4b O 280/07 – Gittergewebe

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 920

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. April 2008, Az. 4b O 280/07

I. Die einstweilige Verfügung vom 25.01.2008 wird im Kostenausspruch (Ziffer III.) dahingehend abgeändert, dass die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens von der Antragstellerin zu tragen sind.

II. Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

III. Das Urteil ist für die Antragsgegnerin vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Antragstellerin ist Inhaberin des am 19.04.2003 angemeldeten und am 23.03.2005 auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 458 912 (Verfügungspatent). Das Verfügungspatent, welches Gittergewebe betrifft, steht in Kraft.

Die Antragsgegnerin ist die deutsche Vertriebspartnerin der in Tschechien geschäftsansässigen A a.s. – Antragsgegnerin zu 1) des Ausgangsverfahrens 4b O 280/07 –, die gewebte Geogitter mit der Bezeichnung „B® G 3 D“ herstellt und europaweit vertreibt. Im November 2007 übersandte die Antragsgegnerin an einen von der Antragstellerin beauftragten Testkäufer ein Muster des streitgegenständlichen Geogitters.

Am 10.12.2007 hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin – sowie die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) des Ausgangsverfahrens 4b O 280/07 – den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Mit Beschluss vom 25.01.2008 hat die Kammer diesem Begehren gegenüber der Antragsgegnerin entsprochen und dieser unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes untersagt, grobmaschige Gittergewebe für Bewehrungszwecke entsprechend dem Verfügungspatent in der Bundesrepublik anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Wegen des genauen Inhalts der Beschlussverfügung wird auf Bl. 34 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 10.03.2008, am 12.03.2008 bei Gericht eingegangenen, gegen die einstweilige Beschlussverfügung Kostenwiderspruch eingelegt.

Die Antragsgegnerin macht geltend, sie habe den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt. Sie sei, da – insoweit unstreitig – keine Abmahnung erfolgt sei, nicht zur Kostentragung verpflicht. Anlass zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens habe sie nicht gegeben.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
wie zuerkannt.

Die Antragstellerin beantragt,
den Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin vom 10.03.2008 gegen die am 25.01.2008 erlassene einstweilige Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin behauptet, das vorprozessuale Verhalten der Antragsgegnerin habe die Notwendigkeit eines gerichtlichen Vorgehens gerechtfertigt. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Die Antragsgegnerin habe durch ihr Verhalten eine Schutzrechtsverletzung begangen, was sie auch habe erkennen können. Überdies mangele es an einem vorbehaltlosen Anerkenntnis, da sich die Antragsgegnerin sowohl auf Tatsachen- wie auch auf Rechtsebene verteidige.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.
Nachdem die Antragsgegnerin ihren Widerspruch ausdrücklich auf die Kostenentscheidung beschränkt hat, steht die materielle Berechtigung der gegen sie ergangenen Beschlussverfügung fest. Obwohl die Antragsgegnerin damit als in der Sache unterlegene Partei anzusehen ist, trifft sie gleichwohl nicht – entsprechend der allgemeinen Regelung in § 91 Abs. 1 ZPO – die Kostenlast. Zu ihren Gunsten ist vielmehr die Sondervorschrift des § 93 ZPO – der auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einschlägig ist (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 93 Rn. 6, Stichwort: Einstweilige Verfügung) – anzuwenden. Die Bestimmung besagt, dass dem obsiegenden Kläger die Kosten aufzuerlegen sind, wenn der Beklagte den Klageanspruch sofort anerkennt und dem Kläger zuvor keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

1.
Ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO ist gegeben.
Die Antragsgegnerin hat innerhalb der ihr im Rahmen der Anhörung gesetzten Stellungnahmefrist in ihrem ersten Schriftsatz vom 14.01.2008 ausdrücklich erklärt, dass sie den gegen sie geltend gemachten Anspruch anerkennt.
Das Anerkenntnis erfolgte vorbehaltlos und ist eindeutig. Dass die Antragsgegnerin in diesem Schriftsatz und im Rahmen des Kostenwiderspruchs auch vortrug, wie und unter welchen Umständen es zu der Übersendung des Musters an den Testkäufer der Antragsstellerin gekommen sein soll, steht dem nicht entgegen. Eine Verletzung des Verfügungspatents durch die streitgegenständlichen Geogitter hat sie dabei nicht thematisiert und/oder in Abrede gestellt, und zwar auch nicht insoweit, als dass sie davon sprach, sie habe „kein Angebot“ unterbreitet. Wie sich aus ihren Schriftsätzen ergibt, hat sie damit nicht das Vorhandensein einer Benutzungshandlung im Sinne des § 9 PatG ihrerseits und damit verbunden die von der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche bestritten. Der Gesamtinhalt der Schriftsätze und der Kontext, in den dieses Vorbringen gesetzt wurde, zeigt, dass dieser Vortrag nur zur Begründung der von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht erfolgte, sie habe keinen Anlass zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche ohne vorherige Abmahnung gegeben. Die Antragsgegnerin hat sich schließlich auch nicht gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatents gewandt.

2.
Die Antragsgegnerin hat durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur gerichtlichen Geltendmachung der Verbietungsrechte aus dem Verfügungspatent ohne vorherige Abmahnung gegeben.

Anlass zur Klage auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Patentverletzung ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die im Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen mussten, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Die Patentverletzung als solche, auch wenn sie sich aus Sicht des Klägers als vorsätzlich begangene darstellt, ist eine solche Tatsache nicht. Der Verletzte wird deshalb in der Regel den Verletzer vor Erhebung der Klage abmahnen müssen, wenn er für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses der Kostenfolge des § 93 ZPO entgehen will (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 2, 237 (238) – Turbolader II; OLG Hamburg, WRP 1995, 1037 (1038); Benkard, – Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rn 163; Schulte/Kühnen, PatG, 7. Aufl., § 139 Rn. 238 jeweils mit weiteren Nachweisen). Für das einstweilige Verfügungsverfahren gilt grundsätzlich nichts anderes.

Anerkannt ist allerdings, dass eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn sie für den Verletzten nach den Umständen des Falles objektiv unzumutbar ist. Davon ist auszugehen, wenn entweder die mit einer vorherigen Abmahnung verbundene zeitliche Verzögerung unter Berücksichtigung der im konkreten Fall gebotenen Eilbedürftigkeit nicht hinnehmbar ist, oder sich dem Verletzten bei objektiver Sicht der Eindruck aufdrängen musste, der Verletzer baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen, um mindestens eine Zeitlang ungestört die Verletzungshandlungen begehen zu können und sich gegebenenfalls nach damit erzieltem wirtschaftlichen Erfolg unter Übernahme vergleichsweise niedriger Abmahnkosten zu unterwerfen (OLG Düsseldorf, InstGE 2, 237 (238) – Turbolader II; LG Düsseldorf, 4b O 39/04, Beschluss vom 31.03.2004; LG Düsseldorf, InstGE 3, 224 (225) – Abmahnung bei Vindikationsklage, bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5.01.2004, I-2 W 37/03; Benkard, – Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rn 163; Schulte/Kühnen, PatG, 7. Aufl., § 139 Rn. 238).

Ausgehend hiervon war eine Abmahnung der Antragsgegnerin vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlich.
Für eine aus Zeitgründen nicht hinnehmbare Verzögerung durch die Durchführung eines Abmahnverfahrens ist nichts vorgetragen. Sie ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Die Antragstellerin hat ihrem Vortrag zufolge am 20. November 2007 das von der Antragsgegnerin gelieferte Muster erhalten; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung datiert vom 10. Dezember 2007. Dass bis dahin eine Abmahnung – die je nach Sachlage auch nur mit einer kurzen Frist versehen sein kann (LG Düsseldorf, 4b O 39/04, Beschluss vom 31.03.2004; LG Düsseldorf, InstGE 3, 221 (223) – Rahmengestell) – nicht möglich gewesen wäre, ist nicht zu erkennen.
Es bieten sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragstellerin bei objektiver Betrachtung der Eindruck aufdrängen musste, die Antragsgegnerin baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht. Tatsachen, die eine hartnäckige Verletzung des Verfügungspatents seitens der Antragsgegnerin belegen, sind weder vorgetragen noch aus den sonstigen Umständen ohne weiteres abzuleiten. Ebenso wenig kann – wenn dies in Abweichung zur oben genannten obergerichtlichen Rechtsprechung als Grund für die Unzumutbarkeit anerkannt würde – von einer vorsätzlichen Patentverletzung durch die Antragsgegnerin ausgegangen werden. Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, die Antragsgegnerin hätte vor Versenden des Musters der streitgegenständlichen Geogitters an den Testkäufer ohne weiteres erkennen können, dass das Versenden eine patentverletzende Handlung darstellt, genügt dies in diesem Zusammenhang nicht. Hieraus ergibt sich insbesondere nicht, dass der Antragsgegnerin vor Zustellung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das Verfügungspatent zur Kenntnis gelangt ist.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711, 108 ZPO.