Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2616
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Februar 2017, Az. 4a O 119/15
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter unmittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf patentverletzender Vorrichtungen und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, eine angemessene Entschädigung zu zahlen und Schadensersatz zu leisten, in Anspruch.
Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (vorgelegt als Anlage K12) eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 495 XXX B3 (nachfolgend Klagepatent; vorgelegt in Anlage K13). Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent trägt den Titel „Verfahren und Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden.“ Es wurde am 15.04.2003 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 15.04.2002 der DE 102 16 XXX angemeldet. Die Anmeldung des Klagepatents wurde am 12.01.2005, die diesem zugrundeliegende PCT-Anmeldung WO 2003/088XXX (Anlage TW24) am 23.10.2003 offengelegt. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 04.10.2006 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents. Nach Durchführung eines Beschränkungsverfahrens veröffentlichte das Europäische Patentamt am 21.10.2009 den Hinweis auf die Beschränkungsentscheidung.
Das Klagepatent steht in Kraft. Eine Gesellschaft aus dem Konzern der Beklagten, die A GmbH (nachfolgend kurz: „A“), erhob unter dem 15.05.2015 vor dem Bundespatentgericht eine Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent. Auf die in den Anlagen vorgelegten Schriftsätze samt Anlagen aus dem Nichtigkeitsverfahren wird Bezug genommen. In dem unter dem Az. 2 Ni 9/15 geführten Nichtigkeitsverfahren ist noch keine Entscheidung ergangen; die mündliche Verhandlung ist auf den 06.04.2017 terminiert worden. Auf den in Anlage K31 vorgelegten Hinweis des Bundespatentgerichts vom 07.12.2016 wird wegen seines Inhalts Bezug genommen.
Der geltend gemachte Anspruch 5 des Klagepatents lautet:
“Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit:
einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides;
und einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) und zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1); wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:
eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar ist;
eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb der Raums (1) leitbar ist;
und eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;
wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;
wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) einen Wärmetauscher (95) aufweist, dem zumindest ein Teil des den Raum (1) verlassenden Fluids zuleitbar ist; wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführten Fluids dient;
wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist.”
Zur Veranschaulichung der geschützten Lehre wird nachfolgend Fig. 3 des Klagepatents verkleinert eingeblendet, die nach der Patentbeschreibung (dort Abs. [0032]) eine schematische Querschnittsansicht einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Konditionierungseinrichtung zeigt:
Die Beklagte, ein deutsches Tochterunternehmen der US-amerikanischen B Inc., stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Waferprober mit den Typenzeichnungen “C”, “D” und “E”. Diese verfügen durchweg jeweils über Anschlüsse für eine Kühlfluidzugangsleitung, für eine Kühlfluidabgangsleitung und über einen Spülfluideingangsanschluss („Purge“).
Die Beklagte vertreibt die vorgenannten Waferprober in Kombination mit von der A gelieferten Chillern mit den Bezeichnungen „CXX“ und „CXX“ sowie mit Chucks mit den Bezeichnungen „CXXX“ und „CXXX“. Die vorgenannten Chiller weisen jeweils ein Auslassventil mit der Beschriftung „Dry Air Out“ auf, aus dem trockene Luft strömt, die vom Chuck zurück zum Chiller geleitet wurde und in diesem einen Wärmetauscher durchlaufen hat.
Nachfolgend werden als „angegriffene Ausführungsformen“ von der Beklagten vertriebene Messsysteme in Form von Kombinationen aus je einem Waferprober, einem Chiller und einem Chuck bezeichnet, wie sie vorstehend namentlich benannt wurden.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzen das Klagepatent unmittelbar wortsinngemäß. Es existiere bei diesen eine patentgemäße dritte Leitung vom Dry Air Out-Auslass des Chillers CXX und/oder CXX zum Spülfluidzugangsanschluss des Proberraums. Um Auslass und Anschluss zu verbinden, nutzten die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen einen Standardluftschlauch (Festo-Schlauch). Die Abnehmer besäßen – insoweit unstreitig – ohnehin entsprechende Schläuche. Bei dem anzuschließenden Luftschlauch handele es sich um eine Allerwelts-Zutat im Sinne der Lungenfunktionsmessgerät-Rechtsprechung. Durch die Bezeichnung „Dry Air Out“ erkenne der Verwender, der stets ein Fachmann sei, dass aus diesem Auslass trockene Luft ausströmt, die zur Konditionierung des Proberraums verwendet werden soll. Die Vorteile der Nutzung der Luft aus dem Dry Air Out-Auslass – Energie- und Kosteneinsparungen – seien dem Nutzer bekannt. Die von der Beklagten angeführte Nutzung der aus dem Auslass austretenden Luft für „Sonderverwendungen“ sei zweifelhaft und nicht nachvollziehbar; der Dry Air Out-Auslass sei für die Abnehmer erkennbar für eine patentgemäße Verwendung vorgesehen.
Die Luft aus dem Dry Air Out-Auslass sei zur Konditionierung des Proberraums geeignet. Dies zeige sich schon daran, dass die Beklagte selbst vorträgt, die Luft könne zur Spülung einer Kamera verwendet werden.
Die Verletzung belege das in Anlage K24 vorgelegte Privatgutachten von Prof. Dr. F. Das von den Beklagten vorgelegte Gutachten des TÜVs berücksichtige nicht, dass der erforderliche Druck durch einen anderen Anschluss erzeugt werden könne. Für das Spülen (Purge) – und damit die patentgemäße Lufteinsparung – sei der Druck aus dem Dry Air Out-Auslass ausreichend. Die Nutzung des Kreuztisches durch die Luft aus dem Dry Air Out-Auslass sei nicht Gegenstand der patentgemäßen Lehre. S. 19 Anlage 1 zu Anlage K24 beziehe sich auf den Lufteinlass für den Chiller, nicht für den Proberraum, so dass die dortige Druckangabe nicht relevant sei.
Das Klagepatent werde sich auf die Nichtigkeitsklage hin als rechtsbeständig erweisen, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht angezeigt sei.
Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte hat unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu vollstrecken am Geschäftsführer – oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, – zu vollstrecken am Geschäftsführer –‚ zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
Vorrichtungen zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
mit einen zumindest teilweise geschlossenen Raum, wobei der Raum durch einen Behälter im Wesentlichen geschlossen ist,
mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides; und
einer Leitungseinrichtung zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung zum Temperieren der Wafer/HybridAufnahmeeinrichtung und zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung verlassenden FIuids in den Raum zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum;
wobei die Leitungseinrichtung aufweist:
eine erste Leitung, über die das Fluid von außerhalb des Raums in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung leitbar ist;
eine zweite Leitung, über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung nach außerhalb des Raums leitbar ist; und
eine dritte Leitung, über die das Fluid von außerhalb des Raums in den Raum rückführbar ist;
wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung eine Temperierungseinrichtung vorgesehen ist;
wobei die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des den Raum verlassenden Fluids zuleitbar ist;
wobei der Wärmetauscher zum Vorkühlen des zugeführten Fluids dient;
wobei die Leitungseinrichtung derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist,
insbesondere in Form von Kombinationen aus
– einem Temperatursteuergerät mit einer Temperierungseinrichtung vom Typ CXX oder CXX vom Hersteller A GmbH, Gstr. 11, 82XXX H,
– einer Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung zur Aufnahme eines Halbleiter-Wafers oder Hybride vom Typ CXXX oder CXXX vom Hersteller A GmbH, Gstr. 11, 82XXX H und
– einen Waferprober vom Typ C oder vom Typ Ds oder vom Typ E der Beklagten.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 04.11.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 23.11.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei Angaben zu den Gestehungskosten und dem erzielten Gewinn (Ziff. III. e)) erst für die Zeit seit dem 04.11.2006 gemacht werden müssen; und
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die in Ziffer I. bezeichneten, in der Zeit vom 23.11.2003 bis zum 03.11.2006 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter I. bezeichneten, seit dem 04.11.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 04.11.2006 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Kombination der Geräte und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise:
der Rechtsstreit wird bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP 1 495 XXX B3 erhobenen Nichtigkeitsklage ausgesetzt.
Die Beklagte meint, das Klagepatent werde durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verletzt. Es fehle bei den angegriffenen Ausführungsformen an einer dritten Leitung im Sinne des Klagepatents. Bei den angegriffenen Ausführungsformen erfolge die Konditionierung des Proberraums – wie im Stand der Technik – ausschließlich über die gesonderte Zuleitung trockener Luft aus einem außerhalb des Waferprobers und des Chillers angeordneten Lufttrockengerät oder über eine hausinterne Druckluftversorgung. Dies zeige auch das von der Klägerin vorgelegte Datenblatt in Anlage K23 (dort. S. 3), wo – insoweit unstreitig – ein „Air-Purge Management“ beschrieben ist. Anhaltspunkte dafür, die trockene Luft aus dem Chiller für die Konditionierung des Proberraums zu verwenden, könne die Klägerin nicht aufzeigen.
Eine solche dritte Leitung werde nicht durch das Auslass-Ventil mit der Beschriftung „Dry Air Out“ an den angegriffenen Chillern CXX und CXX verwirklicht. Die Nutzung dieser Luft zur Konditionierung des Proberraums würde aufwändige Entwicklungsarbeiten erfordern. Das Dry Air Out-Ventil werde vielmehr nur für spezielle Sonderanwendungen, etwa zur Spülung einer externen Kamera, verwendet. Ansonsten sei es regelmäßig mit einem Blindstopfen verschlossen.
Es handele sich bei der fehlenden dritten Leitung auch nicht um eine Allerwelts-Zutat; diese beinhalte vielmehr den Erfindungsgedanken. Die Vornahme von Vervollständigungshandlungen (Anschluss eines Schlauchs) durch alle Abnehmer sei nicht hinreichend sicher, insbesondere, da die angegriffenen Ausführungsformen – unstreitig – patentfrei einwandfrei funktionsfähig seien. Es fehle daher an einem Anlass zum Anschluss einer dritten Leitung. Dem üblichen Verbraucher sei eine Verwendung der trockenen Luft aus dem Dry Air Out-Ventil zur Konditionierung nicht bekannt. Um eine solche Eignung feststellen zu können, müsste ein Abnehmer Messungen vornehmen. Die Beklagte wolle weder, dass Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen diese in eine patentgemäße Vorrichtung umbauten, noch habe sie hiervon Kenntnis.
Das Privatgutachten der Klägerin (Anlage K24) sei zum Verletzungsnachweis offensichtlich ungeeignet.
Mangels patentgemäßer dritter Leitung sei auch keine Temperierungseinrichtung zwischen einer zweiten und einer dritten Leitung vorgesehen.
Die anspruchsgemäße Leitungseinrichtung müsse den Proberraum zuverlässig vollständig konditionieren, sonst läge keine patentgemäße Vorrichtung vor. Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden die aus den Chillern CXX und CXX austretentende Luft über eine Leitung vollständig in den Proberraum zurückleiten würde, wäre die Menge der so zugeführten Luft nicht ausreichend, um die Atmosphäre im Proberraum in jedem Betriebszustand zuverlässig und vollständig zu konditionieren.
Jedenfalls sei das Verfahren hilfsweise in Bezug auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren auszusetzen, da sich das Klagepatent hierin als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Dem geltend gemachten Anspruch fehle es an Erfindungshöhe gegenüber der EP 0 341 XXX A1 (Anlage TW10/10a), was der Beschluss des Bundespatentgerichts (Anlage TW13) im Verfahren gegen das prioritätsbegründende deutsche Patent DE 102 XXX 86 belege. Daneben sei Anspruch 5 auch gegenüber der Kombination der WO 01/25XXX A1 mit der US 6,091,XXX (Anlagen TW11 und TW12) naheliegend. Schließlich ergebe sich die Nichtigkeit des Klagepatents auch aus neuheitsschädlichen offenkundigen Vorbenutzungen und daraus, dass es unzulässig erweitert sei.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2017 Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 3, 140b PatG, Art. II § 1 Abs. 1, Abs. 3 IntPatÜG, §§ 242, 259 BGB nicht zu, da sich eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents durch die Beklagte nicht feststellen lässt.
I.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre von Anspruch 5 des Klagepatents nicht unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
1.
Das Klagepatent (nachfolgend nach Abs. der B3-Schrift in Anlage K13 zitiert, ohne das Klagepatent stets ausdrücklich zu nennen) betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden. Halbleiterwafer sind flache runde Halbleiterscheiben aus einem Halbleitermaterial, auf deren Oberseite eine Vielzahl von elektronischen Bauelementen durch Halbleiterprozesse intergiert ist. Hybride sind Kombinationen von integrierten Halbleiterschaltungen (als Halbleiterchip) und diskreten elektrischen Bauelementen. Zur Vereinfachung werden nachfolgend nur Halbleiterwafer genannt.
Vor ihrer Montage und Verpackung werden solche Halbleiterwafer zweckmäßigerweise auf ihre Funktionsfähigkeit getestet, um defekte Exemplare früh aussortieren zu können. Für diese Testmessungen werden die Halbleiterwafer auf einen Probertisch aufgespannt, der auch als „Chuck“ bezeichnet wird. Bei den Testmessungen wird eine bestimmte Temperatur eingehalten. Zur Kühlung im Rahmen der Einstellung der Temperatur während der Testmessung wird der Probertisch (Chuck) mit einem gekühlten, trockenen Fluid (d.h. Gas oder Flüssigkeit) durchströmt. Dieses wird regelmäßig von einer externen Kühlungseinrichtung bereitgestellt, die auch als „Chiller“ oder „Cooling Unit“ bezeichnet wird. Um störende Einflüsse bei den Messungen zu vermeiden, findet diese in einem geschlossenen Raum statt, der permanent mit trockenem Fluid (Gas) durchspült wird. Hierfür wird im Stand der Technik ein externes Lufttrocknungsgerät verwendet, das trockenes Gas in den geschlossenen Raum leitet.
In seiner einleitenden Beschreibung führt das Klagepatent aus, dass Testmessungen an Halbleiterwafern typischerweise in einem Temperaturbereich zwischen -200°C und +400°C durchgeführt werden. Zur Temperierung wird ein Halbleiterwafer auf den Probertisch gelegt, der entsprechend der Soll-Temperatur gekühlt und/oder beheizt wird. Bei der Temperierung ist darauf zu achten, dass die Temperatur des Halbleiterwafers nicht unter den Taupunkt des umgebenden gasförmigen Mediums gerät, da sonst eine Kondensation von Feuchtigkeit auf der Waferoberfläche bzw. eine Vereisung auftritt, welche die Testmessungen behindert bzw. unmöglich macht (Abs. [0002]).
Zur Veranschaulichung der Problematik aus dem Stand der Technik, die dem Klagepatent zugrunde liegt, verweist dieses in den Abs. [0003] ff. auf Fig. 5, die nachfolgend zur besseren Veranschaulichung eingeblendet wird:
Fig. 5 zeigt einen Raum (Bezugsziffer 1), der von einem Behälter 5 gebildet wird. Der Raum 1 muss durch den Behälter 5 abhängig vom Anwendungsfall zumindest soweit geschlossen sein, dass ein unerwünschtes Eindringen von feuchter Umgebungsluft durch Aufbau eines inneren Überdrucks verhindert werden kann (Abs. [0004] f.). Im Raum 1 ist ein temperierbarer Probertisch 10 (auch Chuck genannt) vorgesehen, auf den ein (nicht gezeigter) Halbleiterwafer zu Testzwecken aufgelegt werden kann. Zur Temperierung ist in dem Probertisch 10 eine Heizeinrichtung 90 integriert (Abs. [0005] ff.). In Fig. 5 ist weiterhin ein Temperatursteuerrack 2 erkennbar, das mit dem Behälter 5 über eine entsprechende elektrische Leitungen e1 und eine Medienversorgungsleitung r2 verbunden ist (Abs. [0011]). Das Temperatursteuerrack 2 weist einen Temperatur-Controller 80 auf, der durch Beheizen der Heizeinrichtung 90 die Temperatur des Probertisches 10 regeln kann, wobei der Probertisch 10 gleichzeitig oder alternativ mit Luft zur Kühlung durchspülbar ist. Ferner ist im Temperatursteuerrack 2 eine Temperierungseinrichtung 70 vorgesehen, der über die Leitungen r0 und i1 trockene Luft, z.B. aus einer Gasflasche oder auch aus einem Lufttrockner, zugeführt wird. Das Temperatursteuerrack weist weiter einen Wärmetauscher 95 auf, der auf eine vorbestimmte Temperatur gebracht werden kann (Abs. [0012]). Die über die Leitungen r0, i1 zugeführte trockene Luft wird durch den Wärmetauscher 95 geleitet und anschließend über die Versorgungsleitung r2 in den Behälter 5 zum Probertisch 10 geführt, den sie durch entsprechende, nicht gezeigte Kühlschlangen bzw. Kühlrohre durchquert. Über die Leitung r3 verlässt die trockene Luft, welche den Probertisch 10 gekühlt hat, denselben und wird aus dem Behälter 5 heraus an die Atmosphäre geleitet.
Im Behälter sind ferner Ausströmelemente 30 vorgesehen, über die von außerhalb über eine Leitung r1 getrocknete Luft oder ein ähnliches Fluid in den Behälter eingeführt werden kann, um feuchte Umgebungsluft aus dem Behälter 5 auszutreiben (d.h. diesen zu spülen, englisch: „to purge“). Diese Luft wird zunächst extern über eine Leitung r00 an einen Lufttrockner 3 zugeführt und dann in die Leitung r1 eingespeist (Abs. [0009]). Das Klagepatent führt hierzu weiter aus, dass üblicherweise (siehe z.B. US 5,885,353) die trockene Luft, welche zur Konditionierung der Atmosphäre in dem Behälter 5 über die Ausströmelemente 30 in den Behälter 1 geleitet wird, auf Raumtemperatur gehalten wird, so dass lediglich die Oberfläche des Probertisches 10 auf der gewünschten Messtemperatur gehalten wird, die übrigen Elemente in dem Behälter 5 jedoch ungefähr Raumtemperatur haben (Abs. [0014]).
Das Klagepatent kritisiert an der dargestellten Vorrichtung aus dem Stand der Technik, dass ein relativ hoher Verbrauch an getrockneter Luft besteht. Getrocknete Luft wird namentlich einerseits zum Kühlen des Probertisches 10 durch den Behälter 5 genutzt (und anschließend an die Atmosphäre geblasen) und andererseits zum Konditionieren der Atmosphäre des Raums genutzt. Ferner bewirke ein Ausfall des Lufttrockners 3 ein sofortiges Vereisen des getesteten Wafers bei entsprechenden Temperaturen (Abs. [0015]).
In Abs. [0016] bezeichnet es das Klagepatent daher als seine Aufgabe, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern anzugeben, die eine effizientere Konditionierung ermöglichen.
2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden nach Maßgabe von Anspruch 5 vor, der sich in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt darstellen lässt:
1 Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden.
2 Die Vorrichtung weist einen zumindest teilweise geschlossenen Raum (1) auf,
2.1 wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist und
2.2 sich hierin eine Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides befindet.
3 Die Vorrichtung weist eine Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) auf,
3.1 zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) und
3.2 zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1).
4.1 Die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) weist eine erste Leitung (r2) auf, über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar ist.
4.2 Die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) weist eine zweite Leitung (r3) auf, über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb der Raums (1) leitbar ist.
4.3 Die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) weist eine dritte Leitung (r4) auf, über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist.
5 Zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) ist eine Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen.
6 Die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) weist einen Wärmetauscher (95) auf, dem zumindest ein Teil des den Raum (1) verlassenden Fluids zuleitbar ist;
6.1 Der Wärmetauscher (95) dient zum Vorkühlen des zugeführten Fluids.
7 Die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) ist derart gestaltet, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist.
3.
Anspruch 5 des Klagepatents lehrt eine Vorrichtung zum Konditionierung von Halbleiterwafern und Hybriden, wobei letztere zur Vereinfachung nachfolgend nicht mit genannt werden. Als Konditionierung wird hierbei die Einstellung von bestimmten Atmosphärenwerten des Raums zur Wafer-Testung bezeichnet, insbesondere die Regelung der Luftfeuchte. Durch die Konditionierung mit trockener Luft kann ein Einfrieren des Probertischs auch bei tiefen (Mess-) Temperaturen verhindert werden.
Die Vorrichtung weist nach Merkmalsgruppe 2 einen (zumindest teilweise) geschlossenen Raum auf, in dem sich eine Einrichtung zur Aufnahme eines Halbleiterwafers befindet. Hierbei kann es sich insbesondere um einen Probertisch (Chuck) handeln.
Für die Konditionierung sieht das Klagepatent eine Leitungseinrichtung vor. Diese dient nach Merkmalgruppe 3 zwei Zwecken: Zum einen soll sie trockenes Fluid durch die Wafer-Aufnahmeeinrichtung leiten, um diese zu temperieren. Zum anderen soll sie zur Konditionierung des Raums Fluid in diesen leiten, wobei es sich zumindest um einen Teil des Fluids handeln muss, das die Wafer-Aufnahmeeinrichtung verlassen hat, d.h. nach der Nutzung zu deren Temperierung.
Die hierfür erforderlichen Leitungen der Leitungseinrichtung werden in Merkmalgruppe 4 näher definiert. Eine erste Leitung leitet Fluid von außerhalb des Raums in die Wafer-Aufnahmeeinrichtung (Merkmal 4.1) und eine zweite Leitung leitet dieses Fluid von der Wafer-Aufnahmeeinrichtung wieder aus dem Raum hinaus (Merkmal 4.2). Dies entspricht dem Stand der Technik (vgl. die Leitungen r2 und r3 in der oben eingeblendeten Fig. 5). Patentgemäß nach Merkmal 4.3 vorgesehen ist nun eine dritte Leitung, die das Fluid, das über die zweite Leitung den Raum (und damit auch die Wafer-Aufnahmeeinrichtung) verlassen hat, wieder zurück in den Raum leiten kann. Damit wird die Zweckangabe in Merkmal 3.2 realisiert, nach der zumindest ein Teil des den Raum verlassenden Fluids zu dessen Konditionierung (wieder) in den Raum geleitet wird.
Die Merkmale 5 bis 7 betreffen die Nutzung/Verarbeitung des den Raum (und die darin befindliche Wafer-Aufnahmevorrichtung) über die zweite Leitung verlassenden Fluids vor dessen Nutzung zur Konditionierung der Atmosphäre des Raums mittels der Rückführung des Fluids über die dritte Leitung (Merkmale 3.2, 4,3 und 7). Hierzu sieht das Klagepatent zwischen zweiter und dritter Leitung eine Temperierungseinrichtung vor, die einen Wärmetauscher aufweist, zu dem das über die zweite Leitung die Wafer-Aufnahmevorrichtung und den Raum verlassende Fluid zumindest teilweise geleitet werden kann (Merkmal 6). In diesem Wärmetauscher wird das den Raum verlassende Fluid verwendet, um das Fluid vorzukühlen, das über die erste Leitung in den Raum zur Wafer-Aufnahmeeinrichtung geleitet wird (Merkmal 6.1, Abs. [0048]). Hierbei macht sich das Klagepatent den Umstand zu nutzen, dass es zur Konditionierung regelmäßig ausreicht, wenn das Fluid (lediglich) Raumtemperatur besitzt (vgl. Abs. [0014]). Die Temperatur, auf die das Fluid für die Temperierung der Wafer-Aufnahmeeinrichtung gebracht wurde und teilweise nach Verlassen des Raums noch besitzt, kann damit genutzt werden, um das neu einströmende Fluid vorzukühlen, bevor es zur Temperierung der Wafer-Aufnahmeeinrichtung genutzt wird. Damit wird die Energie zur Vorkühlung genutzt, die im beschriebenen Stand der Technik verloren ging, wenn das Fluid nach der Nutzung zur Temperierung einfach in die Atmosphäre ausgelassen wurde. Auf diese Weise spart die anspruchsgemäße Vorrichtung Energie ein. Der Wärmetauscher kann sich – wie es das Klagepatent für ein Ausführungsbeispiel beschreibt – in einem Temperatursteuerrack befinden, der auch als Chiller bezeichnet wird.
Die patentgemäße Leitungseinrichtung ist nach Merkmal 7 weiterhin so ausgestaltet, dass zumindest ein Teil des Fluids, das dem Wärmetauscher zugeführt wurde, wieder in den Raum zurückgeleitet werden kann. Das Klagepatent verlangt also, dass auch von dem Fluid, was im Wärmetauscher verwendet wird, zumindest ein Teil wieder in den Raum zurückgeleitet werden kann (und nicht nur das Fluid, welches nicht im Wärmetauscher verwendet wurde). Insofern konkretisiert Merkmal 7 das Merkmal 4.3, welches nur allgemein eine Rückführbarkeit des Fluids verlangt. Das zurückgeführte Fluid wird zur Konditionierung des Raums (d.h. Spülung mit Luft) verwendet.
Die Lehre des Klagepatents ermöglicht damit eine Nutzung des Fluids, welches die Wafer-Aufnahmeeinrichtung und den Raum wieder verlassen hat und welches nach dem beschriebenen Stand der Technik einfach in die Umgebung abgegeben wurde. Dieses wird patentgemäß stattdessen einerseits zum Vorkühlen des (neu) in den Raum geleiteten Fluids verwendet, andererseits selbst erneut verwendet, indem es der Konditionierung (Spülung) des Raums dient (vgl. Abs. [0017] f.). Dadurch wird vorteilhaft einerseits Energie zur Vorkühlung gespart und andererseits der Verbrauch von Fluid zur Konditionierung reduziert.
4.
Eine unmittelbare wortsinngemäße Verwirklichung von Merkmale 4.3,
„4.3 Die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) weist eine dritte Leitung (r4) auf, über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist“,
das Merkmal 5.4.3 der Gliederung Klägerin bzw. M5_7 der Beklagtengliederung entspricht, durch die angegriffenen Ausführungsformen lässt sich nicht feststellen.
a)
Merkmal 4.3 verlangt eine dritte Leitung der Leitungseinrichtung. Diese soll das Fluid, welches den Raum über die zweite Leitung nach Merkmal 4.2 verlassen hat, wieder in den Raum zurückführen können. Dies setzt voraus, dass die dritte Leitung eine Fluid-Verbindung zwischen der zweiten Leitung – nach den Merkmalen 5 und 6 nach Durchlaufen der Temperierungseinrichtung mit Wärmetauscher – hin zu dem Raum schafft, den das Fluid konditionieren soll (Merkmal 7). Eine solche Leitung muss räumlich-körperlich vorhanden sein.
b)
Bei den angegriffenen Ausführungsformen lässt sich eine solche dritte Leitung nicht feststellen.
aa)
Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass die Beklagte beim Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen eine Leitung zur Verbindung des „Dry Air Out“-Auslasses des Chillers und dem Spülfluidzugang des Proberraums mit anbietet oder vertreibt. Die Beklagte hat auch unwidersprochen vorgetragen, dass sie eine entsprechende Leitung bei der Installation der angegriffenen Ausführungsformen bei ihren Abnehmern nicht anschließt. Das Vorhandensein eines Ausgangs am Chiller und eines entsprechenden Zugangs zum Proberraum der angegriffenen Ausführungsformen alleine verwirklichen Merkmal 4.3 nicht, da weder eine (durchgängige) Leitung existiert, noch Fluid tatsächlich zurückgeführt werden kann.
bb)
Eine unmittelbare Verwirklichung von Merkmal 4.3 ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt, dass Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen eine dritte Leitung selbst installieren könnten.
(1)
Wenn nicht alle Anspruchsmerkmale verwirklicht sind, kann grundsätzlich nur eine mittelbare Patentverletzung vorliegen, sofern die hierfür aufgestellten besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 PatG erfüllt sind. Ausnahmsweise kann eine unmittelbare Patentverletzung gleichwohl selbst dann bejaht werden, wenn der Patentverletzer nicht alle Teile der geschützten Vorrichtung selbst liefert, er sich aber darauf verlassen kann, dass die fehlende (Allerwelts-) Zutat beim Empfänger entweder bereits vorhanden ist (so dass ihre abermalige Bereitstellung sinnlos ist) oder aber vom Belieferten problemlos selbst besorgt werden kann und auch tatsächlich beschafft werden wird, um den gelieferten Gegenstand seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen. Der Handelnde macht sich bei einer solchen Sachlage mit seiner Lieferung die Vor- oder Nacharbeit seines Abnehmers bewusst zu Eigen, was es rechtfertigt, ihm diese Vor- oder Nacharbeit so zuzurechnen, als hätte er die Zutat selbst mitgeliefert (OLG Düsseldorf, InstGE 13, 78 – Lungenfunktionsmessgerät). Voraussetzung für eine unmittelbare Patentverletzung in einer solchen Konstellation ist es, dass alle Abnehmer selbstverständlich und mit Sicherheit eine für den Erfindungsgedanken nebensächliche Veränderung an der Vorrichtung vornehmen werden, die zur Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Patentanspruchs führt (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 97, 101 – Primäre Verschlüsselungslogik; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014 – I-2 U 93/12 – Folientransfermaschine). Dies lässt sich bejahen, wenn der Abnehmer bei diesem letzten Herstellungsakt vom Lieferanten angeleitet bzw. gesteuert wird, etwa durch Installationshinweise (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 97, 101 – Primäre Verschlüsselungslogik). Gegen die Annahme eines solchen Verhaltens der Abnehmer spricht beispielsweise, wenn die gelieferte Vorrichtung auch ohne eine solche Modifikation (also patentfrei) einwandfrei nutzbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 97, 102 – Primäre Verschlüsselungslogik) oder die zur Patentverletzung erforderlichen Maßnahmen im Widerspruch zur Bedienungsanleitung o.ä. des Lieferanten stehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014 – I-2 U 93/12 – Folientransfermaschine).
Für das Vorhandensein der Allerwelts-Zutat beim Abnehmer und für die sichere Erwartung, dass die Abnehmer diese Zutat einsetzen, um die gelieferte Vorrichtung zu einer patentgemäßen Vorrichtung umzugestalten, trägt die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast.
(2)
Die Klägerin hat schon nicht ausreichend dargelegt, dass alle Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen einen Standardschlauch zwischen den Dry Air Out-Auslass des Chillers und den Spülfluidzugang des Proberraums anschließen werden.
Zwar hat die Beklagte dem Vortrag der Klägerin nicht hinreichend widersprochen, dass ein solcher Standardschlauch bei den Abnehmern regelmäßig vorhanden ist und eine Verbindung so hergestellt werden könnte (was Merkmal 4.3 verwirklichen würde).
Es lässt sich aber auch unter Zugrundelegung des Klägervortrags nicht feststellen, dass alle Abnehmer einen solchen Schlauch anschließen und damit eine patentgemäße dritte Leitung herstellen würden. Einen konkreten Fall, in dem ein Abnehmer eine solche Leitung im Sinne von Merkmal 4.3 angeschlossen hat, konnte die Klägerin nicht aufzeigen. Die bloße Möglichkeit, dass Abnehmer eine solche Umgestaltung vornehmen, würde zu einer unmittelbaren Patentverletzung nach den oben dargelegten Grundsätzen ebenso wenig ausreichen wie die nur vereinzelte patentgemäße Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen durch Abnehmer der Beklagten.
Soweit die Klägerin anführt, der Beklagten sei die patentgemäße Nutzbarkeit des Dry Air Out-Auslasses bekannt, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Vielmehr ist auf das sicher zu erwartende Verhalten der Abnehmer abzustellen. Diese sind nicht gezwungen, eine patentgemäße Leitungsverbindung herzustellen, um die angegriffenen Ausführungsformen nutzen zu können. Es ist ebenso möglich, dass ein Hausluftanschluss oder ein externer Lufttrockner an den Spülfluidzugang des Proberraums angeschlossen werden.
Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihre Abnehmer zu einem patentgemäßen Anschluss eines Schlauchs anleitet. Entsprechende Hinweise konnte die Klägerin nicht hinreichend aufzeigen. Die Aufschrift „Dry Air Out“ alleine ist keine zur Bejahung einer unmittelbaren Patentverletzung hinreichende Aufforderung zur Umgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen. Auf die Aufschrift „Dry Air Prober“ auf dem Chiller, der im Gutachten F (Anlage K24) zu sehen ist, kann dagegen bereits deshalb nicht abgestellt werden, da nicht ersichtlich ist, dass es sich hierbei um ein von der Beklagten vertriebenes Gerät handelt.
Darüber hinaus reicht auch nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2017 der Druck der Luft aus dem Dry Air Out-Auslass nicht aus, um den Kreuztisch in den angegriffenen Ausführungsformen zu bewegen. Zwar ist dies keine Voraussetzung für die Patentverletzung, für die es nur darauf ankommt, ob Luft vom Chiller zur Konditionierung über eine dritte Leitung in den Raum zurückgeführt wird. Gleichwohl spricht das praktische Erfordernis einer weiteren Luftquelle zur Nutzung der angegriffenen Ausführungsform eher dagegen, dass (alle) Abnehmer einen Schlauch an das Dry Air Out-Ventil anschließen werden.
Gegen eine sicher zu erwartende, patentgemäße Nutzung aller Abnehmer spricht zudem, dass der Dry Air Out-Auslass patentfrei für das Spülen einer Kamera oder eines Mikroskops genutzt werden kann. Zwar mag dafür eine geringere Luftmenge erforderlich sein, als vom Auslass bereitgestellt wird. Gleichwohl kann eine solche Nutzung, bei der das Klagepatent nicht verletzt wird, nicht ausgeschlossen werden.
Insofern kann dahingestellt bleiben, ob bei Anschluss einer dritten Leitung eine funktionsfähige Vorrichtung vorliegt und ob es das Klagepatent erfordert, dass die Luft aus dem Dry Air Out-Ventil alleine und/oder in allen Betriebszuständen für den Betrieb der Vorrichtung ausreichen muss.
5.
Das Vorliegen einer mittelbaren Patentverletzung muss nicht erörtert werden, da eine solche von der Klägerin nicht geltend gemacht wird, worauf das Gericht auch in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2017 hingewiesen hat.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
III.
Den Parteien war jeweils keine Schriftsatzfrist einzuräumen.
Die Beklagten haben eine solche nur für den Fall beantragt, dass es auf die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerseite übergegebenen Unterlagen bei der Entscheidung ankommt, was nicht der Fall ist.
Soweit die Klägerin bereits im Schriftsatz vom 10.01.2017 die Einräumung einer Schriftsatzfrist zu dem Vortrag der Beklagten in der Duplik vom 24.11.2016 beantragt und sich in der mündlichen Verhandlung hierauf bezogen hat, ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 283 S. 1 ZPO gegeben sind. Die Klägerin konnte sich in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2017 zu der zwei Monate zuvor eingereichten Duplik erklären. Auch kann bereits nicht festgestellt werden, dass ihr das Vorbringen der Beklagten nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist.
IV.
Der Streitwert wird auf EUR 200.000,00 festgesetzt.