4a O 90/15 – Elektrische Steckverbindung

Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2515

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 28. April 2016, Az. 4a O 90/15

Leitsätze:

  1. Das Ausstellen von Waren auf einer inländischen Fachmesse ist als Anbieten i. S. d. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG anzusehen, sofern es sich nicht ausnahmsweise um die Teilnahme an einer reinen Leistungsschau handelt. (nichtamtl.)
  2. Es ist nicht erforderlich, dass das Anbieten die Voraussetzungen eines rechtswirksamen und verbindlichen Vertragsangebotes im Sinne von § 145 BGB erfüllt, da es Zweck des § 9 PatG ist, dem Patentin- haber einerseits grundsätzlich alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten Er ndung ergeben können, und ihm andererseits einen e ektiven Rechtsschutz zu gewähren. (red.)
  3. Davon ausgehend werden von einem „Anbieten“ im Sinne von § 9 PatG insbesondere auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das die Benutzung dieses Gegenstands einschließt. Dies kann in dessen Ausbieten derart geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können (vgl. BGH GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte). (nichtamtl.)
  4. Die Aussteller auf einer Fachmesse verfolgen mit ihren Präsentationen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren die Produkte in der Erwartung, dass sie von den Messebesuchern nachgefragt werden. Dass Ausstellen auf einer Fachmesse ist gerade dazu bestimmt und geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen, was für ein Anbieten gem. § 9 PatG ausreicht. (nichtamtl.)
  5. Dies gilt auch dann, wenn der Messeausteller seinen Sitz im Ausland hat. Angebotshandlungen auf einer inländischen Messe stellen ein Anbieten ge- mäß § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 PatG dar, selbst wenn der Aussteller ausschließlich im Ausland residiert und nur dort angebotsgerechte Lieferungen vornehmen will. Voraussetzung ist in einem solchen Fall nur, dass sich sein Angebot aus Empfängersicht zumindest auch auf das Inland beziehen kann. Davon geht der Messebesucher jedoch regelmäßig aus, sofern ihm nicht ausdrücklich etwas anderes mitgeteilt wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 Rn. 52 bei Juris m.w.N. – Sterilcon- tainer). (nichtamtl.)
  6. Ein patentrechtliches Angebot liegt bereits im Verteilen eines Werbeprospekts, der eine Darstellung eines dem Gegenstand des Patents entsprechenden Erzeugnisses enthält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Werbemittel selbst die Merkmale des Patents o enbart, wenn bei objektiver Betrachtung ein Erzeugnis dargestellt ist, das diese Merkmale aufweist (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte) (nichtamtl.)
  7. Der Einwand, die am Messestand anwesenden Mitarbeiter selbst hätten den Katalog nur an außereuropäische Kunden verteilt, verfängt nicht, da ein ausländisches Unternehmen oftmals Tochter rmen im Inland hat oder selbst im Inland mit Zweigstellen o.ä. wirtschaftlich aktiv ist und das Übergeben eines Katalogs an einen Mitarbeiter eines außereuropäischen Unternehmens mithin als Angebot für das Inland angesehen werden kann, sofern keine entgegenstehenden Hinweise existieren. (red.)

I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen und unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig und wahrheitsgemäß darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie

elektrische Steckverbindungen mit zwei um Lagerzapfen der einen Steckverbindungshälfte schwenkbare, U-förmige Verriegelungsbügel, wobei bei verriegelter Steckverbindung an dessen Seitenteilen angeordnete Verriegelungselemente an der anderen Steckverbindungshälfte angeordnete Verriegelungszapfen übergreifen,

bei denen in den Seitenteilen sich in Richtung der Seitenteile erstreckende Taschen eingeformt sind,

bei denen in die Taschen jeweils ein Federelement eingefügt ist, dessen unteres Ende vom Lagerzapfen der Steckverbindungshälfte durchdrungen und gehalten ist, und

bei denen das obere Ende des Federelements beim Schließen des Verriegelungsbügels über den jeweiligen Verriegelungszapfen der anderen Steckverbindungshälfte greift und dabei derart auf den Verriegelungszapfen einwirkt, dass die beiden Steckverbindungshälften federnd gegeneinander gepresst sind,

in der Zeit vom 15.01.2000 bis zum 14.02.2016

in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht hat, oder zu den genannten Zwecke eingeführt oder besessen hat

und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Vorlieferanten und anderen Vorbesitzern,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Angaben zu den Einkaufspreisen nach Ziff. I.b) erst für die Zeit seit dem 01.09.2008 zu machen sind;

wobei zum Nachweis der Angaben nach Ziff. I.b) und I.c) die entsprechenden Belege (Rechnungen oder Lieferscheine in Kopie) vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt sein dürfen; und

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I. bezeichneten und in der Zeit vom 15.01.2000 bis zum 14.02.2016 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 35.000,00.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Patentverletzung auf Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Feststellung, dass die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist, in Anspruch.

Die Klägerin war die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (Anlage K2) eingetragene Inhaberin des deutschen Teils (Az. 596 03 893.3) des Europäischen Patents EP 0 731 XXX B 1 (im Folgenden: Klagepatent, vorgelegt als Anlage K1). Das Klagepatent wurde am 14.02.1996 angemeldet. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 15.12.1999 veröffentlicht. Das Klagepatent ist nach Erreichen seiner maximalen Schutzdauer am 14.02.2016 abgelaufen. Eine zwischenzeitlich von einem dritten Unternehmen angestrengte Nichtigkeitsklage wurde im Rahmen eines Vergleichs vor dem Bundespatentgericht zurückgenommen.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Elektrische Steckverbindung“. Sein Anspruch 1 lautet wie folgt:

„Elektrische Steckverbindung mit einem oder zwei um Lagerzapfen (4) der einen Steckverbindungshälfte (2) schwenkbaren, U-förmigen Verriegelungsbügel (3), wobei bei verriegelter Steckverbindung an dessen Seitenteilen (6) angeordnete Verriegelungselemente / Verriegelungsmittel an der anderen Steckverbindungshälfte (1) angeordnete Verriegelungszapfen (17) übergreifen,

dadurch gekennzeichnet,

dass in den Seitenteilen (6) sich in Richtung der Seitenteile erstreckende Taschen (8) eingeformt sind,

dass in die Taschen (8) jeweils ein Federelement (9, 9‘, 9‘‘) eingefügt ist, dessen unteres Ende vom Lagerzapfen (4) der Steckverbindungshälfte (2) durchdrungen und gehalten ist, und

dass das obere Ende des Federelements beim Schließen des Verriegelungsbügels (3, 3‘, 3) über den jeweiligen Verriegelungszapfen (17) der anderen Steckverbindungshälfte (1) greift und dabei derart auf den Verriegelungszapfen einwirkt, dass die beiden Steckverbindungshälften (1, 2) federnd gegeneinander gepresst sind.“

Die auf der nachfolgenden Fotografie, die der Anlage K5 entnommen worden ist, ersichtliche elektrische Steckverbindung der Beklagten stellt die angegriffene Ausführungsform dar:

Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Ob die angegriffene Ausführungsform auf den A Messen B 2012 vom 23. – 27.04.2012 oder B 2013 vom 08. – 12.04.2013 (nachfolgend: B 2012 bzw. B 2013) von der Beklagten für das Inland angeboten wurde, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in der Volksrepublik China, war auf der B 2012 und auf der B 2013 mit einem Messestand vertreten, auf dem jeweils u.a. Herr C, Geschäftsführer der D GmbH, anwesend war. Auf diesem Stand wurden jeweils Kataloge mit dem Titel „E 2012“ (nachfolgend kurz: der Katalog) von Mitarbeitern der Beklagten zumindest an außereuropäische Kunden verteilt. Herr C übergab den Katalog auch an Mitarbeiter der Klägerin. In diesem Katalog ist die angegriffene Ausführungsform mehrfach abgebildet.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte vertreibe die angegriffenen Ausführungsformen weltweit. Diese habe die angegriffenen Ausführungsformen auf der B 2012 auf ihren Messestand ausgestellt und auch für das Inland angeboten. Die Beklagte habe sich mit der D GmbH einen Messestand geteilt. Mitarbeiter der Klägerin hätten den Messestand besucht und dort die angegriffene Ausführungsform identifiziert. Sie sei dort ausgestellt gewesen. Dies habe sich auf der Messe B 2013 am 08.04.2013 wiederholt. Die Beklagte habe die Vermarktung der angegriffenen Ausführungsform (jeweils) mit der D GmbH gemeinsam vorgenommen. Die Beklagte habe angegriffene Ausführungsformen an die D GmbH geliefert. Dies habe die D GmbH in einem Vergleich gegenüber der Klägerin eingeräumt.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

zu erkennen, wie geschehen.

Ursprünglich hatte die Klägerin auch auf Unterlassen der Handlungen in Anspruch genommen, für die sie weiterhin Auskunft und Rechnungslegung verlangt. Insofern haben die Parteien den Rechtsstreit nach Erlöschen des Klagepatents in der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2016 übereinstimmend für erledigt erklärt. Wegen des „Insbesondere“-Antrags wird auf die Klageschrift verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die angegriffene Ausführungsform auf der B 2012 nicht ausgestellt. Der Katalog „E 2012“ sei von ihren Mitarbeitern nicht an europäische Kunden weitergegeben worden. Dieser Katalog sei nur für außereuropäische Kunden bestimmt. Die D GmbH sei keine Vertriebspartnerin der Beklagten, es existiere kein Vertriebsvertrag. Deren Verhalten sei der Beklagten nicht zuzurechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die Beklagte hat auf den Messen B 2012 und B 2013 das Klagepatent verletzt, indem sie angegriffene Ausführungsformen auch für das Inland angeboten hat.

I.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht. Insofern bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen.

II.
Die Beklagte hat auch eine dem Patentinhaber gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG vorbehaltene Handlung vorgenommen, indem sie die angegriffene Ausführungsform auf den Messen B 2012 und B 2013 auch für das Inland angeboten hat.

1.
Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 Rn. 50 bei Juris – Sterilcontainer; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014 – I-2 U 42/13; OLG Karlsruhe, GRUR 2014, 59; Rinken/Kühnen in Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 9 Rn. 52).

a)
Das Ausstellen von Waren auf einer inländischen Fachmesse ist ein Anbieten in diesem Sinne, soweit es sich nicht ausnahmsweise um die Teilnahme an einer reinen Leistungsschau handelt. Die abweichenden Auffassung, der Patentinhaber müsse darlegen und ggfs. beweisen, dass die Ware auf der Messe konkret zum Kauf angeboten worden sei, und die sogar beim Ausstellen eines Erzeugnisses auf einer inländischen Messe eine Erstbegehungsgefahr für ein Anbieten verneint (LG Mannheim, Urteil vom 29.10.2010 – 7 O 214/10 = InstGE 13, 11 – Sauggreifer; für das Markenrecht: BGH, Urteil vom 22.04.2010 – I ZR 17/05 – Pralinenform II; für das Lauterkeitsrecht: BGH, GRUR 2015, 603 – Keksstangen), überzeugt nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 Rn. 51 bei Juris m.w.N. – Sterilcontainer). Zweck des § 9 PatG ist es, dem Patentinhaber einerseits grundsätzlich alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Maßgeblich ist daher, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014 – I-2 U 42/13). Davon ausgehend werden von einem „Anbieten“ im Sinne von § 9 PatG insbesondere auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das die Benutzung dieses Gegenstands einschließt. Dies kann in dessen Ausbieten derart geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 Rn. 51 bei Juris m.w.N. – Sterilcontainer).

Genau dies geschieht jedoch regelmäßig auf einer Fachmesse: Die Aussteller verfolgen mit ihren Präsentationen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie von den Messebesuchern nachgefragt werden. Das Ausstellen ist bestimmt und dazu geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen, was für ein Anbieten gemäß § 9 PatG ausreicht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 Rn. 52 bei Juris m.w.N. – Sterilcontainer). Dies gilt auch dann, wenn der Messeausteller seinen Sitz im Ausland hat. Angebotshandlungen auf einer inländischen Messe stellen ein Anbieten gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 PatG dar, selbst wenn der Aussteller ausschließlich im Ausland residiert und nur dort angebotsgerechte Lieferungen vornehmen will. Voraussetzung ist in einem solchen Fall nur, dass sich sein Angebot aus Empfängersicht zumindest auch auf das Inland beziehen kann. Davon geht der Messebesucher jedoch regelmäßig aus, sofern ihm nicht ausdrücklich etwas anderes mitgeteilt wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 Rn. 52 bei Juris m.w.N. – Sterilcontainer). Etwas anderes mag gelten, wenn auf der Messe keine fertigen Produkte, sondern nur Projektstudien gezeigt werden (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Aufl. 2016, Rn. A.215).

b)
„Verletzer“ im Sinne von § 139 Abs. 2 PatG ist auch, wer schuldhaft – und sei es nur fahrlässig – die Verwirklichung des Benutzungstatbestandes durch einen Dritten objektiv ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt (BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import). Neben dem objektiven Mitverursachungsbeitrag muss hinzukommen, dass eine Rechtspflicht verletzt wird, die zumindest auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen oder zumindest als verbotener und daher zu unterlassener Beitrag des Handelnden zu der rechtswidrigen Handlung eines Dritten erkennbar gewesen wäre. Ob und in welchem Umfang eine Rechtspflicht zur Vermeidung eines schutzrechtsverletzenden Erfolges besteht, richtet sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Belange und einschlägigen rechtlichen Wertungen. Maßgebend sind insbesondere die Schutzbedürftigkeit des Verletzten auf der einen sowie die Zumutbarkeit von Prüfungs- und Handlungspflichten für den in Anspruch Genommenen auf der anderen Seite. Zwischen beiden besteht eine Wechselwirkung: Je schutzwürdiger der Patentinhaber ist, umso mehr Rücksichtnahme kann dem in Anspruch Genommenen zugemutet werden; je geringer das Schutzbedürfnis des Patentinhabers ist, desto kritischer ist zu prüfen, ob von dem in Anspruch Genommenen wirklich erwartet werden kann und muss, dass er Schutzrechtsverletzungen Dritter aufspürt und verhindert (BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 Rn. 59 bei Juris m.w.N. – Sterilcontainer; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Aufl. 2016, Rn. D.144).

2.
Hiernach ist die Beklagte hinsichtlich des Anbietens als Verletzerin anzusehen.

a)
Ein patentrechtliches Angebot liegt bereits im Verteilen eines Werbeprospekts, der eine Darstellung eines dem Gegenstand des Patents entsprechenden Erzeugnisses enthält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Werbemittel selbst die Merkmale des Patents offenbart, wenn bei objektiver Betrachtung ein Erzeugnis dargestellt ist, das diese Merkmale aufweist (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte). Das Verteilen des Katalogs der Beklagten „E 2012“ (nachfolgend: der Katalog) reicht als Angebotshandlung aus. Denn unstreitig enthält der Katalog die angegriffene Ausführungsform.

b)
Es ist auch unstreitig, dass sich Herr C, der Geschäftsführer der D GmbH, auf dem Messestand der Beklagten auf den Messen B 2012 und B 2013 aufgehalten hat und sich dort um inländische Messebesucher der Beklagten gekümmert hat. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin nicht bestritten, dass Herr C den Katalog an Mitarbeiter der Klägerin übergeben hat und auf die Verfügbarkeit der Produkte aus diesem Katalog hingewiesen hat.

Dieses Verhalten muss sich die Beklagte als Angebot zurechnen lassen. Es kommt nicht darauf an, ob die D GmbH (derzeit) Vertriebspartner der Beklagten ist, was diese bestreitet. Denn unstreitig hat die Beklagte es geduldet, dass sich Herr C auf ihrem Messestand aufgehalten und ihren Katalog – der die angegriffene Ausführungsform enthält – an inländische Kunden verteilt hat. Dieses Verteilen des Katalogs an inländische Messebesucher ist der Beklagten zuzurechnen. Sie ist für die Vorgänge auf ihren Messestand grundsätzlich verantwortlich und hätte ohne Weiteres verhindern können, dass Herr C ihren Katalog an inländische Kunden verteilt. Dass sie dies nicht unterbunden hat, lässt darauf schließen, dass sie sich Herrn C bewusst für inländische Angebote bedient hat.

Der Einwand, die am Stand anwesenden Mitarbeiter der Beklagten selbst hätten den Katalog nur an außereuropäische Kunden verteilt, verfängt nicht. Insofern reicht es zur Bejahung eines Angebots aus, dass sie sich zur Verbreitung des Katalogs an inländische Messebesucher eines Dritten bedient hat bzw. zumindest schuldhaft zugelassen hat.

Soweit die Beklagte ferner einwendet, der Katalog sei nur für außereuropäische Kunden bestimmt gewesen, kann dies eine Angebotshandlung ebenfalls nicht in Zweifel ziehen. Denn unstreitig ist dieser Katalog von Herrn C an inländische Messebesucher verteilt worden. Dass diese Messebesucher hierin ausnahmsweise kein Angebot für das Inland hierin erblickten, hat die Beklagte nicht dargelegt.

Insofern kommt es ebenfalls nicht darauf an, ob das Verteilen eines Katalogs an ausländische Messebesucher auf einer Messe in Deutschland vorliegend bereits zur Bejahung einer inländischen Angebotshandlung genügt, wenn nicht darauf hingewiesen wird, dass die dort dargestellten Produkte nicht im Inland erhältlich seien. Ohne einen solchen, ausdrücklichen Hinweis liegt trotz einer selektiven Verteilung des Katalogs ein inländisches Angebot vor. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2016 dargestellt hat, haben die (eigenen) Mitarbeiter der Beklagten den Katalog an diejenigen Besucher des Messestands abgegeben, deren Visitenkarten sie als Mitarbeiter eines außereuropäischen Unternehmens auswiesen. Ein ausländisches Unternehmen hat jedoch oftmals Töchterfirmen im Inland oder ist selbst im Inland mit Zweigstellen o.ä. wirtschaftlich aktiv. Damit kann das Übergeben eines Katalogs an einen Mitarbeiter eines außereuropäischen Unternehmens als Angebot für das Inland angesehen werden, sofern keine entgegenstehenden Hinweise existieren.

3.
Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob auch eine Lieferung nach Deutschland – insbesondere an die D GmbH – erfolgt ist.

III.
Aus der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen:

1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

2.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 91a ZPO.
Die Beklagte trägt nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten, die auf den übereinstimmend erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits entfallen – namentlich auf den ursprünglich geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Diese Kostenfolge entspricht billigem Ermessen. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs war die Klage bis zum Erlöschen des Klagepatents nach Erreichen der maximalen Schutzdauer während des laufenden Verfahrens zulässig und begründet, so dass die Klägerin obsiegt hätte. Bis zum Erlöschen des Klagepatents stand der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zu, da die Beklagte widerrechtlich von dessen Lehre Gebrauch gemacht hat. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.1 ZPO.

IV.
Der Streitwert wird auf bis zu EUR 100.00,00 festgesetzt.