Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2512
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Mai 2016, Az. 4a O 41/15
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
einen Lithiumsilicatrohling, der durch ein Verfahren hergestellt ist, bei dem
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,
(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, oder
(b‘) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf eine erste Temperatur von etwa 450 bis 550°C abgekühlt wird,
(c‘) der Ausgangsglasrohling für eine Dauer von etwa 5 min. bis 50 min. bei der ersten Temperatur gehalten wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind,
(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) oder (c‘) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Hauptkristallphase zu erhalten,
und der zur Benutzung eines Verfahrens zur Bildung eines geformten Lithiumsilicatproduktes geeignet ist, bei dem der Lithiumsilicatrohling durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um das geformte Lithiumsilicatprodukt zu bilden, und das geformte Lithiumsilicatprodukt die Form einer dentalen Restauration hat,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziffer l.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.02.2014 begangen hat, und unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen – im Hinblick auf die Angaben nach lit. b) und lit. c) unter Vorlage von Belegen (in Kopie), nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen –, unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie der Verkaufs- stellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet im Falle von Werbung im Internet der Domain, der Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagnen,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
– wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
– wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, bei der Belegvorlage geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten zu schwärzen.
Il. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer l. 1. bezeichneten, seit dem 09.02.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,00. Daneben ist das Urteil hinsichtlich der Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I. 2. des Tenors) auch gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,00; weiterhin ist der Kostenpunkt gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents DE 103 62 XXX (im Folgenden Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, in der Hauptsache auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung einer Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
Das Klagepatent basiert auf einer Teilanmeldung zur deutschen Patentanmeldung DE 103 36 XXX (im Folgenden: Stammanmeldung bzw. Stammpatent), die am 07.08.2003 angemeldet wurde. Die Offenlegung der Stammanmeldung erfolgte am 17.03.2005 (vgl. Offenlegungsschrift Anlage B 6). Die tatsächliche Hinterlegung der Teilanmeldung fand am 18.02.2013 statt. Die Erteilung des Klagepatents wurde in seiner ursprünglichen Fassung am 09.01.2014 veröffentlicht.
Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Verfahren zur Herstellung eines Lithiumsilicatrohlings“. Der Hauptanspruch des Klagepatents ist in seiner ursprünglichen Form wie folgt gefasst:
„Verfahren zur Herstellung eines Lithiumsilicatrohlings bei dem
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und Keimbildungsmittel als Hauptkomponenten enthält,
(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, oder
(b‘) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf eine erste Temperatur abgekühlt wird,
(c‘) der Ausgangsglasrohling bei der ersten Temperatur gehalten wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, und
(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) oder (c‘) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als eine Hauptkristallphase zu erhalten.“
Wegen der lediglich in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten, abhängigen Unteransprüche des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift in ihrer ursprünglichen Fassung (Anlage rop C1) Bezug genommen.
Das Klagepatent steht in Kraft. In einem von der Beklagten eingeleiteten Einspruchsverfahren hielt die Einspruchsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes (im Folgenden: DPMA) das Patent auf einen Hilfsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 09.12.2015, Az.: 103 62 XXX.7, (Anlage B 38) eingeschränkt aufrecht. Die Einspruchsabteilung hielt unter dem Aspekt der unzulässigen Erweiterung die Aufnahme eines konkreten Keimbildungsmittels, nämlich P2O5, als Hauptkomponente des Ausgangsglases sowie die Aufnahme eines konkreten Temperaturbereichs (b‘) und eines konkreten Zeitraums die in die Verfahrensschritte (c‘) für erforderlich (vgl. Seite 8 f. des Beschlusses vom 09.12.2015, Anlage B 38). Unter dem Aspekt der fehlenden Neuheit im Verhältnis zu der Entgegenhaltung DE 197 50 XXX A1 (Anlage rop C3; D2 im Einspruchsverfahren; im Folgenden: DE ´XXX) hat die Einspruchsabteilung den Zusatz „aber kein La2O3“ in dem Verfahrensschritt (a) für notwendig erachtet (vgl. Seite 11, 1. Abs. des Beschlusses vom 09.12.2015, Anlage B 38). Zudem wurde der Verfahrensschritt (e) zur Abgrenzung von der Entgegenhaltung DE ´XXX eingeführt, bei dem es sich um den Unteranspruch 15 der ursprünglich erteilten Fassung des Klagepatents handelt.
Die aufrechterhaltene Fassung des Hauptanspruchs 1 lautet wie folgt (im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgenommene Änderungen werden in Form von Unter-/ Durchstreichungen verdeutlicht):
„Verfahren zur Herstellung eines Lithiumsilicatrohlings bei dem
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 Keimbildungsmittel als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,
(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, oder
(b‘) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf eine erste Temperatur von etwa 450° bis 550° abgekühlt wird,
(c‘) der Ausgangsglasrohling für eine Dauer von etwa 5 min. bis 50 min. bei der ersten Temperatur gehalten wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, und
(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) oder (c‘) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als eine Hauptkristallphase zu erhalten.
(e) der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase von Schritt (d) durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um ein geformtes Lithiumsilicatprodukt zu bilden, wobei das geformte Lithiumsilicatprodukt die Form einer dentalen Restauration hat.“
Wegen der Änderungen der Unteransprüche wird auf den Beschluss der Einspruchsabteilung vom 09.12.2015 (Anlage B 38) Bezug genommen, der die geänderte Patentschrift als Anlage enthält.
Die Beklagte legte gegen den Beschluss vom 09.12.2015 am 12.01.2016 (Anlage B 40), die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.01.2016 (Anlage B 42) Beschwerde ein. Eine Entscheidung in dem Beschwerdeverfahren (BPatG , Az.14 W 4/16) steht noch aus.
Die nachfolgend verkleinert eingeblendete Fig. 1 zeigt beispielhaft ein Temperaturprofil des erfindungsgemäßen Verfahrens.
Der Kurvenverlauf beginnt mit der Schmelze (1). Am Ende von Schritt (a) erniedrigt sich die Temperatur in einem Temperaturbereich von 450° bis 550° Grad (2). Im Anschluss daran kann die Temperatur entweder weiter auf Raumtemperatur abgekühlt werden (= durchgezogene, nahezu senkrechte Linie) oder sie wird bei dem Temperaturbereich von (2) gehalten (= gepunktete, waagerechte Linie). Der Bereich (3) markiert die erfindungsgemäße Keimbildung, in deren Anschluss das Material auf eine Temperatur im Bereich von 600° bis 700° Grad erwärmt und gehalten wird, um die Bildung von Lithiummetasilicat (4) zu bewirken. Im Anschluss kann das Produkt entweder auf Raumtemperatur abgekühlt werden (= durchgezogene, nahezu senkrechte Linie) und zu einem späteren Zeitpunkt auf eine Temperatur von etwa 700° bis 950° Grad gebracht werden, oder eine Erwärmung auf diese Temperatur erfolgt unmittelbar im Anschluss an die Bildung des Lithiummetasilicats (= gepunktete, leicht schräge Linie). In diesem Temperaturbereich erfolgt die zweite Kristallisation, die Lithiumdisilicat bildet (5). Dieser letzte Schritt ist von der patentgemäßen Lehre nicht erfasst.
Die Beklagte erhob auch gegen die Erteilung des Stammpatents Einspruch (Az.: 103 36 XXX.9). Im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens erklärte die Klägerin, dass die technische Lehre des Stammpatents Lanthanoxid (La2O3) nicht benötige, weshalb darauf verzichtet werden könnte und formulierte einen Hilfsantrag, der den Passus, „aber kein La2O3“ enthielt. Vor diesem Hintergrund gaben die Parteien in der Anhörung am 04.11.2015 zu Protokoll (Anlage B 43):
„Die Patentinhaberin führt aus, dass gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2c vom 04.11.2015 die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthält und daraus folgt, dass der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthält.
Dieser Formulierung wird von beiden Seiten zugestimmt.“
Die Beklagte stellt her, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Produkte für Zahnärzte und -techniker, unter anderem das Produkt „A B“, wobei es sich um einen Lithiumsilicat-Glaskeramik-Rohling zur Herstellung dentaler Restaurationen (insbesondere Inlays, Onlays, Teilkronen, Veneers, Kronen im Front- und Seitenzahnbereich sowie Einzelzahnversorgungen im Front- und Seitenzahnbereich auf Implantat-Abutments) handelt (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform ist in insgesamt acht verschiedenen Farben und jeweils zwei verschiedenen Transluzenzstufen (T = Translucent und HT= High Translucent) erhältlich. In Abhängigkeit zur Farb-Transluzenz-Kombination werden die Produkte wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich bezeichnet:
Die Bestellung der angegriffenen Ausführungsform kann über den Webshop der Beklagten unter der Adresse https://Awebshop.com erfolgen (vgl. Screenshot, Anlage rop C13). Weiter können dort auch die zur Bearbeitung der angegriffenen Ausführungsform hin zur dentalen Restauration erforderlichen computergesteuerten CAD/CAM-Materialien erworben werden (vgl. Screenshot, Anlage rop C14).
Die chemische Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform ist wie folgt:
Daneben enthalten sowohl das Ausgangsmaterial der angegriffenen Ausführungsform als auch die angegriffene Ausführungsform selbst Lanthanoxid (La2O3). Dieses ist in Form von Verunreinigungen in dem Ausgangsmaterial CeO2 mit einem Anteil von < 0,05 Gew.-% enthalten, was zu einer Menge von Lanthanoxid in der angegriffenen Ausführungsform mit einem Anteil von < 0,001 Gew.-% führt.
Die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform vollzieht sich in zwei Stufen. Nach der ersten Stufe, der sog. Formgebung, wird der Block, der im Glaszustand vorliegt, thermisch behandelt (zweite Stufe), so dass eine Keimbildung ermöglicht wird. Nach der initialen Keimbildung entstehen erste Kristalle, die zunehmend wachsen, so dass das Glas keramische Eigenschaften erhält. Die dritte Stufe wird bei dem Anwender nach Herstellung der dentalen Restauration durch diesen vollzogen, indem der Block durch eine finale Kristallisation in einer dentalen Brenneinheit seine endgültigen ästhetischen und physikalischen Eigenschaften erhält. Diese letzte Wärmebehandlung erfolgt bei einer Temperatur von 700° bis 950° Grad über eine Dauer von etwa 5 bis 30 min. Die drei beschriebenen Stufen lassen sich in einem schematischen Temperatur-/ Zeitverlauf wie folgt darstellen:
Aus dem nach Durchführung der zweiten Stufe vorliegenden Block wird mittels computergesteuerter maschineller Bearbeitung durch Schleifen in einer CAM-Einheit die Restauration herausgearbeitet. Die Blöcke sehen zur Herstellung einer dentalen Restauration durch maschinelle Bearbeitung eine Halterung vor, mittels derer sie in einer Bearbeitungsmaschine befestigt werden können. Wegen des genauen Bearbeitungsprozesses von dem Block hin zu der Restauration wird auf Verarbeitungsanleitung (Anlage rop C7) Bezug genommen, die die Beklagte auf ihrer Internetseite mit der Adresse http://www.A-zahnfabrik.com zum Download bereithält, sowie auf die Kurzanleitung, die der angegriffenen Ausführungsform beigefügt ist (Anlage rop C11), verwiesen.
Im Juli 2008 kam es zwischen der Beklagten und dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (im Folgenden: ISC) zu ersten Gesprächen zur Erforschung und Entwicklung einer neuen Dentalkeramik auf der Basis von Lithiumsilicat, ab Oktober 2008 war auch die C GmbH beteiligt. Auf der Grundlage eines Forschungsprogramms „zur Entwicklung einer hochfesten Lithiumdislicat-Glaskeramik“ (vgl. Untersuchungsbericht vom 30.07.2009, Anlage B 9) wurde in der Folgezeit die Zusammensetzung des Grundglases mit den Bestandteilen SiO2, Li2O, K2O und Al2O3 für eine Glaskeramik erforscht. Auf von der Beklagten so bezeichnete „Lizenzvereinbarungen“ zwischen den Beteiligten im November 2009 kam es am 23.12.2009 zur Anmeldung eines Patents mit der Bezeichnung „Lithiumdisilicat-Glaskeramik, Verfahren zu deren Herstellung und deren Verwendung“ (vgl. Offenlegungsschrift, DE 10 2009 060 274, Anlage B 12). Am 02.11.2010 kam es zu einer weiteren Patentanmeldung. Am 27.04.2010 wurde eine Produktionsanlage zur Herstellung von Glaskeramikproben am D in E in Augenschein genommen und einzelne Prozessschritte demonstriert. Am 15.10.2010 wurde für das Produkt der Beklagten mit der Bezeichnung „A F“ – einem Vorgängerprodukt der angegriffenen Ausführungsform – eine CE-Konformitätserklärung abgegeben (Anlage B 29a). Am 02.11.2010 meldeten die Beteiligten ein weiteres Patent, DE 10 2010 050 G A1, unter der Bezeichnung: „Lithiumsilicat-Gläser oder -Glaskeramiken, Verfahren zu deren Herstellung sowie deren Verwendung“ an (Offenlegungsschrift Anlage B 27). Im Juli 2011 wurde schließlich eine Produktionsanlage mitsamt automatisiertem Förderband bei dem D zur Herstellung von Lithiumsilicatrohlingen aufgestellt. Im März 2013 wurde eine Glaskeramik unter der Bezeichnung „A B“ beworben und die Markteinführung für Herbst 2013 angekündigt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte mache bei der Herstellung ihres Produkts „A B“ von dem Verfahren des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents sowohl in der ursprünglichen Fassung als auch in der beschränkten Fassung des Einspruchsverfahrens wortsinngemäß Gebrauch.
Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf in ihrem Auftrag durchgeführte Untersuchungen unterschiedlicher Chargen der angegriffenen Ausführungsform, dass diese stets einen Gehalt von Lithiummetasilicat, der jedenfalls über 20 Vol.-% liege, aufweise.
Die im Rahmen des Einspruchsverfahrens abgeänderte Fassung des Anspruchs 1, wonach kein Lanthanoxid enthalten sein dürfe, sei so zu verstehen, dass La2O3 nicht in einer Menge enthalten sein dürfe, die eine technische Wirkung hinsichtlich der visuell wahrnehmbaren Farbe erziele. Unschädlich sei hingegen, wenn Lanthanoxid als Folge der üblichen Unreinheit von Stoffen in einer gewissen Menge als Nebenbestandteil in dem Ausgangsmaterial enthalten sei. Spurenmengen von <0,001 Gew.-% seien ungeeignet, einen Effekt auf die visuell wahrnehmbare Farbe des dentalen Produkts auszuüben. Lanthanoxid dürfe patentgemäß nicht absichtlich zum Ausgangsglas hinzugefügt werden. Der bei der angegriffenen Ausführungsform gemessene Anteil von Lanthanoxid beruhe nur auf Verunreinigungen und sei ohne technischen Effekt.
Die Klägerin hat zunächst diejenigen Anträge, die im Folgenden als hilfsweise geltend gemachte Anträge dargestellt sind, als Anträge in der Hauptsache gestellt.
Nach der Einspruchsentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 09.12.2015 hat die Klägerin ihre Klage geändert. Sie begehrt nun in der Hauptsache Unterlassung, Auskunfts- und Rechnungslegung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, orientiert an der einschränkend aufrechterhaltenen Fassung des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents. In diesem Zusammenhang macht sie eine mittelbare Patentverletzung geltend. Ihre ursprünglichen Hauptanträge, die an der Ursprungsfassung des Hauptanspruchs 1 orientiert sind, macht die Klägerin nunmehr noch hilfsweise für den Fall geltend, dass die Kammer eine Verletzung des Klagepatents in der Fassung des Einspruchsverfahrens ablehnt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
Ziff. I.-A. wie erkannt;
sowie hilfsweise:
I-B. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
1a. ein Verfahren zur Herstellung eines Lithiumsilicatrohlings, bei dem
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und Keimbildungsmittel als Hauptkomponenten enthält,
(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, oder
(b‘) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf eine erste Temperatur abgekühlt wird,
(c‘) der Ausgangsglasrohling bei der ersten Temperatur gehalten wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, und
(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) oder (c‘) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als eine Hauptkristallphase zu erhalten,
in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden
und/oder
1b. einen durch das in Ziffer I.-B 1a. bezeichnete Verfahren hergestellten Lithiumsilicatrohling in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziffer l-B 1 bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2013 begangen hat, und unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen – im Hinblick auf die Angaben nach lit. b) und lit. c) unter Vorlage von Belegen (in Kopie), nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen –, unter Angabe
a) der Art und des Umfangs der verübten Verfahrensbenutzungshandlungen,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Werbung im Internet der Domain, der Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagnen,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
– die Angaben zu lit. f) nur für die Zeit seit dem 09.02.2014 zu machen sind,
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,
– wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, bei der Belegvorlage geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftpflichtigen Daten zu schwärzen;
3. die vorstehend zu Ziffer l-B 1 bezeichneten, seit dem 09.01.2014 im Besitz Dritter befindlichen unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 103 62 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird;
4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer l-B 1 bezeichneten unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
lI-B. festzustellen,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie für die unter Ziffer I-B 1a. und I-B 1b. bezeichneten, in der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 08.02.2014 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I-B1 bezeichneten, seit dem 09.02.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Hinsichtlich der nur in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 09.02.2016 (Bl. 180 ff. GA) verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise:
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 09.12.2015 eingelegten Beschwerden (BPatG 14 W (pat) 4/16) auszusetzen;
weiter hilfsweise:
I. der Beklagten für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
II. der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
Die Beklagte, die der Klageänderung widerspricht, hält diese für unzulässig.
Die Beklagte ist zudem der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletzte die patentgemäße Lehre weder in der Ursprungsfassung noch in der Fassung, die sie durch das Einspruchsverfahren erhalten habe.
Das Ausgangsglas, aus dem die Schmelze hergestellt wird, müsse – entsprechend der Patentbeschreibung – die Komponenten (SiO2, Li2O, K2O, Al2O3) und das Keimbildungsmittel P2O5 in einer konkreten, nämlich der im Folgenden dargestellten, Zusammensetzung aufweisen:
Lithiummetasilicat sei bei der angegriffenen Ausführungsform lediglich in einer Menge von 8,35 Vol.-% enthalten. Dies führe aus dem beanspruchten Bereich heraus. Denn patentgemäß müsse Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase vorliegen.
Der Fachmann verstehe das Merkmal „kein Lanthanoxid“ so, dass Lanthanoxid allenfalls in einem technisch unvermeidbaren Umfang in einer patentgemäßen Ausführungsform enthalten sein dürfe. Bei Seltenen Erden (wie Ceroxid) sei eine Reinheit von 6N (entspricht einer Verunreinigung von 0,0001 %) ohne weiteres kommerziell erhältlich. Technisch erzielbar sei sogar eine Reinheit von 8N. Auf eine hieraus resultierende, unvermeidbare Verunreinigung mit Lanthanoxid sei das Klagepatent mit dem Merkmal „kein Lanthanoxid“ beschränkt. Bei der angegriffenen Ausführungsform liege bei Zugrundelegung der Werte der Klägerin der Lanthanoxidanteil um den Faktor 270 höher als bei Verwendung von Ceroxid mit einer Reinheit von 6N.
Weiterhin könne der Fachmann aus der Klagepatentschrift (in der geänderten Fassung) nicht erkennen, ab wann Lanthanoxid kein technischer Effekt zukomme, wobei er aufgrund des ihm bekannten Stands der Technik wisse, dass auch bereits geringe Mengen von Lanthanoxid eine technische Wirkung erzielen können.
Die von der Klägerin durchgeführten Tests der angegriffenen Ausführungsform (A B, H; dokumentiert in Anlage rop C12) würden an Untersuchungsfehlern leiden. Insbesondere sei es bei der Probenpräparation zu Verunreinigungen gekommen, die die Informationen zum amorphen, das heißt dem nicht-kristallinen Anteil, verfälschen würden, was sich spiegelbildlich auf den daneben verbleibenden Anteil der Kristallphase auswirke. Auch sei die von dem privaten Gutachter der Beklagten angegebene Fehlerwahrscheinlichkeit nicht nachvollziehbar. Zudem habe jedes der sich nach der Farb-Transluzenz-Kombination unterscheidenden Produkte eine unterschiedliche Zusammensetzung.
Es verstoße weiter gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, dass die Klägerin geltend macht, der Passus des Patentanspruchs, wonach „kein Lanthanoxid“ eingesetzt werden dürfe, sei dahingehend zu verstehen, dass Lanthan/ Lanthanoxid nicht bewusst eingesetzt werden, wohl aber als Teil der Verunreinigung der Ausgangskomponenten vorhanden sein dürfe. Damit setze sie sich in Widerspruch zu ihrem Vortrag im Rahmen des Einspruchsverfahrens das Stammpatent betreffend, wonach die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthalte und daraus gefolgt werden kann, dass auch der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthält (vgl. Protokoll zur mündlichen Anhörung v. 04.11.2015, Seite 3, Anlage B 43).
Die Beklagte hält sich weiter für berechtigt, eine unter den Schutzbereich des Klagepatents fallende angegriffene Ausführungsform zu nutzen, weil ihr auf Grundlage der dargestellten und zwischen den Parteien im Wesentlichen unstreitigen Forschungs- und Entwicklungshistorie mit der C GmbH und dem D in den Jahren 2008 – 2013 ein Vorbenutzungsrecht zustehe. Dabei handele es sich auch um den für die Vorbenutzung maßgeblichen Zeitraum, weil das Klagepatent wegen einer unzulässigen Erweiterung nicht den Anmeldetag des Stammpatents in Anspruch nehmen könne, so dass auf den Tag der Hinterlegung der Teilanmeldung des Klagepatents abzustellen sei.
Die von ihr, der Beklagten, im Rahmen des Einspruchsverfahrens eingelegte Beschwerde werde zudem zu einem vollständigen Widerruf des Klagepatents führen.
An der Neuheit der technischen Lehre des Klagepatents fehle es bereits vor dem Hintergrund der Stammanmeldung, die als Stand der Technik zu berücksichtigen sei, weil es – wie auch bei der Beurteilung des privaten Vorbenutzungsrechts – auf den Stand der Technik im Zeitpunkt der Hinterlegung der Teilungsanmeldung (18.02.2013) ankomme.
Im Erteilungsverfahren berücksichtigter Stand der Technik, unter anderem die Entgegenhaltung DE ‘XXX, sei auch im Rahmen der erstinstanzlichen Entscheidung fehlerhaft ausgelegt worden. Bei dem von der Klägerin vertretenen weiten Verständnis des Merkmals „kein Lanthanoxid“ würden sich jedenfalls Abgrenzungsprobleme zur DE ‘XXX ergeben.
Die Klägerin tritt der Entstehung eines privaten Vorbenutzungsrechts sowie der Aussetzung des Verfahrens entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur Sitzung vom 31.03.2016 (Bl. 250 f. GA) verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage hat Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
Sofern die Klägerin sich in der Hauptsache nunmehr auf die beschränkt aufrechterhaltene Fassung des Klagepatents stützt, ist dies jedenfalls sachdienlich im Sinne von § 263, 2. Alt. ZPO. Würde man die Einbeziehung der beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung des Klagepatents nicht zulassen, wäre die Klägerin darauf verwiesen, einen weiteren, neuen Rechtsstreit anhängig zu machen, in dem dann Großteile des bisher eingeführten Prozessstoffes gegenständlich wären.
II.
Die Klage ist auch begründet.
Der Klägerin stehen die in der Hauptsache geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gem. §§ 139 Abs. 1, 2, 140b Abs. 1, 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB wegen der mittelbaren Verletzung des Klagepatentanspruchs 1 zu.
1.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Lithiumsilicatrohlings, der einfach durch maschinelle Verarbeitung geformt und anschließend zu geformten Produkten mit hoher Festigkeit umgewandelt werden kann.
Das Klagepatent beschreibt einleitend einen gestiegenen Bedarf an Materialien, die mit Hilfe computergesteuerter Fräsmaschinen zu dentalen restaurativen Produkten, wie beispielsweise Kronen, Inlays und Brücken verarbeitet werden können (Abs. [0002] der Klagepatentschrift in der Fassung, die sie durch die Entscheidung im Einspruchsverfahren vom 09.12.2015 erhalten hat; im Folgenden: KPS-EV). Ein so verwendbares Material muss neben optischen Eigenschaften, die das Aussehen der natürlichen Zähne imitieren (Transluzenz, Färbung), weitere Eigenschaften aufweisen, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Während es im Rahmen des Herstellungsprozesses eine relativ niedrige Festigkeit zeigen sollte, um eine einfache und schnelle Verarbeitung ohne übermäßige Abnutzung der Werkzeuge zu ermöglichen (Abs. [0005] KPS-EV), ist nach Abschluss der Herstellungsarbeiten eine möglichst hohe Festigkeit und chemische Beständigkeit wünschenswert. Die dentalen restaurativen Produkte können erst dadurch die Funktion des natürlichen Zahnmaterials übernehmen, wobei die genannten Eigenschaften über eine lange Zeitspanne aufrechterhalten werden sollen; und zwar auch dann, wenn sie permanent in Kontakt mit Flüssigkeiten in der Mundhöhle sind (Abs. [0004] KPS-EV).
Aus dem in der Klagepatentschrift in Bezug genommenen Stand der Technik sind Materialien für eine CAD/CAM-Verarbeitung bekannt, die das Klagepatent jedoch als für eine leichte maschinelle Verarbeitung nachteilig beschreibt (Abs. [0005] KPS-EV).
Hierzu gehören Lithiumdisilicat-Glaskeramiken wie sie in der DE ‘XXX offenbart werden. Sie weisen eine kristalline Lithiumdisilicatphase auf und erhalten dadurch eine hohe Festigkeit und Zähigkeit. Die maschinelle Verarbeitung des Materials nimmt jedoch eine sehr lange Dauer in Anspruch und führt zu einer sehr hohen Abnutzung des Werkzeugs (Abs. [0007] KPS-EV). Des Weiteren zeigen die maschinell verarbeiteten Restaurationen eine nur geringe Kantenfestigkeit, das heißt es sind Teile der Restauration, die eine nur geringe Dicke im Bereich von wenigen 1/10 mm haben, instabil (Abs. [0007] KPS-EV).
Das Klagepatent nimmt weitere Dokumente aus dem Stand der Technik in Bezug, die sich zu den Kristallphasen von Lithiummetasilicat und Lithiumdisilicat verhalten. So hätten Untersuchungen von Borom gezeigt, dass eine Lithiumdisilicat-Glaskeramik zunächst in unterschiedlichen Mengen als metastabile Lithiummetasilicatphase kristallisieren kann, und eine solche Glaskeramik mit Lithiummetasilicat als Hauptphase eine im Vergleich zu einer Glaskeramik, die lediglich eine Lithiumdisilicatphase enthält, verringerte Festigkeit zeige (Abs. [0010] KPS-EV). Es fehle jedoch bisher an einer systematischen Erforschung, weshalb bei einigen Zusammensetzungen die beschriebene metastabile Lithiummetasilicatphase entstehe und andere Zusammensetzungen lediglich in Form der Disilicatphase kristallisieren und eine Metasilicatphase nicht vorhanden sei.
Das Klagepatent diskutiert neben Lithiumdisilicat-Glaskeramiken auch andere Materialien, aus denen mittels maschineller Verarbeitung Restaurationen hergestellt werden. So seien aus der EP-B-774 993 und der EP-B-817 597 keramische Materialien auf der Basis von Al2O3 oder ZrO2 bekannt. Diese werden zunächst in einem ungesinterten Zustand verarbeitet und anschließend gesintert, um die Festigkeit des Materials zu erhöhen (Abs. [0008] KPS-EV). Als im Zusammenhang mit diesem Material nachteilig beschreibt das Klagepatent die Tatsache, dass das keramische Material im Rahmen des Sinterprozesses eine Schrumpfung von bis zu 50 % bezogen auf das Volumen (bzw. bis zu 30 % linearer Schrumpfung) durchläuft. Die Materialien lassen deshalb die Herstellung einer Restauration mit einer exakten Dimension, wie sie beispielsweise bei mehrgliedrigen Brücken erforderlich ist, nicht zu (Abs. [0008] KPS-EV).
Vor diesem Hintergrund nennt es das Klagepatent als seine Aufgabe (technisches Problem), ein Material bereitzustellen, das mit Hilfe computergestützter Fräs- und Schleifverfahren geformt und anschließend zu hochfesten Dentalprodukten umgewandelt werden kann, die eine hohe chemische Beständigkeit und ausgezeichnete optische Eigenschaften besitzen und eine drastisch reduzierte Schrumpfung während der abschließenden Umwandlung zeigen (Abs. [0011] KPS-EV).
Diese Aufgabe soll durch einen Lithiumsilicat-Rohling, der nach dem Verfahren des Hauptanspruchs 1 hergestellt wird, gelöst werden. Der Hauptanspruch 1 kann (in der Fassung, die er im Rahmen des Einspruchsverfahrens erhalten hat) in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden:
Verfahren zur Herstellung
CH1 eines Lithiumsilicatrohlings, bei dem
CH2(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,
CH2(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
CH2(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, oder
CH2(b‘) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf eine erste Temperatur von etwa 450 bis 550°C abgekühlt wird,
CH2(c‘) der Ausgangsglasrohling für eine Dauer von etwa 5 min. bis 50 min. bei der ersten Temperatur gehalten wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keine enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind,
CH2(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) oder (c‘) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Hauptkristallphase zu erhalten, und
CH2(e) der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase von Schritt (d) durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um ein geformtes Lithiumsilicatprodukt zu bilden, wobei das geformte Lithiumsilicatprodukt die Form einer dentalen Restauration hat.
2.
Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale CH2(a) und CH2(d) einer Auslegung.
Gem. § 14 Satz 1 PatG wird der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt, wobei auch die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind (§ 14 Satz 2 PatG). Dabei ist bei der für die Bestimmung des Schutzbereichs gebotenen Auslegung des Patentanspruchs nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der im Patentanspruch verwendeten Begriffe maßgeblich, sondern deren technischer Sinn, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv für den von dem Klagepatent angesprochenen Fachmann aus dem Patent ergeben (BGH, GRUR 1975, 422 (424) – Streckwalze), zu ermitteln ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der patentierten Erfindung beitragen (BGH, GRUR 2007, 410 (413) – Kettenradanordnung). Bei der nach dieser Maßgabe vorzunehmenden Auslegung ist vorliegend – wovon auch die Einspruchsabteilung ausgegangen ist (vgl. Seite 8 d. Beschlusses vom 09.12.2015, Anlage rop C19) – die Sicht eines berufserfahrenen Diplomingenieurs der Fachrichtung Werkstofftechnik mit langjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Optimierung von Dentalmaterial maßgeblich.
a)
Merkmal CH2(a) sieht die Schmelze eines Ausgangsglases vor, das die „Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, jedoch kein Ld2, O3“, enthält.
aa)
Nach dem Verständnis des Fachmannes trifft der Patentanspruch keine Aussage darüber, in welcher prozentualen chemischen Zusammensetzung und in welchem Verhältnis zueinander die Anfangskomponenten als Hauptkomponenten in dem Ausgangsglas enthalten sein müssen. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs, insbesondere mit den Merkmalen CH2(c) und CH2(c‘) entnimmt der Fachmann der Angabe der näher bezeichneten Anfangskomponenten lediglich, dass diese in einer Menge vorhanden sein müssen, die die Keimbildung für die spätere Ausbildung der Lithiummetasilicatkristalle zulässt.
Auch bei Berücksichtigung der Patentbeschreibung ergibt sich das Erfordernis einer konkreten (im Sinne einer nach Gew.-% bezifferbaren) Menge der in dem Patentanspruch näher genannten Anfangskomponenten bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung nicht. Der Fachmann entnimmt der Patentbeschreibung aus Abs. [0011] KPS-EV den erfindungswesentlichen Gedanken, ein Material zu schaffen, das maschinell leicht verarbeitet werden kann und sich gleichzeitig für eine dentale Restauration eignet. Dies kann aus der Sicht des Fachmannes unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der Patentbeschreibung auch durch ein Ausgangsglas erfolgen, das die einzelnen Komponenten in Mengen enthält, die von den beschriebenen Ausführungsbeispielen abweichen. Die Patentbeschreibung gibt zwar eine bevorzugte, konkrete chemische Zusammensetzung der Anfangskomponenten an (Abs. [0016] KPS-EV, vgl. auch Abs. [0014]). Dabei handelt es sich jedoch um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, auf das die Erfindung nicht reduziert werden darf (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe; BGH, GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung). Wie sich aus der weiteren Beschreibung des Ausführungsbeispiels zudem ergibt, lässt das Klagepatent selbst zu, dass eine Abweichung der in Abs. [0016] KPS-EV genannten Mengen vorgenommen wird. In Abs. [0017] KPS-EV heißt es:
„Die Passage „…unabhängig voneinander…“ bedeutet, dass zumindest eine der bevorzugten Mengen gewählt ist und dass es demzufolge nicht notwendig ist, dass alle Komponenten in den bevorzugten Mengen vorhanden sind.“
Eine weitere (sich von der Zusammensetzung der Anfangskomponenten des bevorzugten Ausführungsbeispiels unterscheidende) Zusammensetzung der Anfangskomponenten ist in Abs. [0014] KPS-EV erwähnt, wobei es sich aber ebenfalls um ein Ausführungsbeispiel handelt.
Schließlich veranlasst auch Abs. [0013] KPS-EV zu keiner einschränkenden Auslegung. Sofern dort ausgeführt ist, dass nur die Verwendung „eines Ausgangsglases mit sehr spezieller Zusammensetzung“ eine patentgemäße Glaskeramik liefert, so entnimmt der Fachmann dem Passus nicht, dass sich die Spezialität der Zusammensetzung neben den Hauptkomponenten als solchen weiter auch durch eine konkrete mengenmäßige Zusammensetzung kennzeichnet.
Nach alledem lässt sich der Patentbeschreibung auch nicht entnehmen, dass weitere Komponenten als die in dem Patentanspruch angegebenen, nicht in einer Menge vorhanden sein dürfen, die mit derjenigen der näher bezeichneten Komponenten identisch ist oder sogar darüber hinaus geht. Insbesondere zeigen die Unteransprüche 10 und 11 KPS-EV, in denen unter anderem mit ZnO, Na2O, MEIIO und ZrO2 weitere Ausgangskomponenten in einer Menge genannt sind, die an diejenige der in dem Patentanspruch bezeichneten Anfangskomponenten K2O, Al2O3 und P2O5 heranreicht, dem Fachmann, dass auch eine solche Zusammensetzung erfindungsgemäß ist.
bb)
Soweit Merkmal CH(2) verlangt, dass die Schmelze des Ausgangsglases „kein Lanthanoxid“ enthält, erfordert dies weder die absolute Reinheit des Ausgangsglases von diesem Stoff noch die Reduzierung des Lanthanoxidanteils auf das technisch Unvermeidliche. Vielmehr darf Lanthanoxid nicht mit einem Anteil vorhanden sein, bei dem es einen technischen Effekt haben könnte. Verunreinigungen ohne erfindungsrelevanten technischen Effekt stehen der Merkmalsverwirklichung demgegenüber nicht entgegen.
Im Hinblick auf das Teilmerkmal „kein Lanthanoxid“ ergibt sich aus dem grammatikalischen Aufbau des Merkmals CH2(a) zunächst kein zwingendes Verständnis dahingehend, dass lediglich im Zusammenhang mit den Komponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 von den Hauptkomponenten die Rede ist, wohingegen der Anschluss des Passus „aber kein La2O3“ sich auf einen Ausschluss von Lanthanoxid schlechthin, auch als Nebenbestandteil, bezieht. Die Grammatik des Anspruchs lässt vielmehr auch eine Deutung zu, anhand derer „aber kein La2O3“ als eine auf „als Hauptkomponenten“ zurückbezogene Ergänzung zu verstehen ist. Mit anderen Worten lässt sich der Anspruchswortlaut dahingehend verstehen, dass Lanthanoxid nur als Hauptkomponente ausgeschlossen wird.
Der Zusatz „aber kein Lanthanoxid“ wurde im Zuge des Einspruchsverfahrens in den Anspruchswortlaut aufgenommen. Vor diesem Hintergrund sind vorliegend neben dem Anspruch selbst, der Beschreibung und der Zeichnungen (§ 14 S. 1 PatG) auch die Entscheidungsgründe des Beschränkungsbeschlusses des DPMA (Anlage B 38) bei der Auslegung heranzuziehen. Wenn ein Patent im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren abgeändert wurde, treten die die Abweichung von der ursprünglichen Anspruchsfassung behandelnden Entscheidungsgründe an die Stelle der ursprünglichen Beschreibung. Die Entscheidungsgründe des Rechtsbestandsverfahrens sind insoweit bei der Auslegung wie die Patentbeschreibung zu berücksichtigen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Aufl., 2016, Kap. A., Rn. 68 m. w. N.).
Aus Abschnitt [0013] KPS-EV, der offenbart, dass sich überraschenderweise gezeigt hat, dass es durch die Verwendung eines Ausgangsglases mit speziellen Komponenten und eines speziellen Verfahrens möglich ist, Rohlinge mit Lithiummetasilicatphasen herzustellen, die noch kein Lithiumdisilicat aufweisen, folgt für den Fachmann, dass die in dem nachfolgenden Abschnitt genannten speziellen Anfangskomponenten, die auch im Patentanspruch aufgeführt werden, zur Herstellung dieser Lithiummetasilicatphasen notwendig sind. Sämtliche genannten Materialien sind mithin für den Fachmann wesentlich, um den erfindungsgemäßen Zweck zu erreichen. Soweit der Anspruchswortlaut also ein Weglassen von Lanthanoxid als Anfangskomponente fordert, schließt der Fachmann unter technisch-funktionaler Betrachtungsweise, dass nach der Lehre des Klagepatents kein Lanthanoxid als erfindungswesentliche Komponente, also mit einer technischen Funktion, der Schmelze beigefügt wird.
Den Umkehrschluss, dass damit überhaupt kein Lanthanoxid in der Schmelze enthalten sein darf, zieht der Fachmann allerdings nicht. Aus funktionaler Betrachtung ist es unschädlich, wenn Lanthanoxid in Spuren, z.B. durch Verunreinigungen, und ohne die Bewirkung einer Veränderung des Ausgangsglases enthalten ist. Das gilt umso mehr als nach den beschriebenen Ausführungsbeispielen, wie sie auch in die beschränkt aufrechterhaltenen Fassung Eingang gefunden haben (Abs. [0016], [0031] KPS-EV und Tabelle III, Bsp. 3 KPS-EV), CeO2 als Ausgangsmaterial eingesetzt werden kann und dieses nach dem unstreitigen Parteivortrag nicht völlig frei von Lanthanoxid erhältlich ist – was dem Fachmann auch bekannt sein wird. Auch nach dem Vortrag der Beklagten ist für die Lehre des Klagepatents ein äußerst geringer Lanthanoxidanteil als Folge der Verunreinigung von CeO² unschädlich. Zwar mag die Vorgabe „kein Lanthanoxid“ dazu führen, dass die Verwendung von CeO² mit einem hohen Anteil an Lanthanoxid aus der Lehre des Klagepatents herausführt. Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn der Anteil des Lanthanoxids einen Wert erreicht, bei dem ein für die Lehre des Klagepatents relevanter technischer Effekt eintritt. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Klagepatent dem Fachmann aufgibt, bei der Wahl von CeO² als Ausgangsstoff diesen Stoff zwingend in der höchsten (ggf. nur kommerziell erhältlichen) Reinheitsklasse zu verwenden. Vielmehr finden sich im Klagepatent keine direkten Vorgaben für die Reinheit des CeO².
Der Fachmann gewinnt auch daraus, dass das Klagepatent – wie die Beklagte unter Bezugnahme auf den Abschnitt [0021] KPS-EV vorträgt – „die Null kennt“ kein anderes Verständnis. Denn aus dem bloßen Umstand, dass – in anderem Zusammenhang – ein Konzentrationsintervall, beginnend mit 0 Gew-% genannt ist, zieht der Fachmann keine zwingenden Rückschlüsse auf die Bedeutung des Merkmals „kein Lanthanoxid“. Zudem könnte an dieser Stelle ein Anteil von 0,01 % gerundet ohne weiteres als Null zu verstehen sein.
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die in der DE ‘XXX genannten Druckschriften (vorgelegt als Anlagen B 46 – B 50) vorträgt, der Fachmann deute die Angabe „kein“, „keinerlei“ und „frei von“ als (absolut) „Null“, so sind vorliegend schon keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Fachmann die Lehre des Klagepatents im Lichte dieser Druckschriften versteht. Das gilt insbesondere deshalb, weil ihm die DE ‘XXX gerade als Stand der Technik präsentiert wird, von dem sich das Klagepatent abzugrenzen sucht (Abs. [0007] KPS-EV). Vor diesem Hintergrund verbleibt es dabei, dass das fachmännische Verständnis anhand der Beschreibung des Schutzrechts selbst zu ermitteln ist (BGH, GRUR 1999, 909 (912) – Spannschraube; GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2015, Az. I-15 U 25/14, S. 15), wobei die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellt (BGH, GRUR 1999, 909 (912) – Spannschraube).
Gleiches gilt im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten, nach deren Vortrag das allgemeine Fachwissen des Fachmannes darstellende Druckschriften (vorgelegt als Anlagen B 51 – B 53). Danach sei der Fachmann, so die Beklagte, gewohnt, dass ihm auch kleinste Mengen bei Zusammensetzungen angegeben werden würden, so dass er dies auch hinsichtlich der vorliegend geschützten Lehre erwarten würde. Dass der Fachmann bei seinem Verständnis des Merkmals „kein Lanthanoxid“ im Rahmen des Klagepatents von den vorgelegten Druckschriften ausgeht, erscheint bereits deshalb fernliegend, weil die technische Wirkung, die dem Lanthanoxid darin jeweils zugeschrieben wird, sich von derjenigen unterscheidet, die ihr nach der Klagepatentschrift zukommt. Während Metalloxiden nach Abs. [0015] KPS-EV, die nach der Ursprungsfassung der Klagepatentschrift auch in Form von Lanthanoxid vorliegen konnten (Abs. [0016] KPS), die Funktion zukommt, die Farbe des endgültigen dentalen Produkts so zu gestalten, dass es zu der natürlichen Zahnfarbe des jeweiligen Patienten passt (Abs. [0019] KPS-EV), soll Lanthanoxid nach den vorgelegten Druckschriften entweder eine Wirkung im Hinblick auf die Entglasung (WO 03/022763 A2, S. 3, letzt. Abs., Anlage B 51 und EP 0 742 578 A2, S. 4, Z. 8, Anlage B 52) oder auf den Brechungsindex, die Dispersion und die Oberflächenspannung (EP 0 738 243 B1, S. 3, Z. 58 – S. 4, Z. 2, Anlage B 53) entfalten.
Diese Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zum Anspruchswortlaut. Zwar ist eine Auslegung unterhalb des Sinngehalts des Wortlauts der Patentansprüche nicht zulässig. Die Einbeziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf also nicht zu einer sachlichen Einengung oder inhaltlichen Erweiterung des durch seinen Wortlaut festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Gerade Zahlen- und Maßangaben, zu denen auch die Verwendung des Begriffes „kein“ zu zählen ist, sind im Regelfall eng an ihrem wörtlichen Sinngehalt auszulegen. Im Regelfall bestimmt eine abschließende Zahlenangabe den Gegenstand des Patentanspruchs abschließend (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Auflage, Kap. A., Rn. 150). Allerdings geht der Fachmann bei einem funktionsorientierten Verständnis, wie es auch bei Zahlen- und Maßgaben geboten ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.04.2007, Az.: I-2 U 4/06, Rn. 75, zitiert nach juris), – wie bereits ausgeführt – gerade nicht davon aus, dass er die Anwesenheit von Lanthanoxid vollständig vermeiden muss.
Eine solche Auslegung deckt sich schließlich auch mit dem Inhalt der Entscheidungsgründe des Beschränkungsbeschlusses. Hier heißt es auf Seite 11, 1. Abs. (Anlage B 38), dass die Entgegenhaltung DE ‘XXX im Gegensatz zu dem Klagepatent ausschließlich Rezepturen offenbare, die Lanthanoxid als eine Anfangskomponente enthalten und es daher als erfindungswesentliche Komponente verstehen. Mithin ist im Umkehrschluss das Vorhandensein von Lanthanoxid als nicht erfindungswesentliche Komponente unschädlich.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin im Einspruchsverfahren zunächst versucht hatte, die Formulierung „im Wesentlichen frei von“ in den Anspruchswortlaut aufnehmen zu lassen, angesichts des drohenden Widerrufs wegen fehlender Neuheit in Bezug gegenüber der Entgegenhaltung DE ‘XXX ihren Antrag aber weiter beschränken musste. Äußerungen des Anmelders/Inhabers dürfen grundsätzlich, da nicht explizit vom Gesetz als Auslegungsmaterial erwähnt, nicht zur Auslegung des Patents herangezogen werden. Sie können allerdings unter Umständen als Indiz für die Ansicht des Fachmanns herangezogen werden (Kühnen, Hb. der Patentverl., 8. Aufl. A 67). Allerdings spielt es für die Auslegung des Patentanspruchs grundsätzlich keine Rolle, was für ein Gegenstand patentfähig gewesen wäre (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2015, I-2 U 74/14 – S. 15 f.). Es ist mithin für die Frage der Verletzung unerheblich, ob eine Auslegung, bei welcher Spuren von Lanthanoxid in der Schmelze unter den Patentanspruch fielen, zu einer Neuheitsschädlichkeit der Entgegenhaltung DE ‘XXX führt oder nicht.
b)
Das Merkmal CH2(d) sieht vor, dass aus den Verfahrensschritten (b) und (c) bzw. den dazu alternativen Verfahrensschritten (b‘) und (c‘) ein Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Hauptkristallphase entsteht.
Der Anspruchswortlaut selbst enthält keine mengenmäßige Angabe zur Quantifizierung der Lithiummetasilicatkristalle als Hauptkristallphase. Danach ist vielmehr ausreichend, wenn Lithiummetasilicatkristalle in einer Menge vorhanden sind, die geeignet ist, das Material mittels computerunterstützter Schleifverfahren möglichst einfach und ohne starken Verschleiß der eingesetzten Werkzeuge zu verarbeiten (Abs. [0024], [0041] KPS-EV). Dabei ist lediglich bevorzugt, dass die Lithiummetasilicatkristallphase 20 bis 50 Vol.-% und insbesondere 30 – 40 Vol.-% des Lithiumsilicatmaterials bildet (Abs. [0023] KPS-EV). Der Fachmann versteht unter der Angabe des Lithiummetasilicatkristalls als Hauptkristallphase unter Berücksichtigung der Patentbeschreibung und des erfindungswesentlichen Zwecks (Schaffung eines leicht zu verarbeitenden Materials) weiter, dass damit eine Abgrenzung zu unerwünschten, anderen Kristallphasen vorgenommen werden soll, deren Bildung vermieden oder zumindest beschränkt werden soll (Abs. [0039], [0042] KPS-EV). Als ein solches ist ihm nach dem dargestellten Stand der Technik insbesondere Lithiumdisilicat bekannt, dass zu einer wesentlich größeren Festigkeit des Materials führt.
3.
Bei Berücksichtigung des Auslegungsergebnisses unter Ziff. 2. verletzt die Beklagte den geltend gemachten Klagepatentanspruch 1 dadurch mittelbar, dass sie den angegriffenen Lithiumsilicatrohling innerhalb der Bundesrepublik Deutschland anbietet und vertreibt und dieser sodann bei ihren Kunden zur Herstellung einer dentalen Restauration verwendet wird.
Gem. § 10 Abs. 1 PatG ist es jedem Dritten verboten, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwertet zu werden.
So liegen die Dinge hier.
a)
Bei den angegriffenen Rohlingen handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht.
Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH, GRUR 2004, 758 (761) – Flügelradzähler). Da der Patentanspruch maßgeblich für den Umfang der geschützten Lehre ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung (a. a. O.), soweit sie nicht ausnahmsweise zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis nichts beitragen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Im Zusammenhang mit einem Verfahrensanspruch bedeutet dies, dass eine im Patentanspruch genannte Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, sich regelmäßig auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht (BGB, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren).
Der streitbefangene Rohling, aus dem die Anwender eine dentale Restauration entsprechend des Merkmals CH2(e) herstellen, wird in einem Verfahren hergestellt, dass – wie unter lit. b) noch ausgeführt wird – die Merkmale CH2(a) – CH2(d) der geschützten Lehre des Klagepatents verwirklicht.
b)
Die angegriffenen Rohlinge sind auch objektiv geeignet, um von der patentgemäßen Lehre Gebrauch zu machen.
Unter Berücksichtigung der Herstellung der dentalen Restauration bei dem Anwender macht der angegriffene Rohling von dem unter Patentschutz stehenden Gegenstand Gebrauch machen, so dass eine Benutzungshandlung im Sinne von § 9 PatG verwirklicht wird (vgl. BGH, GRUR 2005, 848 (850) – Antriebsscheibenaufzug).
aa)
Zwischen den Parteien steht die Verwirklichung der Merkmale CH1, CH2(b), CH2(c) zu Recht nicht in Streit. Auch steht außer Streit, dass insoweit bei dem Anwender des Rohlings die Herstellung einer dentalen Restauration entsprechend des durch den Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens erfolgt.
bb)
Das von der Beklagten zur Anwendung gebrachte Herstellungsverfahren verwirklicht auch das Merkmal CH2(a).
(1)
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die chemische Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform die in dem Merkmal näher bezeichneten Stoffe enthält, mithin diese als Komponenten in dem Ausgangsglas vorhanden sind. Diese sind vor dem Hintergrund des dargelegten Verständnisses von der patentgemäßen Lehre auch als Hauptkomponenten zu qualifizieren. Denn dies erfordert lediglich, dass die Stoffe in einer für die Keimbildung von Lithiummetasilicatkristallen ausreichenden Menge vorhanden sind, was vorliegend anzunehmen ist. Die Beklagte selbst trägt vor, dass Lithiummetasilicatkristalle in der angegriffenen Ausführungsform als einzige Kristallphase enthalten seien. Die Beklagte stellt in der technisch-wissenschaftlichen Dokumentation der angegriffenen Ausführungsform den Herstellungsprozess derart dar, dass es zu einer Keimbildung kommt (vgl. Tabelle wie im Tatbestand aus Anlage rop C9, Seite 6). Diese Keimbildung muss zwar nicht zwingend die Bildung von Keimen für Lithiummetasilicatkristalle meinen (denkbar ist insbesondere auch eine Keimbildung für Lithiumdisilicaktkristalle). Jedoch schreibt die Beklagte der angegriffenen Ausführungsform selbst Eigenschaften zu, die ausschließlich mit der Keimbildung für Lithiummetasilicatkristalle einhergehen. So heißt es in der technisch-wissenschaftlichen Dokumentation: „Das Glas erhält zunehmend keramische Eigenschaften und auch die Bearbeitung mittels geeigneter Werkzeuge ist in diesem Stadium zeit- und kostensparend möglich.“ (Anlage rop C9, Seite 6).
Eine Verletzung scheidet auch nicht deshalb aus, weil in dem Ausgangsmaterial weiter auch Zirkonoxid (ZrO2) und in der angegriffenen Ausführungsform weiter CeO2 und Pigmente enthalten sind, und zwar jeweils mit einem Anteil, der entweder deutlich höher als der Anteil an K2O und Al2O3 oder aber zumindest in einem mit diesem vergleichbaren Anteil vorhanden ist. Denn – wie bereits im Zusammenhang mit dem Verständnis des Fachmannes von der patentgemäßen Lehre ausgeführt – misst dieser der Anweisung, die näher bezeichneten Stoffe müssten als Hauptkomponenten enthalten sein, keine mengenmäßige Angabe bei. Somit verlangt die technische Lehre ebenso wenig, dass die Komponente in einer größeren Menge als die übrigen Bestandteile des Ausgangsmaterials bzw. der der angegriffenen Ausführungsformen darin enthalten sind. Schon gar nicht nimmt der Fachmann an, dass jede einzelne (Haupt-) Komponente in einer größeren Menge als die übrigen vorhanden sein muss.
(2)
Auch die Tatsache, dass in dem Ausgangsmaterial und der angegriffenen Ausführungsform unstreitig La2O3 enthalten ist, führt nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents in seiner beschränkten Fassung heraus.
In diesem Zusammenhang ist zunächst unerheblich, dass die Beklagte die Untersuchungen der Klägerin im Hinblick auf einzelne Chargen der angegriffenen Ausführungsformen mit Nichtwissen bestreitet. Denn auch die Beklagte trägt vor, dass Lanthanoxid in der angegriffenen Ausführungsform als Verunreinigungen der Ausgangskomponente CeO2 mit einem Gewichtsanteil von < 0,001 Gew.-% vorhanden ist. Dass einer solchen Menge von Lanthanoxid, die unter einem Hundertstel der in der Ursprungsfassung des Klagepatents genannten Menge von 0,1 Gew.-% Lanthanoxid zurückbleibt, im Rahmen der angegriffenen Ausführungsform eine technische, insbesondere eine den Rohling färbende, Wirkung zukommt, ist von den Beklagten, die in Kenntnis der Funktionsweise der von ihr angebotenen angegriffenen Ausführungsform ist, nicht dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus den in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Spuren von Lanthanoxid ein für die technische Lehre in irgendeiner Weise relevanter technischer Effekt ergibt.
cc)
Auch das Merkmal CH2(d) ist bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der angegriffene Rohling Lithiummetsilicat-Kristalle enthält. Der Anteil der Lithiumsilicat-Kristalle ist – was im Sinne der patentgemäßen Lehre ausreichend ist – auch hinreichend, um eine kosten- und zeitsparende Verarbeitungsmöglichkeit des Rohlings zu gewährleisten. Die Beklagte selbst trägt auch nicht vor, dass sich in der angegriffenen Ausführungsform weitere Kristallphasen (neben Lithiummetsilicat-Kristallen) befinden, so dass sich daraus automatisch ergibt, dass die Lithiummetsilicat-Kristalle die Hauptphase bilden. Darauf, mit welchem Volumentanteil die Lithiummetsilicat-Kristalle in der angegriffenen Ausführungsform enthalten sind, nach der Behauptung der Beklagten lediglich mit einem Anteil von 8,35 Vol.-%, kommt es nach alledem nicht an.
c)
Schließlich sind die angegriffenen Rohlinge auch gerade zur Benutzung der geschützten Lehre in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt.
Denn die Rohlinge werden von der Beklagten allein zu dem Zweck der Herstellung einer dentalen Restauration angeboten. Darauf deuten bereits die beschriebenen Eigenschaften (Festigkeit, Kantenstabilität, Säurebeständigkeit) hin.
Zudem hält die Beklagte auf ihrer Internetseite (www.Awebshop.com) die technisch-wissenschaftliche Dokumentation für die angegriffene Ausführungsform (Anlage rop C9) bereit, der sich entnehmen lässt, dass das Produkt über „hervorragende, mechanische Eigenschaften verfügt“ (Seite 4 Anlage rop C9) und es eine „zeit- und kostensparende“ Bearbeitung ermöglicht (Seite 6 Anlage rop C9).
Die bestimmungsgemäße Verwendung (Glaskeramik zur Herstellung dentaler Restaurationen mittels maschinengesteuerter Verfahren) lässt sich auch der Verarbeitungsanleitung für die angegriffene Ausführungsform (Anlage rop C7) entnehmen. Dort heißt es auf Seite 4 zum Anwendungsbereich: „A B“ ist eine zirkondioxidverstärkte Lithiumsilicat-Glaskeramik für die dentale CAD/ CAM-Anwendung zur Herstellung von Inlays, Onlays, Teilkronen, Kronen im Front- und Seitenzahnbereich sowie Einzelzahnversorgungen im Front- und Seitenzahnbereich auf Implantat-Abutments.“ Auf den Seiten 13 ff. der Verarbeitungsanleitung werden sodann unter dem Oberpunkt „Präparationsrichtlinien“ für unterschiedliche dentale Restaurationen Verarbeitungshinweise zur Mindestschichtenstärke gegeben. Auf Seite 18 (1. Abbildung) der Verarbeitungsanleitung werden eine fertig geschliffene Restauration sowie ihre weitere Verarbeitung bis hin zum Einsatz dargestellt.
Auch aus der Produktinformation zu der streitgegenständlichen Ausführungsform lässt sich entnehmen, dass diese ausschließlich computergesteuert verarbeitet wird. Darin (Seite 9, Anlage rop C8) findet der Anwender Informationen zur maschinellen Formgebung („A B kann mit dem CEREC- bzw. inLAB MC XL-System der Firma I ab der Softwareversion ≥ V 4.2 verarbeitet werden.“). Eine ähnliche Angabe ist der Kurzinformation der angegriffenen Ausführungsform, Stand 07/13 (Anlage rop C11, 1. Seite, linke Spalte, 2. Abs.) zu entnehmen. Aus den Unterlagen ist im Übrigen weder erkennbar, noch wird vorgetragen, dass die angegriffene Ausführungsform auch durch nicht maschinelle Verfahren bearbeitet werden kann. Auch in der Verarbeitungsanleitung heißt es: „Nach Auswahl des Blocks wird dieser mit der vorhandenen CAM-Einheit geschliffen.“ (Seite 18, oben, Anlage rop C7). Des Weiteren sind die Blöcke der angegriffenen Ausführungsform mit einem Halter versehen (vgl. Abbildung Anlage rop C10 und Titelseite Anlage rop C7), der ausschließlich für die maschinelle Verarbeitung benötigt wird.
d)
Aus den Ausführungen unter lit. c) folgt zugleich, dass die Verwendung der angegriffenen Rohlinge durch die Anwender in patentverletzender Art und Weise für die Beklagte auch offensichtlich ist.
e)
Aufgrund der bereits dargestellten werblichen Aussagen (vgl. lit. c)), die die Beklagte im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform auf ihrer Internetseite bereithält, liegt auch eine Angebotshandlung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor. Es ist weiter auch unstreitig, dass die Beklagte den angegriffenen Rohling innerhalb dieses Gebiets vertreibt.
4.
Der Klägerin ist es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich auf die Verletzung ihres Klagepatents zu berufen.
Grundsätzlich sind Äußerungen des Patentinhabers für die Auslegung nicht zu berücksichtigen. Wenn aber der Patentinhaber schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat und der spätere Verletzungsbeklagte bereits am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren teilgenommen hat, kann dies unter Umständen einen Einwand aus § 242 BGB auslösen (BGH, NJW 1997, 3377 (3380) – Weichvorrichtung II). Der Einwand aus § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (venire contra factum proprium) kann erfolgreich erhoben werden, wenn der Patentinhaber im Einspruchsverfahren erklärt, für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren und diese dann im Verletzungsverfahren angreift, soweit seine Erklärung Grundlage für die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Patents war und wenn der in Anspruch Genommene auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Patentanmelders vertrauen durfte (BGH, NJW 1997, 3377 – Weichvorrichtung II). Dabei reicht nicht jede, als bloße Meinungsäußerung mitgeteilte schutzbereichsbeschränkende Erklärung des Klägers. Erforderlich ist vielmehr eine Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Schutzrechtsinhabers erkennen lässt, die Reichweite seines Patents in Bezug auf eine bestimmte Ausführungsform abzugrenzen (BGH, a.a.O.; Hervorhebungen diesseits).
Nach dieser Maßgabe sind die in dem Einspruchsverfahren das Stammpatent betreffende protokollierte oder von der Beklagten vorgetragenen Äußerungen der Klägerin nicht geeignet, einen solchen Vertrauenstatbestand zu schaffen.
Die Klägerin gab die Erklärung in dem Einspruchsverfahren, wonach die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthalte und daraus folge, dass auch der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthalte, bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (BGH, NJW 1997, 3377 (3378)) zur Abgrenzung von dem neuheitsschädlichen Stand der Technik, wie er sich aus Sicht der Einspruchsabteilung insbesondere nach der DE ‘XXX darstellte, ab. Eine Aussage, mit welcher gerade die angegriffene Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Klagepatents bzw. des Stammpatents herausgenommen werden sollte, geht daraus nicht hervor. Die Klägerin leitete das Merkmal „kein Lanthanoxid“ nicht etwa aus der angegriffenen Ausführungsform her, sondern verknüpfte dieses mit der geschützten Lehre, indem sie ausführte, die Ausgangsschmelze gemäß des Anspruchs 1 komme ohne Lanthanoxid aus, benötige dies mithin nicht, um eine technische Wirkung zu entfalten. Dass die Beklagte die Erklärung vor dem Hintergrund des laufenden Verletzungsverfahrens auch auf die angegriffene Ausführungsform bezogen haben mag, reicht zur Begründung eines Vertrauenstatbestandes gerade nicht aus. Es ist vielmehr ohne konkrete, gegenteilige Anhaltspunkte damit zu rechnen, dass ein Patentinhaber versucht, trotz der Einschränkung des Patentanspruchs einen laufenden Verletzungsprozess erfolgreich fortzuführen.
Gegen einen Vertrauenstatbestand auf Seiten der Beklagten spricht zudem, dass diese im Verletzungsverfahren – vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren – selbst vorgetragen hatte, die angegriffene Ausführungsform enthalte „kein Lanthanoxid“. Zwar erfolgte dies im Kontext der von der Beklagten in Frage gestellten Richtigkeit der klägerischen Messungen. Jedoch musste die Beklagte damit rechnen, dass die Klägerin die Auffassung vertreten würde, der gemessene Anteil von Lanthanoxid falle noch unter das Merkmal „kein Lanthanoxid“.
5.
Eine Verletzungshandlung der Beklagten ist auch nicht gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG aufgrund eines (privaten) Vorbenutzungsrechts ausgeschlossen.
Gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG tritt die Ausschließlichkeitswirkung des Patents gegenüber demjenigen nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen hat oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat.
Daran fehlt es vorliegend. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen ausreichend sind, um einen Erfindungsbesitz entsprechend der klagepatentgemäßen Lehre darzutun. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, dass diese in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, mithin der Anmeldung des Stammpatents am 07.08.2003, den erforderlichen selbstständigen Erfindungsbesitz hatte.
Sämtliche von der Beklagten zur Darlegung eines Vorbenutzungsrechts vorgetragenen Handlungen liegen nach dem 07.08.2003. Vorliegend ist auch keine Verschiebung des für die Beurteilung des Vorbenutzungsrechts maßgeblichen Zeitpunkts auf die (spätere) tatsächliche Hinterlegung der Teilanmeldung am 18.02.2013 angezeigt. Sie wäre insbesondere auch dann nicht vorzunehmen, wenn – was die Beklagten meinen – das abgezweigte Klagepatent gegenüber dem Stammpatent eine unzulässige Erweiterung darstellen würde. Dies gilt jedenfalls insoweit wie sich die Klägerin – wie vorliegend in der Hauptsache – lediglich auf die beschränkt aufrecht erhaltene Anspruchsfassung stützt, mit der die unzulässige Erweiterung gerade beseitigt werden sollte.
Gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG bleibt in dem Fall einer formal wirksamen Teilungserklärung der Anmeldetag des Stammpatents auch für das abgetrennte Patent erhalten. Diese Regelung ist Ausfluss dessen, dass der bereits in der ursprünglichen Anmeldung geltend gemachte Anspruch auf Patenterteilung nach der Teilung für den abgetrennten Teil der Anmeldung in einem besonderen Verfahren weiterverfolgt wird, das rechtlich insoweit als Fortsetzung des bereits anhängig gewordenen Erteilungsverfahrens erscheint (BGH, GRUR 1971, 565 (567) – Funkpeiler). Voraussetzung dafür ist, dass der Inhalt der Teilanmeldung durch den Inhalt der ursprünglich aufgeteilten Anmeldung gedeckt wird (Schäfers, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 39, Rn. 38). So ist es vorliegend. Der Anmeldetag wird – jedenfalls in der Hauptsache – nur für einen Teil des Patents beansprucht, der mit dem Teil der Stammanmeldung übereinstimmt. Der Anmeldetag wird gerade nicht für einen das Stammpatent überschießenden Teil geltend gemacht, weshalb auch ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 PatG nicht zu besorgen ist – den die Beklagte hier geltend macht. Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern es nicht, einem abgetrennten Patentanspruch, der wegen einer unzulässigen Erweiterung lediglich beschränkt aufrechterhalten worden ist, nicht den Anmeldetag der Stammanmeldung zugutekommen zu lassen. Wird eine unzulässige Erweiterung festgestellt, so lässt die Rechtsordnung zwei Möglichkeiten zu verfahren zu: entweder das Patent wird auf Antrag nach § 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4, 2. HS PatG für nichtig erklärt oder das Patent wird gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 PatG in einer lediglich eingeschränkten Fassung aufrechterhalten, wenn nämlich nur ein Teil des Patents von der unzulässigen Erweiterung betroffen ist. In letzterem Fall aber ist es konsequent, für den Teil, der von dem Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung nicht betroffen ist, auch die für eine wirksame Teilanmeldung vorgesehenen gesetzlichen Folgen eintreten zu lassen (so wohl auch BPatG, NJOZ 2010, 2662 (2664) – Winkelmesseinrichtung). Der Inhaber eines beschränkt aufrecht erhaltenen Patents stünde sonst schlechter als der Patentinhaber, der das abgetrennte Patent von Beginn an ohne die unzulässige Erweiterung angemeldet hätte. Dies will das Gesetz jedoch mit der Möglichkeit des teilweisen Widerrufs gerade verhindern.
Aus der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung folgt nichts anderes.
In der Entscheidung Spritzgusswerkzeuge II sah der BGH in dem Umstand, dass der Anmelder des Stammpatents und des abgezweigten Schutzrechts (Gebrauchsmuster) nicht identisch waren, einen Unwirksamkeitsgrund für die Erklärung, dass der Anmeldetag des Stammpatents in Anspruch genommen werde (BGH, GRUR 2008, 692 – Spritzgusswerkzeuge II). Ein vergleichbarer, die gesamte Patentanmeldung betreffender Unwirksamkeitsgrund liegt hier nicht vor. Nach § 5 GebrMG bedarf es einer Erklärung des Schutzrechtsanmelders, dass der für die Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag in Anspruch genommen wird. Nach dem Patentgesetz tritt die Folge des § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG hingegen bereits nach dem Gesetz ein. Die Beklagte macht vorliegend nicht geltend, dass der Anmeldetag als solcher fehlerhaft in Anspruch genommen wird. Sie vertritt vielmehr die Auffassung, dass aus der unzulässigen Erweiterung eine fehlerhafte Inanspruchnahme des Anmeldetages zu folgern sei.
Nach der Entscheidung Momentanpol steht es der Wirksamkeit eines abgezweigten Schutzrechts nicht entgegen, wenn dieses über die ursprüngliche Patentanmeldung hinausgeht (BGH, GRUR 2003, 876 – Momentanpol), wobei keine Rechte aus der unzulässigen Erweiterung hergeleitet werden dürfen (a. a. O.). Die Klägerin leitet vorliegend im Rahmen ihres Hauptsachbegehrens – wie ausgeführt – keine Rechte aus der unzulässigen Erweiterung her, wenn sie allein Ansprüche aus einer beschränkten Fassung des Klagepatents geltend macht.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Klagepatent durch den Ausschluss von Lathanoxid unzulässig erweitert wurde. Hiergegen spricht bereits, dass die Einspruchsabteilung das Klagepatent in der hier geltend gemachten Fassung aufrecht erhalten hat und damit das neu eingefügte Merkmal als zulässig erachtet hat. Die von der Beklagten zum Beleg der Unzulässigkeit dieser Änderung angeführte Rechtsprechung betrifft auch insbesondere die insofern strengeren Maßstäbe des Europäischen Patentamts.
6.
Die Feststellung der Verletzung rechtfertigen die von der Klägerin mit ihren Anträgen in der Hauptsache begehrten Rechtsfolgen.
a)
Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 139 Abs. 1 Satz 1, 10 PatG zu.
Es ist auch weder vorgetragen noch erkennbar, dass der angegriffene Rohling auf eine andere Art und Weise als der dargestellten, patentverletzenden eingesetzt werden kann, woraus zugleich ein Schlechthin-Verbot folgt.
b)
Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche stehen der Klägerin in dem begehrten Umfang gem. § 140b Abs. 1, 3 PatG bzw. §§ 242, 259 BGB zu, damit sie in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihr verlangte Auskunft auch nicht erkennbar unzumutbar belastet.
c)
Die Beklagte hat der Klägerin gem. § 139 Abs. 2 PatG auch Schadensersatz zu leisten.
Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) erkennen können.
Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
7.
Die Entscheidung über den Rechtsbestand ist zwar vorgreiflich, indes sieht die Kammer im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung keine hinreichenden Gründe, das Verfahren gem. § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den Beschluss des DPMA vom 09.12.2015 eingelegten Beschwerden (BPatG 14 W (pat) 4/16) auszusetzen.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits ist daher grundsätzlich nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent vernichtet wird (BGH, GRUR 2014, 1237, Rn. 4 – Kurznachrichten). Wird der Klageantrag im Verletzungsverfahren auf eine gegenüber der erteilten Fassung beschränkte Anspruchsfassung gestützt, so ist diese Fassung für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines parallelen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens maßgeblich, wenn sich der Patentinhaber auch in einem Haupt- oder Hilfsantrag in dem Nichtigkeitsverfahren entsprechend verteidigt (Grabinski/ Zülch, in: Benkard, PatG, Kommentar 11. Auflage, 2015, § 139, Rn. 107).
Orientiert an diesem Maßstab kam eine Aussetzung des Verfahrens vorliegend nicht in Betracht. Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer am 31.03.2016 erklärt, die vorliegend in der Hauptsache geltend gemachten Patentanspruchsfassung (d.h. den vom DPMA aufrechterhaltenen Patentanspruch) auch in dem Einspruchsbeschwerdeverfahren zumindest hilfsweise zu verteidigen. Vor dem Hintergrund, dass die vorliegend geltend gemachte beschränkte Anspruchsfassung von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten worden ist, kann es nicht als hinreichend wahrscheinlich erachtet werden, dass das Patent in dem hier geltend gemachten Umfang widerrufen wird.
Es ist auch nicht erkennbar, dass diese Entscheidung der Einspruchsabteilung offensichtlich fehlerhaft ist. Auch die Kammer ist der Auffassung, dass das Stammpatent bei der Frage der Neuheitsschädlichkeit nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen ist. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Vorbenutzungsrecht ausgeführt (Ziff. 5.) nimmt das Klagepatent die Priorität der Stammanmeldung zu Recht in Anspruch, mit der Folge, dass das Stammpatent keinen Stand der Technik im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 PatG bildet. Eine unzulässige Erweiterung durch die Aufnahme der neu hinzugefügten Merkmale lässt sich nicht feststellen
Insbesondere erweist sich die Entgegenhaltung DE ‘XXX auch bei Zugrundelegen des Verständnisses der patentgemäßen Lehre im Rahmen der Verletzungsdiskussion (zu der erforderlichen Übereinstimmung vgl. BGH, GRUR 2010, 858, 859 [13] m. w. N. – Crimpwerkzeug III) nicht als neuheitsschädlich, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 3 PatG. Denn in der DE ‘XXX ist Lanthanoxid in einer Menge von 0,1 Gew-% vorhanden. Diesem Stoff kommt eine technische Wirkung zu, in dem er dort als für die Temperaturbeständigkeit erfindungswesentlicher Vorteil beschrieben wird (DE ‘XXX, S. 4, Z. 59 – 61, Anlage B 33). Ein solcher Anteil fällt aber – wie oben erörtert – nicht mehr unter das hinzugefügte Merkmal „kein Lanthanoxid“.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Der Beklagten musste nicht gestattet werden, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden. Diese hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch die Vollstreckung des hiesigen Urteils ein nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne von § 712 Abs. 1 ZPO entstehen würde.
IV.
Die Kammer hat davon abgesehen, die mündliche Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO auf den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2016 wiederzueröffnen.
V.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.