Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2489
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. März 2016, Az. 4b O 39/14
I.
Der Beklagte zu 2) wird als Gesamtschuldner verurteilt, 57.776,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.05.2014 und Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten für die jeweils nachfolgend angegebenen Beträge und Zeiträume zu zahlen,
aus 8.383,28 EUR seit dem 10.04.2011 bis zum 09.05.2014;
aus 2.874,38 EUR seit dem 10.07.2011 bis zum 09.05.2014;
aus 5.900,06 EUR seit dem 10.10.2011 bis zum 09.05.2014;
aus 7.223,48 EUR seit dem 10.01.2012 bis zum 09.05.2014;
aus 14.467,53 EUR seit dem 10.04.2012 bis zum 09.05.2014;
aus 11.447,39 EUR seit dem 10.07.2012 bis zum 09.05.2014;
aus 1.305,56 EUR seit dem 10.10.2012 bis zum 09.05.2014;
aus 1.019,17 EUR seit dem 10.01.2013 bis zum 09.05.2014;
aus 4.696,15 EUR seit dem 10.04.2013 bis zum 09.05.2014;
aus 116,33 EUR seit dem 10.07.2013 bis zum 09.05.2014.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 60% und die Beklagten zu 40% als Gesamtschuldner zu tragen.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu voll- streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Schadensersatzforderung wegen Patentverletzung.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten in englischer Verfahrenssprache abgefassten europäischen Patents 1 810 XXX B1 (Anlage PP1, im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 19.01.2007 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 20.01.2006 angemeldet. Die Anmeldung des Klagepatents wurde am 25.07.2007, seine Erteilung am 12.01.2011 veröffentlicht. Gegen das Klagepatent wurde unter dem 14.03.2011 Einspruch eingelegt, der mit Entscheidung vom 06.02.2013 zurückgewiesen wurde (Anlage AK 1). Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Das Klagepatent betrifft eine Anzeigevorrichtung. Wegen des Originalwortlauts des maßgeblichen Anspruchs 1 des Klagepatents wird auf die Anlage PP 1 Bezug genommen.
Der Anspruch 1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
„Anzeigeneinheit, die an einer Stange (500) angebracht ist, welche einen Körper (100) aufweist, der einen Anzeigenteil (110) hat, der in der Lage ist, einen ersten Anzeigenzustand zu realisieren, der erste Daten anzeigt, und einen zweiten Anzeigenzustand, der zweite Daten anzeigt, wobei die ersten und zweiten Anzeigenzustände durch Herunterdrücken des Körpers (100) von oben geschaltet werden,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Körper (100) drehbar auf einem Sicherungsmittel (200) zum Sichern des Körpers (100) an der Stange getragen wird, und wobei ein Umschalter (130) zum Schalten der ersten und zweiten Anzeigenzustände so vorgesehen ist, dass er von einer Oberfläche des Körpers (100) gegenüber dem Sicherungsmittel (200) vorsteht, so dass der Körper (100) gegen das Sicherungsmittel (200) zum Hochdrücken des Umschalters (130) gepresst wird, wodurch der Anzeigenzustand geschaltet wird.“
Zur Veranschaulichung sind nachfolgend (verkleinert) die Figuren 5 und 12 der Klagepatentschrift eingeblendet. Figur 5 zeigt einen Schnitt durch einen Körper eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, Figur 12 ist ein Diagramm zum Darstellen der Position des Schwerpunkts der Anzeigeneinheit gemäß einem bevorzugten Ausführungsbeis
Der Beklagte zu 1) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A europe GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 04.05.2015 eröffnet. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin.
Die Gemeinschuldnerin stellte her und vertrieb Anzeigeneinheiten (nachfolgend: Verletzungsformen), die sie als Produktserie „B“ bezeichnete. Diese Serie beinhaltete folgende Modelle: „BC“, „BD“, „BC E“, „BD gold“, „BD white“, „BC F E“ und „BD F E“. Die Verletzungsformen mit dem Zusatz „C“ sind solche, bei denen die Datenübertragung vom Sensor zum Computer kabelgebunden ist. Bei den „D“-Modellen erfolgt die Datenübertragung kabellos. Die Modelle „E“ erfassen die Trittfrequenz, die „F E“ hingegen nicht. Die Verletzungsform „BD“ wurde mit dem G-Preis ausgezeichnet.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 15.11.2012 stellte das Landgericht Düsseldorf dem Grunde nach fest, dass die Gemeinschuldnerin und der Beklagte zu 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch das Herstellen, Anbieten, in Verkehr bringen, den Gebrauch, die Einfuhr und den Besitz patentgemäßer Anzeigevorrichtungen und seit dem 12.01.2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das als Anlage PP 3 zur Akte gereichten Urteil Bezug genommen.
Die Beklagten erteilten in der Folgezeit Auskunft und legten Rechnung mit Schreiben vom 28.06.2013 (Anlage PP 4 sowie Anlagenkonvolut 5.1 – 5.8). Hierauf basierend macht die Klägerin Schadensersatz nach der Berechnungsmethode Verletzergewinn bei einem Kausalitätsanteil von 60 % geltend. Sie unterscheidet dabei nach den einzelnen Modellen der Verletzungsformen:
Sie bringt bei den jeweiligen Modellen in der Klageforderung gewinnmindernd die Einkaufspreise, Reklamationen, Marketingkosten der Beklagten zu 1) sowie die Abgabe von Testgeräten und Gutschriften in Abzug. Da die abzugsfähigen Kosten des Modells „BD gold“ den Gewinn der Klägerin übersteigen, macht sie für dieses Modell keinen Schadensersatz geltend.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass anteilige Transport- und Importkosten keine abzugsfähigen Kosten darstellten, da es sich um „sowieso“-Kosten handele. So zeigten alle von den Beklagten übermittelten Belege, die sich auf Lieferungen der Fahrradcomputer der B-Serie bezögen, dass zusätzlich weitere, patentverletzende Ware mitgeliefert worden seien.
Ferner belaufe sich der Anteil, in welchem Umfang die Verletzungshandlung kausal für den Verletzergewinn gewesen sei, auf 60 % – 90 %.
Die Kaufentscheidung der Abnehmer sei überwiegend durch die Vorteile des Klagepatents beeinflusst worden. Dies folge nicht zuletzt daraus, dass die Gemeinschuldnerin die Verletzungsformen gerade mit diesen Vorteilen intensiv beworben habe. Die klagepatentgemäßen Vorteile lägen insbesondere in der „H“, der verbesserten Bedienbarkeit und der im Verhältnis zur Anzeigeneinheit großen Anzeigenfläche. Die werblichen Kernaussagen der Gemeinschuldnerin – großes Display, Durchschalten der Funktionen, exzellente Ablesbarkeit und einfache Bedienung – fänden sich in allen Werbemitteln der Beklagten, die der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden seien. Auch die Fachpresse hebe diese Eigenschaften hervor. So seien die Positionierung des Umschalters und seine Anbringung am Sicherungsmittel entscheidend, da auch gerade das Verstecken des Schalters auf der Rückseite betont werde.
Sofern auf Design-Merkmale abgestellt werde, beträfen diese gerade die Größengestaltung und nicht andere, dem Klagepatent nicht zurechenbare Designelemente. Dies zeige auch die Begründung der Jury für den G-Preis. Ferner würden auch die im Netz zu findenden Kundenrezensionen der Abnehmer überwiegend auf die leichte Bedienbarkeit abstellen. Das Design sei abgesehen von dem bis zum Rand der Oberseite des Körpers gestalteten Display für die Lesbarkeit der Tachoangaben nebensächlich. Ein etwaiger Design-Vorteil sei bis zum ersten Quartal 2011 jedenfalls verloren gegangen. Die Verletzungsformen höben sich durch ihre Schlichtheit und Einfachheit nicht im Markt ab, sondern fügten sich in das vorhandene Produktfeld ein.
Die E5 sei den Abnehmern der Verletzungsformen nicht bekannt gewesen, deren Kaufentscheidung sei nicht darauf zurückzuführen. Sie betreffe ein Mobiltelefon und sei nicht relevant für die Beurteilung der Marktchancen der Verletzungsformen. Ein Mobiltelefon stelle keine gleichwertige Alternative zu einem Fahrradcomputer dar. Im Verletzungszeitpunkt sei überdies keine gleichwertige Alternative zur klagepatentgemäßen Lösung vorhanden gewesen. Die patentgemäße Lösung zeichne sich ebenso wie die Verletzungsformen dadurch aus, dass der Körper des Fahrradcomputers nach Lösen vom Sicherungsmittel bedienbar bleibe. Eine entsprechende Ausführung mit einem Umschalter am Sicherungsmittel sei hingegen kein Ersatz.
Das Klagepatent vereinfache und verbessere gerade die Bedienung von Fahrradcomputern, die herkömmlich den Umschalter auf der Oberseite des Körpers oder seitlich angeordnet hätten. Die Seitenfläche sei deutlich kleiner und bei unebenen Fahruntergrund oder einer behandschuhten Hand schwerer zu betätigen. Ein weiterer Nachteil eines bloßen Knopfdrucks in Fahrrichtung liege in der Verschiebung des Fahrradcomputers, die durch die Kraftüberschreitung bei täglichem Gebrauch auftreten würde, und mit der Zeit eine Nachjustierung des Fahrradcomputers erfordere. Bei Umschaltern auf der Oberfläche müsse hingegen das Display verkleinert werden und der Umschalter sei ebenfalls schwerer zu treffen. Die einfache Bedienbarkeit sei demnach ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den anderen Produkten auf dem Markt gewesen.
Eine technische Lösung, die im Verletzungszeitraum (noch) nicht zur Verfügung stand, sei für die Beurteilung der Marktchancen in diesem Zeitraum unerheblich. So verhalte es sich mit der „B_pc“-Serie, die erst seit 2014 am Markt erhältlich sei.
Die Klägerin hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 02.10.2015 gegen den Beklagten zu 1) aufgenommen und mit Schriftsatz vom 19.10.2015 die Feststellung beantragt, dass der Klägerin eine Insolvenzforderung in Höhe von 138.575,98 EUR nebst Zinsen gegen die gesamtschuldnerisch haftende Gemeinschuldnerin und dem Beklagten zu 2) zusteht. Mit Schriftsatz vom 10.12.2015 und 21.12.2015 haben die Klägerin und der Beklagte zu 1) übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Nachdem die Klägerin zunächst eine Klageforderung in Höhe von 138.575,98 EUR und Verzugszinsen in einer Quartalsstaffelung begehrt hat, beantragt sie sinngemäß nunmehr,
den Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, 138.663,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten für die jeweils nachfolgend angegebenen Beträge und Zeiträume zu zahlen:
aus 20.119,86 EUR seit dem 10.04.2011 bis Rechtshängigkeit;
aus 6.898,50 EUR seit dem 10.07.2011 bis Rechtshängigkeit;
aus 14.160,14 EUR seit dem 10.10.2011 bis Rechtshängigkeit;
aus 17.336,35 EUR seit dem 10.01.2012 bis Rechtshängigkeit;
aus 34.722,07 EUR seit dem 10.04.2012 bis Rechtshängigkeit;
aus 27.473,73 EUR seit dem 10.07.2012 bis Rechtshängigkeit;
aus 3.133,35 EUR seit dem 10.10.2012 bis Rechtshängigkeit;
aus 2.446,02 EUR seit dem 10.01.2013 bis Rechtshängigkeit;
aus..11.270,76 EUR seit dem 10.04.2013 bis Rechtshängigkeit;
aus 279,19 EUR seit dem 10.07.2013 bis Rechtshängigkeit.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 2) ist der Ansicht, dass die in der Rechnungslegung ausgewiesenen Transport- und Importkosten abzugsfähig seien, da sie durch den Transport der Verletzungsformen jedenfalls maßgeblich mitverursacht worden seien.
Ferner belaufe sich der Kausalitätsanteil am Gewinn auf höchstens 15%. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Einspruchsabteilung die Erfindungshöhe allein aufgrund einer kinematischen Umkehr – der Anordnung des (Um-)Schalters an der Unterseite des Gehäuses der Anzeigeneinheit anstelle seiner Anbringung in der Halterung bzw. im Sicherungsmittel – bejaht habe. Für den Benutzer sei die Anordnung des (Um-)Schalters jedoch völlig gleichgültig. Es handele sich um eine Detailerfindung. Insbesondere die WO 2004/107146 A2 (Anlagen K4, K4a, nachfolgend: E5) – die nicht nur auf Mobiltelefone eingeschränkt sei – unterscheide sich von der klagepatentgemäßen Erfindung nur dadurch, dass der Umschalter auf dem Sicherungsmittel direkt angebracht sei anstatt auf dem Körper. Die Einspruchsabteilung habe insoweit völlig überraschend die erfinderische Tätigkeit bejaht.
Die Position des Umschalters habe auf die Bedienbarkeit des Fahrradcomputers keinen maßgeblichen Einfluss. Auch ein seitlich angebrachter Knopf sei einfach zu bedienen. Eine mangelnde Verfehlbarkeit sowie die Haltbarkeit der Positionierung des Fahrradcomputers seien auch dann gegeben, wenn sich der Umschalter im Sicherungsmittel befinde. Dies zeichne nicht die klagepatentgemäße Erfindung aus. Auch die Größe der Anzeige sei für die Anbringung des Umschalters unerheblich.
Vergleichbare Modelle seien auf dem Markt vorhanden gewesen. Das Modell „E9“ (nachfolgend: E9) sei seit 2003 bis jedenfalls 2014 in Deutschland erhältlich gewesen. Hier ist der Umschaltknopf – unstreitig – ebenso wie bei der klagepatentgemäßen Lösung am Körper befindlich. Der Fahrradcomputer „J K“ (nachfolgend: J), dessen Umschalter am Trägersystem befestigt sei, ist – insoweit unstreitig – bereits seit 2012 erhältlich gewesen. Das Modell „L“ (nachfolgend: E17) sei ebenfalls seit 2011 in Deutschland erhältlich gewesen und weist ebenfalls den Umschalter am Körper auf. Relevanter Markt sei jedenfalls die europäische Union, aber auch die USA, Kanada und Asien.
Für die Kaufentscheidung sei im Übrigen das außergewöhnliche Design ausschlaggebend. So sei für die Jury des G-Preises die Schlichtheit des Bs mit dem glatten Design und die einfache Bedienung entscheidend für die Preisvergabe gewesen. Auch in einer Besprechung in der Fachzeitschrift „M“ (Anlage AK 7) sei entsprechendes zu lesen. Die Größengestaltung in der schlichten und einfachen Form mache exakt das Design aus und sei allein auf die Leistungen der Beklagten in dem Bereich zurückzuführen. Ob ein unter dem Anzeigengehäuse liegender Umschalter von unten nach oben in das Gehäuse (Fahrradcomputer) oder von oben nach unten in die Halterung (Sicherungsmittel) gedrückt werde, sei sowohl für den Endabnehmer als auch für die Fachwelt uninteressant. Insbesondere bei technischen Geräten seien die Schlichtheit und Einfachheit des Designs maßgebliche wertbestimmende Faktoren eines Produktes. Gerade das reduzierte Design der Verletzungsformen in der Beschriftung und der nahezu quadratischen Form und die harmonische Anordnung seien im Vergleich zu den sonstigen Produkten am Markt ausschlaggebend für die Kaufentscheidung.
Der Verkauf der Verletzungsformen sei überdies auf die Vertriebsbemühungen des Beklagten zu 1) zurückzuführen. In ihrer Werbung sei nicht nur auf die „N“-Funktion hingewiesen worden, sondern die Beklagten hätten auch mit dem schlichten Design und dem G-Preis geworben, indem sie insbesondere den Slogan „“ verbunden mit der Darstellung der schlichten Form verbunden hätten. So sei auch die Größe des Displays kein Merkmal, das ausschließlich auf das Klagepatent zurückzuführen sei. Das Merkmal der einfachen Bedienung würde hingegen von einer Vielzahl von Fahrradcomputern erfüllt.
Bei der nunmehr von den Beklagten vertriebenen B-pc-Serie sei die Umschalttechnik dahingehend geändert worden, dass ebenso wie in der E5 der Umschaltpin im Sicherungsmittel angeordnet sei und bei Betätigung hineingedrückt werde. An seiner Funktionalität habe der Fahrradcomputer durch diese Veränderung hingegen nichts eingebüßt. Die gleiche Funktion böten Fahrradcomputer der Hersteller J. Bei beiden Produkten handele es sich aber um freien Stand der Technik.
Auch die Verletzungsformen ließen sich nach Ablösen vom Sicherungsmittel nicht weiter bedienen.
Indem die Klägerin das Model „O“ seit 5 Jahren auf dem deutschen Markt dulde, habe sie den Anspruch gegen die Beklagte verwirkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 03.07.2014, 23.07.2015 und 18.02.2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als der Beklagte zu 2) Schadenersatz in Höhe von 57.776,50 € zu zahlen hat. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
I.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) nur einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 57.776,50 € aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 S. 2 PatG. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Zur Ermittlung des der Klägerin entstandenen Schadens stützt sich die Klägerin auf die Berechnungsmethode der Herausgabe des Verletzergewinns.
1)
Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns folgt nach der Umsetzung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29.04.2004 (Richtlinie 2004/48/EG) unmittelbar aus § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG. Der durch die Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts zu kompensierende Schaden ist bereits in der Beeinträchtigung des absoluten Rechts und der mit diesem verbundenen, allein dem Inhaber zugewiesenen Nutzungsmöglichkeit zu sehen (BGH, GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger; BGH, GRUR 2008, 93 – Zerkleinerungsvorrichtung; BGH, GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl). Der Schaden besteht darin, dass der Verletzer die von dem immateriellen Schutzgut vermittelten konkreten Marktchancen für sich nutzt und sie damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entzieht (OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 31/14 – Funkarmbanduhren).
Bei der Herausgabe des Verletzergewinns ist es – ebenso wie bei den beiden anderen Berechnungsmethoden – das Ziel, den Betrag zu ermitteln, der zum Ausgleich des erlittenen Schadens erforderlich und angemessen ist und dem wirtschaftlichen Wert des Schutzrechts sowie der in ihm verkörperten Marktchance entspricht. Zu diesem Zweck ist der Verletzer verpflichtet, den durch die Verletzungshandlungen erzielten Gewinn vollständig insoweit, aber auch nur insoweit herauszugeben, als er auf der Benutzung des Klagepatents beruht (BGH, GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger). Zur Ermittlung des nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns zu zahlenden Schadensersatzes ist in einem ersten Schritt der Gewinn zu ermitteln, den der Verletzer mit den patentverletzenden Gegenständen erzielt hat. Dabei werden die berücksichtigungsfähigen Kosten des Verletzers vom erzielten Umsatzerlös abgezogen. In einem zweiten Schritt ist der Anteil des Verletzergewinns zu bestimmen, der kausal auf der Verletzung des fremden Schutzrechts beruht; nur dieser ist vom Verletzer herauszugeben (OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren; Urteil v. 04.10.2012, Az.: I-2 U 76/11 – Kabelschloss).
2)
Die Gewinne der Gemeinschuldnerin bzw. des Beklagten zu 2) betragen € 231.106,01. Diese errechnen sich aus dem Umsatzerlös in Höhe von € 519.437,75 abzüglich der abzugsfähigen Kosten in Höhe von € 288.331,74.
a)
Die von März 2011 bis Mai 2013 mit den Verletzungsformen erzielten Umsatzerlöse belaufen sich auf € 519.437,75. Diese verteilen sich auf die einzelnen Modelle wie nachfolgend aufgelistet.
b)
Bei der Ermittlung des Verletzergewinns sind nach der Gemeinkostenanteil-Entscheidung des Bundesgerichtshofs von den erzielten Erlösen nur die variablen, vom Beschäftigungsgrad abhängigen Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstände abzuziehen, nicht auch Fixkosten, d.h. solche Kosten, die von der jeweiligen Beschäftigung unabhängig sind. Gemeinkosten sind zwar Voraussetzung für die Leistungserstellung und damit gegebenenfalls für die Herstellung schutzrechtsverletzender Gegenstände. Sie können jedoch einer solchen Produktion im Allgemeinen nicht unmittelbar zugerechnet werden. Bei Fixkosten besteht dementsprechend die Vermutung, dass sie ohnehin angefallen wären. Falls und soweit Fixkosten und variable Gemeinkosten ausnahmsweise den schutzrechtsverletzenden Gegenständen unmittelbar zugerechnet werden können, sind diese allerdings bei der Ermittlung des Verletzergewinns von den Erlösen abzuziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren; BGH, GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil). Diese Grundsätze finden ebenfalls im Patentrecht Anwendung (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren; Urteil v. 04.10.2012, Az.: I-2 U 76/11 – Kabelschloss).
Den Verletzer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, in welcher Höhe welche Kosten entstanden sind und dass diese im konkreten Fall ausschließlich den schutzrechtsverletzenden Gegenständen zuzuordnen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren m.w.N.). Für die Abzugsfähigkeit von auf Herstellung und Vertrieb der Verletzungsgegenstände entfallenden Kosten genügt es dabei nicht, dass diese rechnerisch exakt ermittelt werden können. Vielmehr muss darüber hinaus die Annahme gerechtfertigt sein, dass diese Kosten ohne die Schutzrechtsverletzung nicht entstanden wären. Dazu ist erforderlich, dass sie den Verletzungsgegenständen unmittelbar zugeordnet werden können. Das ist zu bejahen, wenn die in Rede stehenden Kosten ohne den Verletzungsgegenstand entfallen, aber nicht, wenn es sich um vom Verletzungsprodukt unabhängige Kosten handelt, die auch entstanden wären, wenn die Verletzungshandlung hinweg gedacht wird. Dies bedeutet, dass es sich nicht um sog. „Sowieso-Kosten“ handeln darf, mit denen der Geschäftsbetrieb auch ohne das Verletzungsprodukt belastet gewesen wäre. Darüber hinaus sind nur solche Kosten zu berücksichtigen, die ihrer Art nach auch in einem fingierten laufenden, auf Herstellung und Vertrieb solcher Produkte eingerichteten Betrieb des Verletzten angefallen wären (BGH, GRUR 2007, 431 – Steckverbindergehäuse; OLG, Düsseldorf, Urteil v. 04.10.2012, Az.: I-2 U 76/11 – Kabelschloss; OLG Düsseldorf, InstGE 13, 199 – Schräg-Raffstore; OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren).
c)
Nach den vorstehenden Grundsätzen hat die Klägerin zu Recht bei den jeweiligen Modellen die entstandenen Kosten für Reklamationen, Marketing, Testgeräte sowie Einkaufspreise in Abzug gebracht. Gleiches gilt für die Gutschriften, deren Grundgeschäft nach dem titulierten Stichtag – 12.01.2011 – getätigt worden sind.
Insofern ergeben sich bei den jeweiligen Modellen nachfolgend aufgelistete abzugsfähige Kosten:
Von dem Umsatzerlös sind insgesamt € 288.331,74 an gewinnmindernden Kosten abzuziehen.
aa)
Die Einkaufspreise für die Anschaffung der Verletzungsformen sind diesen unzweifelhaft unmittelbar zuordnerbar. Gleiches gilt für die Kosten des Testgeräts.
bb)
Bei den Marketingkosten handelte es sich nicht um allgemeine Kosten, die unabhängig vom Umfang der Produktion durch die bloße Unterhaltung des Betriebs entstanden sind (vgl. BGH, GRUR 2007, 431 – Steckverbindergehäuse). Sie können vielmehr konkret den Verletzungsformen zugeordnet werden. Es ist allerdings kein Grund ersichtlich, warum sich die Marketingkosten höher als der Einkaufspreis belaufen sollten. Der bei den Modellen „BC“ und „BD“ insoweit getätigte Abzug ist daher gerechtfertigt. Dem ist der Beklagte zu 2) auch nicht mehr entgegen getreten.
cc)
Auch die Reklamationskosten – also Lieferungen für irreparable defekte Ersatzgeräte – würden, wenn es die Verletzungsform nicht gegeben hätte, entfallen und können daher unmittelbar zugeordnet werden. Sofern die Klägerin bei dem Modell „BD F E“ einzelne Reklamationen bei den abzugsfähigen Kosten nicht berücksichtigt hat, weil die dortigen Empfänger nicht in der Übersichtsliste zum Verkauf genannt sind (Anlage PP 5.1 a.E.), und insofern den Rückschluss zieht, dass diese den Reklamationen zugrundeliegenden Lieferungen vor dem streitgegenständlichen Stichtag erfolgten, ist die Beklagte dem nicht entgegen getreten. Ersatzlieferungen für nicht klagepatentverletzende Ausführungen können allerdings den Verletzungsformen und dem damit erwirtschafteten Umsatz gerade nicht zugeordnet werden. Insofern sind die auf Bl. 27 GA konkret genannten Reklamationen nicht abzugsfähig.
dd)
Ähnlich verhält es sich mit den Gutschriften. Grundsätzlich sind diese gewinnmindernd abzüglich der Einkaufskosten zu berücksichtigen, da die Gutschriften unstreitig für die konkreten Verletzungsformen erteilt wurden. Der Abzug der Einkaufskosten ist gerechtfertigt, weil die Klägerin die Verletzungsform zurückerhalten hat. Anderenfalls würden die betreffenden Verletzungsformen zweimal gewinnmindernd berücksichtigt.
Ebenso wenig zu beanstanden ist, dass die Klägerin solche Gutschriften, deren in der Folgezeit rückabgewickelter Kaufvertrag als Kausalgeschäft vor dem 11.01.2011 geschlossen wurde, als nicht abzugsfähig ansieht. Denn die vor dem 11.01.2011 erfolgten Verkäufe betrafen nicht konkrete Verletzungsprodukte, da (Klage-)patentschutz erst ab diesem Zeitpunkt bestand. Der mit diesen Verkäufen generierte Umsatz ist folglich nicht Bestandteil der Berechnungsgrundlage des Verletzergewinns. Daher können etwaige Rückzahlungen ebenfalls nicht gewinnmindernd in Ansatz gebracht werden.
Die Gutschrift AGU BV erscheint in Höhe von € 142,50 nicht zu der Rechnung passend. Mangels anderslautenden Vortrags des Beklagten zu 2) scheidet diese aus den Berechnungen aus.
ee)
Sofern die Klägerin nach ihrem Vortrag verschiedene Ungenauigkeiten wie eine rechnerisch falsche Summe der verkauften Einheiten bei dem Modell „BC“ und falsche Wechselkurse bei dem Modell „BD“, „BD white“ und „BD F E“ in ihrer Berechnung der abzugsfähigen Kosten berücksichtigt hat, ist der Beklagte zu 2) dem nicht mehr entgegengetreten.
b)
Von den erzielten Erlösen sind vorliegend nicht die anteiligen Transport- und Importkosten abzuziehen, da der Transport neben den Verletzungsformen auch andere Produkte betraf, diese gemeinsam versendet und der Gemeinschuldnerin in Rechnung gestellt wurden, aber nicht festzustellen ist, dass tatsächlich zusätzliche Kosten für die Verletzungsformen angefallen sind.
aa)
Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf wird eine unmittelbare Zuordnung von Logistikkosten verneint, sofern der Hin-und Rückversand neben Verletzungsprodukten auch andere Produkte betrifft, diese gemeinsam vertrieben und in Rechnung gestellt wurden, aber nicht festzustellen ist, dass tatsächlich zusätzliche Kosten für die Verletzungsformen angefallen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren; Urteil v. 04.10.2012, Az.: I-2 U 76/11 – Kabelschloss). So stellt die hiesige obergerichtliche Rechtsprechung bei der Versendung von Paketen, die Verletzungsformen und andere Produkte enthalten und bei denen die Paketkosten für das Sammelpaket nicht höher sind als diejenigen, mit denen das nicht verletzende Produkt allein versandt wird, auf eine fehlende unmittelbare Zurechnung ab. Eine anteilige unmittelbare Zurechnung verneint das OLG Düsseldorf, weil die Kosten für das nicht-verletzende Produkt Kosten sind, die auch unabhängig vom Vertrieb des Verletzungsprodukts anfallen würden und somit wertungsmäßig den allgemeinen Unternehmenskosten gleichzustellen sind. (vgl. vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren; Urteil v. 04.10.2012, Az.: I-2 U 76/11 – Kabelschloss). Der Verletzer soll nicht dafür „belohnt“ werden, dass er anlässlich der Patentverletzung ökonomisch vorgegangen ist, indem er es sich zunutze macht, dass Maßnahmen, für die im Zusammenhang mit anderweitigen Vertriebshandlungen ohnehin dieselben Kosten entstanden wären, auch für die Durchführung der Verletzungshandlung fruchtbar gemacht werden. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung sind solche Kostenpositionen der allgemeinen Unterhaltung des Betriebs des Verletzers zuzuordnen und daher insgesamt nicht abzugsfähig (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren; Urteil v. 04.10.2012, Az.: I-2 U 76/11 – Kabelschloss).
bb)
Diese Grundsätze lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Ausweislich der Rechnungen des Herstellers Dayton Industrial Co., Ltd. (beispielsweise der Rechnung Nr. 110372 ) wurden sowohl verletzende als auch nicht-verletzende Produkte in 31 Paketen verpackt an die Beklagte zu 1) versandt. Für diese 31 Pakete fielen ausweislich der Import-Rechnung der DSV (Nr. 10412869) einheitliche Zoll- und Frachtpreise an, ebenso wie einheitliche Gebühren für u.a. Nutzung des Gabelstaplers, der Zollabfertigung etc. Bei der einzigen Rechnung, bei der nicht Positionen von anderen Produkten heraus gerechnet oder geschwärzt sind (Anlage PP 5.8, Seite 46, 47), handelt es sich um einen Transportauftrag aus einer Lagerhaltung. Allerdings ist die Bezeichnung der Verletzungsprodukte handschriftlich und mit einer Benennung (B gold) versehen, die sonst nicht verwendet wird. Abgesehen davon findet sich auf diesem Transportauftrag gerade keine separate Rechnungsstellung.
Eine unmittelbare Zuordnung ist bei diesen – von den Beklagten auch selbst so bezeichneten – „anteiligen“ Kosten nicht möglich. Diese Kosten sind daher allgemein, also betriebsbezogen zu werten.
3)
Von dem unter 2) ermittelten Gewinn in Höhe von € 231.106,01 ist nur ein Anteil von 25% auf die Verletzung des Klagepatents zurückzuführen. Daraus resultiert ein Schaden der Klägerin in Höhe von 57.776,50 €.
Von dem ermittelten Gewinn ist als Verletzergewinn nur dasjenige herauszugeben, was auf der Rechtsverletzung beruht. Dabei ist nicht ohne weiteres anzunehmen, dass der erzielte Gewinn in vollem Umfang auf der Benutzung der patentgeschützten technischen Lehre beruht, indem jeder Kaufentschluss und damit der gesamte Gewinn allein dadurch verursacht worden ist. Das ist in denjenigen Fällen offensichtlich, in denen der geschützte Gegenstand nur ein Detail des in den Verkehr gebrachten größeren Gegenstands betrifft. Aber auch wenn der in den Verkehr gebrachte Gegenstand durch das Schutzrecht mitgeprägt wird, beruht der erzielte Gewinn nicht notwendigerweise nur auf der Benutzung des verletzten Immaterialgüterrechts. So können für die Entscheidung zum Kauf eines Gebrauchsgegenstandes neben den technischen Vorteilen der erfindungsgemäßen Lösung die Formgestaltung des Produkts, sein Hersteller oder die verwendete Marke und damit verbundene Qualitätserwartungen, der Preis und andere vom Patent unabhängige Faktoren die Marktchancen beeinflussen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren m.w.N.).
In welchem Umfang der erzielte Gewinn auf die Schutzrechtsverletzung zurückzuführen ist, lässt sich regelmäßig – zumindest mit praktisch vertretbarem Aufwand – nicht genau ermitteln, sondern nur abschätzen. Der erzielte Gewinn muss nicht nur in ursächlichem Zusammenhang zu der Patentverletzung, sondern in einer solchen Beziehung zu dem Patent und der Patentverletzung stehen, dass er eben deshalb billigerweise dem Patentinhaber gebührt (BGH, GRUR 1962, 509 – Dia-Rähmchen II). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn ist daher nicht im Sinne adäquater Kausalität zu verstehen, sondern es ist wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstandes oder anderen Faktoren beruht (OLG Düsseldorf, InstGE 5, 251 – Lifter; BGH, GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl). Die Höhe des herauszugebenden Verletzergewinns lässt sich insoweit daher nicht berechnen. Es ist vielmehr gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (BGH, GRUR 2007, 431 – Steckverbindergehäuse) nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden, ob zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn der ursächliche Zusammenhang im Rechtssinne besteht und wie hoch der danach herauszugebende Gewinnanteil zu beziffern ist (BGH, GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II; BGH, GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl; OLG Düsseldorf, InstGE 13, 199 – Schräg-Raffstore). Die Grundlagen dieser Schätzung sind – soweit möglich – objektiv zu ermitteln, und über bestrittene Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen ist Beweis zu erheben (BGH, GRUR 1995, 578 – Steuereinrichtung II). Die Gesamtheit aller Umstände ist sodann abzuwägen und zu gewichten (BGH, GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II; BGH, GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger; Kühnen, aaO, Rn. 2699; Voß/Kühnen in: Schulte, aaO, § 139 Rn. 129 m. w. N.). Es ist Sache des Schutzrechtsinhabers, dazu vorzutragen, inwieweit der Verletzergewinn auf der Schutzrechtsverletzung beruht (BGH, GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl; OLG Düsseldorf, InstGE 13, 199 – Schräg-Raffstore; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren m.w.N.).
a)
Wesentlich für den Kausalanteil am Gewinn ist im vorliegenden Fall, dass sich die patentgemäße Erfindung im Verletzungszeitraum von 2011 bis 2013 in gewichtigen technischen Details von alternativ vorhandenen technischen Lösungen unterschied.
Grundlegendes Kriterium für die Bestimmung des Kausalanteils ist der Abstand der geschützten Erfindung gegenüber dem marktrelevanten Stand der Technik. Diesem Abstand kommt regelmäßig besondere Bedeutung zu, weil dieser Rückschlüsse darauf zulässt, in welchem Umfang die Nachfrage des Produkts auf die mit der Verwendung des Patents zusammenhängenden Eigenschaften des Verletzungsgegenstandes zurückzuführen ist. Er spiegelt wider, dass die Verkaufs- und Erlösaussichten maßgeblich davon abhängen, ob und in welchem Umfang gleichwertige Alternativen und damit Umgehungsmöglichkeiten des Patents im Verletzungszeitraum zur Verfügung standen (BGH, GRUR 1995, 578 – Steuereinrichtung II). Ergibt sich, dass gegenüber dem erfindungsgemäßen Produkt im Wesentlichen gleichwertige Alternativen existieren, da es sich lediglich um eine Detailverbesserung eines bereits bekannten Produkts handelt, ist eher anzunehmen, dass der Kaufentschluss nicht allein auf der Verwendung der technischen Lehre, sondern auf weiteren Faktoren beruht (BGH, GRUR 1993, 55 – Tripp-Trapp-Stuhl). Handelt es sich demgegenüber um ein neues Produkt, das neue Einsatzgebiete erschlossen hat und zu dem es keine solchen Alternativen gab, kann eher angenommen werden, dass der Kaufentschluss gerade auf die Verwendung des Patents zurückzuführen ist (BGH, GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger; OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren m.w.N. Voß/Kühnen in: Schulte, aaO, § 139 Rn. 130).
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass technische Lösungen, die im Prioritätszeitpunkt offenbart waren, aber (noch) nicht auf den relevanten Markt gelangt sind, zwar ebenfalls den Abstand des Klagepatents zum Stand der Technik verringern. Dabei handelt es sich indes nur um ein, wenn auch wesentliches Kriterium für die maßgebende wertende Betrachtung, in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf die Patentverletzung zurückzuführen ist. Dies richtet sich aber wiederum maßgeblich danach, inwieweit die Kaufentscheidung der Abnehmer auf der Verwendung des Klagepatents beruht. In diesem Sinne bezweckt die Ermittlung des Abstands „nur“, die Marktchancen der patentgemäßen Erfindung zu bestimmen (BGH, GRUR 1995, 578 – Steuereinrichtung II; BGH, GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger, Rn. 27 und 37). Steht fest, dass eine offenbarte technische Lösung tatsächlich nicht vermarktet worden ist, so befand sie sich nicht im Wettbewerb mit dem erfindungsgemäßen Produkt und konnte infolgedessen auch seine Verkaufs- und Erlösaussichten nicht beeinträchtigen. Für die Beurteilung der Marktchancen der Erfindung ist dieser nicht realisierte/praktizierte Stand der Technik mithin unbeachtlich. In diesem Falle lässt folglich ein geringer Abstand zum Stand der Technik nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Kaufentschluss der Abnehmer nur in geringem Umfang auf die mit der Verwendung des Klagepatents zusammenhängenden technischen Eigenschaften des veräußerten Gegenstands zurückzuführen ist.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die aus dem Abstand der Erfindung zum Stand der Technik gezogene Schlussfolgerung im Hinblick auf die Kaufentscheidung der Abnehmer dann nicht mehr zur Gänze verfängt, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse bis zum Verletzungszeitraum aufgrund zwischenzeitlicher technischer Weiterentwicklung wesentlich geändert haben und aus diesem Grunde mittlerweile patentfreie alternative technische Lösungen auf dem Markt zur Verfügung stehen, die sich nur noch in technischen Details vom erfindungsgemäßen Produkt unterscheiden. Da die unter Schutz gestellte Erfindung in diesem Fall tatsächlich mit den Alternativlösungen im Wettbewerb steht, werden ihre Marktchancen durch diese beeinflusst und der Abstand zum Stand der Technik verliert als Indiz für die Kaufentscheidung des Abnehmers infolge dessen an Überzeugungskraft. Daraus kann sich ergeben, dass ein im Prioritätszeitpunkt „revolutionäres Schutzrecht“, das alternativlos neue Einsatzgebiete erschlossen hat, im Verlauf seiner Schutzdauer erheblich an Bedeutung verliert, weil für das Einsatzgebiet patentfreie Alternativen entwickelt werden. Lassen sich derartige Alternativen für den Verletzungszeitraum feststellen, so verringern sie die Bedeutung der Verwendung der technischen Lehre des Klagepatents für den Kaufentschluss der Abnehmer, was sich in der Regel in einem geringeren Kausalanteil am Verletzergewinn niederschlägt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren).
Der Kläger trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die eine Kausalität begründenden und den Kausalanteil erhöhenden Tatsachen (BGH, GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl; OLG Düsseldorf Urteil vom 04.10.2012, Az. 2 U 76/11– Kabelschloss; Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren). Dies gilt auch für negative Tatsachen, weshalb er darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass es im Verletzungszeitraum keine gleichwertigen Alternativen zum Gegenstand der Erfindung gab. Dieser Darlegungslast kommt der Kläger mit der Behauptung fehlender Alternativen zunächst nach. Den Beklagten trifft dann eine sekundäre Darlegungslast, indem er näher vorzutragen hat, dass und welche konkreten Alternativen bestanden, die die wesentlichen erfindungsgemäßen Eigenschaften aufwiesen und tatsächlich seinerzeit auf dem Markt zur Verfügung standen. Geschieht dies hinreichend substantiiert, obliegt es wiederum dem Kläger, darauf konkret zu erwidern und gegebenenfalls zu Besonderheiten der technischen Funktionsweise oder der konkreten Konstruktion vorzutragen, die im Hinblick auf die wesentlichen erfindungsgemäßen Eigenschaften einer Vergleichbarkeit mit den Verletzungsformen entgegenstehen, und dafür Beweis anzubieten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.06.2015, Az.: I-15 U 34/14 – Funkarmbanduhren).
b)
Das Klagepatent betrifft eine Anzeigeneinheit.
Anzeigeneinheiten waren zum Prioritätszeitpunkt im Stand der Technik bekannt. Das Klagepatent führt einleitend aus, dass Anzeigeneinheiten, die an einer Stange angebracht und in der Lage sind, verschiedene Daten anzuzeigen, im Stand der Technik im allgemeinen bekannt sind (Klagepatent, Absatz [0002]).
Die japanische Offenlegungsschrift Nr. 2005-350064 offenbart eine Anzeigeneinheit für ein Fahrrad, die einen Träger, der an dem Rahmen eines Fahrrades befestigt werden kann, einen Anzeigenteil und einen Steuerteil aufweist, wobei der Steuerteil als Reaktion auf die empfangenen Daten mindestens eines der drei Farbattribute (d.h. Farbnuance, Farbton und -sättigung, Helligkeit) ändert (Klagepatent, Absatz [0003]).
Im Stand der Technik existierte überdies eine Anzeigeneinheit, die eine Mehrzahl an verschiedenen Daten auf einem Anzeigenteil anzeigt, wobei sie nur einen Teil der Daten anzeigen und den Displayzustand zum Darstellen der verbleibenden Daten schalten kann, um die begrenzte Fläche der Anzeigeneinheit effektiv zu nutzen. Eine solche Anzeigeneinheit ist beispielsweise – so das Klagepatent in Absatz [0004] – auf der Homepage von Planet Bike (besucht am 13. Januar 2006) unter http://www.planetbike.com/computers.html beschrieben.
Die Schrift EP-A-1 595 777 offenbart eine Anzeigeneinheit mit einem Berührungspanel, das Berührungsoberflächen enthält, die selektiv miteinander gruppiert sind, um einen Berührungspanelknopf zu definieren. Das Gruppieren ändert sich abhängig von dem Displaymodus. Wenn der Fahrer einen Berührungsknopf drückt, wird eine Funktion der Anzeigeneinheit ausgeführt (Klagepatent, Absatz [0005]).
Schließlich ist in der EP-A-1 463 013 eine Fahrradinformationsverarbeitungsvorrichtung mit Speicherschutz beschrieben. Diese Vorrichtung enthält eine Informationsanzeige (LCD), die Reiseinformationen anzeigt. Ein Modusschalter ragt von einem Gehäuseteil auf der oberen Seite angrenzend an das LCD nach außen hervor und stellt Signale zum Auswählen des Typs der Information zur Verfügung, die auf dem LCD angezeigt werden (Klagepatent, Absatz [0006]).
Zusammenfassend gibt das Klagepatent an, dass im Stand der Technik vorzugsweise ein Umschalter oder der Displayzustand auf der Oberfläche der Anzeigeneinheit vorgesehen werden, so dass der Displayzustand durch Herunterdrücken des Schalters von oben geschaltet wird (Klagepatent, Absatz [0007]).
Hieran kritisiert das Klagepatent, dass, wenn der Umschalter an der oberen Fläche der Anzeigeneinheit vorgesehen ist, die Anzeigefläche des Anzeigenteils unvorteilhafterweise reduziert werde (Klagepatent, Absatz [0007]).
Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, eine Anzeigeneinheit zur Verfügung zu stellen, die in ihrer Funktionsfähigkeit verbessert ist, während eine ausreichende Displayfläche gesichert ist. Das Klagepatent kritisiert am Stand der Technik die begrenzte bzw. reduzierte Fläche der Anzeigeneinheit (Absätze [0004], [0007]) und die Schwierigkeiten der Bedienung eines kleinen Umschalters [Absatz [0018]. Als besonderer Vorteil gilt eine Verbesserung der Funktionalität des Displayzustandes, bei der eine Reduzierung der Anzeigefläche vermieden wird und die Anzeigeschaltung durch Drücken einer breiten Oberfläche z.B. auch durch eine behandschuhte Hand eines Zweiradfahrers leichter ermöglicht wird (Absätze [0013], [0018], [0019], [0038] des Klagepatents). Ziel des Klagepatents ist es daher, eine Anzeigeneinheit bereitzustellen, deren Handhabung erleichtert ist und die ausreichend Anzeigenfläche bietet.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Anzeigeneinheit mit folgenden Merkmalen vor:
1.
Eine Anzeigeneinheit.
2.
Die Anzeigeneinheit ist an einer Stange (500) angebracht.
3.
Die Anzeigeneinheit weist einen Körper (100) auf.
4.
Der Körper hat einen Anzeigenteil (110).
5.
Der Anzeigenteil ist in der Lage, einen ersten Anzeigenzustand zu realisieren, der erste Daten anzeigt.
6.
Der Anzeigenteil ist in der Lage, einen zweiten Anzeigenzustand zu realisieren, der zweite Daten anzeigt.
7.
Die ersten und zweiten Anzeigenzustände werden geschaltet.
8.
Die ersten und zweiten Anzeigenzustände werden durch Herunterdrücken des Körpers (100) von oben geschaltet.
9.
Der Körper (100) ist drehbar auf einem Sicherungsmittel (200) an der Stange getragen.
10.
Das Sicherungsmittel ist zum Sichern des Körpers (100) vorgesehen.
11.
Es ist ein Umschalter (130) zum Schalten der ersten und zweiten Anzeigenzustände vorgesehen.
12.
Der Umschalter (130) steht von einer Oberfläche des Körpers (100) vor.
13.
Der Umschalter (130) steht gegenüber dem Sicherungsmittel (200) vor.
14.
Der Umschalter (130) steht vor, so dass der Körper (100) zum Hochdrücken des Umschalters (130) gegen das Sicherungsmittel (200) gepresst wird.
15.
Durch das Hochdrücken des Umschalters wird der Anzeigenzustand geschaltet.
c)
Nach dem Klagepatent wird die erleichterte Handhabung dadurch erreicht, dass der Umschalter von einer Oberfläche des Körpers gegenüber dem Sicherungsmittel vorsteht (Merkmale 11, 12). Durch Drücken der breiten Oberfläche des Körpers wird der Körper zum Hochdrücken des Umschalters gegen das Sicherungsmittel gepresst (Merkmal 13). Durch das Hochdrücken des Umschalters wird der Anzeigenzustand geschaltet (Merkmal 14). Durch die Anordnung des Umschalters an der unteren Fläche des Anzeigekörpers (Absatz [0036] des Klagepatents) ist eine einfache Handhabung dergestalt möglich, dass durch Herunterdrücken des gesamten Körpers die Anzeigeschaltung erfolgt. Insofern muss der Benutzer nicht auf einen kleineren auf der Anzeigenkörperoberfläche befindlichen Umschalter „zielen“, sondern kann den gesamten Körper gleichsam zum Umschalten nutzen. Gleichzeitig wird die Anzeigefläche (das Display) nicht durch die Anordnung eines (zusätzlichen) Umschaltknopfes verkleinert.
d)
Der Abstand der geschützten Erfindung zum Stand der Technik ist gewichtig (aa), angesichts im Wesentlichen gleichwertiger Alternativen am Markt kommt der Erfindung bei der Verletzungsform jedoch keine übermäßige Bedeutung zu (bb). Die durch das Klagepatent ermöglichte Ausgestaltung (einfache Bedienung; großes Display) hat die Gemeinschuldnerin auch beworben (cc). Dem Design kommt jedoch ebenfalls eine Bedeutung für den Anteil an der Kaufentscheidung zu (dd). In einer Gesamtabwägung beläuft sich nach Ansicht der Kammer der Kausalanteil der Erfindung am Gewinn der Gemeinschuldnerin auf 25% (ee).
aa)
Der Abstand der klagepatentgemäßen Erfindung zum Stand der Technik besteht in der Verlagerung des Umschalters auf den Körper der Anzeigeneinheit.
Auch wenn es sich bei dem Umschaltknopf zunächst nur um ein Detail der Anzeigeneinrichtung handelt, verbessert die neue Anordnung die Bedienung, da sie die Handhabung der Anzeigenumschaltung wesentlich vereinfacht. Ferner ermöglicht sie mehr Raum für die Darstellung der Anzeige. Insofern handelt es sich um eine gewichtige Detailverbesserung. Eine solche Anordnung war im Stand der Technik nicht vorhanden. So führt das EPA insbesondere im Hinblick auf die vom Beklagten zu 2) ins Feld geführte E5 nach Ansicht der Kammer zu Recht an, dass der Fachmann ausgehend von der E5 die Änderungen der Position des Umschalters nicht als einfache Alternative angesehen hätte. Der Fachmann wird durch einen komplizierten und abgewandelten Schaltungsaufbau davon abgehalten (vgl. Anlage AK3, S. 12). Die E5 beschäftigt sich mit der Dateneingabe einer Rechenvorrichtung und dabei in erster Linie mit der Verbesserung der Funktionalität eines Touchscreens.
Sofern die Gemeinschuldnerin und der Beklagte zu 2) ausgeführt haben, dass aus den konkreten Umständen der mündlichen Verhandlung der Einspruchsabteilung diese Beurteilung für sie überraschend gewesen sei, ist das im vorliegenden Verfahren unerheblich. Schließlich sieht die Kammer neben den herausgestellten Vorteilen der einfachen Bedienung und Anzeige den Kern der Erfindung nicht in dem Suggerieren, dass es sich bei dem Anzeigenteil um ein hochwertiges Touchscreen-Display handelt. Die erfindungsgemäße Lösung stellt auf die einfache Bedienung eines Displays durch Herunterdrücken ab, nicht auf dessen Anlehnung an einen hochwertigen Touchscreen.
bb)
Der Abnehmer als Fahrradfahrer, insbesondere aus dem Rennsportsegment, erkennt den Vorteil der Verletzungsform in der Tat in der einfachen Bedienung, die auch mit behandschuhten Händen beim Fahren bzw. bei unebenen Untergrund oder hohen Geschwindigkeiten problemlos möglich ist.
Die Klägerin hat anhand der Testberichte (2010) und des Radcomputertests (Anlage PP 6, Anlage S. 7-9) dargelegt, dass viele auf dem Markt erhältlichen Ausführungen entweder die Tasten an der Oberfläche des Geräts aufweisen oder aber an der dem Fahrer zugewandten Seitenfläche. Als eine gleichwirkende Funktion wird der Abnehmer die Anordnung von Bedienungsknöpfen an der Seite oder in Fahrrichtung nicht erkennen. Denn jedenfalls muss der Fahrer seitlich oder von vorne den Umschalter bedienen und diesen treffen. Er kann gerade nicht – wie von der klagepatentgemäßen Lösung vorgesehen – den Körper als Umschalter verwenden. Das Display als einziger bedienbarer Knopf nimmt der Abnehmer diesen Modellen gegenüber als besonderen Vorteil wahr, der seine Kaufentscheidung beeinflussen wird. Gestützt wird dies durch die vorgelegten Rezensionen (Anlage PP 7), die jedenfalls ein Indiz für die Willensbildung des Käufers darstellen: „über Druckknopf an Rückseite rasch konfiguriert“, „ganze Gerät fungiert als Drucktaste“, „Display nimmt komplette Oberfläche des Gerätes ein und ist gut ablesbar“, „einfache Art der Bedienung ist einfach supergut“ . Die Stellungnahme von Herrn P (vgl. Anlage AK 8) stellt demgegenüber eine vereinzelte Gegenmeinung dar.
Das aus der E5 bekannte Display stellt demgegenüber keine relevante Alternativlösung gegenüber der Verletzungsform dar, weil es sich um eine völlig andere Vorrichtung handelt, nämlich um eine Rechenvorrichtung, die einen Touch-Screen aufweist. Die E9 ist nicht zu berücksichtigen, da hier eine Verfügbarkeit auf dem deutschen Markt nicht feststellbar ist.
Der O wird für den Benutzer gegenüber der Verletzungsform ebenfalls nicht vorgezogen werden, weil er ein anderes Marktsegment und daher andere Käuferschichten bedient. Auch wenn man berücksichtigt, dass bei einem Kaufpreis von ca. 200 € gegebenenfalls noch Zubehör im Wert von ca. 100 € erworben wird, kostet dieses Modell rund das Dreifache der Verletzungsform. Ferner hat der O die Möglichkeit einer gleichzeitigen Anzeige von zahlreicheren Bedienoptionen und auch andere Nutzungsmöglichkeiten (z.B. Q® Training). Die Verletzungsform ist aufgrund ihrer einfachen Handhabbarkeit gegenüber dem O keine Kaufalternative, da sie mit diesem nur bedingt vergleichbar ist und andere Käuferansprüche bedient.
Jedoch stellen die Modelle E 17 und das Modell „J K“ Alternativen am Markt dar, die geeignet sind, sich bei einer Kaufentscheidung gegenüber der Verletzungsform durchzusetzen. Ihre Funktionsweise mindert daher die Bedeutung der klagepatentgemäßen Lösung für den Kauf.
Der E 17 zeigt ebenfalls einen Fahrradcomputer mit der gleichen Anordnung des Umschalters (am Anzeigenkörper, nicht am Sicherungsmittel). Das Modell unterscheidet sich von der Verletzungsform lediglich durch einen anderen Umschaltmechanismus. Hier wird der komplette Anzeigenkörper geschoben und nicht heruntergedrückt. Die E17 hat hierfür farblich noch eine stilisierte Push-Taste vorne am Anzeigenkörper hervorgehoben. Auch wenn die Krafteinwirkung durch das Schieben eine andere ist, ist dies im Vergleich zur Verletzungsform nicht zwingend ein Nachteil. Zwar erscheint die Handhabung der Verletzungsform durch bloßes Herunterdrücken der Gesamtvorrichtung mit einer behandschuhten Hand einfacher und schneller als ein Schiebevorgang. Aber er erfordert gegebenenfalls ein kurzzeitiges Loslassen des Lenkers. Demgegenüber kann die E17 so an der Lenkstange montiert werden, dass der Schiebevorgang mit dem Daumen des Fahrers vorgenommen werden kann. Ein Loslassen ist dann nicht erforderlich. Die geringfügige Schwergängigkeit der E 17 im nicht montierten Zustand gegenüber der einfachen Klick-Funktion der Verletzungsform fällt dann beim Gebrauch im montierten Zustand nicht mehr so ins Gewicht, dass die Bedienung der Verletzungsform zwingend als leichter angesehen wird. Schließlich ist auch kein Nachteil in der Verschiebung des Fahrradcomputers zu sehen, die durch die Kraftüberschreitung bei täglichem Gebrauch des Knopfes in Fahrtrichtung auftreten würde, und mit der Zeit eine Nachjustierung des Fahrradcomputers erfordere. Denn eine Nachjustierung erfolgt nach jeder Fahrt automatisch, da der Computer üblicherweise nicht am Fahrrad belassen wird. Somit erfüllt die E17 gleichermaßen die erfindungemäßen Vorteile der leichten Bedienung und der großen Anzeigendarstellung. Ebenso wie bei der Verletzungsform ist eine Weiterbenutzung nach Trennung des Körpers vom Sicherungsmittel möglich.
Sofern der Kläger bestritten hat, dass die E17 im Verletzungszeitraum am deutschen Markt erhältlich waren, dringt er hiermit nicht durch. Jedenfalls die E17 war am deutschen Markt erhältlich. Zuzustimmen ist dem Kläger, dass ein Verkauf ausschließlich in Kanada, der USA, Asien oder anderen Mitglieder der Europäischen Union irrelevant sind. Es genügt jedoch, wenn die Geräte auch (und sei es durch Zwischen- oder Dritthändler) auf dem deutschen Markt waren bzw. Angebote aus dem Ausland sich auch an den deutschen Markt richten. Dies ist bei der E17 der Fall. Ausweislich der Anlage AK11 war es 2011 möglich, dieses Modell in Deutschland zu erwerben. Das Angebot sowie der Hinweis auf die zusätzlich anfallenden Portokosten sind in deutscher Sprache gehalten. Unerheblich ist, dass das Produkt noch nicht vorrätig war, sondern erst Ende November 2011 erwartet wurde. Es ist lebensnah, dass die Aufstockung des Lagers auf die Ankündigung erfolgte. Der Kauf über Amazon UK (Anlage AK10) ist demgegenüber nicht relevant. Das Aufzeigen der Bezugsmöglichkeit über das Internet reicht insofern aus, um eine Erhältlichkeit im Jahr 2011 festzustellen.
Ferner stellt auch der „J K“ eine Alternative zur klagepatentgemäßen Lösung dar, die zur geringeren Bedeutung der Erfindung führt.
Der „J K“ zeigt anders als die E17 keinen Umschalter am Körper, sondern am Sicherungsmittel. Einziger Unterschied zur Verletzungsform ist die Möglichkeit, den Computer auch nach der Trennung vom Fahrrad noch bedienen oder konfigurieren zu können. Zwar stellt dies einen angenehmen Vorteil dar, erscheint aber angesichts der identischen erfindungsgemäßen Vorteile wie der vereinfachten Bedienung und einer großen Displayanzeige von eher untergeordneter Wichtigkeit. Die Bedienung funktioniert demgegenüber vollständig identisch, da es für die einfache Handhabung irrelevant ist, ob der Umschalter in den Körper oder in das Sicherungsmittel gedrückt wird.
Die Kammer hat den Vortrag aus der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2015 des Beklagten zu 2) so verstanden, dass der „J K“ ab dem Jahr 2012 generell am Markt und damit auch am deutschen Markt verfügbar war. Sofern der Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.03.2016 ein anderes Verständnis zugrunde legt, ist dieser Vortrag nach § 296a ZPO verspätet. Abgesehen davon ist dem klägerischen Vortrag kein konkretes Bestreiten, sondern nur eine anderes Verständnis des Beklagtenvortrags zu entnehmen.
cc)
Ferner ist bei der Bestimmung des auf die Verletzung des Klagepatents entfallenden Gewinnanteils zu berücksichtigen, ob die mit der Erfindung verbundenen Vorteile für die Käufer der Verletzungsformen aufgrund der Gestaltung der Verpackungen wahrnehmbar waren oder von der Gemeinschuldnerin werblich herausgestellt wurden.
Dies war hier der Fall. Aus der Internetpräsentation (Anlage PP 8) ergibt sich, dass die Beklagte auf ein großzügiges oder großes Display, die exzellente Ablesbarkeit und die spielend leichte (spielerische) Bedienung hinweist. Alle diese Attribute lassen sich letztlich – jedenfalls auch – auf die Anordnung des Umschalters auf der unterseitigen Fläche des Körpers, welche eine große Displayfläche begünstigt, zurückführen. Auch der Hinweis „“ lässt sich mit der leichten Bedienbarkeit assoziieren. Dass die Vertriebsbemühungen durch den Slogan „“ bezogen auf das Design den Kausalanteil wesentlich mindern, sieht die Kammer nicht.
dd)
Schließlich ist das Design im Rahmen der Berechnung des Kausalanteils zu berücksichtigen. Das Design wirkt sich nicht signifikant aus, bleibt aber auch nicht vollständig ohne Berücksichtigung.
Dem Beklagten ist – auch in Ansehung des Awards 2009 – recht zu geben, das die im wesentlichen quadratische und harmonische Form sowie die Reduzierung auf das Wesentliche (Anzeigefläche bis zum Rand des Körpers gezogen) eine Bedeutung für die Kaufentscheidung hat. Es ist allerding in die Betrachtung einzustellen, dass der Kunde hier nicht wie bei einem Schmuckstück sein Hauptaugenmerk auf das Design legen wird, sondern dieses bei einem Fahrradcomputer nach der Funktionalität erst auf den „zweiten“ Blick berücksichtigt. Hinzu tritt, dass die „Reduzierung“ auf das Wesentliche – nämlich das Display – wiederum eine Folge durch die bauliche Anordnung ist, die dafür Raum gibt. Allerdings ist das Design im Vergleich zur E 17 und zum „J K“ – wenn auch kein außergewöhnlicher Innovationssprung – eine abwechslungsreiche Neuerung aufgrund der kompakten und abgerundeten Form.
ee)
In einer Gesamtabwägung ist daher zunächst einzustellen, dass es sich bei der erfindungsgemäßen Lösung um eine gewichtige Detailerfindung handelt. Die Vorteile der klagepatentgemäßen Lösung wurden auch von der Gemeinschuldnerin beworben. Demgegenüber mindern jedoch die ernst zu nehmenden Alternativlösungen der E17 und des J K den Anteil, den die Verwendung der klagepatentgemäßen Lehre für den Kauf der Verletzungsform hat. Beide Modelle stellten in den Jahren 2011 und 2012 Kaufalternativen dar, welche die erfindungsgemäßen Vorteile ebenso wie die Verletzungsform aufwiesen. Gleichfalls mindern die angesprochenen Design-Vorteile der Verletzungsform die Bedeutung der Erfindung für den Gewinn. Schließlich sieht die Kammer nicht, dass die von der Klägerin eingerechneten Schwankungen (Modell mit Trittfrequenz, kabellos und kabelgebunden) die Grundeinheit bei der anzusetzenden Quote beeinflussen. Unter Einstellung all dieser Punkte in eine Gesamtabwägung ist von dem unter 2) ermittelten Gewinn in Höhe von € 231.106,01 nur ein Anteil von 25% auf die Verletzung des Klagepatents zurückzuführen.
4)
Eine Verwirkung des Schadensersatzanspruchs scheitert bereits an dem Umstand, dass im vorliegenden Verfahren nur noch über die Höhe, nicht mehr über den Grund des Anspruchs befunden wird. Hinzu tritt, dass aus dem seitens der Klägerin ungehinderten Vertrieb des O sich weder ein Umstandsmoment noch ein Zeitmoment in Bezug auf die Beklagten herleiten lässt.
5)
Die Klägerin hat ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung vorprozessualer Zinsen gemäß § 668 BGB analog i.V.m. § 352 HGB. Für den Zinsbeginn ist nach der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Schadensentstehung abzustellen, d.h. denjenigen Tag, an dem dem Verletzer der jeweilige Gewinn aus einem Verletzergeschäft zufließt. Der Zinssatz beträgt bei Handelsgeschäften unter Kaufleuten 5% (§ 352 HGB).
Die Prozesszinsen waren nach §§ 291, 288 BGB zuzusprechen.
II.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 92 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Klägerin und des Beklagten zu 1) folgt die Kostentscheidung aus der materiellen Rechtslage unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-und Streitstandes nach billigem Ermessen. Die Forderung der Klägerin gegen die Gemeinschuldnerin, die zusammen mit dem Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner haftet, besteht nach den obigen Ausführungen nur in Höhe von 40%. Nur in dieser Höhe hätte die Klägerin die Forderung zur Tabelle feststellen lassen können. Im Übrigen hätte die Klage keinen Erfolg gehabt.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 08.03.2016 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung, §§ 296a, 156 ZPO.
Streitwert:
bis zum 23.07.2015: 138.575,98 EUR
ab dem 24.07.2015: 138.663,60 EUR