2 U 119/08 – Zugdrache

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1276

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. Oktober 2009, Az. 2 U 119/08

Vorinstanz: 4b O 232/07

I.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt als ausschließliche Lizenznehmerin an dem in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten Europäischen Patent EP 1 516xxx B1 (nachfolgend „Klagepatent“ genannt) die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht, Rechnungslegung und Auskunft in Anspruch. Eingetragener Inhaber des in Kraft stehenden Klagepatents ist der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin. Die Erteilung des Patents, zu dessen Vertragsstaaten u.a. die Bundesrepublik Deutschland zählt, wurde im Oktober 2006 veröffentlicht. Sein Hauptanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Steuerungssystem für einen Zugdrachen, insbesondere für einen Kite, mit einer Lenkstange, die über mindestens zwei Leinen mit einem Zugdrachen verbindbar ist, und einer Trapezaufnahme, die über mehrere, miteinander verbundene Verbindungsglieder mittig mit der Lenkstange verbunden ist, und mit einer Verbindungsleine, die an der Lenkstange mit einer Leine des Zugdrachens verbindbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass eines dieser Verbindungsglieder an die Verbindungsleine gekoppelt ist, und dass zwischen dem mit der Verbindungsleine gekoppelten Verbindungsglied und der Lenkstange ein Notlösemechanismus vorgesehen ist, und der Notlösemechanismus ein Griffteil und einen in dem Griffteil aufgenommenen Haken umfasst, wobei durch Verschieben des Griffteils der Haken freigebbar ist und die Verbindung zwischen der Lenkstange und dem mit der Verbindungsleine gekoppelten Verbindungsglied lösbar ist.

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift) verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, einmal als Ansicht eines Zugdrachens im Einsatz (Figur 1) und einmal als Detailansicht des Steuersystems der Figur 1 (Figur 2):

Die Beklagten bieten an und vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland Steuerungssysteme für Flugdrachen. Die konstruktiven Einzelheiten ihres 4-Zug-Leinen-Systems „A“ mit „B“ (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“ genannt) ergeben sich aus der nachstehend eingeblendeten Abbildung:

Durch die angegriffene Ausführungsform sieht die Klägerin das Klagepatent wortsinngemäß verletzt. Ihre Klage hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Klagepatent sei nicht (wortsinngemäß) verwirklicht, da bei der angegriffenen Ausführungsform kein patentgemäßes Verbindungsglied mit der Verbindungsleine gekoppelt sei. Die Koppelung bei der angegriffenen Ausführungsform erfolge über eine Öse. Diese stelle kein Verbindungsglied im Sinne des Klagepatents dar. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter und macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass die Koppelung der Verbindungsleine nicht durch ein Verbindungsglied, sondern – nur – an ein solches erfolgen müsse. Letzteres sei vorliegend der Fall, wobei die Öse das zusätzliche Kopplungsmittel sei.

Die Klägerin beantragt,

I.
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom Oktober 2008, 4b O 232/07, abzuändern und die Beklagten zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen, Steuersysteme für Zugdrachen, insbesondere für Kites, mit einer Lenkstange, die über mindestens zwei Leinen mit einem Zugdrachen verbindbar ist, und einer Trapezaufnahme, die über mehrere, miteinander verbundene Verbindungsglieder mittig mit der Lenkstange verbunden ist, und mit einer Verbindungsleine, die an der Lenkstange mit einer Leine des Zugdrachens verbindbar ist,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen eines dieser Verbindungsglieder an die Verbindungsleine gekoppelt ist, und dass zwischen dem mit der Verbindungsleine gekoppelten Verbindungsglied und der Lenkstange ein Notlösemechanismus vorgesehen ist und der Notlösemechanismus ein Griffteil und einen in dem Griffteil aufgenommenen Haken umfasst, wobei durch Verschieben des Griffteiles der Haken freigebbar ist und die Verbindung zwischen der Lenkstange und dem mit der Verbindungsleine gekoppelten Verbindungsglied lösbar ist (EP 1 516 xxx B1, Anspruch 1, § 9 S.2 Nr.1 PatG);

2.
darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 25.11.2006 begangen haben, und zwar unter Angabe

a)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer unter Vorlage entsprechender Lieferscheine, hilfsweise Rechnungen in Kopie,

b)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

II.
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu I 1 bezeichneten, seit dem 25.11.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreiten – wie bereits in 1. Instanz – eine Benutzung des Klagepatents:
Es fehle nicht nur, wie vom Landgericht zutreffend festgestellt, eine patentgemäße Koppelung der Verbindungsleine an eines der Verbindungsglieder, sondern die nach dem Klagepatent notwendige Anzahl der Verbindungsglieder. Nach dem Wortlaut „mehrere“ seien mindestens drei erforderlich, die angegriffene Ausführungsform weise aber nur – was unstreitig ist – zwei Verbindungsglieder auf. Schließlich sei die Verbindungsleine auch nicht „an der Lenkstange“, sondern weit oberhalb derselben mit einer Zugleine verbunden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent nicht.

1.
Nach der einleitenden Erläuterung der Klagepatentschrift betrifft die Erfindung ein Steuersystem für einen Zugdrachen, insbesondere für einen Kite, mit einer Lenkstange, die über mindestens zwei Leinen mit dem Zugdrachen verbindbar ist, und einer Trapezaufnahme, die über mehrere miteinander verbundene Verbindungsglieder mittig mit der Lenkstange verbunden ist, und mit einer Verbindungsleine, die an der Lenkstange mit einer Leine des Zugdrachens verbindbar ist.

Als Stand der Technik greift das Klagepatent die WO 01/68212 begin_of_the_skype_highlighting              01/68212      end_of_the_skype_highlighting auf, bei der an der Lenkstange ein Gurt angebracht ist, den der Fahrer über ein Trapez anlegen kann. Der Nachteil an diesem Steuersystem wird darin gesehen, dass bei einem notwendigen Lösen des Trapezes von dem Zugdrachen aufgrund von kräftigem Wind der Zugdrachen von dem Fahrer getrennt wird und wegfliegt, so dass der Fahrer Schwierigkeiten haben kann, die beiden Elemente wieder zusammen zu führen.

An den weiter bekannten Zugdrachen, bei denen die Lenkstange zur Behebung des gerade genannten Nachteils zusätzlich mit einem Sicherheitsseil an den Fahrer gekoppelt ist, erachtet die Klagepatentschrift als nachteilig, dass sich das Trapez bei einem Looping des Zugdrachens oder des Fahrers mit dem Sicherheitsseil verwickeln kann.

Die ebenfalls zitierte US 6273369 sieht zwar eine seitliche Verbindungsleine vor, so dass bei einem Loslassen der Lenkstange der Zugdrachen seitlich auswehen kann, jedoch in Verbindung mit dem Sportler bleibt. Als nachteilig an diesem System erachtet die Klagepatentschrift, dass eine Notlösevorrichtung für die Trapezaufnahme nicht vorgesehen ist.

Als Aufgabe der Erfindung stellt die Klagepatentschrift daher heraus, dass ein Steuersystem für einen Flugdrachen geschaffen werden soll, bei dem die Sicherheit des Fahrers durch eine 2-stufige Notlösevorrichtung zwischen dem Fahrer und dem Zugdrachen gewährleistet ist und zusätzlich der Nachteil vermieden wird, dass unbeabsichtigt das Sportgerät ohne Not vom Fahrer getrennt wird.

Dieses Ziel wird mit der Erfindung dadurch erreicht, dass

– die mittige Verbindung zwischen Lenkstange und Trapezaufnahme einen Notlösemechanismus umfasst, der einfach durch Verschieben gelöst werden kann und so ohne viel Kraftaufwand den Zug des Drachens schlagartig vermindert, was gerade bei hohen Windbelastungen notwendig ist,

– eine weitere, seitliche Verbindung geschaffen wird, die noch wirksam ist, wenn der Lösemechanismus der mittigen Verbindung getrennt ist, so dass der Fahrer über die Verbindungsleine nach wie vor mit dem Zugdrachen in Verbindung ist, ohne dass die Zugbelastung zu hoch ist,

– für letzteres die Lenkstange nach dem Lösen an den Leinen nach oben zu dem Zugdrachen hin gleiten kann und nicht weiter am Fahrer gehalten ist.

In seinem Hauptanspruch sieht das Klagepatent demgemäß die Kombination folgende Merkmale vor:

1. Steuersystem für einen Zugdrachen (1).

2. Das Steuersystem hat

a) eine Lenkstange (4),

b) eine Trapezaufnahme (16) und

c) eine Verbindungsleine (8).

3. Die Lenkstange (4) ist über mindestens 2 Leinen (2, 3) mit einem Zugdrachen (1) verbindbar.

4. Die Trapezaufnahme (16) ist mit der Lenkstange (4) verbunden, und zwar

a) mittig

b) über mehrere Verbindungsglieder (13, 12, 24),

c) die (ihrerseits) miteinander verbunden sind.

5. Die Verbindungsleine (8) ist an der Lenkstange (4) mit einer Leine (2, 3) des Zugdrachens (1) verbindbar.

6. An die Verbindungsleine (8) ist eines der Verbindungsglieder (13, 12, 24) zwischen der Lenkstange (4) und der Trapezaufnahme (16) gekoppelt.

7. Zwischen demjenigen Verbindungsglied (13), das mit der Verbindungsleine (8) gekoppelt ist, und der Lenkstange (4) ist ein Notlösemechanismus (12) vorgesehen.

8. Der Notlösemechanismus (12) umfasst

a) einen Griff (25) und

b) einen in dem Griffteil (25) aufgenommenen Haken.

9. Durch Verschieben des Griffteils (25) ist

a) der Haken freigebbar und

b) die Verbindung zwischen der Lenkstange (4) und dem mit der Verbindungsleine (8) gekoppelten Verbindungsglied (13) lösbar.

2.
Diese Merkmale weist die angegriffene Ausführungsform nicht in vollem Umfang auf.

a)
Zwar fehlt es nicht – wie vom Landgericht angenommen – an der Verwirklichung des Merkmals 6, welches besagt, dass die Verbindungsleine zwischen der Lenkstange und der Trapezaufnahme an eines der Verbindungsglieder gekoppelt ist. Denn mittels der vom Landgericht in Bezug genommenen Öse wird bei der angegriffenen Ausführungsform die Verbindungsleine mit einem Verbindungsglied im Sinne des Merkmals 4b, nämlich der Verbindung zwischen der Trapezhalterung (16) und dem Notlösemechanismus (12) gekoppelt. Die Öse umschließt, wie der Fachmann aus der Abbildung Anlage K 10a ersieht, die Verbindung zwischen Trapezhalterung und Notlösemechanismus, welche zur Kraftübertragung zwischen Trapezaufnahme und Lenkstange zwingend erforderlich ist. Diese mittelbare Befestigung genügt auch mit Rücksicht auf die Funktion der Verbindungsleine. Sie soll gem. der obigen Merkmale 6 und 9b an eines der Verbindungsglieder gekoppelt sein, die die Hauptverbindung zwischen Lenkstange und Trapezaufnahme repräsentieren und zwar an ein solches Verbindungsglied, das sich jenseits der Lösestelle befindet, damit die Trapezaufnahme im Falle einer Notlösung der Hauptverbindung über das zugeordnete Verbindungsglied und die damit gekoppelte Verbindungsleine mit dem Zugdrachen verbunden bleibt.

Eine Verbindung der Verbindungsleine mit der eigentlichen Trapezaufnahme, wie von den Beklagten angenommen, liegt nicht vor, wie sich der Senat in der Sitzung am 20.08.2009 durch Inaugenscheinnahme der angegriffenen Ausführungsform überzeugen konnte. Dass der Übergang der Trapezaufnahme zum Notlösemechanismus in einem Stück gearbeitet ist, ändert daran nichts. Bei dieser Sachlage wäre eine unmittelbare Verbindung zwischen Trapezaufnahme und Verbindungsleine nur zu bejahen, wenn die Verbindungsleine direkt mit der Schlaufe der Trapezaufnahme verbunden wäre.

b)
Auch ist das Merkmal 4b, wonach die Verbindung der Trapezaufnahme mit der Lenkstange über mehrere Verbindungsglieder erfolgt, erfüllt. Nach dem Wortlaut „mehrere“ bedarf es – lediglich – mindestens zweier Verbindungsglieder. „Mehrere“ bezeichnet das Gegenteil von „eins“, wobei die über „eins“ hinausgehende Anzahl offen bleibt. Auch nach Sinn und Zweck der Erfindung sind nicht mehr als zwei Verbindungsglieder erforderlich. Wie vorstehend erläutert bedarf es eines Notlösemechanismus, der ein der Trapezaufnahme zugeordnetes Verbindungsglied aufweist, das nach dem Betätigen der Notauslösung der Trapezaufnahme zugeordnet bleibt und an dem die Verbindungsleine gekoppelt ist, sowie ein anderes Teil, das der Lenkstange zugeordnet ist und sich beim Betätigen der Notauslösung dauerhaft aus der Hauptverbindung löst. Solche zwei Verbindungsglieder, von denen eines auf jeweils einer Seite der Lösestelle angeordnet ist, besitzt die angegriffene Ausführungsform unstreitig.

c)
Nicht verwirklicht wird von den Beklagten in der angegriffenen Ausführungsform jedoch das Merkmal 5. Es verlangt die Verbindbarkeit der Verbindungsleine an der Lenkstange mit einer Leine des Zugdrachens. Die Verbindungsleine ist bei der angegriffenen Ausführungsform jedoch nicht an der Lenkstange mit einer Leine des Zugdrachens verbunden bzw. verbindbar. Wie die Klägerin selber im Termin am 20.08.2009 vorgetragen hat und auch anhand des vorgeführten Exemplars der angefochtenen Ausführungsform zu ersehen ist, greift die Verbindungsleine bei dieser Konstruktion 50 cm oberhalb der Lenkstange an die Zugleine an. Das ist weder nach dem Wortlaut des Klagepatents noch nach der Funktion der geschützten Erfindung „an der Lenkstange“.

Der Argumentation der Klägerin, „an der Lenkstange“ bezeichne nur exakt diejenigen Zugleinen, an die die Verbindungsleine gekoppelt werden soll, kann nicht gefolgt werden. Zu diesem Zweck war die Angabe „an der Lenkstange“ ersichtlich nicht notwendig, weil die entsprechenden Zugleinen als die einzigen neben der Verbindungsleine im Patentanspruch überhaupt vorkommenden Leinen eindeutig identifiziert waren. Erst recht gilt dies mit Rücksicht auf die im Patentanspruch verwandten Bezugszeichen. Der Zusatz „an der Lenkstange“ kann von daher vom Fachmann nur als „geografische“ Festlegung desjenigen Ortes verstanden werden, an dem die Verbindung zwischen Zugleine und Verbindungsleine erfolgen soll.

So verstanden ist – jedenfalls bei rein sprachlicher Auslegung – ein Abstand von 50 cm, wie er bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben ist, nicht mehr „an der Lenkstange“.

Eine Verbindung im Bereich der Lenkstange gebietet – worauf es entscheidend ankommt – aber auch die technische Funktion der klagepatentgeschützten Erfindung. Letztere ist der Patentbeschreibung (Absatz [0011]) zu entnehmen. Nach der dortigen Erläuterung soll es – nach Betätigung des Notlösemechanismus (12) – zu einem „Auswehen“ des Zugdrachens kommen können, ohne dass das nach oben Rutschen der Lenkstange durch die Verbindungsleine behindert wird. Diesen positiven Effekt gewährt ein Anbringen der Verbindungsleine 50 cm oberhalb der Lenkstange nicht. In diesem Fall bleibt die Lenkstange, wenn weitere Mittel nicht verwandt werden, nach Betätigung des Notlösemechanismus (12) vielmehr unter der Verbindungsleine hängen. Mit dem in der besagten Beschreibungsstelle (Absatz [0011]) angegebenen nach oben Rutschen der Lenkstange greift das Klagepatent den Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt auf, wie er sich aus der US-Patentschrift 6,273,369 B1 (Anlage K4) ergibt. Das dort beschriebene System wird vom Klagepatent ausdrücklich als „gattungsgemäßes“ Steuersystem für einen Zugdrachen bezeichnet, weswegen es alle – vorbekannten – Merkmale des im Hauptanspruch 1 ausgewiesenen Oberbegriffs und mithin auch die Anbindung der Verbindungsleine an die Zugleine „an der Lenkstange“ zeigt. Bereits die US-Patentschrift 6,273,369 B1 bezweckt mit dieser Maßnahme die für die Lenkstange geschaffene Möglichkeit, nach dem Lösen des Notmechanismus nach oben zum Flugdrachen zu gleiten.

Die genannte US-Patentschrift beanstandet am damaligen Stand der Technik, wie er sich aus den beiden nachfolgenden Skizzen Fig. 2 und 3 ergibt, nämlich, dass die Verbindungsleine des Fahrers zum Drachen bzw. zu einer seiner Zugleinen relativ lang sein musste, sich mit dem Fahrer, dem Brett oder der Lenkstange verwickeln konnte und zusätzlichen aerodynamischen Zug verursachte (Sp. 4 Z.18-24). Wählte man bei dem damals bekannten Stand der Technik eine zu kurze Verbindungsleine, war ein nicht komplettes oder uneffektives Zusammenfallen des Drachens die Folge. Der Drachen schleifte die Lenkstange und den Fahrer ggf. ein erhebliches Stück mit sich und die Zugleinen konnten sich verwickeln (Sp. 4 Z.24-28).

Dem begegnet der Gegenstand der US 6,273,369 B1 – wie durch die nachfolgenden Abbildungen Fig. 4 und 5 verdeutlicht wird – dergestalt, dass die Lenkstange an ihren Enden mit durchbohrten Abschlusstücken versehen, an einem Ende der Lenkstange diese mit einer der Zugleinen fest verbunden und am anderen Ende eine andere Zugleine durch die Öffnung des Anschlussstücks gezogen und dahinter mit der Verbindungsleine verbunden wurde.

Gibt der Fahrer bei dieser Konstruktion die Lenkstange frei, schlägt das Ende der Lenkstange mit der festen Verbindung zum Zugleinensystem nach oben um und die Lenkstange rutscht in paralleler Haltung zur am anderen Ende durch die Öffnung gezogenen Leine an dieser Richtung Drachen hoch (Sp. 2 Z.31-34).

Diese vorteilhafte Konstruktion sollte mit der Erfindung des Klagepatents beibehalten werden, weswegen auch Patentanspruch 1 verlangt, dass die Verbindung zwischen Verbindungs- und Zugleine nicht irgendwo, sondern – wie aus der gattungsbildenden US-Patentschrift 6,273,369 B1 geläufig – an der Lenkstange vorzunehmen ist.

Ein Gebrauchmachen von der Erfindung mit äquivalenten Mitteln wird von der Klägerin nicht – auch nicht hilfsweise – geltend gemacht. Eine Prüfung von Amts wegen durch das Gericht findet nicht statt (vgl. Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3.Aufl., Rdnr.50), da dem Beklagten in diesem Fall der sog. Formstein- Einwand abgeschnitten würde, den vorzubringen er so lange keine Veranlassung hat, wie eine Äquivalenz vom Kläger nicht geltend gemacht wird.

III.

Die Kostenentscheidung für die 2.Instanz folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Für die 1. Instanz beruht die vom Landgericht im Ergebnis zu Recht getroffene Kostenquote auf §§ 91 Abs.1 und 269 Abs.3 ZPO. Zutreffend ist das Landgericht von einer teilweisen Klagerücknahme ausgegangen, da die Klägerin zunächst auch eine Verletzung des Klagepatents durch das 5-Leinen-System der Beklagten geltend gemacht hatte. Dies war auch – wie nachfolgend geschehen – bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.

Streitwert:
für die 2.Instanz: 35.000,- €

für die 1.Instanz: bis zum 09.07.2008 bis 50.000,- €, ab dem 10.07.2008 35.000,- €