Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Oktober 2011, Az. I-2 U 80/10
Vorinstanz: 4a O 254/08
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Juni 2010 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Abschnitt I. 1. der Entscheidungsformel des angefochtenen Urteils folgende Fassung erhält:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung der im Urteilausspruch näher bezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen,
Vorrichtungen zum Trennen einer Materialmischung mit unterschiedlichem spezifischem Gewicht, welche eine Zuführeinrichtung zum Zuführen einer Materialmischung zu einer angetriebenen Sichteinrichtung, die mit ihrer Drehachse quer zur Förderrichtung der Zuführeinrichtung angeordnet ist, aufweisen, wobei die Materialmischung auf die Außenseite der Sichteinrichtung aufgebbar ist, und wobei im Übergangsbereich zwischen der Zuführeinrichtung und der Sichteinrichtung eine Luftblaseinrichtung angeordnet ist, und wobei die Drehrichtung der Sichteinrichtung in ihrem oberen Teil mit der Förderrichtung der Zuführeinrichtung zusammenfällt,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Sichteinrichtung als Sichttrommel mit einem geschlossenen Außenmantel ausgebildet ist, die Materialmischung von der Zuführeinrichtung unmittelbar auf die Sichttrommel aufgebbar ist, und wobei der Luftstrom der Luftblaseinrichtung schräg nach oben sowie zumindest teilweise gegen die Außenseite der Sichttrommel auf den Bereich der Aufgabestelle der Materialmischung von der Zuführeinrichtung auf die Sichttrommel gerichtet ist, wobei der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung bezogen auf die Sichttrommel derart angeordnet ist, dass die Materialteile gegen die obere Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite leitbar sind.
II.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,– Euro abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin ist nach einer Umschreibung vom 16. Juni 1999 eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 0 546 XXX (Klagepatent, Anlage K 1) betreffend eine Vorrichtung zum Trennen einer Materialmischung aus Materialien mit unterschiedlichem spezifischen Gewicht. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung ist am 3. Dezember 1992 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 10. Dezember 1991 eingereicht und am 16. Juni 1993 im Patentblatt veröffentlicht worden; die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung hat am 12. Juli 1995 stattgefunden. Anspruch 1 des Klagepatentes lautet wie folgt:
Vorrichtung zum Trennen einer Materialmischung mit unterschiedlichem spezifischen Gewicht, welche eine Zuführeinrichtung (1, 5) zum Zuführen einer Materialmischung zu einer angetriebenen Sichteinrichtung (2, 22, 32, 33, 35), die mit ihrer Drehachse (11) quer zur Förderrichtung (6) der Zuführeinrichtung (1, 5) angeordnet ist, aufweist, wobei die Materialmischung auf die Außenseite der Sichteinrichtung (2, 22, 32, 33, 35) aufgebbar ist, und wobei im Übergangsbereich (14) zwischen der Zuführeinrichtung und der Sichteinrichtung eine Luftblaseinrichtung (15, 16) angeordnet ist, und dass die Drehrichtung der Sichttrommel in ihrem oberen Teil mit der Förderrichtung der Zuführeinrichtung zusammenfällt, gekennzeichnet dadurch, dass die Materialmischung von der Zuführeinrichtung (1, 5) unmittelbar auf die Sichteinrichtung (2, 22, 32, 33, 35) aufgebbar ist, und wobei der Luftstrom der Luftblaseinrichtung (15, 16) schräg nach oben, sowie zumindest teilweise gegen die Außenseite der Sichteinrichtung (2, 22, 32, 33, 35) auf den Bereich der Aufgabestelle der Materialmischung von der Zuführeinrichtung (1, 5) auf die Sichteinrichtung gerichtet ist, wobei der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung bezogen auf die Sichttrommel derart angeordnet ist, dass die Materialteile gegen die obere Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite leitbar sind.
In einem von der Beklagten mit Schriftsatz vom 3. September 2010 (Anlage B 6) eingeleiteten Nichtigkeitsverfahren verteidigt die Klägerin das Klagepatent in eingeschränktem Umfang (vgl. Anlage BB 2, Anlage H1); das Kennzeichen des verteidigten und im Berufungsverfahren geltend gemachten Anspruches lautet – ohne Bezugszeichen – wie folgt (neu hinzugekommene Merkmale kursiv hervorgehoben):
… gekennzeichnet dadurch, dass die Sichteinrichtung als Sichttrommel mit einem geschlossenen Außenmantel ausgebildet ist, die Materialmischung von der Zuführeinrichtung unmittelbar auf die Sichttrommel aufgebbar ist, und wobei der Luftstrom der Luftblaseinrichtung schräg nach oben sowie zumindest teilweise gegen die Außenseite der Sichttrommel auf den Bereich der Aufgabestelle der Materialmischung von der Zuführeinrichtung auf die Sichttrommel gerichtet ist, wobei der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung bezogen auf die Sichttrommel derart angeordnet ist, dass die Materialteile gegen die obere Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite leitbar sind.
Außerdem ist im Oberbegriff im letzten Merkmal vor dem Kennzeichen das Wort „Sichttrommel“ durch das Wort „Sichteinrichtung“ ersetzt und sind die Bezugszeichen (32), (33) und (35) gestrichen und durch die Bezugszahl (30) ersetzt worden. Das Bundespatentgericht hat über die Nichtigkeitsklage noch nicht entschieden.
Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 der Klagepatentschrift zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Trennvorrichtung in Seitenansicht.
Die Beklagte lieferte an die A in B eine Anlage zur Trennung von Abfallstoffen, deren Ausgestaltung sich in den hier interessierenden Einzelheiten aus der der als Anlage K 12 vorgelegten Betriebsanleitung entnommenen Abbildung 4.1 ergibt.
Die Klägerin meint, diese Anlage entspreche wortsinngemäß der in Anspruch 1 des Klagepatentes unter Schutz gestellten Lehre und hat vor dem Landgericht vorgetragen, das Abgabeende der Zuführeinrichtung sei jedenfalls so einstellbar, dass die Materialmischung unmittelbar im Sinne des Klagepatentes auf die Sichteinrichtung aufgebbar sei. Die Separiertrommel könne über Zahnstangen auf einen so geringen Abstand zwischen Förderband und Trommel eingestellt werden, dass die Materialteile einer Wurfparabel folgend auf der Trommel aufträfen.
Die Beklagte stellt eine Übereinstimmung der angegriffenen Anlage mit der patentgeschützten Lehre in Abrede und hat vor dem Landgericht vorgetragen, entgegen den Vorgaben des Anspruches 1 sei das Material nicht unmittelbar auf die Sichteinheit aufgebbar und der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung sei in Bezug auf die Sichttrommel auch nicht so angeordnet, dass Materialteile gegen ihre obere Hälfte der der Zuführeinheit zugewandten Seite geleitet werden könnten. Dazu müsse das Ende der Zuführeinrichtung vertikal oberhalb der Sichteinrichtung angeordnet sein, damit die Materialmischung unmittelbar auf die Sichteinrichtung treffen könne. Bei der angegriffenen Anlage sei dagegen das Förderband von der Separiertrommel horizontal beabstandet. Aufgrund dieses Abstandes treffe die Materialmischung nicht auf der Separiertrommel auf. Der Luftstrom blase nur die leichteren Materialteile darüber; die schwereren fielen dagegen vor der Trommel nach unten. Die Anlage lasse sich nicht so einstellen, dass die Materialmischung vom Förderband unmittelbar auf die Separiertrommel falle. Eine gegenteilige Angabe im bereits erwähnten Betriebshandbuch sei unrichtig und werde geändert.
Mit Urteil vom 8. Juni 2010 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und auf der Grundlage der seinerzeit noch geltend gemachten erteilten Fassung des Patentanspruches 1 wie folgt erkannt:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
Vorrichtungen zum Trennen einer Materialmischung mit unterschiedlichem spezifischem Gewicht, welche eine Zuführeinrichtung zu Zuführen einer Materialmischung zu einer angetriebenen Sichteinrichtung, die mit ihrer Drehachse quer zur Förderrichtung der Zuführeinrichtung angeordnet ist, aufweisen, wobei die Materialmischung auf die Außenseite der Sichteinrichtung aufgebbar ist, und wobei im Übergangsbereich zwischen der Zuführeinrichtung und der Sichteinrichtung eine Luftblaseinrichtung angeordnet ist, und wobei die Drehrichtung der Sichteinrichtung in ihrem oberen Teil mit der Förderrichtung der Zuführeinrichtung zusammenfällt,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Materialmischung von der Zuführeinrichtung unmittelbar auf die Sichteinrichtung aufgebbar ist, und wobei der Luftstrom der Luftblaseinrichtung schräg nach oben, sowie zumindest teilweise gegen die Außenseite der Sichteinrichtung auf den Bereich der Aufgabestelle der Materialmischung von der Zuführeinrichtung auf die Sichteinrichtung gerichtet ist, wobei der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung bezogen auf die Sichttrommel derart angeordnet ist, dass die Materialteile gegen die obere Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite leitbar sind;
2.
Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 16.Juni 1999 begangen hat, und zwar unter Angabe
a)
der einzelnen Lieferungen, Lieferzeiten und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Lieferempfänger,
b)
der einzelnen Angebote und Angebotszeiten sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c)
der betriebenen Werbung unter Angabe der Werbezeiträume, der Werbeträger und deren Auflagenhöhe sowie der Werbeaufwendungen,
d)
der Gestehungskosten und des erzielten Gewinns unter Aufschlüsselung sämtlicher Kostenfaktoren,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr aus den in Ziff. I. 1. bezeichneten und seit dem 16. Juni 1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Es ist zu dem Ergebnis gekommen, die angegriffene Vorrichtung entspreche wortsinngemäß der in Anspruch 1 der erstinstanzlich geltend gemachten erteilten Fassung niedergelegten technischen Lehre. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiter. Zur Begründung führt sie unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag aus: Das Landgericht habe den technischen Sinngehalt der schutzbeanspruchten technischen Lehre verkannt. Die Vorgaben des Patentanspruches 1, dass die Materialmischung von der Zuführeinrichtung unmittelbar auf die Sichteinrichtung aufgebbar und der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung bezogen auf die Sichttrommel so angeordnet ist, dass die Materialteile gegen deren obere Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite leitbar sind, ließen sich nur verwirklichen, wenn der Abgabepunkt vertikal oberhalb der Sichteinrichtung angeordnet sei. Nur bei einer solchen Konfiguration könnten auch Gegenstände wie Papierblätter oder Folien auf die Sichteinrichtung fallen; bestehe ein Abstand zur Sichttrommel, ließen sich solche Gegenstände nicht mit der zu seiner Überbrückung notwendigen Geschwindigkeit beaufschlagen. Dass erfindungsgemäß im Gegensatz zum Stand der Technik die gesamte Materialmischung von der Zuführeinrichtung unmittelbar auf die Sichteinrichtung gelangen müsse, ohne dass hierzu ein Luftstrom nötig sei, habe auch der Erfinder und Anmelder des Klagepatentes im Erteilungsverfahren hervorgehoben Die angegriffene Anlage könne dagegen wegen ihres Abstandes zwischen Zuführende und Sichttrommel nicht erfindungsgemäß arbeiten. Soweit das Landgericht der Betriebsanleitung entnommen habe, dass auch die Schwerfraktion auf die Separiertrommel treffe, beruhe sein Urteil auf einer Verletzung der Hinweispflicht. Sie – die Beklagte – habe in der mündlichen Verhandlung substantiiert bestritten, dass das Handbuch der tatsächlichen Funktionsweise der Maschine entspreche und insbesondere dargelegt, dass die fragliche Aussage im Handbuch auf Übersetzungsfehlern aus dem in niederländischer Sprache verfassten Original beruhe. Soweit das Landgericht dies mit der Begründung nicht anerkenne, diese Originalbetriebsanleitung sei nicht vorgelegt worden, habe sie – die Beklagte – mangels Hinweises nicht davon ausgehen können, das Landgericht werde ihrem Vortrag nicht folgen; sie habe damit keine Veranlassung gehabt, das Original vorzulegen.
In jedem Fall sei das Verfahren bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen, denn der Gegenstand des Klagepatentes sei durch die US-Patentschrift 3 306 XXY (Anlage B 3) und durch die britische Patentschrift 581 XXZ (Anlage B 5) jeweils neuheitsschädlich vorweggenommen. Auch sei der Gegenstand des Klagepatentes gegenüber der französischen Patentanmeldung 2 589 XYX (Anlage B 2) nicht erfinderisch.
Die Beklagte beantragt,
1.
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;
2.
hilfsweise, das Berufungsverfahren wegen Vorgreiflichkeit der den deutschen Teil des europäischen Patentes 0 546 XXX betreffenden Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht auszusetzen.
Die Klägerin beantragt,
zu erkennen wie geschehen,
und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die angegriffene Anlage für eine wortsinngemäße Übereinstimmung mit der in Anspruch 1 des Klagepatentes unter Schutz gestellten Lehre gehalten. Die Einschränkung, mit der die Klägerin das Klageschutzrecht im Nichtigkeitsverfahren verteidigt und mit der sie es auch im Berufungsverfahren des Verletzungsrechtsstreits geltend macht, nimmt die angegriffene Anlage nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatentes heraus. Eine Aussetzung der Verhandlung bis zum erstinstanzlichen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens hält der Senat für nicht angezeigt.
1.
Die klagepatentgeschützte Erfindung betrifft mit Anspruch 1 eine Vorrichtung zum Trennen einer Materialmischung.
Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt (Spalte 1, Zeilen 29 bis 52), beschreibt die europäische Patentschrift 0 303 XYY (vgl. Anlage K 3), deren Figur 1 nachstehend wiedergegeben ist, eine derartige Vorrichtung, deren Bandförderer (5; Bezugszeichen entsprechen nachstehender Abbildung) die Materialmischung einer ständig mit Luft beaufschlagten Siebtrommel (6) zuführt. Die Materialmischung fällt nach unten in einen Fallschacht (11), durch dessen einseitige Siebwand (10) ein Querluftstrom (15) das leichtere Material gegen die Siebtrommel bläst, die es mit Hilfe des in ihrem Inneren befindlichen Unterdruckes an ihre Oberfläche ansaugt und dort festhält. Das schwerere Material kommt nicht mit der Siebtrommel in Berührung; der Trennvorgang findet ausschließlich durch das ansaugende Festhalten der Leichtteile an der Trommel statt.
Die sowjetische Druckschrift 1 313 XYZ (Anlage K 4), deren Figurendarstellung nachstehend ebenfalls eingeblendet ist, zeigt eine Vorrichtung zum Separieren von Materialien unterschiedlicher Körnung. Über eine Schwingrinne (2; Bezugszeichen entsprechen wiederum der nachstehenden Abbildung) wird das Material direkt auf eine rotierende Trommel aufgegeben, wobei zwischen dem Ablaufende der Schwingrinne und der Trommeloberfläche ein größerer Abstand vorhanden ist. Der Luftstrom einer oberhalb der Trommel angeordnete Luftdüse (3) ist knapp unterhalb des Ablaufendes der Schwingrinne nach unten an der Trommel vorbei gerichtet ist und verändert die Flugbahn des kleiner gekörnten Materials so, dass es beim Fallen vor dem Berühren der Trommel von dem gröber gekörnten Material getrennt wird (Klagepatentschrift Spalte 1, Zeile 53 bis Spalte 3, Zeile 13). Die Trennung erfolgt wie bei der vorbezeichneten europäischen Patentschrift bereits vor der Siebtrommel allein durch den Luftstrom.
Wie die Klagepatentschrift weiter ausführt (Spalte 2, Zeilen 14 bis 37), weist die aus der deutschen Offenlegungsschrift 28 37 037 (Anlage K 5) bekannte Vorrichtung eine Vorrichtung zum Zuführen einer Mischung aus Materialien unterschiedlicher spezifischer Gewichte zu einer rotierend angetriebenen als schräg nach oben angestellte Sichttrommel ausgebildeten Sichteinrichtung auf. In dieser Sichttrommel, deren Drehachse in Längs- und Zuführrichtung der Zuführvorrichtung gerichtet ist, sollen die einzelnen Materialien mit Unterstützung eines Luftstroms voneinander getrennt werden. An derartigen vor allem zur Müll- und Abfallsortierung eingesetzten Vorrichtungen wird beanstandet, sie verstopften trotz der vorgeschlagenen Einstellmöglichkeiten, insbesondere wenn die Zusammensetzung der Materialmischung sehr stark schwankt, insbesondere wenn sich die Anteile von leichtem zu schwerem spezifischen Gewicht ständig änderten; auch lasse die Sortierqualität zu wünschen übrig.
Die nicht vorveröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 41 25 XZX (Anlage K 6) beschreibt eine Vorrichtung, bei der die zu trennende Materialmischung gegen eine einstellbare Prallplatte geschleudert wird, an der die Materialien in Abhängigkeit von ihrer Festigkeit unterschiedlich stark abprallen und so in zwei Materialströme getrennt werden. Eine weitere räumliche Trennung der Teilströme erfolgt dadurch, dass beide in einen etwa horizontal ausgerichteten Luftstrom fallen, bevor sie in der dritten Phase auf eine bewegte geneigte Fläche treffen. Daran wird als nachteilig angesehen, dass die Materialien aufgrund der relativ hohen Abprallgeschwindigkeit zu kurze Zeit im Luftstrom verweilen und nur unzureichend getrennt werden.
Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung gibt die Klagepatentschrift an, den Aufbau der eingangs beschriebenen Vorrichtung wesentlich zu vereinfachen und gleichzeitig eine störungsunanfällig und verstopfungsfrei arbeitende Vorrichtung mit hoher Trennschärfe und hohem Reinheitsgrad zu schaffen (Spalte 2, Zeilen 38 bis 44).
Zur Lösung dieser Aufgabe wird in Anspruch 1 des Klagepatentes in der von der Klägerin im Nichtigkeitsverfahren verteidigten Fassung eine Vorrichtung vorgeschlagen, die folgende Merkmale miteinander kombiniert:
1.
Die Vorrichtung dient zum Trennen einer Materialmischung mit unterschiedlichem spezifischen Gewicht;
2.
die Vorrichtung weist eine Zuführeinrichtung (1, 5) zum Zuführen einer Materialmischung zu einer Sichteinrichtung (2, 22, 30) auf;
3.
die Sichteinrichtung ist als Sichttrommel mit einem geschlossenen Außenmantel (7) ausgebildet und mit ihrer Drehachse (11) quer zur Förderrichtung (6) der Zuführeinrichtung (1, 5) angeordnet;
4.
die Materialmischung ist auf die Außenseite der Sichteinrichtung aufgebbar, und zwar von der Zuführeinrichtung unmittelbar auf die Sichttrommel ;
5.
im Übergangsbereich (14) zwischen der Zuführeinrichtung und der Sichteinrichtung ist eine Luftblaseinrichtung (15, 16) angeordnet;
6.
die Drehrichtung der Sichteinrichtung fällt in ihrem oberen Teil mit der Fördereinrichtung der Zuführeinrichtung zusammen;
7.
der Luftstrom der Luftblaseinrichtung (15, 16) ist
7.1
schräg nach oben sowie
7.2
zumindest teilweise gegen die Außenseite der Sichttrommel auf den Bereich der Aufgabestelle der Materialmischung von der Zuführeinrichtung auf die Sichttrommel gerichtet;
8.
der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung ist bezogen auf die Sichttrommel derart angeordnet, dass die Materialteile gegen die obere Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite leitbar sind.
Wie die Klagepatentschrift weiter erläutert (Spalte 2, Zeile 53 bis Spalte 3, Zeile 40), wird die Verstopfungsfreiheit der Vorrichtung durch das unmittelbare Aufgeben der Materialien von der Zuführeinrichtung auf die Außenseite der Sichteinrichtung sowie den Quereinbau der Drehachse der Sichteinrichtung zur Förderrichtung des Materials gewährleistet. Diese Aufgabeweise des Materials soll im Zusammenwirken mit der in der Merkmalsgruppe 7 beschriebenen Luftblaseinrichtung sehr gute Trennergebnisse erreichen. Die Sichttrommel bremst das unmittelbar auf sie aufgegebene Material ab, wobei die Luftblaseinrichtung einen ersten Trennvorgang herbei führt, die leichteren Materialien gegen die Trommel drückt und die Reibkraft zwischen ihr und diesen Materialien so weit erhöht, dass die Sichttrommel sie mitreißen kann, während die schweren Teile aufgrund ihrer Gewichtskraft eine Bewegungsumkehr erfahren und in die andere Richtung abgeschieden werden.
Wenn Anspruch 1 als Einsatzgebiet der unter Schutz gestellten Vorrichtung das Trennen einer Materialmischung mit unterschiedlichem spezifischen Gewicht angibt, meint er damit entgegen der von der Beklagten im Berufungsverfahren erstmals vertretenen Auffassung nicht nur Materialmischungen aus etwa gleichförmigen Körpern, die aufgrund unterschiedlicher Dichte ein unterschiedliches Gewicht aufweisen; der Begriff unterschiedliches spezifisches Gewicht beschränkt sich im Rahmen der unter Schutz gestellten Erfindung nicht auf die Dichte im naturwissenschaftlich präzisen Sinne, sondern ist umfassender gemeint. Zwar enthalten weder Anspruch 1 noch einer der Unteransprüche dazu nähere Vorgaben; aber aus der zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehenden Beschreibung wird deutlich, dass die Mischung lediglich eine „Leichtfraktion“ aufweisen muss, deren Bestandteile sich gegen die Sichttrommel blasen und so über diese abführen lassen, und eine „Schwerfraktion“, die aufgrund ihres Gewichts vom Luftstrom nicht erfasst werden kann, sondern an der aufsteigenden Seite der Sichttrommel abprallt und nach unten fällt, ohne von der Sichttrommel bei deren Drehbewegung mitgenommen zu werden. Diese Funktionsweise der erfindungsgemäßen Vorrichtung wird in der Klagepatentschrift wiederholt dargestellt (vgl. Spalte 3, Zeilen 6 bis 40, Spalte 4, Zeilen 31 bis 36, Spalte 6, Zeilen 20 bis 23, 39 bis 42 und 51 bis Spalte 7, Zeile 4). Soweit die Beschreibung als Materialien Steinschutt, Folien, Styropor, Papier, Pappe, Holzstücke und ähnliches angibt (vgl. Spalte 3, Zeilen 8 und 9 sowie Spalte 6, Zeilen 21 bis 24 und 40 bis 41), geschieht das nur beispielhaft und ohne schutzbeschränkende Wirkung; dass so unterschiedliche Materialien wie Papier, Styropor, Pappe, Holzstücke und Folien als leichtere Materialien genannt werden, bestätigt vielmehr, dass es insoweit genügt, dass die leichteren Materialien vom Luftstrom erfasst und gegen die Sichttrommel gedrückt werden können; auch auf deren Körperform kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Anspruch 1 erwähnt keine bestimmte Körperform, und auch die Beschreibung enthält nichts, was den Fachmann zu einem solchen Verständnis veranlassen könnte. Dass sie darauf hinweist, die Anordnung mehrerer Sichttrommeln hintereinander könne vorteilhaft für das Sortieren von Materialmischungen sein, deren Bestandteile nach ihrer Körperform und/oder ihrem spezifischen Gewicht an sich schwer trenn- und unterscheidbar sind (Spalte 4, Zeilen 31 bis 36), zeigt, dass die Eigenschaft, vom Luftstrom erfassbar zu sein, sowohl von der Körperform als auch vom Gewicht abhängig sein kann.
Anspruch 1 ist auch nicht auf Materialmischungen mit Teilen bestimmter Größe beschränkt; soweit die Klagepatentbeschreibung maximale Brockendurchmesser von 30 mm erwähnt (Spalte 4, Zeilen 5/6), wird dies ausdrücklich als beispielhaft bezeichnet; die vorausgehende Empfehlung, den Abstand zwischen dem Abgabeende der Zuführeinrichtung und der Sichttrommel auf das 1,5 bis 5fache, vorzugsweise das 2 bis 3fache des größten mittleren Brockendurchmessers einzustellen, zeigt vielmehr, dass auch Vorrichtungen, die Materialteile anderer und unterschiedlicher Größen verarbeiten, unter die erfindungsgemäße technische Lehre fallen können.
Den technischen Sinngehalt des Merkmals 4 (Merkmal 7 der landgerichtlichen Merkmalsgliederung) hat das Landgericht zutreffend ermittelt. Unmittelbar aufgebbar im Sinne dieses Merkmals bedeutet lediglich, dass die Materialmischung ohne weitere Hilfsmittel – und damit auch ohne Einwirkung des Luftstroms – auf die Sichteinrichtung treffen kann. Dass der Luftstrom nach Merkmal 7.2 zumindest teilweise gegen die Außenseite der Sichteinrichtung auf den Bereich der Aufgabestelle der Materialmischung gerichtet ist, soll gewährleisten, dass er die leichteren Materialien erst erfasst, wenn sie auf der Sichttrommel auftreffen. Wie das Landgericht ebenfalls zutreffend weiter ausgeführt hat, erfordert die erfindungsgemäße Anordnung der Zuführeinrichtung gegenüber der Sichteinrichtung nicht, dass der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung senkrecht oberhalb des Trommelquerschnitts liegt. Eine solche Anweisung ist Anspruch 1 nicht zu entnehmen und auch die Beschreibung sagt hierüber nichts aus. Es genügt, dass die Materialmischung insgesamt von der Zuführeinrichtung unmittelbar auf die Sichteinrichtung gelangen kann und dabei auf einen Bereich auf der oberen Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite trifft, damit sichergestellt ist, dass die Sichttrommel die dort gegen sie gedrückten leichteren Materialien mit ihrer Drehbewegung abführen kann; träfen sie auf einen Bereich der unteren Hälfte, fielen sie möglicherweise mit den schwereren Teilen der Mischung herunter.
Mit dem Unmittelbarkeitserfordernis grenzt sich das Klagepatent vom Stand der Technik, insbesondere nach dem bereits erörterten europäischen Patent 0 303 XYY ab, bei dem das schwerere Material mit der Siebtrommel gar nicht in Berührung kommt und das leichtere Material sie nur deshalb erreicht, weil ein Querluftstrom es in diese Richtung fördert und die Siebtrommel es gleichzeitig mit ihrem Unterdruck ansaugt und festhält. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Eingabe des Erfinders vom 1. August 1994 an das Europäische Patentamt (Anlage B 1). Abgesehen davon, dass Vorgänge aus dem Patenterteilungsverfahren zur Auslegung des Klagepatentes nicht herangezogen werden können (dazu Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rdn. 45 – 47 m.w.N.), weil der Gesetzgeber sie als Auslegungsmittel nicht vorgesehen hat und dem Fachmann in der Regel nur die Patentschrift zur Verfügung steht, besagen auch die Ausführungen des Erfinders nichts Gegenteiliges, sondern bestätigen als fachkundige Äußerung die hier gegebene Auslegung. Dort ist ausgeführt, erfindungsgemäß werde im Gegensatz zur europäischen Patentschrift 0 303 XYY die gesamte Materialmischung von der Zuführungseinrichtung unmittelbar auf die Sichteinrichtung aufgegeben, ohne dass hierzu an sich der Luftstrom nötig wäre, und die erfindungsgemäße Aufgabeart der Materialmischung auf die Sichteinrichtung werde durch den Rückpralleffekt der schweren Teile von der Sichteinrichtung und der nach oben gerichteten Luftunterstützung für die leichteren Teile die Trennung durchführen. Der Luftstrom soll danach erfindungsgemäß die Abtrennung der leichteren Teile nur unterstützen, aber nicht bewirken.
2.
Von dieser technischen Lehre macht die angegriffene Anlage wortsinngemäß Gebrauch.
a)
Sie ist eine Vorrichtung zum Trennen einer Materialmischung mit unterschiedlichem spezifischen Gewicht im Sinne des Merkmals 1. Das war in erster Instanz zu Recht unstreitig. Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungsreplik vom 9. Mai 2011, insbesondere auf den S. 15 und 16 (Bl. 328, 329 d.A.), versteht der Senat dahin, dass die Beklagte in der Berufungsinstanz nun auch erstmals die Verwirklichung des Merkmals 1 in Abrede stellen will. Damit ist sie allerdings nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, auch wenn nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund die Beklagte ohne Nachlässigkeit gehindert war, dieses Merkmal schon in der ersten Instanz zu bestreiten. Sie trägt allerdings keine andere Funktionsweise der angegriffenen Anlage vor, sondern macht nur geltend, bei zutreffendem – von ihr erst zweitinstanzlich entwickeltem – Verständnis des Merkmals 1 sei die angegriffene Vorrichtung zu dessen Verwirklichung nicht in der Lage. Die Auslegung der unter Schutz gestellten technischen Lehre ist jedoch nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Rechtsfrage (BGH GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine; BVerfG, GRUR-RR 2009, 441 – Nichtberücksichtigung eines Beweisangebotes; Kühnen, a.a.O. Rdn. 57), so dass die Beklagte insoweit nur eine Rechtsansicht vorgetragen hat, was ihr durch § 531 ZPO nicht verwehrt ist.
Der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Begriffes „spezifisches Gewicht“ als zerkleinerte Partikel unterschiedlichen Gewichts, aber in etwa gleichen Durchmessers (S. 14 der Berufungsreplik vom 9. Mai 2011, Bl. 327 d.A.) vermag der Senat nicht zuzustimmen. Dass sie nicht zutreffen kann, ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen zum Sinngehalt, den der angesprochene Durchschnittsfachmann Merkmal 1 entnimmt. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Übereinstimmung der angegriffenen Ausführungsform mit Merkmal 1 nicht ernsthaft in Zweifel ziehen. Unstreitig ist sie eine Anlage zum Trennen von Abfall; das ergibt sich aus der Beschreibung in Abschnitt 4.1 der als Anlage K 12 vorgelegten Betriebsanleitung, es seien leichte Fraktionen Restabfall nach dem Prinzip des Windsichtens zu trennen; dementsprechend ist die von der Klägerin besichtigte Anlage der angegriffenen Art von ihrem Benutzer ausweislich der Fotos 2 der Anlage K 9 und derjenigen gemäß Anlagen K 10 zum Trennen von Hausmüll verwendet worden. Dass solche Abfälle Materialmischungen mit unterschiedlichem spezifischem Gewicht im Sinne des Klagepatentes sind, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, so dass die angegriffene Vorrichtung das Merkmal 1 verwirklicht. Die Verwirklichung der Merkmale 2, 3, 5, 6 und der Merkmalsgruppe 7 ist nach wie vor – zu Recht – unstreitig, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.
b)
Die Verwirklichung des Merkmals 4 hat das Landgericht der als Anlage K 12 vorgelegten deutschsprachigen Fassung der die angegriffene Vorrichtung betreffenden Betriebsanleitung entnommen; dort ist auf S. 4.2 am Ende des vorletzten Absatzes ausgeführt, die Position der Luftblasdüse sei so einzustellen, dass die Leichtfraktion gerade auf oder über die Separiertrommel hinweg geblasen werde; die Steinfraktion pralle auf die Separiertrommel und falle dann nach unten. Diese Beurteilung greift die Berufung im Ergebnis ohne Erfolg an. Auf der Grundlage des zweitinstanzlichen Sachvortrages der Beklagten zur Funktionsweise der angegriffenen Anlage hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die angegriffene Vorrichtung auch das Merkmal 4 verwirklicht. Die Beklagte hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, bei niedrigem Abstand des Förderbandes von der Sichttrommel sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung fielen jedenfalls einige Teile vom Ende des Förderbandes herunter, ohne die Sichttrommel zu berühren; sie hat das dahingehend konkretisiert, dass dies jedenfalls für solche Teile gelte, die sich aufgrund ihres besonders hohen Gewichtes nicht beschleunigen ließen. Da die Schwerfraktion aber nicht nur Teile von solch ungewöhnlich hohem Gewicht umfasst, sondern sämtliche Materialteile, die sich unter Zuhilfenahme des Luftstromes nicht kurzfristig „an die Trommel heften“ und von dieser durch die Drehbewegung mitnehmen lassen, bedeutet dieses Vorbringen der Beklagten, dass die Schwerfraktion auch Bestandteile aufweist, die sich aufgrund ihres (geringeren) Gewichts noch beschleunigen lassen, zunächst auf die Trommel auftreffen, von dort abprallen und in eine Sammelvorrichtung an der vorderen Seite der Trommel fallen.
Indiziell bestätigt wird dieses Vorbringen auch durch die Berechnungen der Abstände und Abmessungen der hier in Rede stehenden Funktionsteile der angegriffenen Anlage, die die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 10. September 2009 (S. 8-13, Abschn. 4, Bl. 109-114 d.A.) vorgenommen hat. Nach diesen Berechnungen (S. 12 der Klageerwiderung [Bl. 113 d.A.]), isst die angegriffene Anlage u.a. so einstellbar, dass der horizontale Abstand zwischen der Mittelachse der vorderseitigen Umlenkrolle der Zuführeinrichtung und der Oberfläche der Sichttrommel 370 mm und der Höhenunterschied zwischen der horizontalen Durchmesserlinie der Trommel und der vertikalen Durchmesserlinie der Umlenkrolle 470 mm beträgt. Berücksichtigt man, dass das zugeführte Material die Umlenkrolle nicht schon auf deren horizontalem Scheitelpunkt verlässt, sondern von ihr noch ein Stück nach vorn bis kurz vor das Erreichen ihrer horizontalen Durchmesserlinie mitgenommen wird, und dass die Antriebsrolle einen Durchmesser von 240 mm hat, führt die Rolle das Material fast 120 mm näher an die Trommeloberfläche heran, so dass sich der Horizontalabstand der Abgabeseite der Umlenkrolle um etwas weniger als deren Radius von 120 mm auf etwa 250 mm verringert. Betrachtet man die Größe der auf dem oberen Foto der Anlage K 10 erkennbaren als Schwerfraktion ausgesonderten Gegenstände, zu denen auch Flaschen und ähnlich große Behältnisse gehören, so leuchtet ohne Weiteres ein, dass sie bei der Aufgabe auf die Siebtrommel unter Berücksichtigung der entstehenden Wurfparabel die Vorderseite der Trommel berühren müssen. Darauf, ob einzelne Partikel der Schwerfraktion die Separiertrommel nicht berühren, kommt es nicht an, weil auch das Klagepatent derartiges nicht verlangt, sofern nur sichergestellt ist, dass die Partikel der Schwerfraktion im Regelfall die Oberfläche der Trommel berühren.
Auch die bereits zu Beginn dieses Absatzes erwähnten Ausführungen auf S. 4.2 der als Anlage K 12 vorgelegten deutschsprachigen Fassung der Betriebsanleitung, die Steinfraktion pralle auf die Separiertrommel und falle dann unten, bestätigen letztlich indiziell das Vorbringen der Beklagten. Vergeblich macht sie geltend, die betreffende Passage sei aus dem Niederländischen falsch übersetzt worden, und das Landgericht habe sie verfahrensfehlerhaft nicht darauf hingewiesen, dass es sein Urteil auf diese Aussage stützen wolle. Ob das Landgericht seine Hinweispflicht verletzt hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Selbst wenn man dies zu Gunsten der Beklagten annimmt, hätte die Verletzung der Hinweispflicht lediglich zur Folge, das Angriffs- und Verteidigungsmittel, die aufgrund eines solchen Hinweises schon in das erstinstanzliche Verfahren eingeführt worden wären, nicht nach § 531 ZPO ausgeschlossen sind, wenn das nunmehr im Berufungsverfahren nachgeholt wird. Dasjenige, was die Beklagte im Zusammenhang mit dem angeblichen Übersetzungsfehler im Berufungsverfahren geltend macht, trägt ihre Auffassung indes nicht. Sie legt nur die Seite 4.1 der Betriebsanleitung in der niederländischen Ausgangssprache vor, nicht aber die Seite 4.2, aus der sich ergibt, dass die – unstreitig horizontal und vertikal verstellbare – Sichttrommel so einstellbar ist, dass die Steinfraktion nach dem Verlassen der Fördereinrichtung zunächst auf die Separiertrommel und dann nach unten fällt. In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Betriebsanleitung keine Werbeschrift mit mehr oder weniger nichtssagenden Anpreisungen darstellt, sondern für den Abnehmer eine zuverlässige Informationsquelle über die Beschaffenheit und Funktionsweise der Anlage sein soll, auf deren Richtigkeit er vertrauen können muss. Sie werden daher in aller Regel mit besonderer Sorgfalt erstellt. Es hätte deshalb, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, im Einzelnen vorgetragen werden müssen, aus welchem Grunde bei der Übersetzung der Betriebsanleitung dennoch ein solch gravierender Fehler unterlaufen ist.
Auch die bereits mehrfach zitierte und angeblich falsch übersetzte Aussage in Abschnitt 4.1 der Betriebsanleitung gemäß Anlage K 12 vor dem Hintergrund der niederländischen Originalfassung besagt nichts Gegenteiliges. Wenn es dort heißt, die leichte Fraktion werde durch einen … Luftstrom über die Separierrolle … geblasen … und fallen nachher auf „ein Schuttabladeplatz“, während die schwere Fraktion „vor die Separierrolle in ein Schuttabladeplatz“ falle, so bedeutet das lediglich, dass die leichte Fraktion auf der Abführseite der Separierrolle gesammelt wird und die schwere Fraktion in einen Abladeplatz auf der Vorderseite der Separierrolle fällt (gleiche Aussagen finden sich in der Internetwerbung gemäß Anlagen K 8.1 und K 8.2); ob die schweren Partikel dabei die Separierrolle berühren, wird an dieser Stelle nicht erwähnt und bleibt offen.
Auch die wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 8 kann die Beklagte nicht ernsthaft in Abrede stellen. Zutreffend hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass die erfindungsgemäße Anordnung der Zuführeinrichtung im Verhältnis zur Sichteinrichtung nicht erfordert, das der Abgabepunkt senkrecht oberhalb des Querschnitts der Trommel liegt. Die Vorgabe des Merkmals 8 ist allgemeiner gefasst und bereits erfüllt, wenn der Abgabepunkt der Zuführeinrichtung bezogen auf die Sichttrommel so liegt, dass die Materialteile gegen die obere Hälfte der der Zuführeinrichtung zugewandten Seite geleitet werden können. Dass die schweren Partikel bei der vorstehend beschriebenen Einstellung der angegriffenen Vorrichtung auf einen minimalen horizontalen Abstand und einen maximalen vertikalen Abstand von Umlenkrolle und Separiertrommel auf letztere aufgegeben werden können, wurde bereits dargelegt. Diese Materialien reißen auch leichtere Gegenstände wie Folien oder Papierblätter auf die Trommel mit. Auch die übrigen Leichtpartikel gelangen direkt auf die Trommel; das ergibt sich aus der unstreitigen Verwirklichung der Merkmalsgruppe 7, die zu dem Ergebnis führt, dass der Luftstrom gerade an der Stelle wirksam wird, an der die Partikel auf die Oberfläche der Sichttrommeln gelangen. Entsprechend wird die richtige Einstellung der Blasdüse auch in der Betriebsanleitung (Anlage K 12, S. 4.2 vorletzter Absatz) beschrieben.
3.
Dass die Beklagte, weil sie entgegen § 9 PatG eine patentierte Erfindung benutzt hat, der Klägerin als Schutzrechtsinhaberin gemäß Art. 64 Abs. 3 EPÜ, 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung, nach Art. 64 Abs. 3 EPÜ, § 140 Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zur Rechnungslegung und zur Auskunft und gemäß Art. 64 Abs. EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 2 PatG zum Schadenersatz verpflichtet ist, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil (Abschnitt III. der Entscheidungsgründe; Umdruck S. 16-17) im Einzelnen zutreffend ausgeführt; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
4.
Eine Aussetzung der Verhandlung bis zum erstinstanzlichen Abschluss des den deutschen Teil des Klagepatents betreffenden Nichtigkeitsverfahrens erscheint nicht angezeigt; dass die Klägerin erstinstanzlich obsiegt hat und dadurch über einen Titel verfügt, den sie – wenn auch gegen Sicherheitsleistung – vollstrecken kann, ändert hieran nichts.
a)
Neuheitsschädlich sind die Entgegenhaltungen aus dem Nichtigkeitsverfahren nicht.
aa)
Die aus der US-Patentschrift 3 306 XXY bekannte Vorrichtung zum Sichten und Sortieren von Blaubeeren befördert diese auf einem Förderband (26) Bezugszeichen entsprechen der älteren Druckschrift in Richtung einer Trommel (12). Von dem Ende des Förderbandes (26) fallen die Blaubeeren unmittelbar auf die Oberseite der Trommel. Zwischen dem Ende des Förderbandes sowie der Trommel ist eine Luftblaseinrichtung (52) angeordnet, die einen schräg nach oben auf die Oberfläche der Trommel gerichteten Luftstrom bereit stellt, der gewährleistet, dass Abfallelemente, etwa Blätter und Holzzweige, weggeblasen und von den Blaubeeren getrennt werden. Das verwirklicht die Merkmale 1, 3 und 5 bis 8.
Die bekannte Vorrichtung kann jedoch nicht nur Blätter und Zweige von den Beeren separieren, sondern auch letztere nach ihrer Größe sortieren. Hierzu ist die Trommel (12) mit einer siebartigen Oberfläche versehen, durch die kleine Beeren hindurch in das Innere der Trommel und an ihrer Unterseite wieder aus der Trommel heraus in einen Auffangbehälter (62) fallen. Große Beeren prallen dagegen an der siebförmigen Oberfläche ab und gelangen entgegen dem Luftstrom in einen gesonderten Auffangbehälter (60). Damit ist das Merkmal 2 nicht verwirklicht, soweit es eine Sichttrommel mit geschlossenem Außenmantel voraussetzt.
bb)
Die britische Patentschrift 581 XXZ offenbart eine Vorrichtung zum Separieren von Abbauprodukten aus dem Bergbau; die dort beschriebene Vorrichtung dient insbesondere dem Trennen von Kalkstein und Lehm. Ein Förderband führt die Mischung unmittelbar auf eine rotierende Trommel; von ihr prallt der Kalkstein in einer der Rotationsrichtung entgegengesetzten Richtung ab, wohingegen das leichtere Lehmmaterial von der rotierenden Trommel in Rotationsrichtung weggetragen wird.
Bei einer weiteren offenbarten Ausführungsform wird die Materialmischung zunächst gegen eine Prallplatte geleitet und gelangt erst dann auf die Trommel, die in den Figurendarstellungen der älteren Patentschrift mit einem geschlossenen Außenmantel gezeichnet ist. Nicht gelehrt wird in der Entgegenhaltung, die Trennung der unterschiedlichen Materialien zusätzlich durch einen Luftstrom zu unterstützen.
cc)
Anders als in erster Instanz betrachtet die Beklagte die französische Patentschrift 2 589 XYX in der Berufungsinstanz (vgl. etwa S. 12 der Berufungsbegründung vom 15. September 2010, Bl. 215 d.A.) – zu Recht – nicht mehr als neuheitsschädlich, sondern hält sie nur noch der Erfindungshöhe entgegen. In das Nichtigkeitsverfahren ist sie allerdings ersichtlich nicht einmal eingeführt worden, so dass sie die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage auch nicht erhöhen kann. Sie kommt dem Klagepatent auch nicht näher als der in der Klagepatentschrift erörterte Stand der Technik. Die Entgegenhaltung zeigt eine Trenneinrichtung, die das zu trennende Material von einem ersten Förderband in einen schräg nach oben gerichteten Luftstrom bringt, der leichtere Metallteile erfasst und auf ein zweites Förderband befördert, wo hingegen schwerere Teile nach unten in ein Behältnis fallen. Die Vorrichtung weist weder eine Sichttrommel auf noch lehrt sie, die Materialmischung unmittelbar vom ersten auf das zweite Förderband aufzugeben.
b)
Die genannte US-Patentschrift stellt für sich allein oder zusammen mit der britischen Patentschrift die Erfindungshöhe des Klagepatentes auch nicht in einem solchen Maße in Frage, dass sich für ihre Zuerkennung kein vernünftiges Argument mehr finden lässt. Ausgehend von der US-Patentschrift ließe sich die der klagepatentgemäßen Lehre zugrundeliegende technische Aufgabe darin sehen, eine Vorrichtung vorzuschlagen, die einfacher und robuster aufgebaut sowie zur Sichtung und verstopfungsfreien Trennung massiverer Materialteile geeignet ist. Der Fachmann erfährt aus der britischen Patentschrift, dass der Außenmantel der Sichttrommel auch geschlossen ausgeführt sein kann. Die Eignung eines geschlossenen Mantels für die Trennung massiver Materialien geht ebenfalls aus der britischen Patentschrift hervor, die sehr viel schwerere Teile, Stein- und Lehmbrocken mit Hilfe der Trommel voneinander trennt. Daraus lässt sich der Fachmann jedoch nicht dazu anleiten, je nach vorliegender Trennaufgabe eine geeignete Trommel auszuwählen und den mit Sieböffnungen versehenen Mantel der älteren Vorrichtung durch eine Trommel mit geschlossenem Mantel zu ersetzen. Dem steht entgegen, dass durch die Auswahl einer Trommel mit geschlossener Mantelfläche die in der US-Patentschrift beschriebene Beerensortierfunktion der Vorrichtung verloren geht. Es mag zwar sein, dass das Sortieren kleiner und großer Beeren nur eine Zusatzfunktion der älteren Vorrichtung bildet und im Rahmen der hier relevanten Aufgabe keine Rolle spielt, und es mag ferner sein, dass die geschlossene Mantelfläche der Trommel im Hinblick auf die Lösung der hier in Rede stehenden Aufgabe mehr technische Vor- als Nachteile bietet. Die ältere aus der US-Patentschrift bekannte Vorrichtung behält jedoch ihre siebförmige Trommeloberfläche, auch wenn man auf die Zusatzfunktion des Beerensortierens verzichtet. Ob und wie weit das bedeutsam ist, um für das Aussortieren von Zweigstücken und Blättern eine raue Oberfläche zu schaffen, die das Anhaften des auszusortierenden Materials während des Abtransportierens erleichtert oder ob die Vorrichtung auch zufriedenstellend arbeitet, wenn man die Siebrommel durch eine solche mit geschlossener Oberfläche ersetzt, kann der Senat mangels eigener Sachkunde nicht feststellen. Letzterem steht zusätzlich entgegen, dass die Fachwelt bis zum Jahre 1987/88 für Vorrichtungen, die auch verhältnismäßig leichte Materialien trennen sollen, die bekannte gelochte Oberfläche der Sichttrommel beibehalten hat, um die Trommel als Ansaugvorrichtung für die Gegenstände der Leichtfraktion nutzen zu können, wie es die in der einleitenden Beschreibung der Klagepatentschrift als Stand der Technik erörterte europäische Patentanmeldung 0 303 XYY vorschlägt. Ob die US-Patentschrift nähere Hinweise in dieser Richtung enthält, erschließt sich dem Senat ebenfalls nicht, denn die Beklagte hat nur das in englischer Sprache verfasste Original und keine deutsche Übersetzung zu den Akten gereicht. Unter diesen Umständen fehlen konkrete Anhaltspunkte, aus denen sich ein am Prioritätstag des Klagepatentes bestehender Anlass für den angesprochenen Durchschnittsfachmann ableiten ließe, die US-Patentschrift mit der britischen Patentschrift zu kombinieren.
Auch wenn man von der britischen Patentschrift ausgeht, ist das Ergebnis kein anderes. Hier ist schon fraglich, ob der Fachmann diese Schrift als Ausgangspunkt wählen würde, die dem Gegenstand des Klagepatentes noch ferner steht als die im Erteilungsverfahren gewürdigte sowjetische Druckschrift (Anlage K 4), die immerhin schon einen Luftstrom zum Separieren der „Leichtfraktion“ einsetzt. Insgesamt erscheint mir die Verneinung der Erfindungshöhe eher ein Ergebnis rückschauender Betrachtung in Kenntnis der Lehre des Klagepatentes.
III.
Da die Berufung der Beklagten erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Als reine Einzelfallentscheidung wirft die Rechtssache keine entscheidungserheblichen grundsätzlichen Fragen auf, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts einer revisionsgerichtlichen Entscheidung bedurften.