Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2651
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. April 2017, Az. 4c O 5/17
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 2 322 XXX B1 (nachfolgend Verfügungspatent, Anlage FBD 4, deutsche Übersetzung Anlage FBD 4a) auf Unterlassung in Anspruch. Eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents ist die Verfügungsklägerin. Die Anmeldung des Verfügungspatentes, welches die Priorität vom 10. Juli 1998 aus der US 113 XXX in Anspruch nimmt, erfolgte am 9. Juli 1999. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 18. Mai 2011, der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents durch das Europäische Patentamt (nachfolgend EPA) am 23. September 2015. Das Verfügungspatent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
Gegen die Erteilung des Verfügungspatentes ist neben sechs weiteren Einsprechenden durch die A Ltd. am 19. April 2016 Einspruch (Anlage AG 1) eingelegt worden, über den noch nicht entschieden ist. Termin zur mündlichen Verhandlung über die Einsprüche ist auf den 6. Dezember 2017 anberaumt worden (Anlage AG 14). Mit Datum vom 27. Februar 2017 teilte die Einspruchsabteilung ihre vorläufige Auffassung mit (Anlage AG 14/14a).
Das in englischer Sprache erteilte Verfügungspatent hat eine kombinierte Verwendung von X1 und Calcium-Kanalblockern zu therapeutischen Zwecken zum Gegenstand. Die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 2 des Verfügungspatents haben in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
„A pharmaceutical combination for use in treating or preventing hypertension comprising:
(i) the AT1-antagonist X1 or an pharmaceutically acceptable salt thereof;
(ii) X2ie or a pharmaceutically acceptable salt thereof, and
a pharmaceutically acceptable carrier,
wherein the combination composition is in one fixed combination combined unit dose form.“ (Patentanspruch 1)
„The pharmaceutical combination composition for use according to claim 1 wherein component (ii) is X2e besylate.” (Patentanspruch 2)
In deutscher Übersetzung lauten die Patentansprüche 1 und 2 folgendermaßen:
„Pharmazeutische Kombinationszusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung oder Vorbeugung von Bluthochdruck, umfassend:
(i) den AT1-Antagonisten X1 oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon;
(ii) X2 oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und
einen pharmazeutisch unbedenklichen Trägerstoff, wobei die Kombinationszusammensetzung als in einer festen Kombination kombinierte Einheitsdosisform vorliegt.“ (Patentanspruch 1)
„Pharmazeutische Kombinationszusammensetzung zur Verwendung gemäß Anspruch 1, wobei es sich bei Komponente (ii) um X2besilat handelt.” (Patentanspruch 2)
Bei dem Verfügungspatent handelt es sich um eine Teilanmeldung der Europäischen Patentanmeldung EP 1 870 XXX A1, welche als zurückgenommen gilt. Diese Anmeldung ist wiederum eine Teilanmeldung des Europäischen Patentes EP 1 096 XXX B1 (nachfolgend: Stammpatent, Anlage FBD 16). Gegen den Rechtsbestand des Stammpatentes wurden Einsprüche eingelegt. Mit Entscheidung vom 1. April 2011 (Anlage FBD 13/13a) wurde das Stammpatent in eingeschränkter Fassung aufrechterhalten. Die ursprünglich erteilten Patentansprüche des Stammpatentes waren auf die Verwendung einer Kombination aus X1 und einem beliebigen Calcium-Kanal-Blocker für eine Vielzahl von unterschiedlichen medizinischen Indikationen gerichtet.
Patentanspruch 1 des Stammpatentes hatte in der durch die Einspruchsabteilung eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung folgenden Wortlaut:
„A pharmaceutical combination comprising per unit dose form:
(i) the AT1-antagonist X1 or an pharmaceutically acceptable salt thereof;
(ii) a calcium channel blocker which is X2e or a pharmaceutically acceptable salt thereof, and
a pharmaceutically acceptable carrier.”
In deutscher Übersetzung lautete Patentanspruch 1 folgendermaßen:
„Pharmazeutische Kombinationszusammensetzung umfassend pro Einheitsdosisform:
(i) den AT1-Antagonisten X1 oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon;
(ii) einen Kalziumkanalblocker der X2 ist oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und
einen pharmazeutisch unbedenklichen Trägerstoff.“
Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechenden legten gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein. Eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren erging nicht mehr, nachdem die Verfügungsklägerin mit Eingabe vom 24. September 2015 (Anlage AG 11) ihre Zustimmung zum Druckexemplar widerrief.
Die Verfügungsklägerin vertreibt unter der Bezeichnung „C“ ein Arzneimittel mit der Wirkstoffkombination aus X2 und X1 zur Behandlung von Hypertonie. Mit diesem Arzneimittel sowie dem Arzneimittel „D“ (gemeinsam im Vertrieb mit E) erwirtschaftete die Verfügungsklägerin im Jahr 2015 einen Nettoumsatz von 41.300.000,- EUR in Deutschland.
Die Verfügungsbeklagte ist eine Anbieterin und Herstellerin von generischen pharmazeutischen Produkten und gehört seit 2010 zur A-Gruppe. Sie erhielt am 13. Oktober 2016 arzneimittelrechtliche Zulassungen für Kombinationspräparate enthaltend X2 und X1. Seit dem 1. Februar 2017 sind in der Lauer-Taxe die Arzneimittel X2/X1 10/160, 5/160 und 10/80 jeweils in den Packungsgrößen 28 Stück, 56 Stück und 98 Stück (nachfolgend angegriffene Ausführungsformen) gelistet.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre nach dem Verfügungspatent unstreitig Gebrauch.
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass ein Verfügungsgrund vorliege. Der Rechtsbestand sei hinreichend gesichert. Diese folge bereits aus dem Umstand der Erteilung des Stamm- wie auch des Verfügungspatentes. Auch habe die Einspruchsabteilung im Einspruchsverfahren betreffend das Stammpatent den insoweit weiter gefassten Schutzbereich des Stammpatentes im Wesentlichen bestätigt. Der Rechtsbestand sei auch vor dem Hintergrund der Einwendungen der Verfügungsbeklagten im Einspruchsverfahren hinreichend gesichert. Der Fachmann habe keine Motivation gehabt, X1 und X2 zur Verwendung bei der Behandlung von Bluthochdruck in einer Einheitsdosisform miteinander zu kombinieren. Zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatentes sei weder eine Kombination der beiden Klassen – AT1-Antagonist und Calciumkanalblocker – noch eine Kombination der beiden Wirkstoffe X1 und X2 naheliegend gewesen. Die von der Verfügungsbeklagten im Einspruchsverfahren als relevant herangezogenen Druckschriften Corea et al., in: Clin Pharmacol Ther 1996, 60, 341-6: X1, a new angiotensin II antagonist for the treatment of essential hypertension: A comparative study of the efficacy and safety against X2e, (nachfolgend Corea, Anlage AG 1/ D1/1a) und Prasad et al., in: AJH, April 1997, Vo. 10, No. 4, Part 2, D12: A pharmacokinetic interaction between an angiotensin II receptor blocker (X1) and a calcium channel blocker (X2e), (nachfolgend Prasad, Anlage AG 1/ D2/2a) lasse sich eine berechtigte Erfolgserwartung für eine Kombinationstherapie zur Behandlung von Bluthochdruck nicht entnehmen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,
eine pharmazeutische Kombinationszusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung von Bluthochdruck, umfassend den AT1-Antagonisten X1 sowie X2besilat und einen pharmazeutisch unbedenklichen Trägerstoff, wobei die Kombinationszusammensetzung als in einer festen Kombination kombinierte Einheitsdosisform vorliegt,
in der Bundesrepublik Deutschland, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Beibringung einer Sicherheitsleistung mindestens in Höhe des festgesetzten Streitwerts zur Vollziehung einer einstweiligen Verfügung anzuordnen;
Sie meint, es fehle an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes, da der Rechtsbestand nicht hinreichend gesichert sei. Das Verfügungspatent werde im Einspruchsverfahren widerrufen werden.
Es bestehe auch kein überwiegendes Interesse der Verfügungsklägerin für den Erlass der einstweiligen Verfügung.
Die Verfügungsklägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.
I.
Die Verfügungsklägerin vermochte einen Verfügungsgrund nicht zur Überzeugung der Kammer glaubhaft zu machen.
1.
Das Verfügungspatent betrifft die kombinierte Verwendung von X1 und Calcium-Kanalblockern zu therapeutischen Zwecken.
Das Verfügungspatent schildert, dass es aus dem Stand der Technik bekannt ist, dass der gefäßverengende Effekt des Gewebshormons Angiotensin II durch seine Wirkung auf Zellen der nicht quergestreiften, glatten Muskulatur, die Stimulierung der Bildung der adrenergen Hormone Epinephrin und Norpinephrin sowie der Erhöhung der Aktivität des sympathischen Nervensystems (Sympathikus) durch die Bildung von Norepinephrin entsteht. Angiotensin II beeinflußt zudem den Elektrolythaushalt sowie die Bildung von beispielsweise anti-natriuretischen und antidiuretischen Effekten in den Nieren. Es fördert auf diese Weise die Freisetzung des antidiuretischen Peptihormons Vasopressin durch die Hirnanhangsdrüse und Aldosteron durch die Nebenniere. Diese Effekte sind wichtig bei der Regulierung des Blutdrucks, beispielsweise beim Erhöhen des zirkulierenden Volumens sowie des peripheren Gefäßwiderstands.
Angiotensin II interagiert mit spezifischen Rezeptoren vom AT1- und AT2-Rezeptor Subtyp, welche sich auf der Oberfläche der Zielzelle befinden. Wirkstoffgruppen, welche den AT1-Rezeptor Subtyp binden, diesen jedoch nicht aktivieren, werden als Angiotensin II Antagonisten bezeichnet. Aufgrund ihrer Funktion können sie als Antihypertonika oder für die Behandlung von Herzinsuffizienz verwendet werden.
X1 ist bereits als AT1-Rezeptor Antagonist aus dem Stand der Technik bekannt. Ebenfalls bekannt ist die Klasse der Calciumkanalblocker, welche im Wesentlichen Dihydropyrimidine und Nicht-Dihydropyrimidine umfasst. AT1-Rezeptor Antagonisten und Calciumkanalblocker reduzieren intrazelluläres Calcium durch verschiedene und komplementäre Mechanismen und erleichtern den vasodilatorischen (die Blutgefäße erweiternden) Effekt vom Stickstoffmonoxid, insbesondere die Umkehr endothelialer Dysfunktion.
Eine andauernde und unkontrollierte sowie mit Bluthochdruck verbundene Gefäßkrankheit führt letztendlich zu einer Vielzahl pathologischer Veränderungen in Organen wie Herz und Nieren. Anhaltender Bluthochdruck kann zu einem erhöhten Auftreten von Schlaganfällen führen. Laut dem Verfügungspatent besteht daher ein großer Bedarf, die Effizienz blutdrucksenkender Therapien zu bewerten, um Einblicke in den Nutzen von Kombinationstherapie zu erhalten.
Mit Bluthochdruck verbundene Gefäßkrankheiten sind durch viele Faktoren bedingt. Unter besonderen Umständen können Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen kombiniert werden. Jedoch führt nicht zwangsläufig jede Kombination von Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen zu Kombinationen mit vorteilhafter Wirkung.
Das Verfügungspatent formuliert es vor diesem technischen Hintergrund als Aufgabe, eine alternative Kombinationstherapie zur Vorbeugung oder Behandlung von Bluthochdruck umfassend Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen, die zu vorteilhaften synergistischen und therapeutischen Effekten führt, zu erhalten.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Verfügungspatent in den kombiniert geltend gemachten Patentansprüchen 1 und 2 ein Stoffgemisch mit folgenden Merkmalen vor:
1. Eine pharmazeutische Kombinationszusammensetzung, umfassend
1.1 den AT1-Antagonisten X1 oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon sowie
1.2 X2besilat und
1.3 einen pharmazeutisch unbedenklichen Trägerstoff;
2. wobei die Kombinationszusammensetzung als in einer festen Kombination kombinierten Einheitsdosisform vorliegt,
3. zur Verwendung bei der Behandlung oder Vorbeugung von Bluthochdruck.
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung der Parteien bedarf das Merkmal 2 weiterer Erläuterungen.
Merkmal 2, welches besagt, dass die Kombinationszusammensetzung als in einer festen Kombination kombinierte Einheitsdosisform vorliegt, ist dahingehend auszulegen, dass beide Wirkstoffe in einer einheitlichen Darreichungsform wie z.B. einer Tablette vorliegen müssen.
Der Fachmann, welcher zunächst den Anspruchswortlaut in den Blick nimmt, erkennt anhand der Formulierung „kombinierte Einheitsdosisform“, dass es sich hierbei um eine einheitliche Formulierung handelt, mithin eine Fixkombination, bei der mehrere Wirkstoffe in einer gemeinsamen Darreichungsform vorliegen. In Entsprechung hierzu wird in Abs. [0026] des Verfügungspatentes ausgeführt, dass die Komponenten zusammen in einer festen Kombination in kombinierter Einheitsdosisform erhalten und verabreicht werden. In Abs. [0031] wird exemplarisch eine Formulierung einer Tablette bestehend aus X1 80 mg und X2 5 mg beschrieben. Soweit die Verfügungsbeklagte darauf verweist, dass es in Abs. [0031] ferner heiße, „das folgende Beispiel erläutert die oben beschriebene Erfindung, soll jedoch den Umfang in keiner Weise beschränken“ lässt sich dieser Formulierung nicht entnehmen, dass unter einer Einheitsdosisform auch Darreichungen unterfallen sollen, bei welchen die beiden Wirkstoffe getrennt voneinander verabreicht werden. Denn die Beispielhaftigkeit bezieht sich offensichtlich auf die Dosierung der Wirkstoffe in dem nachfolgenden Beispiel, nämlich 80 mg X1 und 5 mg X2. Der Fachmann kann dem Beispiel keinen Anhaltspunkt entnehmen, dass auch eine Verabreichung der beiden Wirkstoffe getrennt voneinander von dem Beispiel umfasst sein soll.
2.
Die Kammer vermag den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund nicht festzustellen.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung – insbesondere auf Unterlassung – kommt nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf prinzipiell nur in Betracht, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungsschutzrechts im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; GRUR-RR 2011, 81 – Gleitsattel-Scheibenbremse; Mitt 2012, 413 [LS] – Kreissägeblatt; Mitt 2012, 415 – Adapter für Tintenpatrone; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12; ebenso OLG Karlsruhe, InstGE 11, 143 – VA-LVD-Fernseher). Von einem hinreichenden Rechtsbestand kann grundsätzlich nur ausgegangen werden, wenn das Verfügungsschutzrecht bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 112, 114, 121 – Harnkatheter; a.A. OLG Braunschweig, Mitt 2012, 410). Um ein Verfügungsschutzrecht für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es deshalb einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen. Von dem Erfordernis einer dem Antragsteller günstigen kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung kann allerdings in Sonderfällen abgesehen werden. Sie können – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – vorliegen, wenn der Antragsgegner sich bereits mit eigenen Einwendungen am Erteilungsverfahren beteiligt hat, so dass die Patenterteilung sachlich der Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichsteht, wenn ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden ist, weil das Verfügungsschutzrecht allgemein als schutzfähig anerkannt wird (was sich durch das Vorhandensein namhafter Lizenznehmer oder dergleichen widerspiegelt), wenn sich die Einwendungen gegen den Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechts schon bei der dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eigenen summarischen Prüfung als haltlos erweisen oder wenn (z. B. mit Rücksicht auf die Marktsituation oder die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile) außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die es für den Antragsteller ausnahmsweise unzumutbar machen, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten (InstGE 12, 114, 121 – Harnkatheterset).
Außergewöhnliche Umstände liegen nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf regelmäßig dann vor (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat), wenn Verletzungshandlungen durch Generikaunternehmen in Rede stehen. Während nämlich der von ihnen angerichtete Schaden im Falle einer späteren Aufrechterhaltung des Patents vielfach enorm und (mit Rücksicht auf den durch eine entsprechende Festsetzung von Festbeträgen verursachten Preisverfall) nicht wiedergutzumachen ist, hat eine (wegen späterer Vernichtung des Patents) unberechtigte Verfügung lediglich zur Folge, dass das Generikaunternehmen vorübergehend zu Unrecht vom Markt ferngehalten wird, was durch entsprechende Schadenersatzansprüche gegen den Patentinhaber vollständig ausgeglichen werden kann. Berücksichtigt man außerdem, dass das Generikaunternehmen für seine Marktpräsenz im Allgemeinen keine eigenen wirtschaftlichen Risiken eingeht (weil das Präparat dank des Patentinhabers medizinisch hinreichend erprobt und am Markt etabliert ist), hat eine Verbotsverfügung zu ergehen, auch wenn für das Verletzungsgericht wegen des Fehlens eines fachkundigen Votums zum Rechtsbestand keine endgültige Sicherheit über den Bestand des Verfügungsschutzrechts gewonnen werden kann. Erforderlich ist aber, dass das Verletzungsgericht die Überzeugung von der Rechtsbeständigkeit des Verfügungsschutzrechts gewonnen hat. Mit anderen Worten: Ausreichend, aber auch notwendig ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür und eine darauf gegründete subjektive Überzeugung des Verletzungsgerichts davon, dass das Verfügungsschutzrecht einen Angriff auf seinen Rechtsbestand unbeschadet überstehen wird. In der Entscheidung „Fulvestrant“ (OLG Düsseldorf, Urt.v.19. Februar 2016, I-2 U 54/15) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf den Maßstab dahingehend präzisiert, dass eine Verbotsverfügung bei einem Angriff gegen ein Generikaunternehmen selbst ohne eine vorangegangene Entscheidung in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits dann zu ergehen hat, wenn das Verletzungsgericht (aufgrund der ihm angesichts der betroffenen technischen Materie möglichen Einschätzung) für sich die Überzeugung im Sinne hinreichender Glaubhaftmachung gewinnt, dass das Verfügungsschutzrecht rechtsbeständig ist, weil sich die mangelnde Patentfähigkeit seines Erfindungsgegenstandes nicht feststellen lassen wird. Hierfür müssen aus der Sicht des Verletzungsgerichts entweder die besseren Argumente für die Patentfähigkeit sprechen, so dass sich diese positiv bejahen lässt, oder es muss die Frage der Patentfähigkeit mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweislastverteilung mindestens ungeklärt bleiben, so dass das Verletzungsgericht, wenn es anstelle des Patentamtes oder des Bundespatentgerichts in der Sache selbst zu entscheiden hätte, dessen Rechtsbestand bejahen müsste (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 04902 – Desogestrel; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Abschnitt G Rz. 57).
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag die Kammer den Rechtsbestand des Verfügungspatentes nicht zu bejahen.
a)
Eine den Rechtsbestand des Verfügungspatentes bestätigende Entscheidung der Einspruchsabteilung liegt noch nicht vor. Es gibt lediglich die vorläufige, nicht bindende Auffassung der Einspruchsabteilung, welche als Anlage AG 14, 14a vorgelegt wurde.
Auch vor dem Hintergrund des Vorbringens der Verfügungsklägerin, der Rechtsbestand des Verfügungspatentes sei mit Blick auf das Erteilungsverfahren des Verfügungspatentes sowie des Erteilungs- und Einspruchsverfahrens betreffend das Stammpatent hinreichend gesichert, vermag die Kammer eine den Rechtsbestand bestätigende Entscheidung nicht zu sehen.
Soweit die Verfügungsklägerin geltend macht, dass sich die Patentfähigkeit aus der Erteilung des Stammpatentes ergebe, überzeugt dies nicht. Beim Erteilungsverfahren handelt es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren und während des Erteilungsverfahrens des Stammpatents wurden von dritter Seite keine Einwendungen erhoben. Beim Erteilungsverfahren des Verfügungspatents wurden zwar Einwendungen Dritter anonym eingereicht. Diese wurden indes nicht mehr berücksichtigt, da die Entscheidung zur Patenterteilung bereits abgeschlossen war (vgl. Mitteilung der Prüfungsabteilung vom 16. September 2015, Anlage AG 7). Entsprechend finden die in der Entscheidung „Oxycodon“ (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20. Januar 2011, I-2 U 55/10) geäußerten Grundsätze des OLG Düsseldorf keine Anwendung.
Soweit die Verfügungsklägerin ferner Bezug nimmt auf das Einspruchsverfahren gegen das Stammpatent EP 1 096 XXX B1 und geltend macht, dass mit dieser Entscheidung das Stammpatent in seinem Rechtsbestand mit Einschränkungen bestätigt worden sei und es sich um vergleichbare Anspruchsfassungen handele, so dass die Argumentation der Einspruchsabteilung auch auf das Verfügungspatent übertragbar sei, überzeugt dies nicht. Patentanspruch 1 des Stammpatents ist in seiner Fassung weiter als Patentanspruch 1 und 2 des Verfügungspatents. Es besteht keine Beschränkung auf X2besilat, die Behandlung von Bluthochdruck sowie das Vorliegen einer in einer festen Kombination kombinierten Einheitsdosisform (Merkmale 1.2, 2 und 3). Dadurch kann das Einspruchsverfahren gegen das Verfügungspatent durchaus einen anderen Verlauf und damit zu einer anderen Entscheidung führen als das Einspruchsverfahren gegen das Stammpatent. So kann die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit auf Basis eines anderen nächstliegenden Standes der Technik durchgeführt werden. Dies zeigt bereits die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung, welche zur Entscheidung über den Rechtsbestand des Verfügungspatentes berufen ist. Diese hat im Gegensatz zur Einspruchsabteilung, welche über den Rechtsbestand des Stammpatentes entschieden hat, Corea als nächstliegenden Stand der Technik herangezogen.
Die Kammer sieht daher die den Rechtsbestand des Stammpatentes bestätigende Entscheidung formal nicht als eine solche an, welche zur Bestätigung des Rechtsbestandes des Verfügungspatentes herangezogen werden kann. Sie muss jedoch als sachkundige Äußerung gewertet werden.
b)
Hingegen kann die Verfügungsklägerin das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände für sich beanspruchen, welche grundsätzlich den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung rechtfertigen könnten, da Verletzungshandlungen durch ein Generikaunternehmen in Rede stehen. In diesen Fällen hat nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf eine Verbotsverfügung bei einem Angriff gegen ein Generikaunternehmen selbst ohne eine vorangegangene Entscheidung in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits dann zu ergehen, wenn das Verletzungsgericht (aufgrund der ihm angesichts der betroffenen technischen Materie möglichen Einschätzung) für sich die Überzeugung im Sinne hinreichender Glaubhaftmachung gewinnt, dass das Verfügungsschutzrecht rechtsbeständig ist, weil sich die mangelnde Patentfähigkeit seines Erfindungsgegenstandes nicht feststellen lassen wird. Hierfür müssen aus der Sicht des Verletzungsgerichts entweder die besseren Argumente für die Patentfähigkeit sprechen, so dass sich diese positiv bejahen lässt, oder es muss die Frage der Patentfähigkeit mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweislastverteilung mindestens ungeklärt bleiben, so dass das Verletzungsgericht, wenn es anstelle des Patentamtes oder des Bundespatentgerichts in der Sache selbst zu entscheiden hätte, dessen Rechtsbestand bejahen müsste (OLG Düsseldorf, Urt.v.19. Februar 2016, I-2 U 54/15 – Fulvestrant).
Die Anwendung der vorstehend erläuterten Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall führt zu dem Ergebnis, dass es am notwendigen Verfügungsgrund fehlt. Die Kammer vermag sich nicht die Überzeugung zu bilden, dass das Verfügungspatent dem Angriff auf seine Validität im parallelen Einspruchsverfahren standhalten wird, weil sich die mangelnde Patentfähigkeit des Verfügungspatentes nicht feststellen lässt. Weder sprechen die besseren Argumente für die Patentfähigkeit noch bleibt die Frage der Patentfähigkeit ungeklärt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der technischen Lehre des Verfügungspatents keine erfinderische Tätigkeit gemäß Art. 56 EPÜ zugrunde liegt.
aa)
Die Beantwortung der Frage, ob erfinderische Tätigkeit zu bejahen ist, bedarf einer wertenden Entscheidung (BGH GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung) unter Berücksichtigung der Kriterien des Standes der Technik als Ausgangspunkt für die Beurteilung, des Fachwissens des Durchschnittsfachmanns und der Frage des Nichtnaheliegens. Die Beurteilung stützt sich auf tatsächliche Umstände, nämlich die Feststellung der Erfindung, des Standes der Technik sowie des maßgeblichen Fachmanns und seines Wissens und Könnens (Benkard/Kinkeldey/Karamanli, EPÜ, 2. Aufl., Art. 56 Rn 7 m.w.N.). Eine erfinderische Tätigkeit liegt erst in derjenigen Leistung, die sich über die Norm dessen erhebt, was ein Fachmann mit durchschnittlicher Ausbildung, Kenntnissen und Fähigkeiten bei herkömmlicher Arbeitsweise erreichen kann, weshalb der Bereich der routinemäßigen Weiterentwicklung von Schutzrechten frei gehalten werden soll (T 106/84, ABl. EPA 1985, 132; Häußer, Mitt 1983, 121, 122). Ausschließlich Fleiß und technischer sowie finanzieller Aufwand sind nicht patentbegründend (T 386/94, ABl. EPA 1996, 658).
Hinsichtlich der Frage des „Nichtnaheliegens“ kommt es darauf an, ob der Fachmann, berücksichtigt er alles das, was an Teillösungen und Einzelbeiträgen den Stand der Technik ausmacht, schon mit geringer geistiger, also routinemäßiger Anstrengung auf die Lösung des Streitpatents kommen kann oder ob es dazu eines zusätzlichen schöpferischen Aufwandes bedarf. Eine neue Lösung ist nicht bereits dann patentfähig, wenn sie für einen Fachmann „nicht offensichtlich ist“ oder „nicht klar auf der Hand liegt“; vielmehr beruht sie nur dann auf erfinderischer Tätigkeit, wenn der Fachmann sie auf Grund seines Fachwissens und routinemäßiger Experimente im entsprechenden Forschungsbereich nicht zu finden vermag (T 106/84, ABl. EPA 1985, 132). Maßgeblicher Stichtag für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist der Anmelde- bzw. Prioritätstag (T 24/81, ABl. EPA 1983, 133). Das Patent darf andererseits nicht in Kenntnis der Erfindung aus dem Stand der Technik rekonstruiert werden („Verbot rückschauender Betrachtungsweise“).
Die Aufgabe und die damit zusammenhängende Wirkung, die sich aus der Verwendung der beanspruchten Erfindung ergibt, stellen nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA einen wesentlichen Aspekt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar (T 1/80, ABl. EPA 1981, 206; T 15/81, ABl. EPA 1982, 2; T 36/82, ABl. EPA 1983; T 109/82, ABl. EPA 1984, 473; T 142/84, ABl. EPA 1987, 112). Es kommt nicht auf die vom Erfinder in der Patentbeschreibung mitgeteilten Ziele und Vorstellungen, sondern darauf an, was der in den Patentansprüchen festgelegte Gegenstand der Erfindung objektiv zum Stand der Technik beiträgt (T 39/93, ABl. EPA 1997, 134).
bb)
Vor diesem Hintergrund spricht in Anbetracht des im Einspruchsverfahrens eingewandten Standes der Technik gemäß den Entgegenhaltungen D1 (Corea et al., in: Clin Pharmacol Ther 1996, 60, 341-6: X1, a new angiotensin II antagonist for the treatment of essential hypertension: A comparative study of the efficacy and safety against X2e, nachfolgend Corea, Anlage AG 1/ D1/1a) oder D2 (Prasad et al., in: AJH, April 1997, Vo. 10, No. 4, Part 2, D12: A pharmacokinetic interaction between an angiotensin II receptor blocker (X1) and a calcium channel blocker (X2e), nachfolgend Prasad, Anlage AG 1/ D2/2a) und der Anlagen D6 sowie D8, D9 und D10, welche die Verabreichung von Blutdrucksenkern in Form von Kombinationspräparaten zum Gegenstand haben, jedenfalls keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Einspruchsabteilung der technischen Lehre des Verfügungspatentes die notwendige Erfindungshöhe nach Art. 56 EPÜ attestieren wird. Im Einzelnen:
(1)
Auszugehen ist mit der Verfügungsklägerin von einem Durchschnittsfachmann bestehend aus einem Team aus einem auf Bluthochdruckbehandlung spezialisierten Forscher mit umfassender klinischer Erfahrung, der zusammen arbeitet mit Fachleuten auf dem Gebiet der Pharmakologie und Arzneimittelformulierung.
Dieser muss vor dem Hintergrund des Standes der Technik eine begründete Erfolgserwartung gehabt haben X1 und X2 miteinander zu kombinieren.
Zwischen den Parteien unstreitig waren zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatentes verschiedene Medikamentenklassen mit verschiedenen Wirkmechanismen zur Behandlung des Bluthochdrucks vorhanden: Diuretika, Betablocker, Alphablocker, ACE-Hemmer, Kalziumkanalblocker sowie die Angiotensinrezeptorblocker auch als AT1-Rezeptorblocker oder AT1-Antagonisten in Form der Sartane. Losartan war seit 1995 auf dem Markt. Auch X2 als Monotherapie (vgl. F, Anlage AG 10/10a) und X1 (vgl. G®, Anlage AG 9) als der jüngste AT1-Antagonist waren zu diesem Zeitpunkt als Monotherapie zugelassen. Soweit die Verfügungsklägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Prof. Dr. H vom 21. Februar 2017 (Anlage FBD 19 mit Bezug auf Anlage AG1-D6) darauf verweist, dass es lediglich fünf Substanzklassen für die Initiierung der Therapie („first-line treatment“) gegeben habe und die Angiotensinrezeptorblocker zu diesen Klassen nicht gehörten, ist diese Ansicht dem Umstand geschuldet, dass Prof. Dr. H für die Begründung seiner Ansicht auf Leitlinien verweist, nämlich die „Guidelines for the Management of Mild Hypertension“ aus dem Jahr 1993 (Anlage AG1-D6) und „The Sixth Report of the Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation and Treatment of High Blood Pressure“ in Archive Int Med 19967 (Anlage AG1-D5). Ungeachtet dessen, dass Prof. Dr. H nicht den vorstehend definierten Fachmann bildet, da es sich nicht um einen Fachmann auf dem Gebiet der Pharmakologie und der Arzneimittelforschung handelt und auch fraglich ist, ob er im Bereich der Forschung tätig ist, orientiert sich der Fachmann gerade nicht ausschließlich an Leitlinien. Zu einem entsprechenden Handeln ist der behandelnde Arzt natürlich verpflichtet. Die Leitlinien stellen jedoch keine Grenze für die Forschungstätigkeit des Fachmannes dar. Denn dessen grundsätzliche Aufgabe besteht darin, die Erkenntnis über den etablierten Standard hinaus zu erweitern. Hinzukommt, dass Leitlinien in einem längerwährenden Prozess entstehen, indem ein Gremium von Fachleuten systematisch die bestehende Literatur kritisch beleuchtet und nach ihrem Evidenzgrad einstuft. Basierend auf deren Analyse und Expertenmeinung werden die Leitlinien bzw. Therapieempfehlungen erarbeitet und publiziert. Wie der Stellungnahme von Prof. Dr. I vom 27. März 2017 (Anlage AG 17) auf Seite 5 entnommen werden kann, vergehen in der Regel mehr als 10 Jahre ehe ein Medikament/-klasse nach seiner Zulassung/Einführung in die Leitlinien und hier die first-line-Therapie aufgenommen wird, da die Wirkung der neuen Medikamente zunächst über einen langjährigen Zeitraum beobachtet wird. Die Leitlinien geben daher einen etablierten Zustand wieder und nicht den Stand der Technik, wie ihn der Fachmann wahrnimmt.
Dem Fachmann waren darüber hinaus verschiedene Kombinationstherapien von Wirkstoffen unterschiedlicher Wirkstoffklassen bekannt. Sofern die first-line-Therapie mit einem Monopräparat nicht zum Erfolg führte, wurde gegebenenfalls eine weitere Monotherapie angestrengt und erst in einem anschließenden Schritt der Patient mit einer Kombinationstherapie behandelt. Kombinationstherapien waren daher gängig. Wie dem Gutachten von Prof. Dr. I auf Seite 6 (Anlage AG 17) entnommen werden kann, wurden zwei Strategien empfohlen: (1) Diuretika plus Betablocker, Calciumantagonisten, ACE-Hemmer oder Alphablocker oder (2) Calciumantagonisten plus ACE-Hemmer oder Betablocker. Unter anderem war bereits eine Kombination von X1 mit einem Diuretikum bekannt, wie die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat.
Von diesem Hintergrund des Standes der Technik ausgehend entnimmt der Fachmann der Entgegenhaltung Corea Folgendes:
Corea betrifft eine klinische Vergleichsstudie zur Untersuchung der blutdrucksenkenden Wirksamkeit von X1 und X2. Darin enthielten Patienten, die nach der Verabreichung von X1 und X2 über einen Zeitraum von 8 Wochen hinweg keine ausreichende Blutdruckregulation zeigten, 4 Wochen zusätzlich zu den beiden Monotherapien X1 und X2 5 mg X2. Mithin erhielten die Patienten, die mit X1 ursprünglich behandelt wurden, X1 und X2, und diejenigen Patienten, welche mit X2 behandelt wurden, erhielten nunmehr eine höhere Dosierung an X2. In Tabelle II auf Seite 344, welche nachfolgend wiedergegeben wird, sind sowohl die Blutdruckwerte unter X1 und X2 allein nach 8 Wochen dargestellt als auch die Werte nach 12 Wochen unter der kombinierten Therapie mit X1 und X2 bzw. unter doppelter X2dosis. Eine Gegenüberstellung von Monotherapie zu Kombinationstherapie findet dementsprechend in der Tabelle nicht statt. Vielmehr werden die Blutdruckwerte der Monotherapie sowie der Kombination der Wirkstoffe bzw. Dosiserhöhung einheitlich dargestellt.
In Tabelle III auf Seite 345, welche nachfolgend wiedergegeben wird, werden die Nebenwirkungen unter der Monotherapie als auch unter 80 mg X1 plus 5 mg X2 sowie der X2-Monotherapie und der zusätzlichen Gabe von 5 mg X2 dargestellt.
Der Fachmann, entnimmt der Entgegenhaltung Corea zunächst, dass grundsätzlich das Ziel der Studie war, die Wirksamkeit von X1 und X2 vergleichsweise zu untersuchen. Er entnimmt der Druckschrift jedoch auch weiter, dass aus fachmännischer Sicht keine grundsätzlichen Bedenken bestanden, X1 und X2 gemeinsam zu verabreichen. Denn ansonsten wäre die Gruppe der X1-Non-Responder nicht nach 8 Wochen mit zusätzlich 5mg X2 behandelt worden. Der Fachmann, welcher die Tabelle II in den Blick nimmt, erkennt weiter, dass die kombinierte Gabe von X1 und X2 jedenfalls zu keiner Verschlechterung des Blutdrucks führt. Denn bei den Patienten, welche ausschließlich mit X2 behandelt wurde, wurde der Blutdruck ebenso gesenkt, wie bei den Patienten, die nur mit X1 bzw. mit einer Kombination aus X1 und X2 behandelt wurden. Der Fachmann kann natürlich, wenn er den in Tabelle II gemessenen Blutdruck der Mono- und Kombinationstherapie-Patienten betrachtet, keinen Anhaltspunkt entnehmen, dass die Blutdrucksenkung bei den Non-Respondern, die mit einer Kombination aus X1 und X2 behandelt wurden, auf die Kombinationstherapie zurückzuführen ist. Denn die unter der Gruppe „X1“ angegebenen Drücke beziehen sich sowohl auf die Patienten, welche ausschließlich mit X1 behandelt wurden, als auch auf diejenigen 24 Patienten (vgl. Seite 343 rechte Spalte von Corea), welche nach 8 Wochen zusätzlich zu X1 mit X2 behandelt wurden. Der Fachmann kann der Tabelle II auch keinen Rückschluss entnehmen, ob die bei den Non-Respondern erzielten Blutdrucksenkungen lediglich auf die zusätzliche Gabe von X2 zurückzuführen ist. Er entnimmt der Druckschrift jedoch ohne weiteres, dass gegen eine kombinierte Gabe von X1 und X2 keine grundsätzlichen Bedenken bestehe, da die Leiter der Studie eine solche ansonsten nicht in Erwägung gezogen hätten.
Darüber hinaus entnimmt der Fachmann der Studie, dass Nebenwirkungen bei einer kombinierten Gabe von X1 und X2 nicht vermehrt auftraten. So zeigte lediglich ein Patient von 24 negative Erfahrungen und zwar im Bereich Schwindel und Kopfschmerzen, jedoch keine ödemabhängigen Nebenwirkungen, wie dies hingegen bei zwei Patienten der X1-Monotherapie der Fall war. Demgegenüber zeigten drei bzw. vier Patienten (5mg bzw. 10 mg X2) ödemabhängige Nebenwirkungen. Hieraus lässt sich für einen Fachmann der (vorsichtige) Schluss ziehen, dass eine Kombinationstherapie von X1 und X2 zu einer Reduzierung der Nebenwirkungen führt. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt ist, dass die Einnahme von X2besilat Nebenwirkungen hervorruft. Deutlich gemacht ist dies in der Anlage AG 10 (teilweise deutsche Übersetzung Anlage AG 10a), der Gebrauchsinformation für das Produkt F, welches als Wirkstoff X2besilat enthält, in welcher mit Bezug auf eine Sicherheitsprüfung in den USA und anderen klinischen Studien in anderen Ländern ausgeführt wird, dass in Abhängigkeit von der Konzentration von X2besilat Ödeme vermehrt auftraten. So zeigt die Tabelle, welche in Anlage AG 10a deutlich wiedergeben wird, dass bei einer Gabe von 5,0 mg X2besilat und einer Patientanzahl N=296 3% Ödeme aufgezeigten, bei 10 mg und N=268 waren es bereits 10,8%. Mit diesem Wissen würdigt der Fachmann die in Tabelle III von Corea aufgezeigten Nebenwirkungen, dass die bei einer kombinierten Gabe von X1 und X2 im Vergleich zur X2-Monotherapie verringert aufgetretenen Nebenwirkungen auf die kombinierte Gabe von X1 und X2 und X1 möglicherweise zurückzuführen sind, positiv.
Er nimmt hierbei natürlich in den Blick, dass die Betrachtung der Nebenwirkungen lediglich über einen Zeitraum von 4 Wochen erfolgte und lediglich eine geringe Anzahl von Patienten betraf (Kombinationstherapie X1/X2, N= 24 gegenüber N=84 bei der X2-Monotherapie und N=28 bei der Gabe von 10 mg X2). Gerade jedoch mit Blick auf die aus dem Stand der Technik vermehrt auftretenden Nebenwirkungen bei der X2-Therapie begründet die zwar nicht durch eine mit einer ausreichenden Anzahl an Patienten über einen längeren Zeitraum als 4 Wochen geführte Studie jedoch eine grundsätzliche Erwartung, dass die kombinierte Gabe von X1 und X2 gegenüber einer Monotherapie Vorteile aufweisen kann und veranlasst den Fachmann zur Durchführung weiterer Studien.
Demzufolge war die kombinierte Gabe von X1 und X2 bereits vor dem Prioritätstag als erfolgversprechend beschrieben.
Entsprechend nimmt auch die Einspruchsabteilung, welche zur Entscheidung über den Rechtsbestand des Verfügungspatentes berufen ist, in ihrer vorläufigen Auffassung vom 27. Februar 2017 (Anlage AG 14/14a) an, dass der nächstliegende Stand der Technik Corea sei und führt aus, dass aus den Ergebnissen der Tabelle II gefolgert werden kann, dass sowohl X1 als auch X2 den Blutdruck nach 4, 8 und 12 Wochen wirksam senkten und dass nach 8 Wochen Monotherapie die Kombination aus X1 und X2 und X2 ebenfalls wirksam waren. Weiter heißt es, dass die D1 auch zeige, dass für bestimmte Patientengruppen die Kombinationstherapie bestimmte vorteilhafte Wirkungen gegenüber der Monotherapie in Bezug auf geringere Nebenwirkungen aufweist. Es wird insoweit ausgeführt, dass zumindest in Bezug auf bestimmte Nebenwirkungen (Ödeme betreffend) die Kombinationstherapie besser als die beiden alternativen Monotherapien ist, was insgesamt in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (6. Dezember 2017) zu diskutieren ist.
Dem stehen auch die schriftsätzlichen Ausführungen und in der mündlichen Verhandlung geäußerten Argumente der Verfügungsklägerin nicht in gesamterheblicher Weise entgegen. Im Einzelnen:
Soweit die Verfügungsklägerin mit Verweis auf die Erklärung von Prof. J, einem Co-Autor der Entgegenhaltung Corea (Anlage FBD 26/26a) geltend macht, dass die zusätzliche Gabe von X2 bei den Patienten, welche auf die Monotherapie (das gilt für sowohl für die X1 wie auch die X2-Monotherapie) nicht ausreichend ansprachen, der Ausräumung von ethischen Bedenken bezüglich der Tatsache auszuräumen, dass man nicht auf die Behandlung ansprechende Patienten während der letzten 4 Wochen der Studiendauer in der Studie beließ, mag dies tatsächlich der Fall sein. Gleiches gilt, wenn gesagt wird, dass die Daten für die 9. Bis 12. Woche nie dazu gedacht waren, die Wirksamkeit einer X1/X2-Kombination bei nicht auf eine X1-Behandlung ansprechenden Patienten zu testen sowie Erfahrungen mit unerwünschten Nebenwirkungen für nicht auf die X1-Behandlung ansprechende Patienten mit den Erfahrungen mit unerwünschten Nebenwirkungen irgendeiner der anderen Patientengruppen zu vergleichen. Auf die Hintergründe oder Intentionen der Autoren kommt es indes nicht an, da sie dem Adressaten nicht bekannt sind und es für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausschließlich darauf ankommt, was der Fachmann einem Dokument unmittelbar und eindeutig entnimmt. Ein entsprechender Hinweis auf eine solche Motivation der Abgabe von X2 findet sich in Corea nicht. Gerade die zusätzliche Gabe von X2 zeigt jedoch, dass gegen eine kombinierte Gabe von X1 und X2 keine Bedenken bestanden. Natürlich bestand auf Seiten der Studienleiter und Studienteilnehmer keiner Kenntnis, welche Patienten zusätzlich X2 erhalten hatten. Es musste jedoch damit gerechnet, dass auch solche Patienten zu der Gruppe gehörten, die ursprünglich mit X1 behandelt wurden.
Die Stellungnahme wurde von der Verfügungsklägerin auch im Einspruchsverfahren zur Verfügungspatent eingereicht (Anlage D 43) und von den Parteien diskutiert. Der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung kann nicht entnommen werden, dass der Ansicht von Prof. J maßgebliche Bedeutung beigemessen wurde. Sie ist in ihrer vorläufigen Auffassung zu der Kenntnis gelangt, dass Corea für den Gegenstand der Ansprüche des Verfügungspatentes der maßgebliche, nächstkommende Stand der Technik ist.
Soweit die Verfügungsklägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Prof. Dr. H (Anlage FBD 19, Seite 5) darauf verweist, dass Bedenken hinsichtlich der Verwendung von Calciumantagonisten, insbesondere den kurzwirksamen Calciumantagonisten, bestanden hätten, da diese zwar den Blutdruck effizient senken würden, aber mit erheblichen Nebenwirkungen einhergingen, steht dieser Aussage das Vorbringen der Verfügungsbeklagten mit Bezug auf die Ausführungen von Prof. Dr. K in seinem Gutachten vom 24. März 2017 (Anlage AG 16, Seite 2) entgegen, der demgegenüber überzeugend ausführt, dass die Bedenken gegen die Calciumantagonisten nur die kurzwirksamen Substanzen (Prototyp Nifepidin) betroffen hätte, nicht jedoch den Calciumantagonisten X2, der zu den langwirksamen Calciumantagonisten gehört. Er macht insoweit auch deutlich (Seite 3), dass die Diskussion um die Calciumantagonisten vorwiegend akademisch geführt wurde, die praktische Handhabung jedoch kaum berührte. Entsprechend sei in den WHO/ISH Guidelines 1999 lediglich empfohlen worden, die kurzwirksamen Substanzen des Typs X3 in der Langzeittherapie nicht mehr einzusetzen und die langwirksamen Substanzen zu bevorzugen. Entsprechendes bestätigt Prof. Dr. I in seinem Gutachten vom 27. März 2017 (Anlage AG 17 Seite 5).
Die Verfügungsklägerin verweist weiter darauf, dass für den Fachmann kein Anlass bestanden hätte einen AT1-Antagonisten mit X2 zu kombinieren, was sich aus dem Medical review (Anlage FBD 20-7) ergebe. Mit dieser Doppelblind-Studie, welche am 18. Juli 1995 begonnen hat, wurden Patienten mit leichter bis moderater Hypertonie mit Candesartan (ein AT1-Antogonist) und X2 behandelt. In der Zusammenfassung der Studie heißt es insoweit, dass die Kombination Candesartan/X2 keine therapeutischen Vorteile gegenüber der Monotherapie aufzeigte. Ebenfalls wird darauf verwiesen, dass vermehrt Nebenwirkungen („increased orthostatic change“) bei der kombinierten Gabe der beiden Wirkstoffe gegenüber der Monotherapie auftraten. Dies mag das Ergebnis der von Juli 1995 bis April 1996 andauernden Studie gewesen sein. Dass es sich hierbei jedoch um eine allgemeingültige generelle Auffassung der Fachkreise handelte, ist jedoch gerade vor dem Hintergrund der Studie Corea zu bezweifeln. Denn in Corea werden die Non-Responder-Patienten nach 8 Wochen zusätzlich mit X2 behandelt. Die Studienleiter, welche vor Beendigung der Studie nach 12 Wochen keine Kenntnis hatten, zu welcher Monotherapie-Gruppe die Non-Responder-Patienten gehörte, sahen sich nicht gehindert, den Non-Respondern zusätzlich 5 mg X2 zu verabreichen. Hätten die grundsätzlichen Bedenken, welche die Verfügungsklägerin mit Bezug auf die Studie Candesartan/X2 schildert, tatsächlich bestanden, wäre eine Behandlung der Non-Responder mit X2 nicht in Betracht gekommen. Denn die Studienleiter der Studie Corea mussten damit rechnen, dass zu den Non-Respondern auch solche Patienten gehören, welche zuvor mit X1 behandelt worden sind und nunmehr zusätzlich X2 erhalten sollten.
Auch die von der Verfügungsklägerin geäußerten Bedenken, dass der Fachmann im Hinblick auf die geringe Anzahl der Patienten Corea keine Aussage zu einem etwaig verbesserten Nebenwirkungsprofil entnehmen würde, da die Studie nicht entsprechend der Vorgaben der FDA Policy zu „Fixed Combination Prescriptions“ (Anlage FBD 24) erfolgt sei, bleiben ohne Erfolg. Danach muss gezeigt werden, dass die Kombination bessere Wirkungen zeigt als die einzelnen Komponenten. Dies setzt voraus, dass eine Studie mit drei oder vier Patientengruppen durchgeführt wird. Die ersten beiden Gruppen werden jeweils mit einem Monopräparat behandelt, die dritte Gruppe erhält dann die Kombination der beiden Wirkstoffe und gegebenenfalls eine vierte Gruppe ein Placebo. Zwischen den Parteien unstreitig weist die in Corea gezeigte Studie einen solchen Studienaufbau nicht auf. Ziel der Studie war indes auch nicht ein verbessertes Wirkungsprofil einer Kombination von X1 und X2 aufzuzeigen, sondern eine Vergleichsstudie zur Wirksamkeit und Sicherheit von X1 gegenüber X2. Dies erkennt der Fachmann und weiß insoweit die aus der Studie resultierenden Daten auch zu würdigen. Denn selbst wenn es die übliche Praxis ist, die in Kombinationspräparaten eingesetzten Wirkstoffe sowohl isoliert zu untersuchen als auch in der Kombination, um Informationen darüber zu erhalten, welche Wirkungen diese jeweils aufweisen, bedeutet das nicht, dass die in Corea erzielten Ergebnisse mit den Einzelwirkstoffen sowie der kombinierten Gabe es einem Fachmann nicht nahegelegt haben, auf ihrer Basis weitere Untersuchungen gerade in Bezug auf die Verwendung der kombinierten Wirkstoffe zu unternehmen. Dass entsprechende Bemühungen lohnend und zielführend sein konnten, lag für den Fachmann angesichts des Umstandes auf der Hand, dass zum einen grundsätzlich X1 und X2 miteinander kombiniert wurden und zum anderen, dass die kombinierte Gabe – wenn auch bei einer geringen Patientenzahl – zu weniger ödemabhängigen Nebenwirkungen führte, was der Fachmann nicht der Gabe von X1 zuschreiben konnte, da im Rahmen der Monotherapie mehr ödemabhängige Nebenwirkungen auftraten. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Ausführungen von Prof. I in seinem Gutachten (Anlage AG 17 Seite 6), welcher den Ausführungen des Privatgutachters Prof. J (Anlage FBD 26/26a) klar widerspricht und mit Verweis auf Publikationen deutlich macht, dass zum Prioritätszeitpunkt eine Kombination von Calciumantagonisten mit einem ACE-Hemmer oder einem AT1-Antagonisten angestrebt wurden.
Letztlich verweist die Verfügungsklägerin noch darauf, dass viel dafür spreche, dass sich die vorläufige Auffassung der für die Entscheidung über den Rechtsbestand des Verfügungspatentes berufenen Einspruchsabteilung noch ändern könne. Hierfür spreche, dass auch die Einspruchsabteilung, welche über den Rechtsbestand des Stammpatentes entschieden habe, ihre vorläufige Auffassung vom 4. Juni 2010 (Anlage FBD 34/34a) in der mündlichen Verhandlung geändert habe. In ihrer vorläufigen Auffassung ist die Einspruchsabteilung des Stammpatentes davon ausgegangen, dass es sich bei Corea um den nächstliegenden Stand der Technik handele und äußerte insoweit Zweifel an der Erfindungshöhe des Stammpatentes. In ihrer Entscheidung vom 1. April 2011 (Anlage FBD 13/13a) wurde dann die Ansicht vertreten, dass Corea nicht den nächstliegenden Stand der Technik bildet, da die Entgegenhaltung nicht auf den gleichen Zweck wie die Erfindung nach dem Stammpatent gerichtet ist. Es mag der Fall eintreten, dass die hiesige Einspruchsabteilung nach der mündlichen Verhandlung ihre Ansicht ändert. Anhaltspunkte hierfür bestehen jedoch nicht. Denn es ist vielmehr davon auszugehen, dass die hiesige Einspruchsabteilung ihre Auffassung mit Blick auf die Vorgänge in Einspruchsverfahren betreffend das Stammpatent geäußert hat. So wird in der vorläufigen Ansicht vom 27. Februar 2017 (Anlage AG 14/14a Seite 3) darauf verwiesen, dass gegen den Rechtsbestand des Stammpatentes Einspruch eingelegt wurde und in eingeschränkter Fassung aufrechterhalten wurde. Überdies beruht die Ansicht der Kammer nicht auf der vorläufigen Auffassung der Einspruchsabteilung wie die vorstehende Begründung zeigt.
Bestätigt findet die Kammer ihre Ansicht vielmehr in der Entscheidung des Juzgado de lo Mercantil no 04 de Barcelona vom 22. März 2017, welche die Verfügungsbeklagten in englischer und in teilweise deutscher Übersetzung in der mündlichen Verhandlung vom 30. März überreicht hat. Gegenstand der Entscheidung ist ein einstweiliges Verfügungsverfahren zwischen den hiesigen Parteien betreffend ein Kombinationsarzneimittel bestehend aus X1 und X2. Geltend gemacht wurde von der Patentinhaberin/Verfügungsklägerin eine Verletzung des spanischen Teils des Verfügungspatentes. Das spanische Gericht vertritt in seiner Entscheidung vom 22. März 2017 die Auffassung, dass es sich bei Corea um den nächstliegenden Stand der Technik handelt und die Erfindung nach dem Verfügungspatent vor dem Hintergrund der Offenbarung in Corea naheliegend war.
(3)
Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der Druckschrift Prasad.
In Prasad werden zunächst die beiden Wirkstoffe X1 und X2 beschrieben und herausgestellt, dass die beiden Arzneimittel unterschiedliche Halbwertszeiten und Wirkungsweisen aufweisen und einmal täglich bei leichter bis moderater Hypertonie verabreicht werden können. Es wird dann ausgeführt, dass die beiden Arzneimittel in der klinischen Praxis gleichzeitig verabreicht werden können und es daher wichtig sei, das Potential einer Arzneimittel-Arzneimittel-Wechselwirkung zu untersuchen. Mittels der von Prasad angestrengten Studie werden dann möglicherweise vorhandene pharmakokinetische Wechselwirkungen ermittelt. Zu diesem Zweck werden gesunden Probanden entweder nur der eine oder andere Wirkstoff verabreicht, oder von beiden Wirkstoffen gleichzeitig eine Tablette. Anschließend wurden Blutproben entnommen und Plasmakonzentrationen und die daraus ableitbaren charakteristischen Größen wie AUC, Cmax etc. bestimmt.
Als Resultat wird festgehalten, dass alle Probanden die Behandlung gut vertragen haben. Weiter wird aus den ermittelten charakteristischen Größen und ihren Vertrauensintervallen geschlossen, dass es keine pharmakokinetische Wechselwirkung zwischen den beiden Wirkstoffen gibt und die beiden Wirkstoffe sicher zusammen verabreicht werden können. In der Studie wird die Wirkstoffkombination nicht an Probanden mit Bluthochdruck getestet, so dass keine Daten über die therapeutische Wirkung der Kombination offenbart werden. Die Studie nimmt jedoch ausdrücklich Bezug darauf, dass beide Arzneimittel bei leichter bis moderater Hypertonie verabreicht werden können und in der klinischen Praxis gleichzeitig verabreicht werden.
Der geschilderte Fachmann entnimmt Prasad, dass die Studienleiter von einer gleichzeitigen Verabreichung der beiden Wirkstoffe X1 und X2 bei der Behandlung von Bluthochdruckpatienten ausgehen, mithin die Wirksamkeit der beiden Wirkstoffe bei der Behandlung von Bluthochdruck bejahen. Um jedoch abschätzen zu können, ob bei einer gleichzeitigen Behandlung mit beiden Wirkstoffen pharmakokinetische Wechselwirkungen auftreten, wurden entsprechende Untersuchungen vorgenommen, welche zeigten, dass beide Wirkstoffe sicher zusammen verabreicht werden können. Möglicherweise wurden die Untersuchungen, wie die Verfügungsklägerin meint, vor dem Hintergrund geführt, dass es in der klinischen Praxis passieren könne, dass ein Wirkstoff „ausgeschlichen“, d.h. durch einen anderen Wirkstoff ersetzt werden soll und der neue Wirkstoff bereits zugeführt wird ehe der erste Wirkstoff im Körper des Patienten metabolisiert und ausgeschieden wurde. Anhaltspunkte hierfür können der Entgegenhaltung jedoch nicht entnommen werden. Vielmehr schlussfolgern die Autoren, dass die Arzneimittel sicher zusammen verabreicht werden können, was für den Fachmann bedeutet, dass beide Wirkstoffe zur erfolgreichen Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden können. Der Fachmann entnimmt Prasad daher, dass auf Grund des Umstandes, dass beide Wirkstoffe an gesunden Menschen im Hinblick auf pharmakokinetische Wechselwirkungen untersucht wurden, eine Erfolgserwartung bestand, dass diese in Kombination zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden können.
Diese Ansicht wird bestätigt durch das Fachrichtervotum des technischen Richters des Schweizer Bundespatentgerichts vom 3. März 1997 (Anlage AG 15). Darin wird ausführlich dargelegt, dass der Gegenstand des Verfügungspatentes vor dem Hintergrund des Offenbarung Prasad nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
(4)
Vor dem Hintergrund der vorstehend geschilderten Offenbarung der Entgegenhaltungen Corea und Prasad vermag die Kammer nicht festzustellen, dass die Erfindung nach dem Verfügungspatent auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Denn ausgehend von der geschildeten Offenbarung aus Corea oder Prasad, dass eine Kombination der beiden Wirkstoffe X1 und X2 verbesserte Wirkung gegenüber einer Monotherapie zeigt, liegt die Aufgabe des Verfügungspatentes darin ein alternative Darreichungsform bereitzustellen, was von einem Fachmann naheliegend durch die Bereitstellung einer Einheitsdosisform gelöst wird. Entsprechendes stellt die Verfügungsklägerin nicht in Abrede. Vielmehr stellt sie eine Veranlassung zur Kombinationstherapie in Abrede, da eine solche nur bei einer zu erwartenden Verbesserung gegenüber der Monotherapie vorliege. Nicht in Abrede gestellt wird indes, dass dann, wenn eine Veranlassung zur Kombinationstherapie besteht, die Entwicklung einer Einheitsdosisform naheliegend ist.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Streitwert: 3.000.000,00 EUR