2 U 88/08 – Desmopressin

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1243

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. November 2009, Az. 2 U 88/08

Vorinstanz: 4b O 402/06

I. Die Berufung gegen das am 4. September 2008 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 14.10.2009 auf 2.000.000 ,– € und für die Zeit seit dem 15.10.2009 auf 1.000.000 ,– € festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 20 2006 004 XXX, das – unter Inanspruchnahme von Unionsprioritäten vom 02.03.2006 und 15.03.2006 – im März .2006 angemeldet und dessen Eintragung im August 2006 bekannt gemacht wurde. Das Klagegebrauchsmuster trägt die Bezeichnung „A umfassende Zusammensetzung“; die Schutzansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:

1. Pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneiform, die A oder ein pharmazeutisch akzeptables Salz davon als therapeutisch wirksamen Bestandteil zusammen mit einem pharmazeutisch akzeptablen Exzipienten, Verdünnungsmittel oder Träger oder einer Mischung daraus umfasst, worin die pharmezeutische Zusammensetzung Kieselerde umfasst und worin der Gehalt an Oxidationsmittel gleich oder weniger als 15 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist.

2. Pharmazeutische Zusammensetzung gemäß Anspruch 1,

worin der Gehalt an Oxidationsmittel 0,01 bis weniger als 5 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist.

Im Rechtsstreit hat die Klägerin Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in einer eingeschränkten Fassung geltend gemacht, die sich dadurch auszeichnet, dass die Zusammensetzung außerdem Stärke enthält.

Die Beklagte zu 2. stellt an ihrem Firmensitz in Ö Tabletten her, welche sie seit Juni 2006 in D unter den Bezeichnungen „B 0,1 mg“ und „B 0,2 mg“ vertreiben lässt, zunächst durch die Beklagte zu 1, später – zu einem nach den Feststellungen des Landgerichts nicht näher bezeichneten Zeitpunkt – stattdessen durch die C Arzneimittel GmbH (die Beklagte des Parallelverfahrens I – 2 U 89/08 ist).

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die B-Präparate wortsinngemäß die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters im geltend gemachten Umfang verwirklichen.

Mit Urteil vom 04.09.2008 hat das Landgericht die auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatzfeststellung gerichtete Verletzungsklage gleichwohl abgewiesen, weil es nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen hat, dass den Beklagten ein die angegriffenen Benutzungshandlungen rechtfertigendes privates Vorbenutzungsrecht zusteht.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Anspruchsbegehren weiterverfolgt. Nachdem das Klagegebrauchsmuster durch Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13.03.2009 erstinstanzlich gelöscht worden ist, stützt sich die Klägerin im Berufungsverfahren auch auf den deutschen Teil des europäischen Patents 1 829 XYZ, dessen Erteilung im Mai.2008 (d.h. vor der letzten mündlichen Verhandlung beim Landgericht) veröffentlicht worden ist. Anspruch 1 des Klagepatents entspricht dem von der Klägerin eingeschränkt geltend gemachten Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters. Im Verhandlungstermin vom 15. Oktober 2009 hat die Klägerin ihre Klage, soweit sie auf das europäische Patent 1 829 XYZ gestützt war, zurückgenommen. Nachdem die Klägerin außerdem angekündigte Hilfsanträge fallen gelassen hat, nimmt sie die Beklagten nur noch aus dem Klagegebrauchsmuster in Anspruch.

Die Klägerin beanstandet die Auffassung des Landgerichts, dass den Beklagten ein privates Vorbenutzungsrecht zustehe. Bereits die Beweiswürdigung sei fehlerhaft, weil die zum angeblichen Vorbenutzungssachverhalt vernommenen Zeugen seinerzeit durch den Kammervorsitzenden als beauftragten Richter angehört worden seien, der das Landgericht noch vor der abschließenden mündlichen Verhandlung verlassen habe. Keiner der an dem Urteil mitwirkenden Richter habe deshalb einen persönlichen Eindruck von den vernommenen Zeugen gehabt. Abgesehen davon habe das Landgericht nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen auch nicht zu der Feststellung gelangen dürfen, dass die Beklagten am Prioritätstag des Klagegebrauchsmusters im Erfindungsbesitz gewesen seien. Anders als das Landgericht meine, genüge hierfür noch nicht der Umstand, dass die Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt im Besitz einer Rezeptur für eine A-Tablettenzusammensetzung gewesen seien, bei der sich aufgrund der verwendeten Zutaten ein Oxidationsmittelgehalt im erfindungsgemäßen Bereich ergeben habe. Um von einer subjektiven Erfindungskenntnis sprechen zu können, müsse vielmehr das Wissen darum hinzutreten, dass es eines geringen Oxidationsmittelgehalts in der pharmazeutischen Zusammensetzung (von ≤ 15 ppm) bedürfe, um einem Abbau des A-Wirkstoffs entgegen zu wirken und (infolge dessen) eine erhöhte Lagerstabilität zu erzielen. Dafür, dass die Beklagten die besagten Einsichten besessen haben, sei nichts ersichtlich und vom Landgericht auch tatrichterlich nichts festgestellt. In jedem Fall sei ein etwaiges Vorbenutzungsrecht der Beklagten zu 1. dadurch verloren gegangen, dass diese ihre Vertriebsaktivitäten nach dem Prioritätszeitpunkt endgültig eingestellt habe.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

eine pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneiform, die A oder ein pharmazeutisch akzeptables Salz davon als therapeutisch wirksamen Bestandteil zusammen mit einem pharmazeutisch akzeptablen Exzipienten, Verdünnungsmittel oder Träger oder einer Mischung daraus umfasst,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wenn

a) die pharmazeutische Zusammensetzung Kieselerde und Stärke umfasst und darin der Gehalt an Oxidationsmittel gleich oder weniger als 15 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist,

b) hilfsweise, die pharmazeutische Zusammensetzung Kieselerde und Stärke umfasst und darin der Gehalt an Oxidationsmittel weniger als 5 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist,

c) weiter hilfsweise, die pharmazeutische Zusammensetzung Siliciumdioxid, Stärke und Povidon umfasst und darin der Gehalt an Oxidationsmittel weniger als 5 Gewichtsteile pro Million der pharmazeutischen Zusammensetzung ist;

2. ihr (der Klägerin) Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die unter 1. bezeichneten Handlungen seit dem 03.09.2006 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote des Produkts, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzeilten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den unter 1. genannten Produkten unmittelbar zugeordnet werden,

wobei den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt eingeräumt werden mag;

3. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse nach Ziffer 1. an einen von der Klägerin zu bezeichnenden Sequester zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr (der Klägerin) allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den unter I.1. bezeichneten und seit dem 03.09.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

I. die Berufung zurückzuweisen;

II. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des gegen das Klagegebrauchsmuster anhängigen Löschungsverfahrens auszusetzen.

Sie verteidigen das klageabweisende landgerichtliche Urteil und sind der Auffassung, dass mit Rücksicht auf die erstinstanzliche Löschung des Klagegebrauchsmusters in jedem Fall eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits angezeigt sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil den Beklagten am Gegenstand des Klagegebrauchsmusters ein privates Vorbenutzungsrecht zusteht, weswegen ihre Benutzungshandlungen rechtmäßig – und nicht rechtswidrig – erfolgen.

A.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneiform, die A als therapeutisch wirksamen Bestandteil umfasst.

Wie die Klagegebrauchsmusterschrift einleitend erläutert, ist A als Wirkstoff zur Behandlung von primärer Enuresis nocturna (Bettnässen bei Kindern), Nykturie und Diabetes insipidus bekannt. Die seit 1987 erhältliche Tablettenformulierung von A wird dabei durch Verpressen eines geeigneten Granulats hergestellt, welches neben dem eigentlichen Wirkstoff typischerweise Exzipienten, Tablettensprengmittel, Schmiermittel und Bindemittel enthält, wobei die gebräuchlichste Tablettenformulierung als Exzipienten Kartoffelstärke und Laktose aufweist.

Nach den Bemerkungen der Klagegebrauchsmusterschrift war es bekannt, dass das A-Molekül empfindlich gegenüber Abbau ist. Die Stabilisierung von A und die damit in Zusammenhang stehende Langzeithaltbarkeit der Tablettenformulierung sei – so heißt es – ein über die Jahre angegangenes Problem. Zugelassene A-Tabletten hätten typischerweise eine Haltbarkeit von (lediglich) 12 bis 24 Monaten besessen.

Die Klagegebrauchsmusterschrift bezeichnet es ausgehend hiervon als Aufgabe der Erfindung, ein Mittel zur Verbesserung der Haltbarkeit von A in Tablettenformulierungen bereitzustellen.

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in der vorliegend von der Klägerin geltend gemachten Fassung die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Pharmazeutische Zusammensetzung als feste Arzneimittelform.

2. Die Zusammensetzung umfasst

a) als therapeutisch wirksamen Bestandteil A oder ein pharmazeutisch akzeptables Salz davon,

b) zusammen mit einem pharmazeutisch akzeptablen Exzipienten, Verdünnungsmittel oder Träger oder einer Mischung daraus,

c) Kieselerde,

d) Stärke.

3. Der Gehalt an Oxidationsmittel ist gleich oder weniger als 15 Gewichtsteile pro Million (ppm) der pharmazeutischen Zusammensetzung.

Die den Hilfsanträgen zugrundeliegenden Anspruchsfassungen zeichnen sich dadurch aus, dass der Gehalt an Oxidationsmittel geringer als 5 ppm ist (Hilfsantrag I) bzw. die pharmazeutische Zusammensetzung neben A und einem Exzipienten, Verdünnungsmittel oder Träger außerdem Siliciumdioxid, Stärke und Povidon enthält und der Oxidationsmittelgehalt geringer als 5 ppm ist (Hilfsantrag II).

Die zentrale Lehre des Klagegebrauchsmusters liegt in dem geringen Oxidationsmittelgehalt von ≤ 15 ppm, berechnet von der fertigen pharmazeutischen Zusammensetzung (Merkmal 3). Der betreffenden Gehaltsangabe liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Gegenwart von Restoxidationsmittel den A-Wirkstoff während der Lagerung abbaut. Da bestimmte Tablettenbestandteile (z.B. Stärke, Povidon) Oxidationsmittel (als „Verunreinigung“) enthalten, führt eine sorgfältige Kontrolle und Absenkung des Oxidationsmittelgehalts zu einer verbesserten Haltbarkeit der A-Tablettenformulierung.

B.

Zwar entsprechen die angegriffenen B-Präparate der Beklagten wortsinngemäß der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters. Der Klägerin stehen gleichwohl keine Verbietungsrechte zu, weil die Benutzungshandlungen der Beklagten rechtmäßig sind.

§ 12 PatG (der im Gebrauchsmusterrecht entsprechend gilt, § 13 Abs. 3 GebrMG) bestimmt, dass die Wirkungen des Patents (Gebrauchsmusters) gegen denjenigen nicht eintreten, der im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents (Klagegebrauchsmusters) die Erfindung im Inland bereits in Benutzung genommen oder zumindest Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung getroffen hatte. Unter den genannten Bedingungen ist der Vorbenutzer berechtigt, die Erfindung – ungeachtet des später erteilten Patents (eingetragenen Gebrauchsmusters) – für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebes weiterhin zu nutzen. Damit soll verhindert werden, dass ein vom Vorbenutzer redlich erworbener Besitzstand durch die nachträgliche Gewährung eines Schutzrechtes zerschlagen wird (BGH, GRUR 2002, 231, 233 – Biegevorrichtung). In tatbestandlicher Hinsicht setzt das private Vorbenutzungsrecht in Bezug auf den Prioritätszeitpunkt zweierlei voraus: Erstens einen Erfindungsbesitz des Vorbenutzers und – Zweitens – die Betätigung des Erfindungsbesitzes entweder durch die Vornahme mindestens einer gewerblichen Benutzungshandlung oder durch die Initiierung von Veranstaltungen, die alsbald nach dem Prioritätstag eine gewerbliche Benutzung der Erfindung sicher erwarten lassen.

1.
Was zunächst den notwendigen Erfindungsbesitz angeht, lässt sich tatrichterlich zwar nicht die Feststellung treffen, dass die Beklagten am Prioritätstag (02.03.2006) das positive Wissen davon hatten, dass der Oxidationsmittelgehalt in der Tablettenzusammensetzung einen Wert von 15 ppm nicht überschreiten darf, wenn eine gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik überlegene Lagerstabilität erhalten werden soll.

Die Beklagten machen insofern bloß geltend, dass es dem Fachmann bekannt gewesen sei, dass oxidative Substanzen den Zerfall des Wirkstoffes A beschleunigen und dass bestimmte Inhaltsstoffe einer Tablettenformulierung (insbesondere Kartoffelstärke und Povidon) solche oxidativen Substanzen als Verunreinigung enthalten. Für den Fachmann – und somit auch für die sachkundige Beklagte zu 2. – stelle es deswegen eine bloße Routineüberlegung ohne erfinderischen Gehalt dar, die Menge an schädlichen Oxidationsmitteln möglichst gering zu halten (GA 104, 112, 113, 271, 394, 405). Dieser Vortrag belegt keine tatsächlich vorhandene positive Kenntnis von den hinter der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters stehenden Zusammenhängen, sondern besagt lediglich, dass die Notwendigkeit eines möglichst geringen Oxidationsmittelgehalts für einen Fachmann – wie die Beklagte zu 2. – leicht erkannt werden konnte. Dass die Beklagte zu 2. bei der Neuentwicklung ihrer B-Tabletten die besagten Überlegungen tatsächlich umgetrieben haben, wird konkret nur anhand des Dossier-Auszuges nach Anlage B 20 behauptet. Die dort vorgenommene Stabilitätsuntersuchung betrifft jedoch ganz allgemein Verunreinigungen, wie sie offenbar in jeder pharmazeutischen Zusammensetzung vorkommen und denen deshalb in jedem Fall nachgegangen werden muss. Irgendein aussagekräftiger Bezug zu Oxidationsmitteln aus der Stärke/dem Povidon ist nicht zuerkennen.

Letztlich kommt es auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines subjektiven Wissens der Beklagten um den Zusammenhang zwischen Oxidationsmittelgehalt und Lagerstabilität der pharmazeutischen Zusammensetzung aber auch nicht an. Wie bereits das Landgericht zutreffend angenommen hat, ist ein Erfindungsbesitz der Beklagten – völlig unabhängig von dieser Kenntnis – auch dann zu bejahen, wenn sich feststellen lässt, dass sich die Beklagten vor dem Prioritätstag mit Blick auf eine gewerbliche Nutzung für eine bestimmte Rezeptur ihrer Tablettenformulierung entschieden hatten, die zwangsläufig und verlässlich zu einem erfindungsgemäßen Oxidationsmittelgehalt von ≤ 15 ppm führt. Unter solchen Umständen war die Beklagte nämlich in der Lage, den vom Klagegebrauchsmuster geschützten Erfindungsgedanken (einer A-Tablettenformulierung mit geringem Oxidationsmittelgehalt) beliebig wiederholbar auszuführen und damit den erfindungsgemäßen Erfolg (einer erhöhten Lagerstabilität der pharmazeutischen Zusammensetzung) nicht nur zufällig, sondern planmäßig herbeizuführen. Darüber hinaus verlangt der Erfindungsbesitz weder, dass die physikalischen oder chemischen Abläufe erkannt werden, die für den erfindungsgemäßen Vorteil verantwortlich sind, noch ist es erforderlich, dass der Vorbenutzer um diejenigen Vorzüge und Eigenschaften weiß, die mit der von ihm vorbenutzten technischen Lehre objektiv verbunden sind. Letzteres folgt schon daraus, dass der Vorbenutzer nur die geschützte Lehre reproduzierbar ausführen können muss, es aber nicht auf dessen Motivation hierfür, d.h. darauf ankommt, warum er die Benutzung der Erfindung vor dem Prioritätstag aufgenommen oder durch Veranstaltungen vorbereitet hat. Auch wenn er sich davon keine oder andere Vorteile versprochen hat, als sie das Klageschutzrecht lehrt, ändert dies nichts an der Tatsache, dass der Vorbenutzer über die geschützte technische Lehre (hier: die Rezeptur für eine A-Tablettenformulierung mit geringem Oxidationsmittelgehalt) verfügt und durch jede vor dem Prioritätstag vorgenommene Benutzungs- oder Veranstaltungshandlung in Bezug auf eben diese technische Lehre (Rezeptur) einen schutzwürdigen Besitzstand begründet hat, der nach dem Willen des Gesetzes durch die spätere Schutzrechtsentstehung nicht vernichtet werden darf.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) feststeht, dass die Beklagte zu 2. am 02.03.2006 (dem Prioritätstag des Klagegebrauchsmusters) für ihre zum Vertrieb in D vorgesehene A-Tablettenformulierung eine Rezeptur in Händen hatte, welche die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters in sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsfassungen vorweg nimmt. Die Einzelheiten der der Beklagten zu 2. zur Verfügung stehenden Formulierung ergeben sich aus der nachstehend eingeblebendeten Tabelle.

B 0,1 mg B 0,2 mg
Aacetat: 0,100 mg Aacetat: 0,200 mg
Lactose: 60,000 mg Lactose: 120,000 mg
Kartoffelstärke (D): 38,200 mg Kartoffelstärke (D): 76,400 mg
Povidon (Kollidon 25): 1,000 mg Povidon (Kollidon 25): 2,000 mg
Siliciumdioxid: 0,200 mg Siliciumdioxid: 0,400 mg
Magnesiumstearat: 0,500 mg Magnesiumstearat: 1,000 mg

Sie ergeben nach den – ebenfalls wiedergegebenen – Berechnungen der Beklagten (GA 52) einen Oxidationsmittelgehalt von 3,8 ppm:

Die tatrichterliche Überzeugung stützt sich auf folgende Gesichtspunkt:

Ausweislich des in auszugsweiser Kopie als Anlage B 6 vorliegenden Austria-Kodex vom Oktober 2005 waren für die Beklagte zu 2. in Ö bereits viele Monate vor dem Prioritätstag des Klagegebrauchsmusters B 0,1 mg – und B 0,2 mg-Tabletten erhältlich, deren arzneilich wirksamer Bestandteil jeweils Aacetat in einer Menge von 0,1 mg bzw. 0,2 mg war. Zwar sind in der besagten Unterlage die weiteren Formulierungsbestandteile nicht mengenmäßig ausgewiesen. Aus den als Anlage B 17 vorliegenden Bescheiden der Arzneimittelzulassungsbehörde vom 13.06.2005 (dort jeweils Anlage 4) erschließt sich jedoch, dass die zugelassenen B-Präparate exakt die aus der vorstehenden Tabelle ersichtliche Zusammensetzung aufweisen, wobei „Amylum Solani“ Kartoffelstärke und „Povidon (K 25)“, „Kollidon 25“ bezeichnet. Nicht zu entnehmen ist den Zulassungsbescheiden vom 13.06.2005 allein, dass als Kartoffelstärke diejenige des Herstellers D verwendet wird. Ebenfalls lange vor dem Prioritätstag, nämlich noch vor dem 04.07.2005, hat die Beklagte zu 2. auch in D um eine Arzneimittelzulassung für B 0,1 mg- und B 0,2 mg-Tabletten nachgesucht, wie die als Anlagen Z 1 und Z 2 vorliegenden Eingangsbestätigungen des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 22.07.2005 belegen. Die Bestätigungen selbst verhalten sich naturgemäß zwar nicht näher zum Inhalt der Zulassungsanträge. Nach den Bekundungen des Zeugen Dr. E (technischer Direktor der Beklagten zu 2.) nehmen die Bestätigungen vom 22.07.2005 jedoch auf die aus den Anlagen B 14, B 15 auszugsweise ersichtlichen Zulassungsanträge der Beklagten zu 2. vom 30.06.2005 Bezug, was in zeitlicher Hinsicht ohne weiteres plausibel ist, wenn berücksichtigt wird, dass der 30.06.2005 ein Donnerstag und der 04.07.2005 ein Montag war und außerdem die übliche Postlaufzeit vom Firmensitz der Beklagten zu 2. in Ö zum Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in B in Rechnung gestellt wird. Die Zulassungsanträge vom 30.06.2005 (Anlagen B 14, B 15) weisen auf ihrer Seite 20 jeweils die der obigen Formulierungstabelle entsprechenden Rezepturen mit der Maßgabe aus, dass als Bestandteile der pharmazeutischen Zusammensetzung ohne konkretisierenden Zusatz „Kartoffelstärke“ und „Povidon“ genannt sind. Zwar trifft es zu, dass in den Zulassungsanträgen vom 30.06.2005 als Produktname „F 0,1 mg-Tabletten“ und „F 0,2 mg-Tabletten“ ausgewiesen sind, während sich die Eingangsbestätigungen vom 22.07.2005 auf „B 0,1 mg-Tabletten“ und „B 0,2 mg-Tabletten“ beziehen. Anhand des Austria-Kodex (Anlage B 6) steht jedoch fest, dass für die Beklagte zu 2. Arzneimittelzulassungen sowohl für B 0,1 mg und 0,2 mg-Tabletten als auch für F 0,1 mg und 0,2 mg-Tabletten parallel nebeneinander bestanden haben. Die vom Landgericht im Beweisaufnahmetermin vom 20.12.2007 vorgenommene Einsicht in die Zulassungsbescheide für F vom 14.06.2005 hat überdies ergeben, dass die Zusammensetzungslisten der F-Tabletten denen der B-Präparate entsprechen (Protokoll vom 20.12.2007, S. 4; GA 180; Anlage Z 3, Bl. 5, 6). Bei dieser Ausgangslage ist die Aussage der Zeugin Dr. G plausibel, dass für die Arzneimittelzulassung in D die F-Tabletten als Basis herangezogen worden sind, was wegen der mit den B-Präparaten übereinstimmenden Zusammensetzung möglich gewesen sei. Die Aussage der Zeugin Dr. G wird überdies durch das Schreiben der Beklagten zu 2. an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 16.12.2005 (Anlage Z 11) gestützt, aus dem sich urkundlich ergibt, unter welchem Namen die A-Tabletten in verschiedenen europäischen Ländern zugelassen sind. Für die Republik Ö findet sich dabei der Hinweis auf „F-Tabletten“ und für D die Eintragung „B-Tabletten“. In völliger Übereinstimmung damit hält auch der Zulassungsbescheid des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 15.05.2006 (Anlage B 16) für B 0,1 mg-Tabletten fest, dass das betreffende Präparat in Ö unter der Bezeichnung „F 0,1 mg-Tabletten“ als Arzneimittel zugelassen ist (S. 21). Der Zulassungsbescheid vom 15.05.2006 (Anlage B 16, S. 2) verzeichnet für die B 0,1 mg-Tabletten außerdem die aus der eingangs wiedergegebenen Tabelle ersichtlichen Bestandteile und Mengen, wobei lediglich hinsichtlich der Kartoffelstärke ein bestimmter Hersteller („D“) nicht genannt ist.

Bereits die Unterlagen zur Arzneimittelzulassung in Ö und D bestätigen nach allem, dass sich die Beklagte zu 2. am Prioritätstag nicht nur versuchsweise, sondern endgültig für ihre gewerblichen Benutzungshandlungen auf eine bestimmte Tablettenformulierung festgelegt hatte. Bestätigt wird dieser Sachverhalt zusätzlich durch die als Anlagen B 20, B 20 a vorliegenden Auszüge aus Produkt-Dossiers der Beklagten zu 2., die zwar keine konkrete Arzneimittelbezeichnung ausweisen, die fraglichen Rezepturen aber ebenfalls mit der Maßgabe enthalten, dass ohne weitere Spezifizierung „Kartoffelstärke“ und „Povidon“ verzeichnet sind. Angesichts der vollständig übereinstimmenden Bestandteile und Mengenangaben kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Anlagen B 20 und B 20a die streitgegenständlichen F- bzw. B-Tabletten zum Gegenstand haben. Nach den Bekundungen des Zeugen Dr. E sind die Dossiers unter dem 21.10.2005 an die Beklagte zu 1. als die für Deutschland vorgesehene Vertriebspartnerin der Beklagten zu 2. in elektronischer Form auf CD-ROM versandt worden. Es ist ohne weiteres glaubhaft, dass Anlage Z 4 das betreffende Übersendungsschreiben der Beklagten zu 2. wiedergibt: Adressat ist die Beklagte zu 1; das Schreiben bezieht sich ausweislich der Betreff-Zeile auf B-Tabletten; als Anlagen sind zwei CD-ROM`s verzeichnet. Keine Bedeutung hat in diesem Zusammenhang, dass sich die beiden CD`s nach dem Anlagenverzeichnis des Schreibens vom 21.10.2005 auf F 0,1 mg und 0,2 mg-Tabletten beziehen. Wie bereits ausgeführt, stimmen die F-Tabletten mit den B-Präparaten hinsichtlich ihrer pharmazeutischen Formulierung vollständig überein, so dass es für die Zwecke der Produktinformation gänzlich unerheblich ist, welche Dossiers (sofern es für F und B überhaupt separate Informationen gegeben haben sollte) übermittelt werden. Nach der durch die Anlagen B 22 und Z 6 belegten Aussage der Zeugin Dr. G hat die Beklagte zu 2. am 04.11.2005 ferner die aus den Anlagen B 21 und B 21a ersichtlichen Daten für die Umverpackung (Etikett) und die Gebrauchsinformation der B-Tabletten an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie die Beklagte zu 1. versandt. Aus ihnen ergibt sich zwar keine auch die jeweiligen Mengen enthaltende Rezeptur; festgehalten ist allerdings, dass neben dem Wirkstoff (0,1 mg bzw. 0,2 mg Aacetat) folgende sonstige Bestandteile enthalten sind: „Laktose-Monohydrat, Kartoffelstärke, Povidon K 25, Magnesiumstearat (Ph.Eur.), hochdisperses Siliciumdioxid“.

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass die vorstehend erörterten, mit der Arzneimittelzulassung in Ö und D zusammenhängenden Unterlagen den sicheren Schluss zulassen, dass sich die Beklagte zu 2. für die gewerbliche Anwendung auch in D vor dem Prioritätstag für eine pharmazeutische Zusammensetzung entschieden hatte, die in den aus der eingangs wiedergegebenen Tabelle ersichtlichen Mengen über folgende Inhaltsstoffe verfügt hat: Aacetat, Laktose, Kartoffelstärke, Kollidon 25, Siliciumdioxid, Magnesiumstearat. Zwar ist mit dieser Rezeptur ein Oxidationsmittelgehalt der Tablettenformulierung von lediglich 3,8 ppm noch nicht gewährleistet, weil Kartoffelstärke ausweislich des als Anlage D 2 vorliegenden europäischen Arzneibuchs einen Gehalt an Oxidationsmitteln bis zu 20 ppm aufweisen kann. Zugunsten der Beklagten steht jedoch fest, dass die Beklagte zu 2. vor dem Prioritätstag des Klagegebrauchsmusters bereits eine bestimmte Kartoffelstärke in ihre für die gewerbliche Benutzung im Bundesgebiet vorgesehene Formulierung aufgenommen hatte, nämlich die Kartoffelstärke der Fa. D, deren Oxidationsmittelgehalt ausweislich des Datenblatts gemäß Anlage D 7 lediglich 9 ppm beträgt. Dass dem so gewesen ist, ergibt sich für den Senat ohne vernünftigen Zweifel aus der Tatsache, dass am 3./15.11.2005 zwischen den Beklagten eine Lizenz- und Vertriebsvereinbarung zustande gekommen ist, derzufolge die Beklagte zu 1. (u.a.) neue A-Tabletten der Beklagten zu 2. in D vertreiben sollte (Anlagen B 23 a, Z 5). Zwar ist der maßgebliche erste Zusatz (Anlage Z 5) zur ursprünglichen Lizenzvereinbarung vom 02.09.1999 (Anlage B 23 a) nicht geheftet, sondern lediglich mit einer Büroklammer zusammengehalten. Auch gibt die Produktdefinition im Anhang 1a keine vollständige Rezeptur wieder. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte zu 1. tatsächlich der Vertriebspartner der Beklagten zu 2. für neuartige A-Tabletten war, weswegen die Klägerin ihre Gebrauchsmusterverletzungsklage eben auch gegen die Beklagte zu 1. gerichtet hat. Die als Anlagen B 23 a, Z 5 bei den Akten befindlichen Vertriebsverträge fügen sich insofern lückenlos in das übrige Geschehen ein. Eine weitere Stütze finden sie in dem Umstand, dass die Beklagte zu 1. am 03.11.2005 per Email unter dem Betreff „Neueinführung B-Tabletten“ bei der Beklagten zu 2. wegen der Lieferung von Vorabmustern der Bulkware für vorbereitende Prüfungen ihrer (der Beklagten zu 1.) Qualitätskontrolle nachgefragt und die Beklagte zu 2. entsprechende Musterlieferungen mit Antwort-Email vom 07.11.2005 zugesagt hat (Anlage Z 7). Dass in der Folgezeit tatsächlich vertriebsvorbereitende B-Lieferungen von der Beklagten zu 2. an die Beklagte zu 1. stattgefunden haben, bestätigen diverse Unterlagen, nämlich die Anlage Z 8 für eine Musterlieferung vom 25.11.2005 (Charge E-9154), die Anlage Z 10 für eine Musterlieferung vom 27.01.2006 (Charge 020601) und die Anlage Z 9 für eine Musterlieferung vom 08.02.2006 (Charge 481512). Die zu den jeweiligen Chargen gehörigen Herstellungsberichte vom 22.11.2005 (Anlage Z 8), 16.01.2006 (Anlage Z 10) und 15.12.2005 (Anlagen Z 9, B 9, B 10) weisen (neben Ethanol und Wasser) jeweils die Bestandteile Aacetat, Laktose, Kollidon 25, Magnesiumstearat, hochdisperses Siliciumdioxid und Kartoffelstärke der Fa. D aus. Mit Rücksicht auf den erklärten Zweck der Musterlieferungen, der Beklagten zu 1. als Vertriebspartnerin der Beklagten zu 2. für Deutschland eine zügige Einrichtung ihrer Qualitätskontrolle zu ermöglichen, liegt es auf der Hand, dass die dokumentierte Verwendung von D-Kartoffelstärke nicht bloß versuchsweisen Überlegungen der Beklagten zu 2. geschuldet war, sondern dass die erwähnten Herstellungsberichte die endgültige Rezeptur für die zur Vermarktung in Deutschland vorgesehenen B-Tablettenformulierungen wiedergeben.

Mit dieser Rezeptur, die nach den Berechnungen der Beklagten zu einem Oxidationsmittelgehalt von 3,8 ppm führt, hatte die Beklagte zu 2. vor dem Prioritätstag die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters zur beliebig wiederholbaren Ausführung in den Händen, und zwar nicht nur im Hinblick auf den Hauptantrag der Klägerin, sondern ebenso im Hinblick auf diejenigen Anspruchsfassungen, die Gegenstand der Hilfsanträge sind. Dem steht nicht der Einwand der Klägerin entgegen, eine einfache Berechnung der addierten Anteile an Oxidationsmitteln in den Komponenten der Tablettenformulierung führe nicht zu einer verlässlichen Kenntnis des tatsächlichen Oxidationsmittelanteils, weil die einzelnen Anteile der Komponenten während der Tablettenherstellung aus verschiedenen Gründen Veränderungen unterlägen (GA 365). Zum einen substantiiert die Klägerin nicht näher, in welchem Maße der tatsächlich gemessene von dem berechneten Oxidationsmittelgehalt abweichen kann. Schwankungen, die den Gehalt an Oxidationsmittel der vorbenutzten Formulierung nicht in einen Bereich von 5 ppm und mehr korrigieren können, wären angesichts der von der Klägerin verfolgten Hilfsanträge (die auf einen Oxidationsmittelgehalt von weniger als 5 ppm abstellen) von vornherein unbeachtlich. Selbst Abweichungen vom rechnerisch hergeleiteten Oxidationsmittelgehalt, die antragsrelevant wären, würden jedoch an dem Erfindungsbesitz der Beklagten zu 2. nichts ändern. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der rechnerische Oxidationsmittelgehalt unter den von der Beklagten zu 2. beachteten Herstellungsbedingungen, wie sie sich aus den Produktionsdokumentationen (Anlagen 7 bis 10) ergeben, nicht dem tatsächlichen Gehalt an Oxidationsmittel in der pharmazeutischen Zusammensetzung entspricht. Dahingehende Behauptungen stellt auch die Klägerin nicht auf.

2.
Am Prioritätstag (02.03.2006) hatte die Beklagte zu 2. ihren Erfindungsbesitz im Inland durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der gewerblichen Benutzung betätigt.

Der Begriff der „Veranstaltungen zur Benutzungsaufnahme“ verlangt, dass – Erstens – der feste und endgültige Entschluss gefasst ist, die Erfindung gewerblich zu benutzen, und er erfordert – Zweitens – solche Vorkehrungen technischer oder kaufmännischer Art, die die alsbaldige Umsetzung dieses Entschlusses in die Tat vorbereiten. Die gewerbliche Benutzung der Erfindung muss aufgrund der getroffenen Veranstaltungen im Anschluss an den Prioritätstag greifbar zu erwarten gewesen sein. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang nicht die rein subjektive Willenslage des Vorbenutzers, sondern ob die gesamten Umstände für einen unbefangenen Betrag erkennen lassen, dass die Benutzungsaufnahme bevorsteht.

Im Streitfall sind diese Bedingungen ohne weiteres erfüllt. Wie unter 1. festgestellt, hatte die Beklagte zu 2. vor dem Prioritätstag des Klagegebrauchsmusters im Hinblick auf die erfindungsgemäße B-Tablettenformulierung

– eine Arzneimittelzulassung für Ö erwirkt, wo sie seit Oktober 2005 mit den betreffenden Präparaten auf dem Markt war,

– einen Zulassungsantrag für D gestellt,

– die Beklagte zu 2. als Vertriebspartner gewonnen und vertraglich an sich gebunden,

– die Beklagte zu 1. mit Hilfe von Produkt-Dossiers, Etiketten, Gebrauchsinformationen sowie der Überlassung mehrerer Musterlieferungen in die Lage versetzt, ihre eigene Tätigkeit als Vertriebsunternehmen auf eine Markteinführung nach erfolgter Arzneimittelzulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einzurichten.

Für jeden Dritten ließen die besagten Handlungen einzig den Schluss zu, dass am Prioritätstag (02.03.2006) alle Vorbereitungen getroffen waren, um die B-Tabletten alsbald auch im Bundesgebiet in den Vertrieb zu bringen.

3.
Ob die Beklagte zu 1. auch in ihrer eigenen Person ein Vorbenutzungsrecht erworben hat, bedarf zur Entscheidung des Rechtsstreits keiner vertieften Betrachtung. Die Beklagte zu 1. ist als Vertriebsunternehmen der vorbenutzungsberechtigten Beklagten zu 2. in jedem Fall durch deren Vorbenutzungsrecht gedeckt.

Die von § 12 PatG gewollte Bewahrung eines durch Vorbenutzung begründeten Besitzstandes findet noch nicht allein dadurch statt, dass dem Vorbenutzungsberechtigten (hier: der Beklagten zu 2.) als solchem gestattet bleibt, seine bis zum Prioritätszeitpunkt angelegten oder bereits ausgeübten Benutzungshandlungen im Rahmen seines Geschäftsbetriebes fortzusetzen. Ein derart verstandenes Vorbenutzungsrecht wäre weitgehend sinnlos, weil es dem Schutzrechtsinhaber die Möglichkeit geben würde, gewerblichen Abnehmern des Vorbenutzungsberechtigten (hier: der Beklagten zu 1.) den Gebrauch und Weitervertrieb der vorbenutzten Gegenstände unter Berufung auf seine (ihnen gegenüber bestehen bleibenden) Ausschließlichkeitsrechte zu untersagen. Jeder vernünftige Abnehmer würde unter solchen Umständen davon absehen, Gegenstände, auf die sich das Vorbenutzungsrecht bezieht, zu erwerben, weil sie für ihn und seinen Geschäftsbetrieb unverwertbar wären. Für den Bereich der unmittelbaren Vorbenutzung, um den es im Streitfall geht, ist dementsprechend anerkannt, dass ein dem Hersteller oder Lieferanten (hier: der Beklagten zu 2.) zustehendes Vorbenutzungsrecht selbstverständlich auch den nachfolgenden Handelsstufen (hier: der Beklagten zu 1.) zugute kommt, indem die vom Vorbenutzungsberechtigten bezogenen (wegen § 12 PatG rechtmäßig in den Verkehr gelangten) Gegenstände anschließend gewerblich frei weiter angeboten, vertrieben und gebraucht werden dürfen (BGH, Urteil vom 17.11.1970 – X ZR 13/69; Benkard, PatG GebrMG, 10. Auflage, § 10 PatG Rdnr. 4; Busse, PatG, 6. Aufl., § 12 PatG, Rdnr. 47; Schulte, PatG EPÜ, 8. Aufl., § 12, Rdnr. 23). Dadurch, dass die Beklagte zu 2. nach dem Prioritätstag des Klagegebrauchsmusters ihren Vertriebspartner für Deutschland ausgetauscht hat, indem die C Arzneimittel GmbH an die Stelle der Beklagten zu 1. getreten ist, hat sie ihr Vorbenutzungsrecht selbstverständlich nicht aufgegeben, sondern – ganz im Gegenteil – weiter ausgeübt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Der Rechtsstreit wirft keine Fragen auf, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich wäre.