Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2828
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. September 2018, Az. 4b O 145/17
- I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen, folgende Behauptungen aufzustellen und / oder zu verbreiten:
- 1. Die Firma A GmbH & Co. KG hätte in betrügerischer Weise bestätigt, dass die Erfindung des Herrn Dr. B von der A GmbH & Co. KG in 2016 noch nicht benutzt wurde, wenn dies wie folgt geschieht:
- “I refer herewith to your letter of May 22, 2017 where C fraudulently „confirmed“ that my invention (allegedly) ‘… has not been used by A GmbH & Co. KG in 2016.’”
- und / oder
- 2. die Firma A GmbH & Co. KG hätte gelogen, wenn dies wie folgt geschieht:
- “Because you lied, I will contact in written form directly customers and prospective customers of C in Germany and elsewhere in order to get by them (i.e. by your customers and prospective customers) accurate information of the usage of my invention in years 2012, 2013, 2014, 2015 and 2016 by C.“
- wie aus Anlage LT 12 ersichtlich:
- II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.171,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2017 zu zahlen.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
- V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.
- Die Klägerin ist einer der führenden Hersteller von Durchflussmessern in Deutsch-land. Der Beklagte war vom 18.04.2011 bis zum 31.10.2011 bei der Klägerin als Entwicklungsingenieur angestellt. Hinsichtlich des Anstellungsvertrages wird auf Anlage LT 1 Bezug genommen. Unter dem 20.09.2011 erklärte die Klägerin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2011.
- Während des Arbeitsverhältnisses, am 01.09.2011, übersandte der Beklagte mehreren Kollegen, u.a. dem Geschäftsführer der Klägerin, eine Präsentation (Anlage LT 2b), wofür sich der Geschäftsführer der Klägerin mit E-Mail vom 02.09.2011 bedankte. Wegen des weiteren Inhalts der Nachricht wird auf Anlage LT 2b Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11.01.2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er habe am 01.09.2011 eine Erfindung gem. § 5 ArbEG gemeldet, und forderte die Klägerin auf, ihm Abschriften sämtlicher Anmeldungen (national und international) zukommen zu lassen (Anlage LT 2a). Die Klägerin wertete das Schreiben als Erfindungsmeldung und teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 28.02.2012 mit, eine Patentanmeldung beim Deutschen Patent und Markenamt (DPMA) vorzubereiten (Anlage LT 3). Sie forderte den Beklagen auf, die Klägerin bei der Ausarbeitung der Patentanmeldung zu unterstützen.
Am 05.06.2012 reichte die Klägerin die Patentanmeldung Nr. 102012011XXX betreffend ein Coriolis-Massendurchflussmessgerät beim DPMA ein und teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 20.06.2012 inklusive Patentanmeldung mit (Anlage LT 19). Mit Schreiben vom 25.06.2012 mahnte der Beklagte bei der Klägerin mehrere Merkmale seiner Erfindung als in der Patentanmeldung fehlend an und warf ihr vor, seine Erfindungsmeldung arglistig zu manipulieren. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf Anlage LT 4 Bezug genommen.
Unter dem 17.07.2012 setzte der Beklagte der Klägerin eine Frist von vier Wochen zur Einreichung einer neuen Patentanmeldung (Anlage LT 20). Die Klägerin überarbeitete die Anmeldung und informierte den Beklagten mit Schreiben vom 20.07.2012 über die beabsichtigte Einreichung beim DPMA und räumte dem Beklagten die Möglichkeit zu Anmerkungen betreffend Ergänzungen oder Änderungen ein (Anlage LT 21). Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 06.08.2012, in dem er darauf hinwies, dass die Klägerin seine Erfindung freigegeben habe und er die nationalen und internationalen Patentanmeldungen selbst vornehmen werde (Anlage LT 23). Die Klägerin reichte sodann unter dem 21.08.2012 eine neue Patentanmeldung beim DPMA ein (Nr. 102012016XXX). Die frühere Patentanmeldung gilt als zurückgenommen. Das deutsche Patent wurde bislang nicht erteilt. Mit Schreiben vom 07.03.2013 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Patentanmeldungen beim DPMA gesetzwidrig eingereicht worden seien (Anlage LT 24).
Unter dem 16.04.2013 informierte die Klägerin den Beklagten darüber, das Patent in den USA anzumelden. Der Beklagte antwortete, die Klägerin sei zur Anmeldung nicht berechtigt (Anlage LT 25). Am 24.05.2013 reichte die Klägerin die Patentanmeldung betreffend das Coriolis-Massendurchflussmessgerät beim US-amerikanischen Patent und Markenamt (United States Patent and Trademark Office, USPTO) ein. Die Klägerin informierte den Beklagten hierüber mit Schreiben vom 24.06.2013 (Anlage LT 26). Nach Änderungen bezüglich des Erfordernisses der Einstückigkeit wurde das US-Patent am 24.11.2015 erteilt (Anlagen LT 6a und LT 6b).
Zuvor, unter dem 03.04.2015, schrieb der Beklagte den Präsidenten und CEO der japanischen Muttergesellschaft der Klägerin an und teilte mit, dass die Anmeldungen der Klägerin nicht die Erfindungen des Beklagten zutreffend wiedergeben würden (Anlage KNS 6). Mit Schreiben vom 19.06.2016 forderte der Beklagte die Klägerin auf, mitzuteilen, wie viele Coriolis-Massendurchflussmessgeräte sie in den Jahren 2012 bis 2015 hergestellt habe, welche Erlöse sie erzielt und welche Firmen sie angeschrieben habe (Anlage LT 7). Unter dem 05.07.2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass bislang keine Durchflussmesser unter Nutzung seiner Erfindung hergestellt und auch nicht vertrieben oder Erlöse erzielt worden seien (Anlage LT 8). Der Beklagte schrieb der Klägerin unter dem 31.07.2016, sie habe seine Erfindung in den Jahren 2012 bis 2015 als Sperrpatent benutzt (Anlage LT 9).
Ende 2016 wurde auf der D in Nürnberg ein Vortrag zu Coriolis-Durchflussmessern von Mitarbeitern der Klägerin gehalten. Wegen des Inhalts der Präsentation wird auf die Anlagen LT 13 und KNS 7 Bezug genommen (im Folgenden: D-Präsentation).
Mit Schreiben vom 06.05.2017 forderte der Beklagte die Klägerin auf, mitzuteilen, wie oft sie seine Erfindung im Jahr 2016 benutzt habe (Anlage LT 10). Unter dem 22.05.2017 antwortete die Klägerin, dass die Erfindung im Jahr 2016 nicht benutzt worden sei und setzte die Erfindervergütung für dieses Jahr auf 0 EUR (Anlage LT 11).
Unter dem 09.07.2017 übermittelte der Beklagte der Klägerin sowie ihrer Muttergesellschaft, der C E Corporation, ein Schreiben mit den streitgegenständlichen Äußerungen. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf Anlage LT 12 Bezug genommen. - Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 13.07.2017 fruchtlos u.a. zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf sowie zur Zahlung der außergerichtlichen Kosten für die Abmahnung (Anlage LT 14). Das Schreiben wurde per Einschreiben versandt. Da der Beklagte nicht zu Hause anzutreffen war, wurde das Einschreiben bei der Post zur Abholung hinterlegt. Das Schreiben ging mit dem Vermerk „Nicht abgeholt“ an die Klägervertreter zurück.
- Mit Beschluss vom 02.08.2017, Az. 4b O 93/17, dem Beklagten am 09.08.2017 im Parteibetrieb zugestellt, untersagte die Kammer dem Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, die streitgegenständlichen Behauptungen aufzustellen und / oder zu verbreiten.
- Mit Schreiben vom 31.08.2017 forderte die Klägerin den Beklagten fruchtlos unter Fristsetzung bis zum 28.09.2017 zur Abgabe einer Abschlusserklärung sowie zur Zahlung der durch das Abschlussschreiben entstandenen Kosten auf (Anlage LT 15). Die durch die Abmahnung und die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung entstandenen Anwaltskosten macht die Klägerin in Höhe von insgesamt 1.570,17 EUR geltend.
- Unter dem 26.09.2017 ließ die Klägerin dem Beklagten den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 20.07.2017 samt Anlagen, u.a. der Abmahnung vom 13.07.2017, zustellen (Anlage LT 35).
- Die Klägerin ist der Auffassung, die vom Beklagten in seinem Schreiben vom 25.06.2012 als fehlend angemahnten Merkmale hätten sich nicht aus seiner Präsentation vom 01.09.2011 ergeben. Der Beklagte sei seiner Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Patentanmeldung entgegen der Aufforderung der Klägerin nicht nachgekommen. Die gemeldete Erfindung sei so angemeldet worden, wie sie vom Beklagten gemeldet worden sei. Der Grund, die zweite Querstrebe in Anspruch 1 der Patentanmeldung DE 10 2012 016 XXX A1 aufzunehmen, liege in dem Schreiben des Beklagten vom 25.06.2012 (Anlage LT 4). Die Präsentation vom 01.09.2011 (Anlage LT 2b) stelle noch keine Erfindungsmeldung dar. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beklagte über keine Unterlagen zu der von ihm gemeldeten Erfindung bis auf die D-Präsentation verfüge.
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, sie habe die Erfindung des Beklagten bislang nicht genutzt, insbesondere nicht im Jahr 2016, dies ergebe sich auch nicht aus der D-Präsentation. Grund hierfür sei, dass sich die Geometrie aus dem erteilten Patent Nr. US 9,194,XXX nur mit 3D-Druck oder eventuell per Guss erzeugen lasse. Beide Verfahren wende die Klägerin nicht an. Darüber hinaus verursache die erfindungsgemäße Geometrie eine messtechnisch ungünstige Kopplung zwischen dem Strömungsteiler und dem Schwinger. Auf S. 18 der Präsentation sei lediglich ein frei erfundenes, fiktives Gerät gezeigt worden, um das Prinzip der Rechenmethode darzustellen.
Zudem fehle auf der Abbildung in der Anlage des Schreibens vom 09.07.2017 (Anlage LT 12 bzw. LT 13) die zweite Querstrebe („second cross brace“) zum Koppeln der beiden Messrohre im Rohrbereich zwischen den Ein und Auslässen, wie sie im Patentanspruch 1 des US-Patents vorgesehen sei (Anlage LT 6b, Anspruch 1, Z. 32 f.). Auch eine einstückige Konstruktion sei nicht ersichtlich. Die Abbildung auf der dritten Seite der Anlage KNS 2 stelle ebenfalls keine Benutzung der Erfindung laut Präsentation vom 01.09.2011 dar, weil die Abbildung den Stand der Technik zeige.
Die von dem Beklagten angekündigte Vorgehensweise, Kunden der Klägerin anzuschreiben, um genaue Informationen über die Nutzung der Erfindung zu erhalten, sei nicht geeignet, dem Beklagten diese Informationen tatsächlich zu verschaffen. Es sei dem Kunden ohne Zerstörung des Geräts gar nicht möglich, festzustellen, ob die fragliche Erfindung im Gerät verwirklicht sei oder nicht.
Die streitgegenständlichen Äußerungen griffen in den Schutzbereich ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein; jedenfalls sei sie in ihrem Aufgabenbereich betroffen. Denn durch die streitgegenständlichen Äußerungen seien ihre unternehmensbezogenen Interessen betroffen. Diese seien nicht nur durch ihr Persönlichkeitsrecht geschützt, sondern auch durch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Vorwurf, die Klägerin würde wahrheitswidrig behaupten, die Erfindung des Beklagten nicht zu benutzen, um die Erfindervergütung zu sparen, sei geeignet, das unternehmerische Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und ihr damit auch wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
Die streitgegenständlichen Äußerungen seien unter Abwägung der betroffenen Interessen als rechtswidrig anzusehen. Es seien keine schutzwürdigen Belange des Beklagten ersichtlich, die die Schutzinteressen der Klägerin überwiegen würden. Insbesondere seien Tatsachenbehauptungen, die in dem Bewusstsein ihrer Unwahrheit aufgestellt würden, nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG umfasst. Sollte eine Meinungsäußerung angenommen werden, so handele es sich um eine solche auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern mit der Folge, dass die Äußerung unzulässig sei.
Eine Wiederholungsgefahr liege vor, denn die Rechtsverletzung habe schon stattgefunden. Die Beklagte habe die unwahren Tatsachen gegenüber ihrer Mutterfirma und damit gegenüber einem Dritten getätigt. Außerdem habe die Beklagte durch die Ankündigung, die Kunden der Klägerin anzuschreiben, zumindest eine Erstbegehungsgefahr dafür gesetzt, die in seinem Schreiben vom 09.07.2017 getätigten, unwahren Tatsachen auch gegenüber den Kunden der Klägerin zu wiederholen.
Die Abmahnung sei dem Beklagten zusätzlich per E-Mail zugegangen, denn die Zu-stellung sei abgeschlossen worden (Anlage LT 34). - Die Klägerin beantragt,
- I. dem Beklagten zu verbieten, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, folgende Behauptungen aufzustellen und / oder zu verbreiten:
- 1. Die Firma A GmbH & Co. KG hätte in betrügerischer Weise bestätigt, dass die Erfindung des Herrn Dr. B von der A GmbH & Co. KG in 2016 noch nicht benutzt wurde, wenn dies wie folgt geschieht:
- “I refer herewith to your letter of May 22, 2017 where C fraudulently „confirmed“ that my invention (allegedly) ‘… has not been used by A GmbH & Co. KG in 2016.’”
- und / oder
- 2. die Firma A GmbH & Co. KG hätte gelogen, wenn dies wie folgt geschieht:
- “Because you lied, I will contact in written form directly customers and prospective customers of C in Germany and elsewhere in order to get by them (i.e. by your customers and prospective customers) accurate information of the usage of my invention in years 2012, 2013, 2014, 2015 and 2016 by C.“
- wie aus Anlage LT 12 ersichtlich.
- II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 1.570,17 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Der Beklagte ist der Auffassung, die ursprünglichen Patentanmeldungen der Klägerin in Deutschland und den USA wiesen zusätzliche einschränkende Merkmale auf, die seiner Erfindungsmeldung nicht entnommen werden könnten und zum Teil sogar zu dieser in klarem Widerspruch stünden. Zur Begründung dafür, dass sie die Erfindung des Beklagten nicht benutze, berufe sich die Klägerin auf eben solche einschränkenden Merkmale, die sich nicht aus der Erfindungsmeldung ergeben würden. Die in der Patentanmeldung aufgenommene enge Definition von „einstückig“, nämlich dass die Herstellung der Teile des Coriolis Massendurchflussmessgeräts in einem Verfahrensschritt durch ein Urformverfahren erfolgen müsse, stehe eindeutig in Widerspruch zur Erfindungsmeldung des Beklagten. Aus der Erfindungsmeldung ergebe sich nicht, dass für den ersten unabhängigen Teil der Erfindung zusätzlich zur stoffschlüssigen Verbindung zwischen den äußeren Rohrabschnitten und dem Gehäuse auch eine zusätzliche Querstrebe vorausgesetzt sei, die nur die beiden Querstreben miteinander verbinde. Der zweite unabhängige Teil der Erfindung des Beklagten, die Konstruktion einer Querstrebe in Form eines Vierkant-Rohrprofils, finde sich nicht in der Patentanmeldung.
Bereits die E-Mail vom 01.09.2011 (Anlage LT 2b) sei als Erfindungsmeldung anzusehen und nicht erst das Schreiben vom 11.01.2012 zusammen mit der am 01.09.2011 übersandten Präsentation. Die Meldung galt daher am 02.11.2011 als ordnungsgemäß. Eine Verpflichtung des Beklagten, auf die Aufforderung der Klägerin vom 28.02.2012 hin seine Angaben aus der Erfindungsmeldung zu ergänzen, habe daher nicht bestanden. Abgesehen von der Präsentation in Anlage LT 2b verfüge der Beklagte über keinerlei Unterlagen zu seiner Erfindung.
Die Klägerin habe im Rahmen des D-Vortrags die Konstruktion eines Coriolis-Durchflussmessgeräts gemäß der Erfindung des Beklagten vorgestellt (Anlage KNS 2).
Das Abmahnschreiben der Klägerin vom 13.07.2017 sei dem Beklagten nicht zugegangen, weder per E-Mail noch per Post. Er habe die Annahme auch nicht verweigert, weil er sich vom 17.07. bis 30.07.2017 im Urlaub aufgehalten habe. Hinsichtlich der Kostenerstattung für das Abschlussschreiben habe eine Anrechnung zu erfolgen. Eine nachträgliche Kostenerhöhung scheide aus. Für Fälle einer tatsächlichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stünde der Klägerin allenfalls ein Anspruch auf Ersatz von Anwaltsgebühren ohne Umsatzsteuer zu. Eine 0,8-Gebühr sei ausreichend. - Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- I.
Die Klage ist zulässig und zum weit überwiegenden Teil begründet. - Der Klägerin stehen gegen den Beklagten Ansprüche auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen und Erstattung der Kosten des Abschlussschreibens in Höhe von 1.171,67 EUR nebst Zinsen gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG, §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB und §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB zu. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten besteht hingegen nicht.
- 1.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG zu. - a)
Die Klägerin ist Rechtsträgerin des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Juristische Personen des Privatrechts sind Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in einem Umfang, der durch ihr Wesen als Zweckschöpfung des Rechts, ihre satzungsgemäßen Funktionen und ihre soziale Wertgeltung beschränkt wird (Palandt/Sprau, BGB, 77. A., 2018, § 823 Rn. 91). Durch die streitgegenständlichen Äußerungen sind die unternehmensbezogenen Interessen der Klägerin als Herstellerin von Durchflussmessgeräten betroffen. Diese Interessen gehören zur Sozialsphäre der Klägerin. Insoweit ist sie Trägerin des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. - b)
Die streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten zu Ziff. I. 1. und 2. greifen in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. - aa)
Die angegriffenen Äußerungen stellen Meinungsäußerungen dar. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden. Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus. Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht in dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (zum Vorstehenden insgesamt: BGH, Urt. v. 16.12.2014, VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 f.). - Die streitgegenständlichen Äußerungen beruhen auf der Annahme des Beklagten, dass die Klägerin in den Jahren 2012 bis insbesondere 2016 seine Erfindung benutzt habe. Die Annahme veranlasste den Beklagten zu der Einschätzung, die Klägerin verhalte sich betrügerisch („fraudulently“) bzw. sie habe gelogen („Because you lied“).
Der Vorhalt der Benutzung der Erfindung beruht auf einem Tatsachengehalt, kann jedoch nicht von wertenden Elementen getrennt und gesondert gewürdigt werden. Ausgangspunkt der Betrachtung ist nämlich die D-Präsentation aus 2016 (Anlagen LT 13, KNS 7). Hiervon ausgehend ist die Frage zu beurteilen, ob die Präsentation eine Benutzung der Erfindung des Beklagten darstellt, und zwar vor dem Hintergrund seiner Präsentation aus August 2011 (Anlage LT 2b) sowie der darauf basierenden Patentanmeldungen. Sowohl die Auslegung eines Patents bzw. einer Patentanmeldung und auch die Prüfung der Erfindungsmeldung sowie ihrer Reichweite stellen Rechtsfragen dar, deren Beantwortung zu Rechtsansichten führen, die von einem Dafürhalten oder Meinen geprägt sind. Dem Vorwurf der Benutzung der Erfindung liegt damit ein Werturteil zugrunde, der den Kern der Behauptung darstellt. Darüber hinaus treten die dem Werturteil zugrunde liegenden Tatsachen in dem Anschreiben vom 09.07.2017 (Anlage LT 12) nicht zum Vorschein. - bb)
Die streitgegenständlichen Äußerungen greifen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein, da die Sozialsphäre der Klägerin beeinträchtigt wird. Der Eingriff in die Sozialsphäre äußert sich in der Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs.
Die Bejahung einer Beeinträchtigung setzt voraus, dass die Verletzungshandlung die betroffene Sphäre berührt und eine gewisse Erheblichkeit erreicht (Palandt/Sprau, BGB, 77. A., 2018, § 823 Rn. 93). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmensrechts seine Reichweite nicht absolut festliegt, sondern erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urt. v. 08.05.2012, VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197, 2199, Rn. 35). Insoweit ist die Rechtslage anders als bei der Verletzung absoluter Rechte, bei der der Eingriff in das Recht die Rechtswidrigkeit regelmäßig indiziert (BGH, Urt. v. 08.05.2012, VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197, 2199, Rn. 35). - Die streitgegenständlichen Äußerungen sind geeignet, den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin in Form ihres unternehmerischen Ansehens in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Denn es handelt sich um Vorwürfe der Lüge und des betrügerischen Verhaltens, ohne dass der Beklagte aufzeigen konnte, dass die Äußerung auf einem wahren Tatsachenkern beruht, der diese Vorwürfe rechtfertigen könnte.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es maßgeblich auf die Erfindungsmeldung oder die deutsche Patentanmeldung bzw. das US-Patent ankommt (das Schreiben vom 09.07.2017, insbesondere die Betreffzeile, sind insoweit offen formuliert: „My invention“; „etc.“ und Nennung des US-Patents; im Text ist von der Erfindung die Rede). In allen drei Fällen ist eine Benutzung der Erfindung zu verneinen. Ebenfalls unerheblich ist, ob bereits die E-Mail des Beklagten vom 01.09.2011 oder erst sein Schreiben vom 11.02.2012 die Meldung einer Diensterfindung darstellen. Denn beide haben die Präsentation des Beklagten aus August 2011 zum Gegenstand.
Der Beklagte stützt sich im Zusammenhang mit der Frage der Benutzung seiner Erfindung auf die D-Präsentation aus dem Jahr 2016 (Anlage KNS 7). Diese stellt jedoch keine Benutzung der Erfindung des Beklagten dar und eine solche ist auch sonst weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein Herstellen oder Inverkehrbringen erfindungsgemäßer Erzeugnisse gem. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG liegt nicht vor und ergibt sich insbesondere nicht aus dem D-Vortrag. Die D-Präsentation zeigt auf S. 16 ff. lediglich ein „Coriolis Mass Flowmeter Design“ und entsprechende Analysen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass ein solches Erzeugnis von der Klägerin hergestellt wird. Auf S. 13 f. wird lediglich ein Simulationskonzept vorgestellt. Soweit auf S. 10 experimentell bestimmte Ergebnisse genannt werden, so ergibt sich hieraus nicht, dass das Erzeugnis auf S. 16 ff. damit gemeint ist. Denn unterhalb der Tabelle auf S. 10 wird Bezug genommen auf die Berechnung der Designparameter eines Coriolis-Masse-Durchflussmessers mit dem Berechnungs-Tool, also gerade nicht experimentell. Ein Inverkehrbringen wird weder vorgetragen noch ist dieses sonst ersichtlich.
Ein Angebot ist ebenfalls nicht ersichtlich, insbesondere nicht in der D-Präsentation. Die relevanten Abbildungen befinden sich auf S. 16 ff. der Anlage KNS 7. Weder dort noch an anderer Stelle sind Hinweise darauf ersichtlich, dass das auf S. 16 ff. gezeigte Design der Nachfrage zur Verfügung gestellt werden soll.
Schließlich ist ein Gebrauchen im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG zu verneinen. Denn die erforderliche bestimmungsgemäße Verwendung wurde weder vorgetragen noch ist sie sonst ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus der Bezugnahme auf experimentell bestimmte Ergebnisse in der Tabelle auf S. 10 der D-Präsentation. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Herstellung verwiesen.
Außerdem hat die Klägerin eine Benutzung des in dem D-Vortrag dargestellten Durchflussmessers substantiiert verneint. Andere Anhaltspunkte dafür, wie etwaige Coriolis-Durchflussmesser der Klägerin aussehen, die von der Erfindung des Beklagten Gebrauch machen könnten, bestehen nicht. - cc)
Der Eingriff war außerdem rechtswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der EMRK interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urt. v. 16.12.2014, VI ZR 39/14, NJW 2015, 773, 774 Rn. 16).
Im Falle von herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück. Der Begriff Schmähkritik ist wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng auszulegen. Selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik ist erst dann eine Schmähung, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die persönliche Diffamierung der Person im Vordergrund steht (insgesamt: BGH, Urt. v. 31.03.2016, I ZR 160/14, GRUR 2016, 710, 715 Rn. 46, 48 – Im Immobiliensumpf). Danach stellen die streitgegenständlichen Äußerungen keine Schmähkritik dar. Denn im Vordergrund steht nicht die Herabsetzung der Klägerin und ihrer Leistung als Gewerbetreibende, sondern die Auseinandersetzung in der Sache betreffend die Arbeitnehmererfindung des Beklagten. - Ist eine Schmähkritik zu verneinen, so kann sich die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung ergeben. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, 31.03.2016, I ZR 160/14, GRUR 2016, 710, 715 Rn. 51).
Die streitgegenständlichen Äußerungen sind nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Für den Beklagten spricht zunächst, dass er sich in seinem Schreiben nicht direkt an Kunden oder beliebige Dritte wendet, sondern an die Muttergesellschaft der Klägerin als Dritte. Allerdings verfolgt er rein private Interessen, mit denen die Muttergesellschaft der Klägerin bzw. die Kunden der Klägerin nichts zu tun haben. Der Beklagte möchte nämlich einen etwaigen Nutzungsumfang in Erfahrung bringen. Durch Äußerungen gegenüber der Muttergesellschaft der Klägerin versuchte er, Druck auszuüben, um eine Auskunft zu erhalten. Hierbei handelt es sich um ein sachfremdes Mittel, weil die Muttergesellschaft der Klägerin mit den Interessen der Klägerin nicht direkt im Zusammenhang steht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte in irgendeiner Weise im Interesse weiterer Personen handeln würde, die schlechte Erfahrungen mit der Klägerin gemacht hätten. Es geht lediglich um eine Nullauskunft, mit der der Beklagte nicht einverstanden ist. Hinzu kommt, dass – wenn der Vorwurf der Lüge als Vorwurf verstanden wird, Tatsachen bewusst nicht oder gar falsch wiederzugeben – sich die vom Beklagten angenommene Tatsachengrundlage nicht feststellen lässt: Es ist, wie oben dargelegt, nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Erfindung benutzen würde. Es besteht noch nicht einmal der Verdacht einer Nutzung, weil der D-Vortrag alleiniger – nicht zielführender (siehe oben) – Anhaltspunkt für eine Nutzung ist, für den aber in Abrede gestellt ist, dass ihm tatsächlich existierende Durchflussmesser zugrunde liegen.
Zugunsten der Klägerin spricht im Übrigen, dass der Beklagte einen massiven, gegebenenfalls strafrechtlich relevanten Vorwurf gegen sie erhebt. Aufgrund des Schreibens des Beklagten ist für die Klägerin ein Rechtfertigungsdruck gegenüber ihrer Muttergesellschaft entstanden. Außerdem stellt der Beklagte Äußerungen gegenüber Kunden und potentiellen Kunden in Aussicht. Abnehmer könnten aufgrund der Vorwürfe Geschäfte überdenken, weil die Klägerin nicht als verlässlicher Geschäftspartner dargestellt wird.
Insgesamt betrachtet erhebt der Beklagte schwere Vorwürfe, weil er mit der Nullauskunft der Klägerin nicht einverstanden ist, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen würden, dass diese Auskunft falsch ist. Daher hat das Meinungsäußerungsinteresse des Beklagten zurückzutreten und eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist zu bejahen. - c)
Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der erfolgten Rechtsverletzung vermutet (BGH, Urt. v. 29.11.2016, VI ZR 382/15, GRUR 2017, 304, 307 Rn. 17 m. w. N.). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht entkräftet. Außerdem besteht eine Erstbegehungsgefahr dafür, die streitgegenständlichen Äußerungen gegenüber Kunden zu wiederholen, wie dies in dem angegriffenen Schreiben vom Beklagten angedeutet wird. - 2.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ferner ein Anspruch auf Erstattung der Kosten des Abschlussschreibens in Höhe von 1.171,67 EUR gem. §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB zu (hierzu BGH, Urt. v. 04.02.2010, I ZR 30/08, GRUR 2010, 1038, 1039 Rn. 26 – Kosten für Abschlussschreiben). Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten besteht hingegen nicht. - a)
Das Abmahnschreiben entfaltet keine Wirkung, weil die Klägerin den Zugang der E-Mail gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nachgewiesen hat.
Willenserklärungen an einen Empfänger, der im Rechtsverkehr mit seiner E-Mail-Adresse auftritt, gehen zu, wenn sie in seiner Mailbox oder der seines Providers abrufbar gespeichert sind (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. A., 2018, § 130 Rn. 7a). Der Beklagte hat sein elektronisches Postfach als Empfangsvorrichtung auf dem Schreiben vom 09.07.2017 durch Nennung seiner E-Mail-Adresse angegeben (Anlage LT 12). Allerdings ist nicht nachgewiesen, dass die Abmahnung auf seiner Mailbox bzw. die seines Providers gespeichert wurde. Anlage LT 34 bestätigt lediglich, dass die E-Mail die Sphäre der Klägerin vollständig verlassen hat. Da vom Zielserver keine Zustellungsbenachrichtigung versendet wurde, kann ein Zugang nicht angenommen werden. Dem Beweisangebot der Klägerin auf Vernehmung der Zeugin F ist nicht nachzugehen, weil diese lediglich die Versendungsmodalitäten bestätigen kann, nicht aber den Zugang der E-Mail. Die Aufstellung des Beklagten in der Anlage KNS 10 weist die Abmahnung vom 13.07.2017 nicht aus. - Auch der Zugang der Abmahnung in Schriftform ist von der Klägerin nicht nachgewiesen worden. Das Einschreiben mit Rückschein entfaltet keine Vermutungswirkung, da der Beklagte das Einschreiben unstreitig nicht bei der Post abgeholt hat. Eine Zugangsfiktion ist nicht anzunehmen. Wer aufgrund vertraglicher Beziehungen mit der Zusendung rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss geeignete Vorkehrungen dafür treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen (BGH, Urt. v. 11.07.2007, XII ZR 164/03, NJW-RR 2007, 1567, 1568, Rn. 20 – Unterschriften mitwirkender Richter). Die Obliegenheitsverletzung wiegt allerdings nur dann so schwer, dass diese nach Treu und Glauben so zu behandeln ist, als sei die Erklärung rechtzeitig zugegangen, wenn auch die Gegenseite das ihr Zumutbare getan hat, damit ihre Erklärung den Adressaten rechtzeitig erreicht. Grundsätzlich muss der Erklärende nach Kenntnis des gescheiterten Zugangs unverzüglich einen neuen Versuch unternehmen, die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne Weiteres eine Kenntnisnahme des Inhalts möglich ist. Denn zulasten des Empfängers ist der Zugang als solcher nur bei schwerwiegenden Treuverstößen wie grundloser Annahmeverweigerung oder arglistiger Zugangsvereitelung zu fingieren. Schlichte Obliegenheitsverletzungen des Erklärungsempfängers werden hingegen nur mit einer Rechtzeitigkeitsfiktion sanktioniert, und auch dies grundsätzlich nur dann, wenn der Erklärende seinerseits den nachträglichen Zugang seiner Erklärung unverzüglich bewirkt (zum Vorstehenden: BGH, Urt. v. 11.07.2007, XII ZR 164/03, NJW-RR 2007, 1567, 1568, Rn. 21 f. – Unterschriften mitwirkender Richter).
Nach Versendung seines Schreibens vom 09.07.2017 ist der Beklagte laut seinem Vortrag zwischen dem 17.07. und dem 30.07.2017 urlaubsbedingt abwesend gewesen. Gegen einen schwerwiegenden Treueverstoß spricht, dass die etwaige Abreise nicht unmittelbar nach Versendung des Schreibens erfolgt ist. Außerdem hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie einen zweiten Zustellversuch unternommen hätte. Hinzu kommt, dass die Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung bei Gericht unter dem 24.07.2017 und damit sehr zeitnah erfolgt ist. - Die Zustellung des Antrags samt Abmahnung durch den Gerichtsvollzieher nach Erlass des Beschlusses der Kammer genügt nicht, denn die Abmahnung soll ein gerichtliches Verfahren vermeiden. Dieser Zweck konnte nach Erlass des Beschlusses nicht mehr erreicht werden.
- b)
Die erstattungsfähigen Kosten des Abschlussschreibens belaufen sich auf 1.171,67 EUR.
Es ist ein Gegenstandswert von 20.000 EUR heranzuziehen: Der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens belief sich auf 20.000 EUR für drei Äußerungen. Unter Berücksichtigung des Abschlags für den Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren ist im hiesigen Hauptsacheverfahren für zwei Äußerungen ein Gegenstandswert von 20.000 EUR anzusetzen. - Eine Geschäftsgebühr von 1,3 ist angemessen (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2015, I ZR 59/14, NJW 2015, 3244, 3246, Rn. 34). Eine Herabsetzung kommt bereits deswegen nicht in Betracht, da es sich hier um eine Angelegenheit mit Bezügen zum Patentrecht handelt. Eine Anrechnung findet derzeit nicht statt, ein Ausnahmefall nach § 15a Abs. 2 RVG ist nicht ersichtlich.
Die Umsatzsteuer ist anzusetzen, denn mit dem Abschlussschreiben hat die Klägerin dem Beklagten einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen und ihnen hiermit einen konkreten Vorteil verschafft hat, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führte (vgl. BFH, Urt. v. 21.12.2016, XI R 27/14, Juris-Rn. 27). Die zitierte BFH-Rechtsprechung ist ihrem Grundsatz nach nicht nur auf UWG-Ansprüche begrenzt.
Insgesamt belaufen sich die Kosten des Abschlussschreibens bei Ansatz eines Gegenstandswerts von 20.000 EUR sowie der Geschäftsgebühr von 1,3 zzgl. der Auslagenpauschale auf 1.171,67 EUR. - Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB.
- II.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO. - III.
Der Streitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.