I – 2 U 63/16

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2630

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 04. Mai 2017, Az. I – 2 U 63/16

Vorinstanz: 4b O 21/15

I. Die Berufungen gegen das am 19. Juli 2016 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf werden – mit der klarstellenden Maßgabe, dass sich der Ausspruch zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und zum Rückruf nach dem Erlöschen des Klagepatents und mit Rücksicht auf die während des Rechtsstreits vorgenommenen Erfüllungshandlungen der Beklagten erledigt hat – zurückgewiesen.

II. Die Berufungsklägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Den Berufungsklägerinnen wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 70.000 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 900.000 € festgesetzt.

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 764 AAA (deutscher Teil: DE 696 24 AAB T2), das – unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 19.09.1995 – am 19.09.1996 angemeldet und dessen Veröffentlichung am 06.11.2002 bekannt gemacht worden ist. Das Klagepatent betrifft eine Fahrzeugbeleuchtungs- oder signaleinrichtung mit verbesserten Ventilationsmitteln. Anspruch 1, der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessiert, hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge, mit einem Belüftungssystem, das gemeinsam durch erste, an einem Gehäuse (100) der Vorrichtung ausgebildete Einrichtungen und durch zweite, an einer am Gehäuse angebrachten Kappe (200) ausgebildete Einrichtungen gebildet ist, wobei das System einen gewundenen Weg zur Belüftung des Innenraums der Vorrichtung bildet und dieser gewundene Weg im unteren Teil zwei Lufteintritte mit zwei sich gegenüberliegenden Eintrittsöffnungen (216a, 216b) und einem Eintrittskanal aufweist, der sich im Wesentlichen quer zu der allgemeinen Richtung erstreckt, die von einem Lufteintritt zum anderen verläuft,

dadurch gekennzeichnet, dass

der gewundene Weg durch Gehäuse- und Kappenteile gemeinsam gebildet wird, dass der gewundene Weg ein Labyrinth mit zweifacher Richtungsänderung (T1, T2, T3) bildet, das von den beiden Lufteintritten ausgehend im Wesentlichen nach oben verläuft, und dass ein Verbindungskanal (T3, 1201) zwischen dem Labyrinth und dem Innenraum der Vorrichtung wenigstens teilweise zwischen Klammern (210a, 210b) zur elastischen Montage der Kappe am Gehäuse ausgebildet ist.“

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1, 4 und 6 der Klagepatentschrift) verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele, wobei Figur 1 das Scheinwerfergehäuseteil (100) in Rückansicht

Figur 4 die Kappe (200) in einem vertikalen Schnitt

und Figur 6 – ebenfalls im vertikalen Schnitt – die montierte Einheit aus Scheinwerfergehäuseteil (100) und Kappe (200) zeigt.

Eine von der Beklagten zu 1) gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht – während des Berufungsverfahrens – mit Urteil vom 17.01.2017 abgewiesen. Über die hiergegen eingelegte Berufung ist derzeit noch nicht entschieden.

Gegenstand des Klageangriffs sind Kraftfahrzeugscheinwerfer der Berufungsklägerinnen für verschiedene Automodelle, u.a. den B, den C sowie den D, die über integrierte Belüftungssysteme verfügen, wie sie aus den nachfolgend eingeblendeten Abbildungen ersichtlich sind, wobei die rechte Abbildung eine längs der eingefügten Linie geschnittene Hälfte des links gezeigten vollständigen Musters ist.

Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts sind derartige Scheinwerfer – zu denen die Klägerin exemplarisch die Bestell-Nrn. E, F, G, H und I genannt hat – von den Berufungsklägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht worden.

Unter Hinweis darauf, dass die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 Gebrauch mache, hat die Klägerin die Berufungsklägerinnen sowie die polnische Firma J (Beklagte zu 3)) wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der gegen die Beklagten zu 1), 2) und 4) gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Klage gegen die Beklagte zu 3) abgewiesen. Im Einzelnen hat das Landgericht wie folgt erkannt:

I.
Die Beklagten zu 1), 2) und 4) werden verurteilt,

1.
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 1) bzw. den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 2) bzw. dem Geschäftsführer der Beklagten zu 4) zu vollziehen ist, zu unterlassen

Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen,

mit einem Belüftungssystem, das gemeinsam durch erste, an einem Gehäuse der Vorrichtung ausgebildete Einrichtungen und durch zweite, an einer am Gehäuse angebrachten Kappe ausgebildete Einrichtungen gebildet ist, wobei das System einen gewundenen Weg zur Belüftung des Innenraums der Vorrichtung bildet und dieser gewundene Weg im unteren Teil zwei Lufteintritte mit zwei sich gegenüberliegenden Eintrittsöffnungen und einem Eintrittskanal aufweist, der sich im Wesentlichen quer zu der allgemeinen Richtung erstreckt, die von einem Lufteintritt zum anderen verläuft,

dadurch gekennzeichnet, dass

der gewundene Weg durch Gehäuse- und Kappenteile gemeinsam gebildet wird, dass der gewundene Weg ein Labyrinth mit zweifacher Richtungsänderung bildet, das von den beiden Lufteintritten ausgehend im Wesentlichen nach oben verläuft, und dass ein Verbindungskanal zwischen dem Labyrinth und dem Innenraum der Vorrichtung wenigstens teilweise zwischen Klammern zur elastischen Montage der Kappe am Gehäuse ausgebildet ist.

2.
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten zu 1), 2) und 4)) die unter Ziffer I. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 6. November 2002 begangen haben, und zwar unter Angabe:

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesizer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;

wobei

 die Verkaufsstellen, Einkaufspreise und Verkaufspreise nur für die Zeit seit dem 30. April 2006 anzugeben sind;

 zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämliche Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten zu 1), 2) und 4)) die unter Ziffer I. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 6. Dezember 2002 begangen haben, und zwar unter Angabe:

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4.
nur die Beklagte zu 2) und 4): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1 bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) – Kosten herauszugeben;

5.
die unter Ziffer I. 1 bezeichneten, seit dem 30. April 2006 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14.07.2016) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2) und 4) verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 6. Dezember 2002 entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Klägerin zu 10%, der Beklagten zu 1) zu 60%, der Beklagten zu 2) zu 20% und der Beklagten zu 4) zu 10% auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) werden der Klägerin auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten zu 1), 2) und 4), mit der sie – weiterhin – die Abweisung der Verletzungsklage begehren. Sie halten – wie bereits in erster Instanz – daran fest, dass die streitgegenständlichen Kraftfahrzeugscheinwerfer keine patentgemäßen „Klammern“ (in der Mehrzahl) besitzen, die eine elastische Montage der Kappe am Gehäuse gestatten und die wenigstens teilweise einen Verbindungskanal zwischen dem Labyrinth und dem Innenraum der Beleuchtungsvorrichtung ausbilden. Nach fachmännischem Verständnis seien damit zwei getrennte, sich von der Kappenwand weg erstreckende, elastische Bauteile gemeint, über die die angegriffene Ausführungsform offensichtlich nicht verfüge. Abgesehen davon, dass lediglich ein einziges, U-förmiges Röhrchen vorhanden sei, wären lediglich dessen geschlitzte Endbereiche in der Lage, ein- und auszufedern. Der betreffende Abschnitt beginne erst an der Gehäusewand und sei deswegen nicht geeignet, irgendeinen Beitrag zur Bereitstellung des Verbindungskanals zwischen Labyrinth und Innenraum der Beleuchtungsvorrichtung zu leisten. Zu guter Letzt werde mit der angegriffenen Ausführungsform auch dem Gesichtspunkt der Raumersparnis nicht Rechnung getragen.

In jedem Fall sei das Berufungsverfahren auszusetzen bis rechtskräftig über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) entschieden sei. Anders als das Bundespatentgericht meine, werde die technische Lehre von Patentanspruch 1 durch die EP 0 708 AAC neuheitsschädlich vorweggenommen, zumindest aber durch die FR-A 2 626 AAD nahegelegt. Eine Aussetzungsanordnung sei im Streitfall umso mehr geboten, als das Klagepatent zwischenzeitlich abgelaufen und der Klägerin Auskünfte erteilt und ein Rückruf durchgeführt worden seien.

Mit Rücksicht auf den zwischenzeitlichen Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents und von den Beklagten vorgenommene Erfüllungshandlungen haben die Parteien die Ansprüche auf Unterlassung, Auskunfterteilung, Rechnungslegung und Rückruf im Verhandlungstermin vom 4. Mai 2017 übereinstimmend – und mit wechselseitigen Kostenanträgen – für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Im Übrigen beantragen die Berufungsklägerinnen,

1. das am 19.07.2016 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf dahingehend abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird;

2. hilfsweise, das Berufungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen der Beklagten zu 1), 2) und 4) zurückzuweisen.

Sie hält an ihrem Verletzungsvorwurf fest und verteidigt das ihr günstige Erkenntnis des Landgerichts. Das anhängige Nichtigkeitsberufungsverfahren biete keinen Anlass dafür, den Verletzungsprozess auszusetzen, denn der Rechtsbestandsangriff gegen das Klagepatent habe – wie das überzeugende Urteil des Bundespatentgerichts belege – keine Aussicht auf Erfolg.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen der Beklagten zu 1), 2) und 4) bleiben in der Sache ohne Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Die Beklagten zu 1), 2) und 4) sind deswegen aus den vom Landgericht im Einzelnen dargelegten Gründen (Urteilsabdruck Seiten 19 bis 23 zu Ziff. IV.) – die von der Berufung nicht gesondert angegriffen werden und die sich der Senat zu eigen macht – zur Vernichtung und zum Schadensersatz verpflichtet. Ohne dass es hierzu eines besonderen Ausspruchs bedurfte, beschränkt sich die Verurteilung auf diejenigen Verletzungshandlungen, die bis zum Erlöschen des Klagepatents vorgefallen sind. Speziell mit Blick auf den Vernichtungsanspruch gilt, dass diesem auch nach Ablauf der Schutzdauer sämtliche Verletzungsgegenstände unterliegen, die vor dem Erlöschen des Klagepatents in den inländischen Besitz oder das inländische Eigentum der Berufungsklägerinnen gelangt sind. Anlass, das Verletzungsverfahren auszusetzen, besteht nicht.

1.
Das Klagepatent betrifft eine Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge, die mit einem System zu dessen Belüftung versehen ist. Anliegen eines solches Belüftungssystems ist es, einerseits eine ausreichende Luftzufuhr in den Innenraum des Scheinwerfergehäuses zu gewährleisten, gleichzeitig jedoch möglichst wirksam das Eindringen von Wasser, Schmutz, Staub und dergleichen in diesen Innenraum zu vermeiden. Erreicht werden muss dies heutzutage unter erschwerten Bedingungen, die sich z.B. daraus ergeben, dass der Motorraum mit Hilfe eines Hochdruck-Wasserstrahls gereinigt wird, dem auch die vorderen Scheinwerfergehäuse ausgesetzt sind.

Am vorbekannten Stand der Technik, zu dem die Klagepatentschrift verschiedene Druckschriften mit ihrer Veröffentlichungsnummer nennt, wird einerseits eine begrenzte Wirksamkeit aufgrund der nur gering gewundenen Luftwege bemängelt und andererseits hervorgehoben, dass die Kappe nicht gründlich befestigt sei und sich im Laufe der Zeit zufällig vom Gehäuse lösen könne.

Aufgabe der technischen Lehre des Klagepatents ist es demgemäß, ein Belüftungssystem vorzuschlagen, dass durch einfache, kostengünstige und den Gesamtraumbedarf nur geringfügig erhöhende Mittel den Sperreffekt gegenüber Flüssigkeiten verbessert und bei dem die Befestigung der Kappe zuverlässiger erfolgt (BPatG-Urteil S. 20).

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 des Klagepatents folgende Merkmalskombination vor:

1. Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge

2. Die Vorrichtung weist ein Belüftungssystem auf.

3. Das Belüftungssystem ist gemeinsam gebildet

a) durch erste Einrichtungen, die an einem Gehäuse (100) der Vorrichtung ausgebildet sind,

und

b) durch zweite Einrichtungen, die an einer Kappe (200) ausgebildet sind, welche Kappe (200) am Gehäuse (100) angebracht ist.

4. Das System bildet einen gewundenen Weg zur Belüftung des Innenraums der Vorrichtung.

a) Dieser gewundene Weg weist im unteren Teil zwei Lufteintritte mit zwei sich gegenüberliegenden Eintrittsöffnungen (216a, 216b) und einem Eintrittskanal (T1) auf.

b) Der Eintrittskanal erstreckt sich im Wesentlichen quer zu der allgemeinen Richtung, die von einem Lufteintritt (216a) zum anderen (216b) verläuft.

c) Der gewundene Weg wird durch Gehäuse- und Kappenteile gemeinsam gebildet.

d) Der gewundene Weg bildet ein Labyrinth mit zweifacher Richtungsänderung (T1, T2, T3), das von den beiden Lufteintritten ausgehend im Wesentlichen nach oben verläuft.

e) Zwischen dem Labyrinth und dem Innenraum der Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung ist ein Verbindungskanal (T3, 1201) ausgebildet.

f) Der Verbindungskanal (T3, 1201) ist wenigstens teilweise zwischen Klammern (210a, 210b) ausgebildet, die zur elastischen Montage der Kappe (200) am Gehäuse (100) vorgesehen sind.

Indem das Belüftungssystem als Labyrinth mit zweifacher Richtungsänderung ausgebildet ist, wird ein besonders effektiver Sperreffekt gegen Flüssigkeitseintritt bereitgestellt. Konstruktiv gelingt dies auf einfache Weise, weil sich das Labyrinth bei der Montage der Kappe auf das Scheinwerfergehäuse von selbst dadurch ergibt, dass Gehäuse und Kappe mit entsprechenden Einrichtungen (typischerweise handelt es sich um (Trenn-)Wände) ausgestattet sind, die sich im Zuge der Kappenmontage zu Strömungsbarrieren ergänzen. Ein zusätzlicher Montagevorteil ergibt sich aus der Tatsache, dass die Kappe mit Klammern versehen ist, die eine elastische Anbringung der Kappe am Scheinwerfergehäuse erlauben. Die besagten Klammern sind gleichzeitig Teil desjenigen Verbindungskanals, der zwischen dem Belüftungslabyrinth und dem Innenraum der Beleuchtungseinrichtung ausgebildet ist.

Welche technischen Funktionen die Klammern patentgemäß zu erfüllen haben, legt für den Durchschnittsfachmann – einen in der Konstruktion von Fahrzeugbeleuchtungseinrichtungen beruflich erfahrenen Maschinenbauingenieur – bereits der Anspruchswortlaut hinreichend fest. Wie sich aus Merkmal 4. f) deutlich ergibt, sind den Klammern zwei Aufgaben zugewiesen: Zum einen haben sie eine elastische Montage der Kappe am Scheinwerfergehäuse zu ermöglichen, zum anderen haben sie den Verbindungskanal zwischen Belüftungslabyrinth und Scheinwerferinnenraum mit auszubilden. Wegen der Doppelfunktion der Klammern ergibt sich darüber hinaus eine vorteilhafte Platzersparnis. Die beiden im Patentanspruch genannten Funktionen bestimmen maßgeblich darüber, welche konstruktiven Details dafür notwendig, aber auch ausreichend sind, um ein bestimmtes Vorrichtungsteil als „Klammer“ im Sinne des Klagepatents zu betrachten.

Was zunächst die Anbringungsfunktion betrifft, der zufolge die Kappe mit Hilfe der Klammern am Scheinwerfergehäuse festgelegt werden soll, ist sich der Fachmann darüber im Klaren, dass sich die Klammern von einer Kappenwand in Richtung auf das Gehäuse erstrecken müssen, weil sich anderenfalls die den Klammern zugewiesene Montage der Kappe am Scheinwerfergehäuse nicht vollziehen kann. Da die Anbringung „elastisch“ erfolgen soll, müssen die Klammern eine solche Nachgiebigkeit und Rückstellfähigkeit (Flexibilität) besitzen, dass infolge des Auslenkens und Wiedereinlenkens der Klammern die erwünschte Arretierung am Gehäuse eintritt. Hierzu ist – wie der Durchschnittsfachmann unschwer erkennt – nicht notwendig, dass die Klammern über ihre gesamte Erstreckung auf das Scheinwerfergehäuse hin elastisch sind. Dementsprechend verlangt Merkmal 4.f) auch ausdrücklich nicht, dass die Klammern als solche (als Ganzes) elastisch ausgebildet sind, sondern lediglich, dass mit Hilfe der Klammern eine elastische Montage der Kappe am Gehäuse stattfinden kann. Dazu genügt es, wenn der eigentliche Verbindungsbereich mit dem Gehäuse über die für den Arretiervorgang notwendige Flexibilität verfügt, weswegen es unschädlich ist, wenn der übrige (rückwärtige) Bereich der Klammern bis zur Kappenwand starr ausgebildet ist. Eine insgesamt flexible Ausführungsvariante ist folgerichtig im Unteranspruch 5 als lediglich bevorzugte Möglichkeit einer elastischen Montage beschrieben. Als patentgemäße „Klammer zur elastischen Kappenmontage am Gehäuse“ ist von daher auch ein solches sich von der Kappenwand erstreckendes Vorrichtungsteil anzusehen, das in seinem überwiegenden Erstreckungsbereich unflexibel und lediglich an seinem dem Scheinwerfergehäuse zugewandten und für die Montage entscheidenden Endbereich so flexibel ist, dass eine elastische Anbringung am Gehäuse möglich ist.

Nach dem Anspruchswortlaut (Plural!) nicht weniger eindeutig ist, dass mindestens zwei solcher Klammern vorhanden sein sollen und dass diese beiden Klammern – und darin liegt deren zweite erfindungswesentliche Funktion – dazu beitragen müssen, den Verbindungskanal auszubilden, der zwischen dem Belüftungslabyrinth einerseits und dem Innenraum der Beleuchtungsvorrichtung andererseits bereitgestellt werden soll.

2.
Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die angegriffene Ausführungsform den vorgenannten Anforderungen wortsinngemäß genügt.

Zwischen den Parteien ist insoweit auch im Berufungsverfahren allein streitig, ob patentgemäße „Klammern“ vorhanden sind. Alle übrigen Anspruchsmerkmale werden, was keiner weitergehenden Darlegungen bedarf, sondern durch den Augenschein belegt wird, offensichtlich verwirklicht.

Die Klammern werden bei der angegriffenen Ausführungsform – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – durch das U-förmige, nach unten offene Röhrchen gebildet, dessen seitliche Schenkel an ihrem dem Gehäuse zugewandten Ende derart geschlitzt sind, dass die durch den Schlitz gebildeten Teilbereiche zum Einrasten in die korrespondierenden Gehäuseöffnungen nach außen ausschwenken und anschließend wieder nach innen einschwenken können, um die Kappe am Scheinwerfergehäuse festzulegen. Wie vorstehend dargelegt, ist für die patentgemäße „elastische Montage“ allein die Flexibilität an dem dem Gehäuse zugekehrten Röhrchen-Ende wichtig, während der übrige, sich in Richtung auf den Kappenboden anschließende Teil starr sein kann, weil hierdurch die Möglichkeit einer elastischen Anbringung in keiner Weise beeinträchtigt wird.

Da das U-förmige Röhrchen den obersten Labyrinthbereich auf drei Seiten (oben und seitlich) umgibt und darüber hinaus passgenau die Arretierungsöffnung am Gehäuseinneren durchstößt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Verbindungskanal zwischen Labyrinth und Innenraum der Beleuchtungsvorrichtung teilweise – vorliegend sogar überwiegend – durch das Röhrchen ausgebildet wird. Dass das Röhrchen ein einstückiges Gebilde ist, steht der Annahme eines Vorhandenseins von zwei Klammern nicht entgegen. Mit Rücksicht auf den beidseitig geschlitzten Endbereich liegen nämlich zwei elastisch federnde Elemente – in Gestalt jeweils eines Paares von Federbeinen auf jedem Seitenschenkel des „U“ – vor, weswegen es keineswegs willkürlich ist, das Gesamtröhrchen funktional längs seiner Mittellinie zu teilen. Im Hinblick auf dasjenige, was das Röhrchen in Bezug auf die Ausbildung des Verbindungskanals zum Gehäuse, aber auch hinsichtlich der elastischen Montage der Kappe am Scheinwerfergehäuse leistet, liegen die Verhältnisse grundsätzlich nicht anders, als wenn zwei L-förmige, endseitig geschlitzte, und unmittelbar nebeneinander liegende Vorrichtungsteile gegeben wären, wie eines davon aus dem geschnittenen Musterexemplar ersichtlich ist, dessen Abbildung im Tatbestand (Seite 4 rechts) wiedergegeben wurde. Dass die beiden L-förmigen Klammern zu einem U-förmigen Bauteil zusammengefasst sind, ändert den technischen Sachverhalt, was der Beitrag zur Ausbildung des Verbindungskanals und die elastische Montage der Kappe am Gehäuse angeht, in keiner Weise. Die einstückige Zusammenfassung ändert deswegen auch nichts daran, dass mit dem U-förmigen Röhrchen der Sache nach zwei Klammern im Sinne des Klagepatents zur Verfügung gestellt werden (so auch BPatG-Urteil Seite 18).

3.
Auch wenn sich der Unterlassungsanspruch zwischenzeitlich durch Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents erledigt hat und die Berufungsklägerinnen hinsichtlich der Verletzungsgegenstände einen Rückruf durchgeführt und Auskünfte erteilt haben, besteht kein hinreichender Anlass, den entscheidungsreifen Verletzungsprozess bis zur rechtskräftigen Erledigung des Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen. In seinem sorgfältig begründeten Urteil vom 17.01.2017 hat das – technisch fachkundig besetzte – Bundespatentgericht eingehend dargelegt, dass und weshalb die technische Lehre des Klagepatents gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik neu und erfinderisch ist. Dabei hat es sich auch eingehend mit den Entgegenhaltungen gemäß den Anlagen NK 8 und NK 5 auseinandergesetzt Der Senat schließt sich dieser Beurteilung nach Überprüfung ausdrücklich an. Dass der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die erwähnten Entgegenhaltungen, die die Berufungsklägerinnen für neuheitsschädlich (Anl. NK 8) bzw. erfindungsschädlich (Anl. NK 5) halten, zu einer abweichenden Beurteilung kommen wird, ist wenig wahrscheinlich und kann deshalb unter Berücksichtigung des Interesses der Klägerin, ein die Tatsacheninstanzen abschließendes Erkenntnis zu erhalten, keine Verfahrensaussetzung rechtfertigen.

Dass die Druckschrift gemäß Anlage NK 8 das Merkmal 4. f) offenbart, behaupten die Berufungsklägerinnen ohne jeden plausiblen Nachweis. Nach Lektüre der Entgegenhaltung ist der Senat vielmehr mit dem Bundespatentgericht der Auffassung, dass keine Klammern gezeigt oder beschrieben sind, die einerseits mindestens teilweise den Verbindungskanal zwischen Belüftungslabyrinth und Innenraum der Beleuchtungsvorrichtung ausbilden (weil der Verbindungskanal bei dem vorbekannten Gegenstand ausschließlich durch das Gehäuse bereitgestellt wird), und andererseits eine elastische Montage der Kappe am Scheinwerfergehäuse gestatten (weil die Verbindung zwischen Kappe und Gehäuse durch eine gewöhnliche Schiebepassung bewerkstelligt wird).

Mit Blick auf die Druckschrift gemäß Anlage NK 5 gilt – wie das Bundespatentgericht überzeugend ausgeführt hat – nichts anderes. Weder existieren zwei Klammern zur elastischen Kappenmontage noch ist ein Labyrinth vorhanden, in dem es zu einer doppelten Richtungsänderung kommt. Die gegenteiligen Behauptungen der Berufungsklägerinnen finden im Offenbarungsgehalt der Schrift keinerlei Stütze.

Auf der Grundlage beider Vorschriften ist auch nicht zu erkennen, wie der Durchschnittsfachmann ohne entsprechende Anregungen zu einer dem Klagepatent genügenden Ausgestaltung der Beleuchtungsvorrichtung gelangen sollte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien (hinsichtlich des Unterlassungs-, Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Rückrufanspruchs) den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, trifft die Berufungsklägerinnen die Kostenlast, weil sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses (Ablauf des Klagepatents, Erfüllung) mit ihrer Berufung auch insoweit unterlegen wären.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).