4b O 44/15 – Adressübertragungsaufrechterhaltungsverfahren

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2568

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 25. Oktober 2016, Az. 4b O 44/15

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents 2 254 XXX (Klagepatent) auf Unterlassung, Rückruf, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das sie – damals noch firmierend unter A – am 15. Juni 2000 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 15. Juni 1999 anmeldete. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 31.08.2001 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Beklagte hat beim Bundespatentgericht gegen die Klägerin mit dem Antrag, das Klagepatent für nichtig zu erklären, Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent bezieht sich auf die Aufrechterhaltung von Adressenübertragungen für Datenkommunikationen. Die von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche 1, 8 und 15 lauten in der deutschen Übersetzung:

1. Verfahren zum Aufrechterhalten einer Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem, in welchem Adressen-Umsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer (305) zur Kommunikation von Data-grammen zwischen einer ersten Vorrichtung und einer zweiten Vorrichtung bereitgestellt wird, gekennzeichnet durch das Aufrechterhalten einer vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung zur Kommunikation von Datagrammen zwischen der ersten Vorrichtung und der zweiten Vorrichtung durch Versenden (306) zumindest eines Aufrechterhaltungspakets von der ersten Vorrichtung oder der zweiten Vorrichtung vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung.

8. Vorrichtung (500) zur Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem, in welchem Adressenumsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer (305) zur Kommunikation von Datagrammen zwischen der Vorrichtung und einer zweiten Vorrichtung bereitgestellt wird, gekennzeichnet durch Mittel (504 oder 505) zum Aufrechterhalten einer vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung für die Kommunikation von Datagrammen zwischen der Vorrichtung und der zweiten Vorrichtung durch Verursachen der Sendung von zumindest einem Aufrechterhaltungspaket vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung.

15. Computerprogramm mit einem Programmcodemittel, welches dazu geeignet ist, einen der Schritte der Ansprüche 1 bis 7 auszuführen, wenn das Programm auf einem Prozessor läuft.

Wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 3 und 10 wird auf die Klagepatentschrift, Anlage K 1, verwiesen.

Die Beklagte bewirbt und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Mobiltelefone und Tablets der Marke „B“, darunter Mobiltelefone der Linie „C“ (angegriffene Ausführungsform). Unter anderem verwies die Beklagte in Pressemitteilungen auf die Neuvorstellung des C D auf der E 2015 bzw. der Serie C F auf dem G 2016 (vgl. Anlagen K 13a und K 13b). Zudem ist die Beklagte für den offiziellen Facebook-Auftritt von B für die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz verantwortlich, in dem ausdrücklich auf die Produkte der C-Linie hingewiesen wird (vgl. Anlage K 14). Das Modell C H wurde zudem von der Klägerin untersucht. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse beanstandet die Klägerin die von der Beklagten vertriebenen Mobiltelefone, soweit diese im Rahmen der Internettelefonie nach der Registrierung bei einem SIP-(Session Initiations Protocol)Server regelmäßig SIP-Options – sei es unabhängig von einem Anruf oder während eines Anrufs – versenden. Zu den Einzelheiten der Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform wird auf die als Anlage K 12a, in deutscher Übersetzung Anlage K 12b, vorgelegte PPD (Product and Process Description) aus dem parallelen englischen Verletzungsverfahren Bezug genommen.

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine Verletzung des Klagepatents. Sie ist der Ansicht, unter Aufrechterhaltungspaketen im Sinne des Klagepatents seien alle Datenpakte zu verstehen, die keine explizite Aussage zur Aufrechterhaltung enthielten und auch keine bedeutsamen Nutzdaten übertrügen, sondern einfach nur durch ihr bloßes Gesendetwerden zur Aufrechterhaltung führten. Irrelevant seien Inhalte, die zu einem anderen Zeitpunkt bedeutsame Nutzdaten darstellen könnten oder eine spezifische Funktion hätten. Bei den von der angegriffenen Ausführungsform während eines Anrufs, aber auch bei den nach der Registrierung und vor einem Anruf („idle-Modus“) regelmäßig gesendeten SIP-Options handele es sich um solche Aufrechterhaltungspakete im Sinne des Klagepatents. Es handele sich dabei um Header ohne weitere Nutzdaten, die zwar eine Antwort des SIP-Servers veranlassten, die aber die angegriffene Ausführungsform nicht weiter verwerte. Mit SIP-Options könnten herkömmlich die Fähigkeiten des SIP-Servers oder des anderen Kommunikationsgerätes abgefragt werden. Nach dem Aufbau einer SIP-Verbindung habe das Senden der SIP-Options jedoch keine andere Bedeutung mehr als die Aufrechterhaltung der Adressenumsetzung, vor allem wenn die SIP-Options in regelmäßigen Abständen von zehn Sekunden ohne jede Datenlast gesendet würden. Dann könne es sich nur um Aufrechterhaltungspakete im Sinne des Klagepatents handeln. Dafür spreche auch, dass die SIP-Options in diesem Zusammenhang nur gesendet würden, wenn in den Geräteeinstellungen der angegriffenen Ausführungsform „always“ gewählt sei oder wenn der „automatic“-Betrieb eingestellt sei und sich das Gerät hinter einem Adressenumsetzer („isBehindNAT“) befinde. Ebenso sei der Algorithmus zur Berechnung der Sendefrequenz ein Hinweis darauf, dass die SIP-Options Aufrechterhaltungspakete darstellten.
Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis insgesamt zu zwei Jahren, zu unterlassen,

a) Vorrichtungen zur Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem, in welchem Adressenumsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer zur Kommunikation von Datagrammen zwischen einer ersten Vorrichtung und einer zweiten Vorrichtung bereitgestellt wird,

im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 2 254 XXX anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen Mittel zum Aufrechterhalten einer vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung für die Kommunikation von Datagrammen zwischen der ersten Vorrichtung und der zweiten Vorrichtung durch Verursachen der Sendung von zumindest einem Aufrechterhaltungspaket vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung vorhanden sind,

insbesondere wenn das zumindest eine Aufrechterhaltungspaket einen Header umfasst, der den Headern der Datagramme entspricht;

b) Vorrichtungen zum Betrieb eines Verfahrens zum Aufrechterhalten einer Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem, in welchem Adressenumsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer zur Kommunikation von Datagrammen zwischen einer ersten Vorrichtung und einer zweiten Vorrichtung bereitgestellt wird,

im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 2 254 XXX anzubieten und/oder zu liefern,

wenn das Verfahren das Aufrechterhalten einer vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung zur Kommunikation von Datagrammen zwischen der ersten Vorrichtung und der zweiten Vorrichtung durch Versenden zumindest eines Aufrechterhaltungspakets von der ersten Vorrichtung oder der zweiten Vorrichtung vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung umfasst,

insbesondere wenn das zumindest eine Aufrechterhaltungspaket einen Header umfasst, der den Headern der Data-gramme entspricht;

c) Vorrichtungen, die ein Computerprogramm mit Programmcodemitteln aufweisen, die dazu geeignet sind, jeden der Schritte eines Verfahrens zum Aufrechterhalten einer Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem auszuführen, wenn das Programm auf einem Prozessor läuft,

im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 2 254 XXX anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wenn das Verfahren folgende Schritte umfasst: Bereitstellen von Adressenumsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer zur Kommunikation von Datagrammen zwischen einer ersten Vorrichtung und einer zweiten Vorrichtung und Aufrechterhalten einer vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung zur Kommunikation von Datagrammen zwischen der ersten Vorrichtung und der zweiten Vorrichtung durch Versenden zumindest eines Aufrechterhaltungspakets von der ersten Vorrichtung oder der zweiten Vorrichtung vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung,

insbesondere wenn das zumindest eine Aufrechterhaltungspaket einen Header umfasst, der den Headern der Datagramme entspricht;

2. der Klägerin darüber Rechnung legen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, vorstehend zu 1. beschriebenen Handlungen seit dem 01. Oktober 2011 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, wobei die diesbezüglichen Rechnungen oder Lieferscheine vorzulegen sind,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen), sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, wobei die diesbezüglichen Rechnungen oder Lieferscheine vorzulegen sind,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen),

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie im Falle der Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

3. die vorstehend zu 1. a) und c) bezeichneten, seit dem 31. August 2011 vertriebenen Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den (mit Datum und Aktenzeichen) gerichtlich von der Kammer festgestellten, patentverletzenden Zustand und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu I. 1. bezeichneten, seit dem 01. Oktober 2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

für die einzelnen Klageansprüche getrennte Vollstreckungssicherheiten festzusetzen;

hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abwenden zu dürfen.
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe nicht dargelegt, welche Produkte der Beklagten sie als Verletzungsprodukte ansehe. Abgesehen davon verletze keines ihrer Produkte das Klagepatent. Unter Aufrechterhaltungspaketen seien nämlich nur solche Datenpakete zu verstehen, die keinen anderen Zweck als die Aufrechterhaltung der Adressenumsetzung haben. Somit schieden alle Nutzdaten- oder Steuerungsdatenpakete aus, welche die Netzwerkadressenumsetzung lediglich als Reflex aufrechterhalten. Die von der angegriffenen Ausführungsform versendeten SIP-Options könnten nicht als Aufrechterhaltungspakete qualifiziert werden. Dies schon deshalb, weil SIP-Options weitere, im Zusammenhang mit der Adressenumsetzung irrelevante Informationen enthielten, die für andere Anwendungsfälle relevant seien. Sie seien nicht nur zum Aufbau einer Datenverbindung sinnvoll, sondern auch für die gegenwärtige Verfügbarkeit der Gegenstelle. Es sei durchaus sinnvoll, ständig zu kontrollieren, ob der SIP-Server überhaupt noch verfügbar sei. Daraus ergebe sich auch die kurze Frequenz von zehn Sekunden, in der die SIP-Options gesendet würden. Sollte die erste Vorrichtung nicht innerhalb von fünf Sekunden eine Rückmeldung auf eine SIP-Options empfangen, sende es eine neue Register-Aufforderung an den SIP-Server bzw. höre auf, SIP-Options zu senden. Da die SIP-Options dazu dienten, die gegenwärtige Verfügbarkeit der Gegenstelle – hier des SIP-Servers – abzufragen, sei die Aufrechterhaltung der Adressumsetzung lediglich ein Reflex auf das Versenden der SIP-Options.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, es sei im Falle des Rückrufanspruchs unverhältnismäßig, den Kaufpreis sowie sonstige Kosten für die Produkte zu erstatten. Denn durch ein Software-Update könne sichergestellt werden, dass keine SIP-Options mehr versendet würden, so dass eine Verletzung ausgeschlossen sei. Sie, die Beklagte, könne die Produkte zurücknehmen, das Software-Update aufspielen und dann die Produkte an die Kunden zurücksenden. Damit sei einer Rückrufverpflichtung Genüge getan. Im Falle einer Verurteilung sei zudem eine angemessene Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000.000,00 EUR festzusetzen. Denn der Umsatz des B-Konzerns mit Mobiltelefonen und Tablets habe in Deutschland allein im Jahr 2015 400.000.000,00 EUR betragen.
Abgesehen davon werde sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass die Verhandlung im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren jedenfalls auszusetzen sei.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A
Die Klage ist zulässig.

Der Gegenstand und Grund der Klage sind hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Streitgegenstand einer Patentverletzungsklage wird regelmäßig durch die als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt (BGH GRUR 2012, 485 – Rohrreinigungsdüse II). Die Klägerin hat insofern diverse Mobiltelefone untersucht und beispielhaft das C H genannt. Da es nach dem Patentanspruch nicht darauf ankommt, ob es sich bei der Vorrichtung um ein Mobiltelefon handelt, sondern um die Aufrechterhaltungsfunktion innerhalb eines Kommunikationsgerätes, sind vom Streitgegenstand alle Geräte mit einer Aufrechterhaltungsfunktion erfasst, wie sie vorliegend von der Klägerin mit dem C H beispielhaft dargestellt wurde. Weiterhin konkretisiert hat die Klägerin die Funktionsweise der Aufrechterhaltungsfunktion unter anderem mit der Vorlage der Anlagen K 12a / K 12b, in denen die Abläufe zum Versenden von SIP-Options, die die Klägerin als Aufrechterhaltungspakete ansieht, für die angegriffene Ausführungsform im Einzelnen dargestellt sind. Dies genügt in jeder Hinsicht den Anforderungen an die Bestimmtheit des Streitgegenstands.
B
Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf, Schadensersatz dem Grunde nach und Auskunft. Diese ergeben sich nicht aus Art 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB, da sich eine Verletzung des Klagepatent nicht feststellen lässt.

I.
Das Klagepatent schützt mit den Ansprüchen 1, 8 und 15 ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Aufrechterhalten einer Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem, in dem eine Adressenumsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer bereitgestellt wird, sowie ein Computerprogramm zur Ausführung des geschützten Verfahrens.

Das Klagepatent betrifft allgemein das Aufbauen und Aufrechterhalten von sicheren Kommunikationsverbindungen durch eine Netzadressenübersetzung (Network Address Translation = NAT) oder eine Protokollumsetzung.

In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass die IETF (Internet Engineering Task Force) die IPSEC- (Internet Protocol Security) -Protokollsammlung standardisierte. Durch IPSEC wird eine Authentifizierung und Verschlüsselung von Daten auf Paketebene durchgeführt, indem es einen neuen IP-Header erzeugt und einen Authentifizierungsheader (AH) oder einen Einkapselungssicherheitsnutzlast-Header (ESP-Header) vorne dem Paket hinzufügt. Das ursprüngliche Paket wird kryptographisch authentifiziert und optional verschlüsselt. Das entsprechende Verfahren wird durch einen Sicherheitsparameterindex- (SPI) -Wert identifiziert, der in den AH- und ESP-Headern gespeichert ist. In der IPSEC-Gemeinschaft ist jedoch wohlbekannt, dass das IPSEC-Protokoll nicht sonderlich gut über NATs arbeitet. Das Problem wurde etwa in HoldregeSrisuresh99 und Rekhter99 angegeben (vgl. die Referenzliste in der Klagepatentschrift, Anlage K 1, in deutscher Übersetzung als Anlage K 2).

NATs sind in den letzten Jahren zunehmend von Herstellern und Internetdienstanbietern eingeführt worden. Zahlreiche Dokumente nehmen darauf Bezug. NATs gibt es in zwei Hauptformen, die nachstehend als Host-NAT (Figur 1a) und Port-NAT (Figur 1b) dargestellt sind. Während die Host-NAT nur die IP-Adressen in einem ankommenden Paket übersetzt, so dass ein abgehendes Paket eine andere IP-Adresse aufweist, legt die Port-NAT auch Hand an die TCP- (Traffic Control Protocol) und UDP- (User Datagram Protocol) -Portnummern in einem ankommenden Paket an. Dabei multiplext die NAT in einem abgehenden Paket mehrere IP-Adressen in eine einzige IP-Adresse und demultiplext in einem ankommenden Paket entsprechend eine IP-Adresse in mehrere IP-Adressen. Port-NATs sind vor allem in der Heim- und Kleinbüro-Umgebung üblich.
Eine Adressenübersetzung wird – so die Klagepatentschrift – am häufigsten am Rand eines lokalen Netzwerks durchgeführt. Es erfolgt also eine Übersetzung zwischen mehreren lokalen privaten Adressen auf der einen Seite und einer geringeren Anzahl von global routingfähigen öffentlichen Adressen auf der anderen Seite. Ein solches lokales Netz ist schematisch in Figur 1b dargestellt.

Die Arbeitsprinzipien einer NAT-Vorrichtung sind im Stand der Technik grundsätzlich wohlbekannt, und es gibt eine Vielzahl von auf dem Markt erhältlicher Implementierungen. Der typische Betrieb einer NAT kann so beschrieben werden, dass sie Kombinationen aus IP-Adresse und Port auf verschiedene IP-Adressen- und Port-Kombinationen abbildet. Die Abbildung (Mapping) wird für die Dauer einer Netzverbindung konstant bleiben, kann sich aber mit der Zeit (langsam) ändern. In der Praxis ist die NAT-Funktionalität häufig in eine Firewall oder in einem Router integriert.

Die nachfolgende, aus der Klagepatentschrift stammende Figur 1c veranschaulicht beispielhaft eine Netzkommunikationssituation, bei der sich ein sendender Knoten 181 in einem ersten lokalen Netz 182 befindet, welches eine Port-NAT 183 aufweist, um diesen mit einem allgemeinen paketvermittelten Weitbereichsnetz 184 wie etwa dem Internet zu verbinden, das aus einer sehr großen Anzahl von Knoten besteht. Ein empfangender Knoten 185 befindet sich in einem zweiten lokalen Netz 186, das ebenso mit dem Weitbereichsnetz durch eine NAT 187 gekoppelt ist.
Die kommunizierenden Knoten sind sich weder der Anzahl oder der Beschaffenheit der dazwischen liegenden Vorrichtungen, durch die sie kommunizieren, noch der Beschaffenheit von Transformationen bzw. Umwandlungen bewusst, die stattfinden. Das Klagepatent sieht als nachteilig an, dass das eingangs geschilderte IPSEC-Protokoll nicht sonderlich gut über NATs arbeitet.

In der finnischen Patentanmeldung 974 665 und der entsprechenden PCT-Anmeldung FI98/01032 wird ein bestimmtes Verfahren für die Durchführung von IPSEC-Adressenübersetzungen und ein Verfahren für die Paket-Authentifizierung präsentiert, das gegenüber Adressenumwandlungen auf dem Weg des Pakets unempfindlich ist, wobei aber einige Probleme der Netzadressenübersetzung ungelöst bleiben.

Das Dokument Network Working Group Internet-Draft „Benchmarking Technology for Firewall Performance“ vom Mai 1999 von D. Newman, XP0150161991SSN, Abschnitt 3.10 „Connection maintenance“ beschreibt die Verwendung von „Keepalive“-Daten zur Aufrechterhaltung einer Verbindung durch eine Firewall in einigen Implementierungen von TCP und anderen verbindungsorientierten Protokollen während eines Zeitraums, in dem keine Benutzerdaten ausgetauscht werden.

Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe (das technische Problem) der Erfindung darin, ein Verfahren und eine Vorrichtung für das Vorsehen von Netzsicherheitsdiensten über eine NAT in einer zuverlässigen und vorteilhaften Weise zu präsentieren. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent mit dem Patentanspruch 1 ein Verfahren mit den nachstehenden, bereits in gegliederter Form wiedergegebenen Merkmalen vor:

1. Verfahren zum Aufrechterhalten einer Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem;
2. in dem Kommunikationssystem wird Adressenumsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer (305) zur Kommunikation von Datagrammen zwischen einer ersten Vorrichtung und einer zweiten Vorrichtung bereitgestellt;
3. eine vorbestimmte Netzwerkadressenumsetzung zur Kommunikation von Datagrammen zwischen der ersten Vorrichtung und der zweiten Vorrichtung wird aufrechterhalten
3.1 durch Versenden (306) zumindest eines Aufrechterhaltungspakets von der ersten Vorrichtung oder der zweiten Vorrichtung
3.2 vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung.

Weiterhin schlägt das Klagepatent mit dem Patentanspruch 8 eine Vorrichtung mit den folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung (500) zur Kommunikation von Datagrammen in einem Kommunikationssystem;
2. in dem Kommunikationssystem wird Adressenumsetzung durch einen Netzwerkadressenumsetzer (305) zur Kommunikation von Datagrammen zwischen der Vorrichtung und einer zweiten Vorrichtung bereitgestellt;
3. es sind Mittel (504 oder 505) zum Aufrechterhalten einer vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung für die Kommunikation von Datagrammen zwischen der Vorrichtung und der zweiten Vorrichtung vorhanden;
4. die Aufrechterhaltung erfolgt dadurch,
4.1 dass die Sendung von zumindest einem Aufrechterhaltungspaket verursacht wird
4.2 vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung.

Schließlich sieht das Klagepatent im Anspruch 15 ein Computerprogramm mit den folgenden Merkmalen vor:

1. Computerprogramm mit einem Programmcodemittel;
2. das Programmcodemittel ist dazu geeignet, einen der Schritte der Ansprüche 1 bis 7 auszuführen,
3. wenn das Programm auf einem Prozessor läuft.

Dem Klagepatent geht es mit dem erfindungsgemäßen Verfahren bzw. der erfindungsgemäßen Vorrichtung (das Computerprogramm ist auf das Verfahren gemäß Anspruch 1 rückbezogen und wird nachfolgend nicht mehr eigens erwähnt) darum sicherzustellen, dass beteiligte NAT-Vorrichtungen und andere Vorrichtungen, die Zeitüberschreitungen (time out) für Abbildungen (Mapping) benutzen, nicht die Abbildung für die kommunizierenden Hosts verlieren („Keepalive“-Aspekt) (Sp. 4 Z. 29 ff bzw. S. 6; soweit keine Bezugsangabe vorhanden ist stammen Textstellen mit Spalten- und Zeilenangabe aus der Klagepatentschrift, Anlage K 1, Textstellen mit Seitenangabe aus der deutschen Übersetzung, Anlage K 2). Das Klagepatent möchte gewährleisten, dass sich das Mapping der NATs, die in einem Netz durchgeführt werden, nicht ändern, nachdem die Übersetzungen, die auftreten, festgestellt worden sind (Sp. 11 Z. 9-12; S. 15).

Hintergrund ist, dass die NAT-Einrichtungen die Informationen über die Adressenabbildung (Address Mapping) cachen, so dass sie die Abbildung für Antwortpakete umkehren können. Wenn TCP benutzt wird, kann die NAT-Einrichtung auf das FIN-Bit des TCP-Headers blicken, um festzustellen, wann sie eine bestimmte Verbindung fallen lassen kann. Für UDP aber gibt es keine explizite Beendigungsanzeige für Ströme. Aus diesem Grund werden viele NATs Abbildungen für UDP ziemlich schnell nach einer Zeitüberschreitung bzw. Unterbrechung (Timeout) fallen lassen – teilweise sogar schon nach 30 Sekunden (Sp. 11 Z. 12-21; S. 15 f). Um zu erzwingen, dass die Abbildung aufrechterhalten bleibt, soll vor einer Unterbrechung der vorbestimmten Netzwerkadressenumsetzung ein Aufrechterhaltungspaket gesendet werden (Merkmalsgruppe 3 bzw. 4 der Patentansprüche 1 und 8) mit der Folge, dass die Adressenumsetzung im Cache bleibt (Sp. 11 Z. 22-24; S. 16).

Aufrechterhaltungspakete im Sinne der Klagepatentansprüche, nachfolgend auch Keepalive-Pakete, sind von den tatsächlichen Datenpaketen zu unterscheiden. Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Klagepatent, wonach die Verwendung von Keepalive-Paketen nicht benötigt wird, wenn tatsächliche Datenpakete häufig genug übertragen werden oder die Verbindung nur für eine so kurze Zeit gültig bleiben soll, dass es unwahrscheinlich ist, dass irgendeine zwischengeschaltete Vorrichtung die Abbildungsinformation aus ihrem Cache löschen würde (Sp. 11 Z 45-50; S. 16 a.E.).

Dies schließt nicht aus, dass die Keepalive-Pakete die Gestalt tatsächlicher Datenpakete haben, insbesondere „bedeutungsvolle Informationen“ enthalten, mithin über den Header hinaus Payload, Content oder ähnliches wie tatsächliche Datenpakete aufweisen. Dementsprechend heißt es in der Beschreibung des Klagepatents auch nur, dass Keepalive-Pakete keine bedeutungsvollen Informationen außer den notwendigen Headern, die gleich den Datenpaket-Headern sind, enthalten müssen (Sp. 11 Z. 33-35; S. 16), sie können es aber. Davon ausgehend stellt sich die Frage, wie nach der patentgemäßen Lehre die Aufrechterhaltung der vorbestimmten NAT bewerkstelligt wird, ohne den eigentlichen Datenverkehr über die Kommunikationsverbindung zu beeinträchtigen, vor allem wenn Keepalive-Pakete die Form von Datenpaketen haben können.

Das Klagepatent schlägt in seiner Beschreibung zum einen vor, lediglich Header, die den Datenpaket-Headern gleich sind, zu versenden. Dadurch sei gewährleistet, dass die Keepalive-Pakete exakt in der gleichen Art und Weise wie die tatsächlichen Datenpakete behandelt werden (Sp. 11 Z. 33-37; S. 16). Passiert ein solcher Header den Adressenumsetzer, wird dieser gezwungen, die Adressen umzusetzen. Damit beginnt die Zeit bis zum time out, in dem die Daten aus dem Cache gelöscht werden, erneut. Das jeweilige Protokoll kann dann vorsehen, dass alle Pakete, die keine bedeutungsvolle Nutzlastinformation enthalten, als Keepalive-Pakete interpretiert werden (Sp. 11 Z. 39-42; S. 16). Durch das Protokoll wird damit sichergestellt, dass die in Form bloßer Header versendeten Keepalive-Pakete den eigentlichen Datenverkehr über die Kommunikationsverbindung nicht beeinträchtigen, indem sie beispielsweise vom Empfänger verworfen werden.

Zum anderen wird in der Klagepatentschrift vorgeschlagen, ein Keepalive-Paket mit einem Indikator zu versehen, der dieses als Keepalive-Paket und nicht als Datenpaket identifiziert (Sp. 11 Z. 37-39; S. 16). Insofern können also Datenpakete versendet werden, die vom Adressenumsetzer wie herkömmliche Datenpakete behandelt werden und dafür sorgen, dass die Adressenumsetzung noch nicht gelöscht wird. Diese Datenpakete sind selbst dann, wenn sie „bedeutungsvolle Information“, also payload oder content enthalten, nicht dem sonstigen Datenverkehr der Kommunikationsverbindung zuzurechnen, weil durch den Indikator sichergestellt wird, dass der Empfänger das Datenpaket nicht als tatsächliches Datenpaket, sondern als Keepalive-Paket identifiziert und es entsprechend verarbeitet, also beispielsweise verwirft.

Auf die beiden soeben beschriebenen Beispiele für Keepalive-Pakete ist die Lehre des Klagepatents jedoch nicht beschränkt. Bei der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung sind unter Keepalive-Paketen vielmehr alle Datenpakete oder Data-gramme zu verstehen, für deren Sendung keine andere Notwendigkeit besteht als die Aufrechterhaltung der NAT. Um ein Datenpaket oder Datagramm als Keepalive-Paket im Sinne des Klagepatents qualifizieren zu können, muss es also ausschließlich zu dem Zweck gesendet worden sein, die NAT aufrechtzuerhalten. Hat es hingegen einen weitergehenden Zweck, kann es nur als tatsächliches Datenpaket angesehen werden.

Die Funktion der Keepalive-Pakete besteht darin, den Adressumsetzer zu zwingen, die Zeit bis zum time out, also dem Zeitpunkt, in dem der Cache gelöscht wird, neu zu starten und so zu verhindern, dass die NAT aus dem Cache entfernt wird (vgl. Sp. 11 Z. 20 f und Z. 22-24; S. 16). Dem Klagepatentanspruch und auch der Beschreibung des Klagepatents lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Keepalive-Pakete über diese Aufrechterhaltungsfunktion hinaus eine bestimmte Qualität haben müssen, um sie als Keepalive-Pakete identifizieren zu können. Gerade weil auch tatsächliche Datenpakete quasi als Reflex ihrer Versendung gleichfalls zur Aufrechterhaltung der NAT beitragen, können Keepalive-Datenpakete sogar die Form und Gestalt herkömmlicher Datenpakete haben. Von den tatsächlichen Datenpaketen („actual data packets“, Sp. 11 Z. 46; S. 16), die im Zuge der eigentlichen Kommunikation zwischen den beiden Vorrichtungen ausgetauscht werden, lassen sich solche Keepalive-Datenpakete daher allenfalls durch ihren Verwendungszweck unterscheiden. Nur wenn der Zweck ihrer Versendung ausschließlich in der Aufrechterhaltung der NAT besteht, können sie auch als Keepalive-Datenpakete qualifiziert werden.

Dabei ist der Zweck der Versendung eines Datenpakets nach objektiven Kriterien zu bestimmen, nämlich welche Auswirkungen das Datenpaket und seine Versendung auf die zwischen den beiden Vorrichtungen bestehende Kommunikationsverbindung tatsächlich hat. Als eine Anweisung zum technischen Handeln kann der Patentanspruch nur dahingehend ausgelegt werden, was das geschützte Verfahren bzw. die geschützte Vorrichtung tatsächlich objektiv zu leisten hat. Ebenso kann für die Frage der Benutzung einer solchen Lehre nur beurteilt werden, ob die entsprechenden Verfahrensschritte oder Vorrichtungsmerkmale tatsächlich verwirklicht werden, im vorliegenden Fall also, was ein als Keepalive-Datenpaket zu qualifizierendes Datagramm tatsächlich bewirkt. Hingegen verbietet sich die bloß subjektive Beurteilung eines Verfahrens oder einer Vorrichtung dahingehend, ob das, was ein solches Datenpaket innerhalb eines solchen Kommunikationssystems leistet, technisch sinnvoll ist. Daher kommt es auch nicht unbedingt auf den Inhalt des Datenpakets an, um es als Keepalive-Datenpaket qualifizieren zu können. Es ist stattdessen zu fragen, ob das Datenpaket aufgrund seines Inhalts, seiner Form oder auch nur aufgrund seiner bloßen Versendung Auswirkungen auf die Kommunikationsverbindung zwischen den beiden Vorrichtungen zeitigt, die über das für die Aufrechterhaltung der NAT objektiv Erforderliche hinausgehen. Wenn das der Fall ist, kann ein Datenpaket nicht mehr als Keepalive-Datenpaket qualifiziert werden, sondern stellt ein tatsächliches Datenpaket dar.

Nach dieser Definition kommt es nicht darauf an, ob der Empfänger eines Keepalive-Datenpakets, beispielsweise die zweite Vorrichtung, etwa anhand eines Indikators oder anderweitig erkennt, dass es sich bei dem Datenpaket um ein Keepalive-Datenpaket handelt. Ein Empfänger eines Keepalive-Datenpakets wird in den Klagepatentansprüchen nicht genannt. Noch weniger wird in den Klagepatentansprüchen für die Qualifizierung eines Datenpakets als Keepalive-Datenpaket auf den Empfänger des Datenpakets abgestellt. Stattdessen genügt es, wenn sich aufgrund objektiver Umstände, die nicht zwingend beim Empfänger zu verorten sein müssen, feststellen lässt, dass der Inhalt des Datenpakets nicht bedeutungsvoll ist, mithin die Versendung des Datenpakets ausschließlich zum Zwecke der Aufrechterhaltung der NAT erfolgte.

II.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale der Patentansprüche 8 und 15 verwirklicht beziehungsweise geeignet ist, das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1 auszuführen. Die von der angegriffenen Ausführungsform an den SIP-Server versendeten SIP-Options können nicht als Aufrechterhaltungspakete im Sinne des Klagepatents angesehen werden, da nicht ausgeschlossen ist, dass die Versendung der SIP-Options über die etwaige Aufrechterhaltung der NAT hinaus auch noch anderen Zwecken dient.

1.
Die Klägerin führte mit einem Modell der angegriffenen Ausführungsform, dem C H, Tests durch. Mit Hilfe der angegriffenen Ausführungsform wurde eine Voice-over-IP- (VoIP-) -Verbindung zu einem I-J-Computer hergestellt, wobei das Mobiltelefon aus einem WLAN mit einem dazwischen geschalteten NAT mit dem Gesprächspartner kommunizierte. Eine solche VoIP-Verbindung zeichnet sich dadurch aus, dass tatsächlich zwei voneinander zu unterscheidende Verbindungen bestehen, nämlich zum einen eine Verbindung für die Übertragung der Sprachdaten, für die das „Real-Time Transfer Protocol“ (RTP) maßgebend ist, und zum anderen eine Verbindung für die Übertragung von Signalisierungsdaten zum Aufbau, zur Steuerung und zum Abbau von VoIP-Verbindungen, wofür das „Session Initiation Protocol“ (SIP) maßgeblich ist. SIP verwendet in der Regel UDP als Transportprotokoll. Aufbau, Steuerung und Abbau der VoIP-Verbindung erfolgen dabei über einen SIP-Server. Die Einzelheiten von SIP sind in dem Standard RFC 3261 (Anlage KAP 14) festgelegt.

Die Klägerin stellte in ihren Tests fest, dass nach dem Aufbau einer VoIP-Verbindung während eines laufenden Anrufs etwa alle zehn Sekunden von der angegriffenen Ausführungsform lediglich Header von UDP-Paketen an den SIP-Server gesendet wurden. Bei diesen Headern von UDP-Paketen handelt es sich unstreitig um sogenannte SIP-Options.

SIP-Options sind durch das SIP definierte Nachrichten, mit denen ein Nutzer – etwa das Gerät des Anrufers – einen anderen Nutzer – etwa den gewünschten Gesprächspartner – oder den SIP-Server nach seinen Fähigkeiten befragen kann. Der Nutzer kann dadurch vom befragten Gerät Informationen über unterstützte Methoden, Inhalte, Erweiterungen, Sprachen und dergleichen erhalten (Ziff. 11 der Anlage KAP 14). Dies ist insbesondere vor einem Verbindungsaufbau sinnvoll, um eine funktionstüchtige und sichere Verbindung aufbauen zu können. Der Aufbau einer SIP-Options-Anfrage ist in Ziffer 11.1 des Standards RFC 3261 (Anlage KAP 14) beschrieben. Erhält ein SIP-Server eine SIP-Options-Anfrage, generiert und sendet er eine Antwort an den Sender dieser Anfrage, in der er seine Fähigkeiten mitteilt. Zum Aufbau der Antwort des SIP-Servers auf eine SIP-Options-Anfrage wird auf Ziffer 11.2 des Standards RFC 3261 (Anlage KAP 14) Bezug genommen. Insbesondere führt eine SIP-Options-Anfrage innerhalb eines Dialogs (das ist eine SIP-Verbindung zwischen zwei Nutzern, vgl. Ziff. 12 des Standards RFC 3261) zu einer Antwort, die zu einer Antwort außerhalb eines Dialogs identisch aufgebaut ist und keine Auswirkungen auf den Dialog hat.

Die angegriffene Ausführungsform kann zwanglos als erste Vorrichtung im Sinne des Klagepatents und der SIP-Server als zweite Vorrichtung angesehen werden, zwischen denen eine Adressenumsetzung, soweit eine solche – wie etwa in der Testumgebung – vorhanden ist, erfolgt. Das Versenden von SIP-Options durch die angegriffene Ausführungsform während eines laufenden Anrufs führt zudem zwangsläufig zur Aufrechterhaltung der NAT. Auch die Definition des SIP-Protokolls im Standard RFC 3261 (Anlage KAP 14) lässt nicht erkennen, welchen Zweck das regelmäßige Versenden von SIP-Options in 10-Sekunden-Abständen über die Aufrechterhaltung der NAT haben soll. Zwar kann der SIP-Server als Empfänger der SIP-Options nicht erkennen, ob die Anfrage nur der Aufrechterhaltung der NAT dient. Darauf kommt es aber nicht an. Denn es ist nach zutreffender Auslegung unbeachtlich, wenn das Keepalive-Datenpaket einem tatsächlichen Datenpaket entspricht, solange sichergestellt ist, dass das Datenpaket gleichwohl nicht dem eigentlichen Datenverkehr zugerechnet wird und sich der Zweck seiner Versendung in der Aufrechterhaltung der NAT erschöpft. Vorliegend führt die SIP-Options-Anfrage zu einer Antwort des SIP-Servers, die aber keine anderen Informationen enthält als die, die das anfragende Nutzergerät bereits auf die allererste SIP-Options-Anfrage erhalten hatte. In der mündlichen Verhandlung ist unstreitig geblieben, dass der SIP-Server immer mit dem gleichen Inhalt antwortet, weil die mitgeteilten Parameter des SIP-Servers statisch sind.

All dies rechtfertigt gleichwohl nicht die Annahme, bei den während eines laufenden Anrufs versendeten SIP-Options handele es sich um Aufrechterhaltungspakete im Sinne des Klagepatents. Nach dem Vortrag der Parteien kann nicht festgestellt werden, dass die Antwort des SIP-Servers auf die SIP-Options-Anfrage nicht weiter verwendet wird und somit die SIP-Options keine andere Bedeutung als die Aufrechterhaltung der NAT haben. Denn die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die SIP-Verbindung gelöscht wird, wenn das Nutzergerät auf die SIP-Options-Anfrage keine Antwort vom SIP-Server erhält. Es werden keine weiteren SIP-Options gesendet, um Ressourcen zu sparen. Dies ergibt sich auch aus der PPD der angegriffenen Ausführungsform (Rn 55 der Anlage K 12a, in deutscher Übersetzung K 12b). In der angegriffenen Ausführungsform muss daher ein Mechanismus implementiert sein, der jedenfalls prüft, ob innerhalb eines Zeitfensters von fünf Sekunden überhaupt eine Antwort auf eine SIP-Options-Anfrage eingeht, und in Abhängigkeit vom Eingang oder vom Ausbleiben der Antwort weitere Schritte einleitet. Es geht eben nicht nur darum, die Antwort auf die SIP-Options-Anfrage zu verwerfen. Vielmehr hat der Eingang oder das Ausbleiben der Antwort für sich genommen Auswirkungen auf die weitere Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform. Demnach hat das regelmäßige Versenden der SIP-Options während eines Anrufs über die bloße Aufrechterhaltung der NAT hinaus einen Zweck, der sich auch durch technische Mittel in der angegriffenen Ausführungsform manifestiert.

Dass dabei der Inhalt der Antwort des SIP-Servers auf die SIP-Options-Anfrage keine weitere Verwendung findet, ist unbeachtlich (vgl. Rn 4 der Antwort der Streithelferinnen der Beklagten auf den von der Streithelferin der Klägerin gestellten Antrag auf weiterführende Informationen im englischen Verletzungsverfahren). Es genügt, wenn der Eingang einer Antwort als solche Verwendung findet. Es lässt sich auch nicht feststellen, in welchen Fällen überhaupt die Möglichkeit besteht, dass auf eine SIP-Options-Anfrage keine Antwort erfolgt. Sollte dies nur in bestimmten, voraussehbaren Fällen erfolgen, ließe sich überlegen, dass SIP-Options gleichwohl als Aufrechterhaltungspakete zu qualifizieren sind, wenn sie zu einem Zeitpunkt gesendet werden, in denen sicher mit einer Antwort auf eine SIP-Options-Anfrage gerechnet werden kann. Feststellungen dazu sind der Kammer jedoch nicht möglich, weil es an entsprechendem Vortrag der Klägerin fehlt. Ob es im Übrigen sinnvoll ist, das Bestehen der SIP-Verbindung alle zehn Sekunden durch das Versenden von SIP-Options zu überprüfen, steht nicht zu beurteilen.

Die weiteren Anhaltspunkte, die die Klägerin anführt, um ihre Auffassung von der Qualität der SIP-Options als Keepalive-Datenpakete zu stützen, vermögen die Kammer nicht von einer anderen Auffassung zu überzeugen. Soweit die Klägerin darauf hinweist, bei der angegriffenen Ausführungsform könne eingestellt werden, ob die SIP-Options immer („always send“) gesendet werden oder nur dann, wenn sich das Gerät hinter einem Adressenumsetzer befindet („automatic“), hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die während eines Anrufs alle zehn Sekunden gesendeten ZIP-Options immer gesendet werden, auch wenn sich die angegriffene Ausführungsform nicht hinter einem Adressenumsetzer befindet und die Einstellung „automatic“ gewählt ist. Ungeachtet dessen stellt die Wahl der Einstellung die grundsätzliche Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform nicht in Frage. Auch wenn die SIP-Options nur gesendet werden, wenn sich das Gerät hinter einem Adressenumsetzer befindet, erfüllen die SIP-Options über die Aufrechterhaltung der NAT einen weiteren Zweck. Insofern hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die SIP-Options auch gesendet werden, wenn sich die angegriffene Ausführungsform nicht hinter einem Adressenumsetzer befindet und die Einstellung „always send“ gewählt wurde. Aus den vorstehenden Gründen ist auch der Umstand, dass die Beklagte die Auswahl zwischen „always send“ und „automatic“ im Menü unter der Bezeichnung „Send keep-alive“ führt (vgl. Anlage K 8), unbeachtlich. Die Bezeichnung lässt letztlich keine Aussage über die technische Funktionsweise zu, zumal die SIP-Options sicherlich auch zur weiteren Aufrechterhaltung der NAT führen. Schließlich führt auch der Umstand, dass die Beklagte im Falle einer Verletzung in der Lage und dazu bereit wäre, durch eine Software-Änderung den SIP-Options-Mechanismus kurzerhand zu ändern, zu keiner anderen Bewertung.

2.
Neben den nach jeweils etwa zehn Sekunden versandten SIP-Options während eines Anrufs werden SIP-Options in bestimmten Zeitabständen auch dann gesendet, während das Nutzergerät beim SIP-Server registriert ist, aber kein Anruf erfolgt. Die Klägerin hat diesen Gerätezustand als idle-Modus bezeichnet, wobei es auf die konkrete Bezeichnung letztlich nicht ankommt. Durch die Registrierung gibt das Gerät jedenfalls nach außen zu erkennen, dass es für eine VoIP-Verbindung bereit steht und Anrufe empfangen kann.

Für das Versenden von SIP-Options einer angegriffenen Ausführungsform im idle-Modus gelten die Ausführungen zu den SIP-Options während eines Anrufs gleichermaßen. Zwar haben die SIP-Options auch hier den Effekt, dass die NAT aufrechterhalten wird. Es ist aber unstreitig, dass auch in diesem Modus der Eingang bzw. das Ausbleiben einer Antwort auf die SIP-Options-Anfrage zu unterschiedlichen Reaktionen führt. Bleibt nämlich die Antwort auf die Anfrage aus, stößt das Gerät einen neuen Registrierungsprozess an. Damit dienen die SIP-Options auch der fortdauernden Überprüfung der Registrierung eines Nutzers beim SIP-Server mit der Möglichkeit, eine Neuregistrierung vorzunehmen, wenn die ursprüngliche Registrierung verloren ging. Dies ergibt sich aus der PPD (Rn 53 der Anlage K 12a / K 12b). Wie auch im Fall der SIP-Options während eines Anrufs müssen technische Mittel vorhanden sein, um den Eingang der Antwort auf eine SIP-Options-Anfrage zu überwachen und bei ihrem Ausbleiben eine Neuregistrierung zu starten.

Zwar ergibt sich aus der PPD, dass der SIP-Server in seiner Antwort auf eine Registrierungsaufforderung die zeitliche Dauer der Registrierung mitteilt (Ziffer 35 der Anlage K 12a / K 12b) und die angegriffene Ausführungsform vor Ablauf einer Registrierung eine neue Register-Aufforderung an den SIP-Server sendet (Ziffer 54 der Anlage K 12a / K 12b). Gleichwohl rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass sämtliche SIP-Options während der Dauer der Registrierung, also bis zur Register-Aufforderung kurz vor Ablauf der Registrierung, als Aufrechterhaltungspakete im Sinne des Klagepatent anzusehen sind. Denn aus der PPD ergibt sich ebenfalls, dass auch der Fall eintreten kann, dass die angegriffene Ausführungsform vom SIP-Server keine Antwort auf eine SIP-Options-Nachricht erhält, was das Betriebssystem der angegriffenen Ausführungsform als „time out error“ betrachtet und zum Anlass nimmt, eine neue Register-Aufforderung an den SIP-Server sendet (Rn 53 der Anlage K 12a / K 12b). Diese Funktion der SIP-Options besteht auch dann, wenn die vom SIP-Server zuvor mitgeteilte Registrierungsdauer noch nicht abgelaufen sein sollte.

3.
Die im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 10. Oktober 2016 mitgeteilte Entscheidung im parallelen englischen Verletzungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Das englische Gericht hat eine Verletzung des dort geltend gemachten Patents bejaht, obwohl es im Ansatz dieselbe Auslegung wie die Kammer vertritt und auch von einem identischen Sachverhalt ausgeht. Allerdings hat das englische Gericht für die Frage, ob den SIP-Options über die Aufrechterhaltung der NAT hinaus noch eine andere Bedeutung zukommt, nur auf den Inhalt der Antwort auf die SIP-Options-Anfrage und seine Verwendung abgestellt. Es hat sich aber nicht damit auseinandergesetzt, ob der Erhalt oder das Ausbleiben der Antwort für sich genommen nicht schon eine Bedeutung hat. Dass die Antwort auf die SIP-Options für die SIP-Verbindung und nicht nur für die NAT von Bedeutung ist, ergibt sich aber auch aus dem Urteil im englischen Parallelverfahren (vgl. Rn 136 der Anlage K 15).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
Streitwert: 3.000.000,00 EUR
Bei der Streitwertfestsetzung ist die Kammer aufgrund des weit gefassten Streitgegenstands von den von der Beklagten im Schriftsatz vom 03. August 2015 angegebenen Stückzahlen (2.200.000) ausgegangen. Weiterhin hat die Kammer die aufgerufene Stücklizenz von 0,35 EUR unter Berücksichtigung der Restlaufzeit des Klagepatents in Ansatz gebracht. Da die Stücklizenz jedoch das gesamte Portfolio betraf und weder ersichtlich ist, welchen Umfang dieses Portfolio hat, noch ob und wie weit das vorliegende Verfahren mit Blick auf § 145 ZPO tatsächlich geeignet war, stellvertretend für alle oder einige der Patente eine Portfoliolizenz durchzusetzen, hat die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausgeübt und den Streitwert mit 3.000.000,00 EUR festgesetzt.