2 U 80/09 – Matratze

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1252

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. Dezember 2009, Az. 2 U 80/09

Vorinstanz: 4a O 52/09

I.
Die Berufung gegen das am 9. Juni 2009 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.
Das Urteil ist vollstreckbar.

IV.
Der Streitwert wird auf 250.000 € festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Auch im Rechtsmittelzug hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr im Hinblick auf die angegriffenen Matratzen der Antragsgegnerin ein im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuzusprechender Anspruch auf Unterlassung und Auskunftserteilung zusteht.

1.
Das Verfügungsgebrauchsmuster (DE 20 2007 018 xxx) betrifft eine Matratze sowie eine Federelementeinheit für eine Matratze.

Nach den einleitenden Bemerkungen der Gebrauchsmusterschrift sind aus dem Stand der Technik Matratzen in unterschiedlichen Ausführungsformen bekannt. Verwiesen wird insbesondere auf Federkernmatratzen sowie auf Polsterelemente, wie sie in dem Gebrauchsmuster 299 18 893 sowie der deutschen Patentanmeldung 39 37 214 beschrieben sind. Allen vorgenannten Gegenständen ist – insbesondere in der Anwendung für Matratzen – als Nachteil gemeinsam, dass zwischen dem Körper der Person und dem Polsterelement (Matratze) ein Wärme- und Feuchtigkeitsstau entstehen kann.

Aufgabe des Verfügungsgebrauchsmusters soll es demgemäß sein, ein Polsterelement vorzuschlagen, das den besagten Wärme- und Feuchtigkeitsstau zwischen Körper und Matratze verhindert.

Zur Lösung sieht das Verfügungsgebrauchsmuster in der von der Antragstellerin im Berufungsrechtszug geltend gemachten – gegenüber dem landgerichtlichen Begehren weiter eingeschränkten – Anspruchsfassung die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Matratze mit

(a) einem Grundkörper (40) und

(b) wenigstens einer Federelementeinheit (20).

(2) Der Grundkörper (40) weist wenigstens eine Aussparung (44) und eine Wandung (47) auf.

(3) Die Federelementeinheit (20)

(a) ist in der Aussparung (44) des Grundkörpers (40) aufgenommen,

(b) wird von der Wandung (47) des Grundkörpers (40) seitlich abgestützt,

(c) umfasst eine Vielzahl von Federelementen (10),

(d) wobei die Federelemente (10) Federelementpakete bilden, die unterschiedliche Elastizitätswerte aufweisen, um verschiedene Liegezonen zu schaffen, und wobei

(e) sich die Eindrückhärte der Federelementeinheit (20) von der Eindrückhärte des Grundkörpers (40) unterscheidet.

(4) Die Federelemente (10)

(a) bestehen jeweils aus einem Polyurethan-Weichschaumstoff,

(b) weisen im Querschnitt eine Mantelfläche (16) auf, die Anschlussflächen (17) und Seitenflächen (18) umfasst,

(c) sind derart nebeneinander angeordnet,

(aa) dass die Anschlussflächen (17) benachbarter Federelemente (10) aneinander grenzen,

(bb) dass im Bereich zwischen den Seitenflächen (18) benachbarter Federelemente (10) ein Freiraum (28) gebildet wird, der zum Abtransport von Wärme und Feuchtigkeit dient,

(d) weisen wenigstens eine Ausnehmung (12) als Luftkanal zur Ableitung von Feuchtigkeit auf,

(e) weisen eine erste Stirnfläche (14) und eine zweite Stirnfläche (15) auf,

(f) wobei sich die Ausnehmung (12) in den Federelementen (10) und der Freiraum (28) zwischen benachbarten Federelementen (10) von der ersten Stirnfläche (14) durchgehend bis zur zweiten Stirnfläche (15) erstrecken.

Die nachstehend eingeblendeten Abbildungen der Verfügungsgebrauchsmusterschrift verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung, wobei Figur 1a ein einzelnes Federelement zeigt,

während die Figuren 7a und 7b eine gesamte Matratze im Schnitt und in der Draufsicht wiedergeben.

2.
Die angegriffene Ausführungsform der Antragsgegnerin erschließt sich aus den nachfolgenden Abbildungen.

Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Matratze einheitlich geschäumt ist, so dass die Federelemente werkstoffeinstückig mit dem Grundkörper ausgebildet sind.

3.
Mit den im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zugelassenen Mitteln, die eine sachverständige Begutachtung ausschließen, vermag der Senat nicht mit der für eine Verurteilung der Antragsgegnerin erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass das Verfügungsgebrauchsmuster mit der von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruchsfassung auch bei einer einstückigen Ausgestaltung der Matratze dem Wortsinn nach benutzt wird.

Zwar ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass mit den Merkmalen des Schutzanspruchs eine Matratze erhalten werden soll, die dank ihrer Ausbildung in der Lage ist, Wärme und Feuchtigkeit von der auf der Matratze liegenden Person in Richtung auf die Matratzenunterseite abzuführen, wobei die betreffende Funktion einerseits den Ausnehmungen in den Federelementen und andererseits den zwischen den Seitenflächen benachbarter Federelemente verbleibenden Freiräumen zugewiesen ist. Entsprechendes erschließt sich dem Durchschnittsfachmann nicht nur anhand der Wirkungsangaben in den Merkmalen (4c,cc) und (4d), sondern gleichermaßen anhand der Nachteilsangaben zum vorbekannten Stand der Technik (Abs. [0005]), der Aufgabenformulierung (Abs. [0006]) sowie der Vorteilsangaben zum erfindungsgemäßen Gegenstand (Abs. [0008], [0020]). An den zuletzt genannten Beschreibungsstellen hebt die Verfügungsgebrauchsmusterschrift ausdrücklich hervor, dass die Ausnehmung im Federelement zum Abtransport von Wärme und Feuchtigkeit bzw. dazu dient, Luft in Richtung auf die Abstützfläche der Matratze strömen zu lassen, und dass der zwischen den Federelementen gebildete Freiraum ebenfalls dem Abtransport von Wärme und Feuchtigkeit dient.

Für den Eintritt der besagten Effekte ist es ersichtlich ohne Belang, ob die Federelemente lose in die Aussparung des Grundkörpers eingesetzt sind, ob die Federelemente mit ihrer Unterseite in der Aussparung des Grundkörpers verklebt sind (wie dies als mögliche Ausführungsvariante im Absatz [0026] beschrieben ist) oder ob die Federelemente von vornherein einstückig an den Grundkörper und dessen Aussparung angeformt sind. Auch die Antragsgegnerin stellt nicht in Abrede, dass es für die Eigenschaften und Wirkungen der fertigen Matratze, wie sie Gegenstand des Gebrauchsmusterschutzes ist, keine Rolle spielt, auf welche Weise die Federelemente fester Bestandteil des Grundkörpers (geworden) sind, es insbesondere unerheblich ist, ob dafür eine Verklebung oder eine werkstoffeinstückige Ausbildung verantwortlich ist. Unter rein technisch-funktionalen Gesichtspunkten gibt es daher keinen Anlass, zwischen beiden Ausführungsvarianten zu differenzieren, indem die verklebte Ausführungsform als Gebrauchsmusterverletzung, die einstückige Ausstattungsvariante hingegen als außerhalb des Verfügungsgebrauchsmusters liegend beurteilt wird.

Ungeachtet dessen darf jedoch nicht darüber hinweggesehen werden, dass der streitgegenständliche Schutzanspruch eindeutige Dimensionierungsvorgaben enthält, die verlangen, dass sich mit Blick auf eine mögliche angegriffene Ausführungsform zweifelsfrei feststellen lässt, welche räumlich-körperliche Ausdehnung die Federelemente besitzen. So fordert der Schutzanspruch für das Federelement

– eine Mantelfläche mit Anschlussflächen und Seitenflächen,

– wobei die Anschlussflächen benachbarter Federelemente aneinander grenzen,

– während die Seitenflächen benachbarter Federelemente einen Freiraum zum Abtransport von Wärme und Feuchtigkeit bilden,

– wobei in dem Federelement mindestens eine Ausnehmung als Luftkanal zur Ableitung von Feuchtigkeit vorhanden ist

– und sich die Ausnehmung im Federelement und der Freiraum zwischen den Federelementen von einer ersten (oberen) Stirnfläche des Federelements durchgehend bis zu einer zweiten (unteren) Stirnfläche des Federelements erstrecken.

Um die geforderte gleiche vertikale Erstreckung von Ausnehmung und Freiraum verlässlich feststellen zu können, muss nach feststehenden und gleichen Kriterien beurteilt werden, wo sich – bei einem verklebten und einem einstückig angeformten Federelement – die untere Stirnfläche befindet. Deutlich wird die Problematik anhand der beiden sich aus den nachstehenden Abbildungen ergebenden Ausführungsformen,

die von der streitgegenständlichen Anspruchsfassung ohne weiteres zugelassen sind, weil keine näheren Vorgaben dazu existieren, dass der Boden der Aussparung im Grundkörper eben zu sein hat, weswegen auch sacklochartige Ausnehmungen, in die ein separates Federelement eingeklebt wird, vom Anspruchswortlaut zugelassen sind. Ein derartiges separates Federelement hat zweifellos eine untere Stirnfläche, die sich jedenfalls auf erste Sicht am äußersten, der Aussparung zugewandten Ende des Federelementes befindet. Geht man hiervon aus, fällt die in der linken Abbildung dargestellte Ausführungsform nicht unter den Schutzanspruch, weil der Freiraum außerhalb des Federelementes eine (um die Einstecktiefe in die Aussparung) geringere vertikale Erstreckung besitzt als die Ausnehmung im Federelement. Bei einer einstückigen Anformung des Federelements an die Aussparung existiert zunächst eine äußerlich wahrnehmbare untere Stirnfläche des Federelementes nicht. Für die Verletzungsfrage macht es andererseits einen entscheidenden Unterschied, ob das untere Ende des Federelementes in der Ebene der Oberseite des Matratzenbodens angesiedelt wird (in diesem Fall wäre von einer Benutzung des Schutzanspruchs auszugehen) oder ob – entsprechend der zur eingeklebten Variante vorgenommenen Beurteilung – das Federelement dort seine untere Stirnfläche ausweist, wo die zentrale Bohrung endet (in diesem Fall wäre von einer Nichtverletzung des Schutzanspruchs auszugehen). Da das Federelement nicht als eigenständiger Körper ausgebildet ist und weil die Aussparung des Grundkörpers – mangels gegenteiliger Vorgaben im Schutzanspruch – auch mit Vertiefungen versehen sein kann, ist es im gedanklichen Ansatz sowohl möglich, die untere Stirnfläche des Federelementes in der Ebene der Oberseite des Matratzenbodens anzusiedeln und dementsprechend die darüber hinaus reichende Vertiefung als Unebenheit des Grundkörpers zu deklarieren, als auch denkbar, die untere Stirnfläche des Federelementes mit dem Ende der Ausnehmung gleichzusetzen. Die dargestellte Beliebigkeit der Argumentation kann nicht hingenommen werden, weil sie bei der von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruchsfassung dazu führt, dass die einer verklebten Ausführungsform entsprechende Konstruktion das eine mal gleich und das andere mal unterschiedlich hinsichtlich der Verletzungsfrage bewertet wird.

Im Verhandlungstermin vom November 2009 hat die Antragstellerin, um dem zu begegnen, geltend gemacht, dass ein in den Grundkörper eingestecktes Federelement – auch soweit es als eigenständiges Bauteil in der Aussparung verklebt ist – in jedem Fall dort seine untere Stirnfläche besitzt, wo die Oberseite des Matratzenbodens verläuft. Gerechtfertigt sei diese Betrachtung – so meint sie – deshalb, weil sich der darüber hinausgehende Teil des ursprünglich eigenständigen Federelements an den Wänden der im Boden der Aussparung des Grundkörpers vorhandenen Vertiefung abstütze und infolgedessen die technische Eignung als Federelement verliere. Ob diese Erwägungen der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsfachmanns entsprechen, vermag der Senat aus eigener Beurteilung nicht verlässlich zu entscheiden. Der im vorliegenden Verfahren gegebene Sach- und Streitstand verbietet deshalb die Feststellung, dass mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform eine wortsinngemäße Gebrauchsmusterverletzung vorliegt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.