Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2802
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. September 2018, Az. 4a O 8/18
- Die einstweilige Verfügung vom 19.02.2018 wird im Kostenpunkt (Ziff. III.) aufgehoben.
- Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.
- Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Tatbestand
- Die Parteien sind Züchter verschiedener Pflanzensorten, unter anderem auch sog. Besenheide (bot. Calluna vulgaris (L.) Hull).
- Mit Schreiben vom 27.11.2017 (Anlage Ast8) teilte der Verfügungsbeklagte Herrn A, einem Lizenznehmer des Verfügungsklägers, mit, dass es sich bei zwei von Herrn A kultivierten Sorten aus dem B-Sortiment des Verfügungsklägers um Ableitungen von der für den Verfügungsbeklagten geschützten Sorte „Amethyst“ handele. Daraus folge, so heißt es in dem Schreiben des Verfügungsbeklagten weiter, dass Herr A die Sorten ohne einen Vertrag mit ihm, dem Verfügungsbeklagten, nicht kultivieren dürfe.
- Der Verfügungskläger behauptet, er habe das als Anlage Ast21 vorgelegte Abmahnschreiben vom 20.12.2017 an den Verfügungsbeklagten übersandt, und ihn aufgefordert im Hinblick auf die unberechtigte Verwarnung des Herrn A eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dieser habe jedoch trotz Zugang des Schreibens nicht reagiert und so Anlass zur gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gegeben.
- Auf einen Antrag vom 12.02.2018 hat der Verfügungskläger am 19.02.2018 eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten mit folgendem Inhalt erwirkt:
- I. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen der besonderen Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung – untersagt,
- 1)
an Lizenznehmer des Antragstellers mit der Aussage heranzutreten, es bestehe eine „bestechende Ähnlichkeit der […] roten Sorten der B mit den [Besenheidesorten] „Aphrodite“ und „Athene“, dabei zugleich darauf hinzuweisen, dass die letztgenannten Sorten „zusätzlich eigenständig geschützt“ seien und in diesem Zusammenhang zu äußern, dass es ohne einen entsprechenden Vertrag mit dem Antragsgegner nicht gestattet sei, die roten B-Sorten zu kultivieren, und dass man sich nicht mehr auf einen Vertrag mit dem Antragsteller stützen könne; - und/oder
- 2)
an Lizenznehmer des Antragssteller mit der Aussage heranzutreten, es sei aufgrund von einer Untersuchung in einem Fachinstitut „sicher festgestellt“, dass es sich bei den roten Sorten der Serie B „um Ableitungen (=Mutanten) der [zugunsten des Antragsgegners] geschützten Sorte „Amethyst““ handele, und in diesem Zusammenhang zu äußern, dass es ohne einen entsprechenden Vertrag mit dem Antragsgegner nicht gestattet sei, die roten B-Sorten zu kultivieren, und dass man sich nicht mehr auf einen Vertrag mit dem Antragsteller stützen könne; - und zwar wenn diese Äußerungen wie nachfolgend wiedergegeben gemacht werden:
- II. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren angedroht.
- III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
- IV. Bei Zustellung sollen diesem Beschluss beglaubigte Abschriften der Antragsschrift nebst Anlagen beigefügt werden.
- V. Der Streitwert wird auf 20.000,– EUR festgesetzt.
- Gegen die ihm am 02.03.2018 im Parteiweg zugestellte einstweilige Verfügung hat der Verfügungsbeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz einen auf den Kostenausspruch beschränkten Widerspruch eingelegt, und die einstweilige Verfügung mit Schreiben vom 12.03.2018 (Anlage zum Schriftsatz vom 15.03.2018) im Übrigen anerkannt.
- Die Parteien haben keine ausdrücklichen Anträge gestellt.
- Der Verfügungsbeklagte behauptet, sie habe ein Abmahnschreiben des Verfügungsklägers nicht erhalten.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Urkunden und Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- I.
Die Parteien haben keine ausdrücklichen Anträge gestellt. Gem. § 308 Abs. 2 ZPO hat das Gericht jedoch auch ohne Antrag über die Verpflichtung, wer die Prozesskosten zu tragen hat, zu entscheiden. Des weiteren lässt sich dem Parteivorbringen bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB analog) entnehmen, dass die Parteien die wechselseitige Kostentragung begehren. - II.
Der zulässige, auf die Kosten beschränkte Widerspruch des Verfügungsbeklagten hat in der Sache Erfolg. Bei Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens trifft die Kostentragungspflicht den Verfügungskläger. - Gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO trägt grundsätzlich die unterliegende Partei, hier mithin der Verfügungsbeklagte, die Kosten des Rechtsstreits. Vorliegend ist jedoch gem. § 93 ZPO ausnahmsweise die Verfügungsklägerin verpflichtet, die Kosten zu tragen.
- Nach § 93 ZPO fallen dem Verfügungskläger die Prozess- bzw. Verfahrenskosten in Abweichung zu dem Grundsatz nach § 91 ZPO dann zur Last, wenn der Verfügungsbeklagte den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Stellung des Verfügungsantrags Veranlassung gegeben hat (vgl. LG Hamburg, NJOZ 2009, 4786 (4787)).
- Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
- 1.
Ein – gesetzlich nicht geregelter, aber anerkannter – Kostenwiderspruch gibt dem Antragsgegner die Möglichkeit, nur gegen die im Beschluss des einstweiligen Verfügungsverfahrens vorgesehene Kostenentscheidung vorzugehen. Der Kostenwiderspruch wirkt vor diesem Hintergrund wie ein förmliches Anerkenntnis in der Sache, weil die Beschlussverfügung durch diesen zu einer endgültigen Regelung in der Hauptsache erstarkt (LG Düsseldorf, Urt. v. 03.12.2014, Az.: 12 O 321/14, Seite 6). Es ist zwar nicht durch Anerkenntnisurteil zu entscheiden (vgl. BGH, NJW 2013, 3104 (3105)). In Anbetracht der gleichen Wirkungen eines Kostenwiderspruchs ist es gleichwohl folgerichtig, wie beim Anerkenntnisurteil für die Kostentragung von dem in § 91 ZPO geregelten Grundsatz auszugehen, es sei denn die Ausnahmeregelung des § 93 ZPO greift ein (Spätgens, in: Gloy/ Loschelder/ Erdmann, Wettbewerbsrecht, 4. Auflage, 2012, § 105, Rn. 11). - 2.
Der Verfügungsbeklagte hat keinen Anlass gegeben, einen auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag gerichtlich anhängig zu machen. - Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist dann veranlasst, wenn Tatsachen vorliegen, die im Verfügungskläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen mussten, er werde ohne Klage bzw. Antragstellung nicht zu seinem Recht kommen (Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 139, Rn. 163). Dabei kommt es auf das Verhalten des Verfügungsbeklagten vor dem Prozess an (BGH, NJW 1979, 2040 (2041)). Orientiert an diesem Maßstab entgeht der Verfügungskläger der Kostentragungspflicht nach § 93 ZPO grundsätzlich nur dann und veranlasst der Verfügungsbeklagte die Antragstellung regelmäßig nur dann, wenn er dem Begehren des Verfügungsklägers auf dessen vorgerichtliche Abmahnung hin keine Folge leistet (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 10. Auflage, 2018, Kap. G., Rn. 175). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich war. Dies ist dann der Fall, wenn eine vorherige Abmahnung aus der Sicht des Verfügungsklägers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er abmahnt oder nicht, bei Anlegung eines objektiven Maßstabes unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08.2002, Az.: 2 W 10/02, Rn. 3 – Turbolader II, zitiert nach juris).
- Vorliegend ist davon auszugehen, dass dem Verfügungsbeklagten eine Abmahnung des Verfügungsklägers, insbesondere das Schreiben vom 20.12.2017, nicht zugegangen ist. Daraus folgt, dass in der ausgebliebenen Reaktion des Verfügungsbeklagten auf das Abmahnschreiben eine Veranlassung zur Klageerhebung nicht gesehen werden kann.
- Die Beweislast für die fehlende Klageveranlassung trifft nach allgemeinen Beweislastregeln den Verfügungsbeklagten, der sich auf den ihn begünstigenden Ausnahmetatbestand des § 93 ZPO beruft (BGH, GRUR 2007, 629 (630) – Zugang des Abmahnschreibens, Rüting, in: Cepl/ Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, 2018, § 93 ZPO, Rn. 23; Herget, in: Zöller, ZPO, kommentar, 32. Auflage, 2018, § 93, Rn. 6, Stichwort „Beweislast“). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von dem Verfügungsbeklagten darzulegenden und zu beweisenden Umstand um eine negative Tatsache handelt. Der Verfügungsbeklagte kann sich deshalb zunächst auf die schlichte Behauptung der negativen Tatsache, das Abmahnschreiben sei ihm nicht zugegangen, beschränken. Den Verfügungskläger trifft dann eine sekundäre Darlegungslast, dem einfachen Bestreiten mit eigenem qualifizierten Vortrag zu begegnen (BGH, a.a.O.). Auf den Zugang der Abmahnung bezogen bedeutet dies, dass der Verfügungskläger gehalten ist, die genauen Umstände der Absendung vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen (BGH, a.a.O.). Steht fest, dass die Abmahnung als Brief abgesandt worden ist, obliegt es wiederum dem Verfügungsbeklagten die Tatsache, dass ihm das Abmahnschreiben nicht zugegangen ist – etwa durch Zeugen in Gestalt von Büromitarbeitern – zu beweisen (BGH, a.a.O.).
- Nach dieser Maßgabe vermag die Kammer vorliegend auf der Grundlage des Vorbringens des Verfügungsklägers nicht davon auszugehen, dass das Abmahnschreiben vom 20.12.2017 an den Verfügungsbeklagten versendet worden ist.
- Der Verfügungskläger trägt lediglich pauschal vor, das Abmahnschreiben sei von seinem früheren anwaltlichen Berater unterzeichnet und in den Postlauf gegeben worden. Ob und wann das Schreiben die Kanzleiräume tatsächlich verlassen hat, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen. Unbeschadet dessen fehlt es auch an einer Glaubhaftmachung der Absendung, zu der der Verfügungskläger nach dessen eigenem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 11.04.2018 auch nicht in der Lage ist.
- Schließlich sind auch keine Umstände erkennbar oder vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass eine Abmahnung des Verfügungsbeklagten ausnahmsweise entbehrlich gewesen ist.
- III.
Die Kostenentscheidung beinhaltet insbesondere auch eine Entscheidung über die weiteren, durch den Widerspruch angefallenen Kosten. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 6, 2. Alt., § 711 Satz 1, 2 ZPO.