4b O 175/09 – Ratschenschlüssel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1580

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. 4b O 175/09

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,

Ratschenschlüssel zum Übertragen jedes von zwei alternativen Modi einer einhändigen, hin- und hergehenden, manuellen, auf einen Griff übertragenen Leistungseingabebewegung in eine intermittierende Leistungsabgabebewegung

in Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu benutzen und/oder zu diesen Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wenn die beiden Modi der hin- und hergehenden manuellen Leistungseingabebewegung

ein primärer Modus, der das manuelle Hin- und Herdrehen dieses Griffs um eine erste Achse umfasst,

und ein sekundärer Modus sind, der das manuelle hin- und hergehende Inrotationversetzen eines Drehteils an diesem Griff um eine zweite Achse umfasst, der diese erste Achse schneidet,

und der Ratschenschlüssel folgende Elemente enthält:

– ein Leistungsabgabe-Antriebsglied, das um die erste Achse drehbar ist,

– ein Antriebsgehäuse, das dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied auf-nimmt,

– den genannten Griff an diesem Antriebsgehäuse, um dieses Antriebsgehäuse um diese erste Achse zu drehen,

– das genannte Drehteil, das an diesem Griff angebracht und zum manuellen Inrotationversetzen um diese zweite Achse geeignet ist,

– einen Antriebsring, der sich innerhalb des Gehäuses um dieses Leis-tungsabgabe-Antriebsglied herum erstreckt,

– eine Kupplungseinrichtung, die die Rotation dieses Drehteils um diese zweite Achse mit der Rotation dieses Antriebsrings um diese erste Achse kuppelt,

– eine primäre Ratscheneinrichtung, um dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied selektiv in nur einer Richtung mit diesem Gehäuse zu kuppeln,

– eine sekundäre Ratscheneinrichtung, um dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied selektiv in nur einer Richtung mittels dieses Antriebsrings mit diesem Drehteil zu kuppeln,

– wobei dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied in einer ausgewählten Richtung entweder durch manuelles Hin- und Herdrehen dieses Griffs um diese erste Achse oder durch manuelles, hin- und hergehendes Inrotationversetzen dieses Drehteils um diese zweite Achse in Rotation versetzt werden kann,

wobei

– dieser Antriebsring in Bezug auf dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied um diese erste Achse drehbar ist,

– diese sekundäre Ratscheneinrichtung zwischen dem Antriebsring und dem Leistungsabgabe-Antriebsglied angeordnet ist,

– diese sekundäre Ratscheneinrichtung eine innere, zylindrische Nutenfläche an diesem Antriebsring umfasst,

– diese sekundäre Ratscheneinrichtung eine einstellbare Klinke umfasst,

– diese einstellbare Klinke mit der zylindrischen Nutenfläche zusammenwirkt,

– diese primäre Ratscheneinrichtung eine innere, zylindrische Nutenflä-che an diesem Antriebsgehäuse umfasst,

– diese primäre Ratscheneinrichtung eine einstellbare Klinke umfasst,

– diese einstellbare Klinke mit der zylindrischen Nutenfläche zusammenwirkt,

– sowohl die primäre Klinke als auch die sekundäre Klinke an diesem Leistungsabgabe-Antriebsglied angebracht sind;

2. der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 15. Oktober 2004 begangen haben, und zwar durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, aus dem ersichtlich sind:

a) Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Ratschenschlüssel gemäß Ziff. I. 1. sowie der gewerb-lichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche sie bestimmt waren,

b) die Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Ratschenschlüssel gemäß Ziff. I. 1. sowie die Ein- und Verkaufspreise, die für die betreffenden Ratschenschlüssel bezahlt wurden,

c) die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zei-ten, -preisen und Abnehmern unter Angabe der jeweiligen Artikelnummer und Typenbezeichnung,

d) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der erzielte Gewinn unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten,

f) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Aufla-genhöhe, Verbreitungszeitrau, Verbreitungsgebiet und ggf. Empfän-ger,

wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein be-stimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,

3. im Umfang der Auskunftsverpflichtung gemäß I.2.a) und b) sowie im Um-fang der Rechnungslegung zum Nachweise der jeweiligen Angaben die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) vorzulegen, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der zu beauskunftenden bzw. rechungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden können.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Scha-den zu ersetzen, der ihr bzw. für die Zeit vom 15. Oktober 2004 bis zum 4. Mai 2008 Herrn A und vom 5. Mai 2008 bis zum 25. Mai 2009 Herrn B durch die Ziff. I.1. bezeichneten, ab dem 15. Oktober 2004 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

III. Von den gerichtlichen Kosten tragen die Klägerin zwei Fünftel und die Be-klagte drei Fünftel. Die Beklagte trägt darüber hinaus drei Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR.

V. Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 16. April 2010 auf 500.000,00 EUR festgesetzt und für die Zeit danach auf 250.000,00 EUR.

Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem 25. Mai 2009 eingetragene und allein verfügungsberechtigte Inhaberin des Europäischen Patents EP 0 799 XXX (Anlage K 1a, im Folgenden: Klagepatent), das in englischer Verfahrenssprache angemeldet wurde, und von dem eine deutschsprachige Übersetzung beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 695 33 XXX T2 (Anlage K 1a) geführt wird. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 24. Dezember 1994 (GB 9426XXX) als PCT-Anmeldung am 11. Dezember 1995 angemeldet und am 4. Juli 1996 veröffentlicht. Die Patenterteilung wurde am 15. September 2004 veröffentlicht. Die früheren Inhaber des Klagepatents, die Herren A und B haben mit schriftlichen Erklärungen vom 14. September 2009 (Anlage K 2a und K 2b) ihre etwaigen Auskunfts-, Entschädigungs- und Ersatzansprüche an die Klägerin abgetreten. Am 25. September 2009 hat die Klägerin die Beschränkung des deutschen Teils des Klage-patents auf den Umfang einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 bis 3 beim Deut-schen Patent- und Markenamt beantragt; durch Beschluss vom 27. April 2010 (Anlage K 14) ist das Klagepatent antragsgemäß beschränkt worden auf die aus Anlage K 15 ersichtlichen Ansprüche. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2010 (Anlage B 7) hat die Be-klagte den deutschen Teil des Klagepatents durch Erhebung der Nichtigkeitsklage an-gegriffen, über die noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent betrifft einen Ratschen-Schraubenschlüssel.

Anspruch 1 des Klagepatents in seiner beschränkten Fassung lautet in der englischen Verfahrenssprache:

„1. A ratchet wrench for transmitting each or two alternative modes of single handed reciprocating manual input motion imparted to a handle into one intermit-tent rotary output motion, in which the two modes of reciprocating manual input motion are a primary mode consisting of manually turning said handle to and fro about a first axis, and a secondary mode consisting of manually rotating a rotary member to and fro on said handle about a second axis in intersecting said first axis, comprising:
an output drive member (13) rotatable about said first axis,
a drive housing (15) containing said output drive member,
said handle (11) on said drive housing for turning said drive housing about said first axis,
said rotary member (24) mounted in said handle and exposed for manual rotation about said second axis,
a drive ring (21) extending around said output drive member inside the housing,
coupling means (25) coupling rotation of said rotary member about said second axis with rotation of said drive ring about said first axis,
primary ratchet means (17, 42) for selectively uni-directionally coupling said output drive member to said housing, and
secondary ratchet means (22, 43) for selectively uni-directionally coupling said output drive member to said rotary member through said drive ring,
whereby said output drive member (13) can be rotated in a selected direction ei-ther by manually turning said handle (14) to and fro about said first axis or by ma-nually rotating said rotary member (24) to and fro about said second axis;
characterised in that said drive ring (21) is rotatable about said first axis with re-spect to said output drive member (13), and said secondary ratchet means (23, 43) is located between the drive ring and the output drive member.“

In deutscher Übersetzung lautet Anspruch 1 des Klagepatents in seiner beschränkten Fassung:

„1. Ein Ratschenschlüssel zum Übertragen jedes von zwei alternativen Modi ei-ner einhändigen, hin- und hergehenden, manuellen, auf einen Griff übertragen-den Leistungseingabebewegung in eine intermittierende rotatorische Leis-tungsabgabebewegung, wobei die beiden Modi der hin- und hergehenden ma-nuellen Leistungseingabebewegung ein primärer Modus, der das manuelle Hin- und Herdrehen dieses Griffs um eine erste Achse umfasst, und ein sekundärer Modus sind, der das manuelle hin- und hergehende Inrotationversetzen eines Drehteils an diesem Griff um eine zweite Achse umfasst, der diese erste Achse schneidet, enthaltend:
ein Leistungsabgabe-Antriebsglied (13), das um diese erste Achse drehbar ist,
ein Antriebsgehäuse (15), das dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied aufnimmt,
den genannten Griff (11) an diesem Antriebsgehäuse, um dieses Antriebsge-häuse um diese erste Achse zu drehen,
das genannte Drehteil (24), das an diesem Griff angebracht und zum manuellen Inrotationversetzen um diese zweite Achse geeignet ist,
einen Antriebsring (21), der sich innerhalb des Gehäuses um dieses Leistungs-abgabe-Antriebsglied herum erstreckt,
eine Kupplungseinrichtung (25), die die Rotation dieses Drehteils um diese zweite Achse mit der Rotation dieses Antriebsringes um diese erste Achse kuppelt, eine primäre Ratscheneinrichtung (17, 42), um dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied selektiv in nur einer Richtung mit diesem Gehäuse zu kuppeln, und eine sekundäre Ratscheneinrichtung (23, 43), um dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied selektiv und in nur einer Richtung mittels dieses Antriebsrings mit diesem Drehteil zu kuppeln,
wobei dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied (13) in einer ausgewählten Rich-tung entweder durch manuelles Hin- und Herdrehen dieses Griffs (14) um diese erste Achse oder durch manuelles, hin- und hergehendes Inrotationversetzen dieses Drehteils (24) um diese zweite Achse in Rotation versetzt werden kann;
wobei dieser Antriebsring (21) in Bezug auf dieses Leistungsabgabe-Antriebs-glied (13) um diese erste Achse drehbar ist, und dass diese sekundäre Rat-scheneinrichtung (23, 43) zwischen dem Antriebsring und dem Leistungsab-gabe-Antriebsglied angeordnet ist,
diese sekundäre Ratscheneinrichtung eine innere, zylindrische Nutenfläche (23) an diesem Antriebsring (21) und eine einstellbare Klinke (43) umfasst, die mit die-ser zylindrischen Nutenfläche (23) zusammenwirkt.
diese primäre Ratscheneinrichtung eine innere, zylindrische Nutenfläche (17) an diesem Antriebsgehäuse (15) und eine einstellbare Klinke (42) umfasst, die mit dieser zylindrischen Nutenfläche (17) zusammenwirkt, und sowohl die primäre Klinke (42) als auch die sekundäre Klinke (43) an diesem Leistungsabgabe-An-triebsglied (13) angebracht sind.“

Nachstehend verkleinert wiedergegebene Zeichnungen sind dem Klagepatent ent-nommen und verdeutlichen dessen technische Lehre anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:

Figur 1. zeigt einen klagepatentgemäßen Ratschenschlüssel in perspektivischer Dar-stellung, Figur 2 in einer teilweisen Querschnittsansicht. Figur 3 ist eine ausei-nandergezogene perspektivische Darstellung dieses Schlüssels.

Die Beklagte vertreibt in Deutschland Ratschenschlüssel unter den Bezeichnungen „A“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 1), „B‘‘“(im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 2) sowie „C‘‘“(im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 3). Von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichte Lichtbilder zeigen ein zerlegtes Exemplar der angegriffenen Ausführungsform 1 (Anlage K 11) sowie der angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 (Anlage K 13). Unstreitig sind die angegriffenen Ausführungsformen untereinander in der Bauart identisch und stimmen ferner mit einem durch die ursprünglich ebenfalls verklagte Fa. D GmbH in Deutschland vertriebenen Ratschenschlüssel baulich überein, von dem ein Muster (Anlage K 8) zur Gerichtsakte gereicht wurde. Die angegriffenen Ausführungsformen machen dabei Gebrauch von der technischen Lehre der US 6,457,XXX (Anlage B 4), aus der die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen entnommen sind:

Figur 7 zeigt die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsformen in einer per-spektivischen Explosionsansicht, Figur 10 in einer Schnittansicht und Figur 10A in einem Querschnitt entlang der Linie A-A gemäß Figur 10.

Die Klägerin meint, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der techni-schen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß, jedenfalls aber mit einem gleichwertigen Austauschmittel Gebrauch. Die Übertragung in eine Leistungsabga-bebewegung in beiden der alternativen Modi müsse nicht in identischer Weise ge-schehen. Eine Übertragung in eine intermittierende Bewegung sei klagepatentgemäß auch dann gegeben, wenn das Antriebsglied an einem Ruhepunkt der Einga-bebewegung zum Stillstand komme. Die angegriffenen Ausführungsformen unter-schieden sich von einem Ausführungsbeispiel des Klagepatents nur dadurch, dass eine zweite sekundäre Ratscheneinrichtung zur Übertragung der Drehung des Griff-teils hinzugefügt worden sei. Hierin liege jedenfalls ein gleichwertiges Austausch-mittel.

Die Klägerin beantragt nunmehr, nachdem sie die Klage, soweit diese ursprünglich auch gegen die Fa. D GmbH gerichtet war, durch Schriftsatz vom 16. April 2010 (Bl. 72f. GA) mit deren Zustimmung (Schriftsatz vom 19. April 2010, Bl. 74 GA) zurück-genommen hat, und ferner gegenüber der Beklagten mit deren Zustimmung den Antrag auf Belegvorlage teilweise zurückgenommen hat,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent auszusetzen;

hilfsweise: der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicher-heitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagte bestreitet, das Klagepatent zu verletzen. Sie ist der Auffassung, nach dessen technischer Lehre müsse die Leistungseingabebewegung in beiden mögli-chen Modi in dieselbe Leistungsabgabebewegung übertragen werden in dem Sinne, dass die Übertragung in beiden Modi in derselben Weise geschehe. Ferner meint sie, klagepatentgemäß liege eine Übertragung der Leistungseingabebewegung in eine intermittierende Leistungsabgabebewegung nur dann vor, wenn in beiden der alternativen Modi das Antriebsglied nur bei einer Leistungseingabebewegung in eine von zwei möglichen Richtungen bewegt werde, während das Antriebsglied ruhe, wenn die Leistungseingabebewegung in die andere Richtung erfolge. Im primären Modus bestehe die Leistungsabgabebewegung aus zwei Phasen, nämlich einer Rotationsphase, während derer der Griff in eine erste Richtung um die erste Achse gedreht werde und eine Ruhephase oder „lost-motion-Phase“, während derer der Griff in die andere Richtung (zurück-)gedreht werde. Entsprechendes gelte für den sekundären Modus: Eine Drehung des Antriebsglieds erfolge nur während der Vor-wärtsbewegung des Drehteils in eine Richtung, nicht aber bei einer (Zurück-)Drehung in eine andere zweite Richtung. Diese Beschränkung des Schutzbereichs des Klagepatents folge aus fachmännischer Sicht zunächst aus dem originalsprachlichen englischen Anspruchswortlaut. Dort werde der Angabe zur Eingabebewegung

„each of two alternative modes of […] input motion”

die Angabe zur Ausgabebewegung

„one intermittent output motion“

gegenübergestellt. Beansprucht werde eine einzige Leistungsabgabebewegung in dem Sinne, dass immer dieselbe Leistungsabgabebewegung übertragen werden müsse. Dasselbe folge aus der weiteren Angabe, wonach durch die primäre und se-kundäre Ratscheneinrichtung das Leistungsabgabe-Antriebsglied stets für eine Dre-hung in immer dieselbe Richtung gekuppelt werde (im englischen Anspruchswortlaut: „uni-directionally coupling said output drive member“). Ebenso folge diese Beschrän-kung des Schutzbereichs aus der Erläuterung, gemäß der das Antriebsglied bei einer Leistungseingabebewegung in die eine Richtung gekuppelt und bei einer entgegengesetzten Leistungseingabebewegung entkuppelt ist. Ferner grenze sich die technische Lehre des Klagepatents gerade von denjenigen aus dem Stand der Technik vorbekannten Vorrichtungen ab, bei denen eine kontinuierliche Bewegung des Antriebsglieds in der Weise bewirkt werde, dass bei jeder Leistungseingabebewegung in eine der beiden möglichen Richtungen das Antriebsglied von jeweils einem von zwei entgegengesetzt rotierenden Ringritzeln angetrieben werde, sich das Antriebsglied immer in dieselbe Richtung bewege, egal, in welche von zwei möglichen Richtungen die Leistungseingabebewegung erfolge. Diese Vorrichtungen würden als zu kompliziert abgelehnt und seien deshalb nicht vom Schutzbereich des Klagepatents umfasst. An beidem, der Übertragung in dieselbe Abgabebewegung und in eine intermittierende Abgabebewegung fehle es demnach bei den angegriffenen Ausführungsform, da bei diesen – unstreitig – bei einer Drehung des Griffs um die erste Achse die Eingabe in eine Richtung eine Ausgabe bewirkt, die in die andere Richtung hingegen nicht, während bei einer Drehung des Griffteils in beide Richtungen das Antriebsglied jeweils in dieselbe Richtung gedreht wird.

Schließlich meint die Beklagte, das Klagepatent werde sich im Rahmen der Nichtigkeitsklage als nicht rechtsbeständig erweisen. Seine technische Lehre werde durch eine Kombination der WO 92/07XXX A1 (Anlage K 4, im Nichtigkeitsverfahren eingeführt als Anlage NK5 / Entgegenhaltung D1) mit der EP 0 486 XXX A1 (Anlage B 5, im Nichtigkeitsverfahren eingeführt als Anlage NK10 / Entgegenhaltung D2) nahegelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Be-legvorlage sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9, 139 Abs. 1 und 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die angegriffenen Ausfüh-rungsformen verwirklichen die technische Lehre des Klagepatents wortsinngemäß. Ein Anlass, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage auszusetzen, besteht nicht.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Ratschenschlüssel, etwa zum Antrieb von Steckschlüs-seln und anderen Einrichtungen zum Befestigen und Lösen von Befestigungs-elementen.

Wie das Klagepatent in seinen einleitenden Bemerkungen ausführt, sind Ratschen-schlüssel Vorrichtungen mit einem Mechanismus zum Umsetzen einer hin- und her-gehenden Bewegung eines Griffs in eine in nur eine Richtung gerichtete Drehung eines Antriebsglieds, wobei der Griff gewöhnlich ein sich von der Achse des An-triebselements radial nach außen erstreckender Arm ist. Ferner sind Vorrichtungen mit einer Doppelfunktion zur Erzeugung einer Rotation des Antriebsgliedes bekannt, bei denen ein Ratschenmechanismus um Drehteile an den Griffen ergänzt ist, die bei ihrer Drehung um die Längsachse eine Drehbewegung des Antriebsgliedes bewirken. Solche Vorrichtungen mit Doppelfunktion sind insbesondere bei beengten Platzverhältnissen nützlich, wenn die übliche Anwendung eines Schraubenschlüs-sels wegen der erforderlichen hohen Drehkaft zwar erforderlich aber zweitaufwendig wäre. Herkömmliche Ratschenschlüssel erweisen sich überdies dann als unhandlich, wenn das Befestigungselement nicht den Widerstand entgegensetzt, der erforderlich ist, um das Ausrasten des Schraubenschlüssels zu bewirken.

Aus der zum Stand der Technik gehörenden US 4,299,XXX ist ein Ratschenschlüssel mit zwei rotierenden Ringritzeln vorbekannt, die konzentrisch um ein Leistungsab-gabe-Antriebsglied positioniert sind, und zwischen denen sich ein Antriebskegelritzel befindet, das in einer Richtung mittels einer Welle durch den Schraubenschlüsselgriff gedreht wird, wobei die Drehung des Antriebsgliedes aufgrund eines Spiralmecha-nismus immer nur in eine Richtung geschieht. Auch die WO 92/07XXX offenbart eine ähnliche Vorrichtung, bei der die Drehung der Welle allerdings durch ein einfaches Drehen des Antriebsgriffs bewirkt wird. Diese beiden vorbekannten Vorrichtungen können zwar in konventioneller Weise, also durch Hin- und Herschwenken des Griffs angewandt werden, jedoch haben sie jeweils einen komplexen und kostenaufwendig herzustellenden Mechanismus.

Die US 4,699,XXX offenbart eine weniger komplexe Vorrichtung, bei der ein üblicher Ratschenschlüssel mit einem Ratschenschalter verwendet wird, welcher den Rat-schenmechanismus vom Leistungsabgabe-Antriebsglied entkuppelt und einen alter-nativen Betriebsmodus ermöglicht, wenn ein Ende einer Drehwelle mittels einer ein-zigen Kegelritzelanordnung mit dem Antriebsglied gekuppelt wird, während das an-dere Ende der Welle mit einem Drehknauf gekuppelt wird, der aus dem Ende des Arms hervorsteht. Allerdings hat diese vorbekannte Vorrichtung keinen Ratschen-mechanismus, wenn der Drehknauf gekuppelt ist, so dass bei der Umkehrung von dessen Drehrichtung auch die Drehrichtung des Antriebsgliedes umgekehrt wird. Ferner offenbart die US 2,206,XXX eine Vorrichtung mit einer Welle im Griff des Schraubenschlüssels, die mit dem Antriebsglied über zwei angetriebene Kegelritzel gekuppelt ist, die jeweils einer Ratschenklinke zugeordnet sind. Eine Drehung am Griff führt wegen der Ratschenklinke immer zur Drehung des Antriebsgliedes in der-selben Richtung. Die Welle trägt ein kontinuierliches Antriebskegelritzel, das mit den angetriebenen Kegelritzeln kämmt, deren Zähne nicht kontinuierlich sind, so dass die Welle nicht kontinuierlich in einer Richtung gedreht werden kann. Vielmehr wird die Welle im Griff oszillierend angetrieben, was wegen der Ratschenklinken zu einer kontinuierlichen Drehung des Antriebsgliedes in einer Richtung führt. Die US 4,592,XXX schließlich lehrt einen Ratschenschlüssel mit einer einzigen Ratschenklinke, bei dem durch Drehen des Griffs die Drehung des Antriebsglieds in einer ausgewählten Richtung gesteuert wird, wenn die Klinke in eine neutrale Posi-tion bewegt wird und die Ratschenklinke dadurch abgekuppelt ist. An diesen Vor-richtungen mit entgegengesetzt rotierenden Ritzeln werden ihre Komplexität und ihre ausufernde Anzahl von Einzelteilen als nachteilig kritisiert, zumal einige der Einzel-teile kostenaufwendig und schwierig herzustellen sind. Auch werden durch die Über-tragung des gesamten Drehmoments über das Kegelritzel die Vorrichtungen abgenutzt und ihre Haltbarkeit beeinträchtigt. Ferner erweist sich an der in der US 4,699,XXX offenbarten Vorrichtung als nachteilig, dass sie über einen kurzen Drehknauf verfügen muss, damit der Griff insgesamt nicht zu lang wird, so dass aber der Benutzer keinen starken Griff haben kann.

Die US 3,952,XXX offenbart eine Vorrichtung, bei der eine Drehwelle im Schlüsselgriff permanent an das Antriebsglied angeschlossen ist und eine doppelte Ratschen-anordnung zwischen Drehwelle und Außenhülse von einem System von Gleitkegeln gesteuert wird. Auch bei dieser Vorrichtung wird das gesamte Drehmoment über die Kegelräder übertragen. Die EP 0 486 XXX offenbart ferner eine Antriebsübertragung für einen Schraubenschlüssel, bei der nach einer Ausführungsform ein Motorantrieb im Schlüsselgriff aufgenommen ist, um die Aktion des Schlüssels zu beschleunigen, wobei eine spezielle Ratschen- und Doppelklinkenanordnung es ermöglicht, das Drehmoment des Motors durch schnelle Vorwärtshübe zu verstärken. Allerdings ist insoweit keine Ratschen- und Klinkenanordnung eines nur handbetätigten Schlüs-sels gelehrt. Die US 4,545,XXX schließlich lehrt einen gattungsgemäßen Schlüssel mit einem primären Ratschenantrieb mittels einer Klinke am Antriebsglied, die mit dem Nuteninneren eines Gehäuses an einem Ende des Schlüsselgriffs zusammenwirkt. Ferner ist eine Drehhülse am Schlüsselgriff vorgesehen, um das Antriebsglied mittels der vorbekannten Kegelradverbindung in einem sekundären Ratschenmodus anzutreiben, wobei die sekundäre Ratsche innerhalb der Hülse positioniert ist. Dabei werden drei getrennte Entkupplungssysteme verwendet um zu verhindern, dass die Hülse gedreht wird, wenn der Schlüssel im primären Modus benutzt wird.

Vor diesem technischen Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, einen handbetätigten Ratschenschlüssel zu schaffen, der im Betrieb zuverlässig und vorteil-haft ist.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in einer Kombination seines er-teilten Hauptanspruchs mit seinen erteilten Unteransprüchen 2 und 3 eine Vorrich-tung mit folgenden Merkmalen vor:

a) Ratschenschlüssel (10) zum Übertragen jedes von zwei alternativen Modi ei-ner einhändigen, hin- und hergehenden, manuellen, auf einen Griff (11) übertragenen Leistungseingabebewegung in eine intermittierende Leis-tungsabgabebewegung;
a1) eine Übertragung erfolgt in zwei alternativen Modi, welche sind:
a2) ein primärer Modus, der das manuelle Hin- und Herdrehen dieses Griffs (11) um eine erste Achse umfasst,

a3) ein sekundärer Modus, der das manuelle hin- und hergehende Inrotationversetzen eines Drehteils (34) an diesem Griff (11) um eine zweite Achse umfasst, der diese erste Achse schneidet,
a4) die Übertragung der Leistungseingabebewegung erfolgt in eine intermittierende rotatorische Leistungsabgabebewegung

enthaltend:

b) ein Leistungsabgabe-Antriebsglied (13), das um die erste Achse drehbar ist,

c) ein Antriebsgehäuse (15), das dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied (13) aufnimmt,

d) den genannten Griff (11) an diesem Antriebsgehäuse (15), um dieses An-triebsgehäuse (15) um diese erste Achse zu drehen,

e) das genannte Drehteil (24), das an diesem Griff angebracht und zum manu-ellen Inrotationversetzen um diese zweite Achse geeignet ist,

f) einen Antriebsring (21), der sich innerhalb des Gehäuses (15) um dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied (13) herum erstreckt,

g) eine Kupplungseinrichtung (25), die die Rotation dieses Drehteils um diese zweite Achse mit der Rotation dieses Antriebsrings um diese erste Achse kuppelt,

h) eine primäre Ratscheneinrichtung (17, 42), um dieses Leistungsabgabe-An-triebsglied (13) selektiv in nur einer Richtung mit diesem Gehäuse (15) zu kuppeln,

i) eine sekundäre Ratscheneinrichtung (23, 43), um dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied (13) selektiv in nur einer Richtung mittels dieses Antriebsrings (21) mit diesem Drehteil (24) zu kuppeln,

j) wobei dieses Leistungsabgabe-Antriebsglied (13) in einer ausgewählten Richtung
j1) entweder durch manuelles Hin- und Herdrehen dieses Griffs (11) um diese erste Achse oder
j2) durch manuelles, hin- und hergehendes Inrotationversetzen dieses Drehteils (24) um diese zweite Achse in Rotation versetzt werden kann,

k) dieser Antriebsring (21) ist in Bezug auf dieses Leistungsabgabe-Antriebs-glied (13) um diese erste Achse drehbar,

l) diese sekundäre Ratscheneinrichtung (23, 43) ist zwischen dem Antriebsring (21) und dem Leistungsabgabe-Antriebsglied (13) angeordnet,

m) diese sekundäre Ratscheneinrichtung (23, 43) umfasst eine innere, zylindri-sche Nutenfläche an diesem Antriebsring,

n) diese sekundäre Ratscheneinrichtung (23, 43) umfasst eine einstellbare Klinke (43),

o) diese einstellbare Klinke (43) wirkt mit der zylindrischen Nutenfläche (23) zu-sammen,

p) diese primäre Ratscheneinrichtung (17, 42) umfasst eine innere, zylindrische Nutenfläche (17) an diesem Antriebsgehäuse (15),

q) diese primäre Ratscheneinrichtung (17, 42) umfasst eine einstellbare Klinke (42),

r) diese einstellbare Klinke (42) wirkt mit der zylindrischen Nutenfläche (17) zu-sammen,

s) sowohl die primäre Klinke (42) als auch die sekundäre Klinke (43) sind an diesem Leistungsabgabe-Antriebsglied (13) angebracht.

II.

Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen jeweils sämtliche dieser Merk-male wortsinngemäß. Dies steht zwischen den Parteien mit Ausnahme der Merkmale a) und a4) – zu Recht – außer Streit, so dass es hierzu keiner Ausführungen bedarf. Aber auch die Verwirklichung dieser beiden Merkmale lässt sich feststellen.

1.

Merkmal a), gemäß dem ein Ratschenschlüssel zum Übertragen jedes von zwei alter-nativen Modi einer einhändigen, hin- und hergehenden, manuellen und auf einen Griff übertragenen Leistungseingabebewegung in eine Leistungsabgabebewegung gelehrt wird, ist verwirklicht.

a)

Der Fachmann versteht dieses Merkmal in der Weise, dass mithilfe eines klagepatent-gemäßen Ratschenschlüssels dessen Antriebsglied in zwei voneinander unter-schiedlichen und deshalb zueinander alternativen Weisen (Modi) in eine rotierende Leistungsabgabebewegung versetzt werden kann.

aa)

Dieses Verständnis folgt zum einen aus dem Anspruchswortlaut im Zusammenhang der Merkmalsgruppe a) und des Merkmals b). Hier findet sich die Angabe, dass auf den Ratschenschlüssel bestimmungsgemäß zwei alternative, nach dem allgemeinen Sprachverständnis – von dem abzuweichen das Klagepatent insoweit keinen Anlass bietet – demnach voneinander unterschiedliche Weisen (Modi) von Leistungseingabe-bewegungen einwirken können: Im einen (primären) Modus wird gemäß Merkmal a2) der Griff des Ratschenschlüssels um eine erste Achse hin- und her bewegt, wobei diese erste Achse diejenige ist, um die sich gemäß Merkmal b) das Leistungsabgabe-Antriebsglied dreht; im zweiten (sekundären) Modus wird gemäß Merkmal a3) ein Drehteil am Griff rotierend hin- und her gedreht um eine zweite Achse, welche die erste Achse schneidet. Ungeachtet dessen, welche Art von Leistungseingabebewegung auf den Ratschenschlüssel einwirkt (primärer oder sekundärer Modus), wird hierdurch der Ratschenschlüssel – gemäß Merkmale a) und a4) – in eine wiederum rotierende Leistungsabgabebewegung versetzt.

bb)

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass nach dem englischsprachigen Anspruchs-wortlaut zwischen der Angabe für die Eingabebewegung „two alternative modes of input motion“ einerseits und der Angabe für die Ausgabebewegung „one motion“ unterschieden werde, folgt daraus nichts Anderes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass für die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents der Originalwortlaut der Verfahrenssprache, hier also der englische Anspruchswortlaut, maßgeblich ist (vgl. Busse / Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., Art. 2 § 1 IntPatÜG Rn. 10). Indes gebietet die Berücksichtigung des englischen Anspruchswortlauts auch, insoweit den systematischen Zusammenhang zwischen Merkmal a) einerseits und den Merkmalen h) und i) andererseits in die Auslegung einzubeziehen. Die Merkmale h) und i) beschreiben ebenfalls die Ausgabebewegung, und zwar mit der Angabe „unidirectionally“. Aus diesem Zusammenhang folgt daher für die Ausgabebewegung, dass es nach dem Klagepatent darauf ankommt, dass die hin- und hergehende Eingabebewegung in eine („one“) Ausgabebewegung in nur einer Richtung („unidirectionally“) übertragen wird. Hingegen macht das Klagepatent dem Wortlaut nach keine einschränkende Angabe dazu, ob die stets in einer Richtung verlaufende Ausgabebewegung fortlaufend oder von Ruhepausen unterbrochen verläuft.

cc)

Das oben unter aa) dargelegte Verständnis folgt zum anderen auch aus der Beschrei-bung, die gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ, § 14 Satz 2 PatG ebenso wie die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Als gattungsgemäß wird in der Beschreibung (Anlage K 1a, Abschnitt [0015]) die in der US 4,545,XXX offenbarte Vorrichtung angegeben, nämlich eine Vorrichtung, bei der das Antriebsglied in einem primären, herkömmlichen Ratschenmodus angetrieben wird, der demjenigen entspricht, wie er für Ratschen im allgemeinen bekannt ist, nämlich in der Weise (vgl. Anlage K 1a, Abschnitt [0002]), dass hin- und her gehende kreisbogenförmige Bewegungen eines Griffs in einer Ebene senkrecht zur Drehachse des Antriebsgliedes in Bewegungen des Antriebsgliedes in immer dieselbe Richtung umgesetzt werden. Zudem ist bei gattungsgemäßen Ratschenschlüsseln ein sekundärer Ratschenmodus möglich, in dem eine Drehhülse am Griff des Schlüssels gedreht und dadurch das Antriebsglied angetrieben wird (Anlage K 1a, Abschnitt [0015], Seite 3, re. Sp., Zeilen 14 bis 17). Es ist demnach als gattungsgemäß beschrieben, dass zwei Arten (Modi) von Leistungseingabebewegungen den Antrieb des Antriebsgliedes in einer rotierenden Leistungsabgabebewegung in stets dieselbe Bewegungsrichtung bewirken.

dd)

Hierin erschöpft sich allerdings auch der technische Gehalt des Merkmals a). Eine Lehre in der Weise, dass in beiden Modi dieselbe Art von Antrieb bewirkt würde, na-mentlich in der Weise, dass in beiden Modi die Eingabebewegung in der einen Richtung einen Antrieb bewirkte, die Eingabebewegung in der anderen Richtung je-doch nicht, so dass hierdurch hinsichtlich des Antriebsglieds eine Ruhephase in Ab-grenzung zu einer Rotationsphase klagepatentgemäß eintrete, lässt sich dem Klagepatent entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen. Nach dem technischen Sinn und Zweck der klagepatentgemäßen wie auch aller gattungsgemäßen Vorrichtungen dient in beiden Modi der jeweilige Ratschenmechanismus dazu, eine hin- und hergehende Rotationsbewegung – die Leistungseingabebewegung – in eine in nur eine Richtung ausgeübte Rotationsbewegung – die Leistungsabgabebewegung – zu übertragen und damit auf das Werkstück, beispielsweise das Befestigungselement (vgl. Anlage K 1a, Abschnitt [0001]), einwirken zu lassen. Diese Möglichkeit der Übertragung einer Hin- und Herbewegung in eine Bewegung in immer dieselbe Richtung ist beispielsweise Voraussetzung dafür, Ratschenschlüssel in beengten Platzverhältnissen einzusetzen, in denen die Anwendung eines herkömmlichen Schraubenschlüssels deshalb schwierig ist, weil aufgrund des Platzmangels der Schraubenschlüssel nach einer gewissen Teildrehung abgesetzt und wieder neu angesetzt werden müsste, während der Ratschenschlüssel zurückgedreht werden kann, ohne das Werkstück zurückzudrehen. Wird beim Zurückdrehen des Ratschenschlüssels hingegen das Werkstück in derselben Richtung wie beim Hindrehen weitergedreht, sei es in beiden von zwei möglichen Modi oder nur in einem, erfüllt dies den genannten technischen Sinn und Zweck in sogar besonders guter Weise.

b)

Demnach erfüllen die angegriffenen Ausführungsformen Merkmal a). Wie anhand des zu allen angegriffenen Ausführungsformen unstreitig baugleichen, zur Akte ge-reichten Musters (Anlage K 8) erkennbar, bewirkt eine Drehung der Griffhülse gleich-viel in welche Richtung eine Drehung des Antriebsglieds in stets dieselbe (zuvor ge-wählte) Richtung. Dies gilt zwar nicht für eine Drehung am Griff der angegriffenen Ausführungsformen um die Achse, um die sich auch das Antriebsglied dreht, denn in diesem Modus bewirkt nur die Leistungseingabe-Drehung in eine Richtung eine Dre-hung des Antriebsgliedes, während bei einer Drehung in die entgegengesetzte Richtung die Ratsche „ausrastet“, also die Ratschen-Klinke hörbar über die Nutin-nenfläche rutscht. Das steht aus den oben unter a) ausgeführten Gründen einer Verwirklichung des Merkmals a) aber nicht entgegen, da in beiden Modi jeweils eine Bewegung des Antriebsgliedes in immer dieselbe (zuvor gewählte) Richtung bewirkt wird.

2.

Auch Merkmal a4), gemäß dem die Übertragung der Leistungseingabebewegung in eine intermittierende Leistungsabgabebewegung erfolgt, ist verwirklicht.

a)

Dieses Merkmal ist aus fachmännischer Sicht dahingehend auszulegen, dass die Leistungsabgabebewegung aufgrund der begrenzten Reichweite der manuellen Leistungseingabebewegung in einem der beiden Modi nicht ununterbrochen bewirkt werden kann, sondern vielmehr von Ruhepunkten unterbrochen ist. Dieses techni-sche Verständnis folgt wiederum zunächst aus dem Anspruchswortlaut, welcher die Angabe einer „intermittierenden“ Bewegung enthält, in welche das Antriebsglied in beiden Modi versetzt wird. Zu Recht stellt die Klägerin insoweit auf das allgemeine Sprachverständnis ab, von dem abzuweichen das Klagepatent auch hier keinen An-lass bietet. Im Englischen, der Verfahrenssprache des Klagepatents und damit der maßgeblichen Sprache für die Auslegung und Schutzbereichsbestimmung des Klagepatents (vgl. Busse / Keukenschrijver, a.a.O.) bedeutet „to intermit“ – zurückgehend auf die lateinische Wurzel „intermittere“ – ins Deutsche übersetzt „unterbrechen“ oder „aussetzen“. Diese Angabe nimmt der Fachmann also in der Weise ernst, dass er es als klagepatentgemäße Funktion versteht, dass das Antriebsglied nicht in eine durchgehende Bewegung versetzt wird, sondern die Be-wegung von Ruhepausen oder -punkten unterbrochen wird. In diesem Zusammen-hang wird der Fachmann berücksichtigen, dass bei gattungsgemäßen Ratschen-schlüsseln eine solche Ruhepause zwangsläufig dadurch eintritt, dass die Leis-tungseingabebewegung eine manuelle und damit in jeder Richtung eine begrenzte ist. Physiologisch ist es nicht möglich, die Hand und damit den manuell bedienten Ratschenschlüssel endlos in eine Richtung zu drehen. Sobald der Freiheitsgrad der Handbewegung erschöpft ist, muss die Bewegung umgekehrt und in umgekehrter Richtung, wiederum bis zur Erschöpfung des Freiheitsgrades ausgeübt werden. Der Umkehrpunkt, an dem der Freiheitsgrad jeweils erschöpft ist, erzwingt auf diese Weise einen Stillstand der Leistungseingabebewegung und damit zugleich der vom An-triebsglied ausgeführten Leistungsausgabebewegung. Die in diesem Sinne inter-mittierende Rotationsbewegung des Antriebsgliedes ist somit allen gattungsgemäßen Ratschenschlüsseln gemein.

Auch hinsichtlich dieses Merkmals kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass das Klagepatent eine darüber hinausgehende technische Lehre enthalte, näm-lich in der Weise, dass eine intermittierende Bewegung bedeute, dass nur eine Be-wegungsrichtung der Eingabebewegung in eine Abgabebewegung übertragen wer-den dürfe. Für diese Einschränkung bietet das Klagepatent entgegen der Auffassung der Beklagten keinen Anhaltspunkt. Wie oben unter 1.a) ausgeführt ist es der Vorzug gattungsgemäßer Ratschenschlüssel, eine hin- und hergehende Eingabebewegung, also Bewegungen in beide mögliche Richtungen, in eine Abgabebewegung in eine einzige (vorher gewählte) Richtung zu übertragen; gerade dies ermöglicht den Einsatz eines Ratschenschlüssels auch unter schwierigen Platzbedingungen. Unschädlich für den technischen Sinn und Zweck ist es daher, wenn sowohl die Eingabebe-wegung in die eine wie in die andere Richtung jeweils zur selben Abgabebewegung in immer dieselbe Richtung führt.

Soweit die Beklagte auf eine Erläuterung in der Beschreibung des Klagepatents ver-weist, wonach im zweiten Betriebsmodus eine Antriebsrichtung gegeben ist, in der die Welle gekuppelt ist, und eine entgegengesetzte Richtung, in der die Hülse abgekuppelt ist (Anlage K 1a, Abschnitt [0026], Seite 4, re. Sp., Zeile 57 bis Seite 5, li. Sp., Zeile 2) folgt auch daraus keine derartige Beschränkung des Schutzbereichs. Bei dieser Erläuterung handelt es sich alleine um ein Ausführungsbeispiel. Der gegenteiligen, in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2010 vertretenen Auffassung der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Wenn die Beklagte darauf verweist, nach Darstellung der Aufgabe in Abschnitt [0016] der Beschreibung folge ab Abschnitt [0018] die Darstellung der allgemeinen technischen Lehre, während die Ausführungsbeispiele erst ab Abschnitt [0034] dargestellt würden, so dass der Abschnitt [0021] mit der Darstellung eines Ausführungsbeispiels nicht in den Zusammenhang passe, ist dies in sich widersprüchlich. Zwar kann grundsätzlich die Gliederung einer Patentbeschreibung Aufschluss darüber geben, welche Abschnitte die allgemeine Erfindungslehre betreffen, und welche sich auf Ausführungsbeispiele beschränken. Dass dies in der Beschreibung des Klagepatents nicht der Fall ist, zeigt eben Abschnitt [0021], in dem – anderes vertritt auch die Beklagte nicht – ein Ausführungsbeispiel erläutert ist. Dafür, dass dieses Ausführungsbeispiel gleichsam nur ein Einschub in der ansonsten fortgesetzten Darstellung der allgemeinen Erfindungslehre sei, ist nichts ersichtlich und von der Beklagten auch nichts vorgebracht. Demnach ist gerade nicht anzunehmen, dass der Aufbau der Be-schreibung einen Beleg dafür bietet, dass Abschnitt [0026] eine allgemeine Lehre ent-hält. Ebenso ist der Beklagten darin zu widersprechen, wenn sie meint, die Abschnitte [0022ff.] könnten schon deshalb keine Ausführungsbeispiele sein, weil sie keinen Eingang in die Figuren der Patentschrift oder in Unteransprüche gefunden hätten. Nicht jedes Ausführungsbeispiel muss zwingend in einer Figur dargestellt oder einem abhängigen Unteranspruch beansprucht sein. Ein Ausführungsbeispiel ist indes grundsätzlich nicht geeignet, den Schutzbereich zu beschränken, es sei denn, es seien – hier nicht gegebene – Umstände erkennbar, aufgrund derer das Ausführungsbeispiel die einzige ausführbare Ausführungsform verkörpere. Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich (und auch nichts von der Beklagten dafür vorgebracht), dass nur bei einer Gestaltung gemäß diesen konkreten Erläuterungen zum Aufbau einer Ratschenvorrichtung derjenige technische Erfolg erzielt wird, der erfindungsgemäß mit den gemäß dem Anspruch des Klagepatents bezeichneten Mitteln erreicht werden soll (vgl. BGH GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe).

Ferner ergibt sich die von der Beklagten geltend gemachte Beschränkung des Schutzbereichs auch nicht aus einer Abgrenzung der technischen Lehre des Klagepatents gegenüber dem Stand der Technik. Das Klagepatent kritisiert die in der US 4,699,XXX, in der US 2,206,XXX und in der US 4,592,XXX gelehrten Vorrichtungen deshalb als nachteilhaft weil sie zum einen zu komplex und mit zu vielen Einzelteilen ausgeführt sind, und weil bei ihnen zum anderen das gesamte Drehmoment über ein einziges Kegelritzel übertragen wird (Anlage K 1a, Abschnitt [0012], Seite 3, linke Spalte, Zeilen 21 bis 29). Die Kritik des Klagepatents richtet sich nicht gegen Vorrichtungen, bei denen jede der beiden möglichen Richtungen der Eingabebewegungen eine Abgabebewegung in immer dieselbe Richtung bewirkt. Dies fügt sich darin ein, dass eine solche Möglichkeit aus den oben genannten Gründen sogar vorteilhaft und gerade nicht nachteilhaft ist. Die Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik betrifft demnach nicht solche Vorrichtungen, bei denen das erwünschte Ziel – Bewegung des Antriebsgliedes durch Eingabebewegungen in beliebiger Richtungen – mit einer vorteilhaften Konstruktion – geringe Komplexität, keine abnutzungsträchtige Belastung eines einzelnen Teils – erreicht werden kann.

Schließlich ergibt sich diese Beschränkung auch nicht aus der sprachlichen Differen-zierung zwischen einer oszillierenden und einer kontinuierlichen Bewegung. Zum einen nimmt das Klagepatent eine solche Differenzierung, anders als die Beklagte meint, nicht mit dem semantischen Gehalt vor, dass eine oszillierende Bewegung eine unterbrochene, also: intermittierende Bewegung ist, ein kontinuierliche Bewegung hingegen eine ununterbrochene. Die von der Beklagten insoweit angeführte Beschreibungspassage (Anlage K 1a, Abschnitt [0010], Seite 3, li. Sp., Zeilen 2 bis 7), in der die Funktionsweise der aus der US 2,206,XXX vorbekannten Vorrichtung erläutert wird, lautet:

„Zum Drehen des Leistungsabgabe-Antriebsglieds wird die Welle in dem Griff os-zillierend angetrieben, was unter dem Einfluss der Ratschenklinken zu einer konti-nuierlichen Drehung des Leistungsabgabe-Antriebsgliedes in einer Richtung führt.“ (Hervorhebungen hinzugefügt)

Das Begriffspaar „oszillierend – kontinuierlich“ kennzeichnet in diesem Zusammen-hang insofern einen Gegensatz, dass einer Hin- und Herbewegung des Griffs und der Welle die Bewegung des Antriebsglieds in immer dieselbe Richtung gegenüber gestellt wird. Für die Annahme einer kontinuierlichen Bewegung ist es demnach un-erheblich, ob sie von Ruhepausen unterbrochen wird, vielmehr ist die Kontinuität der Richtung der Bewegung gemeint.

Zum anderen betrifft diese Beschreibungspassage nur die Erläuterung des Standes der Technik, nicht aber die der allgemeinen technischen Lehre des Klagepatents. Sie ist daher auch aus diesem Grunde nicht geeignet, Aufschluss über die Terminologie in der technischen Lehre des Klagepatents Auskunft zu geben.

b)

Demnach verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen Merkmal a4) unge-achtet dessen, dass bei ihnen eine Drehung der Griffhülse in beliebige Richtung eine Drehung des Antriebsgliedes in immer dieselbe Richtung bewirkt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass diese vorteilhafte Funktion durch einen zu komplexen Aufbau oder eine übermäßige Belastung eines einzelnen Bauteils erreicht wird. Vielmehr wird, wie Figur 7 des die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsformen zeigenden US 6,457,XXX (Anlage B 4) erkennen lässt, bei den angegriffenen Ausführungsformen die aus dem Kegel-Antriebsringritzel (Bezugszeichen nach dem Klagepatent: 21) und dem Kegelritzel (25) bestehende Baugruppe gespiegelt. Auf beiden Seiten des Antriebsgehäuses wird ein Kronenrad eingesetzt (in der US 6,457,XXX mit Bezugszeichen 27 und 27‘ gekennzeichnet), so dass beide Kronenräder mit der Ritzel am Ende der Welle (in der US 6,457,XXX mit Be-zugszeichen 221 für die Ritzel und 22 für die Welle gekennzeichnet) kämmen. Durch eine Verdoppelung des Klinkenmechanismus, nämlich dessen Ausführung für jedes der beiden Kronräder, wird in beiden Bewegungsrichtungen der Welle jeweils eines der gegenläufig rotierenden Kronräder gekoppelt und das andere entkoppelt. Diese Konstruktion lässt weder eine nachteilhafte Komplexität noch eine Aufnahme des gesamten Drehmoments durch ein Kegelritzel erkennen.

Daraus folgt ein Weiteres: Selbst wenn, entgegen den Darlegungen oben unter a), die Erläuterungen in Abschnitt [0026] das Klagepatents kein Ausführungsbeispiel beträfen, sondern eine Beschreibung der allgemeinen technischen Lehre enthielten, ergäbe sich daraus gleichwohl die Verwirklichung dieser technischen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform. Denn auch bei dieser wird im zweiten Betriebsmodus in der einen Antriebsrichtung die Welle über eine Ratscheneinrichtung gekuppelt und in der entgegengesetzten Antriebsrichtung über dieselbe Ratscheneinrichtung entkuppelt. Die Besonderheit der angegriffenen Ausführungsform liegt in der Ausführung zweier entgegengesetzt wirkender Ratscheneinrichtungen, von denen die eine kuppelt, wenn die andere entkuppelt. Die in dem genannten Abschnitt beschriebene Wirkungsweise wird durch die angegriffene Ausführungsform somit doppelt verwirklicht, jedoch für jede der beiden Antriebsrichtungen in jeweils entgegengesetzter Weise.

III.

Aus der Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents folgen die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin. Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß Art. 64 Abs.1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie als Fachunternehmen die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Be-nutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu verset-zen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht hat die Beklagte außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg). Hinsichtlich der Angebotsempfänger ist der Beklagten von Amts wegen ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger; Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rn. 783f.).

IV.

Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht in Betracht.

Nach Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transport-fahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhe-bung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechts-streit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.

Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn entweder das prozessuale Ver-halten der Klägerin eindeutig ihre Interessen hinter die der Beklagten zurücktreten lässt und/oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Ver-nichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Letzteres wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen In-stanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Hiernach ist eine Aussetzung vorliegend nicht veranlasst. Die Beklagte stützt ihre Nichtigkeitsklage allein darauf, dass die technische Lehre des Klagepatents in Anse-hung einer Kombination der WO 92/07XXX A1 (Anlage K 4, im Nichtigkeitsverfahren eingeführt als Anlage NK5 / Entgegenhaltung D1) mit der EP 0 486 XXX A1 (Anlage B 5, im Nichtigkeitsverfahren eingeführt als Anlage NK10 / Entgegenhaltung D2) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zwar ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Schriften nicht möglich, weil es die Beklagte entgegen der Auflage im Beschluss der Kammer vom 24. November 2009 (Bl. 41 GA) und unter Missachtung von § 184 Satz 1 GVG versäumt hat, zu diesen Schriften vollständige deutsch-sprachige Übersetzungen vorzulegen. Dass es indes an einer hinreichend großen Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Nichtigkeitsklage fehlt, lässt sich gleichwohl aus zwei Umständen ablesen: Zum einen sind die beiden Entgegenhaltungen jeweils im Erteilungsverfahren geprüft und in der Beschreibung des Klagepatents als Stand der Technik gewürdigt worden, ohne dass dies eine Erteilung des Klagepatents als geprüftes technisches Schutzrecht gehindert hätte. Zum anderen hat die Beklagte hinsichtlich des Anlasses, den der Fachmann für die genannte Kombination gehabt haben müsste, lediglich vorgebracht (Nichtigkeitsklage vom 21. Juni 2010, Anlage B 7, Seite 17, mittlerer Absatz), auch die WO 92/07XXX zeige einen Antriebsring mit zwei Klinken, weswegen eine „Anpassung der Mechanik und der Bauweise“ zur Aufnahme einer primären Ratscheneinrichtung nicht notwendig sei. Das lässt einen hin-reichenden Anlass zur Kombination deshalb nicht mit überwiegender Wahrschein-lichkeit erkennen, weil nicht dargetan ist, dass der Fachmann Anlass gehabt hätte, allein aufgrund der Ausführung zweier Klinken eine Kombination mit einer Vorrich-tung gemäß der die EP 0 486 XXX zu bilden, in der die Klinken unterschiedlichen Modi der Leistungseingabebewegung zugeordnet sind.

V.

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin die Klage, soweit sie ursprünglich auch gegen die Fa. D GmbH gerichtet war, wirksam zurückgenommen hat. Die teilweise Rücknahme des Belegvorlageantrags gegenüber der Beklagten hat sich indes nicht auf die Kostenentscheidung ausgewirkt.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Der Beklagten war nicht gemäß ihrem Hilfsantrag nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Die Beklagte hat keine Umstände dafür dargetan, dass ihr die Vollstreckung der Klägerin einen nicht zu ersetzenden Nachteil gemäß § 712 Abs. 1 ZPO bringen würde.