Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. November 2011, Az. I- 2 U 95/10
Vorinstanz: 4a O 16/10
I.
Die Berufung gegen das am 13.07.2010 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Az.: 4a O 16/10 – wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung u.a. für die Bundesrepublik Deutschland in englischer Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents 1 642 XXX (Klagepatent, Anlage PBP III 1), das am 18.09.1997 unter Inanspruchnahme zweier dänischer Prioritäten vom 18.09.1996 und 01.11.1996 angemeldet und dessen Erteilung am 18.11.2009 veröffentlicht wurde. Das Klagepatent beruht auf einer Teilanmeldung aus der EP 1 145 XXY, die ihrerseits wiederum eine Teilanmeldung aus der EP 0 923 XXZ der Klägerin ist. Beide genannten Schutzrechte – das EP 1 145 XXY und das EP 0 923 XXZ – sind vom Europäischen Patentamt erstinstanzlich widerrufen worden. Über die Einspruchsbeschwerden der Klägerin ist derzeit ebenso wenig entschieden wie über den Einspruch der Beklagten gegen die Erteilung des Klagepatents.
Letzteres betrifft ein gebrauchsfertiges Blasenkatheterset. Sein allein streitgegenständlicher Hauptanspruch 1 lautet in der veröffentlichten deutschen Übersetzung wie folgt:
„Gebrauchsfertige Harnkathetereinheit, die einen Katheter (1) aufweist, der aus seiner Verpackung (7, 16) entnommen werden kann und zur direkten Einführung in die Harnröhre und in einem im Wesentlichen sterilen Zustand hergerichtet ist, wobei der Katheter (1) ein Harnkatheter ist, der auf mindestens einem Teil seiner Oberfläche (2) eine hydrophile Oberflächenschicht aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Verpackung (7, 16) als Ganzes aus einem gasundurchlässigen Material besteht, das ein Compartment (12, 19, 23) und einen Hohlraum (11, 18) zur Aufnahme des Katheters (1) vorgibt, wobei in dem Compartment (12, 19, 23) ein flüssiges Quellungsmedium vorgesehen ist, und dass das Quellungsmedium in einem Speicherkörper (14) aus einem schwammartigen oder gelartigen Material eingegrenzt ist, das sich in dem Compartment (12, 19, 23) befindet.“
Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 der Klagepatentschrift) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels in Form einer Längsschnittzeichnung:
Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Frühjahr 2009 im Ausland hergestellte Blasenkatheter-Sets, die die Bezeichnung „A“ tragen (angegriffene Ausführungsform). Die nachfolgend eingeblendete Abbildung der angegriffenen Ausführungsform ist von der Klägerin als Anlage PBP III 6 zur Gerichtsakte gereicht worden.
Von der Beklagten stammt die nachfolgend eingeblendete Skizze, anhand derer sich die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform wie folgt erläutern lässt:
Die Katheterverpackung 312„ enthält einen Katheter 314, der eine hydrophile Beschichtung aufweist und von einer flexiblen Hülle 320„ umgeben ist, welche aus einer wasserundurchlässigen, aber gasdurchlässigen Folie besteht. Ebenfalls von einer wasserundurchlässigen, aber gasdurchlässigen Folie („Membrane“) ist der Gewebestreifen 330„ umgeben. Er enthält Wasser, das seinen Aggregatzustand nach der Verpackung von flüssig in gasförmig umwandelt und so sowohl die Membrane als auch die flexible Hülle 320„ durchdringt. Es wird sodann über einen Zeitraum von mehreren Wochen von der hydrophilen Beschichtung des Katheters aufgenommen, der hierdurch aktiviert wird.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache damit von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Sie hat die Beklagte deshalb durch rechts- und patentanwaltliches Schreiben abgemahnt. Diese hat den Vorwurf ihrerseits durch rechts- und patentanwaltliches Schreiben zurückgewiesen, weshalb beide Parteien vorliegend die Erstattung der ihnen hierdurch jeweils entstandenen vorprozessualen Kosten begehren.
Die Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich außerdem auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung, Schadensersatz, Rückruf und Vernichtung in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, es reiche zur Patentverletzung aus, dass der Gewebestreifen mit flüssigem Wasser getränkt sei. Dieses müsse nicht mehr flüssig sein, wenn es auf die hydrophile Oberfläche des Katheters treffe. Das erfindungsgemäße Merkmal der Eingrenzung des flüssigen Quellungsmediums im Speicherkörper erfordere nur eine Aufnahme für eine gewisse Zeit, die damit ende, dass das Quellungsmedium für die Befeuchtung der Katheteroberfläche gebraucht werde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage zur Erstattung vorprozessualer Kosten in Höhe von 3.098,- € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Patentverletzung liege nicht vor. Das Klagepatent verlange in Anspruch 1 ein zum Zeitpunkt der Aktivierung der hydrophilen Oberflächenschicht des Katheters flüssiges Quellungsmedium. Dies folge aus Unteranspruch 2 und der Klagepatentbeschreibung. Wenn Unteranspruch 2 vorsehe, dass der Speicherkörper das Quellungsmedium in einem flüssigen Zustand halte, bedeute dies, dass sich das Quellungsmedium im Speicherkörper in einem flüssigen Aggregatzustand befinde. Dies bedeute im Umkehrschluss für Anspruch 1, dass das Quellungsmittel danach auch in einem anderen Zustand im Speicherkörper vorhanden sein könne, so dass die dortige Vorgabe „flüssig“ die Beschaffenheit des Quellmittels zu einem anderen Zeitpunkt beschreiben müsse. Als solcher komme nur der Moment der Aktivierung der hydrophilen Beschichtung in Frage. Diese Auslegung werde durch die Klagepatentbeschreibung bestätigt, in der an mehreren Stellen die Rede davon sei, dass die Aktivierung der Oberflächenbeschichtung durch ein flüssiges Quellungsmedium erfolge. An keiner Stelle der Klagepatentschrift werde die Möglichkeit einer Aktivierung der hydrophilen Katheteroberfläche mittels eines nicht flüssigen Quellungsmediums auch nur erwähnt. Dass die Aktivierung der hydrophilen Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform durch ein flüssiges Quellungsmedium erfolge, könne nicht festgestellt werden. Wenn dort in dem den Katheter enthaltenden Hohlraum Wassertropfen aufzufinden seien, lasse sich das damit erklären, dass durch die Folien diffundierender Wasserdampf nach Sättigung der hydrophilen Oberflächenschicht des Katheters an der Innenseite der Verpackung kondensiert sei. Selbst wenn es zutreffend sei, dass die aktivierte hydrophile Oberfläche im Laufe der Zeit an Feuchtigkeit verliere und dann wieder kondensiertes Wasser absorbiere, stelle dies nur das Verhindern einer Austrocknung, aber keine patentgemäße Aktivierung der hydrophilen Katheteroberfläche dar.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mittels derer sie ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt.
Die Klägerin macht zum einen geltend, das Landgericht habe das Klagepatent falsch ausgelegt. Anspruch 1 gebe nicht vor, dass flüssiges Wasser die hydrophile Oberflächenbeschichtung zu aktivieren habe, sondern lasse den Aggregatzustand des Quellungsmediums zum Zeitpunkt der Aktivierung offen und erfordere lediglich, dass in dem Compartment ein flüssiges Quellungsmedium anzuordnen sei. Etwas anderes folge auch nicht aus Unteranspruch 2, der nur vorgebe, dass das Quellungsmedium flüssig zu halten sei. Daraus folge, dass nach Anspruch 1 das Quellungsmedium bei der Aktivierung des Katheters nicht zwingend einen flüssigen Zustand aufweisen müsse. Diese Auslegung werde auch durch Unteranspruch 6 bestätigt, der als mögliche Ausgestaltung vorsehe, dass das Compartment für das flüssige Quellungsmedium mit dem Hohlraum zur Aufnahme des Katheters in Fließverbindung für Flüssigkeit stehe. Für den weiter gefassten Anspruch 1 bleibe danach die Möglichkeit, dass die Flüssigkeit durch Verdampfen aus dem Compartment in den Hohlraum gelange oder dass z.B. durch Zerreißen der Wand zwischen Compartment und Hohlraum dort eine Fließverbindung hergestellt werde. Beides liege für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens auf der Hand. Die Möglichkeit einer Aktivierung der hydrophilen Oberflächenbeschichtung durch Wasserdampf erkenne der Fachmann auch anhand von Figur 1 des Klagepatents. Dies habe das EPA für die der Figur 1 der Klagepatentschrift entsprechende Figur 1 der US-Anmeldung 2001/000XYX A1 bejaht. Die entsprechende Wirkungsweise sei auch durch einen seitens der Klägerin zwischenzeitlich erfolgten Nachbau einer diesen Figuren entsprechenden Ausführungsform bestätigt worden.
Weiterhin macht die Klägerin geltend, dass selbst bei der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung des Klagepatents eine Verletzung desselben durch die angegriffene Ausführungsform vorliege. Bei ihr erfolge die Aktivierung der hydrophilen Oberflächenbeschichtung des Katheters nicht nur durch Wasserdampf, sondern zum Teil auch durch kondensierte Wassertropfen. Dies habe eine weitere zwischenzeitlich vorgenommene Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform durch die Klägerin gezeigt.
Die Klägerin beantragt,
I.
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13.07.2010 – Az.: 4aO 16/10 – abzuändern,
II.
die Beklagte unter Abweisung der Widerklage zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,
zu unterlassen
eine gebrauchsfertige Harnkathetereinheit, die einen Katheter aufweist, der aus einer Verpackung entnommen werden kann und zur direkten Einführung in die Harnröhre und in einem im wesentlichen sterilen Zustand hergerichtet ist, wobei der Katheter ein Harnkatheter ist, der auf mindestens einem Teil seiner Oberfläche eine hydrophile Oberflächenschicht aufweist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen der zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wobei
die Verpackung als Ganzes aus einem gasundurchlässigen Material besteht, die ein Compartment und einen Hohlraum zur Aufnahme des Katheters vorgibt, wobei in dem Compartment ein flüssiges Quellungsmedium vorgesehen ist und wobei das Quellungsmedium ein einem Speicherkörper aus einem schwammartigen Material eingeschlossen ist, das sich in dem Compartment befindet;
2. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. Bezeichneten Handlungen seit dem 05.05.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
b. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
und dabei die zugehörigen Einkaufs- und Verkaufsbelege (Lieferscheine oder Rechnungen) mit der Maßgabe vorzulegen, dass Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können;
wobei die Einkaufs- und Verkaufsbelege hinsichtlich der Angaben unter Ziffer II. 2. lit. c) und lit. d) erst ab dem 01.09.2008 vorzulegen sind,
wobei die Angaben zu II. 2. lit. e) nur für die Zeit seit dem 18.12.2009 zu machen sind,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.
III.
Es wird festgestellt, dass
1. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu II. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 05.05.2006 bis zum 17.12.2009 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu II. 1. bezeichneten, seit dem 18.12.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
IV.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter oben II. 1. fallenden gebrauchsfähigen Kathetereinheiten auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.
V.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, die oben unter II. 1. fallenden, seit dem 18.12.2009 in den Besitz Dritter gelangten gebrauchsfähigen Kathetereinheiten aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den gebrauchsfähigen Kathetereinheiten eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass der Senat mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 642 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die gebrauchsfähigen Kathetereinheiten an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der gebrauchsfähigen Kathetereinheiten eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und die zurückgegebenen gebrauchsfähigen Kathetereinheiten nach Rückgabe wieder an sich zu nehmen.
VI.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.196,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent EP 1 642 XXX B1 auszusetzen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, das Vorbringen der Klägerin zu den nunmehr durchgeführten Untersuchungen sei nicht nur zu bestreiten, sondern auch verspätet und belege zudem nicht die von der Klägerin gezogenen Rückschlüsse.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
I. Zulässigkeit
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufungsschrift vom 23.08.2010 genügt den Erfordernissen des § 519 ZPO. Sie lässt eindeutig erkennen, dass gegen das am 13.07.2010 verkündete Urteil im Verfahren 4aO 16/10 LG Düsseldorf Berufung eingelegt werden soll und das in dem genannten Schriftsatz oberhalb des Rubrums angegebene Aktenzeichen auf einem Irrtum beruht.
II. Begründetheit
1.)
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist mangels Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform unbegründet.
a)
Nach der einleitenden Erläuterung der Klagepatentschrift betrifft die Erfindung mindestens eine Harnkathetereinheit, die einen Harnkatheter aufweist, der auf mindestens einem Teil seiner Oberfläche eine hydrophile Oberflächenschicht aufweist, die dazu vorgesehen ist, vor der Verwendung des Katheters einen reibungsarmen Oberflächencharakter des Katheters durch Behandlung mit einem flüssigen Quellungsmedium zu erzeugen, sowie eine Katheterverpackung, die einen Hohlraum zur Aufnahme des Katheters aufweist.
Wichtiges Merkmal eines jeden Harnkatheters ist es, leicht durch die Harnröhre zu gleiten, ohne dass deren Wände irgendeinem Beschädigungsrisiko ausgesetzt sind. Um dies sicherzustellen, werden die Katheter in dem einzuführenden Teil mit einer hydrophilen Oberflächenbeschichtung versehen, die unmittelbar vor der Verwendung mit einem flüssigen Quellungsmedium in Kontakt gebracht wird, was dem entsprechenden Oberflächenteil den Charakter extrem geringer Reibung verleiht. Hierzu war im Stand der Technik bekannt, als Quellungsmedium entweder Leitungswasser zu verwenden oder ein gelartiges Gleitmittel. Letzteres konnte vom Katheter getrennt verpackt oder innerhalb der Verpackung des Katheters an diesen angrenzend angeordnet sein. Die mit diesen bekannten Befeuchtungsmöglichkeiten verbundenen Schwierigkeiten sieht das Klagepatent darin, dass die Endverbraucher den Katheter oftmals außerhalb einer medizinischen Umgebung wie einer Klinik oder Praxis verwenden müssen und zum Teil krankheitsbedingt auch in ihrer Geschicklichkeit beeinträchtigt sind, was beides eine Erhöhung des Infektionsrisikos bedeutet.
Als Aufgabe der Erfindung stellt die Klagepatentschrift daher heraus, die Durchführung der intermittierenden Blasenkatheterisierung in jeglicher Art von Umgebung dadurch zu verbessern und zu vereinfachen, dass eine gebrauchsfertige Harnkathetereinheit zur Verfügung gestellt wird, die einen Katheter aufweist, der aus seiner Verpackung entnommen werden kann und zur direkten Einführung in die Harnröhre und in einem im Wesentlichen sterilen Zustand hergerichtet ist, wodurch die allgemeine Lebensqualität der Anwender erheblich verbessert wird.
Dieses Ziel wird mit der Erfindung dadurch erreicht, dass
• der mit einer hydrophilen Oberfläche ausgestattete Katheter innerhalb der Verpackung in einem Hohlraum aufgenommen ist,
• seine hydrophile Oberfläche erst unmittelbar vor der Verwendung des Katheters aktiviert wird,
• die Aktivierung mittels eines Quellungsmediums erfolgt, welches bis zur Aktivierung in einer gesondert in der Verpackung vorgesehenen Kammer (Compartment) aufbewahrt wird,
• das Compartment mit Wänden aus gasundurchlässigem Material ausgestattet ist, welches ausreichend dicht ist, eine Diffusion des Quellungsmediums durch Verdampfen während eines Zeitraumes zu verhindern, der die empfohlene Haltbarkeitsdauer der Harnkathetereinheit überschreitet.
In seinem Hauptanspruch sieht das Klagepatent demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:
1. Die Harnkathetereinheit
a) ist gebrauchsfertig und
b) weist
• einen Katheter (1) sowie
• eine Verpackung (7, 16) auf.
2. Der Katheter (1)
a) ist ein Harnkatheter,
b) ist zur direkten Einführung in die Harnröhre hergerichtet,
c) hat auf mindestens einem Teil der Oberfläche (2) eine hydrophile Oberflächenschicht,
d) ist in einem im Wesentlichen sterilen Zustand,
e) kann aus seiner Verpackung (7, 16) entnommen werden.
3. Die Verpackung (7, 16)
a) besteht als Ganzes aus einem gasundurchlässigen Material,
b) gibt
• ein Compartment (Kammer) (12, 9, 23)
u n d
• einen Hohlraum (11, 18) vor.
4. Der Hohlraum (11, 18) dient zur Aufnahme des Katheters (1).
5. In dem Compartment (Kammer)
a) ist ein flüssiges Quellungsmittel vorgesehen,
b) befindet sich ein Speicherkörper (14).
6. Der Speicherkörper (14)
a) besteht aus einem schwammartigen oder gelartigen Material;
b) in dem Speicherkörper (14) ist das Quellungsmittel eingegrenzt.
b)
Soweit Merkmal (5a) – im Sinne einer zweifelsfrei einschränkenden Festlegung – ein flüssiges Quellungsmittel vorsieht, ist nach der Formulierung des Patentanspruchs zwar auf die Anwesenheit des Quellungsmediums „im Compartment“ Bezug genommen, d.h. auf eine Zeitspanne, zu der die Aktivierung des Katheters noch nicht stattgefunden hat. Mit dem Abstellen auf das Compartment als Bevorratungsort für das flüssige Quellungsmittel ist allerdings auch klargestellt, dass das Quellungsmittel nicht nur vorübergehend, sondern solange flüssig sein soll, wie es sich „im Compartment“ befindet, und es befindet sich dort, bis die Aktivierung der Katheteroberfläche eingeleitet wird. Die flüssige Form des Quellungsmittels, die während seiner Bevorratung im Compartment gegeben sein soll, ist damit zugleich auch diejenige, mit der die anschließende Aktivierung erfolgt. Denn nirgends in der Klagepatentschrift findet sich irgendein Hinweis darauf, dass das Quellungsmittel anders als in seinem flüssigen Bevorratungszustand zur Aktivierung der Katheteroberfläche herangezogen werden könnte. Die Klägerin selbst behauptet auch nicht, dass es zum Prioritätszeitpunkt ein anderes als ein flüssiges Quellungsmittel zum Aktivieren der hydrophilen Oberflächenschicht des Katheters gegeben hätte. Insofern begreift der Durchschnittsfachmann, dass mit dem im Merkmal (5a) verwendeten Adjektiv „flüssig“ letztlich – auch – der Aggregatzustand angesprochen ist, den das Quellungsmittel haben soll, wenn es – der ihm zugewiesenen technischen Funktion entsprechend – die hydrophile Oberflächenschicht des Katheters benetzt, um – wie es das Ziel der Erfindung ist (vgl. Merkmal 1) – einen „gebrauchsfertigen“ Katheter zur Verfügung zu stellen.
Dass dem so ist, erschließt sich dem einschlägigen Fachmann bereits aus der Würdigung, die der vorbekannte Stand der Technik in der Klagepatentschrift erfahren hat. Er ist durchgängig dahingehend beschrieben, dass bei ihm der Katheter mit einem flüssigen Quellungsmittel behandelt wird, um eine die Einführung des Katheters erleichternde reibungsarme Oberfläche zu erhalten. Die nachstehend eingeblendeten Textstellen (Anm.: alle nachfolgenden Zitate beziehen sich auf die deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift) verdeutlichen dies:
• Seite 1 Zeilen 1-10:
„Die vorliegende Erfindung betrifft mindestens eine Harnkathetereinheit, … die dazu vorgesehen ist, vor der Verwendung des Katheters einen reibungsarmen Oberflächencharakter des Katheters durch Behandlung mit einem flüssigen Quellungsmedium zu erzeugen … . Eine solche Verpackung wird in der WO 9630XYY offenbart.“
• Seite 1 Zeile 33 bis Seite 2 Zeile 4:
„Katheter der Art, auf die sich die Erfindung bezieht, wurden entwickelt, um diesem Erfordernis (Anm.: eines verletzungsfreien Hindurchgleitens des Katheters durch die Harnröhre) dadurch zu genügen, dass sie mindestens dem Teil der Oberfläche des Katheters, der tatsächlich in die Harnröhre eingeführt wird, einen Charakter extrem geringer Reibung verleihen. Der Oberflächencharakter geringer Reibung wird dadurch erzielt, dass der relevante Teil des Katheters mit mindestens einer hydrophilen Oberflächenschicht versehen wird … und diese Schicht … mit einem flüssigen Quellungsmedium unmittelbar vor der Verwendung in Kontakt gebracht wird.“
• Seite 2 Zeilen 12-30:
„Wenn Katheter dieser Art direkt vom Endverbraucher … verwendet werden, ist (das) üblichste flüssige Quellungsmedium, das zum Präparieren des Katheters unmittelbar vor der Verwendung verwendet wird, normales Leitungswasser.
Zur Verringerung des Infektionsrisikos, das mit der Durchführung der … Katheteri-sierung der Blase verbunden ist, müssen … sowohl das tatsächlich verwendete Quellungsmedium als auch die Umgebung, in der die Katherisierung vorgenommen wird, so sauber und antiseptisch wie möglich sein. Es ist klar, dass diesem Erfordernis in zahlreichen Situationen des täglichen Lebens nur mit großen Schwierigkeiten entsprochen werden kann, … beispielsweise in öffentlichen Toilettenräumen oder Waschräumen … .“
Wenn die Klagepatentschrift – hiervon ausgehend – die Aufgabe der Erfindung darin sieht, die Blasenkatheterisierung in jeglicher Art von Umgebung zu verbessern und zu vereinfachen (indem eine gebrauchsfertige Harnkathetereinheit bereitgestellt wird, deren Katheter sogleich nach seiner Herausnahme aus der Verpackung einsatzbereit, nämlich bereits gleitfähig gemacht, aber noch steril ist), so übt das Klagepatent keinerlei Kritik an den bekannten (bei Aktivierung des Katheters) flüssigen Quellungsmitteln. Sie werden vom Klagepatent vielmehr voraussetzt und hingenommen. Optimiert werden soll mit der Erfindung nicht das Quellungsmittel, sondern dessen Handhabung. Die Aktivierung der hydrophilen Katheteroberfläche durch Inkontaktbringen mit dem (flüssigen) Quellungsmittel soll nicht mehr – wie bisher – in einer beliebigen, ggf. nicht hinreichend sterilen Umgebung geschehen, sondern innerhalb der Schutzatmosphäre, welche durch die Katheterverpackung solange bereitgestellt wird, bis tatsächlich der Bedarf zur Benutzung des innerhalb der schützenden Verpackung aktivierten Katheters eintritt.
In völliger Übereinstimmung hiermit hält der allgemeine Beschreibungstext der Klagepatentschrift (Seite 3 Zeilen 8-13) den Lösungsgedanken des Anspruchs 1 (anhand einer Ausführungsvariante) ausdrücklich dahingehend fest, dass die Verpackung ein Compartment besitzt, welches das flüssige Quellungsmedium enthält und welches überdies mit Wänden aus gasundurchlässigem Material versehen ist, um eine gebrauchsfertige Kathetereinheit bereitzustellen. Wenn dem Fachmann sogleich im Anschluss (Seite 3 Zeilen 15-20) erläutert wird, dass der Begriff „gasundurchlässig“ jedes Material bezeichnen soll, das gegen Diffusion durch Verdampfen des flüssigen Quellungsmediums während eines Zeitraumes ausreichend dicht ist, der die empfohlene Haltbarkeitsdauer der Kathetereinheit überschreitet, so sind damit ersichtlich Vorkehrungen getroffen, die sicherstellen, dass in demjenigen Zeitpunkt während der vorgesehenen Haltbarkeit, zu dem der Katheter tatsächlich gebraucht wird, noch flüssiges Quellungsmittel verfügbar (dieses also bis dahin nicht infolge Verdampfens verloren gegangen) ist. Auch dies bestätigt, dass nach der Lehre des Klagepatents bei der Katheteraktivierung flüssiges Quellungsmittel zum Einsatz kommen soll.
Einen weiteren schlagkräftigen Beleg liefert Unteranspruch 2 des Klagepatents, der es als bevorzugte Variante der Erfindung beschreibt, dass der Speicherkörper das flüssige Quellungsmittel in einem flüssigen Zustand hält. Mit dem Wort „hält“ ist in diesem Zusammenhang nicht die Fähigkeit des Speicherkörpers gemeint, das Quellungsmittel überhaupt in sich aufzunehmen und zu fixieren (festzuhalten). Ohne diese grundlegende Eignung läge schon kein Speicherkörper vor und es könnte auch keine Rede davon sein, dass das Quellungsmittel in dem Speicherkörper „eingegrenzt ist“. Für den Fachmann, dem beides ohne tiefgreifende Überlegungen einsichtig ist, kommt eine Deutung des Wortes „hält“ nur dahingehend in Betracht, dass der Speicherkörper den flüssigen Aggregatzustand des Quellungsmittels bewahren soll, indem er z.B. verhindert, dass das Quellungsmittel seinen anfänglich flüssigen Zustand über die Zeit verändert. Exakt eine solche Ausführungsform wird folgerichtig auch im besonderen Beschreibungstext (Seite 5 Zeilen 22-25) angesprochen, wenn es heißt, dass „in einer zweiten Reihe von Ausführungsbeispielen das Compartment für das Quellungsmedium von dem Hohlraum zur Aufnahme des Katheters getrennt und das Quellungsmedium in dem Compartment bis zur vorgesehenen Verwendung des Katheters in einem flüssigen Zustand eingegrenzt (ist)“, und sie findet weiterhin im Rahmen der Ausführungsbeispiele Erwähnung (Seite 7 Zeilen 28-33), wenn mit Blick auf die in den Figuren 1 und 2 gezeigte Konstruktion gesagt wird, dass das Quellungsmedium im Speicherkörper (14) eingegrenzt ist, „um das Quellungsmedium bis zur tatsächlichen Präparierung des Katheters in flüssigem Zustand zu halten“. Daraus, dass das Beibehalten der flüssigen Form des Quellungsmittels im Speicherkörper – und damit der flüssige Aggregatzustand des Quellungsmediums im Compartment – im Unteranspruch 2 als bloß bevorzugte Möglichkeit angesprochen ist, von welcher der Fachmann Gebrauch machen kann, aber nicht Gebrauch machen muss, folgt im Umkehrschluss, dass das Quellungsmittel – im Rahmen der allgemeinen technischen Lehre des Hauptanspruchs 1 – auch in anderer als in flüssiger Form vorliegen kann. Der Senat hält insoweit nicht an seiner im einstweiligen Verfügungsverfahren geäußerten vorläufigen Auffassung fest, dass mit dem im Hauptanspruch – für jedwede Katheteranordnung – geforderten „flüssigen“ Zustand des Quellungsmediums deswegen nicht der Aggregatzustand während des Aufenthalts im Speicherkörper gemeint sein kann (der eben auch anders als flüssig sein kann), sondern dass mit ihm eine Beschaffenheit des Quellungsmittels angesprochen ist, die zu einem anderen Zeitpunkt (außerhalb des Speicherkörpers) vorliegt, nämlich im Augenblick der Aktivierung der hydrophilen Oberflächenschicht des Katheters durch das Quellungsmedium. Wie oben dargelegt, ist der Aggregatzustand des Quellungsmittels im Moment der Aktivierung im Patentanspruch 1 nicht explizit angesprochen, sondern erschließt sich für den Fachmann lediglich mittelbar durch die Form, welche das Quellungsmittel im Compartment aufweist. Da der Fachmann am Prioritätstag ausschließlich flüssige Quellungsmittel kannte, hat eine Interpretation der vom Klagepatent gegebenen technischen Lehre dahingehend auszuscheiden, dass zur Aktivierung der Katheteroberfläche ein gasförmiges Medium herangezogen wird. Wenn Unteranspruch 2 es nun aber gestatten würde, dass das Quellungsmittel im Laufe der Zeit seine zunächst flüssige Form verlässt, würde, weil die allerletzte Aggregatform des Quellungsmittels die Aktivierung des Katheters zu leisten hat, im maßgeblichen Aktivierungszeitpunkt überhaupt kein – aus der damaligen Sicht des Prioritätstages allein – taugliches Quellungsmedium mehr zur Verfügung stehen und damit die Erfindung nicht erfolgreich ausgeführt werden können. Eine dahingehende Auslegung hat zu unterbleiben. Richtigerweise besagt Unteranspruch 2 für den Fachmann nur, dass ein Speicherkörper gewählt werden kann, der dank seiner besonderen Fähigkeiten dafür sorgt, dass das flüssige Quellungsmittel über die Dauer flüssig bleibt, d.h. auch in Teilen (z.B. infolge von Temperaturschwankungen) nicht in einen gasförmigen Zustand übergeht, infolgedessen außerhalb des Speicherkörpers (z.B. an den Wänden des Compartments) kondensiert und damit für die zu leistende Aktivierungsaufgabe verloren geht. Ohne derartige Verluste kann die Beladung des Speicherkörpers mit einem Quellungsmedium auf ein geringes Maß begrenzt werden, was ausweislich der Klagepatentschrift (Seite 8 Zeilen 9-14) vorteilhaft ist. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert hat und von der Klägerin unbestritten geblieben ist, sind dem Fachmann die unterschiedlichen Speicherfähigkeiten der in Betracht kommenden Speicherkörper bekannt. Ist der Speicherkörper z.B. gelartig aufgebaut, wird das flüssige Quellungsmedium in die Struktur des Gels eingebunden. Aber auch schwammartige Speicherkörper können – je nach Porenbeschaffenheit – über eine gute Fähigkeit verfügen, das flüssige Quellungsmedium in eben diesem Zustand zu speichern.
Dem Verständnis, dass die Beschichtung des Katheters mit Hilfe eines flüssigen Quellungsmittels gleitfähig gemacht werden muss, steht – anders als die Klägerin meint – Unteranspruch 6 des Klagepatents nicht entgegen. Er sieht vor, dass die Kathetereinheit bevorzugt ein Compartment für das flüssige Quellungsmedium besitzt, welches mit dem katheteraufnehmenden Hohlraum in Fließverbindung für Flüssigkeit steht. Beschrieben ist hier – aus der Masse der vom Hauptanspruch zugelassenen Möglichkeiten – eine ganz spezielle Katheteranordnung, nämlich eine solche, bei der das Compartment und der Hohlraum für den Katheter von Anfang an in Fließverbindung miteinander stehen, z.B. dadurch, dass auf flüssigkeitsundurchlässige Trennmittel zwischen Compartment und Hohlraum verzichtet ist und deswegen der Speicherkörper allein dafür verantwortlich ist, dass das flüssige Quellungsmittel während der Bevorratung eingegrenzt ist und die Katheteroberfläche erst erreicht, wenn ein Aktivierungsbedarf besteht. Eine andere, gleichermaßen von Patentanspruch 1 abgedeckte, aber nicht unter Anspruch 6 fallende Ausführungsvariante bestünde beispielsweise darin, das Compartment und den Hohlraum durch eine flüssigkeitsdichte Folie voneinander zu trennen, so dass ein Flüssigkeitsaustausch vom Speicherkörper zum Katheter erst dadurch möglich ist, dass bei Bedarf die Trennfolie durch äußeren Druck oder dergleichen zum Zerbersten gebracht wird. Der Beschreibungstext behandelt beide Varianten als mögliche Ausführungsformen und führt in diesem Zusammenhang korrekt aus, dass im erstgenannten Fall (Seite 5 Zeilen 9-20, Seite 7 Zeilen 19-33, Seite 8 Zeilen 4-9) das flüssige Quellungsmittel – allein – durch den Speicherkörper eingegrenzt wird, während im zweitgenannten Fall (Seite 5 Zeilen 22-25; Seite 10 Zeile 32 bis Seite 11 Zeile 3) das flüssige Quellungsmedium – auch – durch das Compartment eingegrenzt ist. Letzteres ist eine von Anspruch 8 umfasste Variante, der eine gebrauchsfertige Harnkathetereinheit nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche beschreibt, bei der das Compartment vom Hohlraum getrennt ist. Dass hiermit nicht unbedingt keine vollständige räumliche Trennung von Compartment und Hohlraum gemeint ist, folgt aus der Bezugnahme auf Unteranspruch 6 und wird durch die Klagepatentbeschreibung bestätigt, die dem Fachmann eine Kombination der Unteransprüche 6 und 8 dahingehend erläutert, dass es im Rahmen der als „erste Reihe von Ausführungsformen“ bezeichneten Variante mit einer Fließverbindung für Flüssigkeit zwischen Compartment und Hohlraum (Seite 3 Zeile0 11 ff) bevorzugt sein kann, das Compartment für das Quellungsmedium von dem Katheterhohlraum zu trennen und die Fließverbindung für Flüssigkeit als einen relativ engen Durchgang vorzusehen, um das Quellungsmedium in dem Compartment einzugrenzen, bis die Aktivierung der hydrophilen Oberflächenbeschichtung des Katheters unmittelbar vor Verwendung des Katheters erforderlich ist (Seite 4 Zeile 13-18).
Soweit die Klägerin in der Berufung mit Ergebnissen aus einem Experiment mit einer vermeintlich klagepatentgemäßen Kathetereinheit nach Figur 1 argumentiert, ist dies bereits im Ansatz verfehlt. Wenn dort aus dem Compartment Wasserdampf ausgetreten ist, belegt dies nur den von der Klägerin ohnehin eingeräumten Umstand, dass bei der Auswahl der Untersuchungsparameter die Klagepatentbeschreibung ignoriert wurde. Es fehlt bei dem untersuchten Katheter jedenfalls an einer patentgemäßen Eingrenzung des Quellmediums im Speicherkörper, die – wie dargelegt – eine Dampfundurchlässigkeit des Compartments voraussetzt.
c)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal (5a) nicht. Bei ihr erfolgt die Aktivierung der hydrophilen Katheteroberfläche mittels eines gasförmigen Quellungsmediums. Etwas anderes belegen auch nicht die von der Klägerin in der Berufung eingeführten weiteren Untersuchungen der angegriffenen Ausführungsform, bei denen vor vollständiger Aktivierung der Katheteroberfläche Wassertropfen an der Hohlrauminnenseite gefunden worden sein sollen. Dass dieser Umstand eine Patentverletzung offenbart, hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Sie behauptet, nach der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform verdampfe Wasser aus dem Aktivierungsstreifen. Der hierdurch entstandene Wasserdampf trete durch die Schutzfolie, werde teilweise sofort von der Beschichtung aufgenommen und verbleibe im Übrigen im Innenraum des Hohlraums. Bei Sinken der Temperatur kondensiere der Wasserdampf im Innenraum jedenfalls zum Teil und setze sich als Wassertropfen an der Innenseite der Schutzfolie ab. Diese umgebe den Katheter nicht kreisförmig und daher nicht in gleichem Abstand, so dass die kondensierten Wassertropfen nicht überall gleich zur Katheteroberfläche beabstandet seien. Diejenigen Wassertropfen, die mit der Katheteroberfläche in körperlichen Kontakt kämen, würden von dieser unmittelbar absorbiert. Diejenigen Wassertropfen, die zunächst nicht mit der Katheteroberfläche in Kontakt kämen, verblieben innerhalb der Schutzfolie. Sie könnten später aufgrund von Größenveränderung oder Erschütterung der Verpackung mit der Katheteroberfläche in Kontakt kommen und würden dann ebenfalls von ihr absorbiert. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass diese Behauptungen zutreffend sind, ist eine bei der angegriffenen Ausführungsform stattfindende patentgemäße Aktivierung nicht festzustellen. Zwar mag es richtig sein, dass eine solche Aktivierung nicht voraussetzt, dass die Befeuchtung der hydrophilen Katheteroberfläche allein durch ein flüssiges Quellmittel erfolgt. Das flüssige Quellmittel muss in jedem Fall jedoch in einem relevanten Umfang an dem Befeuchtungsvorgang Anteil haben. Dies kann auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nicht festgestellt werden. Wie viele Tropfen sich wo an der Innenseite der Schutzfolie des Hohlraums festsetzen, ist ebenso wenig dargelegt, wie die Abstände der entsprechenden Schutzfolienbereiche zum Katheter. Vielmehr hat die Klägerin auf ausdrückliche Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung einräumen müssen, dass sich nicht quantifizieren lässt, in welchem Umfang Wasserdampf und in welchem Umfang flüssiges Wasser an der Aktivierung der hydrophilen Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform Teil haben. Die theoretische Möglichkeit, dass bei grundsätzlicher Befeuchtung der Katheteroberfläche durch Wasserdampf auch der eine oder andere Wassertropfen von der hydrophilen Beschichtung absorbiert wird, was in seinem konkreten Umfang offensichtlich von diversen, dem Zufall geschuldeten Umständen abhängig ist, liegt außerhalb des Schutzbereichs des Klagepatents.
Die Frage, ob angesichts der Herstellung und wochenlangen Lagerung der angegriffenen Ausführungsform überhaupt noch eine Patentverletzung in der Bundesrepublik Deutschland stattfindet, bedarf danach keiner Beurteilung mehr.
2.)
Aus dem Gesagten folgt, dass die klägerische Abmahnung unberechtigt war, so dass die Klägerin die mit der Widerklage geltend gemachten, der Höhe nach unstreitigen vorprozessualen Kosten der Beklagten zu erstatten hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.