2 U 78/11 – Knochenplatte II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1823

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Dezember 2011, Az. I-2 U 78/11

I. Die Berufung gegen das am 28. Juli 2011 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsbeklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200.000,– € festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Im Ergebnis zurecht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Verfügungsklägerin den begehrten Unterlassungsanspruch zu- und damit das Vorliegen eines Verfügungsanspruches anerkannt, der im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchgesetzt werden kann. Die angegriffene A-Prothese macht widerrechtlich von der in Anspruch 1 des Verfügungspatentes unter Schutz gestellten technischen Lehre Gebrauch, und auch der Rechtsbestand des Antragsschutzrechtes erscheint soweit gesichert, dass den Interessen der Verfügungsklägerin an einer beschleunigten Durchsetzung ihrer Rechte aus dem Verfügungspatent der Vorrang vor den Interessen der Verfügungsbeklagten eingeräumt werden muss, nicht vorzeitig aus einem sich später ggf. als schutzunfähig erweisenden Patent in Anspruch genommen zu werden.

1.
Das Verfügungspatent (DE 43 43 XXX) betritt ein Fixationssystem für Knochen.

Wie die Verfügungspatentschaft einleitend erläutert, werden Fixationssysteme in der Osteosynthese verwendet, wobei Knochenschrauben mit den Knochenfragmenten verbunden werden und die Knochenplatte die Fraktur des Knochens überbrückt. Bei der Bruchbehandlung ist es wünschenswert, die Knochenschraube in Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten des zu behandelnden Knochenteils unter verschiedenen Winkeln in die Knochenplatte einbringen zu können. Bei bekannten Fixationssystemen hat sich jedoch gezeigt, dass eine Lockerung der Knochenschrauben/Knochenplatten-Verbindung stattfinden kann, wobei eine der Ursachen in der ungenügenden Stabilität der Winkelverbindung von Knochenschraube und Knochenplatte liegen kann, die nur durch die Reibkräfte zwischen Schraubenkopf und Plattenloch gesichert ist. Soweit im Stand der Technik hierfür Lösungsvorschläge erarbeitet worden sind, schreibt die Verfügungspa-tentschrift ihnen unterschiedliche Nachteile wie eine eingeschränkte Anwendbarkeit, eine aufwändige Herstellung und Handhabung sowie die fehlende Eignung zu, die Knochenschraube in einen beliebigen Winkel in das Durchgangsloch der Knochenplatte einbringen zu können.

Ausgehend hiervon bezeichnet es die Verfügungspatenschrift als ihre Aufgabe, ein Fixationssystem für Knochen vorzuschlagen, das einen wählbaren und fixierbaren Winkel zwischen Knochenplatte und Knochenschraube bereitstellt, einen geringen Platzbedarf hat und weniger aufwändig ist.

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Anspruch 1 des Verfügungspatents die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Fixationssystem für Knochen.

(2) Das Fixationssystem hat

(a) eine Knochenplatte (8) mit wenigstens einer Durchgangsbohrung (9),

(b) eine Knochenschraube (1), die in ein Durchgangsloch (9) der Knochenplatte (8) eingesetzt werden kann,

(c) Mittel zum Festlegen der Knochenschraube (1) in einem bestimmten Winkel zur Knochenplatte (8).

(3) Die Knochenplatte (8) und die Knochenschraube (1) haben Sitzflächen (4, 11), die eine gegenseitige Ausrichtung unter verschiedenen Winkeln ermöglichen.

(4) Die Mittel zum Festlegen

(a) weisen eine Gewindeverbindung der Sitzflächen (4, 11) von Knochenplatte (8) und Knochenschraube (1) auf,

(b) wobei die Gewindeverbindung an mindestens einer Sitzfläche (4, 11) von einem Gewinde (6, 10) gebildet ist, welches durch Eindrehen der Knochenschraube (1) in dem bestimmten Winkel vorgeformt ist.

Die nachfolgenden Abbildungen (Figur 1 der Verfügungspatentschrift) verdeutlichen die technischen Einzelheiten der Erfindung.

Zu den Vorteilen einer derartigen Konstruktion führt die Verfügungspatentschrift aus, dass die Sitzflächen von Knochenplatte und Knochenschraube so gestaltet sind, dass sie eine gegenseitige Ausrichtung unter verschiedenen Winkellagen zulassen. Beim Eindrehen der Knochenschraube in den Knochen unter einem bestimmten Winkel bildet das mindestens eine Gewinde eine Gewindeverbindung der Sitzflächen, welche die Schraube unter ihrem Einschraubwinkel an der Knochenplatte fixiert. Die Gewindeverbindung kann unter Umformung des Materials entstehen und durch Kraftschluss und/ oder Stoffschluss zwischen den Sitzflächen gesichert sein. Dabei kann sich die Materialumformung durch Anpassung des vorgeformten Gewindes einer Sitzfläche an die durch den Schraubwinkel bestimmte Kontaktfläche der anderen Sitzfläche, und umgekehrt, ergeben.

2.
Dass die angegriffene A-Prothese wortsinngemäß mit der technischen Lehre des Verfügungspatents überein stimmt, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt; die Verfügungsbeklagte greift diese Ausführungen mit der Berufung zu Unrecht an.

Die streitbefangene Endoprothese der Verfügungsbeklagten umfasst eine künstliche Schultergelenkpfanne (Glenoid) mit Durchgangsbohrungen, in die zur Befestigung der Pfanne am Schultergelenkknochen Schrauben in variablem Ausrichtungswinkel eingedreht werden können, wie dies die nachstehenden Abbildungen veranschaulichen.

Streitig und deswegen allein erörterungsbedürftig ist die Frage, ob die künstliche Schultergelenkpfanne als „Knochenplatte“ und das Gebinde aus Glenoid-Prothese und Knochenschrauben als „Fixationssystem für Knochen“ im Sinne des Verfügungspatents angesehen werden können. Mit dem Landgericht ist dies zu bejahen.

a)
Was zunächst die Angabe – „Fixationssystem für Knochen“ – betrifft, so handelt es sich bei ihr ersichtlich um eine Zweckangabe, mit der für den Fachmann das Einsatzgebiet des patentierten Gegenstandes erläutert, d.h. klargestellt wird, wofür das beanspruchte Fixationssystem verwendet werden soll, nämlich „für Knochen“.

Zweck-, Wirkungs- und Funktionsangaben belehren den Fachmann über den möglichen Einsatz- und Gebrauchszweck der patentierten Erfindung. Sie definieren die durch das Patent geschützte Sache näher dahin, dass diese nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen muss, die der Patentanspruch explizit formuliert, sondern dass die Sache darüber hinaus so ausgebildet sein muss, dass sie die im Patentanspruch erwähnte Wirkung oder Funktion herbeiführen kann (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze). Im Einzelfall kann sich ergeben, dass die in den Patentanspruch aufgenommenen Sachmerkmale abschließend und vollständig bereits alle Bedingungen umschreiben, die aus technischer Sicht zur Erzielung der angegebenen Wirkung notwendig sind. Unter derartigen Umständen ist die Funktions- oder Zweckangabe für die Verletzungsprüfung irrelevant (BGHZ 112, 140, 155 f. – Befestigungsvorrichtung II). In einem anderen Fall können die Sachmerkmale die technischen Voraussetzungen für den Wirkungseintritt unvollkommen beschreiben. Hier definiert die Wirkungsangabe für den Fachmann – gleichsam mittelbar – bestimmte weitere räumlich-körperliche oder funktionale Anforderungen an den geschützten Gegenstand, die sich aus den übrigen Sachmerkmalen des Patentanspruchs noch nicht ergeben, die aber eingehalten werden müssen, damit die geschützte Sache die für sie vorgesehene Wirkung zutage bringen kann (BPatG, Mitt 2007, 18 – Neurodermitis-Behandlungsgerät). Unter solchen Umständen sind Zweck- und Funktionsangaben – wie jedes andere Anspruchsmerkmal auch – schutzbereichsrelevant (BGH, GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Sie weisen den Fachmann an, den beanspruchten Gegenstand über die expliziten Sachmerkmale des Patentanspruchs hinaus so auszugestalten, dass die ihm zugedachte Wirkung/Funktion/Verwendung eintreten kann (BGH, GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone). Ob im konkreten Einzelfall das eine (Unbeachtlichkeit der Wirkungsangabe) oder das andere (Beachtlichkeit der Wirkungsangabe) zutrifft, ist durch Auslegung anhand der Patentbeschreibung zu ermitteln (BGH, GRUR 2010, 1081 – Bildunterstützung bei Katheternavigation).

Im Streitfall vermag auch die Verfügungsbeklagte nicht aufzuzeigen, welche besonderen konstruktiven oder gestalterischen Anforderungen an das Fixationssystem zu stellen sind, die in den Anspruchsmerkmalen (2) bis (4b) noch keinen Ausdruck gefunden haben, aber erforderlich sind, damit das aus Knochenplatte und Knochenschraube bestehende System seinen in der Verwendungsangabe zum Ausdruck gekommenen Zweck erfüllen kann. Solche Anforderungen sind auch für den Senat nicht zu erkennen, weshalb es dabei bleibt, dass die Angabe „ … für Knochen“ bloß erläuternd einen Hinweis darauf gibt, wozu das patentgemäße System (Knochenplatte und Knochenschraube) eingesetzt werden kann. Für die Verletzungsprüfung ist von daher nicht relevant, ob die Knochenplatten und Knochenschrauben tatsächlich entsprechend dieser Zweckbestimmung verwendet werden; maßgeblich ist allein, dass sie sich (aufgrund ihrer den Merkmalen (2) bis (4b) des Patentanspruchs genügenden Ausgestaltung) zu diesem Zweck verwenden ließen. Ohnedies ist die Funktionsangabe des Patentanspruchs „für Knochen“ außerordentlich weit gefasst, indem lediglich vorgegeben wird, dass das Fixationssystem bei der Behandlung von Knochen zum Einsatz kommen soll. Eine Beschränkung auf irgendeine Art der Knochenbehandlung findet in diesem Zusammenhang nicht statt. Die für die angegriffene Ausführungsform vorgesehene endoprothetische Verwendung stellt zweifellos einen Gebrauch des Fixationssystems am Knochen dar.

b)
Zu widersprechen ist der Verfügungsbeklagten gleichfalls in ihrer Auffassung, dass die von ihr verwendete künstliche Schultergelenkpfanne nicht als „Knochenplatte“ betrachtet werden kann. Es mag dahinstehen – und kann sogar zugunsten der Verfügungsbeklagten unterstellt werden -, dass auf dem von der Erfindung des Verfügungspatents betroffenen Fachgebiet unter einer „Knochenplatte“ gemeinhin ein medizinischer Gegenstand zur operativen Versorgung von Knochenbrüchen verstanden wird, wobei die Knochenplatte die Knochenfragmente übergreift und ihrerseits mittels Knochenschrauben im Bereich der Bruchenden am Knochen fixiert wird. Selbst wenn hiervon ausgegangen wird, entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass im Rahmen der Patentauslegung einem im Anspruch verwendeten Begriff nicht unbesehen der allgemein gebräuchliche Inhalt zugemessen werden darf, weil die Möglichkeit in Rechnung zu stellen ist, dass das Patent den betreffenden Ausdruck nicht in seinem geläufigen, sondern in einem davon abweichenden Sinn verwendet. Merkmale eines Patentanspruchs müssen deshalb aus der Patentschrift (die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt) selbst heraus ausgelegt werden (BGH, GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig). Ein abweichendes Verständnis kommt dabei nicht nur dann in Betracht, wenn der Beschreibungstext (z.B. durch eine Legaldefinition oder durch entsprechende Ausführungsbeispiele) explizit deutlich macht, dass ein bestimmter Begriff des Patentanspruchs in einem ganz bestimmten, vom Üblichen abweichenden Sinne verstanden wird. Die Divergenz zum allgemeinen Sprachgebrauch kann sich für den mit der Patentschrift befassten Durchschnittsfachmann auch aus dem gebotenen funktionsorientierten Verständnis der Anspruchsmerkmale ergeben, wie sie grundsätzlich angebracht ist, nämlich dahingehend, dass Merkmale und Begriffe eines Patentanspruchs innerhalb des durch die gebrauchten Worte als solche gezogenen Rahmens so zu deuten sind, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (Senat, Urteil vom 27.10.2011 – I–2 U 3/11).

Für den Durchschnittsfachmann ist zunächst von Bedeutung, dass das Verfügungspatent die Form der mit der Knochenschraube zu verwendenden Knochenplatte in keiner Weise konkretisiert und festlegt. Im Beschreibungstext wird zwar einleitend und vordringlich das Anwendungsgebiet der Osteosynthese angesprochen. Irgendein Hinweis auf eine in diesem Sinne gegebene Ausschließlichkeit findet sich indessen schon an dieser Stelle nicht. Darüber hinaus – und vor allem – erwähnt die Patentbeschreibung unmittelbar im Anschluss an die Vorteilsangaben ausdrücklich, dass statt einer Platte auch andere chirurgische/orthopädische Verbindungsträger unterschiedlicher Gestaltung in Betracht kommen (Spalte 2 Zeilen 21–23). Aus der Wortwahl „statt“ schließt der Fachmann nicht etwa rein philologisch, dass ihm an der besagten Textstelle eine (außerhalb des Verfügungspatents liegende) Alternative (aliud) zur erfindungsgemäßen Knochenplatte vorgestellt wird. Den sinngemäßen Aussagegehalt des Beschreibungstextes versteht der Fachmann vielmehr dahin, dass er bei der Ausführung des Erfindungsgedankens als Platte auch auf andere chirurgische/orthopädische Verbindungsträger unterschiedlicher Gestaltung zurückgreifen kann. Die Knochenplatte – so erfährt er – muss also nicht unbedingt im herkömmlichen Sinne plattenartig sein, sondern kann auch andere Formgebungen aufweisen. Wenn in diesem Zusammenhang von der Knochenplatte als Träger einer „Verbindung“ die Rede ist, so geht es für den Fachmann erkennbar nicht um eine Verbindung von Knochenfragmenten, sondern darum, dass die Knochenplatte mit Hilfe der Knochenschraube mit einem Knochen dergestalt verbunden werden soll, dass sich die hergestellte Verbindung zwischen Knochenplatte, Knochen und Knochenschraube dauerhaft nicht lockert. Exakt darin liegt auch der Nutzen des patentgemäßen Systems, das es – in Abhängigkeit von dem am Knochen bei welchem medizinischen Befund auch immer gegebenen Operations- oder Behandlungsumfeld – erlaubt, beim Einbringen der Knochenschraube in die als Träger der Verbindung zum Knochen dienende Knochenplatte den gewünschten Winkel zu wählen und dennoch zu gewährleisten, dass die einmal hergestellte Verbindung zwischen Knochenplatte, Knochen und Knochenschraube erhalten bleibt. Dieser Nutzen kommt überall dort zum Tragen, wo ein (grundsätzlich beliebig gestalteter) Verbindungsträger (= Knochenplatte) – aus welchen therapeutischen Gründen auch immer – an einem Knochen festzulegen ist. Die Notwendigkeit hierzu existiert bei der Behandlung von Knochenbrüchen, in gleicher Weise aber auch dann, wenn ein künstliches Gelenkteil am Knochen verankert werden muss, wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall ist. Eine die technischen Zusammenhänge berücksichtigende Auslegung des Verfügungspatents muss deswegen zu dem Ergebnis führen, dass mit dem Begriff „Knochenplatte“ nicht nur ein speziell für die operative Versorgung von Brüchen geeignetes Verbindungselement gemeint ist, sondern jedweder Verbindungsträger angesprochen ist, der an einem Knochen befestigt werden kann.

Eine Bestätigung findet diese Auslegung in dem Umstand, dass für die Knochenplatte nur mindestens ein Durchgangsloch vorgesehen ist, weswegen bei dieser (zugelassenen) Minimalausstattung auch nur eine Knochenschraube eingedreht werden kann. Eine Frakturbehandlung ist auf diese Weise nicht möglich, weil sich das zweite Knochenfragment mangels (zweiter) zu verankernder Knochenschraube nicht an der Knochenplatte befestigen ließe. Dem kann die Verfügungsbeklagte nicht entgegenhalten, eine Knochenplatte mit nur einem einzigen Durchgangsloch eigne sich ohne weiteres zur Frakturbehandlung, wenn das zweite Knochenfragment statt mit Hilfe einer Knochenschraube mittels eines Drahtes oder eines an der Platte angeformten und in den Knochen einzuschlagenden Winkelstücks festgelegt werde. Von beiden Vorkehrungen ist im Patentanspruch nirgends die Rede. Grundsätzlich hat der Patentanspruch dem Fachmann aber eine vollständige, zum Erfindungserfolg führende technische Lehre an die Hand zu geben. Die Anspruchsfassung legt daher den Schluss nahe, dass für das patentgemäße Fixationssystem (auch) Anwendungsfälle vorgesehen sind, die mit nur einer Knochenschraube – und ohne eine sonstige besondere Ausgestaltung der Knochenplatte (z.B. der Ausstattung mit einem Winkel), von der im Anspruch nicht die Rede ist – zum Erfolg führt.

Fehl geht schließlich auch der Hinweis der Verfügungsbeklagten, es sei ein zwingendes Anliegen der Erfindung, das Fixationssystem aus nur zwei Komponenten (die Knochenplatte und die Knochenschraube/n) bestehen zu lassen und weitere Bauteile, die beispielsweise auftragen oder die Montage kompliziert gestalten, zu vermeiden, woran es bei der angegriffenen Ausführungsform fehle, weil der mittlere Dorn der Glenoid-Prothese ein zusätzliches Vorrichtungsteil darstelle, welches eine weiteren Montagebedarf erzeuge, weil der Dorn in den entsprechend zu präparierenden Knochen eingeschlagen werden müsse. Richtig an der Argumentation der Verfügungsbeklagten ist, dass die besagten beiden Gesichtspunkte (Zwei Komponenten-System, einfache Montage) im Beschreibungstext (Sp. 3 Z. 18-26) als Vorzüge der Erfindung herausgestellt sind. Bereits der von der Verfügungsbeklagten bemühte Text macht jedoch deutlich, dass die Vorteile „gegenüber den bekannten Lösungen einer winkelstabilen Verbindung an einem Fixationssystem für Knochen“ gesehen werden und damit einen ganz bestimmten Bezugspunkt haben. Der Fachmann begreift, dass ganz konkret derjenige Stand der Technik nach der EP 0 201 024 angesprochen ist, zu dem in Sp. 1 Z. 34-40 ausgeführt wird, „dass der Knochenplatte eine Druckplatte zugeordnet ist, die mit den Schraubenköpfen verspannbar ist und diese in einer gewählten Winkellage fixiert“, was als „aufwändiges Fixationssystem mit einer Druckplatte“ kritisiert wird, „das aufgrund seines verhältnismäßig großen Volumens in der Anwendbarkeit eingeschränkt“ ist. Für den Fachmann folgt daraus – wie die Verfügungsklägerin zurecht geltend macht -, dass auf weitere zu montierende Bauteile verzichtet werden soll, die für die Beibehaltung der einmal gewählten Winkellage zwischen Knochenplatte und Knochenschraube erforderlich sind. Dank der Erfindung sind auch genau sie entbehrlich, weil bereits die beiden Fixationskomponenten – die Knochenplatte und die Knochenschraube – selbst in Form der erfindungsgemäßen Gewindeverbindung das Fixierungsmittel für den Einschraubwinkel bereitstellen. Bei der angegriffenen Ausführungsform geschieht nichts anderes; auch hier gelingt die Beibehaltung des gewählten Winkels zwischen Glenoid-Prothese und Knochenschrauben mit Hilfe der Gewindeverbindung und nicht mittels separater Bauteile (wie gesonderter Druckplatten). Das Vorhandensein des mittleren Dorns erklärt sich einzig und allein aus dem speziellen therapeutischen Einsatz der angegriffenen Knochenplatte, für den eine Befestigung nur über die Knochenschrauben nicht genügt, sondern die weitere Verankerungspunkte am Knochen erforderlich macht. Der Dorn ist mithin nicht der Fixierung der Winkellage geschuldet, sondern schlicht Konsequenz der Tatsache, dass aufgrund des medizinischen Einsatzzwecks eine bestimmte Formgestaltung der Knochenplatte (die eben nicht nur wie bei der Frakturbehandlung rein plattenförmig sein kann) geboten ist. Wie dargelegt lässt das Verfügungspatent in Abhängigkeit von der chirurgischen oder orthopädischen Verwendung aber jedwede Gestaltung der Knochenplatte zu.

3.
Den Erschöpfungseinwand der Verfügungsbeklagten hat bereits das Landgericht mit Recht zurückgewiesen. Der Senat macht sich insoweit die zutreffenden Begründungserwägungen im angefochtenen Urteil zu Eigen. Nach ihrem eigenen (unter anderem auf Anlage AG 11 gestützten) Vorbringen bezieht die Verfügungsbeklagte gerade nicht die aus Rechtsgründen allein maßgebliche Einheit aus Knochenplatte und Knochenschraube aus lizenzierter Quelle, sondern lediglich einen Teil der geschützten Kombination, nämlich die Schrauben. Aus einem solchen Sachverhalt lässt sich ein Erschöpfungssachverhalt ganz offensichtlich nicht herleiten (BGH, GRUR 1997, 116 – Prospekthalter). Dementsprechend bemüht sich die Verfügungsbeklagte in der Berufungsinstanz auch, eine Beschränkung der ihrer Vorlieferantin erteilten Lizenz auf patentgemäße Knochenschrauben mit der Behauptung hinweg zu diskutieren, dass sich die Lizenz tatsächlich auf eine Benutzung der Gesamtheit von Knochenplatte und Knochenschraube bezogen habe, weil eine sinnvolle Verwendung der lizenzierten Knochenschrauben überhaupt nur in Verbindung mit patentgemäßen Knochenplatten möglich sei. Es kann auf sich beruhen, ob dem so ist. Maßgeblich für den Lizenzumfang sind nicht Erwägungen darüber, was vernünftig gewesen wäre, sondern allein die von den Lizenzvertragsparteien bei Einräumung der Lizenz (oder ggf. im Nachhinein) getroffenen Absprachen. Insoweit fehlt es aber an verlässlichen Anhaltspunkten dafür, dass sich die der B GmbH erteilte Lizenz auf mehr als die von ihr allein vertriebenen Knochenschrauben bezogen hat. Diese Unklarheit geht zu Lasten der Verfügungsbeklagten, die für den geltend gemachten Erschöpfungstatbestand darlegungs- und beweispflichtig ist.

4.
Der Rechtsbestand des Verfügungspatentes ist hinreichend gesichert. Zwar ist hierfür, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich erforderlich, dass das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; GRUR-RR 2008, 329 = InstGE 9, 140 – Olanzapin; GRUR-RR 2008, 81 – Gleitscheibensattelbremse II), und eine solche kontradiktorische Entscheidung liegt im Streitfall nicht vor. Dennoch kann hier der Rechtsbestand des Antragsschutzrechtes als ausreichend gesichert betrachtet werden. Ein Ausnahmefall, der es rechtfertigt, vom Vorliegen einer das Klagepatent aufrecht erhaltenden Entscheidung über seinen Rechtsbestand abzusehen, kann sich nach gefestigter Senatsrechtsprechung daraus ergeben, dass sich die gegen den Rechtsbestand des Antragsschutzrechtes vorgebrachten Einwände auch bei summarischer Überprüfung als haltlos erweisen (vgl. Senat, InstGE 12, 114 – Harnkatheterset). Von einem solchen Sachverhalt ist vorliegend schon deshalb auszugehen, weil sich das Vorbringen der Verfügungsbeklagten darauf beschränkt, lediglich pauschal auf zwei Nichtigkeitsklagen zu verweisen, die gegen das Verfügungspatent anhängig sind, ohne jedoch auch nur ansatzweise darzulegen, mit welchen Argumenten, insbesondere welchen Druckschriften oder sonstigen Ver-öffentlichungen der Bestand des Verfügungspatents in Zweifel gezogen wird. Das ist – wie bereits das Landgericht richtig erkannt hat – unzureichend. Genauso wie es Sache des Beklagten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist, das gegen ihn ins Feld geführte Antragsschutzrecht notfalls selbst in dem hierfür vorgesehenen Rechtsbestandsverfahren anzugreifen, um etwaige Bedenken gegen die Schutzfähigkeit des Verfügungspatents für den Verletzungsprozess beachtlich zu machen (Senat, InstGE 7, 147 – Kleinleistungsschalter), genauso ist es Sache des Verfügungsbeklagten, diejenigen Entgegenhaltungen zu benennen und hinsichtlich ihres Inhalts zu substantiieren, die einer Aufrechterhaltung des Verfügungspatents entgegen stehen sollen. Erst wenn dies geschehen ist, liegt es, solange noch keine aufrechterhaltende Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung vorliegt, bei dem Antragsteller, das Gericht davon zu überzeugen, dass die geführten Angriffe gegen das Antragsschutzrecht aussichtslos sind. Auf die Verteilung der Darlegungslasten sind die Parteien im Verhandlungstermin vom 15.12.2011 hingewiesen worden, ohne dass die Verfügungsbeklagte hieraus Konsequenzen gezogen hat.

Steht somit fest, dass das angegriffene Produkt das Verfügungspatent wortsinngemäß verletzt, und ist darüber hinaus (mangels Sachvortrages der Beklagten) nicht zu erkennen, dass die gegen die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents geführten Nichtigkeitsangriffe irgendeine Erfolgsaussicht bieten, gibt es ungeachtet der bestehenden Marktverhältnisse und der jeweils betroffenen wirtschaftlichen Interessen beider Parteien keinen Grund, der Verfügungsklägerin eine Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verweigern und damit der Verfügungsbeklagten eine Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens zu ermöglichen (Senat, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 40/11). Zwar hat grundsätzlich eine Interessenabwägung stattzufinden; allerdings kann sich die Notwendigkeit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schon aus der Patentverletzung als solcher ergeben. Sind die Verletzungsfrage und der Rechtsbestand klar zugunsten des Schutzrechtsinhabers zu beantworten, so begründet schon die Eindeutigkeit der Rechtslage für sich die Notwendigkeit, dem deliktischen Verhalten des Verletzers mithilfe des vorläufigen Rechtsschutzes Einhalt zu gebieten (Senat, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 40/11).

5.
Dem steht nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin die Verfolgung ihres Unterlassungsanspruchs etwa selbst unangemessen zögerlich betrieben hätte. Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Verfügungsklägerin nicht vor dem 3. Mai 2011 Kenntnis vom Verletzungssachverhalt hatte. Etwas anderes behauptet auch die Verfügungsbeklagte im Berufungsrechtszug nicht mehr. Bis zur Einreichung des Verfügungsantrages bei Gericht am 15. Juni 2011 sind – ausgehend hiervon – lediglich 1,5 Monate vergangen, was bereits für sich betrachtet dringlichkeitsunschädlich ist (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 238 – LCD-Monitor). Vorliegend kommt überdies hinzu, dass die Verfügungsklägerin – was im Hinblick auf § 93 ZPO ihr gutes Recht war – die Beklagte vorgerichtlich abgemahnt hat. Nachdem der Verfügungsbeklagten auf ihre ausdrückliche Bitte hin eine Fristverlängerung bis zum 8. Juni 2011 eingeräumt worden war, hat die Verfügungsklägerin alsbald danach gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen. Dieses Vorgehen ist alles andere als zögerlich. Abseits liegt der Hinweis der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin habe für die von ihr gewährte Fristverlängerung einzustehen, weil sie (die Verfügungsklägerin) es versäumt habe, ihrem Abmahnschreiben sogleich die Unterlagen aus den Nichtigkeitsverfahren beizufügen. Es war mitnichten eine Obliegenheit der Verfügungsklägerin, sondern ein rein kollegiales Entgegenkommen ihrer Verfahrensbevollmächtigten, die Verfügungsbeklagte über den Stand der Nichtigkeitsverfahren ins Bild gesetzt zu haben.

III.

Als im Berufungsverfahren unterlegene Partei hat die Verfügungsbeklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.