2 U 78/02 – Reibbelagmischung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 824

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Juni 2007, Az. 2 U 78/02

Vorinstanz: 4a O 95/01

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. April 2002 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.022.583,76 € (= 2.000.000,00 DM) festgesetzt.

G r ü n d e:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen widerrechtlicher Erfindungsentnahme auf Übertragung und Einwilligung in die Umschreibung des deutschen Anteils des
europäischen Patents 0 654 xxx (Anlage K 2; nachfolgend Vindikationspatent) in Anspruch.
Die Klägerin, ihre französische Tochtergesellschaft, die A S.A. und die mit der Klägerin gesellschaftsrechtlich verbundene A Chemie GmbH befassen sich u.a. mit der Herstellung und dem Vertrieb von Festschmierstoffgemischen. Sie bieten unter der Bezeichnung „C“ anwendungsfertige Schmierstoffgemische für die Herstellung von Reibbelägen für Kupplungs- und Bremsbeläge an.
Die Beklagte stellt her und vertreibt u.a. Bremsbeläge, Bremsbänder, Kupplungsscheiben und ähnliche Erzeugnisse. Von 1984 bis 1998 firmierte sie als „D GmbH“ und in der Zeit von 1998 bis 2000 als „E GmbH“. Seit dem 26. Oktober 2000 lautet ihre Firma „F GmbH“.
Reibbelagmischungen für Brems- oder Kupplungsbeläge werden z.B. für den Einsatz in Kraftfahrzeugen benötigt. Derartige Mischungen bestehen grundsätzlich aus Metallen (als Faser oder Pulver), Füllstoffen (inkl. eventueller anorganischer Fasern), Gleitmitteln (Festschmierstoffe) sowie organischen Bestandteilen (Harz, Kautschuke, organische Fasern, organische Füllstoffe). Als Feststoffschmiermittel werden in der Regel Metallsulfide in Verbindung mit Graphit verwendet. Als Metallsulfid wurde in der Vergangenheit Bleisulfid, insbesondere aber Antimontrisulfid eingesetzt. In der Reibbelagbranche wurde spätestens im Jahre 1992 bekannt, dass – neben Bleisulfid – auch Antimontrisulfid in den Verdacht geraten war, aufgrund seiner Toxizität kanzerogen und gesundheitsgefährdend zu sein. Auch die Klägerin sah sich deshalb veranlasst, nach einem Ersatzrohstoff u.a. für Antimontrisulfid zu suchen.
Da die Klägerin daran interessiert war, der Beklagten Schmierstoffgemische zu verkaufen, lieferte sie dieser „Cs“ zur Herstellung von Bremsbelägen zu Erprobungszwecken. So übersandte sie der Beklagten mit Lieferschein vom 3. Mai 1993 drei Schmierstoffgemische mit den Bezeichnungen „C LM 20“, „C LM 19“ und „C LM 18“ als kostenlose Muster (Anlage K 10), nachdem sie die Beklagte bereits zuvor, nämlich jedenfalls mit dem an deren Mitarbeiter Dr. G gerichteten Schreiben vom 13. Januar 1993 (Anlage K 25), davon unterrichtet hatte, dass man einen neuen Rohstoff als Ersatz für Bleisulfid entwickelt habe. Unstreitig sind bei einem Gespräch am 23. Juni 1993, an dem der Geschäftsführer der Klägerin, Herr H, sowie die Herren I und Dr. G von der Beklagten teilnahmen und ein Mitarbeiter der Klägerin, Dr. von J, telefonisch zugeschaltet war, Angaben über die Inhaltsstoffe der Cs gemacht worden. So hat Dr. von J u.a. angegeben, die Muster enthielten Zinnsulfide.
Am 27. Oktober 1994 reichte die Beklagte unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 24. November 1993 (vgl. Anlage K 3) eine am 24. Mai 1995 veröffentlichte europäische Patentanmeldung ein, welche eine Reibbelagmischung für Brems- und Kupplungsbeläge betrifft. Diese Anmeldung führte zur Erteilung des europäischen Patents 0 654 614 (Anlage K 2). Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 31. März 1999. Zu den benannten Vertragsstaaten des Vindikationspatents gehört die Bundesrepublik Deutschland.
Der Patentanspruch 1 des insgesamt acht Ansprüche umfassenden Vindikationspatents lautet wie folgt:
Organisch gebundene Reibbelagmischung für mit einem Reibpartner aus Stahl zusammenwirkende Brems- und Kupplungsbeläge bestehend aus
– Aramidfasern,
– organischen und/oder anorganischen Füllstoffen,
– Schmierstoffen,
– organischen Bindemitteln und/oder
– Metallen oder Metallverbindungen
dadurch gekennzeichnet,
dass die Mischung zur Reduzierung der Rissanfälligkeit des Reibpartners Zinnsulfide (SnS, SnS2) enthält, wobei die Zinnsulfide mit einem Gewichtsanteil von 0,5 bis 10 Gew.-%, vorzugsweise 2 bis 8 Gew.-%, enthalten sind.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 des Vindikationspatents wird auf die Patentschrift (Anlage K 2) verwiesen.
Ein von dritter Seite gegen die Erteilung des Vindikationspatents eingelegter Einspruch wurde von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts durch Entscheidung vom 17. Oktober 2003 (Anlage BK 15) zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, zwar seien aus der Veröffentlichung „Bremsbeläge für Straßenfahrzeuge“ (E 11 = Anlage K 4) bis auf das den Einsatz von Zinnsulfiden betreffende Merkmal alle Anspruchsmerkmale – auch diejenigen der Unteransprüche – bekannt, doch habe die Einsprechende nicht nachweisen können, dass der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs 1 ohne erfinderische Tätigkeit aus dem Stand der Technik habe ableiten können.
Nach Veröffentlichung der dem Vindikationspatent zugrunde liegenden Anmeldung kam es zu einer Korrespondenz zwischen den Parteien, in deren Verlauf die Klägerin geltend machte (vgl. Anlagen K 13, K 17), dass die von der Beklagten getätigte Patentanmeldung zu einem entscheidenden Teil auf vertraulichem Wissen beruhe, welches sie der Beklagten am 23. Juni 1993 übermittelt habe. Dem widersprach die Beklagte mit der Begründung, die Anmeldung des Vindikationspatents beruhe auf einer Erfindung ihres Mitarbeiters L und gehe nicht auf Informationen zurück, die bei dem Gespräch vom 23. Juni 1993 den Mitarbeitern K und Dr. G gegeben worden seien. Schon vorher sei die Erfindung des Mitarbeiters L fertig gewesen (vgl. Schreiben vom 30. Mai 2000).
Die Klägerin macht geltend, dass ihr die Beklagte den Gegenstand des Vindikationspatents widerrechtlich entnommen habe. Sie hat vorgetragen, bereits im Jahr 1992 habe sie damit begonnen, nach einem Ersatz für Antimon- und Bleisulfid als Komponenten in Reibbelägen zu suchen. Insbesondere habe sie bereits seit 1992 daran geforscht, die bisher üblichen, potentiell gesundheitsgefährdenden Metallsulfide Antimontrisulfid und Bleisulfid ganz oder teilweise durch Zinnsulfide zu ersetzen. Ihr Geschäftsführer, Herr H, habe den damalige Abteilungsleiter der Beklagten für das Gebiet „Produktentwicklung Scheibenbremsbeläge für Pkw“, Herrn I, im Dezember 1992 darüber informiert, dass die Klägerin an einem Ersatzrohstoff für Antimontrisulfid und Bleisulfid auf der Basis von Zinnsulfiden arbeite, wie aus dem „Besprechungs-/Reisebericht vom 29.12.92“ (Anlage K 5) hervorgehe. Diesbezüglich sei die Beklagte auch mit Schreiben vom 13. Januar 1993 (Anlage K 25) unterrichtet worden. Ihre – der Klägerin – Bemühungen hätten im Januar 1993 zum Erfolg geführt. Zu diesem Zeitpunkt seien Probestücke von Reibbelägen hergestellt und getestet worden, die 1 % Zinndisulfid (SnS2) enthalten hätten (vgl. Anlage K 6, Blatt 2). Da die Versuche positive Ergebnisse gezeigt und ihr die Erkenntnis vermittelt hätten, dass Zinnsulfide in Reibbelägen vorteilhaft eingesetzt werden könnten, habe sie auf Wunsch von Herrn I der Beklagten am 3. Mai 1993 die Prüfkörper Cs LM 18 bis 20 als Muster zugesandt. Die Zusammensetzung dieser Prüfkörper ergebe sich aus dem als Anlage K 11 überreichten Auszug aus einem Laborjournal. Die Muster LM 19 und LM 20 hätten Zinndisulfid (SnS2) in einer Menge von 3 bzw. 4 Gew.-% enthalten. Die Prüfkörper, die für den Fachmann problemlos analysierbar gewesen seien, seien bei der Beklagten auf großes Interesse gestoßen. Im Rahmen der am 23. Juni 1993 bei der Beklagten stattgefundenen Besprechung seien die Mitarbeiter der Beklagten I und Dr. G durch Herrn H und Dr. von J über die Zusammensetzung der Muster und insbesondere auch über den Gehalt an Zinnsulfiden unterrichtet worden. Insbesondere habe ihr Mitarbeiter Dr. von J die Vorteile der Verwendung von Zinndisulfid in Reibbelagmischungen herausgestellt. Zur Menge an Zinnsulfiden habe ihr Mitarbeiter gesagt, dass die gesamte Menge im Bereich von 5 bis 10 Gew.-% liege und der Anteil an Zinndisulfid, wenn vorhanden, etwa die Hälfte ausmache.
Die der Beklagten am 12. Juli 1993 übersandten weiteren Muster „Cs“ LM 21 – 23 (vgl. Anlage K 14) hätten, wie sich aus dem als Anlage K 15 vorgelegten Auszuges aus dem Laborbuch ergebe, „4 % SnxSx“ enthalten; hierbei habe es sich um ein Gemisch aus SnS und SnS2 gehandelt.
Die der Beklagten überlassenen Muster LM 18 bis LM 23 hätten jedenfalls weder Antimontrisulfid noch Bleisulfid enthalten; der Beklagten sei also klar gewesen, dass diese Sulfide durch Zinnsulfide ersetzt werden konnten.
Die von der Beklagten getätigte Patentanmeldung gehe nach allem auf das Wissen zurück, welches sie – die Klägerin – über ihren Mitarbeiter und Erfinder Dr. von J, der ihr seine Rechte übertragen habe, an Mitarbeiter der Beklagten weitergegeben habe.

Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr den deutschen Anteil der Ansprüche 1 bis 8 des EP 0 654 xxx B 1 betreffend eine Reibbelagmischung für Brems- und Kupplungsbeläge abzutreten und in die Umschreibung der Patentrolle einzuwilligen.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung bestritten, es sei nicht dargetan, dass der angebliche Erfinder Dr. von J, der zudem Arbeitnehmer der A GmbH gewesen sei, seine Rechte an der Erfindung wirksam auf die Klägerin übertragen habe. Die Klage könne auch deshalb keinen Erfolg haben, weil sie nicht innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist des Art II § 5 Abs. 2 IntPatÜG erhoben worden sei.
Es werde bestritten, dass sich die Klägerin bzw. Dr. von J vor dem Prioritätstag des Vindikationspatents im Besitz der fertigen Erfindung befunden habe. Wie die unterschiedlichen Zusammensetzungen der Cs LM 18 – 23 zeigten, werde bezogen auf die gesamte Reibbelagmischung, zu der die Cs nur einen Teil beitrügen, der patentgemäße Gewichtsanteil von 0,5 bis 10 Gew.-% nicht zwangsläufig erreicht. Ersichtlich sei auf Seiten der Klägerin auch die Bedeutung der Mischung zur Reduzierung der Rissanfälligkeit des Reibpartners (z.B. der Bremsscheibe) nicht erkannt worden. Das Problem der Rissanfälligkeit ergebe sich nur bei Bremsen in Lastkraftwagen. Die Klägerin sei hiermit nie konfrontiert gewesen und habe deshalb von diesbezüglichen Problemen gar keine Kenntnis haben können. Soweit die Klägerin auf die Zusammensetzung der Cs LM 18 bis 23 verweise, enthalte die verwendete Rezeptur keine Aramidfasern. Auch wenn man die Richtigkeit der Angaben der Klägerin unterstelle, entspreche die zusammengestellte Reibbelagmischung nicht dem Gegenstand des Patentanspruches 1.
Die von ihr zum Patent angemeldete Erfindung nach dem Vindikationspatent stamme von ihrem Angestellten Manfred L, der in der Abteilung „Lastkraftwagen und Nutzfahrzeuge“ tätig gewesen sei. Bei derartigen Fahrzeugen seien in den letzten Jahren verstärkt Scheibenbremsen zum Einsatz gekommen. Aufgrund der hohen Belastungen dieser Scheibenbremsen infolge der hohen Fahrzeuggewichte neigten diese zu
Oberflächenrissen. Herr L sei damit betraut gewesen, die Rissanfälligkeit der Bremsscheiben zu untersuchen und nach Möglichkeiten zu suchen, diese Rissanfälligkeit durch eine geeignete Reibbelagmischung zu reduzieren. Herr L habe dabei als Ursache für die Rissanfälligkeit der Bremsscheiben feststellen können, dass die herkömmlichen Metallsulfide, wie beispielsweise Antimontrisulfid und Bleisulfid, keine ausreichende Temperaturfestigkeit aufwiesen und daher bei Temperaturen über 400° Celsius ihre Schmierfunktion nicht mehr hätten ausüben können. Bei seinen Recherchen sei Herr L auf die Möglichkeit des Einsatzes von Zinnsulfid gestoßen, welches eine höhere Temperaturfestigkeit aufweise. Da die Zinnsulfide nicht in ausreichenden Mengen natürlich vorkämen, hätten große Schwierigkeiten bestanden, überhaupt Zinnsulfide zu beschaffen. Nach intensiven Bemühungen Anfang 1993 habe Herr L im April 1993 eine ausreichende Menge Zinnsulfid durch die Firma M erhalten. Eine erste Reibbelagmischung sei dann Anfang Mai 1993 hergestellt worden. Die Erfindung sei damit unabhängig von irgendwelchen Mitteilungen der Klägerin im Zeitraum Dezember 1992 bis Juni 1993 an ihre Mitarbeiter I und Dr. G aus der Abteilung „Pkw-Bremsbeläge“ entstanden. Ein Informationsaustausch zwischen den organisatorisch und personell voneinander getrennten Abteilungen „Pkw-Bremsbeläge“ und „Lkw-Bremsbeläge“ über den Einsatz von Zinnsulfiden habe im Übrigen auch nicht stattgefunden.
Bei den ihr – unaufgefordert – überlassenen Prüfkörpern LM 18 bis 20 habe es sich nicht um Reibbelagmischungen, sondern nur um Versuchs-Schmierstoffproben gehandelt. Über deren Zusammensetzung habe sie Anfang Mai 1993 keine Kenntnis erhalten. Später seien nur Angaben über die Dichtewerte gemacht worden. In der Besprechung am 23. Juni 1993 hätten die Vertreter der Klägerin zwar mitgeteilt, die Cs enthielten Zinnsulfide, doch seien Angaben über den Gehalt an Zinnsulfiden und sonstige Inhaltsstoffe nicht gemacht worden. Die Proben seien von ihr – der Beklagten – auch nicht analysiert worden. Dass die Zusammensetzung der ihr unaufgefordert überlassenen Versuchsschmierstoffproben vor der Besprechung vom 23. Juni 1993 hinterfragt worden sei, sei alleine darauf zurückzuführen, dass zu jedem Bestandteil einer Reibbelagmischung ein Sicherheitsdatenblatt erstellt werden müsse, aus dem mögliche Gefahren hervorgingen. Die von der Klägerin stammenden wenigen Angaben über die Inhaltstoffe seien jedenfalls nicht an den Erfinder L weitergeleitet worden.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin fehle es an der Aktivlegitimation. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargetan, dass sie Rechtsnachfolgerin des angeblichen bei ihr angestellten Erfinders Dr. von J sei. Weder sei vorgetragen worden, dass die behauptete Erfindung nach den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen wirksam in Anspruch genommen worden sei noch sei eine vertragliche Übertragung dargetan. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vorträgt, der Erfinder Dr. von J habe ihr mündlich alle Rechte an der Erfindung übertragen. Im Hinblick auf die vom Landgericht geäußerten Zweifel sei die Übertragung unter dem 21. März (Anlage K 29 ) und dem 29. Juli 2002 (Anlage BK 1) schriftlich bestätigt und vorsorglich wiederholt worden.
Zum Vindikationsanspruch trägt die Klägerin ergänzend vor, Dr. von J habe sich bereits mit der spätestens Ende 1992/Anfang 1993 gewonnenen Erkenntnis, dass Zinnsulfide ein geeigneter Ersatzrohstoff für Bleisulfide bzw. Antimontrisulfid seien, in Erfindungsbesitz befunden. Die Lehre des Vindikationspatents erschöpfe sich in der Verwendung von Zinnsulfid (Bl. 568 GA). Der gesamten Branche sei bereits im Jahre 1991 die Notwendigkeit bekannt gewesen, Antimontrisulfid wegen seiner Toxizität zu ersetzen. Dr. von J habe unmittelbar nach Erhalt eines betriebsinternen Rundschreibens vom 6. November 1992, welches die Aufforderung enthalten habe, nach einem Ersatz für Bleisulfid zu suchen (Anlage BK 4), damit begonnen, Überlegungen anzustellen und Untersuchungen durchzuführen, durch welchen Stoff Bleisulfid und auch Antmontrisulfid ersetzt werden konnte. Wie seine handschriftlichen Notizen auf dem Rundschreiben zeigten, sei Dr. von J schon bald auf den Gedanken gekommen, Zinnsulfide einzusetzen. Ab Januar 1993 durchgeführte Praxisversuche mit Prüfkörpern (vgl. Anlage K 6) , die von ihm selbst im Entwicklungslabor der A S.A. hergestellte Zinnsulfide enthalten hätten (vgl. Anlage K 23), hätten die Geeignetheit von Zinnsulfiden als Festschmiermittelbestandteil bestätigt. Die der Beklagten zur Verfügung gestellten Cs LM 18, 19 und 20 hätten bereits Zinnsulfide enthalten, die im Rahmen der in Anspruch 1 genannten Gewichtsanteile gelegen hätten. Das sei im Übrigen nicht entscheidend, weil alle Bereichsangaben sowie die sonstigen in Anspruch 1 genannten Bestandteile der Reibbelagmischung dem Stand der Technik entstammten und vom Fachmann ohne weiteres auffindbar gewesen seien (Bl. 444 ff., 562, 568 GA).
Den ihr von der Klägerin mitgeteilten Erfindungsgedanken, Zinnsulfide als Bestandteil der Schmierstoffgruppe einzusetzen, habe die Beklagte zur Grundlage der Anmeldung des Vindikationspatents gemacht. Alle übrigen Komponenten der Reibbelagmischung und auch die Bereichsangaben habe die Beklagte der Literaturstelle „Die Reibbelagrezeptur“ aus „Bremsbeläge für Straßenfahrzeuge“ (Anlage K 4) entnommen, wie der Vergleich mit der Beschreibung der Vindikationspatentschrift zeige. Insbesondere das Beispiel in Abschnitt 0022 der Beschreibung entspreche in allen Einzelheiten dem „Beispiel einer Rezeptur für Scheibenbremsen“ gem. Tabelle 2 der vorgenannten Literaturstelle, wovon auch die Einspruchsabteilung in ihrem Beschluss vom 17. Oktober 2003 ausgegangen sei (vgl. z.B. Bl. 448, 444 ff., 850, 972 GA). Es sei davon auszugehen, dass die Ausarbeitung der Vindikationsanmeldung letztlich auf Angaben der Mitarbeiter I und Dr. G beruhe, die aufgrund der Informationen der Klägerin die Bedeutung von Zinnsulfiden in Reibbelagmischungen erkannt und dem auf der Patentschrift angegebenen Erfinder L weitergegeben hätten. Im Übrigen habe die Beklagte eine Inanspruchnahme der Erfindung gegenüber dem Mitarbeiter L weder vorgetragen noch belegt (vgl. Bl. 826 GA). Auch dies müsse Zweifel an der Erfindereigenschaft des Mitarbeiters L erwecken.
Die Klägerin beantragt ,
das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr den deutschen Anteil der Ansprüche 1 bis 8 des EP 0 654 xxx B 1 betreffend eine Reibbelagmischung für Brems- und Kupplungsbeläge abzutreten und in die Umschreibung der Patentrolle einzuwilligen,
hilfsweise beantragt sie,
die Beklagte zu verurteilen, ihr Miteigentum an dem deutschen Anteil DE 59408032.0 des europäischen Patentes EP 0 654 xxx B 1 zur Hälfte einzuräumen und in die Miteintragung der Klägerin in die Patentrolle einzuwilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
Wegen der Einzelheiten des umfangreichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die überreichten Unterlagen verwiesen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Insoweit wird auf die Beweisbeschlüsse vom 16. März 2005 (Bl. 578 GA), 6. April 2005 (Bl. 589 GA), 22. Juli 2005 (Bl. 619 GA) und vom 7. Dezember 2006 (Bl. 890 GA) verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 29. September 2005 (Bl. 634 ff. GA ) und vom 1. März 2007 (Bl. 977 ff. GA ) Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nach Artikel II § 5 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 EPÜ nicht zu, wonach der Berechtigte, dessen Erfindung von einem Nichtberechtigten angemeldet worden ist, vom Patentinhaber die Übertragung des Patents verlangen kann.

Zugunsten der Klägerin kann aufgrund der Vereinbarungen gemäß Anlagen K 29 und BK 1 davon ausgegangen werden, dass sie als Rechtsnachfolger ihres Mitarbeiters Dr. von J für den geltend gemachten Anspruch aktivlegitimiert ist. Die Beweisaufnahme hat jedoch nicht ergeben, dass das Vindikationspatent im Verhältnis zur Klägerin von einem Nichtberechtigten angemeldet worden ist.

Nichtberechtigter ist derjenige, der sich die schöpferische Leistung des Erfinders, d.h. dessen konkrete Erfindung zunutze gemacht hat. Die angemeldete Lehre muss sich auf diesen Erfinder zurückführen lassen. Ein Erfinder, dessen Leistungsergebnis nicht ausgenutzt wird, hat keine Ansprüche gegen den Anmelder (vgl. Benkard/Melullis, PatG., 10. Aufl., § 8 Rdn 10). Erfinder der Lehre ist nach der Behauptung der Klägerin deren Mitarbeiter Dr. von J, welcher ihr seine Rechte an der Erfindung übertragen habe. Unabhängiger dritter Erfinder ist nach dem Vorbringen der Beklagte deren Mitarbeiter L. Dessen Erfindung hat die Beklagte, wie sich der Erfinderbenennung auf dem Deckblatt der Vindikationspatentschrift entnehmen lässt, zum Patent angemeldet. Die Klägerin hat mit ihrer Klage schon deshalb keinen Erfolg, weil sie den ihr obliegenden Beweis (vgl. hierzu BGH, GRUR 1979, 145, 147 – Aufwärmvorrichtung; BGH, GRUR 2001, 823, 825 – Schleppfahrzeug; Benkard/Melullis aaO. Rdn 16 a) nicht geführt hat, dass von ihr bzw. ihrem Rechtsvorgänger Dr. von J stammende Informationen und Kenntnisse den Mitarbeiter L der Beklagten, von dem diese ihre Rechte ableitet, erreicht haben und dieser erst danach die erfindungsgemäße Lehre, die Gegenstand der Anmeldung ist, fertig gestellt hat.
1.
Das Vindikationspatent betrifft
(1.) eine organisch gebundene Reibbelagmischung für mit einem Reibpartner aus Stahl zusammenwirkende Brems- und Kupplungsbeläge bestehend aus
a) Aramidfasern,
b) organischen und/oder anorganischen Füllstoffen,
c) Schmierstoffen,
d) organischen Bindemitteln, und/oder
e) Metallen oder Metallverbindungen.

Übliche Reibbelagrezepturen haben, wie es in der Vindikationspatentschrift einleitend heißt, folgenden schematischen Aufbau:
– Metalle (als Faser oder Pulver),
– Füllstoffe (inkl. eventueller anorganischer Fasern),
– Gleitmittel (Festschmierstoffe),
– organische Bestandteile (Harze, Kautschuke, organische Fasern, organische Füllstoffe).

Je nach Anforderungsprofil bzw. Einsatzbereich sind die vorgenannten Rohstoffgruppen unterschiedlich portioniert. Wie in der Beschreibung der Vindikationspatentschrift dargestellt wird, seien wesentliche Ziele der Reibmaterialentwicklung die Optimierung des Reibwertes in Verbindung mit dem Reibpartner (d.h. der Bremstrommel oder der Bremsscheibe) des Reibbelages, die Verringerung des Verschleißes der Reibpartner und die Optimierung des thermischen Verhaltens der Reibpartner. Die bei der Reibung zwischen den Reibpartnern verrichtete Arbeit werde im Wesentlichen in Wärme umgewandelt. Bei sehr hohen Belastungen entständen Spitzentemperaturen, die durchaus den Schmelzpunkt des reibenden Materials in sogenannten Mikrokontaktbereichen erreichten. Diese örtlichen Übertemperaturen könnten den Reibpartner des Reibbelages, z.B. eine Bremsscheibe, örtlich sehr unterschiedlich belasten (vgl. Sp. 1, Z. 18 – 32).

Zur Optimierung der Verschleißschutzeigenschaften sei es im Stand der Technik – die Vindikationspatentschrift nennt hier die DE 40 18 671 und die DE 40 24 547 – bekannt, als Festschierstoff Metallsulfide, insbesondere Antimontrisulfid, Molybdänsulfid, in Verbindung mit pulverförmigem oder körnigem Graphit zu verwenden. Diese Festschmierstoffe hätten sich in Verbindung mit anorganischen Füllstoffen zur Verbesserung der Verschleißschutzeigenschaften an sich bewährt. Da die entstehenden Schmierfilme bei Temperaturen über 400 °C auf der Bremsscheibe zerstört würden, könnten gleichwohl bei hohen und ungleichmäßigen Temperaturbelastungen, abgesehen von dem erhöhten Verschleiß, Oberflächenrisse an der Oberfläche des Reibungspartners des Reibbelages entstehen (vgl. Sp. 2, Z. 22 – 35).

Als Aufgabe der Erfindung wird daher angegeben, eine Reibelagmischung bereitzustellen, die bei hohen Spitzentemperaturbelastungen eine verringerte Oberflächenrissanfälligkeit des Reibpartners zur Folge hat (Sp.2, Z.42 – 45).

Zur Lösung dieser Aufgabe dienen neben dem bereits oben dargestellten Merkmal (1.) nebst Untermerkmalen des Anspruchs 1 folgende weitere Merkmale:

(2.) Die Reibbelagmischung enthält zur Reduzierung der Rissanfälligkeit des
Reibpartners Zinnsulfide (SnS, SnS2).
(3.) Die Zinnsulfide sind in der Mischung mit einem Gewichtsanteil von 0,5 bis 10 Gew.-%, vorzugsweise 2 bis 8 Gew.-% enthalten.

Zu den Vorteilen der patentgemäßen Lösung wird in Sp. 2, Z. 48 – Sp. 3, Z. 3 ausgeführt, die Verwendung von Zinnsulfiden, nämlich Zinnsulfid oder Zinndisulfid, als festes Schmiermittel führe neben einer bemerkenswerten Verbesserung des Verschleißes der Reibpartner gegenüber anderen bekannten Festschmiermitteln überraschenderweise zu einem erheblichen Rückgang der Rissanfälligkeit des reibungstechnischen Gegenstücks zum Reibbelag. Ein weiterer, aber nicht unwesentlicher Vorteil bestehe darin, dass Zinnsulfide anstelle von potentiell gesundheitsgefährdenden Metallsulfiden, z.B. Antimontrisulfid oder Bleisulfid, verwendet werden könnten, so dass bei Verarbeitung und Herstellung von Reibbelägen die gesundheitlichen Gefährdungen des Produktionspersonals reduziert werden könnten.

Kern der erfindungsgemäßen Lehre ist danach der Einsatz von Zinnsulfiden in einer herkömmlichen und in Fachkreisen geläufigen Reibbelagmischung, wie sie beispielhaft in der Literaturstelle gemäß Anlage K 4 beschrieben wird. Dies entspricht auch der Auffassung der sachkundigen Einspruchsabteilung (Anlage BK 15) und wird insbesondere von der Klägerin für richtig gehalten.

2.
Nach Auffassung der Klägerin offenbaren jedenfalls die Cs LM 18 – 23 mit ihrer sich aus den Laborbüchern ergebenden Zusammensetzung ( Anlagen K 11, K 15) die fertige Erfindung (vgl. Bl. 366 GA), also eine Lehre, die den Fachmann zur erfolgreichen Ausführung befähigt (BGH, GRUR 1971, 210, 212 – Wildverbißverhinderung) und die mit der Lehre des Vindikationspatents wesensgleich ist. Das trifft jedenfalls im Hinblick auf die in der Merkmalsgruppe (1.) genannten Rohstoffgruppen zu, denn die unterschiedliche Portionierung verschiedener Rohstoffe in den Cs LM 18 – 23 beruht ersichtlich auf einer relativen Beliebigkeit der Zusammensetzung üblicher Reibbelagmischungen, wie sie auch in den breiten Bereichsangaben der Unteransprüche ihren Niederschlag gefunden hat. Richtig ist zwar, dass die Cs keine Aramidfasern enthalten. Dies ist deshalb unschädlich, weil es nicht auf eine vollständige Übereinstimmung ankommt, sondern darauf, dass sie in den wesentlichen Elementen besteht. Beliebige dem Fachmann ohne weiteres nahe liegende „handwerkliche Zutaten“ sind ohne Relevanz (vgl. Benkard/Melullis aaO. § 8 Rdn. 8 m.w.N.). Aramidfasern – d.h. aus Terephthal- und Isophthalsäure sowie Phenylendiaminen hergestellte aromatische Polyamidfasern – gehören zur Gruppe organischer Fasern und haben festigkeitserhöhende Eigenschaften, so dass es für den Fachmann ohne weiters nahe liegt, sie Reibbelagsmischungen beizufügen, und zwar – wie im Rezepturbeispiel der Literaturstelle Anlage K 4 angeregt wird – mit dem etwa in Unteranspruch 8 vorgeschlagenen Gewichtsanteil (vgl. auch DE 40 24 547, S. 6, Beispiele 6, 8 und 9 mit 8 bzw. 5 u. 6 Gew.-% Aramidfasern).

Der Senat geht ferner davon aus, dass der erfindungsgemäße Gedanke, in herkömmlichen Reibbelagmischungen Zinnsulfide einzusetzen, den Fachmann zwangsläufig dazu führt, sowohl Zinnmonosulfid als auch Zinndisulfid zu verwenden, wie dies gemäß Merkmal (2.) vorgesehen ist. Die Parteien sind sich ersichtlich darin einig, dass Zinnsulfide regelmäßig in beiden Verbindungsformen vorliegen und ähnliche Eigenschaften aufweisen (vgl. Bl. 439 GA und Bl. 512 – 514 GA). Auch Anspruch 1 des Vindikationspatents differenziert nicht zwischen den beiden Formen, sondern behandelt sie als gleichermaßen geeignet (vgl. Sp. 2, Z. 49: „Zinnsulfid oder Zinndisulfid“). Ob es neben Zinnmono- und Zinndisulfid noch weitere Zinn-Schwefelverbindungen wie Zinntrisulfid (SnS3) gibt, worauf z. B. der Inhalt der auf Dr. von J zurückgehenden PCT-Anmeldung WO 00/52116 (Anlage B 21) hindeutet oder ob es sich, wie die Klägerin vorträgt (Bl. 439 GA), bei SnS3 um eine Mischform bestehend aus SnS und SnS2 handelt, kann dahinstehen, weil Anspruch 1 zusätzliches Zinntrisulfid nicht ausschließt (vgl. den Hinweisbeschluss des Senats vom 15. Januar 2004 zu I., 2., a). Schließlich ist der Klägerin auch darin zuzustimmen, dass die Bereichsangabe des Merkmals (3.) kein die Wesensgleichheit tangierender Parameter ist. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass für den Fachmann die Bereichsangaben von Anspruch 1 und der Unteransprüche für Metallsulfid und damit speziell für Zinnsulfide ebenfalls durch das Rezepturbeispiel der Literaturstelle Anlage K 4 unmittelbar nahe gelegt werden und dass es bei einem Austausch von Antimontrisulfid gegen das erfindungsgemäße Zinnsulfid eigentlich selbstverständliche Zutat ist, in Orientierung an dem in Anlage K 4 für Antimontrisulfid vorgesehenen Anteil von 6,00 Gew.-% auch für das Zinnsulfid eine den Wert von 6 Gew.-% einschließende unkritische Bereichsspanne anzugeben (vgl. Bl. 445 – 449 GA). Soweit dem Hinweisbeschluss des Senats vom 15. Januar 2004 eine abweichende Ansicht zu entnehmen sein sollte, wird hieran nicht festgehalten. Aufgrund des Inhalts der von der Klägerin vorgelegten Untersuchungsberichte und Laborbuchauszüge, deren inhaltliche Richtigkeit vom Zeugen Dr. von J glaubhaft bestätigt worden ist (Bl. 1003 ff, 1005, 1010 ff GA), kann davon ausgegangen werden, dass Dr. von J jedenfalls im Mai 1993 im Besitz der fertigen Erfindung war, weil er erkannt hatte, dass sich Zinnsulfid als Bestandteil gebräuchlicher Reibbelagmischungen eignete und in Bezug auf Verschleißschutzeigenschaften jedenfalls nicht weniger effektiv war als Bleisulfid oder Antimontrisulfid.

3.
Der Klägerin ist jedoch nicht der ihr obliegende Beweis gelungen, dass das Vindikationspatent ursächlich auf die Erfindung des Zeugen Dr. von J zurückgeht. Vielmehr ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der Mitarbeiter L, von dem die Beklagte ihre Patentrechte ableitet, zu der Erfindung, die Gegenstand des Vindikationspatents ist, ohne Kenntnis der Überlegungen des Zeugen Dr. von J und unabhängig davon gefunden hat.

a)
Da eine juristische Person nicht als Erfinder in Betracht kommt, vielmehr nur eine natürliche Person erfinderisch tätig sein kann (vgl. z.B. Benkard/Melullis, EPÜ, 2002, Art 60 Rdn. 11), ist nicht darauf abzustellen, ob irgend jemand im Betrieb der Beklagten Kenntnis vom Erfindungsgedanken des Dr. von J erlangt hat, denn diese sind nicht „Wissensvertreter“ desjenigen, der als natürliche Person eine Erfindung angemeldet oder seinem Arbeitgeber seine Erfindung zur Anmeldung zur Verfügung gestellt hat. Entscheidend ist alleine, ob gerade der von der Beklagten als Erfinder benannte Mitarbeiter L vom Erfindungsgedanken des Dr. von J erfahren und in dessen Kenntnis den Gegenstand des Vindikationspatents aufgefunden hat.

Zwar hat die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen (Bl. 826 GA), dass die Beklagte bisher weder eine wirksame Inanspruchnahme der Erfindung gegenüber ihrem Arbeitnehmer noch eine rechtsgeschäftliche Übertragung schlüssig dargelegt hat (vgl. Bl. 76 GA). Dies hätte zur Folge, dass alle Rechte auf das Vindikationspatent dem Erfinder L zuständen (vgl. BGH, GRUR 2006, 754, 758 ff. – Haftetikett). Jedoch ist die Beklagte aufgrund der Legitimationswirkung der Registereintragung gemäß Art 74 EPÜ i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG 1981 für die Vindikationsklage passiv legitimiert (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl. § 30, Rdn 5, 21 m.w.N.). Mit ihrem Hinweis will die Klägerin allerdings ersichtlich die Passivlegitimation der Beklagten nicht bestreiten und erst recht nicht – was unzulässig wäre – Rechte eines Dritten (L) geltend machen. Vielmehr will sie offenbar geltend machen, die Beklagte sei mangels Einleitung geeigneter Schritte zur Herbeiführung eines Rechtsübergangs selbst nicht von einer Erfindereigenschaft ihres Mitarbeiters L überzeugt. Dieser Schluss lässt sich jedoch nicht ziehen und ist auch durch die Beweisaufnahme widerlegt.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme kann keinen ernsthaften Zweifel rechtfertigen, dass als Erfinder im Betrieb der Beklagten allein deren Mitarbeiter L in Betracht kommt und deshalb zu Recht als solcher auf dem Deckblatt der Vindikationspatentschrift genannt wird. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass L zu der Erfindung gelangt ist ohne aus fremden Quellen geschöpft zu haben. Bei seiner Vernehmung als Zeuge hat der Chemieingenieur L die Behauptung der Beklagten bestätigt, unabhängig von Dr. von J das Zinnsulfid als Austauschstoff für Antimontrisulfid aufgefunden zu haben.
Der Zeuge schildert, aufgrund welcher Umstände er sich mit der Suche nach einem Austauschstoff beschäftigt hat. Dabei ist unstreitig, dass schon vor 1993 der Verdacht bestand, Antimontrisulfid sei (insbesondere nach Umwandlung zu Antimonoxid) krebserregend. Dies war, wie die Parteien übereinstimmend vortragen (vgl. Bl. 510; Bl. 556 GA), in der Branche allgemein bekannt (vgl. auch Aussage I Bl. 991, 992, 993 GA). Daher wurde in der Branche nach einem Ersatzstoff gesucht. Das ist eine Erklärung dafür, dass auch der Zeuge L als Rezepturenentwickler im Forschungs- und Entwicklungsbereich der Beklagten „Lkw Scheibe“ mit diesem Thema beschäftigt war, wie auch die Zeugin Kurreck bekundet hat (vgl. Bl. 650 ff GA). Im Einzelnen hat der Zeuge L dargelegt (vgl. Bl. 634 R ff GA), dass er den Auftrag erhalten habe, ein spezielles technisches Problem im Bereich der damals neu– bzw. weiterentwickelten Scheibenbremsen für Lkw zu lösen. Es sei das Problem aufgetreten, dass bei Einsatz der herkömmlichen Reibbeläge eine Rissbildung in den Bremsscheiben aufgrund der beim Bremsvorgang auftretenden hohen Temperaturen (600° Celsius) zu beobachten gewesen sei. Auch deswegen sei nach neuen Rezepturen geforscht worden. Konkreter Anlass für ihn sei ein Auftrag der Firma Knorr (Bremsenhersteller) an die Beklagte im Jahr 1992 gewesen. Jene sei die Systementwicklerin für ein Bremssystem eines neuen Mercedes Nutzfahrzeuges (Aktros) gewesen und habe die Beklagte mit der Entwicklung der entsprechenden Bremsbeläge beauftragt. Nachvollziehbar hat der Zeuge sodann ausgeführt, dass ihm im Rahmen der Suche nach einem Ersatzstoff der Gedanke des Einsatzes von Zinn beim Betrachten des Periodensystems (Anlage B 25) gekommen sei, weil dieses Element in der Nachbarschaft des Antimon angesiedelt sei, so dass vergleichbare Eigenschaften zu erwarten gewesen seien (Bl. 634 R, 641 GA). Daraufhin habe er aus den allgemein zugänglichen Quellen Informationen über die Eigenschaft von Zinn bzw. Zinnsulfid zusammengetragen (Bl. 636 R GA; Vgl. Anlagen B 26 ff). Im Hinblick auf die bei Lkw-Scheibenbremsen aufgetretenen Probleme und im Hiblick auf die bekannte Giftigkeit von Bleisulfid und Antimontrisulfid sei ihm der Einsatz von Zinnsulfid aufgrund seiner Plättchenstruktur und des bei über 800° Celsius liegenden Schmelzpunktes Erfolg versprechend erschienen.
Die Aussage des Zeugen L ist in sich folgerichtig und plausibel. Seine Angaben darüber, was ihn veranlasst habe, sich mit der Suche nach einem Austauschstoff zu beschäftigen, sind gut nachvollziehbar und durch weitere Anhaltspunkte belegt. Auch der Diplom-Chemiker Dr. P hat bei seiner Zeugenaussage bestätigt, er habe als damaliger Chef des Zeugen L diesen mit der Suche nach einem Austauschstoff für Antimonsulfid beauftragt, weil bekannt gewesen sei, dass sich Antmontrisulfid beim Bremsvorgang in krebserregendes Antimontrioxid umwandeln könne (Bl. 656 GA). Er hat insbesondere auch die Aussage des Zeugen L (vgl. Bl. 637, 638, 642 R, 645, 647 GA), er sei ohne Anregung von dritter Seite – und zwar weder unmittelbar durch Hinweise von Mitarbeitern der Klägerin noch mittelbar durch Informationen von Mitarbeitern der Beklagten oder durch Analysen der von der Klägerin stammenden Cs – selbständig auf den Gedanken gekommen, Zinnsulfide in Reibbelagmischungen einzusetzen, bestätigt. So hat er die Frage, ob er – Dr. P – von irgendeiner dritten Seite über Zinnsulfide als Bestandteil von Reibbelagmischungen unterrichtet worden sei, bevor der Zeuge L davon berichtet habe, definitiv verneint. Es gibt keinen verwertbaren Anhaltspunkt, eine solche Information könne an Dr. P vorbeigelaufen sein, denn er hat die Entwicklungstätigkeit des Zeugen L nach seiner Aussage als Chef und Chemiker begleitet (Bl. 656 GA).
Zwar verkennt der Senat nicht, dass insbesondere die damaligen und heutigen Mitarbeiter der Beklagten geneigt sein könnten, für diese günstig auszusagen. Dies gilt jedoch nicht für Dr. P, zumal ihm der Ärger über die im Oktober 1993 erfolgte Behandlung durch die Beklagte, nämlich seine plötzliche unmittelbare Entlassung und die – nach seiner Auffassung wohl unberechtigte – Nichtberücksichtigung seines Beitrages beim Zustandekommen der Erfindung, deutlich anzumerken ist (Bl. 656, 659 GA), so dass insbesondere seiner Aussage keine Begünstigungstendenz zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden kann.
Dass der Zeuge L auf diese Weise selbständig und unabhängig von Beiträgen Dritter bereits Anfang 1993 zu dem für die Erfindung entscheidenden und zentralen Gedanken gelangt ist, Zinnsulfid als Bestandteil von herkömmlichen Reibbelagmischungen zu verwenden, erscheint nach allem nachvollziehbar und plausibel. Im Hinblick auf den in der gesamten Branche allgemein bekannten Umstand, dass die gängigen Metallsulfide, nämlich Bleisulfid und Antimontrisulfid wegen ihrer Toxizität und ihres gesundheitsgefährdenden Potentials in Verruf geraten waren, ergaben sich Überlegungen der auf diesem Gebiet tätigen Entwicklungsfachleute bezüglich geeigneter Ersatzstoffe zwangsläufig. Hinzukam für den Zeugen L die aufgrund von Prüfstandsversuchen (vgl. Anlage B 23) aufgezeigte Ungeeignetheit herkömmlicher Metallsulfide beim Einsatz in Reibbelägen für Lkw-Scheibenbremsen (vgl. Bl. 634 R, 636 GA). Als Ersatz für Blei- und Antimontrisulfid boten sich – insbesondere aus Kostengründen und aufgrund von physikalischen und chemischen Eigenschaften – nur wenige andere Metallsulfide an, wie auch der Zeuge L u.a. unter Hinweis auf das Periodensystem der Elemente – vgl. Anlage B 25 – überzeugend dargelegt hat (Bl. 636, 636 R GA). Etwas Gegenteiliges ist auch dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Dass ein auf dem Gebiet der Reibbelagentwicklung tätiger Fachmann bei seiner Suche nach geeigneten Ersatzstoffen auf Zinnsulfid stieß, lag Ende 1992/Anfang 1993 daher gleichsam „in der Luft“. Ebenso war es nach Gewinnung einer solchen Erkenntnis, wovon auch die Klägerin ausgeht, eine für Fachleute selbstverständliche Überlegung, Zinnsulfid in einer herkömmlichen Reibbelagmischung mit der üblichen Spanne von Gewichtsanteilen einzelner Komponenten einzusetzen.

Allein aufgrund der Überlegung, dass Zinnsulfid aller Voraussicht nach ein geeigneter Bestandteil in einer herkömmlichen Reibbelagmischung mit hohen Verschleißschutzeigenschaften sein und auch das gerade bei Lkw-Scheibenbremsen aufgetretene Problem der Rissbildung im Reibbelagpartner (d.h. der Bremsscheibe) lösen würde, war zwar die Erfindung noch nicht fertig, denn es bedurfte zunächst noch der Durchführung von Versuchen, die dem Erfinder erst Klarheit verschaffen konnten, ob der eingeschlagene Weg tatsächlich zu dem beabsichtigten technischen Erfolg führte (vgl. BGH, GRUR 1971, 210, 212 re. Sp. – Wildverbißverhinderung), wie auch der Zeuge L mit den Worten umschrieben hat, die von ihm gesammelten Informationen hätten „eigentlich alle darauf hingedeutet, dass es sehr wohl lohnenswert sei, das Ganze zu erproben“ (Bl. 636 R GA). Die von L gewonnene Erkenntnis, dass Zinnsulfid die gewünschten Eigenschaften besitzt, war jedoch ausschlaggebend dafür, dass bei der Beklagten von L veranlasste Versuche in der Folgezeit durchgeführt wurden. Nicht etwa sind die Versuche, wie noch auszuführen sein wird, erst durch Erkenntnisse aus dem Bereich der Klägerin angeregt worden.

b)
Auch im Hinblick auf den weiteren Geschehensablauf erscheint es plausibel, dass L schon Anfang 1993 der Überzeugung war, Zinnsulfid sei ein geeigneter Rohstoff, denn er hat sich ohne Verzug und aus eigenem Antrieb bemüht, die Richtigkeit seiner Überlegungen durch praktische Versuche zu bestätigen. So hat er, wie er nachvollziehbar dargelegt hat, zunächst im Februar 1993 versucht, mit Labormitteln Zinnsulfid selbst herzustellen, was misslungen sei (Bl. 643 R GA). Danach sei er auf die Suche nach einem Rohstofflieferanten für Zinnsulfid gegangen, was sich als schwierig erwiesen habe (Bl. 634 R, 635 GA). Dies ist nachvollziehbar, zumal auch der Geschäftsführer H bei seiner informatorischen Anhörung von erheblichen Schwierigkeiten berichtet hat, Zinnsulfid am Markt zu beschaffen (Bl. 1000 GA). Im Einzelnen hat der Zeuge L bekundet, auf einen Hinweis der Laborleiterin Q habe er versucht, bei der Firma R Zinnsulfid zu bekommen (Bl. 638, 642 f GA), was auch gelungen sei. Nach Erhalt des Zinnsulfids Anfang Mai 1993 habe er dieses als Rohstoff in die firmeneigene Datenbank eingestellt und eine Rezeptur geschrieben auf der Basis der für Reibbeläge üblichen Mischungen (Bl. 642 f, 649 R G). 6 bis 8 Wochen später, d.h. Ende Juni/Anfang Juli 1993 seien die ersten Beläge produziert worden, und einige Wochen später seien die ersten Prüfstandsversuche durchgeführt worden (Bl. 635 GA). Schon nach dem Schreiben der ersten Rezeptur habe er sich an seinen für das Patentwesen zuständigen Kollegen Eggers gewandt, um überprüfen zu lassen, ob eine Anmeldung erfolgen könne. Das Patent sei Anfang August ausgearbeitet und eingereicht worden.

Der Beweiswert der Aussage des Zeugen L erfährt auch nicht deswegen eine Einschränkung, weil seine Aussage darüber, ab wann ihm der Rohstoff Zinnsulfid zur Verfügung stand und er infolgedessen beginnen konnte, Rezepturen zu schreiben, Reibmischungen herstellen und diese testen zu lassen, wie die Klägerin meint, unstimmig sei. Die in Augenscheinnahme vom Original des Lieferscheins über eine erste Zinnsulfid-Lieferung (Anlage B 12) weist neben dem Eingangsstempel „06.VI.93“ eindeutig im unteren Teil einen Stempel der zentralen Warenannahme vom 6. Mai 1993 auf. Als Versandtag ist im Lieferschein der 27.04.1993 genannt. Dieser Zeitpunkt steht in Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen L und den in den Versuchsprotokollen (Anlage B 30 ff.) genannten Ausstellungsdaten für eine von ihm entwickelte erste Rezeptur auf der Basis von Zinnsulfid. Die Anlage B 30 enthält als Tag der Ausstellung der Rezeptur den 07.05.1993 und nennt als Grund für die Rezeptierung „Scheibenrisse“ und als theoretische Problemlösung „Einsatz von Zinnsulfid“. Die Anlage B 32 enthält als Tag der Ausstellung der Rezeptur den 10.05.1993 und nennt als Grund für die Rezeptierung „Antimon- und Blei-freie Schmierstofferprobung“ und als theoretische Problemlösung „Einsatz von Zinnsulfid“. Nach der Aussage des Zeugen Dr. G vergibt die Entwicklungsdatenbank das Datum der ersten Ausstellung der neuen Rezeptur automatisch. Im vorliegenden Fall bezogen auf das Versuchsprotokoll B 32 ist das der 10.05.1993 (Bl. 1029 GA). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Forschungsunterlagen systematisch verfälscht haben könnte, wie die Klägerin mutmaßt, sind für den Senat nicht ersichtlich. Die entsprechenden Bedenken der Klägerin, die insbesondere darauf abstellt, dass der in den Versuchsprotokollen genannte Stoff „Frenostannid“ zu den in den Versuchsprotokollen genannten Daten noch nicht existiert haben soll und dies daher ein Beleg dafür sei, dass die entsprechenden Versuche erst später gemacht worden seien, greifen nicht durch. Bei Einsatz einer computergestützten Datenbank, in der – wie bei der Beklagten jedenfalls zur damaligen Zeit – Daten ständig überschrieben und ergänzt werden, lässt sich eine eindeutige zeitliche Zuordnung bestimmter Einträge nicht herstellen (vgl. dazu Zeuge L Bl. 648 GA). Insbesondere der Zeuge Dr. G (Bl. 1026 ff GA) hat nachvollziehbar bekundet, auf welche Art und Weise im Unternehmen der Beklagten Versuche durchgeführt und protokolliert worden sind. Der Entwickler, der einen Bremsbelag nach einer neuen Rezeptur hergestellt bekommen wollte, konnte einen Auftrag an die Produktion nur stellen, wenn die von ihm gewünschten Rohstoffe vom Labor mit einer unter Umständen vorläufigen Rohstoffnummer (vgl. Bl. 1031 GA) versehen worden waren, was voraussetzte, dass der Rohstoff in die Datenbank „eingepflegt“ worden war.
Auch aus der Tatsache, dass sich L nicht an die Klägerin wandte, um an den für ihn zunächst schwer erreichbaren Rohstoff Zinnsulfid zu gelangen, können keine negativen Rückschlüsse für die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen gezogen werden. Die Klägerin gehörte nicht zu den Rohstoff-Lieferanten der Beklagten, sondern war Anbieterin für eigene Produkte, die sog. Cs, die fertige Mischungen an Substanzen enthielten und als fertige Komponenten Bestandteile der Reibbelagmischungen der Beklagten sein konnten.
Des Weiteren ergibt sich auch keine – von der Klägerin angenommene – Unstimmigkeit der Aussage des Zeugen L über die erhaltene Menge von Zinnsulfid, nämlich aus der Lieferung der Firma R vom 18. Mai 1993 über 3 kg und aus der Lieferung der Firma Starck vom 6. August 1993 über 0,5 kg und der für die damit angesetzten Versuchsreihen benötigten Mengen. Der Zeuge L hat nachvollziehbar bekundet, dass sich aus den gelieferten Mengen in ausreichender Anzahl Nutzfahrzeugbeläge für Versuchszwecke herstellen ließen (Bl. 642, 642 R GA).
Des weiteren gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge L aufgrund einer Analyse der Inhaltsstoffe der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Cs auf Zinnsulfid als Austauschstoff für Antimontrisulfid gekommen ist oder hätte kommen können. Hierzu hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass sie die ihr überlassenen Prüfkörper nicht im Detail analysiert hat, sondern dass die Prüfkörper als solche in ihre Rohstoffdatenbank „eingepflegt“ worden sind. Dort waren sie für die Entwickler verfügbar, ohne dass Details über die Zusammensetzung ausgewiesen worden waren. Die Zeugen L und Dr. G haben bestätigt, dass die genaue Art der Zusammensetzung der C’s aus der Datenbank nicht hervorgegangen ist (Bl. 645; 1033 ff. GA). Aus Anlagen B 41 und B 42 ergibt sich, dass die überlassenen Prüfkörper bei der Beklagten durch die Pkw-Abteilung auf ihre Eignung als Bestandteil einer Reibbelagmischung getestet wurden; die Versuchsergebnisse der Prüfkörper LM 18 bis LM 23 sind in der für den Geschäftsführer der Klägerin H im Oktober 1993 erstellten Auswertung B 43 (vgl. Aussage Dr. G Bl. 1040 GA) festgehalten und geben in Form einer Kurve nur die Reibwerte von Bremsbelägen wieder, die aus den Cs gefertigt worden waren (vgl. auch Bl. 939, 940 GA).

c)
Aufgrund der Anhörung des Geschäftsführers H und der Aussagen der Zeugen Dr. von J, I und Dr. G geht der Senat zwar davon aus, dass Informationen über den von der Klägerin beabsichtigten und später auch durchgeführten Einsatz von Zinnsulfiden an Mitarbeiter der Beklagten gegangen sind. Allerdings kommt es, wie schon oben ausgeführt worden ist, nicht darauf an, welche Kenntnisse den Angestellten der Beklagten, namentlich den Zeugen I und Dr. G vermittelt worden sind. Es kommt allein darauf an, ob der Erfinder L, von dem die Beklagte ihr Recht ableitet, Kenntnis von Mitteilungen Dr. von Js erhalten und/oder ob er Kenntnis von den Inhaltsstoffen der überlassenen Prüfkörper, beispielsweise durch Analyse etc., erhalten hat. Dies lässt sich jedoch nicht feststellen.

aa)
Es mag zwar davon auszugehen sein, dass der Geschäftsführer H gegenüber dem damaligen Leiter der Produktentwicklung von Reibstoffen für Pkw-Anwendungen, dem Dipl.-Ing. I, bei einem Besuch im Dezember 1992 geäußert hat, die Klägerin habe Zinnsulfid als Ersatzrohstoff für Antimontrisulfid und/oder Bleisulfid gefunden (vgl. die informatorische Anhörung Hs Bl. 999, 1000 GA), zumal auch der Zeuge I nicht ausschließt, dass eine derartige Bemerkung gefallen sein könnte (Bl. 983 GA). Da es zwischen den Parteien aber eine Vielzahl von Gesprächs- und Projektthemen gab, insbesondere auch über die Bemusterung mit unterschiedlich zusammengesetzten Cs oder Compounds gesprochen wurde, wie der Zeuge I bekundet hat (Bl. 981, 990 ff GA), ist es durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, dass I der Bemerkung Hs nicht die Bedeutung beigemessen hat, die ihr vielleicht rückblickend in Kenntnis der späteren Entwicklung und der Erfindung zukommen kann. Offenbar ist auch nicht über Einzelheiten gesprochen worden; der Zeuge I meint, „explizit“ sei über Zinnsulfid als Ersatz nicht gesprochen worden (Bl. 993 GA), und auch H hat angegeben, das Wort „Zinnsulfid“ sei – ohne dass Details genannt worden seien – im Zusammenhang mit der Bemerkung gefallen, es gebe interessante Erkenntnisse, und er – H – glaube, die Klägerin habe „was gefunden“ (Bl. 999 GA). Unter diesen Umständen erscheint es plausibel, dass der Zeuge I den Inhalt des Gesprächs mit dem Geschäftsführer H, vor allem aber eine ihm ersichtlich nur als beiläufig erschienene Bemerkung über Zinnsulfide nicht im Hause der Beklagten weitergegeben hat und vor allem nicht mit dem Zeugen L, der seiner Abteilung nicht angehörte (Bl. 979 GA), hierüber gesprochen hat. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass – wie die als Zeugen vernommenen Mitarbeiter der Beklagten durchweg bekundet haben – die Pkw- und die Lkw-Abteilung organisatorisch und personell voneinander getrennt waren und dass ein regelmäßiger und systematischer Informationsaustausch zwischen den Angehörigen dieser Abteilungen nicht üblich war.

Der nachfolgende Schriftverkehr zwischen den Parteien (vgl. Schreiben vom 13. Januar 1993 – Anlage K 25; Schreiben vom 1. Februar 1993 – Anlage BK 18; Schreiben vom 25. März 1993 – Anlage BK 7) konnte der Beklagten keine weiteren Erkenntnisse über die Absicht der Klägerin verschaffen, Zinnsulfide in Reibbelagmischungen einzusetzen, denn die Bezeichnung des in Aussicht genommenen Ersatz-Rohstoffs wird nirgends erwähnt. Unabhängig davon, dass nichts dafür ersichtlich ist, der Zeuge L habe Kenntnis vom Inhalt dieses Schriftverkehrs genommen oder auch nur habe nehmen können, hat die Klägerin nach allem nicht den Beweis führen können, dass der erfinderische Gedanke Ls, Zinnsulfide in herkömmlichen Reibbelagmischungen zu verwenden, auf Anregungen und Überlegungen (mit)beruht, die ihren Ursprung in Vorarbeiten und Vorüberlegungen des Zeugen Dr. von J haben. Vielmehr ist es sogar ganz überwiegend wahrscheinlich, dass L unabhängig davon im Februar 1993 zu dem der Erfindung zugrunde liegenden Kerngedanken gefunden hat, als Metallsulfid Zinnsulfid als maßgebliche Komponente einzusetzen.

bb)
Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, Anregungen von Seiten der Klägerin seien zumindest insoweit für das Entstehen der fertigen Erfindung (mit)ursächlich, als sie erst den Erfinder L ermutigt hätten, seine Erkenntnis weiter zu verfolgen und Zinnsulfide durch die Beklagte bei geeigneten Rohstoffherstellern zu beziehen sowie die beabsichtigten praktischen Versuche mit Zinnsulfiden auch durchzuführen.

Allein die Übersendung der Zinnsulfide enthaltenden Prüfkörper/Cs am 3. Mai 1993 ( Lieferschein Anlage K 10) war als Anregung ohnehin nicht geeignet. Auch die Klägerin behauptet nicht, der Beklagten schon zu diesem Zeitpunkt die Inhaltsstoffe und deren Zusammensetzung mitgeteilt zu haben oder dass die Beklagte schon vor dem Gespräch vom 23. Juni 1993 die Prüfkörper tatsächlich auf ihre Zusammensetzung hin untersucht und dabei das Zinnsulfid als Austauschstoff für Antimontrisulfid und Bleisulfid entdeckt habe. Vielmehr kam es zu einer telefonischen Rückfrage der Laborleiterin der Beklagten, Frau Q, nach der Zusammensetzung der Prüfkörper. Der Zeuge Dr. von J bekundet hierzu, Frau Q gegenüber „Zinnsulfide“ nicht namentlich genannt, sondern gesagt zu haben, die Prüfkörper enthielten ein Metallsulfid, das ähnliche Eigenschaften habe wie Bleisulfid und Antimontrisulfid, ansonsten enthielten sie das Übliche (Bl. 1003 GA ). Im Anschluss daran habe er die Dichtewerte der Prüfkörper per Fax vom 11. Mai 1993 (Anlage BK 19) übermittelt (vgl. Bl. 1004 GA). In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass Dr. von J bei dem Telefonat mit Frau Q bei der Angabe der genauen Inhaltsstoffe mit Rücksicht auf die Wahrung etwaiger Betriebsgeheimnisse der Klägerin zurückhaltend war (vgl. Bl. 1004), ein Umstand, der die Klägerin wahrscheinlich jedenfalls bis zum 23. Juni 1993 davon abgehalten hat, der Beklagten Einzelheiten über ihre Überlegungen in Bezug auf und ihre Versuche mit Zinnsulfid als Bestandteil von Reibbelägen mitzuteilen. Damit lässt sich bzgl. der vor Juni 1993 stattgefundenen Gespräche und Mitteilungen schon nicht feststellen, dass die grundsätzliche Idee des Einsatzes von Zinnsulfid als Ersatzstoff für Antimontrisulfid den direkten Ansprechpartnern des Geschäftsführers H und des Zeugen Dr. von J (I, Dr. G, Q) zur Kenntnis gekommen ist, geschweige denn, dass diese Idee den Zeugen L erreicht hätte.

Zwar ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Dr. von J, dass er im Rahmen der Besprechung vom 23. Juni 1993 zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin H und den Mitarbeitern der Beklagten I und Dr. G, nach telefonischer Zuschaltung auf Bitten seines Chefs, des Geschäftsführers H, die Zeugen I und Dr. G darüber informierte, die Anfang Mai überlassenen Prüfkörper C LM 18 bis 20 enthielten Zinnsulfid als Austauschstoff für Antimontrisulfid, ferner welche Eigenschaften Zinnsulfid aufweise und welchen Gehalt an Zinnsulfid die Prüfkörper hätten (Bl. 1005 ff GA). Insoweit hat der Senat auch keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen Dr. von J, der die Aussagen der Zeugen I und Dr. G letztlich nicht widersprechen (Bl. 984 ff. ; Bl. 1021 ff. GA).

Eine direkte oder indirekte Weitergabe dieser Informationen an den Zeugen L ist jedoch nicht belegt. Die Aussagen des Zeugen L und der weiteren Mitarbeiter der Beklagten bestätigen vielmehr, dass es zu einem Informationsfluss bis zu dem Zeugen L nicht gekommen ist. Es lassen sich weder in der Aussage des Zeugen L noch in den der Zeugen Kurreck, Eggers und Dr. P Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass L erst aufgrund der Weitergabe von Informationen aus der Unterredung vom 23. Juni 1993 dazu ermutigt worden wäre, die bereits gewonnene Erkenntnis, Zinnsulfid sei ein geeigneter Substitutionsstoff für Antimon- und Bleisulfid, durch praktische Versuche zu bestätigen. Die Zeugen verneinen durchweg, dass der Erfinder L über die Zeugen I und Dr. G von der von der Klägerin gefundenen Einsatzmöglichkeit des Zinnsulfids erfahren und daraufhin die Entwicklung der Reibbelagmischungen auf der Basis von Zinnsulfid weiter betrieben habe.

Für die Aussagen der vernommenen Zeugen mögen sich verschiedne Erklärungsmöglichkeiten anbieten: Die von der Klägerin angebotene Erklärungsmöglichkeit liefe darauf hinaus, zumindest den Zeugen L, I und Dr. G zu unterstellen, sie hätten gemeinschaftlich Unterlagen (Datenbankaufzeichnungen) verfälscht, vor Gericht durchweg vorsätzlich falsch ausgesagt und die Beklagte bei einem Prozessbetrug unterstützt. Für die Richtigkeit diesbezüglicher Mutmaßungen der Klägerin gibt es jedoch keine eine Überzeugungsbildung ermöglichenden Anhaltspunkte. Nahe liegender und letztlich plausibel erscheint eine sich aus den Aussagen der Zeugen I und Dr. G ergebende Erklärungsvariante, nämlich die, dass man bei der Beklagten gegenüber den Bemusterungsbemühungen der Klägerin skeptisch eingestellt war, weil die gelieferten Prüfkörper den Anforderungen nicht genügten (vgl. Bl. 986, 987; 1019, 1021/1022, 1039, 1040 GA). Zudem war, wie der Zeuge I durchaus nachvollziebar bekundet hat, für ihn das Thema „Zinnsulfid“ kein vorrangiges Thema (Bl. 989 GA), und der Zeuge Dr. G hat ausgesagt, das Thema „Zinnsulfid“ könne aus seiner Sicht nicht so bedeutsam gewesen sein, weil er hierüber – was eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, wenn über aus seiner Sicht relevante Dinge diskutiert worden wäre – kein Gesprächsprotokoll angefertigt habe (Bl. 1022, 1023 GA). Eine gewisse Bestätigung für die Richtigkeit dieser Aussage ist im Übrigen auch der von dem Geschäftsführer H für die Klägerin angefertigte (interne) Bericht über das Gespräch vom 23. Juni 2003 (Anlage BK 20). Weder nimmt die Frage des Zinnsulfids in diesem Bericht einen zentralen Platz ein, noch geht aus ihm hervor, dass gegenüber den Gesprächspartnern auf Seiten der Beklagten die Bedeutung des Zinnssulfids als Ersatz für Antimontrisulfid betont worden ist. Im Gegenteil spricht die Erwähnung des Zinnsulfids auf der Seite 2 des Berichts – insbesondere im Zusammenhang mit der erörterten Möglichkeit einer Überlassung nach Abschluss eines „Confidential Agreements“ – eher dafür, dass diese Frage gegenüber den Gesprächspartnern I und Dr. G nachrangig behandelt worden ist, auch wenn der Zeuge Dr. von J auf Vorhalt – nach Auffassung des Senats nicht überzeugend – gemeint hat, etwas in solchen Berichten niederzuschreiben, was man selber gesagt habe (Bl. 1006 GA).

Da mithin die Klägerin für den von ihr behaupteten Informationsfluss als Ursache für die von L entwickelte Erfindung, die Gegenstand des Vindikationspatents geworden ist, beweisfällig geblieben ist, war das klageabweisende Urteil des Landgerichts im Ergebnis zu bestätigen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind: Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.