Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. Januar 2010, Az. 4b O 199/09
I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf, Az. 4b O XXX/09 vom 12. Oktober 2009 wird aufgehoben. Der Antrag der Verfügungsklägerin vom 12. Oktober 2009 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verfügungsklägerin auferlegt.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 750.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Verfügungsklägerin, ein Unternehmen im Bereich der Getränkeindustrie, nimmt die Verfügungsbeklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 600 XXX (Verfügungspatent, Anlage Ast 2) auf Unterlassung in Anspruch. Die Verfügungklägerin ist eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents, das unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 02.12.1992 am 02.12.1993 angemeldet und dessen Erteilung am 04.06.1997 veröffentlicht wurde. Das Patent steht in Kraft. Es bezieht sich auf einen Standbeutel mit einer Einstichsöffnung.
Der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Patentanspruch 2 des Verfügungspatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, lautet wie folgt:
Getränkebehälter, insbesondere Getränkebeutel, aus Monomaterial oder mehrschichtigem Verbundmaterial, der mit einer Einstichsöffnung zum Einstechen eines Trinkhalmes versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Einstichsöffnung (2) durch alle Schichten (4, 5, 6) des Mono- oder Verbundmaterials (3) eingestanzt ist und an der Innenseite des Mono- oder Verbundmaterials (3) eine zusätzliche Verschlussfolie (11) um die Einstichsöffnung (2) angebracht ist, die durch die Einstichsöffnung (2) nach außen freigelegt ist, wobei die Verschlussfolie als „Flicken“ (11) auf die Einstichsöffnung (2) aufgeschweißt ist.
Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Verfügungspatentschrift stammen. Figur 4 zeigt schematisch die Verschlussfolie um das Einstichsloch an der Innenseite des Verbundmaterials nach einem Ausführungsbeispiel der Erfindung. Figur 2 zeigt einen Längsschnitt durch die vordere Beutelwand eines Getränkebeutels gemäß der Erfindung.
Die Verfügungsbeklagte bietet auf ihrer Internetseite A ein Getränk in Getränkebeuteln unter der Bezeichnung „B“ an. Derselbe Getränkebeutel wird auch unter der Bezeichnung „C“ angeboten. In der 41. Kalenderwoche erhielt die Verfügungsklägerin hiervon Kenntnis und ein Muster des angegriffenen Getränkebeutels der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), das sie als Anlage Ast 10 vorgelegt hat. Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsform sind als Anlage Ast 9 vorgelegt worden. Das nachfolgend abgebildete Lichtbild 3 der Anlage Ast 9 zeigt den gesamten angegriffenen Getränkebeutel; das Lichtbild 2 der Anlage Ast 9 zeigt die auf der Vorderseite des Getränkebeutels vorhandene Einstichsöffnung für den Trinkhalm, und zwar aus der Perspektive der Innenseite des Getränkebeutels.
Die Verfügungsbeklagte stellte die angegriffene Ausführungsform auf der Messe D in E aus, die vom 10.10. bis zum 14.10.2009 stattfand.
Auf den am 12.10.2009 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Kammer mit Beschluss vom selben Tage antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach der Verfügungsbeklagten untersagt worden ist,
Getränkebeutel aus mehrschichtigem Verbundmaterial, die mit einer Einstichsöffnung zum Einstechen eines Trinkhalms versehen sind,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen
– die Einstichsöffnung durch alle Schichten des Verbundmaterials eingestanzt ist,
– an der Innenseite des Verbundmaterials eine zusätzliche Verschlussfolie um die Einstichsöffnung angebracht ist,
– die zusätzliche Verschlussfolie durch die Einstichsöffnung nach außen freigelegt ist,
– die Verschlussfolie als „Flicken“ auf die Einstichsöffnung aufgeschweißt ist.
Mit Schriftsatz vom 15.10.2009, eingegangen bei Gericht am selben Tage, hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Sie ist der Ansicht, Patentanspruch 2 des Verfügungspatents sei nicht rechtsbeständig, und deshalb fehle der Verfügungsgrund. Die in Patentanspruch 2 beschriebene Lehre sei neuheitsschädlich durch die GM 7518XXX (Anlage B 1) und DE 3422XXX (Anlage B 2) vorweg genommen. Unter anderem gestützt auf diese Entgegenhaltungen hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 03.12.2009 beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent erhoben (Anlage B 3).
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, das Verfügungspatent sei rechtsbeständig und wortsinngemäß verletzt.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 12.10.2009 aufrecht zu erhalten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
wie erkannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 12.10.2009 ist statthaft nach §§ 924 Abs. 1, 936 ZPO und auch im Übrigen zulässig. Auf den Widerspruch ist die einstweilige Verfügung aufzuheben, weil es an einem Verfügungsgrund fehlt.
I.
Die Verfügungsklägerin kann den ihr zustehenden Unterlassungsanspruch nicht im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen. Die Regelung ist nicht dringlich. Das vorläufige Verbot des Vertriebs (und der darauf abzielenden Vorbereitungshandlungen) der angegriffenen Ausführungsform erscheint zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin nicht notwendig (§§ 935, 940 ZPO). Bei der hierzu vorzunehmenden Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen hat das Interesse der Verfügungsbeklagten, den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren fortsetzen zu können, Vorrang gegenüber dem Interesse der Verfügungsklägerin als Schutzrechtsinhaberin. Denn die Verfügungsbeklagte hat durchgreifende Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents glaubhaft gemacht.
1.
Für den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung muss die Rechtsbeständigkeit des Verfügungsschutzrechtes hinlänglich gesichert sein. Zweifel an der grundsätzlich zu respektierenden Schutzfähigkeit des Verfügungspatentes können das Vorliegen eines Verfügungsgrundes anerkanntermaßen ausschließen; sie spielen eine wesentliche Rolle im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.08.2009, I-2U 87/08; GRUR 1983, 79, 80 – AHF-Konzentrat; Mitt 1996, 87, 88 – Captopril; InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; OLG Karlsruhe, GRUR 1988, 900 – Dutralene; OLG Hamburg, GRUR 1984, 1005 – Früchteschneidemesser).
Auch wenn es keine festen Anforderungen an die Rechtsbeständigkeit gibt, kann sie (OLG Düsseldorf, a.a.O. – Olanzapin) im Allgemeinen nur dann als ausreichend gesichert angesehen werden, wenn die Patentfähigkeit des Verfügungsschutzrechtes bereits in einem kontradiktorischen Verfahren zumindest durch eine erstinstanzliche Entscheidung anerkannt worden ist, oder aber – unabhängig davon – der Bestand des Verfügungspatents bereits jetzt so eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beantworten ist, dass eine fehlerhafte Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten, zumindest aber unwahrscheinlich ist. In diesem Zusammenhang kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein etwaiger Hauptsacheprozess in erster Instanz auszusetzen wäre (OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.05.2009 – I-2 U 140/08). Zwar ist ein Verfügungsgrund in aller Regel zu verneinen, wenn der in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren entgegengehaltene Stand der Technik beim Verletzungsgericht so starke Zweifel an der Schutzfähigkeit hat aufkommen lassen, dass in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren die Verhandlung im Verletzungsrechtsstreit nach § 148 ZPO ausgesetzt werden müsste, um die Entscheidung über den gegen das Antragsschutzrecht eingelegten Rechtsbehelf abzuwarten. Wenn der Schutzrechtsinhaber mittels Klage keine Titulierung eines Unterlassungsanspruchs erreichen kann, kann auch kein überwiegendes Interesse an einem dahingehenden vorläufigen sichernden Ausspruch gegeben sein. Da infolge des Eilcharakters eine Aussetzung des Verfügungsverfahrens nicht in Betracht kommt, ist in dieser Situation der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 7, 147, 148 – Kleinleistungsschalter). Das bedeutet aber nicht, dass im Verfügungsverfahren zu prüfen ist, ob ein etwaiger Hauptsacheprozess in erster Instanz nach den dort geltenden Grundsätzen gemäß § 148 ZPO auszusetzen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob jetzt eine Situation gegeben ist, in der der Rechtsbestand des Verfügungspatents derart gesichert ist, dass ein in der erforderlichen Rechtssicherheit ausgesprochenes, die Hauptsache praktisch vorwegnehmendes Vertriebsverbot ausgesprochen werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.05.2009 – I-2 U 140/08). Voraussetzung hierfür ist, dass das Verletzungsgericht die technische Lehre des Verfügungspatents und den entgegengehaltenen Stand der Technik im Hinblick auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Verfügungspatents hinreichend sicher beurteilen kann, sei es, weil es sich um eine verhältnismäßig einfache, überschaubare Technik handelt, sei es, weil das Gericht hierzu aufgrund entsprechender Erläuterungen des Antragstellers, ggf. auch durch Vorlage von Privatgutachten, in die Lage versetzt wird. Dabei liegt die Darlegungslast für die Frage des hinreichend gesicherten Rechtsbestandes beim jeweiligen Verfügungskläger. Diese Grundsätze finden auch auf den vorliegenden Fall Anwendung.
Nach dem hier maßgeblichen Sach- und Streitstand am Schluss der mündlichen Verhandlung ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht in der vorbeschriebenen Weise gesichert. Die Zweifel hinsichtlich der Rechtsbeständigkeit gründen sich darauf, dass die Entgegenhaltung B 1 sämtliche Merkmale der technischen Lehre des Anspruchs 2 des Verfügungspatents in neuheitsschädlicher Weise vorwegnehmen dürfte.
2.
Das Verfügungspatent schützt im Patentanspruch 2 einen Standbeutel mit einer Einstichsöffnung. Bei derartigen Getränkebehältern aus Monomaterial oder Verbundmaterial, die über eine Einstichsöffnung für Trinkhalme verfügen, besteht – so das Verfügungspatent – das vorrangigste Problem darin, eine leichte Öffnung des Beutels durch den Trinkhalm zu ermöglichen. Wenn die Behältnisse heißsteril abgefüllt werden, ergeben sich Probleme beim Einstechen des Trinkhalms, weil sich beim Abfüllen im Kopfraum des Behältnisses Wasserdampf befindet, der beim Abkühlen kondensiert. Es besteht die Gefahr, dass diese im Kopfraum vorhandene Flüssigkeit unkontrolliert austritt, wenn der Trinkhalm eingestochen wird. Ein weiteres Problem besteht darin, dass der Getränkebeutel sehr flexibel und flach ist, so dass die Gefahr besteht, dass bei unvorsichtigem Einstechen auch die Rückseite des Getränkebehälters durchstochen wird.
Aus der AT 36 59 97 (Anlage Ast 5) ist bekannt, an einem Getränkebehältnis aus mehrschichtigem Verbundmaterial eine Vorlochung vorzusehen, die bis zu der Innenschicht durchgeht. Diese lediglich noch durch die Innenschicht bedeckte Verlochung wird dann abgedeckt durch einen von außen angebrachten, mehrschichtigen Verschlussstreifen, der im Bereich der Verlochung mit der Innenschicht des Behälters verschweißt ist. Wenn der Verschlussstreifen entfernt wird, reißt dadurch die Innenschicht mit auf, so dass der Trinkhalm einfach eingeführt werden kann. Das Verfügungspatent kritisiert an diesem Stand der Technik jedoch, dass diese Lösung unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes Schwierigkeiten mit sich bringt, weil die Verbraucher den Verschlussstreifen nicht ordnungsgemäß entsorgen.
Das Verfügungspatent würdigt darüber hinaus die DE 10 99 445 (Anlage Ast 6). Dort ist ein tetraederförmiger Verpackungsbehälter offenbart mit einer Öffnung zum Durchstoßen mittels eines Strohhalms. Die Verpackung besteht aus einer äußeren Trägerschicht und einer inneren Kunststoffschicht. Im Bereich der Öffnung weist die Trägerschicht eine Ausnehmung auf, so dass der Trinkhalm lediglich die Kunststoffschicht durchstoßen muss.
Dem Verfügungspatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, einen Getränkebehälter zu schaffen, der ein leichtes Einstechen eines Trinkhalmes ermöglicht und gleichzeitig unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes vertretbar ist.
Dies soll durch den Patentanspruch 2 erreicht werden, der folgende Merkmale aufweist:
1. Getränkebehälter
1.1 insbesondere ein Getränkebeutel;
1.2 der Getränkebeutel besteht aus Monomaterial oder mehrschichtigem Verbundmaterial;
1.3 der Getränkebeutel ist mit einer Einstichsöffnung zum Einstechen eines Trinkhalms versehen;
1.4 die Einstichsöffnung ist durch alle Schichten des Mono- oder Verbundmaterials eingestanzt;
1.5 an der Innenseite des Verbundmaterials ist eine zusätzliche Verschlussfolie um die Einstichsöffnung angebracht;
1.5.1 die zusätzliche Verschlussfolie ist durch die Einstichsöffnung nach außen freigelegt;
1.5.2 die Verschlussfolie ist als „Flicken“ auf die Einstichsöffnung aufgeschweißt.
3.
Angesichts der Entgegenhaltung B 1 hat die Kammer Zweifel an der Neuheit der in Patentanspruch 2 des Verfügungspatents offenbarten Lehre. Diese Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents sind vorliegend auch bei der Abwägung der Interessen der Parteien zu berücksichtigen. Denn mit Schriftsatz vom 03.12.2009 hat die Verfügungsbeklagte beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent erhoben (Anlage B 3). Die im terminsvorbereitenden Beschluss der Kammer vom 02.12.2009 angesprochene Frage, ob es der Verfügungsbeklagten entsprechend den vom Oberlandesgericht Düsseldorf entwickelten Grundsätzen in der Entscheidung „Kleinleistungsschalter“ (a.a.O.) zumutbar war, bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung bereits Nichtigkeitsklage zu erheben, stellt sich daher nicht mehr.
a)
Die B 1 offenbart einen Beutel mit einer Entnahmeöffnung. Wie der in Figur 4 der B 1 gezeigte Querschnitt durch die vordere Beutelwand (Figur 4, linke Abbildung) zeigt, ist in die vordere Beutelwandung 1 eine durchgehende Entnahmeöffnung 3 eingestanzt.
Von innen ist diese Entnahmeöffnung verschlossen durch den Abdeckstreifen 2, der, wenn die Flüssigkeit entnommen werden soll, mit dem Trinkhalm durchstochen wird. Wie der Abdeckstreifen im Inneren der Beutelwandung angebracht ist, zeigt beispielhaft die Figur 1: er erstreckt sich in diesem Ausführungsbeispiel über die gesamte Breite des Behälters.
b)
Die Parteien streiten – zu Recht – nicht darüber, dass in der B 1 die Merkmale 1 bis 1.5.1 offenbart sind. Nach Ansicht der Kammer spricht allerdings viel dafür, dass auch das Merkmal 1.5.2 in der B 1 offenbart ist, so dass die Entgegenhaltung insgesamt neuheitsschädlich wäre.
Nach Merkmal 1.5.2 muss die Verschlussfolie als „Flicken“ auf die Einstichsöffnung aufgeschweißt sein.
aa)
Zunächst ist festzustellen, dass das Verfügungspatent unter einem Flicken eine lediglich um die Einstichsöffnung herum angeschweißte, zusätzliche Folie versteht, die diese Einstichsöffnung abdichtet.
Dies ergibt sich aus einer Betrachtung des Wortsinns unter Berücksichtigung der Funktion dieses Merkmals. Vom Wortsinn her bezeichnet ein Flicken ein räumlich begrenztes flaches Stück Material, das auf einer bestimmten Stelle eines Ausgangsmaterials aufgebracht werden kann.
Zur Funktion der Verschlussfolie allgemein führt das Verfügungspatent zunächst aus, dass diese die Einstichsöffnung abdichten soll (Anlage Ast 2, Spalte 2, Zeilen 4 – 7 und Zeilen 15 – 17). Entscheidend ist – so das Verfügungspatent -, dass um die Einstichsöffnung herum ein dichter Abschluss entsteht. In der Merkmalsgruppe 1.5 wird nun näher angegeben, welche Ausmaße diese Verschlussfolie haben soll. Zunächst wird durch das Merkmal 1.5, das eine „zusätzliche Verschlussfolie“ fordert, klargestellt, dass diese Schicht, die mit dem Trinkhalm durchstochen werden soll, nicht eine Schicht des als Verbundmaterial ausgestalteten Vorderwand sein soll, sondern dass im Bereich der Einstichsöffnung eine zusätzliche Schicht aufgebracht werden soll. Hierdurch grenzt sich das Verfügungspatent von der gewürdigten DE-A-10 99 445 ab, bei der mit dem Trinkhalm die letzte Schicht des Laminats durchstoßen wird.
Wenn das Merkmal 1.5.2 nun weiter vorgibt, dass die Verschlussfolie als Flicken ausgestaltet sein soll, dann wird der Fachmann dies im Zusammenhang mit dem Patentanspruch 1 betrachten. Patentanspruch 2, der als unabhängiger Nebenanspruch ausgestaltet ist, unterscheidet sich nämlich lediglich in der Vorgabe, wie die Verschlussfolie konkret aussehen soll, von Patentanspruch 1. Während nach Patentanspruch 1 die Verschlussfolie an zwei Schweißstellen befestigt werden soll, nämlich zum einen um die Einstichsöffnung herum und zum anderen an den Seitennähten des Behälters, soll die Verschlussfolie nach Patentanspruch 2 als Flicken ausgestaltet sein. Daraus schließt der Fachmann, dass die als Flicken ausgestaltete Verschlussfolie kleiner sein soll als die in Patentanspruch 1 genannte: sie soll eben nur um die Einstichsöffnung herum angeschweißt sein, also nur an einer Schweißstelle, und nicht bis hin zu den Seitennähten reichen.
bb)
Eine solche Ausgestaltung der Verschlussfolie offenbart nach Ansicht der Kammer auch die B 1. Zwar ist der Hinweis der Verfügungsklägerin zutreffend, dass der Abdeckstreifen 2 in sämtlichen in den Figuren dargestellten Ausführungsbeispielen als ein Streifen dargestellt ist, der sich über die gesamte Breite des Getränkebeutels erstreckt. Allerdings lässt sich dem Patentanspruch 1 der B 1 eine Einschränkung dahingehend, dass der Abdeckstreifen bis hin zu den Seitennähten reichen muss, nicht entnehmen. Vielmehr heißt es hierzu im Anspruch 1 nur, dass es einen Streifen geben soll, der die Entnahmeöffnung abdecken soll, und der im Bereich der Entnahmeöffnung im Inneren der Beutelwandung aufgesiegelt angebracht sein soll. Diese Formulierung offenbart ohne weiteres auch eine Ausgestaltung, bei der der Abdeckstreifen lediglich um die Öffnung herum angeschweißt ist und auch nicht maßgeblich darüber hinaus zu den Seiten reicht. Denn eine Vorgabe dazu, an wie vielen Schweißpunkten der Abdeckstreifen angeschweißt sein muss, macht Patentanspruch 1 nicht.
Ein einschränkendes Verständnis in dem Sinne, dass nur eine Ausgestaltung wie in den Figuren wiedergegeben offenbart sein soll, lässt sich – entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin – auch nicht der Beschreibung der B 1 entnehmen. Die B 1 kritisiert aus dem gewürdigten Stand der Technik eine Ausgestaltung, bei der die Entnahmeöffnung durch sämtliche Schichten des Verbundmaterial der Beutelwand eingestanzt ist und dann von außen von einem Klebestreifen oder einem aufgesiegelten Streifen verschlossen wird (B 1, Seite 4, 2. Absatz). Das Problem an dieser Ausgestaltung besteht nach der B 1 darin, dass hier die abgefüllte Flüssigkeit direkt mit der Stanzstelle in Berührung kommt. Dies kann zu einem Angriff auf das Laminat der Beutelwand führen. Denn zum einen kann der Klebstoff angegriffen werden, der die verschiedenen Schichten des Verbundmaterials miteinander verbindet, und zum anderen können etwaige Metallschichten mit der Flüssigkeit reagieren. Dadurch kann es zu einer Delaminierung, das heißt zu einer Zerstörung des Laminats des Beutels, kommen. Dieses Problem umgeht die B 1 aber dadurch, dass sie die Einstanzung der Entnahmeöffnung durch den Abdeckstreifen von innen abdeckt. Auf diese Weise kann keine Flüssigkeit an „offen liegende“ Stellen des Laminats gelangen. Anders als die Verfügungsklägerin meint, erörtert die B 1 dagegen nicht das Problem, dass Klebstoff, der den Abdeckstreifen mit der inneren Beutelwandung verbindet, von der Flüssigkeit angegriffen werden könnte (– was den Fachmann auf die Idee bringen könnte, möglichst wenig „Angriffsfläche“ für die Flüssigkeit zu bieten, indem er den Abdeckstreifen bis zur Seitennaht hinführt). Hiervon ist in der angegebenen Textstelle Seite 4 im zweiten Absatz nicht die Rede, abgesehen davon, dass auch ein großflächiger Abdeckstreifen an seinen Klebekanten von Flüssigkeit angegriffen werden kann. Darüber hinaus kommt der Fachmann aber auch deshalb nicht auf den Gedanken, hierin ein Problem zu sehen, das durch spezielle Vorkehrungen verhindert werden müsste, weil der Abdeckstreifen nach der B 1 gar nicht auf die Beutelinnenwand aufgeklebt ist, sondern vielmehr aufgesiegelt, was nach dem übereinstimmenen Verständnis der Parteien gleichbedeutend ist mit „aufgeschweißt“.
Auch die von der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2009 neu vorgetragene Argumentation gegen eine Offenbarung des Merkmals 1.5.2 in der B 1 hat die Kammer nicht überzeugt. Die Verfügungklägerin hat insoweit ausgeführt, wenn im Anspruch 1 der B 1 von einem „Abdeckstreifen“ die Rede sei, dann werde der Fachmann bereits aufgrund der Verwendung des Begriffs „Streifen“ davon ausgehen, dass es sich um ein Materialstück handelt, das bis zu den Seitennähten heranzuführen ist. Hintergrund für dieses Verständnis des Fachmanns sei, dass Getränkebeutel so hergestellt würden, dass die Vorder- und die Rückseite des Beutels zusammengeführt und dann an den Seitennähten miteinander verschweißt würden. Sei nun ein Verschlussstreifen dazwischen vorgesehen, so werde der Fachmann diesen schlicht als ein drittes Band zwischen die Vorder- und die Rückseite setzen, welches dann zusammen mit den beiden Wänden an den Seiten verschweißt würde. Davon, dass ein solcher „Streifen“ kleiner sein könne, also nicht bis zu den Seitennähten reichen würde, werde der Fachmann deshalb nicht ausgehen.
Der Verfügungsklägerin ist zuzugeben, dass sich der Fachmann unter dem Begriff „Streifen“ eine bestimmte geometrische Form, nämlich ein längliches Materialstück vorstellen mag. Dass aber zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatents Streifen stets mit den Seitennähten des Getränkebeutels verschweißt wurden, hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht. Im Gegenteil: die im Verfügungspatent gewürdigte Entgegenhaltung AT 365 XXX (Anlage Ast 5) zeigt, dass ein Verschlussstreifen auch punktuell auf einem Laminat aufgeschweißt werden konnte. Dass allein dieses Herstellungsverfahren in Betracht kommt, ist auch weder im Verfügungspatent noch in der Entgegenhaltung B 1 beschrieben. Daher spricht nichts dagegen, dass sich der Fachmann unter einem Streifen gemäß Patentanspruch 1 der B 1 auch ein kürzeres Materialstück vorstellt, das nur im Bereich der Entnahmeöffnung angeschweißt ist.
4.
Auf den Inhalt der Entgegenhaltung B 2 kommt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht mehr an.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.