4a O 70/16 – Rollenförderer

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2693

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 21. September 2017, Az. 4a O 70/16

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 136.619,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.05.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 51 % und die Beklagte 49 %; mit Ausnahme der durch die Verweisung entstandenen Kosten. Diese trägt die Klägerin ausschließlich.

Das Urteil ist für die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin macht gegen die Beklagte vertragliche Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht geltend. Grundlage der Schadensersatzansprüche ist die vermeintliche Verletzung des Europäischen Patents EP 1 132 XXX B1 (im Folgenden: Streitpatent), dessen Inhaberin die A B (im Folgenden: Patentinhaberin; vgl. Registerauszug vom 01.04.2016, Anlage K3) ist.

Die Anmeldung des Streitpatents vom 02.03.2001, welches eine Priorität vom 06.03.2000 (AT 1502000) in Anspruch nimmt, wurde am 12.09.2001 offengelegt, der Hinweis auf die Erteilung des Streitpatents am 17.09.2003 veröffentlicht. Gegenstand des Streitpatents ist ein Rollenförderer, wobei Patentanspruch 1 in der deutschen Verfahrenssprache den folgenden Wortlaut hat:

„Rollenförderer mit einer Vielzahl von in einem Rahmen (2) gehaltenen Rollen (3, 6, 13), die mehreren Abschnitten (4) zugeordnet sind und in jedem Abschnitt (4) eine antreibbare und bremsbare Rolle (13) zugeordnet ist, die mit den übrigen Rollen (3) desselben Abschnitts (4) gekuppelt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die antreib- und die bremsbaren Rollen (13) auf je einer feststehenden Achse (15) gehalten sind, auf der auch eine Antriebsrolle (6) gehalten ist, die über eine elektromechanische Kupplung (18‘, 23‘) mit der antreib- und bremsbaren Rolle (13) kuppelbar ist, die ihrerseits mit einer elektromechanischen Bremseinrichtung (18, 23) versehen ist.“

Wegen der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen, die der Anlage K2 als Anlage A beiliegt.

Nachfolgende Figur 1 (verkleinert) zeigt einen schematischen Ausschnitt eines erfindungsgemäßen Rollenförderers 1:

In einem Gestell 2 befindet sich eine Vielzahl von Rollen 3, die in mehrere Abschnitte 4 unterteilt sind. Für den Antrieb wird ein umlaufender Riemen 5 durch zwei Andrückrollen 7 gegen eine Antriebsrolle 6 gedrückt, die mit einer antreib- und bremsbaren Rolle 13 (nicht gezeigt) kuppelbar ist.

Nachfolgende Figur 8 und Figur 9 zeigen eine erfindungsgemäße Ausgestaltung, bei welcher die antreib- und bremsbare Rolle eines Abschnitts 4 sich einerseits in einer Bremsstellung (Figur 8) und andererseits in einer gekuppelten Stellung (Figur 9) befindet:

Die Bremsstellung der antreib- und bremsbaren Rolle 13 in Figur 8 wird dadurch erzeugt, dass ein darin vorgesehener Ringmagnet 18 (mit einer Spule 19) erregt wird, und dann über einen Reibbelag 22 mit einem ringförmigen Anker 23 so zusammenwirkt, dass der Anker an dem Reibbelag anliegt. Es ergibt sich dann ein Reibschluss zwischen dem Reibbelag 22 des Ringmagneten 18 und dem ringförmigen Anker 23. Da der Ringmagnet 18 fest mit der Achse 15 und der Anker 23 drehfest mit dem Ringkörper 25 der Rolle 13 verbunden ist, wird die Rolle 13 über den Reibschluss mit der Achse 15 verbunden und damit festgehalten.

Im Bereich der Antriebsrolle 6 wirken ein Anker 23‘ und ein Ringmagnet 18‘ (mit einer Spule 19‘) in der durch Figur 9 wiedergegebenen gekuppelten Stellung derart zusammen, dass wenn sich die Spule 19‘ des Ringmagneten 18‘ in einem erregten Zustand befindet, der Anker 23‘ an Polflächen der Antriebsrolle 6 anliegt, so dass es zu einem Reibschluss kommt. In diesem Zustand wird die antreib- und bremsbare Rolle 13, da der Anker 23‘ drehfest mit dem Ringkörper 25 der antreib- und bremsbaren Rolle 13 verbunden ist, angetrieben. Die Spule 19 des Ringmagneten 18 ist dann nicht erregt, wodurch die Bremse gelöst ist.

Der deutsche Teil des Streitpatents (DE 501 00 XXX.9) steht in Kraft. Außerdem beansprucht das Streitpatent auch in Österreich Schutz.

Herr C D (nachfolgend: Zedent) stand als Inhaber des Einzelhandelsunternehmens mit der Bezeichnung „E“ mit der Beklagten im Hinblick auf den Aufbau geschäftlicher Beziehungen in Kontakt. Der Zedent und die Beklagte sind insbesondere auf dem Gebiet der Vermarktung und Herstellung von Teilen für Förderanlagen, die im Rahmen von Produktionsprozessen auf vielseitige Art und Weise zum Einsatz gelangen können, tätig.

Dem Zedenten ging es ursprünglich insbesondere um die Entwicklung von Elektromagnet-Kupplungen und -Bremsen durch die Beklagte für seinen Schweizer Kunden „F“. Zu diesem Zweck ließ der Zedent der Beklagten mit E-Mail vom 14.05.2010 (Anlage B1) einen Konstruktionsentwurf zukommen. Hierzu nahm die Beklagte mit E-Mail vom 17.05.2010 (Anlage B2) Stellung und teilte in diesem Zusammenhang unter anderem wie folgt mit:

„Prinzipielle Machbarkeit → Ggf. E.-Magnetbremse und Magnetkupplung verteilt auf separate Rollen (Achtung: Patentschutz A berücksichtigen).“

Mit Email vom 28.11.2011 (Anlage B11) fragte der Zedent bei der Beklagten im Hinblick auf die Gefahr einer Verletzung des Streitpatents wie folgt an:

„[…], anbei noch einmal als Gedankenstütze die Thematik zu den Bedenken seitens meines Kunden bezüglich einer möglichen Patentverletzung für die Kupplungs-Brems-Kombination bei A. Wir haben den nächsten Auftrag über 100 Einheiten vorliegen und wollen mit dem System gerne im Februar 2012 noch mit auf die Messe damit. Deshalb ist eine verbindliche Klärung zwingend notwendig.“

Darauf teilte die Beklagte dem Zedenten mit Schreiben vom selben Tag (Anlage K13) Folgendes mit:

„[…], bei der von Ihnen benannten und aufgezeigten Anwendung handelt es sich um den „externen“ Anbau einer elektromagnetischen Kupplung – Bremse- Kombination an einem Rollenförderer. Das erwähnte Patent bezieht sich aber, unseren Recherchen zur Folge, auf den Einbau und die Integration eines solchen Systems in der Rolle.

Der externe Anbau von Kupplung – Bremse – Kombinationen und, oder, separaten Kupplungen und Bremsen ist seit vielen Jahren marktüblich und wird von diversen Herstellern entsprechend umgesetzt.

Das Haus G kann hier folglich keinerlei Patentverletzungen feststellen!“

Der Zedent traf mit der Beklagten am 07.04.2015 eine als „Rahmenkontrakt“ bezeichnete schriftliche Vereinbarung, die als Anlage K1 vorliegt. Gegenstand des Vertrags war, laut dem schriftlichen Dokument die Lieferung von 5000 konstruierten Kupplungs-Brems-Systemen mit der Bezeichnung „G H (0604170-XXXX)“ der nachfolgend abgebildeten Art (linke Abbildung mit den Beschriftungen der Beklagten; rechte Abbildung mit den Beschriftungen der Klägerin, mit den unterschiedlichen Bezeichnungen ist vorliegend kein Streit über die technische Funktion oder die Ausgestaltung der Teile verbunden.):

Die Beklagte sollte diese an den Zedenten zu einem Einzelpreis in Höhe von EUR 86,- (Gesamtpreis: EUR 430.000,-) in dem Zeitraum vom 07.04.2015 bis 07.04.2016 veräußern. Gegenstand der Vereinbarung waren auch Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, die ebenfalls mit der Anlage K1 vorgelegt worden sind. Von der bestellten Gesamtmenge an Kupplungs-Brems-Systemen erhielt die Klägerin 1.400 und bezahlte diese auch.

Die Kupplungs-Brems-Systeme sind geeignet, in die Rollenbahn einer Rollenförderanlage eingesetzt zu werden, zu diesem Zweck vertreibt der Zedent diese auch, teilweise nimmt er die Montage bei entsprechender Beauftragung durch den Kunden auch selbst vor. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend das Kupplungs-Brems-System in einem in eine Rollenbahn eingebauten Zustand in einer Grobansicht (linke Abbildung) und in einer Detailansicht (rechte Abbildung) wiedergegeben:

Die Rollen der Rollenförderanlage, in welche das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System eingesetzt wird, werden durch Riemen (in der oberen Abbildung mit dem Buchstaben „G“ bezeichnet) unter Zuhilfenahme des Kupplungs-Brems-Systems angetrieben. Dabei wird die – nach der Bezeichnung der Klägerin – Antriebsrolle des Systems (in der obigen Abbildung der Beklagten mit „AR“ bezeichnet) über einen Flachriemen angetrieben. An das Antriebsrad ist eine Riemenscheibe (in der obigen Darstellung der Klägerin als „Drehmomentübertragungsrolle“, in der Darstellung der Beklagten mit „RS“ bezeichnet) ankuppelbar. Daneben grenzt eine von der Klägerin als „Bremse“ bezeichnete Rolle an die Drehmomentübertragungsrolle. Die ankuppelbare Riemenscheibe und die Antriebsrolle sind über einen Bolzen (in der obigen Darstellung der Beklagten mit „B“ bezeichnet) gelagert. Der Lagerblock (von der Beklagten mit „L“ bezeichnet) ist über Schrauben an dem Rahmen des Rollenförderers (in der obigen Abbildung mit „R“ bezeichnet) befestigt.

Im April 2014 erhielt der Zedent eine Berechtigungsanfrage der Patentinhaberin im Hinblick auf die Benutzung des Streitpatents, welche die Patentinhaberin in dem Angebot der streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systeme durch den Zedenten erblickte. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens der Patentinhaberin wird auf dieses (Anlage K2) verwiesen.

Nachdem es trotz Gesprächen zwischen dem Zedenten und der Patentinhaberin nicht zur Erteilung einer Lizenz an dem Streitpatent kam, forderte der Zedent die Beklagte unter anderem mit Schreiben vom 10.11.2015 (Anlage K5), auf das wegen seines genauen Inhalts verwiesen wird, zur Beseitigung des Rechtsmangels auf.

Mit Schreiben vom 10.02.2016 (Anlage K10) erklärte der Zedent schließlich gegenüber der Beklagten einen Teilrücktritt wie folgt:

„[…] Aufgrund dessen ist der Bedarf meiner Mandantin an den vertragsgegenständlichen Teilen erheblich zurückgegangen, weshalb meine Mandantin von der derzeit noch offenen Restmenge von 3.600 Stück lediglich noch 600 Stück abrufen wird.

Hinsichtlich der weiteren 3.000 Stück erkläre ich hiermit namens und im Auftrag meiner Mandantin den Teilrücktritt vom o.a. Rahmenvertrag.“

Mit Vereinbarung vom 22.03.2016 trat der Zedent die gegenwärtigen und zukünftigen Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag vom 07.04.2015 an die Klägerin ab. Auf die schriftliche Abtretungsvereinbarung (Anlage K17) wird Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, die Kupplungs-Brems-Systeme der Beklagten würden das Streitpatent mittelbar verletzen.

Insbesondere würden die Rollen des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems im Sinne des Streitpatents in einem Rahmen gehalten.

Bei dem Element des streitgegenständlichen Systems, den die Beklagte in ihrer Abbildung als „Bolzen“ bezeichnet, handele es sich auch um eine feststehende Achse im Sinne des Streitpatents.

Auch sei von dem Rechtsbestand des Streitpatents auszugehen.

Der Zedent habe bei Abschluss des Vertrages mit der Beklagten auch keine Kenntnis von der Verletzung des Streitpatents durch das Kupplungs-Brems-System der Beklagten gehabt.

Aufgrund der Verletzung des Streitpatents könne der Zedent 3000 Stück des Kupplungs-Brems-Systems nicht mehr absetzen. Insbesondere habe der Zedent deshalb eine konkrete Kaufanfrage der I J GmbH über 950 Stück der Kupplungs-Brems-Rollen vom 01.02.2016 (Anlage K15) nicht erfüllen können, weshalb ihm ein Gewinn in Höhe von EUR 151.762,50 € entgangen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß:

1. Die Beklagte zur Zahlung von EUR 151.762,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz pro Jahr ab Eintritt der Rechtshängigkeit an die Klägerin zu verurteilen;

2. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den über den mit dem Klageantrag Ziff. 1. geltend gemachten Schaden hinausgehenden Schaden zu ersetzen, welcher der Fa. E, Inh. C D, Kweg 8a, 63XXX L, weiterhin aus dem Umstand erwachsen wird, dass die gemäß Rahmenkontrakt Belegnummer 40006XXX vom 07.04.2015 zur Lieferung an die Fa. E vorgesehenen antreib- und bremsbaren Rollen mit der Bezeichnung 0604170-XXXX wegen des europäischen Patents 1 132 XXX der Fa. A B GmbH, Mstraße 2 A-4XXX N, von ihr nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verwendet werden dürfen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass von ihr, der Beklagten, zu liefernde Kupplungs-Brems-System verletze die Lehre des Streitpatents nicht.

Bei einem Rollenförderer, in den das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System eingesetzt wird, seien die Antriebsrolle und die antreib- und bremsbare Rolle nicht im Sinne des Streitpatents „in einem Rahmen gehalten“. Denn dies setze voraus, dass sich die Kombination aus Antriebsrolle und antreib- und bremsbarer Rolle über die gesamte Breite des Rahmens erstrecke. Andernfalls könnten diese – anders als von der Lehre des Streitpatents vorgesehen – nicht als Transportrollen fungieren.

Gleiches gelte im Hinblick auf den Bolzen. Dieser könne keine feststehende Achse für die antreib- und bremsbare Rolle im Sinne des Streitpatents bilden, weil auch diese sich – parallel zu den Achsen der Transportrollen verlaufend – über die gesamte Breite des Rahmens erstrecken müsse. Dies ist – unstreitig – bei dem einseitig eingespannten Bolzen des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems nicht der Fall.

Letztlich würde aber auch das Streitpatent einen Nichtigkeitsangriff nicht überstehen.

Der Zedent habe vor dem Hintergrund seiner Kenntnis von dem Streitpatent auch nicht darauf vertrauen dürften, dass das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System nicht in dessen Schutzbereich falle. Dazu gebe insbesondere auch das Schreiben vom 28.11.2011 (Anlage K13) keinen Anlass, in dessen Rahmen die Beklagte nicht habe erkennen lassen, dass sie die Patentsituation fachmännisch habe prüfen lassen, sondern welches lediglich die Einschätzung eines Vertriebsmitarbeiters zu einer patentrechtlichen Fragestellung wiedergebe. Vielmehr sei dem Zedenten das Risiko einer Verletzung des Streitpatents durch das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System bekannt gewesen.

Vor dem Hintergrund des bei dem Zedenten vorliegenden Wissens habe sie auch schon die Lieferung eines Kupplungs-Brems-Systems, welches das Streitpatent nicht verletze, nicht geschuldet.

Des Weiteren sei das Kupplungs-Brems-System nach den Vorgaben des Zedenten gefertigt worden.

Etwaige Schadensersatzansprüche seien auch deshalb nicht entstanden, weil der Zedent der Beklagten die Berechtigungsanfrage nicht rechtzeitig im Sinne von § 377 BGB angezeigt habe.

Des Weiteren sei die Beklagte auch als Miterfinderin des Kupplungs-Brems-Moduls zu dessen Nutzung berechtigt.

Allein aufgrund der bloßen Interessenbekundung der I O GmbH vom 01.02.2016 (Anlage K15) könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese ein verbindliches Angebot im Hinblick auf die Abgabe von 950 Kupplungs-Brems-Systemen habe abgeben wollen.

Des Weiteren betrage der marktübliche Verkaufspreis max. EUR 180,00 pro System.

Aufgrund des zwischen dem 07.04.2015 bis zum 07.04.2016 vereinbarten Lieferzeitraums könnten erstattungsfähige Schäden überhaupt nur innerhalb dieses Zeitraums entstanden sein.

Mit Beschluss vom 29.06.2016 (Bl. 29 GA) hat das Landgericht Braunschweig die Sache wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst beigefügter Anlagen und Urkunden sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 07.09.2017 Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage hat teilweise Erfolg.

Die Klage ist, soweit der Klageantrag Ziff. 1. betroffen ist, zulässig und überwiegend begründet (dazu unter B.). Im Hinblick auf den Klageantrag Ziff. 2. ist die Klage hingegen bereits unzulässig (dazu unter A.).

A.
Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag Ziff. 2. die Feststellung einer über den mit dem Klageantrag Ziff. 1. geltend gemachten Schaden hinausgehenden Schadensersatzpflicht begehrt, ist die Klage unzulässig.

Es fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

Ein solches besteht nur dann, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Greger, in: Zöller, ZPO, Kommentar, 31. Auflage, 2017, § 256, Rn. 7). Bei Verletzung eines absoluten Rechtsguts ist in diesem Zusammenhang für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht ausreichend, wenn eine künftige Schadensfolge (Wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind; auf die Wahrscheinlichkeit weiterer Schäden kommt es hier nicht an. Bei Verletzung einer Norm zum Schutz des Vermögens – wie vorliegend – fehlt es jedoch bereits dann an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, wenn eine Vermögensgefährdung, das heißt die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens, nicht dargetan ist (Gerger, ebd., § 256, Rn. 9). Des Weiteren fehlt es an dem Feststellungsinteresse auch dann, wenn sich dem Kläger die Erhebung einer Leistungsklage als effektivere Rechtsschutzmöglichkeit darbietet (Greger, ebd., § 256, Rn. 7a).

Vorliegend ist bereits auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin nicht erkennbar, dass aufgrund eines etwaigen Rechtsmangels weitere Schäden hinreichend wahrscheinlich drohen. Den Umstand berücksichtigend, dass der Kaufgegenstand in anderen Ländern, für die das Streitpatent keine Wirkung entfaltet, vertrieben werden könnte, und weiter berücksichtigend, dass der Zedent auch Kunden in diesen Ländern, insbesondere der Schweiz, hat, ist von einem weitergehenden Schadenseintritt jedenfalls nicht ohne weiteres auszugehen.

Des Weiteren ist auch nicht ersichtlich, weshalb ein etwaiger weitergehender Schaden nicht bereits in der Form einer bezifferten Leistungsklage geltend gemacht werden kann. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass – was die Klägerin geltend macht – noch nicht absehbar ist, in welchem Umfang der Zedent noch weitere Kundenanfragen im Hinblick auf das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System erhält. Gem. § 252 Satz 1 BGB erfasst ein etwaig zu erstattender Schaden auch den entgangenen Gewinn. Dieser wird gem. § 252 Satz 2 BGB regelmäßig auf der Grundlage eines hypothetischen Geschehensablaufs bemessen, nämlich dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen zu erwartenden Gewinn. Für den hypothetischen Verlauf hat der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs, vorliegend die Klägerin, hinreichend Tatsachen vorzutragen. Auf dieser Grundlage wäre der Klägerin auch vorliegend die Bezifferung eines Schadensersatzanspruchs möglich. Dass sie zur Darlegung des entgangenen Gewinns nicht auf konkrete Kundenanfragen zurückgreifen kann, mag ein Problem im Hinblick auf die sie treffende Darlegung- und Beweislast sein, dies zu beseitigen ist jedoch nicht Sinn und Zweck einer Feststellungsklage.

Der Feststellungsantrag nach Ziff. 2. ist vorliegend auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

Eine solche setzt ein Feststellungsinteresse zwar nicht voraus, ausreichend ist die Vorgreiflichkeit desjenigen Rechtsverhältnisses, welches ohnehin zur Entscheidung des Gerichts steht – was hier aufgrund des Klageantrags Ziff. 1., der auch die Haftung der Beklagten auf Schadensersatz zum Gegenstand hat, der Fall ist. Jedoch bedarf es auch für eine Zwischenfeststellungsklage eines Rechtsschutzbedürfnisses. Sie setzt deshalb voraus, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass die angestrebte Zwischenfeststellung für die Rechtsbeziehungen der Parteien über den Hauptantrag (hier den Klageantrag 1.) hinaus Bedeutung hat oder gewinnen kann (Bacher, in: Vorwerk/ Wolf, Beck’OK, ZPO, § 256, Rn. 45). Vorliegend bestehen jedoch aufgrund der obigen Ausführungen gerade keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Zedenten und der Beklagten weitere Ansprüche zustehen, insbesondere solche, die sie vorliegend nicht bereits im Wege einer bezifferten Leistungsklage geltend machen könnte.

B.
Die Klage ist im Hinblick auf den Klageantrag Ziff. 1. überwiegend begründet.

I.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gem. §§ 398, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB zu, wobei der Anspruch lediglich in Höhe von EUR 136.619,50 besteht. Ein Anspruch auf weitergehenden Schadensersatz (in Höhe von EUR 15.143,-) steht der Klägerin nicht zu.

1.
Die Beklagte tritt der von der Klägerin auf der Grundlage der schriftlichen Vereinbarung vom 22.03.2016 (Anlage K3) vorgetragenen Abtretung des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs durch den Zedenten nicht entgegen.

2.
Zwischen dem Zedenten und der Beklagten bestand jedenfalls ein vertragliches Verhältnis in Form des Rahmenkontrakts vom 07.04.2015 (Anlage K1). Gem. § 325 BGB steht es auch der Geltendmachung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs nicht entgegen, wenn der Gläubiger von diesem zurückgetreten ist.

3.
Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem Rahmenvertrag (dazu unter lit. a)) verletzt, indem sie dem Zedenten – entgegen § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB – auch nach Ablauf einer gesetzten Frist (dazu unter lit. c)) kein uneingeschränktes, das heißt kein von Rechten Dritten freies, Eigentum an den streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systemen verschafft hat (dazu unter lit. b)), mithin im Zeitpunkt des Fristablaufs ein Rechtsmangel vorlag.

a)
Der Beklagten oblag die Pflicht zur Verschaffung unbelasteten Eigentums an der Kaufsache.

aa)
Die Beklagte gewährleistet – in Übereinstimmung mit § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB – gem. Ziff. VIII. 1., Satz 1 ihrer Lieferungs- und Zahlungsbedingungen (Anlage K1, S. 2.), dass ihrer Produkte frei von Rechtsmängeln sind. Es kann dahinstehen, ob daraus ein eigenständiger Anspruch im Sinne einer Garantiehaftung erwächst. Jedenfalls ist der Erklärung bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB zu entnehmen, dass die Beklagte auch eine Patentfreiheit der von ihr vertriebene Produkte schuldet. Dass von der danach grundsätzlich geschuldeten Patentfreiheit durch eine gem. § 305b BGB vorrangig zu beachtende Individualvereinbarung Abstand genommen und die Leistungspflicht der Beklagten insoweit modifiziert wurde, kann nicht angenommen werden.

Eine Abrede darüber, dass die Beklagte aufgrund der Kenntnis von der Existenz des Streitpatents auf beiden vertragsschließenden Seiten nicht dazu verpflichtet war, insoweit lastenfreies Eigentum zu verschaffen, kann weder der von den Parteien vorgelegten Korrespondenz vor Vertragsschluss noch weiteren, diese begleitenden Umständen entnommen werden. Einer Gesamtbetrachtung derselben ist vielmehr zu entnehmen, dass eine Beschränkung der Leistungspflicht der Beklagten von den vertragsschließenden Parteien nicht gewollt war.

Zwar war das Risiko einer Verletzung des Streitpatents beiden Parteien bewusst, der Zedent gab jedoch zu erkennen, dass er diese nicht abschließend zu beurteilen vermochte, während die Beklagte nachdrücklich mitteilte, dass eine Patentverletzung nicht vorliege.

Insbesondere hat die Beklagte mit Email vom 17.05.2010 (Anlage B2) erstmals auf die Gefahr einer Verletzung des Streitpatents hingewiesen. Mit Email vom 28.11.2011 (Anlage K13) hat sie auf Nachfrage des Zedenten mitteilen lassen, dass sie „keinerlei Patentverletzung feststellen könne“. Der Einwand der Beklagten, dass es sich dabei lediglich um die Auskunft eines Mitarbeiters von ihr handelte, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beklagte selbst geht in dem vorgerichtlichen Schreiben vom 26.02.2016 (Anlage K11) davon aus, dass der Mitarbeiter Jung als Vertriebsmitarbeiter dazu geeignet war, „eingehend über das A-Patent“ zu sprechen. Dass die Beklagte auch nicht davon ausgehen konnte, dass es sich bei der Mitteilung vom 28.11.2011 (Anlage K13) aus der Sicht des Zedenten lediglich um eine Kundgabe einer Rechtsauffassung handelte, wird jedenfalls darin deutlich, dass die Mitteilung der Beklagten auf der Grundlage der Nachfrage des Zedenten mit Email vom selben Tag (Anlage B11) erfolgte, in der dieser schrieb:

„[…] anbei noch einmal als Gedankenstütze die Thematik zu den Bedenken seitens meines Kunden bezüglich einer möglichen Patentverletzung für die Kupplungs-Brems-Kombination bei A.
Wir haben den nächsten Auftrag über 100 Einheiten vorliegen und wollen mit dem System gerne im Februar 2012 noch mit auf die Messe damit. Deshalb ist eine verbindliche Klärung zwingend notwendig.“ (Hervorhebung diesseits).

Vor dem Hintergrund der Bedeutung, die die Beantwortung der Frage für den Zedenten danach erkennbar hatte, konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass dieser ihre Rückantwort als unverbindliche Mitteilung einer Rechtsauffassung verstehen würde. Dass die Beklagte dabei nicht offengelegt hat, wie sie zu ihrer Erkenntnis gekommen ist, insbesondere dass dieser keine patent- und rechtsanwaltliche Meinung zugrunde liegt, führt zu keiner anderen Würdigung. Auch musste der Zedent nicht allein deshalb davon ausgehen, dass es sich lediglich um die Mitteilung eines laienhaften Prüfungsergebnisses handelte, weil die Beklagte innerhalb nur weniger Stunden auf die Anfrage des Zedenten reagierte. Aufgrund der Tatsache, dass die Parteien eine Verletzung des Streitpatents bereits im Jahre 2010 vor Augen hatten, musste der Zedent nicht zwingend annehmen, dass die Beklagte mit einer Prüfung der Verletzung des Streitpatents durch das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System erst mit der Anfrage des Zedenten vom 28.11.2011 begann.

Die Email der Beklagten vom 28.11.2011 (Anlage K13) liegt zwar einige Zeit vor dem im April 2015 abgeschlossenen Rahmenvertrag (Anlage K1). Davon, dass sich an der Bedeutung der Patentfreiheit für den Zedenten oder an der Einschätzung der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses etwas geändert hatte, kann jedoch nicht ausgegangen werden, denn die Parteien standen während der gesamten Zeit im Hinblick auf die Entwicklung des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems in Verbindung.

Schließlich ergibt sich vorliegend auch keine andere Würdigung daraus, dass die Kaufsache das Streitpatent lediglich mittelbar verletzt (dazu ausführlich unter lit. b), bb)). Jedenfalls in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall erfasst das Erfordernis der Rechtsmangelfreiheit der Kaufsache auch, dass die Kaufsache das Streitpatent nicht mittelbar verletzt. Denn das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System kann lediglich in einer das Streitpatent verletzenden Art und Weise eingesetzt werden. Zudem wusste die Beklagte auch von dieser Verwendungsart durch die Kunden des Zedenten.

bb)
Der sich aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgrund des Rahmenvertrags ergebende Anspruch war auch fällig und einredefrei.

Aus dem Rahmenkontrakt geht die Vereinbarung einer Leistungszeit nicht hervor, so dass davon auszugehen ist, dass der Zedent die Leistung jederzeit hätte abrufen können, mithin der Anspruch nach Maßgabe von § 271 Abs. 1 BGB auch im Zeitpunkt der hier erfolgten Fristsetzung (10.11.2015) fällig war. Unbeschadet dessen kann aber der Gläubiger in analoger Anwendung von § 323 Abs. 4 BGB auch Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn – wie hier – offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des § 281 BGB im Zeitpunkt der Fälligkeit vorliegen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 76. Auflage, 2017, § 281, Rn. 8a).

b)
Orientiert an den Ausführungen unter lit. a) liegt auch eine Schlechtleistung in Form eines Rechtsmangels vor.

Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (BGH, Urt. v. 18.01.2017, Az.: VIII ZR 234/15, Rn. 16, zitiert nach juris). Danach ist die verkaufte Sache nur dann frei von Rechtsmängeln, wenn in Bezug darauf überhaupt keine Rechte Dritter oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte bestehen und diese die Sache nicht mehr oder höher belasten als vertraglich vorausgesetzt (Weidenkaff, in: Palandt, BGB, Kommentar, 76. Auflage, 2017, § 435, Rn. 6). Dabei muss das Recht, das den Rechtsmangel begründet, tatsächlich bestehen. Die bloße Geltendmachung des behaupteten Rechts durch einen Dritten genügt für sich allein nicht (Weidenkann, ebd., § 453, Rn. 18).

Nach dieser Maßgabe besteht vorliegend ein Rechtsmangel, weil der Vertrieb des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-System das Streitpatent mittelbar wortsinngemäß verletzt.

aa)
In dem von dem Streitpatent eingangs in Bezug genommenen Stand der Technik sind Staurollenbahnen zum durcklosen Speichern und Fördern von Stückgütern bekannt (Abs. [0002] des Streitpatents; Abschnitte ohne Bezeichnung sind im Folgenden solche des Streitpatents). Diese weisen drehbar gelagerte Tragrollen auf, die zu Rollengruppen zusammengefasst sind, wobei in jeder Rollengruppe eine antreibbare und eine bremsbare Rolle vorgesehen sind (Abs. [0002]).

Die Streitpatentschrift nimmt zum einen Bezug auf den Rollenförderer, der Gegenstand des EP 0586 XXX B1 ist, und bei welchem in jeder Rollengruppe eine Motorrolle vorhanden ist, in der ein Elektromotor und ein Planetengetriebe vorliegt, und jede der je einer Rollengruppe zugeordneten Motorrolle einzeln ansteuerbar ist (Abs. [0003]). An diesem vorbekannten Technikstand kritisiert das Streitpatent, dass sich ein relativ hoher Installations- und Schaltungsaufwand sowie im Rahmen des Betriebs relativ hohe Motorströme ergeben würden (Abs. [0004]). Auch seien die Motorrollen nicht arretierbar und das mit diesen erzielbare Bremsmoment sei im Wesentlichen durch das Planetengetriebe bestimmt (Abs. [0004]).

Zum anderen nennt das Klagepatent den Rollenförderer aus der EP 0446 992 B1 als vorbekannt, bei dessen Rollenantriebseinrichtung der Antrieb und die Arretierung der antreib- und bremsbaren Rollen ausschließlich über innerhalb der Rolle angeordnete pneumatisch betätigte Elemente erfolgen würde (Abs. [0005]). Im Hinblick auf diesen Stand der Technik seien ein relativ hoher Installations- und Schaltungsaufwand sowie ein hoher Energiebedarf und eine erhebliche Geräuschentwicklung beim Schalten der Pneumatikelemente nachteilig (Abs. [0006]).

Vor dem Hintergrund des dargestellten Stands der Technik nimmt es sich das Streitpatent zur Aufgabe (technisches Problem), einen verbesserten Rollenförderer bereitzustellen, der einen einfachen Aufbau aufweist (Abs. [0007]).

Dies wird durch einen Rollenförderer im Sinne des Anspruchs 1 umgesetzt, der nach den folgenden Merkmalen strukturiert werden kann:

Rollenförderer

1.1. mit einer Vielzahl von in einem Rahmen (2) gehaltenen Rollen (3, 6, 13),

1.1.1. die mehreren Abschnitten (4) zugeordnet sind, und

1.2. in jedem Abschnitt (4) eine antreibbare und bremsbare Rolle (13) zugeordnet ist,

1.2.1. die mit den übrigen Rollen (3) desselben Abschnittes (4) gekuppelt ist,

1.3. wobei die antreib- und bremsbaren Rollen (13) auf je einer feststehenden Achse (15) gehalten sind,

1.3.1. auf der auch eine Antriebsrolle (6) gehalten ist,

1.3.2. die über eine elektromechanische Kupplung (18‘, 23‘) mit der antreib- und bremsbaren Rolle (13) kuppelbar ist,

1.3.3. die ihrerseits mit einer elektromechanischen Bremseinrichtung (18, 23) versehen ist.

bb)
Angebot und Lieferung des Kupplungs-Brems-Systems verletzten das Streitpatent, dessen Rechtsbestand anzuerkennen ist (dazu unter Ziff. (2)), im Sinne von § 10 PatG mittelbar (dazu unter Ziff. (1)), ohne dass die Beklagte zur Nutzung berechtigt ist (dazu unter Ziff. (3)).

(1)
Nach § 10 Abs. 1 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindungen berechtigten Personen, Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Diese Voraussetzungen sind in dem Fall, in dem der Zedent das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System an seine Kunden, bei denen dieses mit einem Rollenförderer in Verbindung gebracht wird, anbietet und liefert, erfüllt.

(a)
Das Kupplungs-Brems-System ist ein Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG, welches sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, und das zur Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland objektiv geeignet ist.

Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH, GRUR 2004, 758 (761) – Flügelradzähler). Da der Patentanspruch maßgeblich für den Umfang der geschützten Lehre ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung (a. a. O.), soweit sie nicht ausnahmsweise zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis nichts beitragen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Aber auch ein im Anspruch nicht genanntes Mittel ist wesentlich, wenn es geeignet ist, mit einem wesentlichen, nämlich im Patentanspruch erwähnten Erfindungselement so funktional zusammenzuwirken, dass es zu einer Verwirklichung des Erfindungsgedankens kommt (BGH, 2004, 758 (760 f.) – Flügelradzähler).

Das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System ist, was zwischen den Parteien unstreitig ist, geeignet, mit einem Rollenförderer zusammengebracht zu werden. Dabei stellt es sich auch als wesentliches Mittel dar, weil dieses die Merkmale der Merkmalsgruppe 1.3 verwirklicht, so dass sich bei einer Verbindung des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems mit einem Rollenförderer eine in den Schutzbereich das Streitpatentanspruchs 1 fallende Vorrichtung ergibt.

Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die zwischen den Parteien zu Recht unstreitigen Merkmale, hinsichtlich derer weitere Ausführungen unterbleiben. Das mit einem Rollenförderer zusammengebaute Kupplungs-Brems-System verwirklicht auch die zwischen den Parteien streitigen Merkmale 1.1. (dazu unter (i)) und 1.3. (dazu unter (ii)).

(i)
Der Rollenförderer mit dem streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-System weist eine Vielzahl von in einem Rahmen gehaltenen Rollen auf, wie sie durch Merkmal 1.1. vorgesehen ist.

(α)
Der für die Auslegung gem. Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgebliche Anspruchswortlaut sieht vor, dass die Rollen des Rollenförderers in einem Rahmen gehalten werden, ohne dabei zwischen den unterschiedlichen, in dem folgenden Anspruchswortlaut genannten Rollen (Merkmal 1.2.: „antreibbare und bremsbare Rolle“/ Merkmal 1.2.1.: „sonstige Rollen“/ Merkmal 1.3.1: „Antriebsrolle“) zu differenzieren. Der Fachmann entnimmt dem Wortlaut, dass die Rollen der geschützten Vorrichtung innerhalb des Rahmens angeordnet sind, mithin der Rahmen in gewisser Weise eine äußere Begrenzung für die Rollen vorgibt, ohne den Rahmen im Übrigen näher zu charakterisieren.

Bei der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung erfüllt das Vorrichtungselement in der Form des Rahmens eine ordnende Funktion, indem es zu einer Anordnung der Rollen derart beiträgt, dass mit diesen die dem Rollenförderer zugewiesene Transportfunktion übernommen werden kann. Eine Ordnungsfunktion des Rahmens gelangt in dem Anspruchswortlaut auch dadurch zum Ausdruck, dass innerhalb des Rahmens mehrere Abschnitte gebildet werden (Merkmal 1.1.1.), wobei sich jedem Abschnitt wiederum eine bestimmte Art von Rolle, nämlich die antreib- und bremsbare Rolle (Merkmal 1.2.), zuordnen lässt.

Sofern die Beklagte die Lehre des Streitpatents einschränkend dahingehend versteht, dass sich die Kombination aus Antriebsrolle und antreib- und bremsbarer Rolle über die gesamte Breite des Rahmens erstrecken müsse, kann dies weder dem Anspruchswortlaut noch der dem Merkmal zugrundeliegenden Funktion entnommen werden.

Der Anspruchswortlaut des streitigen Merkmals enthält im Hinblick auf das Verhältnis der Anordnung von Antriebsrolle und antreib- und bremsbarer Rolle keine Vorgaben, weshalb die von der Beklagte geforderte Erstreckung der Kombination der beiden Rollenarten über die gesamte Rahmenbreite sich jedenfalls nicht schon unmittelbar aus dem Anspruchswortlaut herleiten lässt. Die Beklagte führt zwar an, dies ergebe sich daraus, dass die Rollen nach dem Wortlaut des Merkmals „in“, das hieße „innerhalb, und nicht „an“ dem Rahmen gehalten werden. Dieses Verständnis ist jedoch – unter Berücksichtigung des bereits Dargelegten – nicht zwingend.

Aber auch eine funktionsorientierte Betrachtung lässt ein solch einschränkendes Verständnis nicht zu.

Sofern die Beklagte vorträgt, nur so könne der Rollenförderer die ihm zugewiesene Transportfunktion übernehmen, gibt der Anspruchswortlaut schon nichts dafür her, dass die Antriebsrolle und die antreib- und bremsbare Rolle an einem Transport des Stückguts unmittelbar derart mitwirken müssen, dass das Stückgut über diese geführt wird und es dadurch über eine räumliche Distanz weiter befördert wird. Diese Aufgabe wird streitpatentgemäß jedenfalls bereits von den „übrigen Rollen“ im Sinne des Merkmals 3 übernommen. Des Weiteren können die Antriebsrolle und die antreib- und bremsbare Rolle, sofern man diesen eine solche Funktion beimessen will, aber auch dadurch zu einem Transport des Stückguts beitragen, dass diese über die Breite des Rahmen mit einer der „übrigen Rollen“ (Transportrolle) verbunden sind.

Der Wortlaut „in einem Rahmen gehalten“ zwingt auch nicht zu einem Verständnis, wonach der Rahmen eine stützende Funktion, noch dazu für sämtliche, Rollen des geschützten Rollenförderers übernehmen muss. Der Wortlaut kann – wie bereits aufgezeigt – vielmehr auch dahingehend verstanden werden, dass sich die Rollen innerhalb des Rahmens „aufhalten“, mithin „befinden“ bzw. dort „angeordnet“ sind. Auch die Patentbeschreibung gibt eine die Rollen stabilisierende Funktion des Rahmens nicht vor.

Schließlich lässt sich auch aus dem mit der Figur 7 dargestellten Ausführungsbeispiel für eine einschränkende Auslegung nichts herleiten, weil bevorzugte Ausführungsbeispiele die patentgemäße Lehre regelmäßig – so auch hier – nicht beschränken (BGH, GRUR 2008, 779 (Rn. 34) – Mehrgangnabe).

(β)
Unter Berücksichtigung des unter (α) dargelegten Verständnisses wird das Merkmal durch die Zusammensetzung zu dem streitgegenständlichen Rollenförderer verwirklicht. Das Kupplungs-Brems-System wird an den Rahmen angeordnet, so dass dessen Antriebs- und Drehmomentübertragungsrolle (auch antreib- und bremsbare Rolle im Sinne der Lehre des Streitpatents) innerhalb des Rahmens liegen.

Unschädlich ist, dass die Antriebsrolle und die Drehmomentübertragungsrolle sich nicht über die gesamte Rahmenbreite erstrecken, sondern eine einheitliche walzartige Fläche, über welche das Stückgut transportiert werden kann, dadurch gebildet wird, dass die Antriebs- und die Drehmomentübertragungsrolle mit einer verkürzten Transportrolle gekoppelt werden. Daneben erscheint auch bei Zugrundelegen des engen Verständnisses der Beklagten eine Sichtweise möglich, bei welcher die Antreib- und Bremsrolle derart zweistückig ausgestaltet ist, dass die verkürzte Transportrolle als deren Teil zu verstehen ist.

Auch führt es nicht aus dem Schutzbereich heraus, dass das Kupplungs-Brems-System an dem Rahmen des Rollenförderers platziert wird und Teile des Systems dort – wie die Abbildung auf Seite 9 der Klageerwiderung (Bl. 41 GA) vermuten lässt – mit dem Rahmen bündig abschließen. Die Lehre des Streitpatents verlangt nicht, dass sämtliche Teile der Vorrichtung innerhalb des Rahmens liegen, mithin dieser eine vollständige Abgrenzung der Vorrichtungselemente nach außen gewährleistet. Merkmal 1.1. spricht lediglich davon, dass die Rollen in dem Rahmen angeordnet sein sollen.

Schließlich muss der Rahmen auch nicht die Halterung für die antreib- und bremsbare Rolle sowie die Drehmomentübertragungsrolle bilden. Er kann vielmehr auch durch andere Vorrichtungen, wie durch den Lagerblock L und Schrauben an dem Rahmen fixiert werden, insoweit trägt der Rahmen auch sogar zu einer Befestigung bei.

(ii)
Der Rollenförderer mit dem streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-System verwirklicht schließlich auch das Merkmal 1.3.

(α)
Merkmal 1.3. sieht vor, dass die antreib- und bremsbaren Rollen eines jeden Abschnitts je auf einer feststehenden Achse gehalten sind. Die Achse selbst sowie ihre räumlich-körperliche Ausgestaltung werden durch den Anspruchswortlaut nicht weiter vorgegeben, wobei durch den Zusatz „feststehend“ in Abgrenzung zu den streitpatentgemäß vorgesehenen Rollen deutlich wird, dass die Achse eine von der Drehbewegung entkoppelte, unabhängige Einrichtung ist.

Wie der Fachmann den übrigen Merkmalen der Merkmalsgruppe 1.3. entnimmt, dient die feststehende Achse der Herstellung einer mechanischen Verbindung zwischen der antreib- und bremsbaren Rolle sowie der Antriebsrolle (Merkmal 1.3.1. und Merkmal 1.3.2.), wodurch gerade Antrieb und Bremsen der Rolle umgesetzt werden (Merkmal 1.3.3.).

Bei Hinzunahme der Patentbeschreibung und Zeichnung erkennt der Fachmann weiter, dass der Anordnung der antreib- und bremsbaren Rolle auf einer feststehenden Achse eine für den erfindungsgemäß angestrebten Erfolg zentrale Bedeutung zukommt. Sie trägt gerade dazu bei, dass das Abbremsen der antreib- und bremsbaren Rolle über eine in Aufbau und Installation einfache elektromechanische Bremseinrichtung erfolgen kann, wie dies in den Absätzen [0009] und [0010] auch beschrieben wird, indem sie mit der elektromechanischen Bremseinrichtung aus Merkmal 1.3.3. zusammenwirkt.

Dies erhellt sich weiter auch auf der Grundlage des in den Figuren 8 – 10 dargestellten Ausführungsbeispiels, welches die Lehre des Streitpatents zwar nicht beschränkt, wohl aber Anhaltspunkte für die technische Funktion für das Vorrichtungselement offenbaren kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2014 – I-15 U 30/14 – Rn. 92 bei Juris).

Die mit Figur 8 gezeigte Bremsstellung wird durch den in axialer Richtung beweglichen Anker 23 (vgl. Abs. [0026]) und dessen Zusammenspiel mit dem Ringmagneten 18 der antreib- und bremsbaren Rolle 13 eingenommen. Bei diesen handelt es sich um ein bevorzugtes Beispiel einer elektromechanischen Bremseinrichtung im Sinne des Merkmals 1.3.3. Indem der Anker 23 an dem Ringmagneten 18 anliegt, erzeugt er einen Reibschluss (Abs. [0033]). Dieser allein führt jedoch das gewünschte Abbremsen der antreib- und bremsbaren Rolle nicht herbei. Die erfindungswesentliche Fixierung der antreib- und bremsbaren Rolle erfolgt vielmehr dadurch, dass durch den Reibschluss eine Verbindung zu der feststehenden Achse hergestellt wird,

„Dadurch [gemeint ist das Anliegen des Ankers 23 an dem Ringmagneten 18, so dass ein Reibschluss entsteht] wird die Rolle 13 über den Reibschluß mit der Achse 15 verbunden und damit festgehalten.“ (Abs. [0033]; Hervorhebung diesseits),

die, weil sie von etwaigen Drehbewegungen der Rollen entkoppelt ist, einen körperlichen Widerstand bildet, der zu einem Abbremsen der zuvor angetriebenen Rolle führt.

Diese Funktion der feststehenden Achse erfordert nicht erkennbar, dass diese sich in ihrer Breite über den gesamten, von Merkmal 1.1. vorgesehenen Rahmen erstreckt. Die Achse muss in ihren Ausmaßen lediglich soweit reichen, dass sie als Widerstand taugt und eine bremsende Wirkung entfalten kann.

Auch der Wortlaut „Achse“ gibt im Hinblick auf ihre Ausrichtung und Ausmaße nichts vor. Der Begriff ist in dem Gesamtzusammenhang mit den übrigen Merkmalen der Merkmalsgruppe 1.3. nicht im geometrischen Sinne als „axiale“ Erstreckung zu verstehen, sondern dient als Verbindungspunkt für die Herstellung einer mechanischen Verbindung der antreib- und bremsbaren Rolle mit der Antriebsrolle einerseits („gekuppelte Stellung) und einer Verbindung zwischen der antreib- und bremsbaren Rolle mit einer elektromechanischen Bremseinrichtung andererseits („Bremsstellung“). Dabei muss die Möglichkeit bestehen, zwischen diesen beiden Stellungen wechseln zu können,

„Die antreib- und bremsbare Rolle 13 kann daher, je nachdem welche Spule 19, 19‘ der Kupplungseinrichtung bzw. Bremse erregt ist, über die Antriebsrolle 6 angetrieben oder mit der Achse 15 verbunden und damit abgebremst, bzw. blockiert werden.“ (Abs. [0036]).

(β)
Der streitgegenständliche Rollenförderer verwirklicht danach auch Merkmal 1.3. des Streitpatents. Zur Verdeutlichung der folgenden Ausführungen wird nochmals die Abbildung des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems mit den Beschriftungen der Beklagten (links) und denjenigen der Klägerin (rechts) wiedergegeben:

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Antriebs- und die Drehmomentübertragungsrolle (im Sinne einer antreib- und bremsbaren Rolle) auf dem einseitig eingespannten Bolzen B angeordnet sind, so dass zwischen diesen eine Verbindung hergestellt werden kann, durch die die Drehbewegung der Antriebsrolle auf die Drehmomentübertragungsrolle weitergegeben werden kann. Auf diesem ist zugleich eine weitere Rolle angeordnet, die als Bremse fungiert.

(b)
Es ist auch davon auszugehen, dass die Verwendung des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems bei den Abnehmern des Zedenten in streitpatentgemäßer Weise verwendet werden sollen. Die Parteien tragen keine anderen Verwendungsmöglichkeiten vor. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Eignung und die geplante Verwendung für den Zedenten offensichtlich sind.

(2)
Die Beklagte kann sich gegen das Vorliegen eines Rechtsmangels auch nicht damit verteidigen, dass das Streitpatent auf eine Nichtigkeitsklage hin vernichtet werden würde.

Aufgrund der Erteilung des Streitpatents ist zunächst von dessen Bestand auszugehen. Die Beklagte, die schon keine konkreten Rechtsbestandsangriffe vorträgt, geht gegen das Streitpatent auch nicht im Wege einer Nichtigkeitsklage vor, weshalb sie mit etwaigen Einwänden gegen den Rechtsbestand schon aus formalen Gründen nicht durchdringen kann.

(3)
Auch der Vortrag der Beklagten, sie sei als Miterfinderin zur Nutzung des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems berechtigt, steht der Annahme eines Rechtsmangels – unabhängig von der Richtigkeit dieses Vortrags – nicht entgegen.

Unbeschadet der Frage, in welchem Umfang Miterfinder für sich allein berechtigt sind, Dritten Lizenzen an gemeinsamen Rechten einzuräumen oder in den Schutzbereich der patentierten Erfindung fallende Gegenstände zu veräußern (vgl. dazu Melullis, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 6, Rn. 56, 67), hat die Beklagte in Ermangelung einer Eintragung im Patentregister jedenfalls derzeit, ohne dass sie die Vindikation des Streitpatents nach § 8 PatG herbeiführt, keine Rechte an dem Streitpatent, weshalb auch keine Lizenzeinräumung durch sie erfolgen kann.

c)
Der Zedent setzte jedenfalls mit Schreiben vom 10.11.2015 (Anlage K5) eine Frist zur Beseitigung des Rechtsmangels bis zum 27.11.2015. Diese Frist ist erfolglos verstrichen.

4.
Die Beklagte hat die Schlechtleistung in Form des Rechtsmangels auch zu vertreten.

Gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wobei ein Verschulden in diesem Sinne gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet wird.

Bezugspunkt des Verschuldens ist vorliegend der Umstand, dass das Streitpatent durch das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-Systems mittelbar im Sinne von § 10 PatG verletzt wird. Diesen hat die Beklagte zu verschulden, weil sie diesen nicht innerhalb der Frist beseitigt hat, mithin insoweit keine Lizenzerteilung herbeigeführt hat. Die Unmöglichkeit der Herbeiführung einer Lizenzerteilung wird nicht schlüssig vorgetragen. Etwaige Behauptungen der Beklagten beziehen sich lediglich darauf, dass es dem Zedenten nicht möglich war, Lizenzen für Kunden von A-Anlagen zu erlangen. Daraus folgt jedoch keine Unmöglichkeit für die Leistungserfüllung durch die Beklagte im Sinne von § 275 BGB. Das Verhalten der Beklagten stellt sich vor dem Hintergrund, dass sie Bestrebungen zur Herbeiführung einer Lizenzerteilung nicht unternommen hat, auch mindestens als grob fahrlässig dar. Die Beklagte hat auch keine hinreichenden Tatsachen vorgebracht, die sie entlasten.

5.
Die Haftung der Beklagten ist vorliegend auch weder aufgrund gesetzlicher Vorschriften (dazu unter lit. a) und lit. b)) noch aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (dazu unter lit. c)) ausgeschlossen.

a)
Insbesondere greift der gesetzliche Ausschlussgrund des § 442 Abs. 1 BGB vorliegend nicht.

Dabei kann dahinstehen, ob die kaufvertragsrechtliche Vorschrift überhaupt anwendbar ist, wenn – wie hier – in Ermangelung eines Gefahrübergangs lediglich ein Schadensersatzanspruch nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht in Betracht kommt (vgl. hierzu m. w. Nachw. Müko, BGB, Kommentar, 7. Auflage, 2016, 323, Rn. 23; Laub, GRUR 2003, 654 (660)). Vorliegend fehlt es bereits an den Voraussetzungen der Vorschrift, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Zedent Kenntnis von dem Rechtsmangel hatte bzw. diese grob fahrlässig nicht hatte.

Dass der Zedent den Mangel im Sinne von § 442 Abs. 1 Satz 1 positiv kannte, ist nicht anzunehmen. Dies behauptet auch die Beklagte nicht, die sich lediglich darauf stützt, dass der Zedent im Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Streitpatent selbst kannte. Dass dieser von einer Verletzung desselben ausging, kann schon deshalb nicht ohne weiteren Vortrag angenommen werden, weil die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2011 (Anlage K13) mitteilen ließ, dass das Streitpatent nicht verletzt werde.

Sofern § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB die Haftung des Verkäufers auch für den Fall einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Mangels auf Seiten des Käufers ausschließt, mag das Verhalten des Käufers vorliegend den Vorwurf einfacher, nicht aber grober Fahrlässigkeit begründen können.

Dabei ist im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Zuweisung von Verantwortungsbereichen maßgeblich, wen primär die Pflicht trifft, sich darüber zu informieren, ob der Kaufgegenstand in Patentrechte Dritter eingreift. Hierbei ist in der vorliegenden Fallkonstellation im Ausgangspunkt zu berücksichtigen – was bereits Gegenstand der Ausführungen unter Ziff. 3., lit. a) ist –, dass der Zedent zwar die Gefahr einer Verletzung des Streitpatents kannte, jedoch die Beklagte mitgeteilt hat, dass von einer solchen nicht auszugehen sei.

Grundsätzlich waren der Zedent und die Beklagte vorliegend gleichermaßen gehalten, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, ob das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System das Streitpatent verletzt. Denn sowohl die Beklagte als Herstellerin des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems als auch der Zedent als Gewerbetreibender (Zwischenhändler) verfügten über hinreichend Sachkunde auf dem Gebiet des Streitpatents, um daran eine Pflicht zur Überprüfung der Verletzung Schutzrechte Dritter zu knüpfen. Die Kenntnis der für sein Fachgebiet einschlägigen Patente und Patentanmeldungen wird von dem Unternehmer erwartet (Grabinski/ Zülch, in: Benkard: PatG, Kommentar, 11. Auflage 2015, § 139, Rn. 46). Des Weiteren kannten auch beide vertragsschließenden Parteien das Streitpatent. Auch insoweit ist in der patentrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, und auf den vorliegenden Fall übertragbar, dass an die Sorgfaltspflicht desjenigen, dem das Bestehen eines Schutzrechts bekannt ist, und der lediglich irrig annimmt, der von ihm hergestellte oder vertriebene Gegenstand falle nicht darunter, strenge Anforderungen zu stellen sind (Grabinski/ Zülch, ebd., § 139, Rn. 48).

Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte jedoch vorliegend auf Nachfrage mitteilte, dass von einer Verletzung des Streitpatents nicht auszugehen sei, ist dem Zedenten vorliegend allein vorwerfbar, dass er nicht erkannte, dass die Beklagte zu ihrer Einschätzung der Patentfreiheit ohne rechts- und patentanwaltlichen Rat gelangte, obwohl es eines solchen bedurft hätte, und dass er diesen deshalb nicht selbst einholte. Darin vermag die Kammer ein grob fahrlässiges Verhalten nicht zu erblicken. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihrerseits in Kenntnis der Bedeutung ihrer Auskunft die Mangelfreiheit mitgeteilt hat, obwohl auch sie hätte erkennen könne, dass sie zu dieser Einschätzung ohne rechts- und patentanwaltlichen Rat nicht zuverlässig kommen konnte.

Eine andere Bewertung, wonach die Informationspflichten in erster Linie auf Seiten des Zedenten zu verorten sind, ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass der Kaufgegenstand das Patentrecht eines Dritten nur mittelbar verletzt. Zwar hat der Käufer als Zwischenhändler in einem solchen Fall grundsätzlich die größeren Erkenntnismöglichkeiten im Hinblick auf die die Patentverletzung begründenden Tatsachen. Vorliegend ist jedoch – wie auch bereits unter Ziff. 3., lit. a) ausgeführt – zu berücksichtigen, dass eine andere als eine patentverletzende Verwendungsmöglichkeit des streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systems nicht in Betracht kommt.

Schließlich ergibt sich ein Anknüpfungspunkt für eine grob fahrlässige Unkenntnis des Zedenten auch nicht daraus, dass dieser an der Konzeption der streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systeme konstruktiv mitwirkte. Denn es ist weder dargelegt noch erkennbar, dass die Herstellung des streitgegenständlichen Systems, insbesondere auch im Hinblick auf die die Lehre des Streitpatents verwirklichenden Merkmale, allein auf die Vorgaben des Zedenten zurückgeht, und die Beklagte insoweit keine Gestaltungsmöglichkeiten hatte.

b)
Die Haftung der Beklagten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Zedent die Ware nicht unverzüglich gem. § 377 HGB überprüft bzw. die Berechtigungsanfrage der Patentinhaberin nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

Es ist bereits umstritten, ob die Vorschrift des § 377 HGB neben der Haftung für Sachmängel auch auf Rechtsmängel anwendbar ist (bejahend: OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.12.2012 – 23 U 47/12, unter Ziff. 1., lit. a), zitiert nach BeckRS 2013, 06665). Abzulehnen ist eine Anwendbarkeit jedoch jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – der Mangel bei Betrachtung des Gegenstandes überhaupt nicht zu Tage treten kann (in dem von dem OLG Düsseldorf entschiedenen Fall ging es um das Fehlen einer CE-Kennzeichnung). Des Weiteren kam es, da ein Sukzessiv- bzw. Dauerlieferungsvertrag vorliegt, im Hinblick auf die streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systeme, die Gegenstand des Schadensersatzanspruchs sind, noch zu keiner Ablieferung, bei der der Zedent gegen eine ihn treffende Rügeobliegenheit verstoßen konnte. Bei einem Sukzessivlieferungsvertrag ist in der Regel jede Einzellieferung zu untersuchen, auch wenn sie denselben Mangel aufweisen (Hopt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, Kommentar, 37, Auflage, 2016, § 377, Rn. 29).

Soweit die Beklagte weiter darauf abstellt, dass ihr die Berechtigungsanfrage rechtzeitig hätte mitgeteilt werden müssen, erfasst die gesetzliche Vorschrift diese Konstellation schon ihrem Wortlaut nach nicht. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift ist nichts ersichtlich, die Beklagte bringt hierfür auch nichts vor.

Auch aus Ziff. 5. der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten (Anlage K1) ergibt sich nichts anderes. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien mit der Klausel, die die gesetzliche Vorschrift des § 377 HGB ausdrücklich nennt, auch lediglich an den Umfang dieser gesetzlichen Regelung anknüpfen wollten. Wollte man der Klausel eine Abrede auch für das Vorliegen eines nicht erkennbaren Rechtsmangels oder einer Berechtigungsanfrage entnehmen, so hält dies schon einer Prüfung gem. §§ 310 Absatz 1, 307 BGB nicht stand. Vor dem Hintergrund, dass ein Rechtsmangel bei der Inaugenscheinnahme einer Ware nicht zwingend in Erscheinung tritt, stellt sich die Regelung auch bei Beachtung eines reduzierten Prüfungsmaßstabs bei der Verwendung von AGB im Verhältnis von Unternehmen als eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Überwiegende Interessen auf Seiten der Beklagten als Klauselverwenderin sind demgegenüber nicht vorgebracht.

c)
Die Haftung der Beklagten ist auch nicht aufgrund der Ziffern VIII.8, VIII.10 ihrer Lieferungs- und Zahlungsbedingungen (Anlage K1) ausgeschlossen.

Die Klausel, mit welcher die Beklagte ihre Haftung auch im Hinblick auf die vorhersehbaren, typischerweise eintretenden Schäden auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten begrenzt, ist bereits unwirksam, §§ 310 Abs. 1, 307 BGB.

Über §§ 310 Abs. 1 i. V. m. § 307 entfalten die nach § 309 Nr. 7 BGB verbotenen Klauseln auch im Verhältnis zwischen Unternehmen keine Wirksamkeit (Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 76. Auflage, 2017, § 309, Rn. 55). Die gesetzliche Regelung lässt zwar eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu, soweit – wie hier – keine absoluten Rechtsgüter betroffen sind. Jedoch ist eine Haftungsfreizeichnung oder -beschränkung nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam, sofern es sich um die Verletzung von Kardinalpflichten handelt (a.a.O.). Sofern Kardinalpflichten betroffen sind, kann sich der Verwender auch gegenüber einem Unternehmer von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit nicht freizeichnen (a.a.O.).

Eine solche Kardinalpflicht liegt hier vor.

Bei Kardinalpflichten handelt es sich um wesentliche Vertragspflichten, die nach dem Inhalt und dem Zweck des Vertrages gerade gewährt werden sollte (BGH, NJW-RR 2006, 267, Rn. 38). Die Haftungsbeschränkung darf nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertaut und vertrauen darf (a.a.O.).

Auf der Grundlage der Ausführungen unter Ziff. 3. lit. a) ist die Pflicht zur Verschaffung unbelasteten Eigentums als eine wesentliche Vertragspflicht in dem beschriebenen Sinne einzuordnen. Dies liegt insbesondere bei vertraglichen Hauptleistungspflichten nahe (vgl. BGH, NJW 1993, 335). Dass es sich bei den Klauseln der Ziffern VIII.8, VIII.10 um eine branchentypische Freizeichnung handelt, ist nicht erkennbar (vgl. zu dieser Ausnahme: Grüneberg, ebd., § 309, Rn. 57).

Unbeschadet der fehlenden Wirksamkeit der Klausel führt diese aber vorliegend auch deshalb zu keinem Haftungsausschluss, weil sich das die Pflichtverletzung verursachende Verhalten der Beklagten jedenfalls als grob fahrlässig darstellt. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziff. 4. verwiesen, die hier entsprechend gelten.

6.
Der von der Klägerin in Form von entgangenem Gewinn geltend gemachte Schadensersatzanspruch besteht auch im Wesentlichen, nämlich in Höhe von EUR 136.619,50.

a)
Bei dem geltend gemachten Schadensposten in Form von entgangenem Gewinn handelt es sich um einen nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB erstattungsfähigen Schaden.

aa)
Der Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB deckt den durch die Nichterfüllung entstandenen Schaden ab. Er ist deshalb auf das positive Interesse gerichtet, das heißt der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 76. Auflage, 2017, § 281, Rn. 17), vorliegend mithin, wie wenn das streitgegenständliche Kupplungs-Brems-System ohne die Belastung mit dem Recht des Patentinhabers hätte veräußert werden können.

Nach der Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB gilt jedenfalls der Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen erwartet werden konnte. Die Vorschrift enthält keine materiellrechtliche Begrenzung der Ersatzpflicht, der Geschädigte kann auch ungewöhnlich entgangenen Gewinn ersetzt verlangen, wenn er dafür vollen Beweis erbringt (Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 76. Auflage, 2017, § 252, Rn. 4).

bb)
Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe gilt im Hinblick auf den von der Klägerin geltend gemachten entgangenen Gewinn Folgendes:

Aufgrund der Email des Herrn Knoop (I J GmbH) vom 01.02.2016 (Anlage K15) hat die Klägerin eine konkrete Verkaufsoption des Zedenten im Hinblick auf 950 Kupplungs-Brems-Systeme zu einem Kaufpreis von EUR 312,00 pro Verkaufseinheit dargetan. Es ist auch davon auszugehen, dass diese Verkaufsoption sich nur deshalb nicht ergeben hat, weil der Zedent die Sache nicht liefern konnte, mithin der entgangene Gewinn adäquat kausal auf den Rechtsmangel der streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systeme zurückzuführen ist.

Die Email vom 01.02.2016 (Anlage K15) ist bei objektiver verständiger Würdigung auch als konkrete Verkaufsoption zu betrachten und stellt – anders als die Beklagte meint – keine bloße Interessenbekundung dar. Dagegen spricht, dass die I O GmbH in der Email mitteilte, sie habe Tests hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit und der Laufgeräusche durchgeführt, und sich auf dieser Grundlage für eine Umrüstung ihrer Logistik auf die streitgegenständlichen Kupplungs-Brems-Systeme entschlossen. Dass damit eine konkrete Kaufabsicht verbunden war, wird auch in Abgrenzung zu dem weitergehenden Austausch der Kupplungs-Brems-Systeme in der sog. „Knapp-Fördertechnik“ deutlich. Dazu enthält die Email vom 01.02.2016 (Anlage K15) folgenden Inhalt:

„Zwischenzeitlich haben wir auch die Musterlieferung in der Knapp-Fördertechnik verbaut, was ebenfalls reibungslos funktioniert hat. Sollten sich die Systeme auch hier bewähren, würde sich unser Bedarf noch um 600 Rollen erhöhen.“

Gerade in einem Abgleich zu diesem Passus, mit dem sich die I O GmbH lediglich eine spätere Kaufoption offenhält, wird deutlich, dass im Hinblick auf die 950 Kupplungs-Brems-Systeme eine konkrete Bestellung beabsichtigt war. Die Email schließt dann auch mit der Bitte einer Angebotserstellung.

Sofern die Beklagte hiergegen vorbringt, wenn sie dem Zedenten mitgeteilt hätte, dass das System patentverletzend sei, hätte dieser von einer Bestellung Abstand genommen, und auch in diesem Fall die Anfrage der I J GmbH nicht übernehmen können, so ist dies unerheblich. Die Pflichtverletzung, die der Beklagten vorgeworfen wird, und an die der Schadensersatzanspruch anknüpft, ist der Rechtsmangel der Kaufsache, nicht die Erteilung einer Falschauskunft.

Auch steht es der kausal adäquaten Schadensentwicklung nicht entgegen, dass der Rahmenkontrakt zwischen der Beklagten und dem Zedenten eine Lieferung der streitgegenständlichen Systeme in dem Zeitraum von April 2015 bis April 2016 vorsah. Der Zeitpunkt, zu dem der Zedent das gewinnbringende Geschäft hätte abschließen können, ist unerheblich, insbesondere ist unschädlich, wenn dieser nach dem in dem Rahmenkontrakt vereinbarten Lieferzeitraum liegt. Denn der Zedent wäre dann jedenfalls bereits von der Beklagten beliefert worden, und hätte etwaige spätere Aufträge mit seinen Lagerbeständen erfüllen können.

b)
Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist in Höhe von EUR 136.619,50 gerechtfertigt.

aa)
Sofern die Klägerin von einem Verkaufspreis von EUR 312,00 pro Einheit ausgeht, ist dies vor dem Hintergrund, dass die I J GmbH diesen ausweislich der Email vom 01.02.2016 (Anlage K15) bereit war zu zahlen, gerechtfertigt. Der Einwand der Beklagten, dass der marktübliche Verkaufspreis maximal EUR 180,00 betrage, und die „inhaltliche Richtigkeit“ der Email vom 01.02.2016 bestritten werde, ist demgegenüber unerheblich. Denn zum einen macht die Klägerin einen konkret entgangenen Gewinn geltend, zum anderen aber bietet der in der Email durch die I J GmbH angebotene Kaufpreis auch eine hinreichende Anknüpfungstatsache für eine nach § 252 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmende Schadensschätzung. Dem steht auch die Tatsache, dass der Zedent mit Email vom 02.03.2015 (Anlage B4) von einem Verkaufspreis von EUR 100,00 € pro verkauftem System ausging, nicht entgegen. Zum einen entstammt der Wert einer Email des Zedenten an die Beklagte, in welchem dieser – noch im laufenden Vertragsverhältnis – versuchte, deutlich zu machen, welche Schaden auf ihn zukommen könnten. In diesem Zusammenhang scheint es nicht abwegig, dass er diesen zunächst grob schätzte – was die Klägerin hier auch vorträgt. Zum anderen bleibt maßgeblich, dass die I O GmbH mit Email vom 01.02.2016 (Anlage K15) einen Verkaufspreis von EUR 312,00 mitteilte.

bb)
Die von dem Verkaufspreis zur Ermittlung des entgangenen Gewinns abzuziehenden Herstellungskosten schätzt das Gericht unter Anwendung der Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO auf EUR 168,19 pro Einheit.

Die Vorschrift des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO hinaus aus (BGH, GRUR 1997, 741 (743) – Chinaherde) und räumt dem Gericht die Möglichkeit ein, den entgangenen Gewinn unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu schätzen. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO sieht zudem eine Einschränkung des Gebots der Erschöpfung der Beweisanträge für den Tatrichter vor, indem dieser Beweisanträgen lediglich im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens nachgehen muss (a. a. O.). Dabei hat der Tatrichter jedoch zu beachten, dass er sein Ermessen in Richtung beider Parteien gleichermaßen zu betätigen hat (a. a O.).

Orientiert an diesem Maßstab ergeben sich Herstellungskosten in Höhe von EUR 168,19 pro Einheit wie folgt:

Die von der Klägerin pro Einheit mit EUR 152,25 veranschlagten Herstellungskosten setzen sich aus Materialkosten in Höhe von EUR 130,13 sowie einem Allgemeinkostenzuschlag von 17 % (= EUR 22,12) zusammen. Die Beklagte bringt demgegenüber Materialkosten in Höhe von EUR 147,- sowie einen Allgemeinkostenzuschlag in Höhe von 25 % (= EUR 36,75), mithin insgesamt Herstellungskosten in Höhe von EUR 183,75, in Ansatz.

Die Kammer erachtet es im Rahmen des ihr im Rahmen der Schadensschätzung zustehenden Ermessens als sachgerecht, von dem von der Klägerin und der Beklagten zugrunde gelegten Materialwert (Klägerin: EUR 130,13 und Beklagte: EUR 147,-) sowie dem von den Parteien jeweils angesetzten Allgemeinkostenzuschlag (Klägerin: 17 % und Beklagte: 25%) zur Berechnung der Herstellungskosten jeweils von einem Mittelwert (Materialkosten: EUR 139,- und Allgemeinkostenzuschlag: 21 %) auszugehen. Dabei erweisen sich der Umstand, dass der Materialwert, von dem die Beklagte ausgeht, den von der Klägerin behaupteten Wert lediglich geringfügig, nämlich um ca. 13 % übersteigt, sowie die Tatsache, dass die Beklagte den Materialwert ausgehend von einer Menge von 500 Einheiten (vgl. Seite 5 des Schriftsatzes vom 22.08.2017, Bl. 71 GA) berechnet, als ermessensleitend. Diese von der Beklagten zugrunde gelegte Produktionsmenge stimmt mit der Menge, die Gegenstand des mit der I O GmbH beabsichtigten Kaufvertrags war (950 Stück) nicht überein. Hier erscheint der Kammer nachvollziehbar, dass mit steigender Herstellungsmenge die Materialkosten pro Einheit sinken. Ein Abweichen der von der Klägerin angesetzten Herstellungskosten durch Heraufsetzen derselben erscheint der Kammer vor dem Hintergrund angemessen, dass nicht auszuschließen ist, dass die Klägerin im Rahmen der Angebotserstellung, zu der die I O GmbH mit Email vom 01.02.2016 (Anlage K15) aufgefordert hatte, eine gewisse Reduzierung des Kaufpreises vorgenommen hätte, etwa durch Einräumen eines Skontos oder eines Mengenrabatts. Einem entsprechenden Vortrag der Beklagten ist die Klägerin auch nicht entgegengetreten.

cc)
Bei Ansatz des Verkaufspreises in Höhe von EUR 312,00 und bei Berücksichtigung von Herstellungskosten in Höhe von insgesamt EUR 168,19 ergibt sich – für 950 streitgegenständliche Kupplungs-Brems-Systeme – ein entgangener Gewinn in Höhe von EUR 136.619,50 wie folgt:

Verkaufspreis pro Einheit: EUR 312,00
abzgl. Materialkosten: EUR 139,00
abzgl. Allgemeinkosten (21%): EUR 29,19
Gewinn pro Einheit: EUR 143,81

Gewinn bei 950 verkauften Einheiten: 136.619,50 €

dd)
Schließlich reduziert sich die Schadenshöhe auch nicht gem. § 254 Abs. 1 BGB dadurch, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Zedenten mitgewirkt hat. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Rechtsmangel als solcher, nicht etwa die Erteilung einer Falschauskunft, ist. Insoweit trifft aber den Zedenten kein Verschulden.

II.
In dem Umfang, in dem nach Maßgabe von Ziff. I. ein Schadensersatzanspruch besteht, steht der Klägerin auch ein Zinsanspruch gem. §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit datiert analog § 187 Abs. 1 BGB auf den 18.05.2016.

C.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., § 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

D.
Der Streitwert wird auf EUR 279.562,50 (Klageantrag Ziff. 1.: EUR 151.762,50; Klageantrag Ziff. 2.: EUR 127.800,-) festgesetzt.