Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2745
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. März 2018, Az. 4a O 1/17
- I. Die Klage wird abgewiesen.
- II. Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, an den Beklagten ausstehende Lizenzgebühren aus dem Lizenzvertrag vom 08.04./ 18.05.2011 für die Zeit vom 01. April 2016 bis zum 15. Juli 2016 in Höhe von EUR 0,27 netto pro verkauftem Erfindungserzeugnis zuzüglich Zinsen in Höhe von 6 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01. August 2016 soweit das Quartal 01. April 2016 – 30. Juni 2016 und seit dem 01. November 2016, soweit der Zeitraum vom 01. Juli 2016 bis zum 15. Juli 2016 betroffen ist;
- III. Auf die Widerklage wird die Klägerin weiter verurteilt:
- 1. Dem Beklagten eine Abschlussrechnung zu erteilen über die in dem Zeitraum vom 18.05.2011 bis zum 15.07.2016 verkaufte Stückzahl des Erfindungserzeugnisses und die sich daraus ergebenden Lizenzgebühren;
- 2. Dem Beklagten vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von EUR 984,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2017 zu zahlen.
- IV. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
- V. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 95 % und der Beklagte zu 5 %.
- VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 2.500,-. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags leistet.
- T a t b e s t a n d
- Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Rückzahlung vertraglicher Lizenzgebühren, der Beklagte macht widerklagend Zahlungs- und Auskunftsansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend.
- Der Beklagte meldete am 09.05.2007 das Gebrauchsmusters DE 20 2007 006 XXX U1 (im Folgenden auch: DE ‘XXX) an. Das Gebrauchsmuster mit dem Titel „Abdeckung für Unterputz-Einbauteil in der Elektroinstallation“ gelangte am 26.07.2007 zur Eintragung. Anspruch 1 lautet wie folgt:
- „Abdeckung für Unterputz-Einbauteile in der Elektroinstallation, wobei die Abdeckung aufbringbar ist auf den Unterputz-Einbauteilen zu deren Schutz bei Renovierungsarbeiten, dadurch gekennzeichnet, dass die Abdeckung (1, 201, 301) derart dimensioniert ist, dass diese die Unterputz-Einbauteile in deren eingebautem Zustand überdeckt, wobei die Abdeckung (1, 201, 301) Befestigungsmittel (7, 8, 9, 10; 207, 208, 209, 210; 307, 308, 309, 310) aufweist zur Befestigung der Abdeckung (1, 201, 301) an den Unterputz-Einbauteilen.“
- Wegen des weiteren Inhalts des Gebrauchsmusters wird auf die Gebrauchsmusterschrift (auszugsweise als Anlage K1 vorgelegt) Bezug genommen. Das Schutzrecht ist am 31.05.2011 wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschen.
- Unter Inanspruchnahme der Priorität der DE‘XXX meldete der Beklagte am 08.05.2008 das europäische Patent 1 990 XXX A2 (im Folgenden zur Bezeichnung der Anmeldung auch: EP‘XXX A2) mit dem Titel „Abdeckung für Unterputz-Einbauteil in der Elektroinstallation und Verwendung der Abdeckung“ an. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 12.11.2008. Anspruch 1 der Patentanmeldung lautet wie folgt:
- „Abdeckung für Unterputz-Einbauteile in der Elektroinstallation, wobei die Abdeckung aufbringbar ist auf den Unterputz-Einbauteilen zu deren Schutz bei Renovierungsarbeiten, dadurch gekennzeichnet, dass die Abdeckung (1, 201, 301) als Formteil ausgebildet ist und derart dimensioniert ist, dass diese die Unterputz-Einbauteile in deren eingebautem Zustand überdeckt, wobei die Abdeckung (1, 201, 301) Befestigungsmittel (7, 8, 9; 207, 208, 209, 210; 307, 308, 309, 310) aufweist zur Befestigung der Abdeckung (1, 201, 301) an den Unterputz-Einbauteilen.“
- Anspruch 6 sieht einen Verwendungsanspruch der geschützten Abdeckung vor. Wegen des weiteren Inhalts der Anmeldung wird auf die Offenlegungsschrift Bezug genommen (Anlage K2).
- Am 24.02.2010 reichte der Beklagte eine modifizierte Fassung des Anspruchs 1 der europäischen Patentanmeldung ein, der wie folgt lautet (Die Unterstreichungen kennzeichnen die Modifikationen):
- „Abdeckung für Unterputz-Einbauteile in der Elektroinstallation, wobei die Abdeckung aufbringbar ist auf den Unterputz-Einbauteilen zu deren Schutz bei Renovierungsarbeiten, wobei die Abdeckung (1, 201, 301) als Formteil ausgebildet ist und derart dimensioniert ist, dass diese die Unterputz-Einbauteile in deren eingebautem Zustand überdeckt, wobei die Abdeckung (1, 201, 301) Befestigungsmittel (7, 8, 9, 10; 207, 208, 209, 210; 307, 308, 309, 310) aufweist zur Befestigung der Abdeckung (1, 201, 301) an den Unterputz-Einbauteilen, dadurch gekennzeichnet, dass die Befestigungsmittel Magnete (7, 8, 9, 10; 207, 208, 209, 210; 307, 308, 309) sind.“
- Die Klägerin unterzeichnete am 08.04.2011 eine schriftliche Vereinbarung, mit welcher sie eine ausschließliche Lizenz zur Nutzung von „Vertragsschutzrechten“ von dem Beklagten erhalten sollte (§ 1 Abs.1 des Vertrags, Anlage K5).
- Ziffer 2 der Präambel des Dokuments definiert die in § 1 in Bezug genommenen Vertragsschutzrechte wie folgt:
- „Vertragsschutzrechte sind das oben genannte Gebrauchsmuster [gemeint ist das Gebrauchsmuster DE‘XXX] im Umfang des zur europäischen Patentanmeldung modifizierten Anspruchs 1 sowie das angemeldete Schutzrecht [gemeint ist die Anmeldung EP’XXX A2] […].“
- Daneben bezieht die Definition auch weitere, zukünftig im In- und Ausland noch anzumeldende Schutzrechte ein, die jedoch unstreitig nicht existieren.
- Zum Hintergrund der Vereinbarung heißt es in Ziffer 3 der Präambel:
- „Erfindungserzeugnis ist die „Abdeckung für Unterputzeinbauteile in der Elektroinstallation“ wie sich dies aus der in Anlage 1 anhängenden europäischen Patentanmeldung mit dem im Prüfungsverfahren modifizierten Anspruch 1 ergibt.
- Die Lizenznehmerin beabsichtigt, das Erfindungserzeugnis in einer magnetischen Ausführungsform exklusiv herzustellen oder herstellen zu lassen und zu vermarkten.“
- Im Gegenzug für die Lizenzerteilung sollte die Klägerin ausweislich § 4 Ziff. 1 der Vereinbarung Lizenzgebühren in Höhe von 0,27 € netto pro verkauftem Erfindungserzeugnis zahlen.
- § 15 Nr. des Vertrags lautet auszugsweise:
- „Der Lizenzgeber gewährleistet, daß der Rechtsstand der Vertragsschutzrechte den Angaben in diesem Vertrag entspricht. […]. Der Lizenzgeber leistet keine Gewähr für den künftigen Rechtsbestand der Vertragsschutzrechte.“
- § 16 Nr. 1 des Vertrags sieht ein Kündigungsrecht für die Klägerin wie folgt vor:
- „Der Lizenznehmerin steht beim Erlöschen oder der Nichtigerklärung eines Vertragsschutzrechts das Recht zu, innerhalb von drei Monaten nach Eintragung des Erlöschens oder der Nichtigkeit im Register eine Anpassung der Lizenzgebühren zu verlangen oder den Vertrag mit sofortige Wirkung zu kündigen.“
- § 18 Nr. 1 letzter Satz enthält ein Kündigungsrecht der Parteien wie folgt:
- „Im Falle der rechtskräftigen Schutzversagung eines Vertragsschutzrechts können die Parteien den Vertrag jederzeit fristlos kündigen.“
- Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf die schriftliche Vereinbarung (Anlage K5) verwiesen.
- Am 18.04.2011 erhielt der Beklagte einen ersten, die europäische Patenanmeldung EP‘XXX A2 betreffenden Prüfbescheid, ausweislich dessen das Europäische Patentamt (nachfolgend: EPA) den Gegenstand der Anmeldung aufgrund der US-Patentschrift 2 855 XXX für nicht neu hielt. Auf den als Anlage K7 vorliegenden Prüfbescheid wird wegen seines genauen Inhalts verwiesen.
- Am 18.05.2011 unterzeichnete auch der Beklagte das Vertragsdokument (Anlage K5), welches die Klägerin bereits am 08.04.2011 unterzeichnet hatte.
- Mit Eingabe vom 16.08.2011 (Anlage K8) reagierte der Beklagte auf den Prüfbescheid des EPA vom 18.04.2011 (Anlage K7), indem er als Schutzgegenstand der Anmeldung allein die Verwendung einer Abdeckung für Unterputz-Einbauteile beanspruchte. Wegen der genauen Formulierung der geänderten Ansprüche 1 – 5 wird auf das Schreiben vom 16.08.2011 (Anlage K8) verwiesen.
- Die Klägerin zahlte vom 15.12.2011 bis zum 19.04.2016 die nunmehr von ihr zurück begehrten Lizenzgebühren wie folgt:
- Während des Zeitraums, in welchem die Klägerin die Lizenzzahlungen leistete, veräußerte sie 66.468 ihrer Produkte mit der Bezeichnung „A E Steckdosenabdeckung“.
- Am 11.12.2013 (Anlage K9) erhielt der Beklagte einen zweiten Prüfbescheid zur EP‘XXX A2, mit welchem die Neuheit auch etwaiger Verwendungsansprüche für die Abdeckung für Unterputz-Einbauteile abgelehnt wurde. Auf die ihm zur Erwiderung gesetzte Frist reagierte der Beklagte nicht, woraufhin mit Bescheid vom 20.05.2014 (Anlage K10) der Rechtsverlust nach Regel 112 (1) Ausführungsordnung zum EPÜ (im Folgenden: AO EPÜ) festgestellt wurde. Daraufhin wurde am 01.10.2014 im Patentregister veröffentlicht, dass die Anmeldung seit dem 29.08.2014 als zurückgenommen gilt (vgl. Auszug des Patentregisters, Anlage B2).
- Mit Schreiben der A B C GmbH vom 12.07.2016 (Anlage K11) und vom 19.08.2016 (Anlage K12), auf deren Inhalt jeweils Bezug genommen wird, erklärte Herr D, ein Mitarbeiter der A B C GmbH, an der vertraglichen Vereinbarung vom 08.04./ 18.05.2011 nicht mehr festhalten zu wollen und forderte den Beklagten zur Rückzahlung der bisher gezahlten Lizenzen in Höhe der Klageforderung auf.
- Mit Schreiben vom 26.08.2016 (Anlage K13) wies der Beklagte das Schreiben der A B C GmbH vom 19.08.2016 (Anlage K12) unter Berufung auf einen fehlenden Nachweis einer Bevollmächtigung des Erklärenden zurück.
- Daraufhin erklärte Herr D mit Schreiben vom 26.09.2016 erneut die Beendigung des Vertragsverhältnisses und fügte dem Schreiben eine auf ihn ausgestellte Vollmacht der Klägerin bei. Auch dieses Schreiben wies der Beklagte am 28.09.2016 zurück, indem er darauf verwies, dass die Kündigung durch eingeschriebenen Brief habe erfolgen müssen (vgl. Schreiben vom 28.09.2016, Anlage K15). Per Einschreiben/Rückschein (Anlage K16) erklärte die Klägerin am 25.11.2016 erneut eine Kündigung des Vertragsverhältnisses sowie eine Anfechtung desselben.
- Die Klägerin behauptet, was der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, sie habe bis Juli 2016 keine Kenntnis von dem negativen Prüfbescheid im Hinblick auf die europäische Patentanmeldung EP‘XXX A2 gehabt. Die bestehende Möglichkeit zur Einsichtnahme in die elektronische Akte des Prüfverfahrens habe sie nicht wahrgenommen, weil sie hierzu keine Veranlassung gehabt habe. In diesem Zusammenhang ist sie der Auffassung, der Beklagte habe sie bereits mit Zugang des ersten Prüfbescheids am 28.04.2011 darüber informieren müssen, dass der Rechtsstand der Vertragsschutzrechte sich nachteilig verändert habe.
- Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund der ausgebliebenen Mitteilung über den Verlauf des Prüfungsverfahrens der EP‘XXX A1 stehe ihr ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu, der darauf gerichtet sei, die bisher von ihr gezahlten Lizenzgebühren zu erstatten. Denn in diesem Fall hätte sie von dem ihr zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch gemacht.
- Daneben stehe ihr ein Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Lizenzgebühren auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zu. Der Vertrag sei unter anderem deshalb nicht wirksam, weil der Beklagte sie bei Vertragsschluss getäuscht habe.
- Die Klägerin beantragt:
- Den Beklagten zu verurteilen, an sie Euro 21.356,15 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.12.2016 zu zahlen.
- Der Beklagte beantragt:
- Die Klage abzuweisen;
- Weiter beantragt der Beklagte mit dem der Klägerin am 26.04.2017 zugestellten Schriftsatz widerklagend:
- 1. Festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, an ihn ausstehende Lizenzgebühren aus dem Lizenzvertrag vom 08.04./18.05.2011 für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 28.11.2016 in Höhe von EUR 0,27 netto pro verkauftem Erfindungserzeugnis zuzüglich Zinsen in Höhe von 6 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.08.2016 soweit das Quartal 01. April 2016 – 30. Juni 2016, seit dem 01.11.2016 soweit das Quartal 01.Juli 2016 – 30. September 2016, und seit dem 01.01.2017 soweit der Zeitraum 01.Oktober 2016 bis 28.November 2016 betroffen ist, zu zahlen;
- 2. Hilfsweise zu dem Antrag Ziff. 1:
Festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, an den Beklagten Wertersatz in Höhe von EUR 0,27 netto pro verkauftem Erfindungserzeugnis für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 28.11.2016 zu zahlen. - 3. Die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten Auskunft zu erteilen, über den Umfang des Vertriebs des Erfindungserzeugnisses aus dem vorbenannten Lizenzvertrag in dem vorbenannten Zeitraum und zwar unter Angabe der verkauften Stückzahlen aufgeschlüsselt nach Lieferzeiten;
- 4. Die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten eine Abschlussrechnung zu erteilen über die in dem Zeitraum vom 18.05.2011 bis zum 28.11.2016 verkaufte Stückzahl des Erfindungserzeugnisses und die sich daraus ergebenden Lizenzgebühren;
- 5. Die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von EUR 984,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- Die Klägerin beantragt:
- Die Widerklage abzuweisen.
- Der Beklagte ist der Auffassung, er sei zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, die Klägerin über das Prüfungsverfahren für die EP‘XXX A2 zu informieren.
- Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung habe frühestens durch Schreiben vom 25.11.2016 (Anlage K16), ihm, dem Beklagten, zugegangen am 28.11.2016 erfolgen können, weshalb ihm auch für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 28.11.2016 noch Lizenzgebühren zu zahlen seien.
- Der Klägerin habe jedenfalls bis zum 29.08.2014, dem Zeitpunkt, zu dem die Beendigung des Anmeldeverfahrens (EP‘XXX A2) wirksam wurde, kein Kündigungsgrund zugestanden.
- Die von einem Dritten ausgestellten Kündigungen vom 12.07.2016 (Anlage K11) und vom 19.08.2016 (Anlage K12) seien bereits deshalb unwirksam, weil ihnen ein Nachweis über die Bevollmächtigung des Dritten durch die Klägerin nicht beigefügt gewesen sei. Die Kündigung vom 29.09.2016 (Anlage K14) erfülle das vereinbarte Formerfordernis (per Einschreiben) nicht.
- Die Klägerin habe aber auch einen Schaden in Form der Lizenzzahlungen nicht erlitten, weil sie ihr Produkt exklusiv habe wirtschaftlich verwerten können.
- Der Beklagte erklärt zudem hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die ihm seiner Ansicht nach wegen der – im Falle der Vertragsauflösung – zurück zu gewährenden Gebrauchsvorteile für die Zeit bis zum 28.11.2016 zusteht.
- Des Weiteren erhebt der Beklagte, soweit die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche die Zeit vom 18.05.2011 bis Ende 2013 betreffen, die Einrede der Verjährung.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Urkunden und Anlagen sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 20.02.2018 verwiesen.
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die Klage hat keinen Erfolg (dazu unter A.).
Die Widerklage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (dazu unter B.). - A.
Die zulässige Klage ist unbegründet. - Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Lizenzgebühren weder unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (dazu unter Ziff. I. und Ziff. II.) noch unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten zu (dazu unter Ziff. III.). Da der als Hauptforderung geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht besteht, besteht auch der Zinsanspruch nicht (dazu unter Ziff. IV.).
- I.
Der Klägerin steht kein auf Rückzahlung der Lizenzgebühren gerichteter Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB zu. - 1.
Auch bereits vor Vertragsabschluss können Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB aufgrund der Vertragsanbahnung entstehen, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch (culpa in contrahendo) nach sich ziehen kann. Solche Pflichten können insbesondere in Form von Aufklärungspflichten bestehen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 77. Auflage, 2018, § 311, Rn. 40). - Bei derartigen Pflichten hat eine Partei die andere unaufgefordert über Umstände zu informieren, die dieser unbekannt, aber für ihre Entscheidungen bei Zustandekommen oder Durchführung des Schuldverhältnisses erheblich sind (Schulze, in: Schulze, BGB, Kommentar, 9. Auflage, 2017, § 241 Rn. 7). Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine allgemeine Aufklärungspflicht im Rahmen vertraglicher Verhältnisse nicht besteht. Es ist zunächst die ureigene Pflicht jeder Partei selbst, sich über die allgemeinen Marktverhältnisse und die sich daraus ergebenden Gefahren und Risiken zu informieren (Bachmann, in: Müko, BGB, Kommentar, 7. Auflage, 2016, § 311, Rn. 66). Ob eine Pflicht zur Aufklärung besteht, richtet sich nach dem jeweiligen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere nach Art und Gegenstand des Geschäfts (Schulze, a.a.O.). Auch der Erfahrungs- und Wissensabstand zwischen den Parteien spielt eine Rolle (Schulze, a.a.O.).
- Kommt es durch die fehlende oder fehlerhafte Aufklärung zum Abschluss eines wirksamen, aber nachteiligen Vertrags können Ansprüche aus c.i.c bestehen in diesem Zusammenhang insbesondere dann, wenn die pflichtwidrig unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung derart auf die Willensbildung des Geschädigten eingewirkt hat, dass es gerade dadurch zum Abschluss des Vertrags gekommen ist (Grüneberg, a.a.O.). In Folge dessen kann der Schadensersatzanspruch insbesondere in der Rückgängigmachung bzw. in der Anpassung des Vertrags liegen (Grüneberg, a.a.O.).
- Beendet wird das vorvertragliche Schuldverhältnis mit dem Abbruch der Verhandlung oder mit dem Abschluss des Vertrags (Grüneberg, ebd., § 311, Rn. 25). Nach Abschluss des Vertrages ist Grundlage für die Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB nicht mehr das Rechtsverhältnis der Vertragsanbahnung, sondern der Vertrag (a.a.O.).
- 2.
Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte eine vorvertragliche Pflicht verletzt hat. - Eine objektive Pflichtverletzung kann weder in der fehlenden Aufklärung über den Inhalt des ersten Prüfbescheids vom 18.04.2011 (dazu unter lit. a)), noch in der Unterschriftsleitung des Beklagten am 18.05.2011 (dazu unter lit. b)), noch in der (konkludenten) Erklärung, der Rechtsstand der Vertragsschutzrechte entspreche dem in der Präambel der streitgegenständlichen Vereinbarung festgelegten, gesehen werden (dazu unter lit. c)).
- a)
Insbesondere kann eine Verletzung einer dem Beklagten obliegenden Pflicht nicht darin erblickt werden, dass dieser die Klägerin nicht über den Inhalt des ersten Prüfbescheids vom 18.04.2011 (Anlage K7) unterrichtete. - Denn in dem Zeitpunkt, in dem eine Mitteilung über die Beurteilung der fehlenden Neuheit durch das EPA frühestmöglich hätte erfolgen können, nämlich bei Kenntnisnahme von dem Prüfbescheid auf Seiten des Beklagten (28.04.2011), hatte die Klägerin eine sie gem. § 145 BGB bindende Willenserklärung zum Abschluss des Vertrags bereits abgegeben, so dass eine pflichtwidrige Einwirkung auf die Willensentschließung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war.
- Insoweit kann auch die Rechtsprechung, wonach der Lizenzgeber zum Schutz der Entschließungsfreiheit des Vertragspartners diesen über ernste Zweifel an der Möglichkeit der Erfüllung seiner Verschaffungspflicht unterrichten muss (m. w. Nachw., Ullmann/ Deichfuß, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 15, Rn. 156), bzw. über Zweifel an der Erteilungsfähigkeit eines angemeldeten Schutzrechts (OLG Karslruhe, Urt. v. 11.07.2012, Az.: 6 U 114/11, S. 7, zitiert nach BeckRS 2012, 17772; OLG Naumburg, Urt. v. 26.06.2014, Az.: 9 U 130/13, S. 5, zitiert nach BeckRS 2016, 01862) hier nicht ohne weiteres herangezogen werden. Denn diese betrifft stets Fallgestaltungen, bei denen die Willensbildung des Vertragspartners – anders als vorliegend – noch nicht abgeschlossen ist.
- b)
Eine objektive Pflichtverletzung liegt auch nicht darin, dass der Beklagte mit seiner Unterschriftsleistung am 18.05.2011 den Abschluss des Vertrages herbeiführte. - aa)
Die Partei eines sich anbahnenden Vertrages trifft grundsätzlich eine vorvertragliche Pflicht, zu überprüfen, ob die eigene Leistung, die Gegenstand des Vertrags ist, tatsächlich auch erbracht werden kann. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 311a Abs. 2 BGB. Denn nach der genannten Vorschrift besteht eine Schadensersatzpflicht des Schuldners dann, wenn dieser ein bei Vertragsschluss vorliegendes Leistungshindernis im Sinne von § 275 BGB schuldhaft nicht kennt (Grüneberg, ebd., § 311a, Rn. 6). - Vorliegend verpflichtete sich der Beklagte gem. § 1 Ziff. 1 des Vertrags (Anlage K5) dazu, der Klägerin ein Nutzungsrecht an der am 12.11.2008 offengelegten EP’XXX A2 einzuräumen. Dies war ihm auch nach der Mitteilung des EPA vom 18.04.2011, dass die Lehre der EP’XXX A2 in der am 24.02.2010 eingereichten modifizierten Fassung nicht als neu erachtet werden könne, noch möglich. Insbesondere bestand die europäische Patentanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch. Denn sie galt erst seit dem 29.08.2014 (vgl. Anlage B2) als zurückgenommen. Die spätere Versagung des Patents auf eine bekannt gemachte Anmeldung lässt den Bestand des Lizenzvertrags für die Zeit bis zur rechtskräftigen Versagung des Patents unberührt (BGH, GRUR 1969, 677 (678) – Rüben-Verladeeinrichtung; Ullmann/ Deichfuß, ebd., § 15, Rn. 197).
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Parteien in dem Vertrag vereinbarten, dass eine Lizenz an dem Gebrauchsmusters DE‘XXX im Umfang des modifizierten Anspruchs 1 der EP‘XXX A2 eingeräumt werden soll.
- Denn diese Vereinbarung ändert nichts daran, dass das Gebrauchsmuster bzw. die Anmeldung als solche Gegenstand der Lizenzeinräumung sind. Die Beschränkung der Nutzungserlaubnis im Hinblick auf das DE‘XXX auf den modifizierten Anspruch 1 sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden lediglich dem Ergebnis des Rechercheberichts Rechnung tragen. Vertragsgegenstand sollte aber das eingetragene bzw. angemeldete Schutzrecht bleiben, welches auch bei Unterzeichnung des Vertrages durch den Beklagten noch bestand.
- bb)
Dem Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er die Klägerin durch die Vertragsunterzeichnung in ein Rechtsverhältnis drängte, von welchem diese sich bei Kenntnis von dem Inhalt des ersten Prüfbescheids unmittelbar hätte wieder lösen können. - Ein solches Loslösungsrecht ist vorliegend weder auf der Grundlage des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrags noch nach den gesetzlichen Regelungen ersichtlich.
- (1)
Das Kündigungsrecht nach § 16 Ziff. 1 des Vertrages bzw. das Recht auf Vertragsanpassung nach § 16 Ziff. 2 des Vertrages knüpft an das Erlöschen, die Nichtigerklärung oder die Beschränkung eines Vertragsschutzrechts an. Das Kündigungsrecht nach § 18 Ziff. 1 letzter Satz des Vertrages besteht für den Fall, dass ein Vertragsschutzrecht rechtskräftig versagt worden ist. Diese Fallgestaltungen sind mit der hier in Streit stehenden Konstellation, in dem das EPA in einem Prüfbericht die Neuheit der angemeldeten Lehre verneint, nicht vergleichbar, weil diese Konstellation nicht gleichermaßen endgültig ist. - (2)
Auch ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 18 Ziff. 4 des Vertrages (Anlage K5) i. V. m. § 314 BGB kann hier nicht angenommen werden, weil es insoweit an einem wichtigen Grund fehlt. - Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags für den Kündigenden unzumutbar machen (Grüneberg, ebd., § 314, Rn. 7). Im Allgemeinen müssen die Kündigungsgründe im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen; andernfalls ist eine fristlose Kündigung nur ausnahmsweise gerechtfertigt (a.a.O). Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und dem Gesetz (a.a.O.).
- Nach dieser Maßgabe berechtigt der erste Prüfbescheid des EPA die Klägerin nicht zur Kündigung des Vertragsverhältnisses mit dem Beklagten.
- (aa)
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Nutzungsrechtseinräumung an einer Patentanmeldung aus der Sicht des Lizenznehmers als gewagtes Geschäft darstellt (für den Verkauf einer Patentanmeldung: Moufang, in: Schulte, PatG, Kommentar, 10. Auflage, 2017, § 15, Rn. 27), dem das Risiko immanent ist, dass es nicht zur Erteilung des Schutzrechts kommt. - Mit Abgabe ihrer Willenserklärung am 08.04.2011 nahm die Klägerin die bis dato bestehende Unsicherheit über die Erteilung des Patents auf Grundlage der EP’XXX A2 sowie das Risiko der Nichterteilung in Kauf. Gem. § 145 BGB ist derjenige, der einem anderen die Schließung eines Vertrages anträgt, an diesen Antrag gebunden. Die anbietende Klägerin bedarf insoweit grundsätzlich keines Schutzes durch Einräumung eines Kündigungsrechts. Dies widerspricht der typischen Risikoverteilung, in den Fällen, in denen eine Lizenz an einer Anmeldung für ein Patent, nicht an dem erteilten Schutzrecht, eingeräumt wird. Das Risiko, das es bei der Lizenz über eine Schutzrechtsanmeldung nicht zur Erteilung kommt, trägt der Lizenznehmer (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2006, Az.: 4a O 243/03, S. 7, lit. c), aa), zitiert nach BeckRS 2009, 06686; Ullmann/Deichfuß, ebd., § 15, Rn. 197).
- Gleiches gilt, soweit der Lizenzvertrag die Einräumung einer Nutzungsberechtigung an dem Gebrauchsmuster erfasste. Auch insoweit lag das Risiko, dass dieses nicht schutzfähig ist, bei der Klägerin. Denn eine gewisse Unsicherheit im Hinblick auf die Schutzfähigkeit ist dem Gebrauchsmuster als nicht geprüftem Schutzrecht immanent (BGH, GRUR 1977, 107 (109) – Werbespiegel).
- (bb)
In diesem Zusammenhang kann auch dem vorvertraglichen Verhalten des Beklagten nicht entnommen werden, dass dieser in besonderem Maße das Vertrauen in die Patentfähigkeit der angemeldeten Lehre geschürt hat. - Insoweit hat er in seiner Email vom 26.07.2010 (Anlage K21) zwar mitgeteilt:
- „Ich selbst mache mir keine Sorgen um die Erteilung.“
- Damit wollte der Beklagte aber aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers erkennbar keine Zusage über die Wahrscheinlichkeit einer Patenterteilung treffen, insbesondere eine solche nicht garantieren. Denn der Beklagte machte gleichzeitig deutlich, dass die Entscheidung des EPA auch für ihn nicht absehbar sei, indem er weiter ausführte:
- „Ob es jemals einen wirklichen Patentschutz geben wird, entscheidet das EU-Patentamt, […].“
- (cc)
Dass von der Klägerin übernommene Risiko findet schließlich auch bereits in der vertraglichen Konzeption eine hinreichende Berücksichtigung, wie die nach § 16 des Vertrags und nach § 18 des Vertrags eingeräumten Kündigungsmöglichkeiten zeigen. Danach soll jedoch – wie bereits ausgeführt – eine Loslösung von dem Vertrag erst für den Fall möglich sein, indem der Wegfall eines Vertragsschutzrechts endgültig war. Dies zeigt, dass die Vertragsparteien die Nichterteilung des Patents vor Augen hatten, diesem Umstand jedoch erst dann Rechnung tragen wollten, wenn dies feststeht. Auch dies spricht dagegen, der Klägerin eine frühere Lösungsmöglichkeit von dem Vertrag einzuräumen. - (dd)
Eine andere Bewertung könnte dann angezeigt sein, wenn die EP‘XXX A2 oder das DE‘XXX aufgrund des Inhalts des Prüfbescheids auch von den Wettbewerbern nicht mehr geachtet worden wären. Insoweit ist anerkannt, dass sich ein Lizenznehmer schon dann von dem Lizenzvertrag lösen kann, wenn das lizenzierte Patent zwar noch nicht für nichtig erklärt, seine Vernichtbarkeit aber doch offenbar oder zumindest wahrscheinlich geworden ist und das Patent deshalb seine bisherige geschäftliche Wirkung eingebüßt hat (vgl. dazu BGH, GRUR 1969, 409 (411) – Metallrahmen; Grabinski, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 22 GbrMG, Rn. 3)). - Dies ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Die Klägerin genoss über die Laufzeit des Vertrages vielmehr eine tatsächliche Vorzugsstellung.
- Der Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass die Klägerin bis zur Einstellung der Lizenzzahlungen (nach dem 19.04.2016) 66.468 Produkte verkaufte. Der Beklagte hat auch seine Erfindung nicht verwertet und sie auch Dritten nicht zur Verwertung zur Verfügung gestellt. Ein der Erfindung entsprechendes Konkurrenzprodukte existierte nicht auf dem Markt. Auch ist ein Löschungsverfahren nicht durchgeführt worden, das Gebrauchsmuster stand vielmehr bis zu dem Ablauf seiner Schutzdauer am 31.05.2017 in Kraft. Aus dem pauschalen Vortrag der Klägerin, sie habe das Produkt nicht exklusiv vertreiben können, ergibt sich demgegenüber kein entscheidungserheblicher Gegenvortrag dahingehend, dass es zu einer wirtschaftlichen Verwertung des Produkts nicht gekommen ist.
- (3)
Unbeschadet dessen, dass das bei Dauerschuldverhältnissen bestehende Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 314) jedenfalls nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Vorschriften über den Wegfall der Geschäftsgrundlage dann verdrängt, wenn es um die Auflösung des Vertrags geht (vgl. zum Meinungsstand, Grüneberg, ebd., § 313, Rn. 14), fehlt es vorliegend aus den zu § 314 BGB dargelegten Gründen auch an einem Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB. - c)
Eine objektive Pflichtverletzung liegt auch nicht darin begründet, dass der Beklagte durch seine Unterschrift konkludent erklärte, dass der Rechtsstand der Vertragsschutzrechte den Angaben in dem Vertrag entspricht, § 15 Ziff. 1 Satz 1 des Vertrags (Anlage K5). - Der von § 15 Ziff. 1 Satz 1 des Vertrags (Anlage K5) in Bezug genommene Rechtsstand findet sich in Ziffer 1 und Ziffer 2 der Präambel des Vertrags, wonach die Vertragsschutzrechte durch das DE’XXX sowie die EP’XXX A2 gebildet werden, beschrieben. In dieser Form waren die Vertragsschutzrechte auch im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung durch den Beklagten am 18.05.2011 noch existent.
- II.
Der Klägerin steht auch ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 BGB wegen der Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten durch den Beklagten nicht zu. - 1.
Zwischen den Parteien bestand aufgrund der schriftlichen Vereinbarung (Anlage K5), die die Klägerin am 08.04.2011 und der Beklagte am 18.05.2011 unterzeichneten, auch ein wirksames Vertragsverhältnis. - Insbesondere stellt sich der Vertrag weder unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung (dazu unter lit. a)) noch aufgrund kartellrechtlicher Erwägungen (dazu unter lit. b)) als nichtig dar.
- a)
Die Vereinbarung vom 08.04./ 18.05.2011 ist nicht wegen Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 BGB unwirksam. - Die Wirkung einer Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein Anfechtungsgrund besteht. Die Klägerin bringt vor, sie sei durch den Beklagten getäuscht worden, in dem dieser sie über den Inhalt des ersten Prüfberichts des EPA vom 18.04.2011 nicht unterrichtet habe. Dies begründet jedoch keinen Anfechtungsgrund gem. § 123 Abs. 1 BGB.
- Die genannte Vorschrift setzt ihrem Wortlaut nach voraus, dass die arglistige Täuschung den Getäuschten zur Abgabe der Willenserklärung veranlasst. Der Getäuschte muss durch die Täuschungshandlung in einen Irrtum versetzt und damit wiederum zur Abgabe der Willenserklärung „bestimmt“ worden sein (Armbrüster, in: Müko, BGB, Kommentar, 7. Auflage, 2015, § 123 Rn. 20). Dies setzt denklogisch voraus, dass die Täuschung der Abgabe der Willenserklärung zeitlich vorausgeht (a.a.O.).
- Dem Beklagten könnte vorliegend allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen vorgeworfen werden, weil er den Inhalt des ersten Prüfbescheids nicht mitteilte. Im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung durch die Klägerin am 08.04.2011 lag jedoch der erste Prüfbericht, über den der Beklagte die Klägerin nicht unterrichtete, noch gar nicht vor. Es kann deshalb in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob insoweit eine Aufklärungspflicht des Beklagten bestand.
- b)
Eine Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses gem. § 134 BGB aufgrund des Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorgaben (§§ 1, 2 GWB, Art. 2 TT-GVO) besteht nicht. - Vertragliche Bindungen des Lizenznehmers in der Freiheit der Benutzung einer geschützten Erfindung für eine Zeit nach dem Erlöschen des Schutzrechts sind nicht statthaft (Ullmann/ Deichfuß, ebd., § 15, Rn. 205).
- Eine solche unstatthafte Bindung des Lizenznehmers besteht hier jedoch nicht.
- Der streitgegenständliche Vertrag sieht zunächst gem. § 18 Ziff. 1. Satz 1 (Anlage K5) eine Laufzeit von zehn Jahren vor. Eine automatische Verlängerung ist in § 18 Ziff. 1 Satz 2 (Anlage K5) vorgesehen, wobei die Verlängerung durch das Erlöschen des letzten Vertragsschutzrechts begrenzt ist. Für den Fall, dass ein Schutzrecht erlischt oder für nichtig erklärt wird, besteht gem. § 16 Ziff. 1. (Anlage K5) ein außerordentliches Kündigungsrecht. Auf diese Weise kann der Lizenznehmer einer Bindung an seine vertraglichen Pflichten über die Schutzdauer des Vertragsschutzrechts hinaus entgehen.
- 2.
Eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten nach Vertragsabschluss ist nicht dargetan. - Der Beklagte war weder dazu verpflichtet, die Klägerin über den Inhalt des zweiten Prüfbescheids vom 11.12.2013 in Kenntnis zu setzen (dazu unter lit. a)), noch hatte er die Klägerin über die Feststellung der Verfahrensbeendigung am 20.05.2014 bzw. das Wirksamwerden der Verfahresnbeendigung am 29.08.2014 zu informieren (dazu unter lit. b)).
- a)
Eine Pflicht zur Aufklärung über den Inhalt des zweiten Prüfbescheids vom 11.12.2013 (Anlage K9) traf den Beklagten nicht. - Auch insoweit konkretisiert der zweite Prüfbescheid lediglich die von der Klägerin zu tragende Gefahr, die dem Vertragsschluss von Beginn an innewohnte, dass es nämlich aufgrund der Anmeldung EP‘XXX A2 zu einer Patenterteilung möglicherweise nicht kommt. Der Klägerin stand auch ohne eine rechtskräftige Entscheidung über die Schutzrechtsversagung noch kein Kündigungsrecht zu (vgl. dazu unter Ziff. I., 1., lit. b), bb)), weshalb sie ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Mitteilung des Inhalts des zweiten Prüfbescheids gehabt haben könnte.
- b)
Auch musste der Beklagte die Klägerin weder über die Feststellung der Verfahrensbeendigung das EP‘XXX A2 betreffend (Anlage K10) noch über das Wirksamwerden derselben am 29.08.2014 (Anlage B2) aufklären. - Für eine solche Aufklärungspflicht spricht zwar, dass der Klägerin spätestens nach dem Wirksamwerden der Verfahrensbeendigung am 29.08.2014 ein Kündigungsrecht gem. § 18 Ziff. 1. letzter Satz des Vertrags (Anlage K5) zustand. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass die Klägerin selbst einräumt, dass sie in das Prüfungsverfahren über eine vollständige elektronische Akteneinsicht hätte Einblick nehmen können. Soweit sie in diesem Zusammenhang weiter der Auffassung ist, sie habe gutgläubig auf die Eintragung der vereinbarten Vertragsschutzrechte vertrauen dürfen, kann ihr darin nicht gefolgt werden. Aufgrund der Tatsache, dass ein Vertragsschutzrecht nur in Form einer Anmeldung (EP‘XXX A2) vorlag, wusste die Klägerin, dass von einer Patenterteilung nicht zwingend auszugehen war.
- Vor dem weiteren Hintergrund, dass gerade die Klägerin das Risiko des Ausbleibens einer Patenterteilung trug (vgl. dazu unter Ziff. I. 2., lit. b), bb) (2)), hatte sie auch Anlass, den Verfahrensstand des Erteilungsverfahrens regelmäßig abzufragen.
- III.
Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB scheitern bereits deshalb, weil aufgrund des Vertragsverhältnisses vom 08.04.2011/18.05.2011 ein Rechtsgrund für die Lizenzzahlungen für den Zeitraum vom 15.12.2011 bis zum 19.04.2016 vorlag. - Der Vertrag ist weder durch eine Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 BGB von Beginn an nichtig (vgl. dazu unter Ziff. II., 1., lit. a)), noch war er in dem hier erheblichen Rückzahlungszeitraum (15.12.2011 – 19.04.2016) durch Kündigung entfallen. Die streitgegenständlichen Kündigungserklärungen der Klägerin datieren allesamt von einem späteren Zeitpunkt (12.07.2016, 19.08.2016, 29.09.2016 und 28.11.2016).
- Auch ergibt sich die Nichtigkeit des Vertrages nicht aufgrund eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorgaben gem. § 134 BGB (vgl. dazu unter Ziff. II., 1., lit. b)).
- IV.
Da der geltend gemachte Zinsanspruch gem. §§ 288 Abs. 1, 286 BGB von dem Bestand einer Hauptforderung abhängig ist, steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen nicht zu. - B.
Die Widerklage ist zulässig (dazu unter Ziff. I.) und teilweise begründet (dazu unter Ziff. II.). - I.
Die Widerklage ist zulässig. - Insbesondere liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Feststellungsantrag (Antrag Ziff. 1.) erforderliche Feststellungsinteresse vor.
- Da die Lizenzzahlungen, die Gegenstand des Feststellungsantrags sind, der Höhe nach von der von der Klägerin verkauften Produktmenge abhängen, § 4 Ziff. 1. des Vertrags (Anlage K5), ist dem Beklagten die Bezifferung eines Anspruchs auf Zahlung von Lizenzgebühren nicht möglich.
- Da die Klägerin geltend macht, dass das Vertragsverhältnis, aus welchem sie zur Zahlung der Lizenzgebühren verpflichtet war, bereits in dem Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 28.11.2016 nicht mehr bestand, hat der Beklagte auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung eines Zahlungsanspruchs.
- II.
Die Widerklage ist teilweise, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. - Dem Beklagten steht ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren dem Grunde nach für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 15.07.2016 zu (dazu unter Ziff. 1.). In dem Umfang, in dem der Beklagte einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren hat, besteht auch ein vertraglicher Anspruch auf Erteilung einer Abschlussrechnung (dazu unter Ziff. 2.). Daneben steht dem Beklagten auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten gem. §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu (dazu unter Ziff. 3.). Darüber hinaus bestehen auch die geltend gemachten Zinsansprüche in dem Umfang, in dem die Hauptforderungen bestehen (dazu unter Ziff. 4.).
- Soweit der Beklagte hilfsweise, soweit ihm ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren nicht zusteht, die Feststellung eines Anspruchs auf Wertersatz begehrt, steht ihm ein solcher Anspruch nicht zu (dazu unter Ziff. 5.). Auch besteht kein Auskunftsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin (dazu unter Ziff. 6.).
- 1.
Dem Beklagten steht ein Zahlungsanspruch gem. § 311 Abs. 1 BGB i. V. m. § 4 Ziff. 1 des Vertrags (Anlage K5) lediglich für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 15.07.2016 zu. Einen weitergehenden vertraglichen Zahlungsanspruch bis zum 28.11.2016 kann der Beklagte aufgrund der Beendigung des Vertrages durch Kündigung nicht geltend machen. - a)
Die Klägerin ist zur Zahlung der Lizenzgebühren in Höhe von EUR 0,27 pro verkauftem Vertragserzeugnis aufgrund des mit dem Beklagten geschlossenen Vertrags gem. § 4 Ziff. 1. des Vertrags (Anlage K5) grundsätzlich verpflichtet. Der Vertrag ist auch weder gem. § 142 Abs. 1 BGB noch gem. § 134 BGB nichtig (vgl. dazu ausführlich unter Punkt. A., Ziff. II., 1., lit. a)). - b)
Nach dem 15.07.2016 besteht jedoch eine vertragliche Pflicht zur Zahlung der Lizenzgebühren nicht mehr, weil der Vertrag durch die Kündigungserklärung der A-B C GmbH vom 12.07.2016 mit Wirkung zum 16.07.2016 gekündigt worden ist. - aa)
Die Kündigungserklärung vom 12.07.2016 (Anlage K11) ist nicht gem. § 174 Satz 1 BGB deshalb unwirksam, weil ihr eine Bevollmächtigung der die Kündigung erklärenden A B C GmbH nicht beigefügt war. - Nach der genannten Vorschrift ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, dass durch einen Bevollmächtigten – wie vorliegend die A B GmbH – vorgenommen wird, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.
- Dem auf die Kündigung folgenden Schreiben der Beklagten vom 26.08.2016 (Anlage K13) ist jedoch eine Zurückweisung im Hinblick auf das Kündigungsschreiben vom 12.07.2016 (Anlage K11) nicht zu entnehmen. Dieses verhält sich lediglich zu der Kündigungserklärung vom 19.08.2016 (Anlage K12) sowie zu einer Email vom 29.07.2016. Selbst dann, wenn man – was der Kammer problematisch erscheint – in dem Schreiben der Beklagten vom 26.08.2016 eine konkludenten Zurückweisung auch im Hinblick auf die Kündigungserklärung vom 12.07.2016 erblickt, wäre eine solche Zurückweisung nicht mehr unverzüglich im Sinne der Vorschrift des § 174 Satz 1 BGB. Ein Zuwarten von mehr als 1 Woche ab Kenntnis des Empfängers ist ohne Vorliegen besonderer Umstände zu lang (Ellenberger, in: Palandt: BGB, Kommentar, 77. Auflage, 2018, § 174, Rn. 6). Tatsachen, die vorliegend besondere Umstände begründen könnten, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
- bb)
Gem. § 18 Ziff. 1 letzter Satz des Vertrags (Anlage K5) war die Klägerin für den Fall einer rechtskräftigen Schutzversagung eines Vertragsschutzrechts – wie hier spätestens mit Wirksamwerden der Verfahrensbeendigung betreffend die EP‘XXX A2 am 29.08.2014 – jederzeit zur fristlosen Kündigung berechtigt. - Eine zeitliche Beschränkung zur Ausübung des Kündigungsrechts haben die Parteien nicht getroffen. Sofern der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Regelung nach § 18 Ziff. 3. des Vertrages (Anlage K5) verweist, ergibt sich auch daraus eine zeitliche Beschränkung nicht. Zum einen schließt der Passus lediglich eine Kündigung aus, die innerhalb des ersten Jahres nach Vertragsschluss erfolgt, mithin innerhalb des Zeitraums vom 08.04.2011/ 18.05.2011 bis zum 08.04./ 18.05.2012. Die streitgegenständliche Kündigungserklärung erfolgte nach diesem Zeitraum. Zum anderen betrifft diese Beschränkung offensichtlich allein das in § 18 Ziffer 3 niedergelegte Kündigungsrecht für den Fall, dass der Absatz der Vertragsgegenstände wirtschaftlich nicht möglich ist.
- cc)
Die Kündigungserklärung vom 12.07.2016 (Anlage K11) ist dem Beklagten auch unstreitig zugegangen, dies führt bei normalen Postlaufzeiten von drei Tagen zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses ab dem 16.07.2016. - 2.
Soweit der Lizenzvertrag vom 08.04.2011/18.05.2011 (Anlage K5) besteht (bis zum 15.07.2016 einschließlich), steht dem Beklagten ein Anspruch auf Erteilung einer Abschlussrechnung gem. § 6 Ziff. 2. des Vertrags (Anlage K5) zu. - Voraussetzung für die Anspruchsentstehung ist die Beendigung des Vertrags, die – wie unter Ziff. 1. lit. b) ausgeführt – mit Kündigungserklärung vom 12.07.2016 (Anlage K11) erfolgt ist.
- Die Abschlussrechnung hat den gesamten Vertragszeitraum (18.05.2011 bis 15.07.2016) zu umfassen, und insbesondere erkennen zu lassen, welche Lizenzgebühren in den jeweiligen Abrechnungsquartalen (§ 6 Ziff. 1. des Vertrags) angefallen sind. Da die Lizenzgebühren gem. § 4 Ziff. 1 des Vertrags (Anlage K5) von der verkauften Stückzahl abhängig sind, hat die Abrechnung auch Angaben hierzu zu enthalten.
- 3.
Ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB. - a)
Vorliegend hat die Klägerin durch die Geltendmachung der Rückzahlung für die im Zeitraum vom 15.12.2011 bis zum 19.04.2016 geleisteten Zahlungen eine vertragliche Pflicht verletzt. - Die Geltendmachung unbegründeter Ansprüche im Rahmen eines Vertragsverhältnisses stellt sich als Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. BGB dar (BGH, NJW 2009, 1262, Rn. 15 f.; Grüneberg, ebd., § 280, Rn. 27).
- Wie zur Klage unter Punkt A., Ziffer I. – III. ausgeführt steht der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch nicht zu.
- b)
Die Klägerin hat die Pflichtverletzung auch gem. § 276 Abs. 2, § 278 BGB zu vertreten. - Insoweit ist zwar zu beachten, dass ein fahrlässiges Handeln nicht bereits dann vorliegt, wenn eine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist, weil dies regelmäßig nur in einem Rechtsstreit abschließend geklärt werden kann (BGH, NJW 2009, 1262, Rn. 20). Der Vertragspartner entspricht der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt deshalb schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (a.a.O.). Bleibt bei einer so vorgenommenen Plausibilitätskontrolle ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Vertragspartner die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen (a.a.O.).
- Gemessen an diesen Anforderungen hat die Klägerin vorliegend die dem Vertragsverhältnis innewohnende Risikoverteilung außer Acht gelassen, aufgrund derer – wie den Ausführungen zur Klage zu entnehmen ist (vgl. unter Pkt. A., Ziff. I. – III.) – eine Pflichtverletzung unter keinem in Betracht kommenden Aspekt vertretbar erscheint.
- c)
Der Beklagte macht vorliegend geltend, ihm seien durch die Abwehr des auf die Rückzahlung der Lizenzgebühren gerichteten Anspruchs (Schreiben vom 26.08.2016, Anlage K13) patentanwaltliche Kosten entstanden. - aa)
Ein Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 1 BGB erfasst grundsätzlich auch die durch die Hinzuziehung eines Rechts- bzw. Patentanwalts entstandenen Kosten, sofern die Inanspruchnahme eines Rechts- bzw. Patentanwalts erforderlich war (für die Rechtsanwaltskosten: Grüneberg, ebd., § 249, Rn. 57). - Davon ist vorliegend auszugehen.
- Zum einen ist zu berücksichtigen, dass sich die Angelegenheit, die vertragliche mit patentrechtlichen Fragestellungen kombiniert, komplex darstellt. Zum anderen drohte die Klägerin für den Fall, dass eine fristgemäße Rückzahlung der Lizenzgebühren nicht erfolgte, ohne weitere Vorankündigung gerichtliche Schritte an, so dass der Beklagte einer zuverlässigen Bewertung der Sach- und Rechtslage zur Beurteilung, ob er der Zahlungsaufforderung nachkommt, bedurfte.
- bb)
Der Schadensersatzanspruch ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. - Der Beklagte orientiert sich bei dem nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, § 12 Abs. 1 GKG § 51 GKG zu bemessenden Gegenstandswert (EUR 21.356,15) nachvollziehbar an der Höhe des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs. Er setzt des Weiteren eine 1,3 Geschäftsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit an, was der sich aus §§ 13, 14 RVG i. V. m. Teil 3, Abschnitt 3, Nr. 2300 VV RVG ergebenden Regelgebühr entspricht. Eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen kann der Beklagte nach Teil 7 Nr. 7002 VV RVG in Ansatz bringen.
- Ausgehend von einem Gegenstandswert von EUR 21.356,15 und einer 1,3 Geschäftsgebühr ergibt sich dann folgende Berechnung:
1,3 x 742,00 € = 964,60 €
TK-Pauschale = 20,00 €
gesamt = 984,60 € - 4.
Soweit dem Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren (Hauptantrag Ziff. 1.) zusteht (bis zum 15.07.2016), steht ihm auch ein Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von 6 % über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 6 Ziff. 3 Satz 1 des Vertrags (Anlage K5) zu. - Da die Klägerin die das jeweilige Quartal betreffenden Lizenzgebühren jedoch erst innerhalb eines Monats nach Quartalsende zahlen muss (vgl. § 6 Ziff. 3 Satz 2 i. V. m. § 6 Ziff. 1 d. Vertrags), kann, soweit das Quartal April 2016 – Juni 2016 betroffen ist, ein Verzug erst ab dem 01.08.2016, und soweit der Monat Juli 2016 betroffen ist, ein Verzug erst ab dem 01.11.2016 eingetreten sein.
- Soweit dem Beklagten ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zusteht, ergibt sich der Zinsanspruch in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2017 aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- 5.
Dem Beklagten steht für den Zeitraum nach Beendigung des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses (16.07.2016 – 28.11.2016) kein Anspruch auf Wertersatz unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten gem. §§ 812, 818 BGB zu. - Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Wertersatz kommt in Fällen der Benutzung eines gewerblichen Schutzrechts unter zwei Gesichtspunkten in Betracht. Zum einen erkennt die Rechtsprechung einen solchen Anspruch an, wenn eine das Patent/ das Gebrauchsmuster verletzende (mithin rechtswidrige) Benutzungshandlung vorgenommen worden ist (BGH, GRUR 1977, 250 – Kunststoffhohlprofil; ders., GRUR 1982, 301 – Kunststoffhohlprofil II). Es liegt dann regelmäßig ein rechtswidriger Eingriff in den Zuweisungsgehalt des nach § 9 PatG/ § 11 GrbMG gewährten Ausschließlichkeitsrechts vor, § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB. Zum anderen besteht ein bereicherungsrechtlicher Anspruch dann, wenn sich ein Lizenzvertrag als von Beginn an nichtig erweist, durch die Parteien jedoch eine tatsächliche Umsetzung erfahren hat (BGH, GRUR 2002, 787 – Abstreiferleiste). Es liegt dann ein Fall vor, in dem der Lizenznehmer rechtsgrundlos etwas, nämlich eine tatsächliche Vorzugsstellung, aufgrund der Leistung des Lizenzgebers erlangt, § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB.
- An den Voraussetzungen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs in diesem Sinne fehlt es vorliegend.
- Die Klägerin hatte nach Kündigung des Vertrags keine tatsächliche Vorzugsstellung im Hinblick auf das DE‘XXX im Sinne der soeben in Bezug genommenen Rechtsprechung mehr.
- Der Beklagte hat der Klägerin zwar zunächst, zu Beginn des Vertragsverhältnisses, die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit im Hinblick auf die in dem DE‘XXX verkörperte Lehre eingeräumt. Er hat der Klägerin in diesem Zusamemnhang insbesondere Unterlagen zur Verfügung gestellt (§ 3 d. Lizenzvertrags) und keine weiteren Lizenzen an Dritte eingeräumt. In dem Zeitraum, für welche der Beklagte Wertersatz begehrt, war das Vertragsverhältnis jedoch vorliegend bereits beendet. Dazu, dass der Beklagte, dem das Kündigungsschreiben vom 12.07.2016 unstreitig zugegangen ist, der Klägerin nach Zugang der Kündigung weiter eine tatsächlich Vorzugsstellung gewährte, ist nicht hinreichend vorgetragen. Auch kann in dem Überlassen der Unterlagen keine erhebliche Leistung des Beklagten mehr erblickt werden, die unter dem Gesichtspunkt des späteren Wegfalls des Rechtsgrundes nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zurückzugewähren ist. Dies kann bei vorzeitiger Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses zwar für nicht verbrauchte Vorausleistungen erwogen werden (vgl. dazu m. w. Nachw. Sprau, in: Palandt, BGB, Kommentar, 77. Auflage, 2018, § 812, Rn. 26). Vorliegend ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass eine solche Vorausleistung durch Übergabe der Unterlagen vorlag. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Umsetzung der technischen Lehre der DE‘XXX ohne diese Unterlagen nicht möglich war. Des Weiteren handelt es sich bei den überlassenen Unterlagen auch um eine Leistung, die bereits für die Laufzeit des Vertrages bis zum 15.07.2016 zu gewähren war.
- Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts in Form des DE‘XXX eingegriffen hat. Der Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin, dass es dem DE‘XXX aufgrund dessen inhaltlicher Gleichheit mit dem nicht erteilten EP‘XXX an der Schutzfähigkeit fehlt, nicht hinreichend entgegengetreten. In dem Fall der fehlenden Schutzfähigkeit eines eingetragenen Gebrauchsmusters liegt – anders als bei einem eingetragenen Patent – keine geschützte Rechtsposition, in die die Klägerin hätte eingreifen können, vor. Denn die Eintragung eines Gebrauchsmusters begründet lediglich den Rechtsschein des Bestehens eines Gebrauchsmusters (Goebel/ Engel, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 15 GbrMG, Rn. 2). Fehlt es dem eingetragenen Gebrauchsmuster an der Schutzfähigkeit, ist ein Recht tatsächlich nicht zur Entstehung gelangt (Goebel/ Engel, a.a.O.; dies., ebd., § 24 GbrMG, Rn. 1).
- 6.
Dem Beklagten steht kein Anspruch auf Auskunftserteilung zu. - Der Lizenznehmer hat dem Lizenzgeber grundsätzlich, sofern nicht nur eine Einmallizenz vereinbart ist, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen (Ullmann/ Deichfuß, ebd., § 15, Rn. 143 – 145). Die Erfüllung dieser Pflicht dient dazu, den Lizenzgeber über den Umfang der Nutzungshandlungen und die sich daraus ergebenden Lizenzgebühren ins Bild zu setzen (a.a.O.). Sofern eine solche Pflicht nicht ohnehin vertraglich geregelt ist, ergibt sie sich regelmäßig aus § 242 BGB (a.a.O.).
- Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Parteien dem Informationsdefizit des Lizenzgebers durch ein Bucheinsichtsrecht des Beklagten gem. § 5 Ziff. 1 Satz 2 des Vertrages sowie eine Abrechnungspflicht der Klägerin nach § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 des Vertrages Rechnung getragen haben. Weitergehende Auskunftspflichten haben die Parteien nach der vertraglichen Konzeption gerade nicht vorgesehen. Daneben besteht deshalb auch kein Raum für einen gesetzlichen Auskunftsanspruch nach §§ 242, 259 BGB.
- C.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht für den Beklagten auf § 709 Satz 1 ZPO und für die Klägerin auf §§ 708 Nr. 11, 2. Alt., 711 ZPO.
- D.
Der Streitwert wird bis zum 18.04.2017 auf bis zu EUR 22.000,- festgesetzt, und ab dem 18.04.2017 (Zeitpunkt der Einreichung der Widerklage) auf bis zu EUR 30.000,-.