Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2636
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. Januar 2013, Az. I-2 UH 1/12
Vorinstanz: 4a O 52/06
- I Die Restitutionsklage wird abgewiesen.
- II Die Restitutionsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- III Das Urteil ist für die Restitutionsbeklagte wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Restitutionsklägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Restitutionsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- IV Die Revision wird nicht zugelassen.
- V Der Streitwert wird auf 830.000,– € festgesetzt.
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G r ü n d e :
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I.
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Die Restitutionsbeklagte ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patentes , das eine französische Unionspriorität vom 11.03.1988 in Anspruch nimmt und dessen Verfahrenssprache Französisch ist. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 06.09.1995 veröffentlicht. Das Patent ist am 09.03.2009 infolge Zeitablaufs erloschen. Es betrifft ein Vakuumtransportsystem für Abwässer. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hatte in seiner erteilten Fassung in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:
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„Verfahren zum Abtransport von Abwässern durch Saugen und Fördern mit Hilfe einer Pumpe, bei dem ein rohrförmiger Kollektor (42) über einen Ansaugdurchlass (33) mit der Pumpe verbunden ist und die Abwässer in Form von aufeinanderfolgenden Stopfen sowie auf diese Stopfen folgende Luftmassen empfängt, die von der Atmosphäre stammen, und bei dem die Pumpe diese Stopfen und diese nachfolgenden Luftmassen ansaugt, indem sie den Luftdruck im Kollektor auf einen Saugdruck unterhalb des Atmosphärendrucks senkt, wobei die Abwässer durch einen Förderauslass (34) unter einem Auslassdruck abgegeben werden, der höher ist als der Ansaugdruck und ausreicht, um den Abtransport zu erlauben,
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d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
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dass die verwendete Pumpe eine Flüssigkeitsringpumpe (P) ist, die außerdem mit einem Wasserversorgungsdurchlass (19) versehen ist, um einen geringen Durchsatz an Versorgungswasser zu erhalten, das einen Flüssigkeitsring in dieser Pumpe bildet und/oder aufrecht erhält.“
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Die Restitutionsklägerin hat während der Patentlaufzeit Vakuumpumpen zur Installation in Vakuum-Abwasserentsorgungssystemen für den Bereich der Schifffahrt hergestellt und in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „V. J.“ die Modelle 15 D, M., M, M, und M vertrieben. Weil die streitbefangenen Vakuumpumpen nach Ansicht der Restitutionsbeklagten den Benutzer in die Lage versetzten, das erfindungsgemäße Verfahren mit allen seinen Merkmalen wortsinngemäß auszuführen, hat sie die Restitutionsklägerin wegen mittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 02.08.2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11.09.2007 hat das Landgericht Düsseldorf (4a O 52/06) die Restitutionsklägerin auf der Grundlage des erteilten Patentanspruchs 1 antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung hat der Senat durch Urteil vom 13.11.2008 (I-2 U 76/07) zurückgewiesen, wobei lediglich der Rechnungslegungsausspruch geringfügig geändert worden ist. Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen.
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Am 16.12.2008 hat die Restitutionsklägerin beim Bundesgerichtshof Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und diese unter dem 21.09.2009 begründet, wobei sie u.a. die Auslegung des Klagepatents durch den Senat als rechtsfehlerhaft gerügt hat.
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Gegen den deutschen Teil des Klagepatents sind – u.a. durch die Restitutionsklägerin – mehrere Nichtigkeitsklagen geführt worden, weswegen das Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung der Revision vorübergehend ausgesetzt war. Mit Urteil vom 05.05.2011 hat das Bundespatentgericht das Klagepatent in eingeschränkter Fassung wie folgt aufrechterhalten (wobei die zusätzlichen Merkmale durch Unterstreichen hervorgehoben sind):
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„Verfahren zum Abtransport von Abwässern durch Saugen und Fördern mit Hilfe einer Pumpe, bei dem an einem rohrförmigen Kollektor (42) mindestens eine WC-Schüssel (43) mit einer Wasserspülung und einem dichten Vakuumentleerungsventil angeschlossen ist, und bei dem der rohrförmige Kollektor (42) über einen Ansaugdurchlass (33) mit der Pumpe verbunden ist und die Abwässer in Form von aufeinanderfolgenden Stopfen sowie auf diese Stopfen folgende Luftmassen empfängt, die von der Atmosphäre stammen, bei dem zwischen dem rohrförmigen Kollektor (42) und der Pumpe ein Rückschlagventil (55) und vor dem Ventil eine das Vakuum im Kollektor messende Vakuumsonde (56) angeordnet werden, die über ein Relais (57) die Pumpe bei einem hohen Druckschwellwert in Gang setzen und bei einem niedrigen Druckschwellwert anhalten kann, und bei dem die Pumpe diese Stopfen und diese nachfolgenden Luftmassen ansaugt, indem sie den Luftdruck im Kollektor (42) auf einen Saugdruck unterhalb des Atmosphärendrucks senkt und die Abwässer durch einen Förderauslass (34) unter einem Auslassdruck abgibt, der höher ist als der Ansaugdruck und ausreicht, um den Abtransport zu erlauben, wobei als Pumpe eine Flüssigkeitsringpumpe (P) verwendet wird, die außerdem mit einem Wasserversorgungsdurchlass (19) versehen ist, um einen geringen Durchsatz an Versorgungswasser zu erhalten, das einen Flüssigkeitsring in dieser Pumpe bildet und/oder aufrecht erhält.“
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Die hiergegen eingelegte Berufung der Restitutionsklägerin hat der Bundesgerichtshof (X ZR 116/11) mit Beschluss vom 20.12.2011 als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist begründet worden ist.
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Unter dem 12.12.2011 ist von dem Patentanwalt der Restitutionsklägerin gegen das Klagepatent eine weitere Nichtigkeitsklage eingereicht worden (10 Ni 32/11), über die derzeit noch nicht entschieden ist.
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Am 15.12.2011 hat die Restitutionsklägerin daraufhin, gestützt auf die neuerliche Nichtigkeitsklage (10 Ni 32/11), einen abermaligen Antrag auf Aussetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gestellt. Dass die angegriffene Ausführungsform von der zwischenzeitlich rechtskräftig beschränkten Fassung des Klagepatents keinen Gebrauch macht, hat die Restitutionsklägerin während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nicht geltend gemacht. Mit Beschluss vom 17.04.2012, zugestellt am 20.04.2012, hat der Bundesgerichtshof (X ZR 139/08) eine weitere Aussetzung des Verfahrens abgelehnt und die Nichtzulassungsbeschwerde der Restitutionsklägerin zurückgewiesen.
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Die Restitutionsklägerin hält die erfolgte Verurteilung wegen Patentverletzung für unberechtigt, nachdem das Klagepatent durch Urteil des Bundespatentgerichts vom 05.05.2011 rückwirkend eingeschränkt worden ist. Die angegriffene Ausführungsform erweise sich aufgrund der Teilvernichtung nicht mehr als mittelbar patentverletzend, weil sie keine Flüssigkeitsringpumpe aufweise, die eine das Vakuum im Kollektor messende Vakuumsonde enthalte.
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Unter dem 18.05.2012 hat die Restitutionsklägerin Klage erhoben, mit der sie eine Abänderung des Senatsurteils vom 13.11.2008 (I-2 U 76/07) und die Abweisung der Verletzungsklage begehrt. Sie trägt vor, die Restitutionsklage sei zulässig. Insbesondere habe sie die Einschränkung des Klagepatents durch das Bundespatentgericht nicht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen können. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sei bereits abgelaufen gewesen, bevor das Bundespatentgericht die Einschränkung des Klagepatents vorgenommen habe. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht möglich gewesen. Die Jahresfrist gemäß § 234 Abs. 3 ZPO sei bereits verstrichen gewesen, als das Urteil des Bundespatentgerichts und damit die Einschränkung des Klagepatents rechtskräftig geworden sei. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die außerhalb der Jahresfrist eine Wiedereinsetzung in Fällen erlaube, in denen es im Rechtsbestandsverfahren einerseits und im Verletzungsprozess andererseits zu einer widersprüchlichen Patentauslegung gekommen sei, sei nicht auf Fälle übertragbar, in denen das Klagepatent – wie hier – eine Einschränkung erfahren habe. Zumindest könne ihr die unterbliebene Geltendmachung der Nichtverletzung nicht als Verschulden vorgeworfen werden.
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Die Klägerin beantragt,
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1 das rechtskräftige Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.11.2008 (I-2 U 76/07) abzuändern und auf die Berufung gegen das am 02.08.2007 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Az. 4a O 52/06 – die Klage abzuweisen;
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2 hilfsweise, den Rechtsstreit auszusetzen und die Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Verletzungsurteil einzustellen, bis über die anhängige Nichtigkeitsklage (10 Ni 32/11 (EU)) rechtskräftig entschieden ist;
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3 weiter hilfsweise, ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung der Restitutionsbeklagten aus dem landgerichtlichen Verletzungsurteil durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Restitutionsbeklagten abzuwenden, bis über die Nichtigkeitsklage (10 Ni 32/11 (EU)) rechtskräftig entschieden ist.
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Die Restitutionsbeklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die Restitutionsklage für unzulässig. Die Restitutionsklage hätte nur gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.04.2012 erhoben werden können, mit dem das Verletzungsverfahren rechtskräftig beendet worden sei, nicht aber gegen das Urteil des Senats. Außerdem hätte die beschränkte Aufrechterhaltung des Klagepatents bereits im Verletzungsverfahren im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden müssen. Die Wiedereinsetzung sei auch statthaft gewesen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine Geltendmachung der Nichtigkeit eines Patents im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde, ggf. im Wege der Wiedereinsetzung, fordere, sei auch dann anwendbar, wenn das Patent vom Bundespatentgericht eingeschränkt worden sei. Außerdem sei die Restitutionsklage unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die dem Patentanspruch 1 im Nichtigkeitsverfahren hinzugefügten Merkmale. Insbesondere messe die Vakuumsonde der angegriffenen Ausführungsform das Vakuum in den Vakuumrohrleitungen und steuere den Einsatz der Vakuumpumpen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die Restitutionsklage bleibt ohne Erfolg.
29
1.
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Die Restitutionsklage ist allerdings statthaft. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Urteil vom 11.05.2006 – I-2 U 86/05; Urteil vom 26.03.2009 – I-2 U 41/08; Urteil vom 11.11.2010 – I-2 U 152/09), dass die nachträgliche Vernichtung des Klagepatents in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verletzungsverfahrens rechtfertigt. Wie der Senat im Urteil vom 11.11.2010 – I-2 U 152/09 bestätigt hat, gilt dies nicht nur im Falle einer vollständigen Vernichtung des der Verletzungsklage zugrunde liegenden Patents, sondern gleichermaßen dann, wenn das Klagepatent derart eingeschränkt wird, dass die verurteilte Ausführungsform vom Schutzbereich des Klagepatents in seiner eingeschränkten Fassung nicht mehr erfasst wird. Dieser Auffassung hat sich auch der Bundesgerichtshof (GRUR 2012, 753 – Tintenpatrone III; GRUR 2010, 996 – Bordako) angeschlossen.
31
2.
32
Die Restitutionsklage war nicht gegen den Zurückweisungsbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.04.2012, sondern – wie geschehen – gegen das Urteil des Senats zu richten, dessen Abänderung die Klägerin begehrt. Denn bei diesem Urteil handelt es sich um die letzte Sachentscheidung im Verletzungsverfahren, die die Klägerin angesichts der Teilvernichtung des Klagepatents als falsch entschieden rügt. Hingegen ergeht im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren keine Entscheidung in der Sache. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel in Bezug auf die Hauptsache. Ihr fehlt der Devolutiveffekt (Krüger in MK-ZPO, 4. Aufl., § 544 Rn. 2 m.w.N.). Die Hauptsache wäre erst in der Revisionsinstanz angefallen, wenn das Revisionsgericht der Beschwerde stattgegeben und die Revision zugelassen hätte (Krüger in MK-ZPO, a.a.O.). Deshalb steht der Zurückweisungsbeschluss in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht einem „in der Revisionsinstanz erlassenen Urteil“ i.S.v. § 584 Abs. 1 ZPO gleich. Da das Revisionsgericht bei der Nichtzulassungsbeschwerde keine Sachentscheidung trifft, ist der entgegenstehenden Auffassung von Greger (Zöller, 29. Aufl., § 584 Rn. 9) nicht zu folgen. Sie nimmt auf Rechtsprechung Bezug, die vor der Reform des Zulassungsverfahrens ergangen ist.
33
3.
34
Die Restitutionsklage ist unbegründet, weil die Restitutionsklägerin nicht gemäß § 582 ZPO ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in einem früheren Verfahren geltend zu machen. Sie hätte die Teilvernichtungsentscheidung des Bundespatentgerichts, die Anlass für die Restitutionsklage ist, nach Eintritt ihrer Rechtskraft im Rahmen des damals noch anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens als Nichtverletzungsargument vorbringen können. Die Einführung des Restitutionsgrundes (rechtskräftige Beschränkung des Klagepatents und dadurch bedingtes Entfallen des Benutzungstatbestandes) in das Verletzungsverfahren wäre trotz Ablaufs der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde möglich gewesen, weil die Restitutionsklägerin einen Wiedereinsetzungsgrund für sich hätte reklamieren können.
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a)
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Die Einschränkung des Klagepatents durch das Bundespatentgericht stellt einen Revisionszulassungsgrund dar. Da das Urteil des Senats auf der erteilten Fassung des Klagepatents basiert, gegenüber der der Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren eingeschränkt worden ist, liegt eine Abweichung zwischen der Bestimmung des Inhalts des Patents im Verletzungs- und im Nichtigkeitsverfahren vor. Dies begründet zwar keinen eigentlichen Fall eines Revisionsgrundes i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es fehlt an zwei sich widersprechenden Entscheidungen. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts war bei der letzten Entscheidung im Verletzungsrechtszug noch nicht vorhanden. Allerdings stellt, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, die vollständige Nichtigerklärung des Patentanspruchs (vgl. BGH, Beschluss vom 28. 9. 2010, X ZR 112/07) ebenso wie das Vorliegen von Auslegungsdivergenzen im Bestands- und im Verletzungsverfahren (vgl. BGH, GRUR 2010, 858 – Crimpwerkzeug III) einen Revisionszulassungsgrund dar. Die enge Verzahnung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren und das daraus folgende allgemeine Interesse an der Verhinderung widerstreitender Rechtstitel im Verletzungs- und im Nichtigkeitsverfahren führen zu einer der (echten) Divergenz entsprechenden Interessenlage, auf Grund derer ein Einschreiten des Bundesgerichtshofs erforderlich wird (BGH, GRUR 2010, 858, 859 [12] – Crimpwerkzeug III). So ist die Verletzungsklage im Falle einer vollständigen Nichtigerklärung des Klagepatents abzuweisen (BGH, GRUR 2004, 710, 711 – Druckmaschinen-Temperiereinrichtung). Wird das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren eingeschränkt, hat das Verletzungsgericht seiner Entscheidung die neu gefassten Ansprüche zugrunde zu legen (BGH, GRUR 2010, 272 – Produktionsrückstandentsorgung). Über die genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hinaus, die einen Zulassungsgrund im Interesse der Verhinderung widerstreitender Rechtstitel im Verletzungs- und im Nichtigkeitsverfahren ausdrücklich bisher nur bei Auslegungsdivergenzen und beim vollständigen Wegfall des Klagepatents anerkannt haben, muss Gleiches auch bei einer Einschränkung des Klagepatents im Nichtigkeitsverfahren gelten. Denn eine Teilvernichtung des Klagepatents kann ebenso zu widersprechenden Entscheidungen im Bestands- und Verletzungsverfahren führen. Begründen schon Auslegungsdivergenzen einen Revisionszulassungsgrund, so muss dasselbe erst recht für die abweichende Fassung der Ansprüche des Klagepatents gelten, die Grundlage jeder Patentauslegung und Schutzbereichsbestimmung sind.
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Das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes ist nicht davon abhängig, ob das Merkmal, um das das Klagepatent im Bestandsverfahren ergänzt worden ist, von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht wird. Eine Prüfung des Schutzbereichs ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern hat im Zuge einer Sachentscheidung zu erfolgen, die ggf. durch die Nichtzulassungsbeschwerde ermöglicht wird.
38
b)
39
Die Klägerin hätte die Einschränkung des Klagepatents und die sich daraus ergebende Divergenz i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde einführen können. Zwar endete die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am 21.09.2009, wohingegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Teilvernichtung des Klagepatents erst am 05.05.2010 ergangen ist und durch die Verwerfungsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2011 Rechtskraft erlangt hat. Allerdings hätte die Klägerin in der darauffolgenden Zeit (von immerhin fast vier Monaten) bis zur Zurückweisung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde hinreichend Gelegenheit gehabt, die angebliche Nichtbenutzung der im Zuge der Teilvernichtung des Klagepatents in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Zusatzmerkmale, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die insoweit versäumte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2010, 858, 859 [16]- Crimpwerkzeug III) ist die Wiedereinsetzung derjenigen Partei, die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, in Fällen möglich, in denen nach Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im Bestandsverfahren eine abweichende Auslegung des Klagepatents als Grund für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu Tage getreten ist. Da die Teilvernichtung ebenso wie eine abweichende Auslegung einen Revisionszulassungsgrund darstellt, muss die nach Ablauf der Begründungsfrist erfolgte Teilvernichtung des Klagepatents ebenso im Wege der Wiedereinsetzung in das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eingeführt werden können wie eine Auslegungsdivergenz. Wie vorstehend ausgeführt, sind beide Fälle gleich zu behandeln. In beiden Fällen ist gleichermaßen der Anspruch auf rechtliches Gehör betroffen (vgl. BGH, GRUR 2010, 858, 859 [16] – Crimpwerkzeug III).
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Die Wiedereinsetzung wäre ungeachtet eines möglichen Ablaufs der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO möglich gewesen. Es entspricht, wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.08.2010 (X ZR 193/03, Mitt 2011, 24; BeckRS 2010, 22663) bestätigt hat, ständiger Rechtsprechung, dass die Ausschlussfrist nicht gilt, wenn die Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei liegt, sondern allein dem Gericht zuzuschreiben ist (BGH, Mitt 2011, 24 [18] m.w.N.). Auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Teilvernichtung des Klagepatents oder deren Rechtskraft hatte die Restitutionsklägerin keinen Einfluss. Auch insoweit sind Divergenzen in der Auslegung des Klagepatents (BGH, Mitt 2011, 24) mit einer Teilvernichtung gleich zu behandeln.
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c)
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Die Restitutionsklägerin hat es schuldhaft versäumt, die Teilvernichtung des Klagepatents und die daraus angeblich resultierende Nichtverletzung zum Gegenstand ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zu machen. Bis zum Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.04.2012, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, hätte die Restitutionsklägerin die erfolgte Änderung der Patentansprüche und die daraus resultierende Nichtbenutzung des Klagepatents im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde in Verbindung mit einem Wiedereinsetzungsantrag vorbringen können. Dies hat sie schuldhaft unterlassen.
43
aa)
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Von einem Verschulden ist auszugehen, wenn dem Kläger der Restitutionsgrund positiv bekannt war und seine Geltendmachung im früheren Verfahren Aussicht auf Erfolg gehabt hat (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 582 Rn. 4). Die Partei hat sich dabei eine Fahrlässigkeit ihres Anwaltes wie eigenes Verschulden zurechnen zu lassen (Greger in Zöller, a.a.O., Rn. 5).
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bb)
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Die besagten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
47
Da die Klägerin die Nichtigkeitsklage, mit der das Klagepatent eingeschränkt worden ist, selbst geführt hat, hatte sie von der Teilvernichtung sofortige Kenntnis. Da ihr die technischen Einzelheiten der angegriffenen Ausführungsform geläufig waren, wusste sie auch um die mit der Restitutionsklage behauptete Nichtbenutzung der nach der Teilvernichtung geltenden Anspruchsfassung des Klagepatents. Etwas anderes macht die Restitutionsklägerin auch selbst nicht geltend.
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Unter den gegebenen Umständen hätte die Restitutionsklägerin wissen müssen, dass sie die Einschränkung des Klagepatents im Zuge der laufenden Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen hatte. Die in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Entscheidung Crimpwerkzeug III (BGHZ 186, 90) wurde spätestens ab September 2010 in mehreren Fachzeitschriften publiziert und musste damit der Restitutionsklägerin und ihrer anwaltlichen Vertretung Ende 2011 bekannt sein. Aufgrund dessen hätte die Klägerin erkennen müssen, dass sich aus dieser Entscheidung die Notwendigkeit ergab, die Teilvernichtung des Klagepatents im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens einzuwenden. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Crimpwerkzeug III – Entscheidung einen Revisionszulassungsgrund und eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht ausdrücklich bei einer Teilvernichtung anerkannt, sondern, weil der Streitfall seinerseits so gelagert war, bei einer Divergenz in der Patentauslegung zugelassen. Allerdings musste es für die Restitutionsklägerin auf der Hand liegen, dass Abweichungen bei der Auslegung des Klagepatents mit Änderungen der Patentansprüche in dieser Hinsicht gleich zu behandeln sind. Deshalb hätte sie im Anschluss an die BGH-Entscheidung Crimpwerkzeug IV (Mitt 2011, 24) – jedenfalls vorsorglich – Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragen und sich ergänzend auf die Nichtbenutzung der Zusatzmerkmale durch die angegriffene Ausführungsform berufen müssen. Das gilt umso mehr, als damit keinerlei weitere Kosten oder sonstige Rechtsnachteile für die Restitutionsklägerin verbunden gewesen wären.
49
Die Restitutionsklägerin konnte nicht darauf vertrauen, dass der Bundesgerichtshof die rechtskräftige Teilvernichtung des Klagepatents von Amts wegen zum Anlass für eine Revisionszulassung und eine daran anschließende Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nehmen würde, um den noch der erteilten Fassung des Klagepatents folgenden Urteilstenor des Verletzungsprozesses (formal) an die geltende, teilvernichtete Fassung des Patentanspruchs 1 anzupassen. Seit der Entscheidung Produktionsrückstandsentsorgung (GRUR 2010, 272) musste bekannt sein, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht schon deshalb zum Erfolg führt, weil der Patentanspruch im Anschluss an das Verletzungsurteil eine Einschränkung erfahren hat. Für den Fall, dass die in anderem Zusammenhang verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, dass die angegriffene Ausführungsform auch von der Lehre des geänderten Patentanspruchs Gebrauch macht, hat der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde vielmehr zurückgewiesen, wenn es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass dem Schuldner aufgrund des der uneingeschränkten Anspruchsfassung folgenden Urteilstenors eine Zwangsvollstreckung wegen einer Abwandlung droht, die bei Orientierung an der geänderten Fassung des Patentanspruchs nicht möglich wäre. Für den Fall, dass gegen eine nur von der erteilten, aber nicht mehr geltenden Anspruchsfassung Gebrauch machende Abwandlung dennoch eine Vollstreckungsmaßnahme stattfindet, verweist der Bundesgerichtshof den verurteilten Verletzer auf die Möglichkeit, gemäß § 826 BGB das Unterlassen der materiell unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahme fordern zu können. Keine andere Situation besteht, wenn die Benutzung der einschränkenden Zusatzmerkmale zwischen den Parteien unstreitig ist (und deshalb von vornherein keiner besonderen tatrichterlichen Feststellung bedarf).
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Angesichts der Ende 2011 gegebenen Rechtsprechungslage musste sich der Restitutionsklägerin aufdrängen, dass sich noch nicht allein um der beschränkten Anspruchsfassung des Klagepatents willen mit einem Durchdringen ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rechnen ließ, sondern dass es entscheidend darauf ankommen würde, ob die erfolgte Teilvernichtung die angegriffene Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Klagepatents herausführt. Für den Bundesgerichtshof war dies anhand des Akteninhalts schlechterdings nicht zu beurteilen, weil sich der Verletzungsprozess – was auch die Restitutionsklägerin einräumt – nicht zu den beschränkenden Zusatzmerkmalen und deren Benutzung verhält. Es lag deswegen an der Restitutionsklägerin (als der diesbezüglichen Wissensträgerin), durch einen entsprechenden Hinweis im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Benutzung der einschränkenden Anspruchsmerkmale streitig zu stellen und dadurch eine Verfahrenslage herbeizuführen, in der für den Bundesgerichtshof ein tatrichterlicher Aufklärungsbedarf erkennbar geworden wäre, dem nur mit einer Revisionszulassung mit anschließender Zurückverweisung an das Berufungsgericht Rechnung getragen werden konnte. Aus der Entscheidung Produktionsrückstandsentsorgung (GRUR 2010, 272) ergibt sich, dass es im Falle eines solchen Hinweises zu einer Zulassung der Revision mit anschließender Zurückverweisung der Sache an die Tatsacheninstanzen gekommen wäre.
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Zu Unrecht meint die Restitutionsklägerin, ein Verschuldensvorwurf sei zumindest im Hinblick auf die zu § 767 Abs. 2 ZPO existierende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1998, 2972) unangebracht, wonach einer Partei im Rahmen der von ihr erhobenen Vollstreckungsabwehrklage nicht entgegen gehalten werden kann, Einwendungen, die im Revisionsverfahren hätten berücksichtigt werden können, dort nicht vorgebracht zu haben. Seinerzeit ging es um einen Bürgschaftsprozess, in dem die während des Revisionsverfahrens eingetretene Verjährung der Hauptforderung nicht geltend gemacht worden ist. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (a.a.O.) ausgeführt, wegen der Beschränkung des Revisionsverfahrens auf eine Rechtskontrolle komme die Berücksichtigung neuen tatsächlichen Vorbringens nur in engen Grenzen in Betracht, nämlich nur dann, wenn sie unstreitig sind (und folglich keine nennenswerte Mehrarbeit verursachen) sowie schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht entgegen stehen. Weil die die Abwehrklage führende Partei nicht sicher davon ausgehen könne, dass das neue Vorbringen vom Revisionsgericht berücksichtigt wird, weil häufig nicht abzusehen sei, ob die neue Tatsache unstreitig bleibt oder ihre Berücksichtigung schützenswerte Belange der Gegenpartei berührt, korrespondiere mit dem Recht, neue Tatsachen im Revisionsrechtszug vorzutragen und ihre gerichtliche Behandlung unter bestimmten Umständen erwarten zu dürfen, nicht notwendig die Pflicht, solche Tatsachen noch im Revisionsrechtszug vorbringen zu müssen. Genau in diesem Punkt liegt der Streitfall in entscheidender Hinsicht anders. Die Teilvernichtung des Klagepatents war unbestreitbar; dass der Bundesgerichtshof, wenn die Restitutionsklägerin eine Benutzung der beschränkenden Merkmale bestritten hätte, die Revision zugelassen hätte, war sicher. Dementsprechend hätte die Restitutionsklägerin den fraglichen Weg auch gehen müssen.
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4.
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Eine Aussetzung des Restitutionsverfahrens wegen der gegen das Klagepatent anhängigen Nichtigkeitsklage (§ 148 ZPO) kommt nicht in Betracht. Die Restitutionsklage ist (im Sinne ihrer Abweisung) zur Endentscheidung reif, weswegen es an einer Vorgreiflichkeit des Nichtigkeitsverfahrens für die im vorliegenden Wiederaufnahmeverfahren zu treffende Entscheidung fehlt.
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III.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
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Eine mit den Hilfsanträgen begehrte Einstellungsanordnung zugunsten der Restitutionsklägerin ist nicht gerechtfertigt. Sie zielt ausdrücklich nicht auf diejenigen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ab, die aufgrund des hiesigen Restitutionsurteils ergehen können, sondern betreffen die Zwangsvollstreckung aus dem mittlerweile rechtskräftigen Verletzungsurteil des Landgerichts. Die diesbezüglichen Vollstreckungsanordnungen stehen jedoch im Restitutionsverfahren nicht mehr zur Disposition.
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Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die im Streitfall zu entscheidenden Rechtsfragen können auf der Grundlage bereits vorhandener höchstrichterlicher Judikatur beurteilt werden.
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IV.
60
Bei der Entscheidung über den Streitwert wird berücksichtigt, dass der Unterlassungsanspruch nicht mehr besteht. Der Streitwert entspricht 5/18 des ursprünglich vom LG Düsseldorf auf 3.000.000,– € festgesetzten Streitwertes.
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Dr. T. K. F. Dr. R.