4a O 50/09 – Handschuh/Stock VI

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1353

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Februar 2010, Az. 4a O 50/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 39/10

I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rechnung zu legen,

1. in welchem Umfang sie Nordic-Walking-Stöcke mit folgenden Merkmalen:

– einer Umhüllung, die dazu bestimmt ist, über die Hand eines Benutzers übergestreift zu werden;
– einem Stock, der mit einem Handgriff versehen ist;
– die Umhüllung und der Handgriff sind mit Befestigungseinrichtungen versehen, die sich für die Verbindung der Umhüllung mit dem Handgriff jeweils ergänzen;
– die Befestigungseinrichtungen der Umhüllung und des Handgriffes sind auf dem Niveau des Drehzentrums des Stockes relativ zur Hand beim Fortbewegen angeordnet;
– die Umhüllung weist Einrichtungen zum Übertragen der vom Benutzer beim Fortbewegen erzeugten Kräfte auf;
– die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte sind mit den Befestigungseinrichtungen der Umhüllung für eine direkte Übertragung dieser Kräfte auf den Stock beim Fortbewegen verbunden;
– die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte weisen einen Teil auf, der eine Manschette bildet, die dazu bestimmt ist, das Handgelenk der Hand des Benutzers zu umgeben;
– die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte weisen einen Teil auf, der dazu bestimmt ist, sich längs des Handrückens zu erstrecken, und der die Befestigungseinrichtungen mit dem Teil, der eine Manschette bildet, verbindet;

seit dem 18.12.1993 bis zum 15.06.2009 in Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu diesen Zwecken eingeführt oder besessen hat

und/oder

2. in welchem Umfang sie Umhüllungen,

– die dazu bestimmt sind, über die Hand eines Benutzers übergestreift zu werden,
– die Befestigungseinrichtungen aufweisen, die sich für die Verbindung der Umhüllung mit einem Handgriff mit den Befestigungsvorrichtungen dieses Handgriffs ergänzen, und
– die Einrichtungen zum Übertragen der vom Benutzer beim Fortbewegen erzeugten Kräfte aufweisen,
– wobei die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte mit den Befestigungseinrichtungen der Umhüllung für eine direkte Übertragung dieser Kräfte auf den Stock beim Fortbewegen verbunden sind,
– wobei die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte einen Teil aufweisen, der eine Manschette bildet, die dazu bestimmt ist, das Handgelenk des Benutzers zu umgeben, und
– wobei die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte einen Teil aufweisen, der dazu bestimmt ist, sich längs des Handrückens zu erstrecken, und der die Befestigungseinrichtungen mit dem Teil der eine Manschette bildet, verbindet,

seit dem 18.12.1993 bis zum 15.06.2009 in Deutschland Abnehmern in Deutschland angeboten und/oder an solche geliefert hat, die für einen Nordic-Walking-Stock geeignet waren,

– der mit einem Handgriff versehen ist und
– der Befestigungseinrichtungen aufweist, die sich für die Verbindung der Umhüllung mit dem Handgriff mit den Befestigungsvorrichtungen der Umhüllung ergänzen,
– wobei die Befestigungseinrichtungen der Umhüllung und des Handgriffes auf dem Niveau des Drehzentrums des Stockes relativ zur Hand beim Fortbewegen angeordnet sind;

und zwar zu Ziffer 1. und 2. jeweils unter Angabe:

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 01.09.2008 zu machen sind,

wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu Ziffer a) und b) die Rechnungen in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungswürdige Details außerhalb der rechnungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, und

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den unter I. genannten Handlungen der Beklagten seit dem 18.12.1993 bis zum 15.06.2009 bereits entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 5 % und der Beklagten zu 95 % auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 €. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 0 357 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent; Anlage K1 bzw. in deutscher Übersetzung Anlage K2). Dieses wurde unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 21.07.1988 am 15.06.1989 angemeldet und die Patentanmeldung am 07.03.1990 offengelegt. Veröffentlichungstag der Erteilung des Klagepatents durch das EPA war der 18.11.1993. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 689 10 XXX) steht in Kraft. Das Klagepatent wurde in einem Nichtigkeitsverfahren mit inzwischen rechtskräftigem Urteil des Bundespatentgerichts vom 07.11.2000 (Anlage K4) im Umfang der Ansprüche 1 bis 11 vernichtet. Die Klägerin stützt ihre Klage auf den ursprünglichen Patentanspruch 12, der auf die vernichteten Ansprüche 9 und 1 rückbezogen ist.

Das Klagepatent betrifft ein System zur Verbindung eines Stocks, etwa eines Skistocks, mit der Hand des Benutzers. Die (ursprünglichen) Ansprüche 1, 9 und 12 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache französisch ist, haben in der veröffentlichten deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

1. Gesamtheit Handschuh/Skistock von dem Typ, der durch eine Umhüllung (1) gebildet ist, die dazu bestimmt ist, über die Hand (11) eines Benutzers übergestreift zu werden und aus einem Skistock (2), der mit einem Handgriff (3) versehen ist, wobei die Umhüllung (1) und der Handgriff (3) mit Befestigungseinrichtungen (5, 4), die sich jeweils ergänzen, für die Verbindung der Umhüllung (1) mit dem Handgriff (3) versehen sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Befestigungseinrichtungen (5, 4) der Umhüllung und des Handgriffes (3) auf dem Niveau des Drehzentrums des Stockes bezüglich der Hand beim Skifahren angeordnet sind, die Umhüllung (1) Einrichtungen (6) zum Übertragen der vom Benutzer beim Skifahren erzeugten Kräfte aufweist, und die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte (6) mit den Befestigungseinrichtungen (5) der Umhüllung für eine direkte Übertragung dieser Kräfte auf den Stock beim Fahren verbunden sind.

9. Gesamtheit Handschuh/Stock gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtungen (6) zum Übertragen der Kräfte einen Teil (7) aufweisen, der eine Manschette bildet, die dazu bestimmt ist, das Handgelenk der Hand des Benutzers zu umgeben.

12. Gesamtheit Handschuh/Stock gemäß einem der Ansprüche 9 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtungen (6) zum Übertragen der Kräfte einen Teil (8) aufweisen, der dazu bestimmt ist, sich längs des Handrückens zu erstrecken, und der die Befestigungseinrichtungen (5) mit dem Teil (7), der eine Manschette bildet, verbindet.

Die im Folgenden (zum Teil verkleinert) wiedergegebenen Darstellungen stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen ein Ausführungsbeispiel der Erfindung. Figur 1 zeigt eine Perspektivansicht der Gesamtheit aus Handschuh und Skistock, Figur 2 zeigt die Umhüllung des Handschuhs auf der Seite der Hand-Innenfläche. Figur 3 stellt die Umhüllung im Bereich des Handrückens dar. Figur 4 ist eine Seitenansicht des Übertragungssystems der Kräfte in der Abstütz- oder Abstoßphase, Figur 5 zeigt das System in der Rückholphase des Stockes.

Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Sport- und Freizeitartikel, unter anderem Nordic-Walking-Stöcke. Die Klägerin hatte die Beklagte unter dem 18.01.2006 wegen der seinerzeit vertriebenen Nordic-Walking-Stöcke, deren Handschlaufe ein Daumenloch aufwies, abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungs-/Verpflichtungserklärung aufgefordert (vgl. Anlage K19). Mit Schreiben vom 16.02.2006 (Anlage K16) wies die Beklagte den Vorwurf der Patentverletzung zurück und gab zugleich „der guten Ordnung halber“ unter dem 17.02.2006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit Wirkung ab dem 25.03.2006 ab (Anlage K14).

Im Frühjahr 2009 bot die Beklagte auf ihrer Internetseite (www.A.de) unter den Artikelnummern 66600, 66603, 66610, 66612, 66613, 66614, 66615, 66625 und 66626 Nordic-Walking-Stöcke an, die eine „extrabreite verstellbare Komfortschlaufe“ aufweisen (nachfolgend zusammenfassend: Angegriffene Ausführungsform). Unter der Artikelnummer 6XXX2 wurden entsprechende Ersatzschlaufen für Nordic-Walking-Stöcke angeboten. Ein Muster der angegriffenen Ausführungsform befindet sich als Anlage K17 bei der Akte. Die von der Klägerin als Anlage K18 vorgelegten Fotografien veranschaulichen, wie die Handschlaufe über die Hand des Benutzers gelegt werden kann. Desweiteren hat die Klägerin als Anlage K11 Ausdrucke aus dem Online-Katalog der Beklagten (Stand Frühjahr 2009) vorgelegt, die unter anderem die folgenden Abbildungen zeigen (vgl. Anlage K11, S. 1, 10 u. 15):

Im Unterschied zu den zuvor von der Beklagten angebotenen Nordic-Walking-Stöcken weist die angegriffene Ausführungsform keine Handschlaufe mit Daumenloch, sondern eine Handgelenkmanschette auf, die über einen Riemen mit dem Handgriff des Stockes verbunden ist. In einer Produktbeschreibung der angegriffenen Ausführungsform empfiehlt die Beklagte eine Anlegung der Handgelenkmanschette dergestalt, „dass die Handunterfläche auf dem breiten gepolsterten Teil der Schlaufe liegt“ (vgl. Anlage PBP1).

Die Klägerin ist der Auffassung, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent wortsinngemäß verletzt. Insbesondere würden diese Stöcke Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte aufweisen mit einem Teil, der dazu bestimmt sei, sich längs des Handrückens zu erstrecken und der die Befestigungseinrichtungen mit dem Teil, der eine Manschette bilde, verbinde. Die Beklagte selbst habe durch die Abbildungen in ihrem Internetauftritt eine Verwendung der Handgelenkmanschette vorgegeben, bei der sich der Teil, der die Handgelenkmanschette mit der Befestigungsvorrichtung verbinde, längs des Handrückens zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger hindurch erstrecke. Bei einer derartigen Anlegung der Handgelenkmanschette finde sowohl in der Abstütz- als auch in der Rückholphase eine Unterstützung der Kraftübertragung statt. Das Verbindungsteil zwischen der Handgelenkmanschette und dem Befestigungsteil könne in der Länge dergestalt eingestellt werden, dass ein Absacken des Stockes in der Rückholphase vermieden und ein sicheres Wiederaufgreifen des Handgriffes gewährleistet werde.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage zunächst noch die Zahlung einer Vertragsstrafe aus der Unterlassungs-/Verpflichtungserklärung vom 17.02.2006 geltend gemacht, diesen Antrag aber in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2010 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt daher,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weil es an einer klagepatentgemäßen Übertragung der Kräfte von dem Benutzer auf den Stock sowie an einer klagepatentgemäßen Positionierung des Faustriemens sowohl in der Abstoß- als auch in der Rückholphase fehle. Die ordnungsgemäße Benutzung erfolge dergestalt, dass der Klettverschluss der Handgelenkmanschette auf der Außenseite der Hand anliege und die Handgelenkmanschette unter dem Handteller entlang verlaufe. In diesem Fall sei kein Teil vorhanden, der dazu bestimmt sei, sich längs des Handrückens zu erstrecken. Soweit man demgegenüber darauf abstellen wollte, dass die Handgelenkmanschette auch anders angelegt werden könne, so dass das Verbindungsteil zwischen der Handgelenkmanschette und dem Befestigungsteil über den Handrücken verlaufe, werde die Abgrenzung der patentgemäßen Lehre zum Stand der Technik nicht in ausreichendem Maße beachtet. Denn das Klagepatent habe es sich gerade zur Aufgabe gemacht, die direkte Übertragung der Kräfte auf den Stock und die genaue Positionierung des Faustriemens zu gewährleisten, so dass die Kräfteübertragung sowohl in der Abstütz- als auch in der Rückholphase unterstützt werde. Dies könne allein durch eine Ausführung der Handschlaufe mit Daumenloch erreicht werden. Bei der von ihr empfohlenen Anlegung der Handgelenkmanschette sei hingegen eine Unterstützung der Kräfteübertragung in der Rückholphase nicht gewährleistet, da bei geöffneter Hand der Stock heruntersacke. Werde die angegriffene Ausführungsform entgegen der Empfehlung dergestalt angelegt, dass das Verbindungsteil zwischen der Handgelenkmanschette und dem Befestigungsteil über den Handrücken verlaufe, fehle es demgegenüber an einer Kräfteübertragung während der Abstoßphase. Eine solche Kräfteübertragung sei allenfalls dann denkbar, wenn die Befestigungsvorrichtung so eng an dem Handgriff befestigt werde, dass die Hand in der Abstoßbewegung nicht durchsacken könne. In diesem Fall aber umgebe die Handgelenkmanschette das Handgelenk des Benutzers nicht mehr vollständig.

Im Übrigen habe die Klägerin auf etwaige Ansprüche konkludent verzichtet, da sie auf das Schreiben der Beklagten vom 16.02.2006 (Anlage K16), mit dem diese die Zahlung von Schadensersatz abgelehnt habe, nicht reagiert habe. Jedenfalls aber seien etwaige Ansprüche der Klägerin verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz (dem Grunde nach) und entsprechende Auskunft und Rechnungslegung gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 u. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Das Klagepatent betrifft ein System zur Verbindung eines Elementes wie eines Skistocks mit der Hand des Benutzers. Traditionell sind Skistöcke auf dem Niveau ihres Handgriffes mit einer geschlossenen Gurtschlaufe, die auch als Faustriemen bezeichnet wird, versehen. Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt, ist ein solcher Gurt nicht nur dazu bestimmt, ein Verlieren des Skistocks zu vermeiden, sondern dient auch dazu, eine bessere Übertragung der Kräfte des Skiläufers auf den Stock zu ermöglichen. Um dies effektiv zu gewährleisten, muss der Faustriemen, wie die Klagepatentschrift weiter erläutert, so verlaufen, dass er teilweise das Handgelenk umgibt, wobei die beiden Endstränge der Schlaufe, die mit dem Handgriff verbunden sind, durch die Unterfläche der Hand verlaufen. Positioniert der Skiläufer den Faustriemen nicht in dieser Weise, was vor allem bei Anfängern häufig vorkommt, kann keine wirksame Kraftübertragung stattfinden. Selbst wenn aber der Faustriemen gut umgelegt ist, sind der Klagepatentschrift zufolge die Kräfte, die durch ihn auf die Hand ausgeübt werden, sehr lokalisiert, was zu einer Behinderung und sogar zu Verletzungen der Hand führen kann. Zudem besteht stets die Gefahr des Verlusts des Stockes, etwa wenn der Skifahrer den Stock nach der Abstoßphase nach vorn zurückführt und den Stock hierbei nicht fest umgreift. Während des Skifahrens kann der Faustriemen, dessen Länge nicht richtig an die Hand des Skiläufers angepasst ist, über die Hand gleiten und dadurch in eine ungünstige Position gelangen. Überdies wird der Stock über den Faustriemen durch den – beim Pistenskifahren dicker ausgestalteten – Handschuh hindurch häufig von dem Skifahrer nicht gut „empfunden“. (Anlage K2, S. 1 Z. 5 bis S. 2 Z. 10)

Die Klagepatentschrift gibt an, im Stand der Technik sei bereits vorgeschlagen worden, einen Skistock mit einem Handschuh und auf diese Weise mit der Hand des Benutzers zu verbinden. Die FR 2 381 XXX zeigt eine Verbindung mittels einer magnetischen Kopplungsvorrichtung, die gleichzeitig auf dem Handschuh und dem Stock vorgesehen ist. Aus der US 3 232 XXX sind ein Handschuh und ein Skistock bekannt, die zusätzliche Mittel für die Verbindung des Handschuhs mit dem Stock aufweisen.

Die Klagepatentschrift kritisiert an diesen beiden vorbekannten Systemen als nachteilig, dass sie das Problem der Übertragung der Kräfte vom Skiläufer auf den Stock und die korrekte Positionierung des Faustriemens nicht lösen könnten. Bei der aus der FR 2 381 XXX bekannten Vorrichtung bestehe zudem die Gefahr des Verlustes des Skistocks, da sich die magnetische Kopplung im Falle eines Stoßes leicht löse. (Anlage K2 S. 2 Z. 11-28)

Den Angaben der Klagepatentschrift über die Nachteile des Standes der Technik sowie über die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe und die Vorteile der Erfindung ist zu entnehmen, dass die Erfindung das Problem lösen soll, die bekannten Systeme der Verbindung des Skistocks mit der Hand des Benutzers in einer Weise zu verbessern, dass die korrekte Positionierung von Stock und Schlaufe für eine optimale Kraftübertragung unabhängig von der Handhabung durch den Skiläufer gewährleistet ist. Daneben soll der bei den herkömmlichen Schlaufen bestehende Nachteil beseitigt werden, dass bei einer korrekten Positionierung mit guter Kraftübertragung die Kräfte, die durch den Faustriemen auf die Hand ausgeübt werden, sehr lokalisiert sind und dadurch zu Behinderungen und Verletzungen führen können. Schließlich soll die Gefahr des Verlustes des Stockes ausgeschlossen werden.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht der auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 9 rückbezogene Anspruch 12 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:

Gesamtheit Handschuh/Skistock mit
a) einer Umhüllung (1), die dazu bestimmt ist, über die Hand (11) eines Benutzers übergestreift zu werden;
b) einem Stock (2), der mit einem Handgriff (3) versehen ist;
c) wobei die Umhüllung (1) und der Handgriff (3) mit Befestigungseinrichtungen (5, 4), die sich jeweils ergänzen, für die Verbindung der Umhüllung (1) mit dem Handgriff (3) versehen sind;
d) wobei die Befestigungseinrichtungen (5, 4) der Umhüllung (1) und des Handgriffs (3) auf dem Niveau des Drehzentrums des Stockes bezüglich der Hand beim Fortbewegen angeordnet sind;
e) wobei die Umhüllung (1) Einrichtungen (6) zum Übertragen der vom Benutzer beim Fortbewegen erzeugten Kräfte auf weist;
f) wobei die Einrichtungen (6) zum Übertragen der Kräfte mit den Befestigungseinrichtungen (5) der Umhüllung für eine direkte Übertragung dieser Kräfte auf den Stock beim Fortbewegen verbunden sind;
g) wobei die Einrichtungen (6) zum Übertragen der Kräfte einen Teil (7) aufweisen, der eine Manschette bildet, die dazu bestimmt ist, das Handgelenk des Benutzers zu umgeben;
und
h) wobei die Einrichtungen (6) zum Übertragen der Kräfte einen Teil (8) aufweisen, der dazu bestimmt ist, sich längs des Handrückens zu erstrecken und der die Befestigungseinrichtungen (5) mit dem Teil (7), der eine Manschette bildet, verbindet.

Zu den Vorteilen der Erfindung führt die Klagepatentschrift aus, dass allein durch das Überstreifen der Umhüllung (etwa in Form eines Handschuhs) und ihre Verbindung mit dem Handgriff des Stockes eine geeignete Verbindung zwischen der Hand des Benutzers und dem Skistock hergestellt werde. Diese Verbindung gewährleiste eine Übertragung der beim Skifahren ausgeübten Kräfte und schütze gegen jedes Risiko des Verlustes des Stockes, und zwar sogar dann, wenn der Skifahrer den Pressdruck der Hand auf den Handgriff löse. Bereits das Überstreifen der Umhüllung oder des Handschuhs über die Hand führe zu einer korrekten Positionierung der Hand zum Stock auf dem Niveau des Drehzentrums des Stockes bezüglich der Hand und löse damit das Problem des schlechten Platzierens des Faustriemens durch den Skiläufer. Zugleich werde das Problem eines relativen Gleitens oder Verschiebens des Stockes und des Handschuhs beim Skifahren beseitigt und auf diese Weise eine optimale Übertragung der ausgeübten Kräfte gefördert. (Anlage K2 S. 3 Z. 10-29)

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Die angegriffene Ausführungsform stellt eine „Gesamtheit Handschuh/Skistock“ dar. Zwar handelt es sich bei der Handschlaufe der angegriffenen Ausführungsform um keinen Handschuh im allgemein üblichen Sinne, der die Hand einschließlich ihrer Finger vollständig umhüllt, der Durchschnittsfachmann erkennt aber, dass es bei der patentgemäßen Lösung nicht um die Ausgestaltung eines Handschuhs geht, sondern dass eine Verbindung zum Skistock geschaffen werden soll, die der Kraftübertragung dient und vor dem Verlust des Stockes schützt. Die Klagepatentschrift selbst stellt klar, dass bei der Komponente „Handschuh“ auch der den Handschuh im Wortsinne bildende Umhüllungsteil weggelassen werden kann, so dass sich der „Handschuh“ im Sinne des Klagepatents auf eine Hülle von geeigneter Form reduziert, die mit Befestigungseinrichtungen versehen ist (Anlage K2, Seite 12, Z. 16-21). Dies entspricht der Auslegung des Klagepatents im rechtskräftigen Urteil des Bundespatentgerichts vom 07. November 2000, das für diese handschuhlose Gurtkonstruktion den Begriff des „Geschirrs“ verwendet hat (Anlage K4, Seite 10), und führt die bisherige Rechtsprechung der Kammer (Urteil vom 19.06.2001, Az: 4a O 85/01), die durch das Oberlandesgericht bestätigt wurde (Urteil vom 08.11.2002, Az: 2 U 102/01), fort.

Wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, handelt es sich auch bei Stöcken, die wie die angegriffene Ausführungsform für die Fortbewegung bei der Sportart Nordic Walking bestimmt sind, um „Skistöcke“ im Sinne des Klagepatents. Soweit das Klagepatent von „Skistöcken“ spricht, stellt dies lediglich eine Zweckangabe dar, die den Schutzbereich nicht beschränkt. Wenn eine Ausführungsform von den Merkmalen eines Patentanspruchs in deren räumlich-körperlicher Ausgestaltung identisch Gebrauch macht, dann erübrigt es sich bei der Prüfung der Patentverletzung grundsätzlich, Erwägungen darüber anzustellen, ob die identisch vorhandenen Merkmale demselben Zweck dienen und dieselbe Wirkung und Funktion haben wie diejenigen des Klagepatents. Bei einem Sachpatent kommt der Aufnahme von Zweck-, Wirkungs- und Funktionsangaben in den Patentanspruch im Regelfall keine schutzbeschränkende Wirkung zu (vgl. BGH, GRUR 1991, 436 – Befestigungsvorrichtung II). Unter den Wortsinn des Klagepatents fallen damit auch Gesamtheiten aus Stock und Umhüllung, die für andere Benutzungsarten als den Skisport bestimmt sind. Die Kammer setzt insofern ihre bisherige Rechtsprechung fort, wie sie in den früheren Urteilen vom 01.08.2006 (4a O 294/05), vom 24.05.2007 (Az: 4a O 13/06), vom 17.11.2007 (4a O 272/06) und vom 18.12.2008 (Az: 4a O 18/08) vertreten worden ist.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch die Merkmale g) und h) der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung. Beide Merkmale nehmen Bezug auf die in Merkmal e) beschriebene Einrichtung zum Übertragen der vom Benutzer bei der Fortbewegung erzeugten Kräfte. Hierbei handelt es sich um die Kräfte, die einerseits entstehen, wenn sich der Benutzer in der Abstoßphase mit dem Stock abstützt und die Hand im Geschirr gehalten wird (vgl. Figur 4 der Klagepatentschrift), und die andererseits aufgebracht werden müssen, um den Stock in der Rückholphase mit der Hand, die dann üblicherweise ihren Griff um den Handgriff des Stockes lockert, nachzuholen (vgl. Figur 5 der Klagepatentschrift). Die Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte sind gemäß Merkmal f) mit den Befestigungseinrichtungen der Umhüllung verbunden und übertragen auf diese Weise die beim Fortbewegen entstehenden Kräfte auf den Stock. Sie bestehen aus einem ersten Teil, der eine Manschette bildet, die um das Handgelenk des Benutzers gelegt werden kann (Merkmal g), und einem zweiten Teil, der dazu bestimmt ist, sich längs des Handrückens zu erstrecken, und der die Befestigungseinrichtungen mit dem ersten Teil, der eine Manschette bildet, verbindet (Merkmal h).

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt der geltend gemachte Anspruch 12 des Klagepatents nicht implizit voraus, dass die Einrichtungen zum Übertragen der vom Benutzer beim Fortbewegen erzeugten Kräfte neben den in Merkmalen g) und h) ausdrücklich genannten Teilen Manschette und handrückenseitiger Teil auch einen Verbindungsteil erfordern, der sich auf der Handinnenseite längs der Handfläche erstreckt. Ein solches Verbindungsteil wird vielmehr erst im eingetragenen Unteranspruch 14 erwähnt. Dieser fordert, dass ein Teil der Einrichtungen zum Übertragen der Kräfte dazu bestimmt ist, sich längs der Handfläche zu erstrecken und dass dieser Teil zugleich die Befestigungseinrichtungen mit dem Teil, der dazu bestimmt ist, sich längs der Handkante zu erstrecken, verbindet. Eine dem Unteranspruch 14 entsprechende bevorzugte Ausführungsform ist in den Figuren 2 bis 5 der Klagepatentschrift dargestellt. Die technische Lehre eines Patents darf aber grundsätzlich nicht auf die lediglich in einem Ausführungsbeispiel offenbarte Umsetzung reduziert werden (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Ausgehend vom Wortlaut des Klagepatentanspruchs 12 setzt die technische Lehre des Klagepatents ein solches Element auf der Handinnenseite nicht zwingend voraus. Eine solche Auslegung ist auch – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht etwa unter Berücksichtigung des vorbekannten Standes der Technik geboten. Denn von den im Stand der Technik bekannten Faustriemen grenzt sich die Lehre des Klagepatents bereits dadurch ab, dass sie keine lose Schlaufe, sondern eine auf den jeweiligen Benutzer einstellbare Handgelenkmanschette voraussetzt. Auch unter funktionalen Gesichtspunkten reichen die in den Merkmalen g) und h) ausdrücklich genannten Teile Manschette und handrückenseitiger Teil aus, um eine erfindungsgemäße Übertragung der vom Benutzer beim Fortbewegen erzeugten Kräfte auf den Stock zu gewährleisten.

Die Einrichtungen zum Übertragen der vom Benutzer beim Fortbewegen erzeugten Kräfte sollen nach der patentgemäßen Lehre in der Lage sein, die sowohl in der Abstoß- als auch in der Rückholphase auftretenden Kräfte über die Befestigungseinrichtungen auf den Stock zu übertragen (vgl. Merkmal f). Um eine unerwünschte Relativbewegung des Stockes zur Hand zwischen beiden Bewegungen so weit wie möglich zu vermeiden, sind die miteinander korrespondierenden Befestigungseinrichtungen von Umhüllung und Handgriff gemäß Merkmal d) auf dem Niveau des Drehzentrums des Stockes relativ zur Hand beim Fortbewegen angeordnet. Bei beiden Bewegungsabläufen müssen die Einrichtungen zur Kräfteübertragung somit geeignet sein, die auftretenden Kräfte vermittels der Befestigungseinrichtungen in den Stock einzuleiten, wobei die Kräfte in der Abstoßphase mit um den Handgriff geschlossener Hand nach unten gerichtet sind, wie Figur 4 veranschaulicht, und in der Rückholphase den Stock in Richtung seines Handgriffs ziehen, wenn die Hand in der Regel geöffnet ist (vgl. Figur 5). Indem die Befestigungseinrichtungen auf dem Niveau des Drehzentrums angeordnet sind, vollführt der Stock bei dem Wechsel von der Abstoß- zur Rückholphase keine nennenswerte Bewegung relativ zur Hand, weil er über die Befestigungseinrichtungen gezielt dort gehalten wird, wo sich die pendelnde Bewegung des Stockes relativ zur Hand vollzieht, nämlich in der Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger der Hand. Während der Abstoßphase kommt es nicht zu einem nennenswerten „Durchsacken“ der Hand in Bezug auf den Stock, zumal das Klagepatent davon ausgeht, dass die Hand in der Abstoßphase um den Handgriff geschlossen ist, und bei dem anschließenden Übergang von der Abstoß- zur Rückholphase kann sich der Stock nicht nach unten bzw. hinten von der Hand entfernen, sondern bleibt annähernd in der Position, die er bei dem anschließenden Abstoßvorgang wieder einnehmen soll. Das Maß der vom Klagepatent geduldeten Bewegung des Stockes relativ zur Hand lässt sich der vergleichenden Betrachtung der Figuren 4 und 5 entnehmen.

Anhand des als Anlage K17 zur Akte gereichten Musters lässt sich feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform vom Benutzer in der Weise angelegt und getragen werden kann, dass das dreiecksförmige Element der Handgelenksmanschette, an dem die zwei Enden eines Riemens befestigt sind, auf dem Handrücken liegt, so dass sich die durch die beiden Riemenenden gebildete Schlaufe zwischen der das Handgelenk umgebenden Manschette und dem Durchgang zwischen Daumen und Zeigefinger erstreckt. Von dort aus wird die Schlaufe, die eine umhüllungsseitige Befestigungseinrichtung im Sinne des Merkmals c) darstellt, zur Befestigungseinrichtung am Kopf des Handgriffes geführt, um dort in gewünschter Länge durch einen entfernbaren Keil festgeklemmt zu werden.

Die beschriebene Verwendung der Handgelenkmanschette, bei der der Klettverschluss an der Handunterseite geschlossen wird, ist auch nicht etwa widersinnig, wie die Beklagte zu suggerieren sucht. In beiden Bewegungsphasen werden Kräfte auf den Stock übertragen, was sich für die Rückholphase unmittelbar ergibt, wenn der Stock „aufgefangen“ und der Handbewegung folgend nach vorne geführt wird. Hierzu muss die Bandverbindung keineswegs derart verkürzt werden, dass die Hand des Benutzers den Handgriff nicht mehr ordnungsgemäß umschließen kann. Vielmehr geht auch das Klagepatent davon aus, dass eine gewisse Bewegung des Stockes relativ zur Hand zu akzeptieren ist. Dies lässt sich der vergleichenden Betrachtung der Figuren 4 und 5 entnehmen. Wird die Länge des Verbindungsbandes entsprechend eingestellt, kann sowohl der Handgriff des Stockes ordnungsgemäß umfasst als auch ein Absacken des Stockes bei einem Öffnen der Hand vermieden werden. Aber auch in der Abstoßphase werden handrückenseitiges Element und Manschette im Sinne einer Kraftübertragung wirksam. Wenn die Hand eine Abstoßbewegung nach unten vollzieht, spannt sich das Verbindungsband, das durch die um das Handgelenk geführte Manschette relativ zur Hand gehalten wird, und überträgt über die Befestigungseinrichtungen eine nach unten gerichtete Kraft auf den Stock, mag diese Kraft gegenüber der unmittelbar durch die geschlossene Hand übertragenen Kraft auch zurücktreten.

Entsprechend zeigen die bildlichen Darstellungen in Anlage K11 eine Verwendung der Handgelenkmanschette, bei der der Klettverschluss an der Handinnenseite geschlossen wird. Soweit die Beklagte unter Verweis auf die als Anlage PBP1 vorgelegte Produktbeschreibung vorträgt, das dreieckförmige Element der Handgelenkmanschette sei zur Handinnenseite hin auszurichten und der Klettverschluss am Handrücken zu schließen, ist dies deshalb unbeachtlich, weil eine unmittelbare Patentverletzung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls dann vorliegt, wenn die Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind und die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen (BGH, GRUR 2006, 399, 401 – Rangierkatze). Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen der Fall.

Die Anlegung der Handgelenkmanschette gemäß Merkmal h) dergestalt, dass das Klettband auf der Unterseite der Hand geschlossen wird, führt – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch nicht deshalb aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus, weil es in diesem Fall an einer Verwirklichung des Merkmals g) fehlen würde. Denn auch wenn bei einer Verkürzung des Verbindungsbandes die Manschette an der Handoberfläche leicht in Richtung der Finger verschoben würde, somit am Übergang zum Handrücken zu liegen käme, wäre Merkmal g) noch in patentgemäßer Weise erfüllt. Aus dem Klagepatent folgt – auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Nichtigkeitsurteils vom 07.11.2000 (Anlage K4) -, dass unter „Handgelenk“ im Sinne des Merkmals g) nicht das menschliche Handgelenk im streng anatomischen Sinne gemeint ist, sondern dass es ausreicht, wenn die Manschette an dieses angrenzt. In diesem Fall ist es für die Verwirklichung unschädlich, wenn die Manschette auch den an das Handgelenk im anatomischen Sinne unmittelbar angrenzenden Bereich des Handrückens und der Handinnenfläche (den Handwurzelbereich) bedeckt. Dies ist zum einen schon deshalb gerechtfertigt, weil das Handgelenk aufgrund anatomischer Gegebenheiten nicht durch einen Schnittpunkt zweier Linien oder Ebenen eindeutig definiert werden kann, sondern sich vom Ende des Arms bis in den Handwurzelbereich erstreckt. Zum anderen ist insbesondere von Bedeutung, welche Funktion die klagepatentgemäße technische Lehre mit den Merkmalen g) und h) verfolgt, die sich beide mit der näheren Ausgestaltung der Einrichtung zum Übertragen der Kräfte befassen. Um eine optimale Übertragung der Kraft des Benutzers auf den Stock zu erreichen, muss der Stock in einer bestimmten Art und Weise in der Hand positioniert werden. Eine wirksame Kraftübertragung auf den Stock findet dann statt, wenn dieser – in der entscheidenden Phase des Abstoßens beim Nordic Walking – auf dem Niveau des gegenseitigen Drehzentrums der Hand und des Stockes geführt wird. Zu diesem Zweck ist es nicht erforderlich, dass die Manschette das Handgelenk in einem streng anatomischen Sinne umgreift. Eine Anordnung wie bei der angegriffenen Ausführungsform, bei welcher der die Manschette bildende Teil im oberen Bereich der Handwurzel ansetzt und im Anschluss noch über einen unmittelbar an das Handgelenk angrenzenden Teil des Handtellers und des Handrückens geführt wird, vermag die ihm erfindungsgemäß zukommende Funktion der Wiederaufnahme der Kräfte während des Abstoßens beim Nordic-Walking ebenso zu erfüllen wie eine ausschließlich auf Höhe des Handgelenks im anatomischen Sinne angeordnete Manschette. Um dem Zweck zu entsprechen, die Befestigungseinrichtungen im Bereich des Drehzentrums der Hand bezüglich des Stocks zu halten und dadurch die für eine gute Kraftübertragung erforderliche Positionierung des Stocks in der Hand zu gewährleisten, ist lediglich eine exakte Positionierung der Manschette in Relation zur Hand erforderlich. Diese wird nach der technischen Lehre des Klagepatents dadurch gewährleistet, dass die Manschette dem Umfang des Handgelenks angepasst ist und diesen nicht lediglich wie die aus dem Stand der Technik bekannte herkömmliche Schlaufe lose umgibt. Die Verbindungseinrichtung nach Merkmal h) stellt sodann sicher, dass diese feste Positionierung der Manschette relativ zur Hand über die Verbindung auf dem Handrücken und vermittelt durch die Befestigungseinrichtungen auch auf den Stock übertragen wird, um dessen sichere Relativpositionierung es letztendlich geht.

Die Verwirklichung der übrigen Merkmale begegnet keinen Bedenken und bedarf im Hinblick auf den Streitstand der Parteien keiner weiteren Ausführungen.

2.
Da die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

a)
Die Beklagte hat der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 2, 9 S. 2 Nr. 1 PatG Schadensersatz zu leisten.

Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Ausdrucke gemäß Anlage K11 vorgetragen hat, die Beklagte habe die angegriffene Ausführungsform angeboten und vertrieben, hat die Beklagte dies nicht substantiiert bestritten. Insofern hat die Beklagte lediglich angeführt, den Ausdrucken lasse sich weder ein Datum noch die URL entnehmen. In der Sache ist sie der Behauptung der Klägerin aber nicht entgegengetreten. Vielmehr hat sie sogar ausdrücklich vorgetragen, ihren Online-Katalog nach Abänderung der Handschlaufen im Jahr 2006 entsprechend angepasst zu haben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform über ihre Internetseite angeboten und vertrieben hat, wodurch dem Grunde nach die Schadensersatzpflicht begründet wird. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin lediglich noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grund nach anzuerkennen, § 256 Abs. 1 ZPO.

b)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 140b, 9 S. 2 Nr. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die geltend gemachten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

III.
Durch das Angebot und den Vertrieb von Ersatzhandschlaufen für die angegriffene Ausführungsform verletzt die Beklagte das Klagepatent zudem mittelbar.

1.
Gemäß Art. 64 EPÜ, § 10 Abs. 1 PatG hat das Patent die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, welche sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Die genannten Tatbestandsvoraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Mit den Ersatzhandschlaufen für die angegriffene Ausführungsform bietet die Beklagte ein Mittel an, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Im Rahmen der erfindungsgemäßen technischen Lehre, wie sie Gegenstand des geltend gemachten (ursprünglichen) Klagepatentanspruchs 12 ist, kommt dem Handschuh bzw. der Umhüllung nicht nur eine untergeordnete Bedeutung zu; in ihnen verkörpert sich vielmehr der eigentliche Erfindungsgedanke. Der angestrebte Effekt, nämlich die Gewährleistung einer stets sicheren und effizienten Übertragung von Kräften vom Läufer auf den Stock, lässt sich nur durch eine entsprechend ausgestaltete Umhüllung im Sinne von Merkmal a) der unter Ziffer I. wiedergegebenen Merkmalsgliederung verwirklichen, die mit Einrichtungen zum Übertragen der vom Benutzer beim Fortbewegen erzeugten Kräfte im Sinne von Merkmal e) ausgestattet ist und über Befestigungseinrichtungen im Sinne von Merkmal c) mit dem Handgriff des Stockes verbunden wird. Die von der Beklagten angebotenen Handschlaufen weisen dabei sowohl einen Teil auf, der eine Manschette bildet (Merkmal g), als auch einen Teil, der dazu bestimmt ist, sich längs des Handrückens zu erstrecken, und der die Befestigungseinrichtungen mit der Manschette verbindet (Merkmal h). Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter Ziffer II.1. verwiesen.

Die angegriffenen Ersatzhandschlaufen sind auch objektiv dazu geeignet, mit einem erfindungsgemäßen Nordic-Walking-Stock in patentgemäßer Weise zusammenzuwirken. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie identisch sind zu den Handschlaufen der angegriffenen Ausführungsform.

Anhaltspunkte dafür, dass die Abnehmer der Ersatzhandschlaufen zur Benutzung der Erfindung berechtigt wären, liegen nicht vor.

Auch die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind gegeben. Die mittelbare Verletzung eines Patentes setzt neben der Eignung des Mittels als subjektives Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Abnehmer dieses Mittel dazu bestimmt, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, und dass der mittelbare Verletzer diese Eignung und Bestimmung positiv kennt oder sie nach den Umständen offensichtlich ist. Besteht die mittelbare Verletzungshandlung in der Lieferung einer Vorrichtung, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, muss der Abnehmer diese ihm gelieferte Vorrichtung so herrichten wollen, dass sie patentverletzend verwendet werden kann, ohne dass es darauf ankommt, ob er diesen Willen später verwirklicht und den ihm gelieferten Gegenstand tatsächlich patentverletzend nutzt (OLGR Düsseldorf 2003, 81 ff. – Antriebsscheibenaufzug). Die Bestimmung durch den Abnehmer muss der Lieferant kennen und wollen; er muss vorsätzlich handeln. Zum Nachweis des Handlungswillens des Abnehmers und der Kenntnis und des Wollens des Lieferanten können Erfahrungen des täglichen Lebens verwertet werden. Ein solcher Rückgriff auf die Lebenserfahrung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn in Bedienungsanleitungen oder dergleichen der Angebotsempfänger oder Belieferte darauf hingewiesen wird, das Mittel in einer klagepatentgemäßen Weise zu verwenden, weil die Erfahrung dafür spricht, dass sich der Angebotsempfänger oder Abnehmer nach derartigen Anleitungen oder Empfehlungen richten wird (BGH, GRUR 2005, 848 ff. – Antriebsscheibenaufzug). Eine derartige Empfehlung hat die Beklagte durch die Abbildungen in ihrem Online-Katalog, wie er in Anlage K11 wiedergegeben wird, abgegeben. Insbesondere zeigt die zu der Artikelnummer 6XXX2 gehörende Abbildung auf Seite 15 der Anlage K11 eine Verwendung der Ersatzhandschlaufen dergestalt, dass der Klettverschluss an der Handunterseite geschlossen wird und der Verbindungsriemen zum Handgriff des Stockes über den Handrücken zwischen Daumen und Zeigefinger hindurch verläuft. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Angebotsempfänger oder Abnehmer die Ersatzschlaufen dazu bestimmt hat, in patentverletzender Weise mit Nordic-Walking-Stöcken verwendet zu werden und die Beklagte diesbezüglich vorsätzlich handelte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten als Anlage PBP1 vorgelegten Produktbeschreibung, da nach dem Sachvortrag der Beklagten unklar bleibt, wem diese Produktbeschreibung auf welche Weise bekannt gegeben wurde und aus welchem Grund die Abnehmer dieser Anwendungsempfehlung eher folgen sollten als den Darstellungen im Online-Katalog.

2.
Da Angebot und Lieferung von Ersatzhandschlaufen mit der Artikelnummer 6XXX2 sich als mittelbare Patentverletzung darstellen, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

a)
Die Beklagte ist der Klägerin (dem Grunde nach) zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 2, 10 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin lediglich noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grund nach anzuerkennen, § 256 Abs. 1 ZPO. Dabei ist der im Fall der mittelbaren Patentverletzung zu ersetzende Schaden derjenige, der durch die unmittelbare Patentverletzung des Abnehmers des Mittels entsteht.

b)
Daneben steht der Klägerin gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 140b, 10 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.

IV.
Die Klägerin hat auf ihre Ansprüche nicht wirksam verzichtet. Die Beklagte verweist insofern auf ihr Schreiben vom 16.02.2006 (Anlage K16), mit dem sie auf die Abmahnung der Klägerin vom 18.01.2006 reagiert hat. Ein Verzicht der Klägerin auf die streitgegenständlichen Ansprüche kann hingegen nicht daraus abgeleitet werden, dass die Klägerin auf das Schreiben der Beklagten nicht reagiert hat. Denn zum einen bezog sich die Abmahnung vom 18.01.2006 auf eine Ausführungsform, die eine Handschlaufe mit Daumenloch aufweist, während die hier streitgegenständliche Ausführungsform eine Handgelenkmanschette ohne Daumenloch hat. Zum anderen kann allein das Schweigen der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 16.02.2006 nicht die Annahme eines konkludenten Verzichts begründen. Denn die Klägerin war zu einer Reaktion auf das Schreiben der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet.

V.
Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt, da die Beklagte – trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer auf ihre diesbezügliche Darlegungslast in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2010 – die Voraussetzungen eines Verjährungstatbestandes nicht schlüssig vorgetragen hat (§ 141 S. 1 PatG i.V.m. §§ 195, 199 BGB). Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die Klägerin vor dem 01.01.2006 positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners erlangt hat oder eine solche Kenntnis hätte erlangen müssen.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 709, 711, 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 150.000,- EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt, dass mit der Klage lediglich Schadensersatz dem Grunde nach für einen abgeschlossenen Zeitraum vom 18.12.1993 bis zum 15.06.2009 geltend gemacht wird.