4b O 185/09 – Run-Flat-Vorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1551

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. 4b O 185/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 134/10

I. 1. Die Beklagten zu 3) und zu 4) werden hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform B verurteilt,

a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren und im Fall der Beklagten zu 3) zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter der Beklagten,

zu unterlassen,

Run-Flat-Vorrichtungen zum Anpassen an den Außenumfang eines Rads innerhalb eines aufpumpbaren Reifens, wobei die Vorrichtung eine Ringwulst umfasst, die aus mehreren gebogenen Segmenten zusammengesetzt ist, die an jedem Ende einen Flansch aufweisen, der sich in Umfangsrichtung mit den entsprechenden Flanschen angrenzender Segmente überlappt, wobei die Flansche durch um den Ring äquidistante Klemmmittel miteinander verbunden sind, die auf jedes Segment eine Klemmkraft in Umfangsrichtung sowie eine axiale Klemmkraft ausüben, um die Segmente in Umfangsrichtung und axial aufeinander zu zu drängen, wobei die Klemmmittel einen ersten und einen zweiten Klemmbolzen umfassen, die durch ein Paar beabstandete Bohrungen verlaufen, die in den angrenzenden Flanschen gebildet sind,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die eine Halteplatte mit zwei daran angebrachten Käfigmuttern umfassen;

b) der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend zu Ziffer I.1) bezeichneten Handlungen seit dem 16. Mai 2008 begangen haben, und zwar unter Angabe

(1) der Herstellungsmengen und –zeiten,

(2) der einzelnen Liefermengen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

(3) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

(4) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

(5) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei,

die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu Ziffer (2) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten übernehmen und ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

c) die vorstehend zu Ziffer I.1) bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des Klagepatents EP 1 539 XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbereit wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendekosten für die Rückgabe zugesagt wird.

2. Die Beklagte zu 3) wird weiter verurteilt,

die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1) bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an eine von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 3) und zu 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I.1) bezeichneten, seit dem 16. Mai 2008 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftighin noch entstehen wird.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und zu 2) trägt die Klägerin ganz sowie diejenigen der Beklagten zu 3) und zu 4) zu ½. Die Gerichtskosten trägt die Klägerin zu ¾. Die Beklagten zu 3) und zu 4) tragen die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie die Gerichtskosten jeweils zu ¼ als Gesamtschuldner.

III. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000 € und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 500.000,000 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist Inhaberin des Europäischen Patents 1 539 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent), wobei in der DE 693 20 XXX T2 eine deutsche Übersetzung zu finden ist. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 16. Juni 2003 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung durch das EPA erfolgte am 15. Juni 2005. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 16. April 2008 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.

Das Klagepatent betrifft eine Run-Flat-Vorrichtung.

Die Klägerin stützt ihre Klage auf den Patentanspruch 1 des Klagepatents, der in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut hat:

„Run-Flat-Vorrichtung (13) zum Anpassen an den Außenumfang eines Rads (11) innerhalb eines aufpumbaren Reifens, wobei die Vorrichtung (13) eine Ringwulst (14) umfasst , die aus mehreren gebogenen Segmenten (15) zusammengesetzt ist, die an jedem Ende einen Flansch aufweisen, der sich in Umfangsrichtung mit den entsprechenden Flanschen (26, 27) angrenzender Segmente überlappt, wobei die Flansche durch um den Ring (14) äquidistante Klemmmittel (23) miteinander verbunden sind (20, 21), die auf jedes Segment (15) eine Klemmkraft in Umfangsrichtung sowie eine axiale Klemmkraft ausüben, um die Segmente (15) in Umfangsrichtung und axial aufeinander zu zu drängen, wobei die Klemmmittel einen ersten und einen zweiten Klemmbolzen ( 23a, 23b) umfassen, die durch ein Paar beabstandeter Bohrungen verlaufen, die in den angrenzenden Flanschen gebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass sie ferner eine Halteplatte (36) mit zwei daran angebrachten Käfigmuttern (35) umfasst.“
(Patentanspruch 1)

Die nachfolgenden Abbildungen stammen aus dem Klagepatent. Sie zeigen in Figur 3 eine schematische perspektivische Ansicht der Run-Flat-Vorrichtung. Figur 4 stellt eine Querschnittsansicht durch die Enden zweier angrenzender Segmente der Run-Flat-Vorrichtung dar und zeigt die Klemmmittel.

Die Beklagte zu 1) stellte auf der Messe A, einer Messe für Sicherheitseinrichtungen, vom XX bis XX in B Run-Flat-Vorrichtungen der Beklagten zu 3) aus. Der Beklagte zu 2) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1); er händigte einem Mitarbeiter der Klägerin eine Broschüre (Anlage K 6) auf der Messe aus. Der Beklagte zu 4) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 3).
Die Beklagte zu 3) produziert zwei verschiedene Run-Flat-Vorrichtungen. Bei der einen handelt es sich um die in Anlage K4 links dargestellte „Run-Flat-Vorrichtung“ (im Folgenden: „angegriffene Ausführungsform A“). Die in der Anlage K4 rechts abgelichtete Vorrichtung wird im Folgenden als „angegriffene Ausführungsform B“ bezeichnet.

Im Folgenden wird die Anlage K4, welche Fotos von oben erwähnten Ausstellung in B enthält, zur Veranschaulichung eingeblendet:

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte zu 1) die angegriffenen Ausführungsformen auch in Deutschland vertreibe. Bei der Messe in B, auf der die angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagte zu 1) unstreitig ausgestellt wurden, handele es sich um eine internationale Messe mit internationalem und daher auch deutschem Publikum. Allein aus dem Grund bestehe schon ein hinreichender Inlandsbezug. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform A das Klagepatent in äquivalenter Weise verletze. Die im Patentanspruch 1 vorgesehene Halteplatte mit zwei daran angebrachten Käfigmuttern werde bei der angegriffenen Ausführungsform A durch Muttern ersetzt, die mit einem plattenförmig ausgestalteten Bauteil mit Gewindebohrung versehen seien, die im Überlappungsbereich nach Eingießen des Kunststoffmaterials miteinander verbunden seien, sodass auf eine direkte Verbindung verzichtet werden könne. Dagegen liege bei der angegriffenen Ausführungsform B eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents vor. Hilfsweise macht sie insoweit eine äquivalente Verletzung geltend. Es sei für die Frage der Verletzung irrelevant, dass die Halteplatte selbst mit zwei Gewindebohrungen ausgestattet sei und daher keine externe Käfigmuttern verwendet würden.

Nachdem die Klägerin den Antrag zu Ziffer I.3, soweit ursprünglich auch gegen die Beklagten zu 2) und 4) gerichtet, mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, beantragt die Klägerin nunmehr,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren und im Fall der Beklagten zu 1) und 3) zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten,

zu unterlassen,

Run-Flat-Vorrichtungen zum Anpassen an den Außenumfang eines Rads innerhalb eines aufpumpbaren Reifens, wobei die Vorrichtung eine Ringwulst umfasst, die aus mehreren gebogenen Segmenten zusammengesetzt ist, die an jedem Ende einen Flansch aufweisen, der sich in Umfangsrichtung mit den entsprechenden Flanschen angrenzender Segmente überlappt, wobei die Flansche durch um den Ring äquidistante Klemmmittel miteinander verbunden sind, die auf jedes Segment eine Klemmkraft in Umfangsrichtung sowie eine axiale Klemmkraft ausüben, um die Segmente in Umfangsrichtung und axial aufeinander zu zu drängen, wobei die Klemmmittel einen ersten und einen zweiten Klemmbolzen umfassen, die durch ein Paar beabstandete Bohrungen verlaufen, die in den angrenzenden Flanschen gebildet sind,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die ferner entweder eine Halteplatte mit zwei daran angebrachten Käfigmuttern oder zwei plattenförmige über einen Überlappungsbereich aneinander anliegende Muttern umfassen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend zu Ziffer I.1) bezeichneten Handlungen seit dem 16. Mai 2008 begangen zu haben, und zwar unter Angabe

a) die Beklagten zu 3) und 4): der Herstellungsmengen und –zeiten,

b) die Beklagten zu 1) und 2): der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

c) der einzelnen Liefermengen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei,

die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu lit. c) – die Beklagten zu 1) und 2) auch zu lit. b) – die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,

3. nur die Beklagten zu 1) und 3): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1) bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an eine von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben

4. die vorstehend zu Ziffer I.1) bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des Klagepatents EP 1 539 XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbereit wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendekosten für die Rückgabe zugesagt wird.

II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I.1) bezeichneten, seit dem 16. Mai 2008 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftighin noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 3) und 4) meinen, sie hätten die angegriffene Ausführungsform B nicht „hergestellt“ i.S.v. § 9 PatG; hierzu behaupten sie, die Ausführungsform B sei lediglich als Prototyp für Testzwecke bzw. die Bemusterung in geringer Stückzahl (4 Stück) angefertigt worden. Die Tests seien nicht auf die Verbindung der Segmente bezogen gewesen, sondern hätten der Prüfung der Funktionsfähigkeit insgesamt für den beabsichtigten Zweck gedient. Für ihre Kunden sei dabei deutlich gewesen, dass die Ausführungsform A das Serienprodukt sein solle, während die Ausführungsform B nur ein Prototyp sei. Die Ausführungsform B sei von ihnen auch weder angeboten noch vermarktet worden. Die Beklagten meinen, dass die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent weder in wortsinngemäßer noch in äquivalenter Weise verletzten. Bei der angegriffenen Ausführungsform A blieben die Muttern stets voneinander getrennt und erzielten so eine im Vergleich zum Klagepatent verbesserte Elastizität. Dagegen finde keine Kräfteübertragung statt. Bei der angegriffenen Ausführungsform B seien im Hinblick auf deren Eigenschaft als Prototyp die Segmente nicht eingegossen worden. Bei beiden angegriffenen Ausführungsformen sei eine Unterlegeplatte aus Polyurethan montiert worden, um eine ähnliche Flexibilität wie bei der angegriffenen Ausführungsform B herzustellen. Zudem seien keine Käfigmuttern verwendet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 3) und zu 4) hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform B einen Anspruch auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft, Schadensersatz, Vernichtung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 und Abs. 2, § 140a Abs. 1 und § 140b Abs. 1, §§ 242, 259 BGB, wobei der Vernichtungsanspruch aus § 140a Abs. 1 PatG nur gegen die Beklagte zu 3) geltend gemacht wird. Die angegriffene Ausführungsform B macht von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Eine Verletzungshandlung der Beklagten zu 1) und zu 2) innerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt.
Dagegen verletzt die angegriffene Ausführungsform A das Klagepatent weder in wortsinngemäßer noch in äquivalenter Weise, sodass der Klägerin insoweit die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen.

I.
Das Klagepatent betrifft Klemmvorrichtungen zum Zusammenklemmen von Segmenten einer sog. Run-Flat-Vorrichtung mit in Segmente geteiltem Ring.

Wenn bei herkömmlichen Rädern, an die keine Run-Flat-Vorrichtungen angepasst sind, der Reifen entleert wird, wird der Reifen beschädigt und kann zerreißen oder von der Metallradfelge abgeworfen werden.

Run-Flat-Vorrichtungen, die sich an die Metallfelge des Metallrads innerhalb des Reifens anpassen, sind gut bekannt und umfassen normalerweise einen ringförmigen Körper, den der Teil der Außenumfangswand des Reifens, der den Boden oder die Straße berührt, berühren kann. Der ringförmige Körper ist üblicherweise in zwei Teilen hergestellt, die auf die Außenfelge des Metallrads geklemmt sind, wobei der ringförmige Körper so konstruiert ist, dass er in Umfangsrichtung auf der Metallfelge gleitet, wenn sich der Reifen entleert. Dieses Gleiten ist wichtig, da es zulässt, dass der Reifen auf der Radfelge gleitet, während es wenig oder kein Gleiten des Reifens relativ zu dem Außenumfang des ringförmigen Körpers zulässt. In einer früher bekannten Vorrichtung umfasst der ringförmige Körper zwei halbkreisförmige Segmente, die an jedem Ende durch einen einzelnen Klemmbolzen, der die zwei Segmente zusammenklemmt, drehbar miteinander verbunden sind. Das radiale Klemmen der Segmente auf das Metallrad wird durch ein um den Umfang der Segmente verlaufendes zylindrisches Band erzielt, das vor dem Anziehen der Drehbolzen festgezogen werden kann, um die Segmente zusammenzuziehen. In diesem Fall weist die Drehverbindung an einem Ende der Segmente einen langgestreckten Schlitz auf, durch den der Klemmbolzen geht, der die Umfangsbewegung der Segmente relativ zueinander zulässt, während sie auf die Felge des Metallrads geklemmt werden. Der Bolzen ist nur von einer Seite der Segmente aus zugänglich, um ihn anzuziehen. In einer zweiten früher bekannten Run-Flat-Vorrichtung mit zwei Segmenten wird an einem Ende der Segmente ein einzelnes Klemmmittel in Umfangsrichtung verwendet. An dem anderen Ende ist ein einfacher Drehpunkt vorgesehen. Das Klemmelement umfasst einen Schlitz in einem der Segmente und der Schlitz weist eine geneigte Oberfläche auf. In dem Schlitz ist ein abgeschrägter Keil vorgesehen, der mit der geneigten Oberfläche in Eingriff ist. Durch Löcher in jenem Ende angrenzender Segmente geht ein einzelner Bolzen (der von einer Seite aus zugänglich ist). Wenigstens einer der Löcher ist langgestreckt, um die Relativbewegung in Umfangsrichtung zuzulassen. Durch Anziehen des einzelnen Klemmbolzens werden die zwei Enden der Segmente durch den Keil zusammengezogen, um sie auf die Felge des Metallrads zu klemmen.

Ein Problem bei diesen beiden bekannten Typen in Segmente geteilter Run-Flat-Vorrichtungen ist, dass sich jedes Segment relativ zu dem anderen drehen und radial aus der Ausrichtung relativ zu dem anderen bewegen kann, da wenigstens an einem Ende der Segmente ein einzelner Bolzen verwendet wird. Dies kann eine Beschädigung der Innenoberfläche der Außenumfangswand des Reifens verursachen, wenn der Reifen entleert wird. Dies ist bei den früher bekannten Anti-Flat-Vorrichtungen, die keine Umfangsklemmbänder verwenden, um so mehr ein Problem, da die zwei Segmente unter Zentrifugal- und Zentripetallasten dazu neigen, sich wie Klauen zu öffnen. Im ungünstigsten Fall kann die Vorderkante eines Segments, selbst wenn der Reifen aufgepumpt ist, über den Umfang eines angrenzenden Segments des vorstehenden Segments vorstehen und den Reibungseingriff des ringförmigen Körpers an der Felge des Metallrads zu lösen, was das relative drehende Gleiten der Run-Flat-Vorrichtung an der Felge des Metallrads zulässt. Folglich wird an der Run-Flat-Vorrichtung und an der Felge des Metallrads ein übermäßiger Verschleiß verursacht und das Rad wird während des normalen Laufs unwuchtig. Wenn sich der Reifen entleert, verstärken die vorstehenden Kanten der verlagerten Segmente die Beschädigung im Innern des Reifens und können veranlassen, dass sich der ringförmige Köper aus der Ausrichtung auf die Drehebene des Rads verdreht. Dies kann dazu führen, dass sich der Reifen insgesamt von dem Metallrad ablöst.
Ein weiterer Nachteil bekannter in Segmente geteilter Run-Flat-Vorrichtungen ist, dass jedes Segment einen einzelnen unverlierbaren Bolzen aufweist, der nur von einer Seite der Segmente aus zugänglich ist, und dass die Segmente eine asymetrische Form aufweisen, wobei die Konstruktion eines Endes jedes Segment von der des anderen Endes desselben Segments verschieden ist. Das heißt, dass je nachdem, ob die Segmente an die linke Seite oder an die rechte Seite des Fahrzeugs angepasst werden sollen, zwei verschiedene Sätze von Segmenten hergestellt werden müssen. Dies trägt zur Komplexität und zu den Kosten der Herstellung bei und bedeutet, dass von den Reifenreparateuren oder von Abschlepppersonal zusätzliche Ersatzteile mitgeführt werden müssen.

Zudem nimmt das Klagepatent Bezug auf die WO-A-9911XXX.

Eine Aufgabe der Erfindung des Klagepatents ist die Schaffung einer Run-Flat-Vorrichtung, die mehrere Segmente umfasst, die miteinander durch Klemmmittel verbunden sind, die die relative Drehbewegung zwischen den Segmenten beschränken. Eine weitere Aufgabe ist die Schaffung von Klemmmitteln für eine ringförmige Run-Flat-Vorrichtung, die mehrere gebogene Segmente umfasst, in denen um die ringförmige Vorrichtung an jeder Verbindung zwischen den Segmenten in Umfangsrichtung beabstandete Klemmmittel vorgesehen sind.

Diese Aufgaben werden gelöst durch eine Run-Flat-Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 des Klagepatents, welcher wie folgt gegliedert werden kann:

Run-Flat-Vorrichtung (13) zum Anpassen an den Außenumfang eines Rads (11) eines aufpumbaren Reifens.

a. Die Run-Flat-Vorrichtung (13) umfasst eine Ringwulst (14).
a.1. Die Ringwulst ist aus mehreren gebogenen Segmenten (15) zusammengesetzt.
b. Die Segmente (15) weisen an jedem Ende einen Flansch auf, der sich in Umfangsrichtung mit den entsprechenden Flanschen (26, 27) angrenzender Segmente überlappt.

c. Die Flansche (26, 27) sind durch Klemmmittel (23) miteinander verbunden (20, 21).

c.1. Die Klemmmittel (23) sind um den Ring (14) äquidistant.
c.2. Die Klemmmittel (23) üben auf jedes Segment (15) eine Klemmkraft in Umfangsrichtung aus, um die Segmente (15) in Umfangsrichtung aufeinander zu drängen.
c.3. Die Klemmmittel (23) üben eine axiale Klemmkraft aus, um die Segmente (15) axial aufeinander zu zu drängen.

d. Die Klemmmittel (23) umfassen einen ersten und einen zweiten Klemmbolzen (23a, 23b).

d.1 Die Klemmbolzen (23a, 23b) verlaufen durch ein Paar beabstandeter Bohrungen, die in den angrenzenden Flanschen gebildet sind.

e. Die Klemmmittel (23) umfassen ferner eine Halteplatte (36) mit zwei daran angebrachten Käfigmuttern (35).

II.
Die angegriffene Ausführungsform B verletzt das Klagepatent in wortsinngemäßer Weise, wobei eine Verletzungshandlung nur hinsichtlich der Beklagten zu 3) und 4) feststellbar ist.

1.
Die Beklagte zu 3) hat die angegriffene Ausführungsform B zumindest „hergestellt“ im Sinne von § 9 PatG. Die Herstellung umfasst die gesamte Tätigkeit, die auf die Schaffung des Gegenstandes abzielt. Bloße Vorbereitungshandlungen, die die Absicht zur gewerbsmäßigen Herstellung nur vermuten lassen, bleiben außer Betracht, wie beispielsweise das Erstellen von Werkstattzeichnungen (Schulte-Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 9, Rn. 46). Die Produktion von 4 Prototypen der angegriffenen Ausführungsform B, die u.a. auch zur Vorführung bei Kunden eingesetzt wurden, geht über eine reine Vorbereitungshandlung hinaus. Die gewerbsmäßige Herstellung hing letztlich nur noch vom Willen des Kunden der Beklagten zu 3) ab. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob die angegriffene Ausführungsform B später in serienmäßige Produktion gehen sollte, da es nicht darauf ankommt, ob das Erzeugnis später tatsächlich in patentverletzender Weise benutzt wird. Da die Beklagte zu 3) ihren Sitz in Deutschland hat, hat die Verletzungshandlung auch im Inland stattgefunden. Als Geschäftsführer der Beklagten zu 3) ist der Beklagte zu 4) für die Herstellungshandlung verantwortlich.
Eine Verletzungshandlung der Beklagten zu 1) und zu 2) innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist dagegen nicht schlüssig dargelegt, insbesondere stellten sie selbst die angegriffene Ausführungsform B nicht her. Sie haben zwar die angegriffene Ausführungsform B in B auf der Messe A, einer Messe für Sicherheitseinrichtungen, vom XX bis XX in B ausgestellt. Diese Handlung fand indes nicht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland statt. Auch wenn es sich bei der Messe um die wichtigste Messe in der Branche handeln sollte und daher mit internationalem und daher auch deutschem Publikum gerechnet werden muss, ist der notwendige Inlandsbezug damit nicht erfüllt, selbst wenn einem deutschen Staatsangehörigem ein konkretes Angebot gemacht worden sein sollte (vgl. OLG Karlsruhe, GUR 1980, 784 (785) – Laminiermaschine; LG Düsseldorf, GRUR 1953, 285; Staudinger-Fezer/Koos, EGBGB/IPR, Stand 2006, Rn. 993). Selbst wenn sich die Beklagte zu 1) auf der Messe verpflichtet hätte, die angegriffene Ausführungsform B nach Deutschland zu liefern, würde es sich hierbei um eine bloße Vorbereitungshandlung für eine spätere Patentverletzung handeln (vgl. LG Düsseldorf, GRUR 1953, 285). Erst die tatsächliche Lieferung nach Deutschland würde dann eine Patentverletzung darstellen, gegen die die Klägerin vorgehen könnte. Zudem steht dem Patentinhaber der Rechtsschutz in dem jeweiligen Land, in dem die Angebotshandlung vorgenommen wurde, zur Verfügung, soweit das Klagepatent auch in dem jeweiligen Land geschützt ist. Eine andere Beurteilung würde das sog. Territorialprinzip aufweichen.
Auch hat die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 139 Abs. 1 PatG unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr. Ein Anspruch auf Unterlassung ist zwar auch dann gegeben, wenn eine Patentverletzung noch nicht begangen ist, sondern Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis künftiger Verletzungshandlungen rechtfertigen. Die drohende Patentverletzung muss sich aber in tatsächlicher Hinsicht so greifbar abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter patentrechtlichen Gesichtspunkten möglich ist. Die bloß theoretische Möglichkeit einer Verletzung genügt hierfür nicht (vgl. Benkard-Rogge/Grabinski, PatG, 10. Auflage, § 139, Rn. 28). Vor diesem Hintergrund kann auch eine Verletzungshandlung drohen, wenn ein im Inland ansässiges Unternehmen eine patentverletzende Vorrichtung im Ausland anbietet (OLG Karlsruhe, GRUR 1980, 784 (785) – Laminiermaschine). Der zitierte Fall des OLG Karlsruhe unterscheidet sich aber vom vorliegenden Fall dahingehend, dass es sich bei dem im Inland ansässigen Unternehmen um ein herstellendes Unternehmen handelte, welches nur in der Bundesrepublik Deutschland Produktionsstätten unterhielt, sodass das Anbieten im Ausland die konkrete Gefahr der patentverletzenden Herstellung im Inland begründet. Hier vertreibt die Beklagte zu 1) lediglich die angegriffenen Ausführungsformen, ohne sie selbst herzustellen. Das Anbieten auf einer Messe im Ausland begründete daher keine konkrete Gefahr der Verletzungshandlung im Inland, da der Vertrieb und die Lieferung nicht notwendigerweise über den Sitz des Unternehmens erfolgen müssen und daher kein räumlicher Bezug zum Geltungsbereich des Klagepatents hergestellt ist. Es fehlt daher an der konkreten Gefahr der Patentverletzung im Inland.
Anderweitige Handlungen, wie z.B. die Ausgabe eines Verkaufskatalogs, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stammt der als Anlage K6 zur Akte gereichte Prospekt unstreitig von der Beklagten zu 3).

2.
Die angegriffene Ausführungsform B macht in wortsinngemäßer Weise von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Hier streiten die Parteien zu Recht lediglich um die wortsinngemäße bzw. äquivalente Verletzung des Merkmals e., so dass sich Ausführungen zu den übrigen Merkmalen erübrigen.

a.
Merkmal e. setzt voraus, dass die Klemmmittel eine Halteplatte mit zwei daran angebrachten Käfigmuttern umfassen. Der Wortlaut des Patentanspruchs setzt daher voraus, dass über die Halteplatte beide Muttern angebracht werden, also eine direkte und feste Verbindung hergestellt wird. Die Wahl des Begriffes „Halteplatte“ indiziert, dass dieser Platte die Funktion eines Haltens zukommt.
Die Beschreibung des Klagepatents setzt sich mit dem Merkmal e. und dessen Funktion nicht auseinander. Einzig in Abschnitt [0035] wird dieses Merkmal erwähnt, wobei aber über den Wortlaut des Patentanspruchs hinaus keine weiteren Erläuterungen zu finden sind.
Die patentgemäße Klemmvorrichtung soll die kritisierten Nachteile des Standes der Technik beseitigen, wonach bei den im Stand der Technik bekannten Anti-Flat-Vorrichtungen die Gefahr bestand, dass die Segmente sich relativ zueinander drehen und radial aus der Ausrichtung zueinander bewegen können (vgl. Abschnitt [0010] des Klagepatents, Anlage K1b). Diese Gefahr, die insbesondere aufgrund der enormen Krafteinwirkung besteht, war insbesondere bei den Anti-Flat-Vorrichtungen vorhanden, bei denen nur ein einzelner Bolzen die beiden aneinander liegenden Segmente zusammenklemmt. Die Realisierung dieser Gefahr wird durch eine patentgemäße Klemmvorrichtung mit zwei Bolzen verhindert (vgl. Abschnitt [0039] des Klagepatents, Anlage K1b), zu der auch die in Merkmal e. vorausgesetzte Halteplatte mit den beiden Käfigmuttern zählt. Die Rolle dieses Merkmals, welches im Rahmen des Erteilungsverfahrens auf den negativen Prüfungsbericht vom 9. März 2004 in den Patentanspruch aufgenommen wurde, wird deutlich in der Eingabe der Klägerin vom 23. August 2004 an das Europäische Patentamt. Zwar ist das Erteilungsverfahren grundsätzlich nicht im Verletzungsverfahren zu berücksichtigen. Hier aber sind sich beide Parteien einig, dass in der genannten Eingabe die maßgebliche fachmännische Sicht zutreffend wiedergegeben ist. Die Aufnahme des Merkmals in den Patentanspruch wurde damit begründet, dass die Halteplatte das Problem der Neigung zur lateralen Verdrehung der Segmente bei den bekannten Anti-Flat-Vorrichtungen verhindern kann, da die Bolzen durch die Halteplatte indirekt miteinander verbunden sind und so eine u-förmige Klammer gebildet wird. Darüber hinaus ist die Last wegen der Halteplatte über eine größere Fläche des Segments verteilt und unterstützt bei der lateralen Klemmung der beiden Hälften (Ziffer 8, S. 2 der Anlage B4, Übersetzung Bl. 56 GA). Die Verwendung von Käfigmuttern verhindert die unerwünschte Bewegung der Befestigungsmuttern und erlaubt die Befestigung von einer Seite, d.h. der äußeren Seite des Reifens (Ziffer 9, S. 2 der Anlage B4, Übersetzung Bl. 56 GA). Die äußere Ausgestaltung der Käfigmutter wird durch das Klagepatent nicht vorgegeben. Im Hinblick auf den nach Art. 70 EPÜ allein maßgeblichen englischsprachigen Originalwortlaut des Anspruchs, der von „captive nuts“, mithin „unverlierbaren Muttern“ spricht, ist impliziert, dass die Muttern fest an der Halteplatte angebracht sein müssen, so dass vor diesem Hintergrund die Funktionen der Käfigmuttern darin begründet sind, dass sie in Relation zu der Halteplatte unbeweglich sind und beim Festschrauben der Bolzen nicht durchdrehen. Das Klagepatent gibt daher entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor, dass es sich bei den Muttern um einen klassischen Sechskant oder um Käfigmuttern im engeren Sinne handeln müsse.
Darüber hinaus vereinfacht die patentgemäße Klemmvorrichtung auch die Montage, da sie von bloß einer Seite angebracht werden kann. Auch hierzu tragen die Halteplatte und die Käfigmuttern bei, da diese nicht gehalten werden müssen, um den Bolzen festzuschrauben. Mit dem Festschrauben des ersten Bolzens werden die beiden zu verbindenden Segmente aufeinander gesetzt. Mit dem Festschrauben des zweiten Bolzens werden die beiden Segmente gegeneinander gedrückt.

b.
Zwar verwendet die angegriffene Ausführungsform B unstreitig keine separaten Käfigmuttern, sondern Halteplatten mit einem integrierten Gewinde. Ein solches Gewinde entspricht aber letztlich einer Käfigmutter im Sinne einer „captive nut“ und erfüllt die vom Klagepatent gewollten Funktionen gleichermaßen. Eine Käfigmutter im so zu verstehenden Sinne ist eine Mutter, die fest mit der Halteplatte verbunden ist, d.h. relativ zur Halteplatte unbeweglich ist und dadurch jegliches Mitdrehen beim Anziehen der Schraube bzw. des Bolzens unmöglich ist. Bei gebotener funktionsorientierter Auslegung fällt auch ein in die Halteplatte integriertes Gewinde in den Schutzbereich des Klagepatents. Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs sind so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist. Es kommt mithin darauf an, welche – nicht nur bevorzugten, sondern zwingenden – Vorteile mit dem Merkmal erzielt werden und welche Nachteile des vorbekannten Standes der Technik – nicht nur bevorzugt, sondern zwingend – mit dem Merkmal beseitigt werden sollen (Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten, 3. Auflage, Rn. 23). Gemäß den Ausführungen zum Stand der Technik im beschreibenden Teil des Klagepatents und der Eingabe vom 23. August 2004 (Ziffer 9, S. 2 der Anlage B4, Übersetzung Bl. 56 GA) erlaubt die Verwendung einer Käfigmutter die Befestigung der Vorrichtung von nur einer Seite, da sich die Muttern nicht bewegen können und daher nicht gehalten werden müssen. Diese Funktion ist auch bei einem in die Halteplatte integrierten Gewinde erfüllt. Auch die feste Verbindung der beiden Bolzen durch die Halteplatte und die Herstellung einer u-förmigen Klammer wird so gewährleistet. Bei der Verwendung eines integrierten Gewindes ist ebenfalls eine Bewegung ausgeschlossen, sodass die Befestigung über nur eine Seite erfolgen kann.
Dabei wird nicht verkannt, dass die gebotene funktionsorientierte Auslegung bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen darf, dass sein Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie die dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht. Anderenfalls wird die Grenze zwischen wortsinngemäßer und äquivalenter Benutzung aufgelöst (Meier-Beck, GRUR 2003, 905 (907)). Dies ist hier nicht der Fall. Wie bereits dargestellt, ist die Integration des Gewindes in die Halteplatte letztlich eine einteilig mit der Halteplatte ausgestaltete Käfigmutter. Eine Mutter ist lediglich eine Scheibe mit einem Innengewinde, welches selbsttätig mit einem Schlüssel gedreht werden kann, wobei bei einer Käfigmutter das selbsttätige Drehen gerade ausgeschlossen ist. Das Klagepatent selbst macht für die räumlich-körperliche Ausgestaltung angesichts des Begriffes „captive nut“ keine zwingenden Vorgaben bezüglich der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, insbesondere wird – wie ausgeführt – keine Käfigmutter im engeren Sinne vorausgesetzt. Für den Fachmann macht es auch keinen Unterschied, ob die Käfigmutter extern an die Halteplatte gebracht wird und im Nachhinein mit der Halteplatte fest verbunden wird oder ob bereits bei Herstellung der Halteplatten ein Gewinde, welches die Funktionen der Käfigmutter vollständig erfüllt, eingebaut wird. Dies widerspricht auch nicht dem Wortlaut des Patentanspruchs, der von an der Halteplatte angebrachten Käfigmuttern spricht. Hiermit wird nicht vorausgesetzt, dass die Muttern im Nachhinein als externe Bauteile an die Halteplatte befestigt werden müssen. Die Muttern sind auch dann angebracht, wenn sie in die Halteplatte integriert werden, da auch dann die Verbindung zwischen Halteplatte und Mutter hergestellt ist.

III.
Da die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform B begründet ist, stehen der Klägerin insoweit die geltend gemachten Ansprüche zu.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 3) und 4) einen Anspruch auf Unterlassung der Herstellung sowie der weiteren aus dem Tenor ersichtlichen Benutzungshandlungen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgte. Aufgrund des erfolgten Herstellens besteht bezüglich der übrigen Benutzungshandlungen eine Erstbegehungsgefahr.

Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagten zu 3) und zu 4) dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagten die Patentverletzung schuldhaft begingen. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 3) die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Als Geschäftsführer haftet der Beklagte zu 4) unter dem Gesichtspunkt der sog. Handelndenhaftung. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht. Die Beklagten haften gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 3) und zu 4) auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten zu 3) und zu 4) werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Hinsichtlich nichtgewerblicher Abnehmer war ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Auflage, Rn. 438). Der Rückrufanspruch folgt aus § 140a PatG, wobei dieser auch gegen den Beklagten zu 4) als Geschäftsführer besteht (vgl. LG Düsseldorf, 4b O 126/08, Urteil vom 24.9.2009, S. 39 – nicht rechtskräftig). Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 3) einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. Die für den Vernichtungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen des § 139 Abs. 1 PatG liegen – siehe oben – vor.

IV.
Die angegriffene Ausführungsform A macht von der Lehre des Klagepatents dagegen keinen Gebrauch. Eine Verletzung in wortsinngemäßer Weise wird von der Klägerin zu Recht nicht geltend gemacht. Eine Verletzung in äquivalenter Weise liegt ebenfalls nicht vor. Die Parteien streiten auch hier zu Recht lediglich über die (äquivalente) Verletzung des Merkmals e., sodass sich Ausführungen zu den anderen Merkmalen erübrigen.

1.
Hinsichtlich der Auslegung des Merkmals e. kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

2.
Als Austauschmittel macht die Klägerin die Überlappung der plattenförmigen Muttern im Zusammenwirken mit dem Eingießen der Muttern im Kunststoffmaterial der Segmente geltend, wobei zwischen den Parteien in tatsächlicher Hinsicht streitig ist, ob die Muttern mit einer Polyurethan-Ummantelung ausgestattet sind. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass – was die Beklagten im Haupttermin bestritten haben – die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform A der folgenden Zeichnung, die aus der Gebrauchsmusterschrift DE 20 2008 008 XXX U1 der Beklagten zu 3) stammt, entspricht:

a)
Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Äquivalenz kann eine vom Wortsinn abweichende Ausführungsform dann in den Schutzbereich einbezogen werden, wenn sie das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit abgewandelten, aber objektiv im Wesentlichen gleichwirkenden Mitteln löst (Gleichwirkung) und seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als im Wesentlichen gleichwirkend aufzufinden (Naheliegen), wobei die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Schutzanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine der gegenständlichen Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht (Gleichwertigkeit; zu allen Voraussetzungen: BGH, GRUR 2002, 511 (512) – Kunststoffrohrteil; BGH, GRUR 2002, 515 (518) – Schneidmesser I; BGH, GRUR 2002, 519 (521) – Schneidmesser II; BGH, GRUR 2002, 527 (529) – Custodiol II; BGH, GRUR 2007, 410 (415 f.) – Kettenradanordnung; BGH, GRUR 2004, 758 (760) – Flügelradzähler; BGH, GRUR 2007, 959 (961) – Pumpeinrichtung; BGH, GRUR 2007, 1059 (1063) – Zerfallszeitmessgerät).

b)
Die Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz liegen im Streitfall nicht vor.
Dabei kann dahinstehen, ob das oben genannte Austauschmittel die objektiv gleiche Wirkung wie die Lösung gemäß Merkmal e) des Klagepatents hat und als Austauschmittel für den Fachmann nahegelegen hat. Jedenfalls ist das Kriterium der Gleichwertigkeit nicht erfüllt.
Erforderlich ist hiernach, dass diejenigen Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Es ist mithin nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen aus Gründen der Rechtssicherheit sich seine Überlegungen an der Patentschrift orientieren, wobei sich aus einer objektiven Betrachtung des Schutzrechts eine engere Anspruchsfassung ergeben kann, als dies nach dem technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre (Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Auflage, Rn. 46). Der Patentinhaber ist an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (BGH, GRUR 2002, 511 (512 f.) – Kunststoffrohrteil). Es reicht auch nicht aus, die Gleichwertigkeit isoliert für das abgewandelte Mittel festzustellen; vielmehr muss die angegriffene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen, da sonst der Schutzbereich des Klagepatents für Dritte nicht mehr einzuschätzen ist (BGH, GRUR 2007, 959 (961) – Pumpeneinrichtung).
Es ist nicht ersichtlich, was den Fachmann bei Orientierung an der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre dazu anregen könnte, anstelle der vom Klagepatent vorgeschlagenen Halteplatte mit dazugehörigen Käfigmuttern zwei plattenförmige, anliegende Muttern zu verwenden, die in den Kunststoff eingegossen werden. Für dieses Austauschmittel gibt der Patentanspruch keinen Anhalt. Vielmehr erkennt der Fachmann, dass mit Hilfe der Halteplatte eine feste Verbindung zwischen den Bolzen hergestellt werden soll, die verhindern soll, dass sich die Bolzen in Relation zueinander verschieben lassen. Somit soll verhindert werden, dass die aneinander liegenden Segmente sich verdrehen können. Diese Funktion wird gerade durch die Verwendung eines einzelnen Bauteils hergestellt, welches eine Verbindung zwischen den beiden Bolzen herstellt und somit durch die Bolzen und die Halteplatte eine u-förmige Klammer gebildet wird. Zwei separate Bauteile, die allenfalls ein unterbrochenes U herstellen, sind hierfür gerade nicht geeignet. Diese einteilige Ausgestaltung der Halteplatte bzw. dreiteilige Ausgestaltung der u-förmigen Klammer bestehend aus den zwei Bolzen und der Halteplatte gibt der Patentanspruch entgegen der Auffassung der Klägerin auch so in Merkmal e) vor. Dabei ist es auch unerheblich, ob die plattenförmigen Muttern mit einer Polyurethan-Ummantelung ausgestattet sind. Der Fachmann wird ausgehend vom Patentanspruch allenfalls eine Lösung in Betracht ziehen, bei der durch ein einziges Teil eine Verbindung zwischen den Bolzen hergestellt wird.
Auch aus der Beschreibung des Klagepatents wird dem Fachmann keine Anregung gegeben, statt des Haltebügels überlappende und eingegossene Muttern zu verwenden. Der beschreibende Teil des Klagepatents beschränkt sich im Wesentlichen auf die Funktionsweise und Ausgestaltung der im Patentanspruch vorgegebenen Vorrichtung, ohne im Näheren auf den Sinn der einzelnen Merkmale einzugehen. Alternativen oder unterschiedlich ausgestaltete Ausführungsbeispiele werden nicht vorgestellt. Das Klagepatent selbst sieht daher letztlich nur eine denkbare Ausgestaltung vor, die die Aufgabe des Klagepatents erfüllen kann. Eine Anregung für weitere Ausgestaltungen oder Alternativen bietet es nicht. Der Sinn des Merkmals e. ergibt sich allein aus der bereits genannten Eingabe vom 23. August 2004.
Es fehlt damit an jeglichen Anhaltspunkten in der Klagepatentschrift dafür, von der Verbindung der Bolzen mittels einer Halteplatte und den Käfigmuttern abzuweichen und eine Funktionsweise vorzusehen, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht ist, so dass das Austauschmittel gerade auch unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit nicht als patentrechtliches Äquivalent angesehen werden kann.
Da eine Patentverletzung im Hinblick auf die Ausführungsform A selbst dann ausscheidet, wenn man den Klägervortrag in tatsächlicher Hinsicht als richtig unterstellt, fehlt es a priori an einer Grundlage für eine Anordnung auf Vorlage eines Musters der angegriffenen Ausführungsform A gem. § 142 ZPO, um zu klären, ob die angegriffene Ausführungsform A tatsächlich der Ausgestaltung der oben wiedergegebenen Figur entspricht.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 2. Alt., § 100 IV, 269 III 2 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage jeweils in § 709 ZPO.