4b O 80/17 – Spielzeugautos für Autorennbahnen

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2684

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 18. Juli 2017, Az. 4b O 80/17

I.
Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr mit Spielzeugautos zu Zwecken des Wettbewerbs die Angabe

„DE-Patent 197 41 XXX.XXX“
und/oder
„DE Patent-Nr. 197 41 XXX“
und/oder
„mit einem patentierten Stromabnehmer“

zu benutzen.

II.
Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses richterliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, jeweils zu vollziehen an ihrem Vorstandsvorsitzenden, angedroht.

III.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um Unterlassungsansprüche aus unlauterem Wettbewerb wegen Patentberühmung.

Die Verfügungsklägerin ist eine weltweit bekannte Herstellerin von Rennwagen. Neben Automobilen erzielt die Verfügungsklägerin erhebliche Umsätze mit Merchandising-Artikeln, darunter auch Spielzeugautos, die Nachbildungen ihrer Automobile darstellen. Diese bietet sie unter anderem über ihren deutschsprachigen Internetstore http://A.com/B.html. an (vgl. Anlage rop 1). Ferner hat die Verfügungsklägerin ihre Marken und weitere Schutzrechte an namhafte Hersteller von Spielzeugautos und Autorennbahnen für den Vertrieb, u.a. in Deutschland lizensiert.

Die Verfügungsbeklagte vertreibt deutschlandweit Spielzeugautos für Autorennbahnen unter der Marke „C“ über ihre Internetseite C.de. Darunter befinden sich Spielzeugmodelle, welche bekannte Modelle der Verfügungsklägerin nachahmen.

Auf zahlreichen Spielzeugverpackungen findet sich der Hinweis auf ein deutsches Patent mit der Nummer DE 197 41 XXX, teilweise unter Bezugnahme auf einen patentierten Stromabnehmer. Ausweislich des Patentregisters (Anlage rop 3) ist das genannte deutsche Patent DE 197 41 XXX, dessen Inhaber der Vorstandsvorsitzende war, bereits am 3. April 2007 mangels Zahlung der Jahresgebühr erloschen.

Am 16. Mai und 17. Mai 2017 sowie am 12. Juni bestellten Testkäufer Spielzeugmodelle mit dem entsprechenden Hinweis bei der Verfügungsbeklagten. Ab dem 22. Mai 2017 befanden sich die Spielzeugmodelle in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten. Mitte der darauffolgenden Woche (30./31.05) wurden die Spielzeugmodelle auf Markenverletzungen hin untersucht. Die Verfahrensbevollmächtigten waren bis dato nur hierfür bevollmächtigt. Am 1. Juni 2017 fiel den Verfahrensbevollmächtigten erstmals der Hinweis auf das Patent auf. Die D Korrespondenzanwälte wurden hierüber am 05. Juni 2017 informiert. Am 22. Juni 2017 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte unter Fristsetzung bis zum 26. Juni 2017 ab (Anlage AG 3). Am 26. Juni 2017 erbat die Verfügungsbeklagte eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni 2017 (Anlage AG 7). Mit Hinweis auf den einfach gelagerten Fall gewährte die Verfügungsklägerin eine Fristverlängerung bis zum 28. Juni 2017 (Schreiben vom 26.06.2017, überreicht in der mündlichen Verhandlung).
Die Verfügungsklägerin behauptet, sie habe erst am 5. Juni 2017 Kenntnis von der unzutreffenden Patentberühmung erlangt.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch aufgrund unzulässiger Patentberühmung zu. Auch die Dringlichkeit sei gewahrt, da die Verfahrensbevollmächtigten zunächst kein Mandat zur Verfolgung von UWG-Ansprüchen besessen hätten und ab Kenntnis des Hinweises zügig gehandelt hätten.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
wie erkannt mit der Maßgabe, dass es in Ziffer II bei der Androhung der Ordnungshaft heißt „zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer“.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, ein Verfügungsanspruch scheide mangels Wettbewerbsverhältnis aus. Das Handeln der Verfügungsbeklagten berühre die wettbewerblichen Interessen der Verfügungsklägerin nicht ansatzweise. Insbesondere sei ein Lizenzerzielungsinteresse der Verfügungsklägerin nicht schützenswert. Ferner bliebe die mit dem Hinweis auf das Patent verbundene Aussage auf ein innovatives Produkt auch nach dessen Ablauf gültig. Dies sei vergleichbar mit der Aussage der E AG, die werblich herausstelle, das F sein Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb am 29. Januar 1886 zum Patent angemeldet habe und die Patentschrift DRP 37XXX als Geburtsstunde des Automobils gelte (vgl. Anlage AG 5). Schließlich sei die Vermutung der Dringlichkeit erschüttert, weil die Verfügungsklägerin über ihre Verfahrensbevollmächtigten bereits seit 6 Wochen vor der Antragsstellung Kenntnis von der hier streitgegenständlichen Handlung gehabt habe. Angesichts dessen sei auch die Fristsetzung zur Abmahnung unangemessen kurz.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag ist begründet.

Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch aufgrund von irreführenden Angaben über Rechte des geistigen Eigentums gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i. V. m. § 8 Abs. 1 UWG gegen die Verfügungs-beklagte (dazu unter 1.). Ferner liegt auch ein Verfügungsgrund vor (dazu unter 2).

1.
Die Verfügungsklägerin hat einen Anspruch auf Unterlassung nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 UWG, weil sie sich mit den Hinweisen auf ihren Spielzeugmodellen eines nicht mehr existierenden Schutzrechts berühmt.

a)
Die Parteien sind Mitbewerber nach § 2 Abs. 1 UWG.

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, wenn zwei Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen (vgl. BGH, GRUR 2014, 1114 – nickelfrei).

Hier hat die Verfügungsklägerin durch Vorlage der Anlage rop 1 substantiiert dargelegt, dass sie selbst über ihre Internetseite Autorennbahnen ihrer Lizenznehmerin vertreibt, wie z.B. die Rennbahn „G“. Mit dieser Rennbahn werden Spielzeugautos geliefert, in diesem Fall die H I (vgl. Anlage rop 1). Bei der Rennbahn „H J“ wird Bezug genommen auf den „H K“. Diesen Vortrag hat die Verfügungsbeklagte nicht substantiiert bestritten. Darüber hinaus hat die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Verfügungsklägerin ihre Spielzeugautos auch an ihre Vertragshändler, welche die Automobile verkaufen, vertreibt. Diese bestellen die Autos entweder ebenfalls über den Internetstore oder haben die Spielzeugmodelle bereits im Regal im Autohaus vorrätig. In beiden Fällen besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis der Parteien. Ersteres besteht unmittelbar, letzteres mittelbar, weil die Endverbraucher als Kunden ihrer Autohändler letztlich auch Kunden der Verfügungsklägerin als Herstellerin sind.

Darüber hinaus vermittelt nach der genannten Entscheidung auch das Lizensierungsinteresse die Mitbewerbereigenschaft. Da das konkrete Wettbewerbsverhältnis weit verstanden wird, wird dieses bereits dann angenommen, wenn Parteien zwar keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen, das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen aber gleichwohl beinträchtigen, das bedeutet im Absatz behindern oder stören könnte (vgl. BGH, GRUR 2014, 1114 – nickelfrei). Das ist hier der Fall, da der Absatzerfolg des Lizenzgebers also der Verfügungsklägerin letztlich vom Absatzerfolg des lizenzierten Produkts abhängt. Aufgrund der Entscheidung Opel-Blitz II (BGH, GRUR 2010, 726) gelangt die Kammer zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen handelt es sich um eine Entscheidung zum Markenrecht, deren Grundsätze nicht ohne weiteres auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs zu übertragen sind. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof maßgeblich darauf abgestellt, dass die Marke nicht beeinträchtigt werde, wenn die angesprochenen Verbraucher die Abbildung der Marke auf den Modellautos als detailgetreu nachgebildetes Auto, das die Marke an der entsprechenden Stelle trägt, wahrnehmen und nicht als Herkunftshinweis auf den Markeninhaber. So liegt der Fall hier schon deswegen nicht, weil der beanstandete Hinweis sich auf der äußeren Umverpackung der Spielzeugautos befindet.

b)
Ob eine Werbung mit gewerblichen Schutzrechten nach Lauterkeitsrecht zulässig ist, ist zunächst vom Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise zu betrachten. Richtet sie sich an die breite Masse der Verbraucher und betrifft Gegenstände, deren Anschaffung routinemäßig erfolgt, ist auf den Eindruck des situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers abzustellen. Sofern sie sich ausschließlich an Fachkreise richtet, so sind deren Kenntnisse patentrechtlicher Art bei der Beurteilung derartiger Werbung zu berücksichtigen (vgl. Benkard/Ullmann, PatG, 10. Aufl., § 146 Rn. 22; BGH, GRUR 1964, 144 – Sintex). Die Werbung mit einem Patenthinweis wird allgemein als besonders zugkräftig angesehen; der Verkehr erwartet bei patentierten Waren etwas technisch Vorteilhaftes (vgl. Benkard/Ullmann, PatG, 10. Aufl., § 146 Rn. 23 mit Hinweis auf BGH I ZR 53/67 v. 21.11.1969; BGH, NJW 1973, 1545 – Rolladenstäbe; OLG Stuttgart, NJW 1990, 3097). Auch muss das Patent, auf das sich der Inhaber in der Werbung beruft, tatsächlich erteilt und seine Schutzdauer darf noch nicht abgelaufen sein (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5 Rn. 5.116).

Nach diesen Grundsätzen liegt in dem Hinweis auf das unstreitig abgelaufene Patent mit und ohne zusätzliche Erwähnung des angeblich patentierten Stromabnehmers eine Irreführung. Dass das Patent infolge nicht gezahlter Jahresgebühren vorzeitig erloschen ist, können die angesprochenen Verkehrskreise den angegriffenen Angaben nicht entnehmen. Dass die Produkte früher patentgeschützt waren, hebt sie heute technisch nicht von vergleichbaren Produkten ab, weil auch diese die früher geschützte Technik verwenden dürfen. Der Vergleich mit der Werbung des Unternehmens E trägt keine Früchte, weil aus dem Kontext der Anlage AG 5 unmissverständlich klar wird, dass es sich hierbei um die Darstellung der Unternehmenshistorie handelt und das erwähnte erteilte Patent mittlerweile erloschen ist. Im Streitfall hingegen ist das Verständnis des Verbrauchers, dass es sich um ein laufendes Patent handelt, dass der Verfügungsbeklagten eine gewisse Exklusivität im Wettbewerb verleiht. Soweit die Verfügungsbeklagte darauf hinweist, dass sich aus dem Patentregister ergebe, dass das Patent erloschen sei, ist dies unbeachtlich. Denn die angesprochenen Verkehrskreise haben keinen Anlass, die Richtigkeit der Angabe zu prüfen und werden daher nicht ins Register schauen. Durch den streitgegenständlichen Hinweis wird auch ein Kaufentschluss des Verbrauchers beeinflusst, weil er dadurch animiert wird, Nachkäufe von weiteren Spielzeugmodellen für ein authentisches Renngeschehen mit verschiedenen Teams bei der Verfügungsbeklagten zu tätigen.

c)
Demnach steht der Verfügungsklägerin ein Unterlassungsanspruch zu. Die Wiederholungsgefahr ist mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht beseitigt, auch wenn nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten der Hinweis auf das Patent von der Internetseite mittlerweile entfernt wurde (vgl. Screenshot, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung).

2.
Es besteht ebenfalls ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeit wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung vermochte die Verfügungsbeklagte auch nicht zu erschüttern. Zwar muss sich die Verfügungsklägerin die Kenntnis ihrer Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen, aber jedenfalls erst ab dem Zeitpunkt, als diese auch zur Verfolgung von Ansprüchen aufgrund unlauteren Wettbewerbs bevollmächtigt waren. Zwischen dem 1. Juni und dem 30. Juni 2017 liegt ein Monat, wobei es sich hierbei nicht um eine starre Frist handelt. Dass die Verfügungsbeklagte angesichts des Einsatzes von Korrespondenzanwälten über Gebühr zögerlich gehandelt hätte, ist nicht ersichtlich.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Da es sich um eine einstweilige Verfügung handelt, bedarf es keiner Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Das Urteil ist aus sich heraus unmittelbar vollstreckbar.

IV.
Der Streitwert wird auf € 100.000,00 festgesetzt.