4a O 26/16 – Spannungsstabilisationssteuersystem

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2640

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 06. April 2017, Az. 4a O 26/16

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin macht als im Register (Anlage B&B54) eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Europäischen Patents 1 436 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent) gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach geltend.

Die Anmeldung des Klagepatents, welches eine Priorität vom 17.10.2001 in Anspruch nimmt, wurde am 14.07.2004 offengelegt, der Hinweis auf die Patenterteilung am 11.09.2013 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 602 45 XXX.3), das ein Steuersystem und Verfahren zur Spannungsstabilisation zum Gegenstand hat, ist in Kraft.

Der für das hiesige Verfahren maßgebliche Anspruch 1 ist in der englischen Sprache, in welcher das Klagepatent zur Anmeldung gelangte, wie folgt gefasst:

„A power control System for reducing voltage flicker in an AC power supply line (10) having a time-varying load (12) connected thereto, comprising:

a first variable reactor (200, 206) connected in parallel with the power supply line (10),

a second variable inductive reactor (16, 202) intermediate the power supply line (10) and the load (12); and

a control system (228, 230, 232, 28, 46, 48) for:

(i) monitoring load current and adjusting the second variable inductive reactor (16, 202) in response to fluctuations in the monitored bad current having a frequency within a first frequency range to reduce voltage flicker;

characterised in that the control system is adapted to

(ii) monitor reactive power draw from the AC power supply line (10) and adjust the first variable reactor (200, 206) in response to fluctuations in the monitored reactive power draw having a frequency within a second frequency range that is different than the first frequency range to reduce voltage flicker.”

In die deutsche Sprache übersetzt kann der Klagepatentanspruch 1 wie folgt wiedergegeben werden:

„Leistungsregelsystem zum Reduzieren von Spannungsflicker in einer Wechselstromversorgungsleitung (10) mit einer daran angeschlossenen zeitlich variierenden Last (12), das Folgendes umfasst:

einen ersten variablen Reaktor (200, 206), der parallel zur Stromversorgungsleitung (10) geschaltet ist;

einen zweiten variablen induktiven Reaktor (16, 202) zwischen der Stromversorgungsleitung (10) und der Last (12); und

ein Steuersystem (228, 230, 232, 28, 46, 48) zum:

(i) Überwachen von Laststrom und zum Justieren des zweiten variablen induktiven Reaktors (16, 202) als Reaktion auf Schwankungen des überwachten Laststroms mit einer Frequenz innerhalb eines ersten Frequenzbereichs, um Spannungsflicker zu reduzieren;

dadurch gekennzeichnet, dass das Steuersystem ausgelegt ist zum:

(ii) Überwachen von Blindleistungsaufnahme aus der Wechselstromversorgungsleitung (10) und Justieren des ersten variablen Reaktors (200, 206) als Reaktion auf Schwankungen der überwachten Blindleistungsaufnahme mit einer Frequenz innerhalb eines zweiten Frequenzbereichs, der sich von dem ersten Frequenzbereich unterscheidet, um Spannungsflicker zu reduzieren.“

Nachfolgend wird eine vereinfachte Darstellung eines Elektrolichtbogenofens, der über eine Stromversorgung gemäß einer Ausführungsform der geschützten Erfindung verfügt (Fig. 1) verkleinert wiedergegeben:
Der Ofen 5, der über eine Stromschiene 10 Stromleistung erhält, verfügt über drei Elektroden 12. Die Lichtbogenenden der Elektroden 12 sind so in dem Ofenbehälter 24 angeordnet, dass sie ein Einsatzgut einschmelzen können. Zwischen der Stromschiene 10 und dem Ofen 5 ist ein induktiver Vorschaltreaktor 202 angeschlossen, der eine Reihenschaltung eines variablen Reaktors 16 und einer nicht-variablen Drossel 18 umfasst, und des Weiteren Induktoren 20, 23 und ein Thyristorschalter 22. In Parallelschaltung mit der in Reihe geschalteten Kombination aus Lichtbogenofen 5 und induktivem Vorschaltereaktor 202 ist ein induktiver Parallelreaktor 200 mit drei variablen Reaktoren 206 angeschlossen. Jeder der variablen Reaktoren 206 umfasst ein in Reihe geschaltetes Paar Festinduktoren 204, 204A mit einem zwischengeschalteten Paar Thyristoren.

Mit der nachfolgenden Fig. 3 (verkleinert) wird ein vereinfachtes schematisches Block- und Schemadiagramm eines klagepatentgemäßen Leistungszufuhrsteuerungssystems des Lichtbogenofens wiedergegeben:
Eine Prozesssteuerung 228 koordiniert die Funktion der Komponenten des Leistungssteuerungssystems. Es ist ein Stromstabilisator 232 vorgesehen, um Spannungsflicker in einem ersten Frequenzbereich zu reduzieren. Zu diesem Zweck ist der Stromstabilisator 232 so konfiguriert, dass er die Thyristoren 22 des induktiven Vorschaltereaktors 202 ansteuert, wenn Laststromschwankungen innerhalb des festgelegten Frequenzbereichs vorliegen. Des Weiteren ist ein Blindleistungsstabilisator 230 vorhanden, der so konfiguriert ist, dass er bei Vorliegen von Spannungsschwankungen in einem andern Frequenzbereich die Thyristoren 208 des induktiven Parallelreaktors 200 ansteuert, um die gesamte Blindleistungsaufnahme konstant und ausgeglichen zu halten.

Aufträge zur Lieferung von Hochofentechnologien werden regelmäßig im Rahmen von Ausschreibungsverfahren vergeben, bei denen ein Konsortium (Generalunternehmer) als Bieter gegenüber dem Betreiber der Ofenanlage auftritt. Das Konsortium ist vertraglich mit einem Zulieferer verbunden, der sich jedoch auch gegenüber dem Hochofenbetreiber dazu verpflichtet, das Konsortium mit Hochofenkomponenten zu versorgen, sofern das Konsortium den Zuschlag erhält.

Die Beklagte fungiert im Rahmen von Ausschreibungsverfahren im Bereich der Hochofentechnologie als Hauptzulieferer in dem beschriebenen Sinn. Als solcher bietet sie an und vertreibt sog. „SAF-Ofen“ (= Elektroreduktionsöfen zur Gewinnung von Ferrolegierungen aus Erzen), die mit einer SVC-Anlage und einem sog. „Gradator“ ausgestattet (im Folgenden: zusammen als angegriffene Ausführungsform bezeichnet) sind. Beide Komponenten, Gradator und SVC-Anlage, werden an dasselbe Versorgungsnetz angeschlossen. Das angegriffene Steuerungssystem der Beklagten kann wie folgt dargestellt werden (Abbildung aus der Anlage B&B17, S. 2, unter Pkt. 6.2.1.4.2, farbliche Markierungen jedoch durch die Klägerin ergänzt, ohne dass damit vorliegend bereits eine Aussage über die Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform erfolgen soll):

Im linken Bildteil befindet sich unter der Bezeichnung „SVC Plant Filter & Compensation“ die SVC-Anlage (roter Kasten), die einen Thyristorschalter („TCR“) und einen in Reihe geschalteten Festinduktor (nicht-variable Induktorspule) (beides jeweils gelber Kreis) aufweist. Durch die SVC-Anlage, die die SVC-Steuerung und thyristorgesteuerte Drosselspulen („Thyristor Controlled Reactor“) umfasst und die netzseitig angeordnet ist, werden Spannungsflicker in der Wechselstromversorgungsleitung durch Regelung der Blindleistung reduziert. Des Weiteren befindet sich im rechten Bildteil der Ofen, zu dem die SVC-Anlage parallel geschaltet ist. Zwischen der Stromversorgungsleitung und dem Ofen sind Thyristoren des Gradators („Furnace Thyristors“) (blauer Kasten) positioniert. Im Übrigen wird auf die technische Beschreibung der Anlage, vorgelegt als Anlage B&B17, Bezug genommen.

Die Beklagte stellt Teile des Steuerungssystems selbst her, beauftragt aber teilweise auch andere Unternehmen, Hard- und Softwarekomponenten der angegriffenen Ausführungsform nach ihren, der Beklagten, gemachten Vorgaben herzustellen.

Die Beklagte bot im Februar 2013 eine angegriffene Ausführungsform für eine SAF-Ofenanlage „A“ (Indonesien) an, wobei sie die Ausschreibungsunterlagen an ihrem Firmensitz in Düsseldorf anfertigte. Nachdem das Projekt zunächst aufgrund hoher Investitionskosten gestoppt wurde, wurde es wieder aufgenommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

Insbesondere handele es sich bei dem „Gradator“ um einen zweiten variablen induktiven Reaktor im Sinne der Lehre des Klagepatents. Der klagepatentgemäße „zweite variable induktive Reaktor“ erfordere lediglich das Vorhandensein eines elektrischen Bauteils, wie zum Beispiel einem Thyristorpaar.

Das Klagepatent erfordere auch kein als Einheit ausgestaltetes Steuerungssystem, maßgeblich sei allein, dass das Steuerungssystem die Verwendung eines ersten variablen Reaktors und eines zweiten variablen induktiven Reaktors in einer sich gegenseitig ergänzenden Kombination ermögliche. Dafür sei maßgeblich, dass die beiden Reaktoren an dieselbe Versorgungsleitung angeschlossen sind.

Der Gradator und die SVC-Anlage (angegriffenen Ausführungsform) würden weiter auch in unterschiedlichen Frequenzbereichen zum Einsatz gelangen, weil die als Anlage B26b vorgelegten Messungen an der Anlage „B“ gezeigt haben, dass die Reaktionszeit des Gradators (zweiter variabler induktiver Reaktor) viel langsamer als die der SVC-Komponente ist. Daraus könne geschlossen werden, dass der Gradator für einen niedrigeren Frequenzbereich eingesetzt werde, und die SVC-Anlage für einen höheren Frequenzbereich.
Die Klägerin beantragt:

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Leistungssteuerungssysteme

zum Reduzieren von Spannungsflicker in einer Wechselstromversorgungsleitung mit einer daran angeschlossenen zeitlich variierenden Last, umfassend:

einen ersten variablen Reaktor, der parallel zur Stromversorgungsleitung geschaltet ist;

einen zweiten variablen induktiven Reaktor zwischen der Stromversorgungsleitung und der Last; und

ein Steuersystem zum:

(i) Überwachen von Laststrom und zum Anpassen des zweiten variablen induktiven Reaktors als Reaktion auf Schwankungen des überwachten Laststroms mit einer Frequenz innerhalb eines ersten Frequenzbereichs um Spannungsflicker zu reduzieren;

dadurch gekennzeichnet, dass das Steuersystem ausgelegt ist zum

(ii) Überwachen von Blindleistungsaufnahme aus der Wechselstromversorgungsleitung und Anpassen des ersten variablen Reaktors als Reaktion auf Schwankungen der überwachten Blindleistungsaufnahme mit einer Frequenz innerhalb eines zweiten Frequenzbereichs, der sich von dem ersten Frequenzbereich unterscheidet, um Spannungsflicker zu reduzieren,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen und von der Bundesrepublik Deutschland aus anzubieten

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11.10.2013 begangen hat, und zwar unter Angabe:

a) der Namen und Anschriften der Hersteller und Lieferanten;

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;

c) der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, und wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, geheimhaltungsbedürftige Daten außerhalb der auskunftspflichtigen Daten zu schwärzen;

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11.10.2013 begangen haben, und zwar unter Angabe:

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erziehen Gewinns;

wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11.10.2013 entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt einer Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform entgegen.

Ein zweiter variabler induktiver Reaktor im Sinne des Klagepatents könne nicht allein mit einem Thyristorschalter realisiert werden, sondern bedürfe zwingend eines zusätzlichen Bauteils in der Form einer parallel zum Thyristorschalter geschalteten Drossel bzw. Drosselspule, die es jedoch – insoweit unstreitig – bei der angegriffenen Ausführungsform nicht gibt.

Auch weise die angegriffene Ausführungsform kein klagepatentgemäßes Steuerungssystem auf, weil der „Gradator“ und die „SVC-Anlage“ über zwei eigenständige Systeme gesteuert werden würden. Es bestehe gerade keine Verbindung zwischen der Blindleistungsregelung (SVC) und den ofenseitigen Regelkreisen, derart, dass eine Interaktion stattfindet. Bei der SVC-Anlage handele es sich um eine Anlage aus dem Stand der Technik, die autark von der Ofensteuerung die Blindleistung und die Netzspannung stabilisiere.

Der Gradator der angegriffenen Ausführungsform diene lediglich als Stellglied, um optimale Wirkleistung in den Ofen (Elektroden) einzubringen. Dies erfolge dadurch, dass der Strom mit Hilfe des Gradators als Stellglied antizyklisch zu den Schwankungen der Elektrodenspannung verstellt werde, um die Wirkleistung auf einen vorgegebenen Sollwert zu regeln. Der Strom werde lediglich bei dem sog. „Elektrodenbacken“ („Current Mode“) überwacht.

Sofern eine Überwachung von Schwankungen der Blindleistungsaufnahme durch die SVC-Anlage stattfindet, erfolge diese nicht abhängig von einem vorgegebenen Frequenzbereich.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017 Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1, 2, 140b Abs. 1, 3, PatG, §§ 242, 259 BGB zu, da die angegriffene Ausführungsform von der durch das Klagepatent geschützten Lehre keinen Gebrauch macht.

I.
Die Erfindung hat ein Leistungssteuerungssystem zur Spannungsstabilisierung in einem elektrischen Leistungssystem zum Gegenstand (Abs. [0001]; Abschnitte ohne Bezeichnung sind im Folgenden solche des Klagepatents), insbesondere zur Reduzierung von sog. „Flickern“ (Abs. [0002]).

1.
Das Klagepatent nimmt einleitend die Probleme in den Blick, die sich bei dem Anschluss zeitvariabler Lasten an ein Stromversorgungsnetzt ergeben. Mit Lasten werden dabei Komponenten beschrieben, die elektrische Leistung aufnehmen, wie beispielsweise wechselstrombetriebene Elektrolichtbogenöfen, die üblicherweise zum Schmelzen und Wiedereinschmelzen von eisenhaltigen Materialien (z. B. Stahl) sowie zum Schmelzen von nichteisenhaltigen Materialien verwendet werden (Abs. [0002]). In den Öfen gelangen gewöhnlich Hochleistungslichtbögen zum Einsatz, um Wärmeenergie zu erzeugen, wobei die dem Lichtbogen zugeführte elektrische Energie über eine Stromversorgung gesteuert wird (Abs. [0002]). Lichtbögen haben die Neigung, dass sie stets in Bewegung sind, weil sie sich die Stelle suchen, an der sie an dem jeweiligen Einsatzgut auf den geringsten Widerstand treffen („nichtlineare zeitvariable Impedanz“). Dies führt dazu, dass die Spannung, der Strom und die Leistung, die von einem Lichtbogenofen aufgenommen werden, stark schwanken (Abs. [0002]). Derartige Schwankungen können zu Leistungsineffizienzen, verstärkter Geräteabnutzung, Störungen im Stromnetz und in Extremfällen sogar zu Schäden am Stromversorgungsnetz oder am Lichtbogen führen (Abs. [0002]).

Als „Flicker“ definiert das Klagepatent in diesem Zusammenhang Spannungsstörungen, die auf Grund starker und schneller Schwankungen im Laststrom und im Leistungsfaktor während bestimmter Betriebsphasen des Ofens im Versorgungsnetz stattfinden (Abs. [0002]). Das Klagepatent beschreibt das Problem wie folgt:

„Die Impedanz eines Elektrolichtbogenofens besteht primär aus Wirkwiderstand und induktivem Blindwiderstand und ändert sich bei Veränderungen der Schmelzbedingungen im Ofen schnell und abrupt. Insbesondere wenn neues Einsatzgut zum Einschmelzen in den Ofen gelegt wird, erfahren die Lichtbögen abrupte und erhebliche physikalische Veränderungen über einen Zeitraum von mehreren Minuten, bis das Einsatzgut im Ofen einen homogenen Zustand annimmt.“ (Abs. [0016]).

Spannungsänderungen ergeben sich dabei insbesondere daraus, dass die Lichtbögen ständig in Bewegung zu der Stelle sind, bei der sie auf den geringsten Widerstand treffen (Bl. 6 Verfahrensakte 4a O 177/15).

Im Stand der Technik, den das Klagepatent in Bezug nimmt, sind bereits Techniken zur Leistungssteuerung und Flickerreduzierung bekannt.

Eine dieser Techniken ist der Einsatz eines statischen Blindleistungskompensators (SVC). Dieser kann entweder kapazitive oder eine induktive Blindleistung einspeisen, so dass eine konstante Spannung dadurch erzielt wird, dass die gesamte Blindleistungsaufnahme des Ofens (MVAR) gleichmäßig nahe Null gehalten wird (Abs. [0003]). In diesem Zusammenhang nimmt das Klagepatent konkret die US 3 936 727 in Bezug (Abs. [0003]).

Des Weiteren ist dem Klagepatent zufolge im Stand der Technik eine Variante der SVC-Technik als STATCOM (Static Synchronous Compensator) oder SVC Light bekannt (Abs. [0005]).

Weiter ist als Technik zur Reduzierung von Flickern die intelligente vorausschauende Leistungsregelungen (SPLC) bekannt, wie sie beispielsweise in der US 5 991 327 offenbart wird (Abs. [0006]). Eine SLPC arbeitet als eine in Reihe geschaltete Drossel und stabilisiert den Strom in einem Lichtbogenofen (Abs. [0006]). Dadurch werden die Lichtbogenstromschwankungen in den Leistungssystemen reduziert, was zugleich auch zu einer Reduzierung von Spannungsflickern führt (Abs. [0006]).

Vor dem Hintergrund des in Bezug genommenen Stands der Technik strebt das Klagepatent die Verbesserung der bisherigen Leistungssteuerungssysteme zur Flickerregulierung an (Abs. [0007]).

2.
Zur Lösung der Aufgabe (technisches Problem) sieht Anspruch 1 des Klagepatents ein System mit den folgenden Merkmalen vor:

1. Ein Leistungssteuerungssystem

a. zur Reduktion von Spannungsflickern in einer Wechselstromversorgungsleitung (10),

b. mit einer daran angeschlossenen zeitlich variierenden Last (12).

2. Das Leistungssteuerungssystem umfasst

a. einen ersten variablen Reaktor (200, 206), der parallel zur Stromversorgungsleitung (10) geschaltet ist,

b. einen zweiten variablen induktiven Reaktor (16, 202) zwischen der Stromversorgungsleitung (10) und der Last (12),

c. ein Steuerungssystem (228, 230, 232, 28, 46, 48).

3. Das Steuerungssystem (228, 230, 232, 28, 46, 48) dient

a. der Überwachung von Laststrom und

b. der Anpassung des zweiten variablen induktiven Reaktors (16, 202) als Reaktion auf Schwankungen des überwachten Laststroms mit einer Frequenz innerhalb eines ersten Frequenzbereichs, um Spannungsflicker zu reduzieren.

4. Das Steuerungssystem (228, 230, 232, 28, 46, 48) ist ausgelegt zum

a. Überwachen von Blindleistungsaufnahme aus der Wechselstromversorgungsleitung (10) und

b. Anpassen des ersten variablen Reaktors (200, 206) als Reaktion auf Schwankungen der überwachten Blindleistungsaufnahme mit einer Frequenz innerhalb eines zweiten Frequenzbereichs, der sich von dem ersten Frequenzbereich unterscheidet, um Spannungsflicker zu reduzieren.
Das Klagepatent macht es sich zu Nutze, dass sich Spannungsflicker während eines Verfahrenszyklus (Absenken der Elektroden in das Einsatzgut bis zum Ablassen des geschmolzenen Einsatzguts aus dem Ofen) im Allgemeinen derart entwickeln, dass zunächst starke Schwankungen mit niedrigen Frequenzen auftreten, die sich dann hin zu kleineren Spannungsschwankungen mit höheren Frequenzen entwickeln (Abs. [0017] f.). Frequenz im Sinne des Klagepatents bedeutet dabei die Häufigkeit der Änderung der Stromstärke bzw. der Leistungskomponente während eines Zeitintervalls (Abs. [0016] a. E.). Die nachfolgende Abbildung, die der Fig. 2 des Klagepatents (dort oberes Diagramm) entnommen ist,
zeigt die Ofenleistung während eines Verfahrenszyklus. In der Absenkphase („Bore-in-Stage“) 218 und auch zu Beginn der Langlichtbogen-Einschmelzphase („Long Arc Melting Stage“) 219 sind starke Leistungsschwankungen zu erkennen, die jedoch weniger häufig, das heißt nur mit einer niedrigen Frequenz („Low Frequency“), auftreten. Im Laufe der Langlichtbogen-Einschmelzphase hin zur Langlichtbogen-Schaumschlackeerhitzungsphase („Long Arc Foamy Slag Heating“) 220 sind die Schwankungen weniger stark, weisen jedoch eine höhere Frequenz („High Frequency“) auf.

In der Regulierung über unterschiedliche Frequenzbereiche hinweg liegt gerade der erfindungswesentliche Vorteil:

„Geht man wie oben beschrieben vor, lässt sich eine verbesserte Flickerreduzierung erzielen, weil die induktiven Parallel- und Vorschaltereaktoren und deren jeweilige Steuerung darauf ausgerichtet sind, Flicker innerhalb von Schwankungsbereichen zu reduzieren, für die sie jeweils besser geeignet sind. Somit werden die Attribute jedes Bauelements jeweils vorteilhaft genutzt.“ (Abs. [0071]).

II.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen 3b und 4b Gebrauch macht, weshalb es an einer Verletzungshandlung im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG fehlt.

1.
In dem Merkmal 3b,

„Anpassung des zweiten variablen induktiven Reaktors (16, 202) als Reaktion auf Schwankungen des überwachten Laststroms mit einer Frequenz innerhalb eines ersten Frequenzbereichs, um Spannungsflicker zu reduzieren,“

und dem Merkmal 4b,

„Anpassen des ersten variablen Reaktors (200, 206) als Reaktion auf Schwankungen der überwachten Blindleistungsaufnahme mit einer Frequenz innerhalb eines zweiten Frequenzbereichs, der sich von dem ersten Frequenzbereich unterscheidet, um Spannungsflicker zu reduzieren“,

findet die Tatsache einen Ausdruck, dass das Klagepatent zur Reduzierung von Spannungsflickern daran anknüpft, in welchem Frequenzbereich diese sich bewegen (Abs. [0019]), wobei zu beachten ist, dass jeder der für einen Spannungsflicker angegebenen Ursache – Schwankungen im Laststrom und dem Leistungsfaktor – ein bestimmter Frequenzbereich zugeordnet werden kann (vgl. dazu auch bereits unter Ziff. I., 2.).

Die jeweiligen Reaktoren decken dabei Schwankungen in unterschiedlichen Frequenzbereichen ab, und erfassen so in ihrer Gesamtheit einen weiteren Frequenzbereich, in dem es bei der Betriebsphase eines Ofens zu Leistungsschwankungen kommen kann. Dies kann grafisch mit dem nachfolgenden Diagramm, welches der Abbildung 2 des Klagepatents (dort unteres Diagramm) entnommen ist, dargestellt werden:

So sieht das Klagepatent bevorzugt vor, dass der zweite variable induktive Reaktor die Spannungsschwankungen in der Absenkphase 218 bis in die Langlichtbogen-Einschmelzphase 219 kompensiert, was dem Zeitraum 270 in der obigen Darstellung entspricht,

„Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist ein Stromstabilisator 232 vorgesehen, um Spannungsflicker in erster Linie während der Absenkphase und bis in die Langlichtbogen-Einschmelzphase 219 des Verfahrenszyklus des Ofens zu steuern, wenn starke niederfrequente Spannungsschwankungen auftreten. Abbildung 2 stellt beispielhaft einen Zeitraum 270 dar, in dem der Stromstabilisator 232 erheblich zur Spannungsflickerreduzierung […] beiträgt. Diesbezüglich ist der Stromstabilisator so konfiguriert, dass er die Thyristoren 22 des induktiven Vorschaltreaktors ansteuert, um die Stromaufnahme der Ofenelektroden einem Sollwert Iset-point anzugleichen […].“ (Abs. [0021]; Hervorhebungen diesseits).

Der erste induktive Reaktor hingegen gelangt in dem konkreten Ausführungsbeispiel zum Einsatz, um nach der Absenkphase 218, mithin insbesondere während der Langlichtbogen-Einschmelzphase 219 und der Langlichtbogen-Schaumschlackeerhitzungsphase 220 zu steuern,

„Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird der Blindleistungsstabilisator 230 eingesetzt, um Spannungsflicker in erster Linie nach der Absenkphase des Verfahrenszyklus des Ofens zu steuern, so z. T. während der Langlichtbogen-Einschmelzphase und der Langlichtbogen-Schaumschlackeerhitzungsphase, […]. Abbildung 2 stellt beispielhaft einen Zeitraum 272 dar, in dem der Blindleistungsstabilisator 230 erheblich zur Spannungsflickerreduzierung beiträgt. Diesbezüglich ist der Blindleistungsstabilisator 230 so konfiguriert, dass er die Thyristoren 208 des induktiven Parallelreaktors 200 ansteuert, um die gesamte Blindleistungsaufnahme des Lichtbogenofens […] im Wesentlichen auf einem niedrigen Wert (vorzugsweise nahe Null) konstant und ausgeglichen zu halten.“ (Abs. [0026]; Hervorhebungen diesseits).

Der Anspruchswortlaut der Merkmale 3b und 4b legt nicht fest, auf welche Art und Weise eine „Anpassung“ des ersten bzw. zweiten Reaktors auf Schwankungen in dem überwachten Laststrom bzw. der überwachten Blindleistungsaufnahme erfolgt. Aufgrund der Funktionsweise des Reaktors ist dem Fachmann jedoch bewusst, dass der Anpassungsvorgang durch eine Phasenverschiebung, – jedenfalls im Hinblick auf den zweiten variablen Reaktor – derart, dass der Strom der Spannung nacheilt, vorgenommen wird.

2.
Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich – unter Berücksichtigung des substantiierten Gegenvortrags der Beklagten – nicht, dass bei der angegriffenen Ausführungsform eine Anpassung der Reaktoren in Abhängigkeit zu Schwankungen des Laststroms einerseits und in Abhängigkeit zu Schwankungen der Blindleistungsaufnahme andererseits innerhalb jeweils unterschiedlicher Frequenzbereiche entsprechend der klagepatentgemäßen Lehre (Merkmale 3b und 4b) erfolgt.

a)
Um eine Anpassung des Gradators („zweiter variabler induktiver Reaktor“) aufgrund von Schwankungen im Laststrom und eine Anpassung der als „SVC Plant Filter & Compensation“ bezeichneten Anlage (im Folgenden kurz: SVC-Anlage) („erster variabler Reaktor“) aufgrund von Schwankungen in der Blindleistungsaufnahme jeweils innerhalb eines bestimmten Frequenzbereichs darzutun, führt die Klägerin die nachfolgend wiedergegebenen Messungen der Spannungs- und Stromwellenformen des Gradators aus der Ofenanlage „B“ vom 31.03.2015 (Anlage B&B26b) an:
Diese zeigen nach dem Vortrag der Klägerin in einer Gesamtschau mit Seite 8 des ABB-Dokuments zur technischen Beschreibung der Ofenanlage „C“ (Anlage B&B24), in der eine sog. „feed-forward Flickersteuerung“ (= Flickerkontrolle ohne verzögerte Reaktionszeit) durch die SVC-Anlage ausgewiesen wird, dass die Reaktionszeit des Gradators im Vergleich zu derjenigen der SVC-Anlage deutlich langsamer ist, dieser mithin eine langsamere Steuerungsgeschwindigkeit aufweist. Daraus sei ableitbar, dass der Gradator für einen niedrigeren Frequenzbereich eingesetzt werde, und die SVC-Anlage für einen höheren Frequenzbereich.

Die Messungen aus der Ofenanlage „B“ sowie technische Beschreibungen zur Anlage „C“ sind grundsätzlich zur Darlegung einer Merkmalsverwirklichung durch die angegriffene Ausführungsform geeignet.

Die Beklagte tritt einer Verwendung damit entgegen, dass sie lediglich den Gradator, nicht aber die SVC-Anlage für das Projekt „C“ geliefert hat, und dass die Ofenanlage „B“ vor Eintritt des Klagepatentschutzes im Jahre 2006 geliefert worden ist. Diese Tatsachen hindern jedoch nicht daran, aus Unterlagen zu diesen Ofenanlagen Rückschlüsse auf die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform zu ziehen. Die Beklagte hat jedenfalls (damals noch firmierend unter „D AG“) ursprünglich auch für die Ofenanlage „C“ ein komplettes System angeboten. In diesem Zusammenhang trägt die Beklagte nicht vor, dass das nunmehr eingesetzte Gesamtsystem, das die SVC-Anlage eines anderen Anbieters enthält, anders als das von ihr angebotene System funktioniert. Dagegen spricht auch, dass die Beklagte selbst vorbringt, ihr Ofensystem könne mit einer vorbekannten SVC-Anlage betrieben werden. Gleiches gilt im Hinblick auf das Ofensystem „B“. Die Beklagte trägt nicht vor, dass sich das von ihr im Jahre 2006 implementierte System gegenüber demjenigen, welches sie nunmehr anbietet, verändert hat.

b)
Sofern die Klägerin jedoch aus den unterschiedlichen Steuerungsgeschwindigkeiten bzw. Reaktionszeiten des Gradators (Anlage B&B26b) und der SVC-Anlage (Anlage B&B24) eine klagepatentgemäße Flickerregulierung in unterschiedlichen Frequenzbereichen derart herleitet, dass die SVC-Anlage Flicker im Hochfrequenzbereich und der Gradator Flicker im niederfrequenten Bereich abdecke, vermag die Kammer diesen zwingenden Schluss nicht zu ziehen.

Mit der Reaktionsgeschwindigkeit des Gradators ist zunächst lediglich eine Eigenschaft des Thyristors, der den Gradator bildet, beschrieben. Eine Angabe darüber, ob diese Eigenschaft im Sinne der Lehre des Klagepatents eingesetzt wird, insbesondere der Zündwinkel in Abhängigkeit zu Schwankungen im Laststrom angepasst wird, ist damit noch nicht verbunden.

Dies gilt vorliegend insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte eine alternative Erklärung ihres angegriffenen Steuerungsmodells nachvollziehbar darlegt, wonach der Gradator, während des Betriebs der Ofenanlage der Regulierung der Wirkleistung dient, was sich auch mit dem Vortrag der Beklagten in dem Verfahren 4a O 177/15, dessen Akten beigezogen waren, deckt. Auch in dem Fall der Wirkleistungskontrolle erfolgt eine Ansteuerung der Zündwinkel des Thyristors („Anpassen“), reagiert dieser mithin innerhalb einer bestimmten Zeit auf Veränderungen einer Bezugsgröße, nämlich auf eine Differenz von Schwankungen in der tatsächlichen Wirkleistung im Vergleich zu einer vorgegebenen Soll-Wirkleistung.

c)
Die Kammer kann auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Sachverständigengutachten des Prof. Dr.-Ing. E vom 13.01.2017 (Anlage B&B69) keine weiteren Anhaltspunkte für eine Merkmalsverwirklichung durch die angegriffene Ausführungsform gewinnen.

Dieses enthält keine konkreten Aussagen zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform, sondern verhält sich im Zusammenhang mit dem hiesigen Verfahren im Wesentlichen zu der Frage, was der Fachmann unter dem Begriff des ersten variablen und des zweiten variablen induktiven Reaktors im Sinne des Klagepatents versteht (Anlage B&B69, S. 4 ff.), und ob diese durch einen Thyristor gebildet werden können (Anlage B&B79, S. 9). Diese Ausführungen lassen keinen Bezug zu der konkret angegriffenen Ausführungsform erkennen. Sofern des Weiteren Gegenstand des Privatgutachtens die Frage ist, ob mit einem Thyristorschalter auch die Funktion des Ausregelns von Spannungsflickern übernommen werden kann (Anlage B&B69, Pkt. 6), geht es auch dabei lediglich um die grundsätzliche Eignung des Thyristorschalters zur Übernahme dieser Aufgabe,

„Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass ein Thyristorschalter prinzipiell dafür geeignet ist, als gemeinsames Stellglied für die genannten regelungstechnischen Aufgaben zu wirken.“ (Anlage B&B69, S. 13, 2. Abs.),

„Ob der Thyristorschalter [….] entsprechend den Anforderungen des in Anspruch 1 von EP 436 XXX beschriebenen „second variable inductive reaktor“ (ii) um Spannungsflicker auszuregeln [eingesetzt wird], hängt vom jeweiligen Steuerungsalgorithmus ab, der zur Steuerung der Zündwinkel der Thyristoren angewandt wird.“ (Anlage B&B69, S. 13, letzter Abs.),

nicht aber ist die tatsächliche Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform Gegenstand.

d)
Auch kann auf der Grundlage der übrigen, von der Klägerin in Bezug genommenen Unterlagen eine Merkmalsverwirklichung nicht angenommen werden. Denn auch diese lassen sich auf den substantiierten Gegenvortrag der Beklagten lesen.

Dies gilt insbesondere für die nachfolgende Abbildung eines Gradator-Monitors (Anlage B&B 25b) aus der Anlage C:

Diesem lässt sich zwar in der rechten unteren Bildhälfte ein Modus „Control Current“ entnehmen, was für eine Überwachung des Laststroms spricht. Hiergegen bringt die Beklagte jedoch vor, dass dieser Modus nur während des Elektrodenbackens, mithin ohne den Anschluss einer Last an den Ofen, in Betrieb genommen wird. Dafür, dass sich der Ofen in keinem Schmelzbetrieb befindet, spricht auch, dass der Leistungseintrag („Power Ref.“) und die Ist-Leistung („Power FB (Feedback)“) sowie die Ist-Elektrodenströme („Current“) Werte von 0,0 MW bzw. kA aufweisen. Für diesen Fall aber ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass der Gradator auf Schwankungen im Laststrom innerhalb eines bestimmten Frequenzbereichs, noch dazu von einem, der sich von demjenigen, für den die SVC-Anlage greift, unterscheidet, reagiert. Insbesondere lässt sich auch nicht ohne weiteres eine Verbindung zwischen dem mit dem Bildschirmmonitor wiedergegeben Betriebsmodus der Ofenanlage „C“ sowie den Messungen aus der Anlage „B“ (Anlage B&B26b) herstellen, im Hinblick auf welche schon nicht vorgetragen ist, dass sie während des Elektrodenbackbetriebs gewonnen worden sind. Es fehlt in dem Modus zudem an einem Schmelzgut, welches die Spannungsflicker, die das Klagepatent zu minimieren beabsichtigt, verursacht.
Den dargestellten Vortrag der Beklagten berücksichtigend vermag die Kammer auch unter Hinzunahme eines Blockdiagramms des angegriffenen Steuerungssystems (entnommen der technischen Beschreibung der Anlage „C“, Anlage B&B24, S. 7, oben, wobei farbliche Markierungen durch die Klägerin ergänzt wurden),

keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für eine Merkmalsverwirklichung herzuleiten. Die Klägerin trägt vor, dass die Verbindung zwischen dem Kreissymbol im linken Bildteil (roter Kasten) mit dem Kasten, in dem der Buchstabe „I“ als Formelzeichen für Strom steht, anzeige, dass das System der Beklagten den Laststrom überwache. Jedoch lässt sich die bildliche Darstellung auch auf den Vortrag der Beklagten lesen, wonach über den Gradator zur Wirkleistungssteuerung Einfluss auf den Faktor „Strom“ genommen wird.
Schließlich lässt sich auch aus dem Passus in der Systembeschreibung für die Anlage „A“ (Anlage B&B17, S. 12),

„Verbesserte Steuerungsfunktion für eine schnelle Elektrodenstrom- und Spannungsregulierung“ [im Originaltext: „Enhanced control function for fast electrode current and voltage regulation”],

für den Vortrag der Klägerin nichts herleiten. Der allgemein gehaltene Passus verhält sich nicht dazu, zu welchem Zweck die Überwachung des Stroms stattfindet. Er zwingt deshalb auch nicht zu der Annahme, dass die Zündwinkel des Gradators in Abhängigkeit zu Laststromschwankungen mit dem Ziel der Reduzierung von Flickern gesteuert werden. Sofern mit der Passage auf eine Spannungsregulierung Bezug genommen wird, ist dies auch mit der SVC-Anlage, die unstreitig dem Ausgleich von Spannungsflickern dient, erklärbar. Detailliertere Angaben zur Art und Weise der Minimierung von Spannungsflickern, insbesondere im Sinne des Klagepatents, lassen sich der zitierten Aussage nicht entnehmen.

e)
Bei Berücksichtigung der Ausführungen unter lit. a) – d) kann auch das von der Klägerin beantragte gerichtliche Sachverständigengutachten auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen keinen Erkenntnisgewinn zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform bringen, weshalb von der Einholung eines solchen abzusehen war.

III.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 Satz 1, 2 ZPO.

IV.
Auf die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 20.03.2017, vom 27.03.2017 und vom 30.03.2017 war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht angezeigt, § 156 Abs. 1 ZPO.

IV.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 750.000,- festgesetzt.