Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2678
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Juli 2017, Az. 4b O 8/16
I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,
1. der Klägerin zu 2) unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie in der Zeit vom 02.12.2004 bis einschließlich zum 28.06.2016
Zusammensetzungen auf der Basis von Zirkoniumoxid, welche Ceroxid und wenigstens ein Dotierungselement umfassen,
in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht hat oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat,
wenn die Zusammensetzung nach Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g besitzt und wenn diese in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vorliegt,
und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, zeiten und preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typen-bezeichnungen, Angebotsmengen, zeiten und preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-trägern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Ver-breitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte zu 1) hinsichtlich ihrer Angaben nach a) und b) Lieferpapiere, hilfsweise Zollpapiere, weiter hilfsweise Liefer-scheine, weiter hilfsweise Rechnungen vorzulegen hat,
wobei Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit vom 30.04.2006 bis zum 28.06.2016 zu machen sind,
wobei der Beklagten zu 1) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin zu 2) einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit ver-pflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin zu 2) auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
2. die vorstehend zu Ziffer 1 bezeichneten, seit dem 30.04.2006 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte zu 1) oder mit deren Zustimmung bis zum 28.06.2016 Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 0 863 XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zu 1) zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 02.12.2004 bis 28.06.2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen tragen die Klägerinnen zu 50% und die Beklagte zu 1) zu 50%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese selbst. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 EUR, wobei für die teilweise Vollstreckung des Urteils folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
Ziff. I. 1. des Tenors: 150.000 EUR
Ziff. I. 2. des Tenors: 50.000 EUR
Ziff. IV. des Tenors: 110% des jeweils zu vollstreckenden Be-trages.
Tatbestand
Die Klägerinnen nehmen die Beklagte zu 1) wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 863 XXX B1 (Anlage rop C 1, in deutscher Über-setzung DE 696 25 XXX T2, Anlage rop C 1a, im Folgenden: Klagepatent) auf Re-chnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Die Klägerin zu 1) ist Inhaberin des Klagepatents. Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 28.06.1996 unter Inanspruchnahme einer A Priorität vom 03.07.1995 eingereicht. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 23.01.1997. Am 04.12.2002 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent erlosch am 28.06.2016 durch Zeitablauf.
Auf eine von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage (Az. 3 Ni 6/15 [EP]) hat das Bundespatentgericht (BPatG) mit Urteil vom 25.10.2016 (Anlage rop C 6) – aufgrund einer Beschränkung – den deutschen Teil des Klagepatents im einge-schränkten Umfang aufrechterhalten.
Das Klagepatent betrifft eine Zusammensetzung auf der Basis eines Cerium- und Zirkoniummischoxids. Der im Nichtigkeitsverfahren aufrechterhaltene Hauptanspruch (Anspruch 2 der erteilten Fassung des Klagepatents, im Folgenden: Hauptanspruch), dessen Verfahrenssprache Französisch ist, lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
„Zusammensetzung auf der Basis von Zirkoniumoxid, welche Ceroxid und wenigstens ein Dotierungselement umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass diese nach Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000C eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g besitzt und dass diese Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vorliegt.“
Am 02.12.2014 schlossen die Klägerin zu 1) und die B (im Folgenden: B) den als Anlage rop Z 1 (in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage Z 1a) zur Akte gereichten Lizenzvertrag. Darin räumte die Klägerin der B eine exklusive Lizenz an dem Klagepatent ein. Gemäß § 10 Abs. 1 dieses Vertrages war die Klägerin zu 1) dazu berechtigt, Klage gegen den Patentverletzer zu erheben, wenn sie – wie hier – von der Lizenznehmerin dazu aufgefordert wurde.
Die B wurde mit Entscheidung vom 20.11.2009 ohne Liquidation aufgelöst. Sämtliche Vermögenswerte, einschließlich der erteilten Lizenz, wurden von der B auf die Klägerin zu 2) übertragen. Diesbezüglich wird auf den als Anlage rop Z 2 (in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage rop Z 2a) zur Akte gereichten Auf-lösungsbeschluss Bezug genommen. Die Auflösung der B sowie die Übertragung der Vermögenswerte auf die Klägerin zu 2) wurden am 10.12.2009 in das Handels-register eingetragen (Anlage rop Z 3). Die Klägerin zu 1) widersprach der Übernahme der Rechte und Pflichten aus dem Lizenzvertrag nicht. Mit Schreiben vom 09.11.2015 erklärten die Klägerinnen übereinstimmend, dass der Lizenzvertrag zwischen der Klägerin zu 1) und der B zwischen ihnen auch heute noch fortgesetzt werde (vgl. Anlage rop Z 4).
Die Klägerinnen sind Mitglieder des C-Konzerns. C ist ein bekannter Hersteller auf dem Gebiet verschiedenster Chemikalien.
Die Beklagte zu 1) vertreibt Chemikalien der Beklagten zu 2) u.a. an Chemie-Unternehmen und Automobilzulieferer nach Deutschland.
Die Klägerin zu 1) ließ in einem Lager in D Produkte der Beklagten zu 1) beschlagnahmen, welche in Verdacht standen, ihre Patente zu verletzen. Dabei wurden auch Lieferunterlagen beschlagnahmt. Aus den Unterlagen ging u.a. hervor, dass die Beklagten ihre Produkte u.a. in der Bundesrepublik Deutschland anboten und dorthin vertrieben. Die Klägerin zu 1) und die Beklagten kamen in der Folge überein, dass die beschlagnahmten Produkte und Unterlagen von einem unabhängigen Gutachter untersucht und hinsichtlich der Frage der Patentverletzung bewertet werden sollten. Der D Sachverständige E kam in seinem Gutachten vom 26.09.2013 im Hinblick auf das Klagepatent zu dem Ergebnis, dass das Produkt F (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), bei welchem es sich um ein Cer/Zirkonium-Mischoxid handelt, das Klagepatent verletze (vgl. Anlage B 17, in deutscher Übersetzung als Anlage B 17a vorgelegt).
Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Beklagte zu 1) verletze mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent bezüglich des Haupt-anspruchs unmittelbar.
Das Klagepatent definiere den Begriff der spezifischen Oberfläche verbindlich und zwar unabhängig davon, ob mit dem genannten Verfahren die spezifische Ober-fläche korrekt ermittelt werden könne. Entscheidend sei allein, dass die Methode für die zu untersuchenden Zusammensetzungen reproduzierbare Ergebnisse hervor-bringe. Die angegriffene Ausführungsform weise auch Isotherme des Typs II auf.
Die Patentbeschreibung nenne zur Bestimmung der Zusammensetzung in einer reinen festen Lösung das Analyseverfahren der Röntgenbeugung, so dass irrelevant sei, dass hierbei gegebenenfalls sehr kleine Nebenphasen nicht detektiert würden. Eine feste Lösung sei immer dann gegeben, wenn die Röntgenbeugungsspektren denjenigen der festen Lösung entsprechen würden und eine störende Nebenphase mit dieser Methode nicht nachgewiesen sei.
Die Röntgenbeugungsspektrenanalyse sei eine allgemein anerkannte und die genaueste Methode zur qualitativen und quantitativen Bestimmung von Kristall-strukturen. Anders als die Röntgenbeugungsspektrenanalyse, zumindest in den meisten Fällen, lasse die Raman-Spektroskopie schon wegen verschiedener Inter-pretationsmöglichkeiten der Ergebnisse häufig keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Kristallstruktur und auf das Vorhandensein von Nebenphasen zu.
Mangels Zustellung der Klage an die Beklagte zu 2) haben die Klägerinnen die Klage gegen die Beklagte zu 2) zurückgenommen (Schriftsatz vom 14.12.2015, S. 1, Bl. 181 GA). Ferner haben sie den zunächst geltend gemachten Vernichtungs-anspruch (Schriftsatz vom 06.11.2015, S. 2, Bl. 158 GA) und den Antrag auf Rechnungslegung zurückgenommen, soweit er sich auf Herstellungsmengen und zeiten bezog (Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2016, Bl. 251 GA). Aufgrund der Entscheidung des BPatG vom 25.10.2016 (Anlage rop C 6) gehen die Klägerinnen nur noch aus dem Hauptanspruch und nicht mehr zusätzlich aus dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung vor. Die Parteien haben im Übrigen den zunächst geltend gemachten Unterlassungsanspruch in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2017 übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerinnen haben darüber hinaus mit Zustimmung der Beklagten zu 1) den Rückrufanspruch in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2017 auf den Zeitraum bis zum 28.06.2016 begrenzt.
Die Klägerinnen beantragen nunmehr,
wie erkannt, wobei der Rückrufanspruch im Tenor zu Ziffer I. 2. nach Klagerücknahme in Bezug auf die Beklagte zu 2) klarstellend auf die Beklagte zu 1) begrenzt wurde,
darüber hinaus, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, der Klägerin zu 2) hinsichtlich der Angaben zu I. 1. a) und b) Liefer- und Zollpapiere, hilfs-weise Lieferscheine, weiter hilfsweise Rechnungen vorzulegen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az. X ZR 36/17) über den deutschen Teil des Patents EP 0 863 XXX (Patent C) auszusetzen.
Die Beklagte zu 1) rügt die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin zu 2).
Sie ist der Auffassung, die Klägerinnen hätten nicht schlüssig dargelegt, dass die Zusammensetzung nach sechs Stunden Glühen bei 1000C eine spezifische Oberfläche von mindestens 25 m2/g aufweise. Der Stickstoffadsorptionstest sei nur auf Materialien anwendbar, die Stickstoffadsorptionsisothermen der Typen II oder IV aufweisen würden. Nur bei diesen Materialien könne zuverlässig anhand des Stickstoffadsorptionsverhaltens festgestellt werden, bei welchem Volumen eine Monoschicht gebildet werde. Die angegriffene Ausführungsform würde solche Stickstoffadsorptionsisothermen hingegen nicht aufweisen.
Es sei außerdem nicht ausreichend dargetan, dass die Zusammensetzung in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vorliege.
Die von dem D Sachverständigen angewandte Untersuchung mittels Röntgenbeugung sei mit einer Reihe von Nachteilen behaftet, welche eine Verifi-zierung erforderlich gemacht hätten. So setze dieses Verfahren voraus, dass in der untersuchten Probe kohärent steuernde kristalline Bereiche einer gewissen Mindestgröße vorliegen, denn wären sie zu klein, blieben sie undetektiert. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass schwere Elemente weit stärker zu Streuung beitragen würden als leichtere, so dass anhand dieser Methode die verschiedenen Phasen kaum zu unterscheiden seien. Ferner habe diese Methode den Nachteil, dass die eigentlich dreidimensionale Beugungsinformation auf eine einzige Dimension projiziert werde, womit unvermeidlich ein Informationsverlust einhergehe. Außerdem rührten die registrierten Signale der Röntgenbeugung im Wesentlichen von den äußeren Randbereichen der Kristallite her, so dass etwa in deren Inneren vorhandene Volumina nicht bemerkt würden.
Der D Sachverständige habe überdies keine besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet der Kristallografie und habe die vorstehenden Beschränkungen der Röntgenbeugung nicht berücksichtigt. Im Übrigen komme in seinen Ausführungen zum Ausdruck, dass er die Vegardsche Regel angewandt habe, welche auch in der wissenschaftlichen Literatur umstritten sei.
Bei der Vorbereitung der Proben des Produkts F für die Untersuchung sei ausweislich des Gutachtens des D Gutachters (Anlage B 17, S. 18) die falsche Kalzinierungstemperatur gewählt worden.
Der Rietveld-Verfeinerung sei zu entnehmen, dass auch Kristallsysteme existierten, die exakt dasselbe Beugungsdiagramm aufwiesen wie in dem D Gutachten festgestellt, ohne aber in fester Lösung vorzuliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt sowie die tatsächlichen Ausführungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Abzuweisen war die Klage lediglich insoweit, als die Klägerinnen kumulativ die Vorlage von Lieferpapieren und Zollpapieren verlangt haben.
Den Klägerinnen stehen gegen die Beklagte zu 1) in dem tenorierten Umfang Ansprüche auf Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gem. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. §§ 9 S. 2 Nr. 1, 139 Abs. 2 S. 1, 140a Abs. 3, §§ 242, 259 BGB zu, wobei der Anspruch auf Rechnungslegung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht von vornherein nur von der Klägerin zu 2) geltend gemacht werden.
1.
Die Klägerin zu 2) ist aktivlegitimiert. Denn sie hat nach Übernahme des Lizenz-vertrages vom 02.12.2004 wirksam eine das Klagepatent betreffende ausschließliche Lizenz von der Patentinhaberin – der Klägerin zu 1) – erhalten (vgl. zur Berechtigung des ausschließlichen Lizenznehmers BGH, Urt. v. 04.05.2004, X ZR 48/03, GRUR 2004, 758, 763 – Flügelradzähler; Urt. v. 20.05.2008, X ZR 180/05, GRUR 2008, 896, 899 – Tintenpatrone I; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. A., 2017, Kap. D Rn. 118 ff.). Aufgrund der Übernahme der Rechtsstellung der B durch Beschluss vom 20.11.2009 (Anlage rop Z 2a) ist die Klägerin zu 2) auch zur Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen für die Vergangenheit berechtigt.
Soweit die Beklagte zu 1) in der Klageerwiderung vom 26.06.2015 die Aktivle-gitimation der Klägerin zu 2) bestritten hat, hat sie dieses Bestreiten nach der Vorlage des Lizenzvertrages vom 02.12.2004 (Anlage rop Z 1a), des Auflösungs-beschlusses der B (Anlage rop Z 2a) sowie einer Bestätigung des Fortbestehens der ausschließlichen Lizenz vom 09.11.2015 (Anlage rop Z 4) nicht aufrechterhalten. Damit tritt die Wirkung des § 138 Abs. 3 ZPO ein (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. A., 2016, § 138 Rn. 8b) und der ergänzende klägerische Vortrag gilt als zugestanden.
2.
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft eine Zusammensetzung auf der Basis von Zirkoniumoxid und Ceroxid.
Die Klagepatentschrift führt einleitend aus, dass derzeit für die Behandlung von Auspuffgasen von Verbrennungsmotoren (Automobil-Nachverbrennungskatalyse) Katalysatoren, die als multifunktionell bezeichnet werden, verwendet werden. Unter multifunktionell seien Katalysatoren zu verstehen, die nicht nur bei der Oxidation, insbesondere von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen, welche in den Abgasen vorhanden seien, mitwirkten, sondern auch bei der Reduzierung insbesondere von Stickoxiden, die gleichermaßen in diesen Abgasen vorhanden seien („Drei-Wege-Katalysatoren“). Zirkoniumoxid und Ceroxid – so das Klagepatent weiter – würden heute als zwei besonders wichtige und bedeutende Bestandteile für diesen Katalysatortyp angesehen. Um wirksam zu sein, müssten diese Katalysatoren eine große spezifische Oberfläche selbst bei erhöhter Temperatur bereitstellen. Darüber hinaus sei es häufig von Bedeutung, die Katalysatoren in Form von gemischten Oxiden oder festen Lösungen zu verwenden.
Das Klagepatent nimmt sodann Bezug auf die FR-A-2590887, welche ein Zirkoniumoxid beschreibe, dessen spezifische Oberfläche insbesondere durch Cer stabilisiert werden könne. Jedoch beschäftige sich dieses Dokument nicht mit dem Problem der Stabilisierung der Zirkoniumoxid-Phase. In der Tat führe, wenn man insbesondere die Herstellungsvarianten berücksichtige, die in dieser Druckschrift beschrieben seien, das Erwärmen des Produkts auf 900°C oder auf 1000°C zu einer Entmischung, das heißt dem Auftreten von einer oder mehreren Nebenphasen.
Das Klagepatent nennt außerdem die FR-A-2701471, welche Zusammensetzungen beschreibe, die eine Oberfläche in der Größenordnung von 20 bis 25 m2/g aufwiesen, wenn sie nur auf Zirkonium und Cer beruhten, und in der Größenordnung von 40 m2/g, wenn sie ein Dotiermittel umfassten. Das Klagepatent kritisiert diesbezüglich, dass diese Zusammensetzungen nicht stabil seien, was ihre Phase betreffe, das heißt, ein Erwärmen auf 1000°C führe zu einer Entmischung.
Zudem beschreibt das Klagepatent die EP-A-629438, welche ebenfalls im Wesentli-chen die Stabilisierung der spezifischen Oberfläche und der Kapazität der Sauerstoffspeicherung der Zusammensetzungen auf Basis von Cer, von Zirkonium und einem spezifischen Zusatz, bei dem es sich um Hafnium handele, betreffe. Man finde keinerlei Lehre in diesem Dokument, um Produkte zu erhalten, die eine vergrößerte Oberfläche und eine Strukturstabilität kombinierten und die auf der Basis von Zirkonium vorliegen würden, in dem das Ceroxid in fester Lösung vorliege.
Davon ausgehend stellt das Klagepatent heraus, dass ein Bedarf an Katalysatoren bestehe, die bei erhöhter Temperatur verwendet werden könnten und dazu eine große Stabilität ihrer spezifischen Oberfläche aufwiesen und die auch in Form von festen Lösungen vorliegen würden.
Gegenstand der Erfindung ist deshalb die Verwirklichung einer katalytischen Zusammensetzung, welche diesen Bedarf befriedigen kann.
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Klagepatent in dem Hauptanspruch ein Produkt mit folgenden Merkmalen vor:
1. Zusammensetzung auf der Basis von Zirkoniumoxid,
2. welche Ceroxid und
3. wenigstens ein Dotierungselement umfasst;
4. die Zusammensetzung besitzt nach Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000°C
4.1 eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g und
4.2 sie liegt in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vor.
3.
Im Hinblick auf den zwischen den Parteien bestehenden Streit bedürfen die Merkmale 4.1 und 4.2 des Hauptanspruchs der Auslegung.
a)
Das Klagepatent fordert in Merkmal 4.1 eine Zusammensetzung, die nach Kalzinierung für sechs Stunden bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g aufweist.
Das Klagepatent definiert den Begriff der spezifischen Oberfläche als die spezifische BET-Oberfläche, die bestimmt wird durch Adsorption von Stickstoff gemäß der Norm ASTM D 3663-78, die ausgehend von dem in der Zeitschrift „The Journal of the American Society, 60, 309 (1938)“ beschriebenen BRUNAUER – EMMETT – TELLER-Verfahren aufgestellt wurde (vgl. Anlage rop C 1a, S. 3, letzter Absatz).
Hierbei wird der Oberflächenbereich der Zusammensetzung durch Messung des Volumens des auf verschiedenen Niedrigstufen adsorbierten Stickstoffgases durch die Poren der Zusammensetzung bestimmt. Die Druckunterschiede, welche durch das Einführen der Zusammensetzungsoberfläche in ein bestimmtes Stickstoff-volumen in der Testvorrichtung erzeugt werden, werden gemessen und zur Be-rechnung der BET-Oberfläche genutzt (vgl. Anlage B 13 unter Ziffer 3, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage B 13a). Wie unter Ziffer 10.8 dieses Standards erklärt, funktioniert dies, indem zuerst das Volumen des Adsorbats berechnet wird, das benötigt wird, um eine statische monomonekulare Schicht fertigzustellen, bei der es sich um eine Stickstoff-Schicht von der Dicke eines Atoms handelt (vgl. Anlage B 13a; B 2 / K 13a).
Die von der Patentschrift in Bezug genommene Norm führt unter Ziffer 1.1. weiterhin aus, dass das beschriebene Verfahren die Bestimmung der Oberfläche von Katalysatoren abdeckt, die über Stickstoff-Adsorptionsisothermen der Typen II oder IV verfügen (vgl. Anlage B 13a).
Dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt war bekannt, dass es nicht nur den Standard ASTM D zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche von porösen Materialien gab, sondern dass es auch noch weitere Berechnungsmethoden gab (vgl. Anlage B 28, B 28a, S. 44 Abs. 1). Er vermag dem Klagepatent selbst indes keine konkreten Angaben dazu zu entnehmen, dass die BET-Methode gemäß den Ausführungen in dem zugrundeliegenden Standard (Anlage B 13a) nicht auf alle Isothermen angewendet werden soll. Soweit die Bestimmung der BET-Oberfläche gemäß der Norm ASTM D 3663-78 im Einzelfall mit Schwierigkeiten verbunden ist, nimmt das Klagepatent diese grundsätzlich hin.
Für die Frage, wie der Verweis in dem Klagepatent auf den BET-Standard zu ver-stehen ist, ist auf das Verständnis des Durchschnittsfachmanns im Prioritätszeitpunkt abzustellen. Dieser vermag dem Klagepatent keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen einzelnen Isothermen zu entnehmen. Wie das BPatG im Urteil vom 25.10.2016 ausführt, gibt das Klagepatent dem Fachmann mit der BET-Methode ein etabliertes, in der Fachwelt bekanntes Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Katalysatoren an die Hand (Anlage rop C 6, S. 17).
Soweit die Beklagte zu 1) einwendet, nur bei den Stickstoffadsorptionsisothermen von Typ II und IV könne zuverlässig festgestellt werden, bei welchem Volumen eine Monoschicht gebildet werde, dringt sie hiermit nicht durch. Denn das Klagepatent legt einschränkungslos fest, dass die Ermittlung der spezifischen Oberfläche anhand der BET-Methode erfolgen soll. Wie das BPatG in seinem Urteil vom 25.10.2016 festhält, hat der Fachmann keinen Zweifel daran, dass mit der BET-Methode auch die spezifischen Oberflächen von Katalysatoren bestimmt werden können, die einem anderen der sechs möglichen Isothermentypen zuzuordnen sind, weil ihm die BET-Methode als eine nahezu universell einsetzbare Methode bekannt ist (Anlage rop C 6, S. 18). Hiervon geht der Fachmann laut BPatG auch deswegen aus, weil in der Fachwelt ohne Kenntnis des Isothermentyps zur Bestimmung der spezifischen Oberflächen stets die BET-Methode angewendet wird (Anlage rop C 6, S. 18).
Aufgrund der Benennung der BET-Methode zur Ermittlung der spezifischen Ober-fläche der Zusammensetzung scheiden andere Berechnungsmethoden grundsätzlich aus.
b)
Nach Merkmal 4.2 des Hauptanspruchs liegt die Zusammensetzung in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vor.
Der Fachmann entnimmt der Klagepatentbeschreibung, dass die Ceroxidatome in das kubische Kristallgitter des Zirkoniumoxids eingebaut werden sollen und damit Teil des Gitters werden sollen. Dadurch kommt es verglichen mit einem reinen Zirkoniumoxid zu einer Verschiebung der Gitterparameter. Im Ergebnis liegt damit eine einzige Phase vor, in der alle Atome sowohl des Zirkoniumoxids als auch des Ceroxids vorliegen (vgl. Anlage rop C 1a, S. 4 Abs. 2).
Dabei grenzt sich das Patent von der FR-A-2590887 ab, bei der das Problem der Stabilisierung der Zirkoniumoxid-Phase nicht behandelt wird. Nach den dort beschriebenen Herstellungsverfahren führt das Erwärmen des Produkts auf 900°C oder auf 1000°C zu einer Entmischung, also dem Auftreten von einer oder mehreren Nebenphasen (Anlage rop C 1a, S. 1 Abs. 3). Im Gegensatz hierzu liegt nach der erfindungsgemäßen Lehre nur eine einzige Phase vor (s.o.).
Angaben dazu, wie das Vorliegen des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid in fester Lösung ermittelt werden sollen, lassen sich dem Hauptan-spruch nicht entnehmen. Zur Bestimmung dieser Voraussetzungen sind damit alle Methoden denkbar, die geeignet sind, die vorausgesetzten Werte zu ermitteln.
Der Fachmann entnimmt der Beschreibung des Klagepatents aber, dass diese Eigenschaft der Zusammensetzung beispielsweise anhand einer Röntgenbeugungsanalyse ermittelt werden kann (vgl. Anlage rop C 1a, S. 4 Abs. 2 und letzter Absatz). Insoweit wird in der Patentbeschreibung ausgeführt, dass eine feste Lösung daran ersichtlich sei, dass insbesondere im Inneren der Zusammensetzung das Vorliegen einer einzigen klar identifizierbaren Phase, die derjenigen eines Zirkoniumoxids entspreche, das im kubischen oder quadratischen System kristallisiert sei (vgl. Anlage rop C 1a, S. 4 Abs. 2 und letzter Absatz), gegeben sei.
Auch im Rahmen der Beschreibung der Ausführungsbeispiele (vgl. Anlage rop C 1a, S. 13 ff.) nimmt das Klagepatent Bezug auf Röntgenbeugungsanalysen, welche das Vorliegen des erhaltenen Oxids in Form einer reinen Feststofflösungs-Phase darlegen sollen. Eine derartige Ermittlung der erfindungsgemäßen Eigenschaft ist damit im Sinne des Klagepatents grundsätzlich geeignet und auch ausreichend.
4.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Haupt-anspruchs unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
a)
Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich unstreitig um eine Zusammensetzung, die im Wesentlichen aus Zirkoniumoxid und Ceroxid besteht und wenigstens ein Dotierungselement umfasst (Merkmale 1 bis 3 des Hauptanspruchs).
b)
Die angegriffene Ausführungsform weist nach Kalzinierung für sechs Stunden bei 1000C auch eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g auf.
Der D Sachverständige hat die Bestimmung der spezifischen Oberfläche der Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform mittels BET-Analyse vorgenommen. Auf diese Weise ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass die angegriffene Ausführungsform (vgl. beispielhaft bezüglich der Probe B-DSS, Anlage B 17a, Ziffer IV. C. 2.) eine durchschnittliche spezifische Oberfläche von 52,3 m2/g und damit eine solche von mehr als 25 m2/g im Sinne des Hauptanspruchs aufweist.
Soweit die Beklagte zu 1) darauf hinweist, dass die Messungen des D Sachverständigen aufgrund der Anwendung der BET-Methode nicht verwertbar seien, da diese nur auf Substanzen mit Isothermen der Typen II und IV anwendbar sei, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Denn nach zutreffender Auslegung soll die BET-Methode unabhängig von dem Typ der Isotherme zur An-wendung gelangen. Auf die Frage welche Isotherme die angegriffene Ausführungsform aufweist, kommt es deshalb nicht an.
Im Übrigen hat die Beklagte zu 1) weder behauptet, dass mittels anderer Be-rechnungsmethoden (welcher?) eine spezifische Oberfläche im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform ermittelt werden könnte, welche aus einer Verletzung des Klagepatents herausführt, noch hat sie entsprechende Messergebnisse vorgelegt.
c)
Die angegriffene Ausführungsform liegt auch in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vor (Merkmal 4.2 des Hauptanspruchs).
Der D Gutachter hat die Bestimmung dieser Eigenschaft anhand einer Probe von 0,03 g durchgeführt, welche für sechs Stunden bei lediglich 800C kalziniert wurde (vgl. Anlage B 17a, IV. B. 1.). Vor dem Hintergrund der von dem Hauptanspruch abweichenden Kalzinierungstemperatur können seine Ergebnisse nicht zur Bewertung der Verletzungsfrage herangezogen werden.
Die Klägerin zu 1) hat indes als Anlage rop C 4 die Ergebnisse der Röntgen-beugungsanalyse einer Probe der angegriffenen Ausführungsform vorgelegt, welche entsprechend den Anforderungen des Hauptanspruchs bei 1000C für sechs Stunden kalziniert wurde. Die kubische Kristallstruktur der Zusammensetzungen hat sich bei höherer Temperatur im Vergleich zu den Ergebnissen des D Gutachters nicht verändert. Die Diffraktogramme zeigen in scharfer Abgrenzung genau die Banden, die für kubisches ZrO2 typisch sind. Die Peaks sind jedoch von der reinen kubischen ZrO2-Phase (vgl. Werte im Gutachten laut Anlage B 17a, IV. B. 2., Fig. 1) in Richtung der kubischen CeO2-Phase verschoben. Die Verschiebung ist darauf zurückzuführen, dass in den Proben eine große Menge Cer enthalten ist. Das Cer konnte damit in das Kristallgitter eingebaut werden, was eine feste Lösung im Sinne des Klagepatents ausmacht.
Soweit weiter eingewandt wird, die Beschränkungen der Röntgenbeugungsanalyse seien nicht berücksichtigt worden, dringt dieser Einwand nicht durch. Denn dem Klagepatent sind derartige Erfordernisse nicht zu entnehmen.
Der weitere Einwand der Beklagten zu 1), eine Rietveld-Verfeinerung führe zu ab-weichenden Ergebnissen und belege, dass die angegriffenen Ausführungsformen gerade nicht in Form einer festen Lösung vorliegen, greift ebenfalls nicht durch. Denn nach der vorstehenden Auslegung sieht es das Klagepatent für die Verwirklichung des Merkmals 4.2 als ausreichend an, wenn die Röntgenbeugungsanalyse keine störenden Nebenphasen aufweist. Dies ist hier unstreitig der Fall.
Der Einwand der Beklagten zu 1), dass keine zusätzliche Verifizierung der Ergebnisse mittels einer Raman-Spektroskopie durchgeführt wurde, führt nach zu-treffender Auslegung nicht aus einer Patentverletzung heraus.
Außerdem kann auch das von der Beklagten zu 1) in der Duplik vom 07.01.2016, S. 42, abgebildete Raman-Spektrum, ebenfalls eingereicht in der mündlichen Ver-handlung vom 02.02.2016, kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Die Beklagte zu 1) führt insoweit aus, die Zusammensetzung liege deswegen nicht in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vor, weil das vorgelegte Raman-Spektrum nicht lediglich einen einzigen Peak bei ungefähr 465 cm-1 zeige, wie es für eine rein kubische Phase typisch wäre, sondern mehrere Peaks. Diese würden jedoch nicht, wie bei einer rein tetragonalen Phase, bei ca. 140, 260, 309, 454, 600 und 630 cm-1 liegen.
Die Klägerinnen haben demgegenüber überzeugend dargelegt, dass anhand des vorgelegten Raman-Spektrums keine eindeutige Aussage dahingehend möglich ist, dass die von dem Hauptanspruch, Merkmal 4.2, geforderten Eigenschaften nicht vorliegen. Zum einen ist unklar, was genau von der Beklagten zu 1) untersucht wurde. Nach ihren eigenen Angaben handelte es sich um eine Probe, die zufällig aus einer Charge des Produkts ausgewählt worden sei (Schriftsatz vom 07.01.2016, S. 41). Damit steht fest, dass das vorgelegte Raman-Spektrum jedenfalls nicht von den in D beschlagnahmten Produkten erstellt wurde, so dass ein direkter Vergleich der Ergebnisse mit denjenigen des D Gutachters schon deswegen nicht möglich ist. Zum anderen legen die Klägerinnen überzeugend dar, dass nach den Ausführungen in der Anlage B 26 (in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage B 26a) dort die XRD-Muster aufgrund der geringen Kristallitgröße der Proben nicht aussagekräftig waren, wohingegen die von ihnen vorgelegte Röntgenbeugungsanalyse eindeutige Ergebnisse hervorbringe, so dass bereits deswegen eine Raman-Spektroskopie nicht erforderlich sei. Dies wird deutlich anhand des Vergleichs der XRD-Muster in Anlage B 26a, Fig. 1, mit denjenigen der Klägerinnen in Anlage 17a, IV. B. 2., Fig. 1, und Anlage rop C 4.
Was die Dotierungsmittel betrifft, haben die Klägerinnen schlüssig dargelegt, dass diese (beim angegriffenen Produkt unbestritten Lanthan und Yttrium) sowohl eigene Banden in einem Raman-Spektrum hervorrufen als auch die Banden der anderen Elemente beeinflussen können (Schriftsatz vom 25.01.2016, S. 6). Dem ist die Beklagtenseite nicht entgegengetreten. Daher ist es ebenfalls unschädlich, dass die XRD-Muster laut Diffraktogramm des D Gutachters (Anlage B 17a, IV. B. 2., Fig. 1) als auch laut den später von den Klägerinnen vorgelegten Diffraktogrammen (Anlage rop C 4) die Dotierungsmittel nicht im Einzelnen ausweisen.
5.
Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagepatents ist, ohne dass die Beklagte zu 1) zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt ist, rechtfertigen sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
a)
Die Beklagte zu 1) hat dem Grunde nach für Benutzungshandlungen seit dem 02.12.2004 Schadensersatz zu leisten, Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG.
Die Beklagte zu 1) beging die Patentverletzung schuldhaft, weil sie als Fachunter-nehmen die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest hätte erkennen können, § 276 BGB.
Im Übrigen ist die Klägerin zu 2) derzeit nicht in der Lage, den konkreten Schaden zu beziffern. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin zu 2) durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Dieser besteht bereits in der unbe-rechtigten Benutzung des Klagepatents.
Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderli-che Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass ohne eine rechtskräftige Fest-stellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht die Verjährung von Ersatzansprüchen droht.
b)
Der Klägerin zu 2) steht gegen die Beklagte zu 1) auch ein Anspruch auf Rechnungslegung in dem zuerkannten Umfang zu, Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin zu 2) in die Lage versetzt wird, den Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin zu 2) ist auf die geltend gemachten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt.
Soweit die Klägerinnen die Vorlage von Liefer- und Zollpapieren beantragt haben, war diese Begehr in ein Stufenverhältnis zu stellen. Die Belegvorlage unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im Grundsatz hat der Verletzte keinen Anspruch auf Vorlage sämtlicher Belege eines Vorgangs; auch mehrere Belege über denselben Vorgang können in der Regel nicht verlangt werden (BeckOK PatR/Voß, 4. Ed., 28.11.2016, § 140b Rn. 29; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. A., 2015, § 140b Rn. 15; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. A., 2017, Kap. D Rn. 451). Ausnahmen sind lediglich in eng begrenzten Ausnahefällen unter strikter Beachtung der Verhältnismäßigkeit denkbar (Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. A., 2015, § 140b Rn. 15). Ist der Verletzte der Meinung, dass die Auskunft zu ein und demselben Vorgang nur durch mehrere Belegarten zuverlässig nachgewiesen werden kann, dann hat er diesen Ausnahmefall substantiiert darzulegen und zu begründen (BeckOK PatR/Voß, 4. Ed., 28.11.2016, § 140b Rn. 29). Im hiesigen Rechtsstreit haben die Klägerinnen eine solche Ausnahme nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2017 vorgebracht haben, dass Lieferpapiere keinen hinreichenden Beleg darstellen würden, so ist dieser Vortrag in seiner Allgemeinheit nicht ausreichend, um die Vorlage sowohl von Lieferpapieren als auch Zollpapieren zu begründen.
c)
Schließlich können die Klägerinnen von der Beklagten zu 1) gem. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG den Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen in dem zuerkannten Umfang verlangen. Es ist weder dargelegt worden noch ersichtlich, dass die Inanspruchnahme unverhältnismäßig wäre, § 140a Abs. 4 PatG.
II.
Die Aussetzung des Verfahrens gem. § 148 ZPO ist nicht veranlasst. Die Ent-scheidung über die Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits steht im Ermessen des Gerichts, das die Erfolgsaussichten des Rechtsbestandsverfahrens prüft. Die Aus-setzung kommt regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn das streitgegenständliche Patent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist (Kühnen, Handbuch des Patent-rechts, 9. A, 2017, Kap. E Rn. 613). Denn das Verletzungsgericht hat die Ent-scheidung des BPatG aufgrund der gesetzlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich hinzunehmen. Nur dann, wenn im Einzelfall ganz besondere Umstände vorliegen, kommt eine Aussetzung in Betracht. Sie ist etwa dann geboten, wenn die Rechtsbestandserteilung auf für das Verletzungsgericht nachweisbar unrichtigen Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation beruht (Kühnen, Handbuch des Patentrechts, 9. A, 2017, Kap. E Rn. 613). Solche Umstände sind im hiesigen Rechtsstreit nicht ersichtlich.
1.
Die Erfindung nach dem Klagepatent ist gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insoweit wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des BPatG in seinem Urteil vom 25.10.2016, S. 23 ff., verwiesen. Die Beklagte zu 1) hat nicht im Einzelnen dargelegt, warum diese Entscheidungsgründe auf unrichtigen Annahmen oder einer nicht vertretbaren Argumentation beruhen sollen oder welcher andere gravierende Umstand die Aussetzung rechtfertigen würde. Solche Gründe sind für die Kammer auch nicht ersichtlich.
2.
Die Erfindung ist ferner über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar offenbart, Art. 83 EPÜ.
a)
Das BPatG führt in seinem Urteil vom 25.10.2016 aus, der Hauptanspruch des Klagepatents enthalte einen der offenen Bereichsangabe in Merkmal 4.1 entgegen-wirkenden Parameter, indem er in Merkmal 4.2 verlange, dass die patentgemäßen Zusammensetzungen zugleich in Form einer reinen festen Lösung vorliegen (Anlage rop C 6, S. 20). Dieser Parameter sei jedoch nicht hilfreich (hierzu im Einzelnen: Anlage rop C 6, S. 20 f.). Eine Höchstgrenze für die Oberfläche würde jedenfalls den Schutz entweder unangemessen verkürzen oder ihn ungerechtfertigt in den Bereich des spekulativ Beanspruchten ausweiten (Anlage rop C 6, S. 21).
In Weiterführung der Rechtsprechung des BGH, insbesondere der Entscheidung „thermoplastische Zusammensetzung“ (BGH, Urt. v. 25.02.2010, Xa ZR 100/05, GRUR 2010, 414 ff.), hält es das BPatG für sachgerecht, die erforderliche Be-grenzung des Schutzbereichs auch durch andere Merkmale als durch die Angabe des Herstellungsverfahrens vornehmen zu können, sofern damit dem vom BGH betonten Erfordernis genügt werde, dass der mögliche Patentschutz durch den Beitrag zum Stand der Technik begrenzt werde (Anlage rop C 6, S. 21). Die erforderliche Begrenzung werde im Streitfall durch den Kalzinierungsschritt gewährleistet (Anlage rop C 6, S. 21). Auch wenn dieser Schritt keinen Einfluss auf die Herstellung des Produktes habe, so handele es sich dennoch um eine ver-fahrenstechnische Maßnahme, die eine betreffend die Größe der spezifischen Oberfläche begrenzende Wirkung entfalte (Anlage rop C 6, S. 21 f.). Denn bei der Kalzinierung bei 1000C für sechs Stunden komme es zu einer Verringerung der Porenzahl, was zwangsläufig zu einer Verkleinerung der spezifischen Oberfläche führe (Anlage rop C 6, S. 22). Die beanspruchte spezifische Oberfläche könne demnach nur so groß sein, wie es der Kalzinierungsschritt zulasse (Anlage rop C 6, S. 22). Hierdurch werde sichergestellt, dass der Schutz nur für solche Zusammen-setzungen beansprucht werde, die sich unter Einhaltung des patentgemäßen Kal-zinierungsschritts im Hinblick auf deren spezifische Oberflächen auch praktisch realisieren ließen (Anlage rop C 6, S. 22).
b)
Diese Ausführungen sind nachvollziehbar, beruhen nicht auf nachweisbar unrichtigen Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation. Das Erfordernis der deutlichen und vollständigen Offenbarung der Erfindung soll gewährleisten, dass das Ausschließlichkeitsrecht, das dem Anmelder erteilt wird, dem Umfang der Erfindung entspricht, die er der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt (BGH, Beschl. v. 11.09.2013, X ZB 8/12, GRUR 2013, 1210, 1211 Rn. 13 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). Es soll dem Schutz spekulativ beanspruchter, weiter Bereiche, zu deren Erschließung die Erfindung keinen Beitrag leistet und die in vollem Umfang zu erreichen sie den Fachmann nicht in die Lage versetzt, sowie deren ungerechtfertigter Monopolisierung entgegengewirkt werden (BGH, Urt. v. 25.02.2010, Xa ZR 100/05, GRUR 2010, 414, 415 Rn. 23 – thermoplastische Zusammensetzung). Dabei sind gewisse Verallgemeinerungen zulässig, maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls (BGH, Beschl. v. 11.09.2013, X ZB 8/12, GRUR 2013, 1210, 1211 Rn. 15 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
Vor diesem Hintergrund erscheint es vertretbar, mit dem BPatG die Begrenzung des Hauptanspruchs in dem Kalzinierungsschritt zu sehen, der die Anzahl der unter Schutz gestellten spezifischen Oberflächen de facto begrenzt. Unter einem Kalzinierungsschritt ist eine Kalzinierung für sechs Stunden bei 1000C zu verstehen (Merkmal 4). Dabei ist – wie das BPatG ausführt – mit zu berücksichtigen, dass laut Beschreibung des Klagepatents die spezifische Oberfläche des Produkts umso geringer ist, je höher die verwendete Kalzinierungstemperatur gewählt wird (Anlage rop C 1a, S. 10, erster vollständiger Absatz, zweiter Satz).
Soweit die Beklagte zu 1) ausführt, dass für die Kalzinierungstemperatur höhere spezifische Oberflächen als diejenigen denkbar sind, die durch das im Klagepatent beschriebene Verfahren zugänglich sind, und zwar wegen der Verwendung neuartiger, verbesserter Herstellungsverfahren, so schließt dies eine ausreichende Offenbarung nicht aus. Entscheidend ist, dass das Klagepatent in Abgrenzung zum Stand der Technik einen Stoff zur Verfügung stellt, der sich bei 1000°C nicht entmischt. Dass eine ausreichend große Oberfläche selbst bei erhöhter Temperatur bereitgestellt wird, wird durch die untere Grenze von 25 m2/g in Merkmal 4.1 sichergestellt. Wie im Einzelnen erreicht werden kann, dass eine Entmischung bei 1000°C nicht stattfindet, ist durch die im Klagepatent beschriebenen Verfahren offenbart. Diese sind im Übrigen ebenfalls optimierbar, ohne die im Klagepatent dargelegten einzelnen Verfahrenskomponenten und schritte zu verlassen.
Soweit die Beklagte zu 1) vorträgt, es sei nicht ausgeschlossen, dass durch ver-besserte Herstellungsverfahren spezifische Oberflächen von beispielsweise 80 m2/g oder 100 m2/g in Zukunft zugänglich sein könnten, für die es an einer nach-arbeitbaren Offenbarung fehle, so wird hierdurch die Argumentation des BPatG, die auf den Kalzinierungsschritt abstellt, nicht entkräftet. Denn es ist nicht zwingend, dass eine vergrößerte Oberfläche von 80 m2/g oder 100 m2/g nach einer Kalzinierung für sechs Stunden bei 1000C noch Werte über den in der Klage-patentschrift genannten aufweisen würde.
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO sowie aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, soweit die Klägerinnen die Klage gegen die Beklagte zu 2) zurück-genommen haben und soweit sie die Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) auf Ver-nichtung und auf Rechnungslegung mit Bezug zu Herstellungsmengen und zeiten zurückgenommen haben.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen der Beklagten zu 1) die Kosten aufzuerlegen, § 91a Abs. 1 ZPO. Die Beklagte zu 1) wäre hinsichtlich des erledigten Unterlassungsbegehrens im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen. Die angegriffene Ausführungsform macht, wie oben dargelegt, von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Auf Antrag der Klägerinnen waren Teilsicherheiten für die einzelnen titulierten Ansprüche festzusetzen, §§ 709, 108 ZPO.
IV.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
Bis zum 20.06.2017: 600.000 EUR,
danach: 250.000 EUR.