verweigert, sondern gleichermaßen dann, wenn er seine Verbietungsrechte aus dem Patent selektiv durchsetzt, indem er gegen einzelne Wettbewerber vorgeht, um sie in den Lizenzvertrag zu zwingen, andere Wettbewerber hingegen bei der Benutzung des Schutzrechts gewähren lässt (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 41, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 170 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). In ihrer faktischen Auswirkung bedeutet eine solche Strategie nichts anderes, als dass einem Teil der Wettbewerber unentgeltlich, einem anderen Teil der Wettbewerber hingegen nur entgeltliche Lizenzen eingeräumt werden (LG Düsseldorf, a.a.O.).
- Die Klägerin hat im Zusammenhang mit dem hier in Streit stehenden Gesichtspunkt vorgebracht, dass sie versuche, auch die noch nicht lizenzierten Unternehmen zu einer Lizenznahme zu bewegen. Dieser Vortrag wird dadurch bestätigt, dass sie gegen die O ein Klageverfahren eingeleitet hat (vgl. das bei dem hiesigen Gericht anhängige Verfahren mit dem Aktenzeichen 4a O 16/17). Diese Erklärung schließt die Annahme einer Diskriminierung aus.
- Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Klägerin bisher neben dem O-Konzern keine weiteren der näher benannten nichtlizenzierten Unternehmen gerichtlich in Anspruch genommen hat. Der Klägerin ist eine differenzierte gerichtliche Geltendmachung schon wegen des damit verbundenen Kostenrisikos zuzugestehen. Hinzukommt, dass die Klägerin ihre Auswahlentscheidung, für die ihr ohnehin ein Ermessen einzuräumen ist, nachvollziehbar auch damit begründet hat, dass sie ihre Rechte zunächst gegenüber einem bedeutenden Marktteilnehmer gerichtlich wahrnehmen wolle, weil hier der aufgrund der ausgebliebenen Lizenzierung zu erwartende Schaden am umfangreichsten ist und um auf diese Weise ggf. auch einen Abschreckungseffekt gegenüber anderen Unternehmen erzielen zu können.
- (bbb)
Dem Beklagtenvortrag lassen sich auch im Übrigen keine Umstände entnehmen, die die nach Maßgabe der Ausführungen unter lit. (aaa) bestehende Indizwirkung für die Angemessenheit der Lizenzgebühr entfallen lassen. - (i)
Das Beklagtenvorbringen bietet insbesondere keinen Anhalt dafür, dass die Lizenzgebühren nicht mehr unter Wahrung eines ausreichenden Eigengewinns auf Seiten des Lizenznehmers bestritten werden können. Die in Ziff. 3.1.1 festgelegten Stücklizenzgebühren von 0,20 $ pro Einheit (bei einem Verkauf von 100.001 bis 5.000.000 Einheiten pro Jahr) bzw. von 0,10 $ pro Einheit (bei einem Verkauf von mehr als 5.000.000 Einheiten pro Jahr) allein lassen dies jedenfalls nicht vermuten. - (ii)
Weiter zeigt auch eine umsatzbezogenen Betrachtung, die das Verhältnis des Verkaufspreises pro Einheit zu der von dem Pool eingenommenen Lizenzgebühr in den Blick nimmt, nicht, dass der auf den Pool entfallende Wertanteil bei Verkäufen in China unangemessen größer ist als bei Verkäufen in anderen Ländern. - Die von der Klägerin vorgetragenen Verkaufspreise der von dem Konzern der Beklagten angebotenen Mobiltelefone für das Jahr 2016,
- Verkaufspreis China
Verkaufspreis USA Verkaufspreis Europa
Premium Phone
: $ 384 $ 336 $ 320
Basis Phone
: $ 151 $ 166 $ 141
Utility Phone
: $ 53 $ 53 $ 52,
stehen den von der Beklagten pauschal vorgetragenen erheblichen Unterschieden in den Verkaufspreises auf dem chinesischen Markt entgegen. - Unbeschadet dessen hat aber auch die Beklagte nicht aufgezeigt, dass bei einer solchen Betrachtung der Gebührenanteil bei chinesischen Vertriebshandlungen so hoch ist, dass dieser einem wirtschaftlich vernünftig handelndem Lizenznehmer nicht mehr zugemutet werden könnte. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass, sofern weitere Inhaber von essentiellen AVC-Patenten in derselben Art und Weise verfahren, eine exzessive Gesamtlizenzbelastung entstehe, lässt ihr Tatsachenvortrag schon nicht erkennen, dass eine solche tatsächlich auch besteht – was aber für die Feststellung eines Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung erforderlich wäre (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2006, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 50, zitiert nach juris). Insoweit ist gerade auch zu beachten, dass dem hier streitgegenständlichen Pool bereits ca. 40 Poolpatentinhaber für AVC/H.264-wesentliche Patente angehören. Das Beklagtenvorbringen lässt schon offen, welcher weiteren Lizenzen es für die Nutzung des Standards darüber hinaus noch bedarf.
- (iii)
Die Unangemessenheit der in dem Standardlizenzvertrag angesetzten Lizenzgebühr ergibt sich – entgegen der bestehenden Indizwirkung – auch nicht daraus, dass – wie die Beklagte unter Bezugnahme auf die Übersicht nach Anlage B29 (deutsche Übersetzung: Anlage B29a) geltend macht – für den chinesischen Markt weniger Poolpatente in Kraft stehen. - Der damit in Bezug genommene Sachverhalt kann zwar grundsätzlich Anhalt für eine unangemessene Behandlung geben, wobei es jedoch auch insoweit maßgeblich auf die Branchenüblichkeit ankommt (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2006, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 42).
- In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, dass die Zahl der in einem Land in Kraft stehenden Schutzrechte nicht überbewertet werden darf, weil auch schon ein einziges Patent in der Lage ist, einen Interessenten von dem standarddefinierten Markt fernzuhalten. Ob der Lizenzsucher darüber hinaus noch weitere Lizenzen benötigt, um die standardisierte Technologie zu nutzen, spielt dann eine eher untergeordnete Rolle (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 4b O 78/07, Rn. 102, zitiert nach juris). Weiter ist beachtlich, dass – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – auch nach der Aufstellung der Beklagten (Anlage B29/Anlage B29a) der Anteil der Poolpatente in China am viertstärksten ist („CN – 233“).
- Die Tatsache, dass eine Patentdurchsetzung möglicherweise erschwert ist, stellt für sich genommen keinen Grund dar, geringere Lizenzraten zu verlangen. Ein Patent ist schon dann zu beachten, wenn es besteht.
- (b)
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der AVC/H.264-Patentpool in kartellrechtswidriger Weise zusammengesetzt ist. - (aa)
Die Feststellung eines „fairen und angemessenen Lizenzangebots“ im Zusammenhang mit einem Patentpool, das heißt in der Form eines Zusammenschlusses mehrerer Schutzrechtsinhaber zur gemeinsamen Lizenzierung der von ihnen gehaltenen Patente, verlangt zunächst substantiierten Sachvortrag zur Benutzung der Patente aus dem Pool (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 26 f.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 420). Insoweit ist jedoch kein an § 286 ZPO gemessener Überzeugungsgrad, der eine persönliche Gewissheit, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, verlangt (m. w. Nachw. Greger, in: Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Auflage, 2018, § 286, Rn. 19), erforderlich. Vielmehr ist § 287 Abs. 2 ZPO anwendbar, der – in Herabsetzung des Beweismaßes des § 286 ZPO – eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichen lässt (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 26; Kühnen, a.a.O.). - Ein entsprechender Sachvortrag geschieht grundsätzlich über die Vorlage sog. Claim Charts für ausgewählte Portfolio-Patente, die die konkret einschlägigen Passagen des maßgeblichen Standards den jeweiligen SEPs zuordnen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 27; Kühnen, a.a.O.).
- Eine solche Referenzliste liegt – bezogen auf sämtliche Poolpatente – als Anlage K10 – Exhibit E vor.
- (bb)
Das Anbieten einer Lizenz in einem Patentpool begründet für sich allein den Vorwurf einer missbräuchlichen Unangemessenheit noch nicht. Regelmäßig dient es dem wohlverstandenen Interesse etwaiger Lizenzsucher, dass ihnen eine Benutzungserlaubnis für den gesamten Standard aus einer Hand zu einheitlichen Konditionen offeriert wird, weil sie damit der Notwendigkeit enthoben werden, bei jedem einzelnen Schutzrechtsinhaber um eine Lizenz für dessen Patente nachsuchen zu müssen (LG Düsseldorf, 4b O 508/05, Rn. 119 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). Insoweit geben auch die „Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Technologietransfer-Vereinbarungen vom 28.03.2014 (Amtsbl. C 89/3) (nachfolgend kurz: „die Leitlinien“) eine Orientierungshilfe (vgl. hierzu allgemein Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 299). Sie sehen zur Handhabung des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV in Randnummer 245 Folgendes vor: - „[…] Technologiepools können wettbewerbsfördernde Wirkung haben, zumal sie Transaktionskosten senken und der Kumulierung von Lizenzgebühren Grenzen setzen, so dass eine doppelte Gewinnmaximierung vermieden wird. Sie ermöglichen eine zentrale Lizenzvergabe für die vom Pool gehaltenen Technologien. Dies ist vor allem in Wirtschaftszweigen wichtig, in denen Rechte des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung sind und es für die Marktpräsenz erforderlich ist, von einer erheblichen Anzahl von Lizenzgebern Lizenzen zu erhalten. […].“
- Von einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung ist erst dann auszugehen, wenn weitergehende Umstände hervortreten, was auch in Randnummer 246 der Leitlinien zum Ausdruck gelangt:
- „Technologiepools können den Wettbewerb auch beschränken, denn ihre Gründung impliziert zwangsläufig den gemeinsamen Absatz der zusammengeführten Technologien, was bei Pools, die ausschließlich oder vorwiegend aus substituierbaren Technologien bestehen, zu einem Preiskartell führen kann. Darüber hinaus können Technologiepools nicht nur den Wettbewerb zwischen den Vertragsparteien verringern, insbesondere wenn sie einen Industriestandard unterstützen oder de facto begründen, sondern durch den Ausschluss alternativer Technologien auch den Innovationswettbewerb. Ein vorhandener Standard und ein entsprechender Technologiepool können den Marktzugang für neue und verbesserte Technologien erschweren.“
- Orientiert an diesem Maßstab erweist sich das Angebot einer Lizenznahme an einem Patentpool erst bei Vorliegen besonderer Umstände als unangemessen bzw. diskriminierend, und damit als kartellrechtswidrig.
- Solche Umstände können hier – wie nachfolgend aufgezeigt wird – nicht festgestellt werden.
- (aaa)
Insbesondere ergeben sich solche Umstände nicht daraus, dass – was die Beklagte geltend macht – Mobilfunkanbieter typischerweise lediglich eines der im Wesentlich vier durch den Standard bereitgestellten Profile und hiervon auch lediglich bestimmte Merkmale nutzen. - (i)
Die Beklagte wendet ein, die Tatsache, dass der AVC/H.264-Standard aus verschiedenen Profilen (im Wesentlichen vier: „Baseline (CBP/BP)“, „Extended (XP)“, „Main (MP)“ und „High (HiP)“) besteht, wobei jedes Profil bestimmte Merkmale („Features“) aufweise, (..). - Dieser Einwand kann grundsätzlich geeignet sein, eine Unangemessenheit der Lizenzgebühren darzutun. Er ist mit den Fällen vergleichbar, in denen nicht sämtliche Patente eines Pools genutzt werden (vgl. dazu Kühnen, ebd., Rn. 412). Jedoch können – wie vorliegend – gegen eine unbillige Behinderung in diesem Sinne sachliche Gründe angeführt werden (Kühnen, a.a.O.).
- (ii)
Mit der Etablierung eines Patentpools für die Nutzung eines Standards geht – was auch die Beklagte im Ausgangspunkt nicht in Abrede stellt – stets eine gewisse Pauschalierung einher (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 4b O 78/07, Rn. 101, zitiert nach juris), wobei eine solche insbesondere bei einem Patentpool von mehr als 5.000 Patenten nicht vermeidbar erscheint. - Die Kammer verkennt nicht, dass mit der Pauschalierung als solcher noch keine Aussage über den Umfang der Pauschalierung, aus dem die Unangemessenheit gerade erwachsen kann, verbunden ist. Insoweit ist jedoch in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall zu berücksichtigen, dass Ausgangspunkt der Lizenzgewährung die Einräumung der rechtlichen Möglichkeit des Angebots und des Vertriebs „AVC-fähiger“ Produkte ist, die den Standard in seiner Gesamtheit wahrnehmen können. Ziffer 2.1 knüpft den Umfang der Lizenz deshalb auch an Benutzungshandlungen im Zusammenhang mit einem „AVC-Produkt“, das nach Ziffer 1.10 des Lizenzvertrags als
- „Produkt oder jede Sache, in welcher Form auch immer, welche mindestens einen voll funktionstüchtigen AVC Decoder, AVC Encoder oder AVC Codec enthalten oder bilden. […].“
- definiert wird. Ein AVC-Code ist nach Ziffer 1.4
- „ein Einzelprodukt oder eine Sache, welche die kompletten Funktionen eines AVC Decoders oder eines AVC Encoders enthalten. […].“
- Maßgeblich ist danach mithin die per AVC hergestellte Videoeinheit, unabhängig davon mit welchem Produkt der Herstellungsprozess umgesetzt worden ist.
- In den dargestellten vertraglichen Regelungen findet die Erwartungshaltung des Marktes an einem AVC-fähigen Produkt einen Ausdruck. Diese liegt insbesondere darin begründet, dass die technischen Nutzungsmöglichkeiten des Standards nicht primär zur Wahl des Smartphone-Herstellers stehen, sondern durch den Ersteller der Videos festgelegt werden.
- Für das Bedürfnis, die technische Bandbreite des Standards zur Verfügung zu stellen, spricht vorliegend auch, dass die Klägerin unter Bezugnahme auf den als Anlage K8 vorgelegten Testbericht vorgetragen hat, dass die angegriffenen Ausführungsformen (untersuchte Geräte: XXX) in der Lage sind, mehr als nur ein Profil, nämlich „Baseline“, „Main“ und „High“, abzuspielen. Lediglich ältere Smartphones seien nicht in der Lage andere Profile als „Baseline“ wiederzugeben. Auch dem Beklagtenvorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die (aktuellen) Mobilfunkgeräte technisch nicht dazu in der Lage sind, diese Profile umzusetzen. Daraus folgt, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung insoweit im Grundsatz ausgewogen ist. Für eine enge Verknüpfung der unterschiedlichen Profile aus Marktsicht spricht schließlich auch, dass die Abgrenzung unterschiedlicher Produkttypen ohnehin immer weniger trennscharf ist, weil beispielsweise auch die angegriffenen Smartphones mehr und mehr Funktionen des Digital TVs oder von Videokameras übernehmen können und Computer-Funktionalitäten aufweisen.
- (iii)
Gegenüber den angeführten sachlichen Rechtfertigungsgründen vermag die Tatsache, dass die Gebührenstruktur des Nachfolgestandards zu dem hier streitgegenständlichen Standards (H.265/HEVC-Standard) eine Differenzierung nach Profilnutzungen vorsieht, eine andere Bewertung nicht herbeizuführen. Die Tatsache einer Differenzierung nach der Profilnutzung trägt nicht ohne weiteres die Annahme, dass ein Vertragskonstrukt, bei dem es an einer solchen Differenzierung fehlt, FRAND-widrig ist. Eine Differenzierung nach der Profilnutzung mag – was hier nicht zur Überprüfung steht – bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des den Nachfolgestandard betreffenden Lizenzsystems geboten sein. Eine Vergleichbarkeit mit dem hier zur Prüfung stehenden Standard, die auch in dem hiesigen Fall eine Differenzierung gebietet, folgt daraus aber nicht. - (bbb)
Der AVC/H.264-Patentpool ist auch nicht deshalb kartellrechtswidrig zusammengesetzt, weil dieser standardessentielle und nicht-standardessentielle Patente enthält. - Mit einer derartigen Zusammensetzung des Patentpools aus standardessentiellen und nicht-standardessentiellen Patenten kann grundsätzlich eine unangemessene Behandlung des Lizenzsuchers einhergehen (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 132 – Videosignal-Codierung I; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 255, Rn. 412 ff.). Ein Ausbeutungstatbestand wird regelmäßig dann zu bejahen sein, wenn in einen Pool planmäßig für die Einhaltung des Standards nicht notwendige Schutzrechte Eingang in den Lizenzvertrag finden, so dass der Zweck erkennbar wird, die Lizenzgebühren durch die Aufnahme möglichst vieler Patente ungerechtfertigt zu steigern (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 130, 132 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris).
- Dass dies vorliegend der Fall ist, lässt sich dem Beklagtenvorbringen nicht hinreichend entnehmen.
- (i)
Anhand der über die Internetseite der M abrufbaren Cross Reference Chart mit Bezug auf einschlägige Standardabschnitte, denen die Poolpatente zuzuordnen sind (Anlage K10 – Exhibit E), ist erkennbar, woraus sich die Standardessentialität der Poolpatente ergeben soll. Das Vorbringen der darlegungsbelasteten Beklagten trägt demgegenüber die Annahme einer kartellrechtswidrigen Zusammensetzung des Pools schon in tatsächlicher Hinsicht nicht. - Die Beklagte macht unter Verweis auf eine sog. Essentialitätsanalyse des (..) geltend, die von XXX eingebrachten Poolpatente seien nicht standardwesentlich.
- Aus den von der Beklagten in Bezug genommenen Dokumenten lässt sich lediglich das Ergebnis einer sticÖrobenartigen Untersuchung entnehmen, die zum Gegenstand hatte, einige ausgewählte Poolpatente auf den Standard zu lesen (vgl. Anlage B38a, S. 5 f., Ziff. IV., Pkt. 10. – 14.).
Eine Begründung dieses Ergebnisses, aus der der Gang der Untersuchung deutlich wird, enthalten die Dokumente nicht. Weder aus dem Beklagtenvortrag noch aus den vorgelegten Unterlagen zur Essentialitätsanalyse (Anlage B37/B37a und Anlage B38/BXXXa) geht hervor, welche Poolpatente (mit Veröffentlichungsnummer) als essentiell und welche als nicht-essentiell erachtet worden sind, und welche Stellen des Standards – entgegen der Cross Reference Chart (Anlage K10 – Exhibit E) – in den jeweiligen Patenten keine Übereinstimmung finden. Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Klägerin sämtliche der in den Pool eingebrachten Patente für nicht standardwesentlich hält, lässt die Übersicht (Anlage B37/B37a) dies nicht erkennen. Daraus geht hervor, (…)
Aus der Übersicht nach Anlage B50 (deutsche Übersetzung: Anlage B50a) folgt insoweit nichts anderes. Sie soll zwar „eine im Ergebnis leicht nach unten korrigierte Auswertung“ enthalten, lässt aber im Hinblick auf die hier betrachteten Ergebnisse ein abweichendes Zahlenmaterial nicht erkennen. - Auch die Tatsache, dass die auf den vorliegenden Fall anwendbaren ISO/ITU/IEC Regeln – anders als bei dem European Telecommunications Standards Institute (kurz „ETSI“) – keine Vorkehrungen dafür vorsehen, um das „Aufblähen“ des SEP Portfolios anhand tatsächlich nicht essentieller Patente zu verhindern, berechtigt nicht zu der Annahme, der streitgegenständliche Pool enthalte nicht essentielle Patente. Unbeschadet dessen, dass dieser Vortrag schon eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Pool nicht erkennen lässt, weist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass unabhängig von den Regularien der jeweiligen Organisation auch eine Prüfung durch unabhängige Sachverständige erfolge, was nach Randziffer 248 der Leitlinien bei der Einordnung eines Pools als wettbewerbsbeschränkend bzw. -fördernd zu berücksichtigen ist (vgl. zu dem Verfahren der ISO im Zusammenhang mit den MPEG-2 Standard auch LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 127 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris).
- Des Weiteren kann der Beklagten als Verletzer der angemahnte Kartellverstoß nur dann zugutekommen, wenn er von denjenigen Lizenzschutzrechten, die durch den Standard nicht gestützt werden, keinen Gebrauch macht (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 136 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). Zu einem rechtserheblichen Verteidigungsvorbringen gehört deshalb nicht nur die Behauptung, bestimmte (konkret zu bezeichnende Lizenzvertragsschutzrechte lägen außerhalb des Standards, sondern auch, dass von keinem dieser Rechte Gebrauch gemacht wird (a.a.O.). Auch dazu verhält sich die Beklagte vorliegend nicht.
- (ii)
Unbeschadet der Ausführungen unter (i) bietet der Beklagtenvortrag auch keine hinreichenden Anknüpfungspunkte dafür, dass die Poolinhaber, selbst dann, wenn der Pool nicht standardwesentliche Patente enthält, von denen die Beklagte keinen Gebrauch macht, widerholt und systematisch schutzunfähige Patente in diesen aufgenommen haben. - Die Beklagte trägt vor, der Anteil tatsächlich nicht essentieller Patente am Pool liege bei rund XXX %. Dies lässt sich dem vorgelegten Untersuchungsmaterial schon deshalb nicht nachvollziehbar entnehmen, weil sich aus diesem selbst ergibt, dass die Beklagte nicht sämtliche Poolpatente hat untersuchen lassen. Gegenstand der in Auftrag gegebenen Anlayse waren vielmehr (…). Bei diesen Verhältnissen kann ein planmäßiges Einlagern von nicht standardwesentlichen Patenten nicht ohne weiteres angenommen werden.
- Auch ist es aus Sicht der Kammer zur Begründung eines systematischen Vorgehens der Poolpatentinhaber nicht ausreichend, dass die Klägerin ihre Poolpatente zuvor von einem anderen Poolmitglied („P“) erhalten hat, und es sich bei den übertragenen Patenten um Teilanmeldungen von ein und derselben „P-Patentfamilie“ handelt. Die Beklagte macht geltend, die Abzweigungen seien nur deshalb vorgenommen worden, um die Anzahl der standardessentiellen Poolpatente – und so die zu zahlenden Lizenzgebühren – zu erhöhen.
- Ähnliches schildert die Beklagte im Verhältnis von „P“ und einem dritten Unternehmen, der L, hinsichtlich des US-Patents 7769XXXB2, welches nicht in den streitgegenständlichen Pool eingelagert worden ist. Die Beklagte leitet daraus ab, dass sich in dem Pool gerade nicht essentielle Patente befinden, während die außerhalb des Pools gehaltenen Patente überwiegend essentiell seien.
- Unbeschadet dessen, dass die Klägerin (…) die Standardwesentlichkeit des (…) bestreitet, und die von der Beklagten insoweit als Anlage B54 (deutsche Übersetzung: Anlage B54a) vorgelegte Essentialitätsanalyse denselben Bedenken wie die Essentialitätsanalysen zu den Poolpatenten unterliegt (vgl. dazu unter (i)), handelt es sich bei den von der Beklagten dargestellten Lebenssachverhalten im Ausgangspunkt um „neutrale“ Vorgänge. Weitere Umstände, die diese als Teil eines missbräuchlichen systematischen Vorgehens erscheinen lassen, trägt die Beklagte nicht vor, und sie ergeben sich auch aus einer Gesamtschau des Beklagtenvorbringens nicht. Gegen eine Wertung der vorgetragenen Konstellationen als systematisches Vorgehen steht in diesem Zusammenhang auch, dass die Lizenzgebühr mit Erhöhung der Poolpatente nicht angestiegen ist, und der M eine Erhöhung aufgrund der Erweiterung des Patentpools nach Ziffer 4.9 des Standardlizenzvertrags auch nicht möglich ist (vgl. dazu insgesamt unter lit. (e)).
- (ccc)
Schließlich ergibt sich eine kartellrechtswidrige Zusammensetzung des Pools auch nicht dadurch, dass die Gesamtlizenzbelastung AVC-fähiger Produkte unangemessen hoch ist, weil neben den in den streitgegenständlichen Pool eingelagerten Schutzrechten Lizenzen von weiteren, außerhalb des Pools stehenden Patentinhabern bezogen werden müssen. - Der Umstand, dass es auch weitere – ggf. für den streitgegenständlichen Standard essentielle – Patente außerhalb des Pools gibt, führt nicht zu der zwingenden Annahme eines Ausbeutungstatbestands. Denn auch eine Poollizenz, die nicht alle standardwesentlichen Patente erfasst, bringt den Vorteil mit sich, dass der Lizenzsucher nicht mit jedem einzelnen Patentinhaber eine individualvertragliche Regelung abschließen muss. Die Grenze zur Wettbewerbsbeschränkung ist erst dann erreicht, wenn das die Standardfunktionen nutzende Produkt in der Gesamtheit der abzuführenden Gebühren tatsächlich derart belastet ist, dass eine gewinnbringende Vermarktungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Ein bloß theoretische Kumulierung führt hingegen noch nicht zur Unangemessenheit der Lizenzgebühr (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 50).
- (c)
Der Standardlizenzvertrag stellt sich auch nicht deshalb als diskriminierend dar, weil – ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund – von diesem abweichende individualvertragliche Vereinbarungen mit Dritten bestehen. - (aa)
Die Beklagte führt als von der Poollizenz abweichenden Individualvertrag zunächst (..)
Wegen des genauen Regelungsgehalts dieses Vertragskonstrukts wird auf das Vertragsdokument verwiesen (Anlage B47/B47a). - Die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, dass (…)
(bb)
Auch aus der Lizenznahme von Poolpatentinhabern selbst lässt sich eine missbräuchliche Ungleichbehandlung nicht herleiten. - Die Klägerin hat insoweit vorgetragen – und durch Vorlage der Lizenzverträge substantiiert –, dass mit Poolpatentinhabern derselbe Standardlizenzvertrag wie mit Lizenznehmern, die an dem Pool nicht beteiligt sind, abgeschlossen wird. Sofern die Beklagte in den internen Regelungen („Membership Agreements“) zwischen den Poolpatentinhabern einen Anknüpfungspunkt dafür vermutet, dass etwaige von den Poolmitgliedern zu erbringende Lizenzzahlungen durch eine interne Verteilung der Lizenzgebühren kompensiert werden würden, bringt sie in diesem Zusammenhang keine die Vermutung stützenden tatsächlichen Anhaltspunkten vor.
- Aus der Tatsache der Verteilung der Lizenzgebühren allein folgt noch kein eine kartellrechtswidrige Ungleichbehandlung begründendes Verhalten. Vielmehr wird den jeweiligen Poolpatentinhabern damit im Grundsatz ein Ausgleich (Gegenleistung) für die von ihnen erbrachte Leistung, die Patente in den Pool einzubringen, gewährt. Dafür, dass die Verteilung der Lizenzen nach einem Schlüssel, in dem die unterschiedliche Beteiligung an dem Pool zum Ausdruck kommt, erfolgt – und damit eine Überkompensation der gezahlten Lizenzgebühren nicht entsteht – spricht schon, dass jeder an dem Patentpool beteiligter Patentinhaber ein erhebliches Eigeninteresse an einer Verteilung entsprechend seiner Beteiligung an dem Pool hat.
- Die vorherigen Ausführungen sprechen dafür, den Standardlizenzvertrag bereits separat von dem „Membership Agreement“ zu sehen. Jedenfalls liegt aber auch in der Tatsache, dass der Lizenzgeber seine Poolpatente bereitstellt, ein zulässiges Differenzierungskriterium (vgl. ähnlich etwa wie bei der Berücksichtigung von Kreuzlizenzen bei bestehenden Lizenzvergütungen Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 308).
- Vor dem Hintergrund des Dargelegten ist auch die Klägerin nicht gehalten, „Membership Agreements“ von M vorzulegen.
- (cc)
Schließlich begründen auch etwaige Ratenzahlungs- und Anrechnungsvereinbarungen keine gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende Ungleichbehandlung. - Ratenzahlungs- und Anrechnungsvereinbarungen stellen Regelungen zu den Zahlungsmodalitäten dar, die die nach dem Standardvertrag der Höhe nach zu entrichtenden Gebühren im Grundsatz jedoch nicht berühren.
- Sofern Anrechnungsvereinbarungen im Raum stehen ist eine missbräuchliche Ungleichbehandlung bereits deshalb ausgeschlossen, weil es sich dabei lediglich um eine Kompensation etwaiger von dem Lizenznehmer bereits erbrachter Leistungen handelt, mithin jedenfalls ein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass auf ihrer Seite bereits ein Anrechnungsbedürfnis besteht. Zwar geht aus dem Gesprächsprotokoll zwischen E und der M vom 03.07.2017 (Anlage B26/B26a) hervor, dass E im Rahmen des Gesprächs ausgeführt hat, dass Lizenzverträge mit einzelnen Inhabern von Poolpatenten geschlossen worden sind (Anlage B26a, S. 1, unter Ziff. II., 1. (1)). (…) Im Hinblick auf die Möglichkeit von Ratenzahlungen hat die Klägerin erklärt, dass diese Möglichkeit jedem eingeräumt wird. Insoweit hat die Beklagte aber auch kein Bedürfnis für eine solche Absprache auf ihrer Seite vorgetragen.
- (dd)
Die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten, wonach die M Lizenzverträge mit Unternehmen unter Aussparung der Lizenzvergabe auch an deren Muttergesellschaften geschlossen habe, unterstellt, kommt grundsätzlich ein diskriminierendes Verhalten der M in Betracht. - Dem Vortrag der Beklagten fehlt es jedoch an Substanz, um diesen Einwand in erheblicher Weise darzulegen. Sie (…)
- Hinsichtlich des MPEG-4-Standards führt die Beklagte die „H“ an. Insoweit hat die Klägerin jedoch die Lizenzierungspraxis der M dahingehend konkretisierend beschrieben, dass gesonderte Lizenzen an einzelne Konzernunternehmen nur dann vergeben werden, wenn sich die patentrechtlich relevanten Benutzungshandlungen auf diese konkreten Konzernunternehmen einschränken lassen. Dass dies gleichermaßen auf den Konzern der Beklagten zutrifft, hat die Beklagte nicht dargetan.
- (ee)
Soweit die Beklagte Anhaltspunkte für eine von dem Standardlizenzvertrag abweichende vertragliche Gestaltung auch daraus herleiten will, dass in der Aufstellung nach Anlage K14 in der 3. Spalte „Associated Contract“ unterschiedliche Vertragsnummern aufgeführt sind, ist dies für das vorliegende Verfahren unerheblich, weil diese sich – wie die 1. Spalte („patent pool“) der Tabelle erkennen lässt – durchweg auf den – hier nicht zur Prüfung stehenden – MPEG-2 Standard bezieht. - (d)
Die in dem Standardlizenzvertrag vorgesehenen Höchstsätze für die Entrichtung der jährlichen Lizenzgebühr führen eine der FRAND-Gemäßheit des Angebots entgegenstehende Diskriminierung nicht herbei. - Die Beklagte erblickt eine solche darin, dass durch die vorgesehenen Höchstsätze, bei deren Erreichen keine Lizenzgebühren für weitere veräußerte Einheiten anfallen, großvolumige Lizenznehmer, insbesondere solche, die neben Mobilfunkgeräten auch andere AVC/H.264-Standard-fähige Produkte vertreiben, überproportional begünstigt werden würden. Dies ermögliche eine Quersubventionierung derart, dass die für den Vertrieb von Smartphones zu leistende Lizenzgebühren durch den im Zusammenhang mit anderen AVC-fähigen Produkten erzielten Gewinn finanziert werden könnten. Darin sei eine gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende strukturelle Ungleichbehandlung zu erblicken.
- Dem vermag die Kammer jedoch im Ergebnis nicht zu folgen.
- Art. 102 AEUV kann eine allgemeine Verpflichtung zur Meistbegünstigung nicht entnommen werden (OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.03.2011, Az.: 6 U 66/09, Rn. 166 – FRAND-Grundsätze, zitiert nach juris). Danach ist auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht gezwungen, allen die gleichen – günstigen – Marktbedingungen, insbesondere Preise zu gewähren (a.a.O.). Ihm kann nicht verwehrt werden, auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert zu reagieren (a.a.O.). Eine unzulässige Diskriminierung ergibt sich deshalb nicht schon daraus, dass mit der Marktgegenseite abgeschlossene Verträge nicht in jedem Fall zu einem gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führen (a.a.O.). Maßgeblich für die Frage der Diskriminierung ist vielmehr, ob eine unterschiedliche Gestaltung der Konditionen auf Willkür oder sachfremden Erwägungen beruht. Entscheidend sind Art und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung, sowie ob sich eine relative Schlechterstellung eines Unternehmens gegenüber einem anderen als wettbewerbskonformer Interessenausgleich oder auf Willkür/ auf sachfremden Erwägungen beruhend darstellt (a.a.O.).
- Die entrichteten Jahresgebühren taugen nach dem soeben Ausgeführten grundsätzlich als objektiver Anknüpfungspunkte für eine Rabattgewährung. Da das Lizenzsystem des AVC/H.264-Pools eine Stücklizenz vorsieht, hängt das Erreichen der Höchstgrenze der entrichteten Jahresgebühr von der Verkaufskraft des jeweiligen Unternehmens ab. Diese ist in erster Linie Ausdruck des wettbewerblichen Handelns der auf dem Markt tätigen Unternehmen sowie unternehmerischer Entscheidungen. Erweist sich ein Wettbewerber danach, weil er sich einen weitergehenden Markt als sein Wettbewerber erschlossen hat, als (im Hinblick auf die veräußerte Stückzahl) „stärker“, erscheint es nicht von vornherein unangemessen, damit eine Rabattierung zu verbinden.
- Insoweit ist weiter auch zu beachten, dass die Begrenzung der (jährlich) zu zahlenden Lizenzgebühren nach der vertraglichen Konzeption jedem Lizenznehmer zu Gute kommt, mithin „im Rechtlichen“ eine Ungleichbehandlung nicht vorliegt. Der Einwand der Beklagten hat seinen Bezugspunkt vielmehr „im Tatsächlichen“. Dass die Höchstgrenze vorliegend aber gerade so bemessen ist, dass diese – was für sachfremde Erwägungen sprechen würde – faktisch nur auf ein bestimmtes Unternehmen bzw. eine geringe Anzahl von Unternehmen Anwendung findet, bringt die Beklagte nicht vor.
- Sofern die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, dass die Höchstgrenze insbesondere Multiproduktanbieter gegenüber „reinen“ Smartphone-/Tablet-PC-Anbietern unzulässig begünstige, ist gegen diese Pauschalisierung nichts einzuwenden. Denn Ausgangspunkt der Lizenzvergabe ist es gerade, das Anbieten und Vertreiben eines AVC-fähigen Produkts zu ermöglichen (vgl. dazu auch unter lit. (b), (bb), (aaa)).
- Dem Beklagtenvorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass die vertraglich festgelegte Höchstgrenze für keinen Anbieter, dessen Vertriebstätigkeit auf Mobilfunkgeräte beschränkt ist, zur Anwendung gelangen kann. Dagegen stehen auch die von der Klägerin mit der nachfolgenden Tabelle wiedergegebenen Zahlen:
- die auf Daten der Marktforschungsgesellschaft XXX beruhen, und die dartun, dass der Konzern der Beklagten seit dem Jahre 2014 die Kappungsgrenze erreicht. Die Beklagte tritt dieser Tabelle zwar in anderem Zusammenhang entgegen, indem sie sich auf die – weitestgehend identische und von der Klägerin in anderem Zusammenhang vorgebrachte – Tabelle auf Seite 48 der Replik bezieht. (…). Diese Einheit ist in der Tat für die Angabe von Stückzahlen untauglich, in der hier in Bezug genommenen Tabelle auf Seite 55 der Replik ist diese Einheit jedoch nicht aufgeführt. Die Klägerin hat insoweit auch klargestellt, dass sie sich mit den genannten Werten auf die Stückzahl bezieht. Soweit die Beklagte – auch wiederum in anderem Zusammenhang (im Hinblick auf ihre Verkaufseinheiten auf dem asiatischen Markt) – geltend macht, die von der Klägerin vorgelegten Zahlen seien unrichtig, und auf die Aufstellung nach Anlage B49 (deutsche Übersetzung: Anlage B49a) verweist, so zeigt diese jedenfalls für das Jahr 2014 und das Jahr 2016 eine höhere Anzahl verkaufter Einheiten (…) als nach der Übersicht der Klägerin, so dass der Vortrag, wonach die Kappungsgrenzen erreicht werden, auch bei Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten Zahlen zutreffend bleibt. Nach alledem besteht kein struktureller Unterschied in den wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Multiproduktanbieters und denjenigen eines (ausschließlichen) Smartphone-Anbieters, der die Kappungsgrenze ebenfalls erreicht.
- Dass es daneben auch Anbieter geben mag, die die Kappungsgrenze nicht erreichen, knüpft an betriebswirtschaftliche Sonderbedingungen einzelner Wettbewerber an, die bei der hiesigen Bewertung außer Betracht zu bleiben haben. Abzustellen ist im Rahmen einer objektiven Betrachtungsweise vielmehr auf die auf dem jeweiligen Markt typischen Produktions- und Vertragsbedingungen (in anderem Zusammenhang: LG Düsseldorf, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 4b O 78/07, Rn. 141).
- (e)
Die in dem Standardlizenzvertrag angebotene Lizenzhöhe erweist sich auch nicht deshalb als unangemessen, weil in dem Vertrag eine Anpassungsklausel nicht vorgesehen ist. - Eine solche Anpassungsklausel wird zur Herbeiführung der FRAND-Gemäßheit eines sich auf einen Patentpool erstreckenden Angebots als adäquates Mittel erachtet, um ein mögliches Ungleichgewicht zwischen der festgeschriebenen Lizenzgebühr und dem variablen Schutzgegenstand in dem Fall auszugleichen, in dem sich der Bestand des Pools verändert (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 32, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 419), beispielsweise durch Ablauf der Schutzdauer von Poolpatenten oder rechtskräftiger Vernichtung derselben. Es ist jedoch auch möglich, eine in der Variabilität des Schutzrechtsbestandes angelegte unangemessene Höhe der Lizenzgebühren auch durch andere Mechanismen zu kompensieren (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- So ist es vorliegend.
- Die Vertragsklausel in Ziff. 4.9,
- „Der Lizenznehmer und der Lizenzverwalter erkennen an, dass die zahlbaren Lizenzgebühren nicht deshalb steigen oder fallen, weil die Anzahl der lizensierten AVC Patentportfolio-Patente steigt oder fällt oder weil die Preise der AVC Lizenzgebühr-Produkte steigen oder fallen.“,
- schreibt die Lizenzgebühren unabhängig von der Anzahl der Poolpatente fest. Der Klausel wohnt inne, dass der Lizenzgeber das Risiko des Anstiegs der Poolpatente und der Lizenznehmer das Risiko einer Minimierung derselben übernimmt. Die Klausel trägt – so die Klägerin – der zeitlichen Entwicklung des Patentpools Rechnung, wonach insbesondere am Anfang und am Ende der Laufzeit eine geringere Anzahl von Patenten zu erwarten ist, während im Übrigen eine größere Patentanzahl in dem Pool eingelagert ist.
- Dass es sich dabei um einen interessengerechten Kompensationsmechanismus handelt, findet zum einen darin einen Ausdruck, dass der Standardlizenzvertrag in dieser Form von den Lizenznehmern angenommen worden ist (vgl. dazu unter lit. (a), (bb), (aaa)), zum anderen darin, dass sich das damit verteilte Risiko bisher nur hinsichtlich des Lizenzgebers realisiert hat. Denn die Lizenzgebühren sind seit Aufnahme des Pools im Jahre 2004 nicht angehoben worden, obwohl die Anzahl der Patente von anfänglich 41 auf nunmehr über 5.000 Patente angestiegen ist.
- (f)
Auch der Einwand, dass im Rahmen des Standardlizenzvertrags lediglich eine konzernweite Lizenz angeboten wird, führt nicht zur Unangemessenheit des Lizenzvertragsangebots. - Im Elektronik- und Mobilfunkbereich sind konzernweite Lizenzverträge gebräuchlich (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 411), was hier auch durch die Tatsache bestätigt wird, dass die M nach dem Vortrag der Klägerin für den AVC/H.264-Standard bereits konzernweite Lizenzverträge abgeschlossen hat. Diesem Vortrag ist die Beklagte auch nach Vorlage der Lizenzverträge nicht mehr hinreichend entgegengetreten (vgl. dazu unter lit. (a), (bb)).
- e)
Die Beklagte hat von der ihr im Falle eines FRAND-gemäßen Angebots des Patentinhabers zustehenden Möglichkeit, ihrerseits ein FRAND-Grundsätzen entsprechendes Gegenangebot zu unterbreiten, keinen Gebrauch gemacht. - Das der Klägerin mit Klageerwiderung vom DD.MM.YYYY unterbreitete Gegenangebot (Anlage B2/ Anlage B2a) erweist sich als nicht FRAND-gemäß. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob dieses Angebot wegen des späten Vorbringens desselben überhaupt noch zu berücksichtigen ist.
- aa)
Sofern die Beklagte mit ihrem Gegenangebot die Einräumung einer Portfoliolizenz begehrt, das heißt eine Lizenz allein an den zur Nutzung des AVC/H.264-Standards wesentlichen Patenten der Klägerin, widerspricht dies FRAND-Grundsätzen. - Das Begehren der Klägerin zum Abschluss einer Poollizenz erweist sich als fair und angemessen (vgl. dazu unter lit. d), bb), (2), (b)). Die Klägerin hat zudem vorgetragen, dass seit Aufnahme des Pools auch kein Lizenznehmer um eine auf ihre Poolpatente beschränkte Lizenz nachgesucht habe. Die Beklagte bringt im Gegensatz dazu zwar vor, dass die Poolmitglieder eine individuelle Portfoliolizenz verweigert hätten, verbindet diese schlichte Behauptung jedoch mit keinerlei Tatsachenvortrag, der dieses Vorbringen rechtfertigt.
- Der Standardlizenzvertrag (Anlage K10 – Exhibit G – a) verpflichtet die Poolmitglieder auch nicht, abweichend von dieser Lizenzierungspraxis auf ihr Portfolio beschränkte Lizenzen einzuräumen.
- Eine solche Pflicht folgt nicht aus dem folgenden Passus der Präambel:
- „Jeder Lizenzgeber verpflichtet sich hiermit dazu, Einzelpersonen, Gesellschaften oder sonstigen Rechtsträgern einzelne Lizenzen bzw. Unterlizenzen nach sämtlichen AVC wesentlichen Patenten zu maßvollen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen entsprechend den hier vereinbarten Geschäftsbedingungen zu erteilen, die vom Lizenzgeber (ohne Zahlungen an Dritte) erteilt werden können.“
- Dieser Passus gibt nur die jeweilige Erklärung der Poolpatentinhaber wieder, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu gewähren, ohne dass damit bereits eine bestimmte Art der Lizenzierung – innerhalb dessen, was FRAND-gemäß ist – festgeschrieben wäre. Das zeigt sich auch darin, dass der Passus auf den Standardlizenzvertrag verweist, der gerade das Regelungsmodell einer Poolpatentlizenz vorsieht.
- Eine Verpflichtung der Poolpatentinhaber zur Einräumung von Portfoliolizenzen erwächst auch nicht daraus, dass es in der Präambel des Standardlizenzvertrages weiter heißt:
- „Nichts aus der vorliegenden Vereinbarung untersagt den einzelnen Lizenzgebern, die Rechte aus den einzelnen AVC wesentlichen Patenten zur Herstellung, Verwendung, zum Verkauf oder zum Angebot eines Verkaufs zu lizenzieren oder als Unterlizenzen zu vergeben; zu denen auch unter anderem die Rechte gehören, die nach der AVC-Patentportfolio-Lizenz vergeben werden.“
- Dieser Passus stellt klar, dass den Mitgliedern des Pools zwar die Möglichkeit, separate Lizenzen an ihrem Portfolio zu vergeben, verbleibt, unter welchen Gesichtspunkten sich daraus – bei Auslegung nach dem anzuwendenden Recht des Staates New York – eine Verpflichtung gegenüber Lizenzsuchern ergibt, diese tatsächlich auch zu gewähren, ist jedoch nicht ersichtlich. Die Beklagte führt dazu auch nichts aus.
- Auch unter Angemessenheitsgesichtspunkten ist nicht erkennbar, weshalb die Beklagte allein eine auf das Portfolio der Klägerin beschränkte Lizenz benötigt – etwa, weil nur diese bei den angegriffenen Ausführungsformen zur Anwendung gelangen. Dagegen steht schon, dass die Beklagte auch in den Parallelverfahren gegenüber anderen Poolmitgliedern jeweils die Erteilung von Portfoliolizenzen anstrebt.
- Vor dem Hintergrund der etablierten Lizenzierungspraxis in Form einer Poolpatentlizenz ist es schließlich auch aus Gründen der Diskriminierungsfreiheit bedenklich, wenn die Klägerin vereinzelt – ohne erkennbaren sachlichen Grund – Lizenzen allein an ihrem Portfolio vergibt (zu dieser Argumentation allerdings im Verhältnis Portfoliolizenz – Einzellizenz vgl. auch LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 227, zitiert nach juris).
- bb)
Das Gegenangebot der Beklagten erweist sich auch vor dem Hintergrund als FRAND-widrig, als darin (unter Ziff. 4.1) eine Differenzierung der Lizenzhöhe nach unterschiedlichen Regionen vorgenommen wird, ohne dass dies in einem hinreichenden Bezug zu den tatsächlichen Marktverhältnissen steht. - Orientiert an den in Ziff. 4.1 vorgeschlagenen Gebührenregelungen (…)
- Die Beklagte hat – wie sie selbst ausführt – bei der Bemessung dieser Lizenzgebühren die Tatsache berücksichtigt, dass es sich bei dem chinesischen Markt um einen Markt handelt, auf dem der mit Smartphones erzielbare Kaufpreis geringer als in den USA/ in der EU ist. Weiter hat sie berücksichtigt, dass die Patentdurchsetzung in China erschwert ist.
- Dies erweist sich aufgrund zweier Gesichtspunkte als unangemessen.
- Zum einen ist nicht schlüssig dargetan, dass es sich bei dem chinesischen Markt um einen niedrigpreisigen Mobilfunkmarkt handelt (…) Zum anderen führt die Beklagte keinerlei Gründe dafür an, weshalb neben China auch in allen weiteren Ländern außerhalb der USA und der EU der Ansatz eines niedrigeren Lizenzsatzes gerechtfertigt ist. Das erweist sich als umso zweifelhafter (…) Mit einer bei Poolpatenten hinnehmbaren Pauschalisierung von Marktbedingungen kann dieses Vorgehen jedenfalls nicht mehr begründet werden. Denn die Beklagte selbst macht ja gerade die unterschiedlichen Marktbedingungen als Kriterium für eine Differenzierung in den Lizenzhöhen aus, kombiniert dann aber – im Widerspruch dazu – doch einen nach ihrem Vortrag niedrigpreisigen mit einem hocÖreisigen Markt.
- cc)
Ausführungen dazu, weshalb der Lizenzvertrag (…) Wirkung entfalten soll, fehlen in Gänze, weshalb die FRAND-Gemäßheit auch insoweit schon nicht hinreichend dargetan ist. - f)
Da die Beklagte die von ihr erbrachte Sicherheitsleistung anhand der in dem Gegenangebot festgelegten Lizenzgebühren bemessen hat, und diese sich als unangemessen erweisen (vgl. dazu unter lit. e), bb)), erweist sich auch die Sicherheitsleistung bereits aus diesem Grund als unzureichend. Dies kann jedoch in Ermangelung eines FRAND-gemäßen Gegenangebots vorliegend ebenso dahinstehen, wie der Umstand, dass sich der zu Sicherungszwecken erbrachte Betrag in Höhe von XXX aus den vorgelegten Abrechnungen nicht nachvollziehbar ergibt (Anlage B55; deutsche Übersetzung: Anlage B55a). - VII.
Aufgrund der festgestellten Patentverletzung durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen, wobei – wie gesehen – keine Einschränkungen aus kartellrechtlichen Gründen vorzunehmen sind. - 1.
Die Klägerin hat wegen der unmittelbaren Verletzung des Klagepatentanspruchs 2 und der mittelbaren Verletzung des Klagepatentanspruchs 1 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung nach Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG. - Es ist auch hinsichtlich der nur mittelbaren Verletzung des Verfahrensanspruchs 1 durch die angegriffenen Ausführungsformen ein Schlechthinverbot zu verhängen. Ein Schlechthinverbot ist regelmäßig zu erlassen, wenn das streitgegenständliche Mittel nur patentverletzend einsetzbar ist. Bei einem Mittel, das sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet kann, bestimmen sich dagegen die vom Anbieter oder Lieferant des Mittels zu treffenden Vorsorgemaßnahmen nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, andererseits den Vertrieb des Mittels zum patentfreien Gebrauch nicht in unzumutbarer Weise behindern dürfen (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat m. w. N.). Als im Vergleich zum Schlechthinverbot mildere Maßnahmen zur Verhinderung von Patentverletzungen sind insbesondere Warnhinweise oder – subsidiär, falls ein Warnhinweis nicht ausreicht – der Abschluss von Unterlassungsverpflichtungsvereinbarungen (ggf. mit Strafbewehrung) mit Abnehmern vorrangig zu prüfen (vgl. BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat).
- Zwar können die angegriffenen Ausführungsformen auch jenseits der Nutzung der geschützten Lehre wirtschaftlich sinnvoll verwendet werden. Gleichwohl war ein Schlechthinverbot zu verhängen. Mildere Mittel als ein Schlechthinverbot sind hier nicht geeignet, eine patentverletzende Nutzung der angegriffenen Ausführungsformen zu verhindern; insbesondere erscheinen ein Warnhinweis oder die Verpflichtung, strafbewehrte Unterlassungsvereinbarungen mit den Kunden der angegriffenen Ausführungsformen abschließen zu müssen, als ungeeignet. Die angegriffenen Ausführungsformen werden regelmäßig von Endverbrauchern für private Zwecke verwendet. Diesen Kunden wäre die Nutzung des Klagepatents nach § 11 Nr. 1 PatG im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken nicht zu verbieten. Weiterhin lässt sich bei Mobiltelefonen wie den angegriffenen Ausführungsformen praktisch nicht kontrollieren, ob die geschützte Lehre verwendet wird.
- Im Übrigen kann bei einer patentfreien Verwendungsmöglichkeit ein Schlechthinverbot insbesondere auch dann begründet sein, wenn der angegriffene Gegenstand ohne Weiteres derart abgeändert werden kann, dass er den Vorgaben des Patents nicht mehr entspricht, seine Eignung zur patentfreien Verwendung aber gleichwohl nicht einbüßt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012 – Az. I-2 U 137/10; LG Düsseldorf, InstGE 5, 173 – Wandverkleidung). In solchen Fällen bedarf es der patentgemäßen Ausbildung des Mittels zur Gewährleistung eines gemeinfreien Gebrauchs außerhalb des Patents nicht; derjenige, der das Mittel anbietet oder vertreibt, kann an ihr deswegen auch kein schützenswertes Interesse haben.
- Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin zur Abwandelbarkeit nicht erheblich entgegen getreten. Es ist auch nicht ersichtlich, welche technischen Schwierigkeiten dabei bestehen könnten, die Nutzung der patentgemäßen Lehre zu unterbinden. Soweit die Abwandelbarkeit hier allerdings dadurch erschwert wird, dass wegen der Standardessentialität des Klagepatents eine Nutzung des gesamten MPEG-4-Standards unmöglich gemacht wird, steht dies einem Schlechthinverbot nicht entgegen. Die hiermit verbundenen nachteiligen Folgen für den Patentverletzer werden durch die kartellrechtlichen Beschränkungen des Unterlassungsanspruchs aus dem standardessentiellen Patent kompensiert. Sofern der FRAND-Einwand – wie hier – nicht durchgreift, kann sich ein Patentverletzer nicht darauf berufen, eine patentfreie Abänderung der angegriffenen Ausführungsform sei deswegen nicht möglich oder unangemessen, weil hierdurch zugleich die Nutzung des Standards vereitelt wird.
- 2.
Es ist auf den Antrag der Klägerin hin auch die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen. - Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne die rechtskräftige Feststellung die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
- Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1, Abs. 2 PatG. Die Beklagte hat die Patentverletzung schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist zudem nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Hinsichtlich der mittelbaren Patentverletzung reicht für die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bereits aus, dass die angegriffenen Ausführungsformen angeboten wurden (vgl. BGH, GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren).
- 3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird durch die von ihr verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet. - 4.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte im begehrten Umfang (unmittelbare Verletzung) einen Anspruch auf Rückruf der schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG und auf Vernichtung der streitgegenständlichen Erzeugnisse aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 PatG. Für die Unverhältnismäßigkeit der Ansprüche bestehen keine Anhaltspunkte. - VIII.
Eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung in dem das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsverfahren ist nicht veranlasst. - Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt allerdings ohne weiteres noch keinen Grund für eine Aussetzung des Verletzungsstreits dar. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679).
- 1.
Eine Aussetzung ist nicht im Hinblick auf den Einwand einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch den Standardentwurf JVT-G050 (Anlage NK5, in deutscher Übersetzung als Anlage NK5 (Übersetzung); nachfolgend: NK5) geboten. Dabei kann offen bleiben, ob das Klagepatent seine Prioritäten wirksam in Anspruch nimmt. Auch wenn man auf den Anmeldetag des Klagepatents am 10.04.2003 abstellt, ist nach dem im vorliegenden Verletzungsverfahren anzuwendenden Maßstab eine vorherige Veröffentlichung der NK5 nicht zugrunde zu legen. - Die allein in Betracht kommende vorherige Onlineveröffentlichung der NK5, eines sogenannten Ausgabedokuments des 7. Standardisierungstreffens, das zwischen dem 7. und 14. März 2003 in Pattaya, Thailand, stattfand, lässt sich nicht mit der für eine Aussetzung hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen.
- a)
Zwar kann das Internet selbstverständlich Quelle von Informationen über den Stand der Technik sein. Jedoch obliegt es dem Zitierenden, überzeugend darzulegen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt dort zu finden war und dies durch weitere Angaben zu stützen (BPatG, Beschluss vom 14.07.2009 – 17 W (pat) 318/05). Die Frage des Zeitrangs der Internet-Fundstelle unterliegt dann der freien Beweiswürdigung im Nichtigkeitsverfahren (BPatG, a.a.O.; BPatG, Beschluss vom 11.05.2010 – 17 W (pat) 70/09 – Netbook). Alleine die Notwendigkeit einer Beweiswürdigung führt zu Schwierigkeiten, die für eine Aussetzung notwendige, hinreichende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Klageschutzrechts festzustellen. Denn es ist nicht Sache des Verletzungsgerichts, eine im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens durch das Nichtigkeitsgericht vorzunehmende Beweisaufnahme und -würdigung zu antizipieren (Urteil der Kammer vom 03.09.2013 – 4a O 56/12, Lichtemittierende Diode), weshalb etwa bei einer offenkundigen Vorbenutzung keine Aussetzung erfolgt, wenn der Nachweis der Vorbenutzung von Zeugenaussagen abhängig ist (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Auflage 2018, Abschnitt E Rn. 658). Insofern ist eine Aussetzung nur dann gerechtfertigt, wenn die betreffende Entgegenhaltung offensichtlich zum Stand der Technik des Klageschutzrechts gehört, was von der Beklagten mit liquiden Beweismitteln nachzuweisen ist. - b)
Nach diesem Maßstab ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die NK5 vor dem Anmeldetag des Klagepatents öffentlich zugänglich gemacht wurde. - Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich zwar, dass grundsätzlich ein Dokument wie die NK5 am Tag seiner Erstellung, spätestens am Folgetag, in einem öffentlich zugänglichen Ordner gespeichert wurde. Es ergibt sich daraus aber nicht, dass dies im Falle der NK5 tatsächlich geschehen ist und diese vor dem Anmeldetag im JVT-Ordner „2003_03_Pattaya“ verfügbar war. Einen konkreten Beleg für das Veröffentlichungsdatum der NK5 in dem besagten Ordner konnte die Beklagte nicht beibringen.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der europäischen Patentanmeldung EP 1 487 XXX A2 (Anlage NK6, nachfolgend: NK6) als Quellennachweis unter Absatz [0040] auf das Dokument „Draft Text of Final Draft International Standard (FDIS) of Joint Video Specification (ITU-T Rec. H.264 I ISO/IEC 14496-10 AVC), JVT-G050, March 2003“ von T. Wiegand, G. Sullivan Bezug genommen wird. Dem Quellennachweis lässt sich nicht entnehmen, dass das in Bezug genommene Dokument tatsächlich im März 2003 – oder überhaupt – veröffentlicht worden ist. Da Thomas Wiegand als einer der in der NK6 genannten Erfinder gleichzeitig Mitautor der NK5 ist, wäre eine öffentliche Zugänglichkeit der NK5 jedenfalls keine Voraussetzung für die Kenntniserlangung von dieser Quelle.
- Eine Veröffentlichung der NK5 im März 2003 ergibt sich auch nicht aus dem Dokument „XXXX“ (Anlage B60/NK15), das aus dem gleichen Ordner „XXX“ von der ITU-Website heruntergeladen werden kann wie die NK5. Der Verweis auf die NK5 unter „XXX“ belegt aus den gleichen Erwägungen wie zu der NK6 keine Veröffentlichung im März 2003. Es handelt sich bei beiden Dokumenten um solche der Standardisierungsgruppe, so dass ein Quellennachweis auch ohne öffentliche Zugänglichkeit der NK5 möglich gewesen wäre.
- Selbst wenn man die von der Beklagten aufgezeigten Indizien in ihrer Gesamtheit betrachtet, lässt sich eine Vorveröffentlichung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Die hierfür notwendige Antizipation der freien Beweiswürdigung im Nichtigkeitsverfahren ist der Kammer, wie ausgeführt, verwehrt.
- c)
Die Klägerin durfte sich darauf zurückziehen, darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Beklagten die Veröffentlichung der NK5 im März 2003 nicht belegt. Daraus, dass Angestellte ihrer Rechtsvorgängerin Mitglieder der JVT-Standardisierungsgruppe zum AVC/H.264-Standard gewesen sein mögen, ergibt sich keine zurechenbare Kenntnis der Veröffentlichung der NK5 vor dem Anmeldetag des Klagepatents. Dabei kann offen bleiben, ob eine Kenntnis der allgemeinen Abläufe des Standardisierungsverfahrens der Klägerin zurechenbar wäre. Dies gilt ohne – hier nicht vorliegende – weitere Anhaltspunkte nicht auch für die tatsächliche Veröffentlichung eines bestimmten Dokuments zu einem bestimmten Zeitpunkt. - 2.
Auch im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch das Dokument JVT-B118r7, die 7. Überarbeitung des Standardentwurfs (Anlage NK8, in deutscher Übersetzung als Anlage NK8 (Übersetzung); nachfolgend: NK8), ist eine Aussetzung nicht veranlasst. - Ob nach den dargestellten Grundsätzen im Rahmen der Aussetzungsentscheidung von einer Vorveröffentlichung der NK8 auszugehen wäre, kann offen bleiben. Jedenfalls ist eine Vernichtung des Klagepatents unter dem Gesichtspunkt der neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch die NK8 nicht hinreichend wahrscheinlich.
- a)
Das Merkmal 2.2 der Klagepatentansprüche 1 und 2 wird in der NK8 nicht neuheitsschädlich offenbart. - aa)
Die NK8 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig, dass beide Bewegungsvektoren für einen Block auf in die gleiche Richtung (vorwärts oder rückwärts) gerichtete Referenzbilder verweisen. - Nach der Lehre der NK8 sind im Rahmen der B-Prädiktion zwei Sätze von Referenzbildern vorgesehen, auf die die jeweiligen Bewegungsvektoren zeigen und die als Vorwärts-Referenzbildsatz und als Rückwärts-Referenzbildsatz bezeichnet sind (vgl. Absatz 8.2.12 der NK8). Der Vorwärts-Bewegungsvektor zeigt bei der B-Prädiktion auf Referenzbilder im Vorwärts-Referenzbildsatz und der Rückwärts-Bewegungsvektor zeigt auf Referenzbilder im Rückwärts-Referenzbildsatz. Es lässt sich der NK8 dagegen nicht entnehmen, dass beide Bewegungsvektoren für einen aktuellen Block auf vorwärts oder auf rückwärts gerichtete Referenzbilder zeigen.
- Insbesondere wird nicht offenbart, dass die verwendeten Bezeichnungen Vorwärts-Prädiktion und Rückwärts-Prädiktion nicht mehr an die zeitliche Richtung der Prädiktion gekoppelt sind. Vielmehr heißt es in Absatz 11.2 der NK8, dass „Vorwärts-Prädiktion“ die Prädiktion aus einem vorhergehenden Referenzbild und „Rückwärts-Prädiktion“ die Prädiktion aus einem zeitlich nachfolgenden Referenzbild meint. In diesem Fall wird also die Vorwärtsprädiktion von einem in Anzeigereihenfolge vorhergehenden Referenzbild und die Rückwärtsprädiktion von einem zeitlich nachfolgenden Referenzbild durchgeführt, so dass gerade nicht beide Bewegungsvektoren auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen.
- Aus der sich an Absatz 11.2 anschließenden Notiz des Editors: „Diese Aussage ist im vorliegenden Codec nicht richtig“ lässt sich nicht entnehmen, dass stattdessen Vorwärts- und Rückwärtsprädiktion keinen Hinweis auf die zeitliche Anordnung des Referenzbildes (vorher oder nachher) mehr ermöglichen. Erst recht lässt sich der Notiz nicht die positive Aussage entnehmen, dass ein Block zwei Bewegungsvektoren enthalten kann, die sich auf Referenzbilder in der gleichen Anzeigereihenfolge beziehen. Tatsächlich erschöpft sich die Notiz des Editors darin, die zuvor getroffene inhaltliche Aussage in Frage zu stellen. Was an ihrer Stelle inhaltlich zu gelten habe, erläutert die Notiz nicht. Zudem bleibt auch unklar, in welchem Verhältnis Autor und Editor der NK8 stehen und wessen Aussage aus Sicht des Lesers im Ergebnis Vorrang haben soll.
- Zwar mag es in der Standard-Index-Reihenfolge für B-Bilder nach Absatz 8.2.12.2 der NK8 möglich sein, einen Block mit zwei Bewegungsvektoren vorzusehen, die auf Referenzbilder in derselben Anzeigerichtung verweisen. Dies reicht ohne entsprechende Erläuterungen hierzu in der NK8 für eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung aber ebenfalls nicht aus. Ebenso wenig reicht es aus, dass in Absatz 3.20 in Bezug auf die Dekodierreihenfolge ausgeführt wird, diese müsse „nicht notwendigerweise“ der Anzeigereihenfolge entsprechen („This order is not necessarily the same as the display order“). Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass nach dieser Formulierung die Anzeigereihenfolge der Dekodierreihenfolge nicht entsprechen muss, dies aber kann. Eine hinreichend deutliche Offenbarung von Blocks mit zwei Bewegungsvektoren, deren Referenzbilder in die gleiche Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen, stellt dies aber nicht dar. Zudem bleibt auch unter Berücksichtigung der „Notiz des Editors“ die Frage offen, in welchem Verhältnis diese Möglichkeit zu Absatz 11.2 steht, der diese Möglichkeit gerade ausschließt.
- bb)
Selbst wenn man das Merkmal 2.2 für unmittelbar und eindeutig offenbart hielte, fehlte es unter Berücksichtigung der aufgezeigten Widersprüche jedenfalls an der Ausführbarkeit der technischen Lehre. Dem Fachmann mag sich allenfalls erschließen können, dass Widersprüche in der NK8 erkannt worden sind. Diese auflösen und entsprechend dem Merkmal 2.2 die Lehre der NK8 nacharbeiten, kann er jedoch nicht. Eine solche unfertige und die beanspruchte Lehre noch nicht als ausführbare Anweisung enthaltende Lehre ist nicht neuheitsschädlich (Melullis, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 3 Rn. 181). - cc)
Aus dem allgemeinen Vorbringen der Beklagten, es sei bereits im Rahmen des H.26L-Standardisierungsverfahrens bekannt gewesen, dass Bewegungsvektoren auf Referenzbilder verweisen können, die in Anzeigereihenfolge in der gleichen Richtung liegen, lässt sich hinsichtlich der Prüfung der Neuheitsschädlichkeit nichts ableiten. - Ebenso wenig findet Berücksichtigung, dass gemäß einem Hinweis in der NK8 unter dem Abschnitt „11 B-Bilder“ („11 B-pictures“) noch beträchtliche Arbeit erforderlich sei, um den Einbau des „verallgemeinerten ERPS“ zu vervollständigen. Der Inhalt des besagten ERPS wird hierdurch nicht zum Inhalt der NK8, weshalb sich weitere Ausführungen zu dessen Offenbarungsgehalt erübrigen.
- b)
In der Folge dieser Ausführungen ist auch das Merkmal 2.4 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, wonach das Zuweisen einer Kennung zu einem bestimmten Bewegungsvektor „gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen“, erfolgt. Denn wenn man davon ausgeht, dass nach der Lehre der NK8 die Vorwärtsprädiktion nur in Bezug auf in Anzeigereihenfolge vorhergehende Referenzbilder und die Rückwärtsprädiktion nur in Bezug auf in Anzeigereihenfolge nachfolgende Referenzbilder erfolgt, stellen gleichzeitig „MVDFW“ und „MVCBW“ keine Kennungen dar, die eine Unterscheidung der Bewegungsvektoren eines Blocks ermöglichen, die sich auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge beziehen. - c)
Auch das Merkmal 3 wird somit nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. Mangels einer die soeben erläuterte Unterscheidung ermöglichenden Kennung der Bewegungsvektoren kann kein Ableiten des vorausberechneten Bewegungsvektors unter Verwendung der Bewegungsvektoren eben dieser Kennungen erfolgen. - 3.
Im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch die Standardeingabe VCEG-N40 (Anlage NK10, in deutscher Übersetzung als Anlage NK10 (Übersetzung); nachfolgend: NK10) in Verbindung mit dem Standardentwurf TML-8 (Anlage NK11, in deutscher Übersetzung als Anlage NK11 (Übersetzung); nachfolgend: NK11) ist eine Aussetzung ebenfalls nicht veranlasst. - a)
Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch eine Kombination der NK10 und der NK11 scheidet bereits deshalb aus, weil der Fachmann beide Entgegenhaltungen nicht als einheitliche Offenbarungsquelle ansieht. - Kombinationen mit Merkmalen außerhalb des Dokuments sind in der Regel nicht mit offenbart, es sei denn, das Dokument verweist für eine bestimmte Gestaltung ausdrücklich auf eine andere Vorveröffentlichung und macht sie damit zum Inhalt des Dokuments selbst oder ein Fachmann würde beide Dokumente ausnahmsweise zusammen lesen (Moufang, in: Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 10. Auflage 2017, § 3 Rn. 112 m. w. N.). Eine solche Ausnahme liegt nicht vor. Die NK10 benennt die NK11 zwar in der Einleitung als Stand der Technik und stellt den untersuchten „Multihypothesen-Modus“ als Fortentwicklung bzw. Abwandlung des „bidirektionalen Modus“ der NK11 vor. Allerdings reicht dieser Verweis nicht aus, um den gesamten Inhalt der NK11 in die NK10 hineinzulesen. Bezug genommen wird lediglich auf die zeitliche Anordnung der Referenzbilder im Verhältnis zu den auf sie bezogenen Bewegungsvektoren. Der Inhalt der NK11 im Übrigen wird nicht thematisiert.
- b)
Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass der Fachmann aufgrund des Hinweises auf die NK11 deren Offenbarung in der NK10 „mitliest“, wird die klagepatentgemäße Lehre nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. - Nach der Lehre der NK11 ist im sog. „bidirektionalen Modus“ ein Bewegungsvektor auf ein Referenzbild in Vorwärtsrichtung und der andere Bewegungsvektor auf ein Referenzbild in Rückwärtsrichtung bezogen. Ersetzt man diesen durch den „M-Modus“ der NK10 sind zusätzliche Kombinationen, nämlich „Vorwärts, Vorwärts“ sowie „Rückwärts, Rückwärts“ möglich (vgl. Abschnitt 3.2 der NK10). Weder die NK10 noch die NK11 liefern allerdings Antworten auf die Fragen, die sich gerade für den Fall zweier Bewegungsvektoren, die auf Referenzbilder in gleicher Richtung verweisen, stellen. Wie bereits im Zusammenhang mit der NK8 erläutert, sind insbesondere „MVDFW“ und „MVCBW“ keine Kennungen, die eine Unterscheidung der Bewegungsvektoren eines Blocks ermöglichen, die sich auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge beziehen. Damit sind jedenfalls die Merkmale 2.3 und 3 weder in der NK10 noch in der NK11 offenbart.
- 4.
Aus den genannten Gründen fehlt es im Hinblick auf eine Kombination der NK10 und der NK11 auch nicht an einer erfinderischen Tätigkeit. - 5.
Schließlich ist eine Aussetzung nicht im Hinblick auf den Einwand einer unzulässigen Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Anmeldung EP 1 499 133 A1 (Anlage NK3c; nachfolgend: NK3c) geboten. - a)
Eine unzulässige Erweiterung liegt vor, wenn infolge einer Änderung der Gegenstand der Anmeldung oder des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Art. 123 Abs. 2 EPÜ. Gegenstand der Anmeldung ist das, was ein Fachmann dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung (Ansprüchen, Beschreibung und Zeichnungen) unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens am Anmeldetag unmittelbar und eindeutig entnimmt (Moufang, in: Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 10. Auflage 2017, § 38 PatG/Art. 123 EPÜ Rn. 18). Das Verbot einer unzulässigen Erweiterung schließt es nicht aus, Merkmale, die in der ursprünglichen Offenbarung enthalten sind, nachträglich in einen Patentanspruch zu übernehmen (Dobrucki, in: Benkard, EPÜ, 2. Auflage 2012, Art. 123 Rn. 105). Es können insbesondere Merkmale aus einem Ausführungsbeispiel zur Beschränkung in den Anspruch aufgenommen werden, solange der hiermit beanspruchte Gegenstand als zur Erfindung gehörig offenbart und kein Aliud ist (BPatG, Beschluss vom 28.06.2016 – 10 W (pat) 140/14). - b)
Daran gemessen liegt eine unzulässige Erweiterung nicht vor. Der Gegenstand des Klagepatents geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung NK3c nicht hinaus. Dies gilt insbesondere für die Merkmale 2.4 (dazu unter aa)) und 3 (dazu unter bb)). - aa)
Das Zuweisen einer Kennung „gemäß einer Reihenfolge, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstrom erscheinen“ (Merkmal 2.4), ist in Absatz [0010] der NK3c für das Kodierverfahren unmittelbar und eindeutig offenbart. Darin heißt es, dass in dem Zuweisungsschritt die IDs den zwei Bewegungsvektoren für jede der Mehrzahl an kodierten Blöcken auch gemäß einer Reihenfolge im Bitstrom zugewiesen werden können, in den jeder der Bewegungsvektoren als kodierte Differenz angeordnet wird. Der Fachmann erkennt, dass diese Offenbarung der NK3c auch für das Dekodierverfahren Geltung beansprucht. Dies folgt aus dem ausdrücklichen Verweis in Absatz [0018] der NK3c, aus dem sich die entsprechende Anwendung der Beschreibung des Kodierverfahrens auf das Dekodierverfahren ergibt. Abgesehen davon verlaufen Kodierung und Dekodierung regelmäßig invers zueinander, so dass auch aus diesem Grund für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich ist, dass hinsichtlich des Dekodierverfahrens auf die Offenbarung in Absatz [0010] der NK3c zurückgegriffen werden kann. - bb)
Das Merkmal 3 wird in der NK3c ebenfalls offenbart. Das in Absatz [0078] der NK3c erläuterte Bewegungsvektordekodierverfahren weist einen Zuweisungsschritt zum Zuweisen von Kennungscodes und einen Erzeugungsschritt zum Erzeugen des prädizierten Vektors auf. Der prädizierte Vektor wird danach für jeden der Bewegungsvektoren für den aktuellen Block basierend auf den Bewegungsvektoren mit dem gleichen Kennungscode aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl dekodierter Blocks erzeugt. Damit ist die Ableitung des vorausberechneten (prädizierten) Bewegungsvektors für jeden Bewegungsvektor des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren mit der gleichen Kennung, wie sie zu jedem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks aus den Bewegungsvektoren für die Mehrzahl von dekodierten Blocks zugewiesen ist (Merkmal 3), offenbart. - IX.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, fanden bei der Entscheidung keine Berücksichtigung. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, §§ 296a, 156 ZPO. - 1.
Anders als die Beklagte im Schriftsatz vom 16.10.2018 vorträgt, hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung keinen Hinweis erteilt, sondern nur den Sach- und Rechtsstand erörtert. Der dem Urteil des Bundespatentgericht vom 13.12.2016 (Az. 3 Ni 5/16) zugrundeliegende Fall ist mit der hiesigen Konstellation im Übrigen nicht unmittelbar vergleichbar. Auch geht das Bundespatentgericht im dortigen Fall von einer öffentlichen Zugänglichkeit innerhalb eines Monats ab dem angegebenen Datum aus, während vorliegend auch nach dem Vortrag der Beklagten zwischen den „spätesten Veröffentlichungsdatum“ der Entgegenhaltung und dem Anmeldetag des Klagepatents (10.04.2003) nur drei Wochen und fünf Tage liegen. - 2.
Ferner sei angemerkt, dass das neue Lizenzangebot der Beklagten bereits deshalb nicht dem Unterlassungsanspruch der Klägerin entgegen gehalten werden könnte, da dieses aufgrund des Zeitpunkts der Abgabe unter FRAND-Gesichtspunkten nicht berücksichtigt werden muss. Aufgrund der Abgabe nach der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin im Prozess keine ausreichende Möglichkeit zur Reaktion (vgl. Kammer, Urt. v. 13.07.2018 – 4a O 154/15 – Rn. 283 ff. zitiert nach juris, zur Unbeachtlichkeit eines Angebots kurz vor der mündlichen Verhandlung, was entsprechend für verspätete Gegenangebote gilt). Der EuGH verlangt explizit ein FRAND-gemäßes Gegenangebot „innerhalb einer kurzen Frist“ (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 66) und dass hierbei „keine Verzögerungstaktik verfolgt wird“ (EuGH, ebd., Rn. 65). Diese Vorgaben befolgt die Beklagte nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, warum das Gegenangebot nicht vorher hätte erfolgen können. Dessen Abgabe just kurz vor dem festgesetzten Verkündungstermin in dieser Sache erscheint gerade Ausdruck einer Verzögerungstaktik und widerspricht FRAND-Prinzipien. - X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die einzelnen titulierten Ansprüche festzusetzen, §§ 709, 108 ZPO. - Vollstreckungsschutz im Sinne des § 712 ZPO war der Beklagten nicht zu gewähren, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
- XI.
Der Streitwert wird auf € 5 Mio. festgesetzt.