4a O 334/06 – Bremsbeläge für Scheibenbremsen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 635

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Oktober 2007, Az. 4a O 334/06

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Bremsbeläge für Scheibenbremsen, die aus einem einen Reibbelag tragenden Belagträger gebildet sind,

für eine Belaghalterung für eine Scheibenbremse für Straßenfahrzeuge, mit an einem Bremssattel bzw. Bremsgehäuse vorgesehenen Belegschächten, in die jeweils ein den Reibbelag tragender Belagträger einführbar ist, wobei auf die Außenkanten des Belagträgers eine Blattfeder einwirkt, die sich sattel- bzw. gehäuseseitig an einem lösbaren Niederhalteelement abstützt und im montierten Zustand mittels zweier Haltelaschen, die auf beiden Seiten des Belagträgers auskragen, an einem selbsttätigen Lösen gehindert ist,

im deutschen Geltungsbereich des Klagepatents anzubieten und/oder zu liefern, sofern an jedem seitlichen Schenkel der Blattfeder eine Ausnehmung ausgebildet ist und die Haltelaschen als von der Außenseite des Belagträgers auskragende, an ihrer Außenkante eine Hinterschneidung (Einkerbung) aufweisende Vorsprünge ausgebildet sind, die im montierten Zustand die jeweilige Ausnehmung derart durchgreifen, dass die Außenkante dieser Ausnehmung an der Hinterschneidung anliegt;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. September 1994 begangen worden sind, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen (sowie ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (sowie ggf. der Typenbezeichnungen),

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 3. September 1994 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Bundesgebiet als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen mittelbarer Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 534 xxx (Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.

Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 26.06.1990 am 15.05.1991 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 07.04.1993 veröffentlicht. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 03.08.1994. Die Klägerin ist eingetragene Patentinhaberin. Zu den benannten Vertragsstaaten gehört die Bundesrepublik Deutschland.

Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, hat folgenden Wortlaut:

Belaghalterung für eine Scheibenbremse für Straßenfahrzeuge, mit an einem Bremssattel bzw. einem Bremsgehäuse vorgesehenen Belagschächten, in die jeweils ein einen Reibbelag tragender Belagträger und ggf. eine Druckverteilerplatte einführbar ist, wobei auf die Außenkanten des Belagträgers und ggf. der Druckverteilerplatte eine Blattfeder einwirkt, die sich sattel- bzw. gehäuseseitig an einem lösbaren Niederhalteelement abstützt und im montierten Zustand mittels zweier Haltelaschen, die auf beiden Seiten des Belagträgers bzw. der Druckverteilerplatte auskragen, an einem selbsttätigen Lösen gehindert ist,
dadurch gekennzeichnet
(a) dass an jedem seitlichen Schenkel der Blattfeder (5) eine Ausnehmung (21) ausgebildet ist und
(b) dass die Haltelaschen (19) als von der Außenkante des Belagträgers (1) bzw. der Druckverteilerplatte auskragende, an ihrer Außenkante eine Hinterschneidung aufweisende Vorsprünge (19) ausgebildet sind, die im montierten Zustand die jeweilige Ausnehmung (21) derart durchgreifen, dass die Außenkante dieser Ausnehmung (21) an der Hinterschneidung anliegt.

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und zeigen in Figur 1 eine Teilseitenansicht einer erfindungsgemäßen Belagträgerplatte mit an dieser ausgebildeten Haltelaschen, in welchen (mit ausgezogenen Linien dargestellt) die Blattfeder in eingehängter Position befindlich dargestellt ist, während strichliniert die Form der Blattfeder im gelösten, entspannten Zustand wiedergegeben ist, in Figur 2 eine Draufsicht auf die Blattfeder in ihrem Einbauzustand am Belagträger, in Figur 3 eine Draufsicht der in Figur 1 strichliniert wiedergegebenen Blattfeder in ihrem entspannten Zustand, und in Figur 4 eine vergrößerte Teilansicht einer der Haltelaschen unter Darstellung der an ihr ausgebildeten Hinterschneidung:

Die Beklagte stellte auf der Fachmesse „Automechanika“ 2006 in Frankfurt am Main aus. Auf ihrem Messestand verteilte sie den von der Klägerin als Anlage K 4 vorgelegten Prospekt. Nachfolgend werden die Seiten 15 und 19 eines von der Beklagten gleichfalls auf ihrem Messestand vorgehaltenen und als Anlage K K6 und K 7 eingereichten Produktkataloges wiedergegeben:

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb beider vorgenannter Ausführungsformen (angegriffene Ausführungsform 1 und 2) eine mittelbare Verletzung des Klagepatents.

Die Klägerin beantragt,

hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 wie zuerkannt,

und

hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 2:

I.
die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Bremsbeläge für Scheibenbremsen, die aus einem einen Reibbelag tragenden Belagträger gebildet sind,

für eine Belaghalterung für eine Scheibenbremse für Straßenfahrzeuge, mit an einem Bremssattel bzw. Bremsgehäuse vorgesehenen Belegschächten, in die jeweils ein den Reibbelag tragender Belagträger einführbar ist, wobei auf die Außenkanten des Belagträgers eine Blattfeder einwirkt, die sich sattel- bzw. gehäuseseitig an einem lösbaren Niederhalteelement abstützt und im montierten Zustand mittels zweier Haltelaschen, die auf beiden Seiten des Belagträgers auskragen, an einem selbsttätigen Lösen gehindert ist,

im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 0 534 xxx anzubieten und/oder zu liefern,

sofern an jedem seitlichen Schenkel der Blattfeder eine Ausnehmung ausgebildet ist und die Haltelaschen als von der Außenseite des Belagträgers auskragende, an ihrer Außenkante eine Hinterschneidung aufweisende und/oder als Hinterschneidung wirkende Vorsprünge ausgebildet sind, die im montierten Zustand die jeweilige Ausnehmung derart durchgreifen, dass die Außenkante dieser Ausnehmung an der Hinterschneidung anliegt;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. September 1994 begangen worden sind, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen (sowie ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (sowie ggf. der Typenbezeichnungen),

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 3. September 1994 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte hat die Klage hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 anerkannt und beantragt im Übrigen,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt eine mittelbare Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform 2 in Abrede.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselnden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Beklagte hat die Klage hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1, bei welcher die Haltelaschen als Vorsprünge ausgebildet sind, die von der Außenkante des Belagträgers auskragen und an ihrer Außenkante eine Hinterschneidung (Einkerbung, vgl. Anlage K 6) aufweisen, anerkannt, so dass ohne weitere Begründung insoweit ein Teilanerkenntnisurteil ergeht, § 307 ZPO.

Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig sein, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die von der Klägerin wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform 2, bei welcher die Vorsprünge keine Einkerbungen aufweisen (vgl. Anlage K 7), geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz sind nicht begründet, weil die angegriffene Ausführungform 2 die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Lehre weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.

I.

Bei Scheibenbremsen für Straßenfahrzeuge werden in Belagschächten einführbare, Reibbeläge tragende Belagträger bzw. Tragplatten verwendet, welche zum Zwecke der Abbremsung einer Bremsscheibe durch Zuspannmittel an diese angepresst werden. Die Belagträger sind hohen Beschleunigungen ausgesetzt und besitzen die Neigung, innerhalb der Belagschächte und ihrer Führungen mit hoher Wucht aufzuschlagen, vorzugsweise senkrecht zur Bodenebene, so dass diese Kräfte im vollen Umfang auf die Bauteile der Scheibenbremse einwirken können. Zur Vermeidung des Klapperns der Beläge bzw. des Ausschlagens der Führungsflächen in den Belagschächten ist es bekannt, an der Außenkante der Belagträger Blattfedern zur Wirkung kommen zu lassen, welche den Bremsbelag in seiner Gesamtheit federnd verspannen. Um einen schnellen Belagwechsel mit geringst möglichem Aufwand durchführen zu können, ist ein vom Bremssattelgehäuse getragener, z.B. an diesem verschraubbarer Haltebügel vorgesehen, welcher auf die Blattfedern einwirkt und diese unter Vorspannung an die Außenkante des Belagträgers anpresst. Haltebügel dieser Art werden u.a. mit Schraubverbindungen oder mit einfachen Stiftverbindungen am Bremssattelgehäuse fixiert. Bei Stiftverbindungen kann das Austreiben des Stiftes eine explosionsartige Entspannung der stark vorgespannten Belaghaltefeder zur Folge haben, was schlimmstenfalls zu Personenschäden führen kann. Bei Schraubverbindungen ist ein Festkorrodieren der Schraube nicht vollständig auszuschließen. Dies kann dazu führen, dass der Schraubenkopf beim Löseversuch abgeschert wird und damit ebenfalls das Problem der explosionsartigen Entspannung auftritt, wie es bei Stiftverbindungen existiert.

Aus der europäischen Patentanmeldung 0 248 385 ist eine Belaghalterung bekannt, die mindestens einen an einem Bremssattel bzw. an einem Bremsgehäuse vorgesehenen Belagschacht aufweist, in den ein einen Reibbelag tragender Belagträger und gegebenenfalls eine Druckverteilerplatte einführbar ist, wobei auf die Außenkanten des Belagträgers und gegebenenfalls der Druckverteilerplatte eine Blattfeder einwirkt, die sich sattel- bzw. gehäuseseitig an einem lösbaren Niederhalteelement abstützt. Auf beiden Seiten des Belagträgers bzw. der Druckverteilerplatte ist ferner jeweils eine Haltelasche ausgebildet, die eine halbrunde Ausnehmung aufweist, in die ein entsprechend komplementär bzw. als Halbbogen ausgebildetes Ende der Blattfeder eingreift. Hierdurch wird, so die Beschreibung der Klagepatentschrift, einerseits ein leichtes Einführen der Blattfeder erreicht und andererseits sichergestellt, dass sich die Blattfeder bei der Demontage nicht ohne weiteres löst. Die genannte Ausbildung der Haltelasche hat jedoch, so wird in der Beschreibung weiter ausgeführt, den Nachteil, dass das explosionsartige Entspannen nicht unter allen Umständen verhindert werden kann, weil bereits ein geringfügiges Manipulieren an der Blattfeder dazu führt, dass diese ihren Sitz vorzeitig verlässt. Ein weiterer Nachteil ist darin zu sehen, dass die Ausbildung von halbrunden Enden an der Blattfeder relativ kostspielig ist.

Der Erfindung liegt daher das Problem („Aufgabe“) zugrunde, die bekannte Belaghalterung derart weiterzubilden, dass trotz kostengünstiger Herstellung eine plötzliche Ausdehnung der Blattfeder bei der Demontage sicher verhindert werden kann.

Das soll durch die nachfolgende Merkmalskombination nach Patentanspruch 1 erreicht werden:

1. Belaghalterung für eine Scheibenbremse für Straßenfahrzeuge;
2. an einem Bremssattel bzw. einem Bremsgehäuse sind Belagschächte vorgesehen;
3. in die Belagschächte ist jeweils ein einen Reibbelag tragender Belagträger und ggf. eine Druckverteilerplatte einführbar;
4. auf die Außenkanten des Belagträgers und ggf. der Druckverteilerplatte wirkt eine Blattfeder ein;
5. die Blattfeder
stützt sich sattel- bzw. gehäuseseitig an einem lösbaren Niederhalteelement ab und
ist im montierten Zustand an einem selbsttätigen Lösen gehindert mittels zweier Haltelaschen, die auf beiden Seiten des Belagträgers bzw. der Druckverteilerplatte auskragen;
6. an jedem seitlichen Ende der Blattfeder (5) ist eine Ausnehmung (21) ausgebildet;
7. die Haltelaschen (19) sind als Vorsprünge (19) ausgebildet, die
von der Außenkante des Belagträgers (1) bzw. der Druckverteilerplatte auskragen,
an ihrer Außenkante eine Hinterschneidung aufweisen,
im montierten Zustand die jeweilige Ausnehmung (21) derart durchgreifen, dass die Außenkante dieser Ausnehmung (21) an der Hinterschneidung anliegt.

Nach den Vorteilsangaben des Klagepatents ist der Aufbau sowohl des Belagträgers als auch der Blattfeder sehr einfach und dennoch von absolut sicherer Wirkungsweise, wobei die Blattfeder im gespannten Zustand mit ihren Ausnehmungen derart über die Haltelaschen führbar ist, dass die Haltelaschen bei nachfolgender vollkommener oder teilweise Entspannung der Blattfeder deren Ausnehmungen durchsetzen und die Blattfeder unverlierbar gehaltert ist. Bei Demontage des Bremsbelages bzw. der Druckverteilerplatte kann es selbst bei einem Abscheren der zum Befestigen des Haltebügels dienenden Schraubverbindung nicht vorkommen, dass die Blattfeder sich explosionsartig ausdehnt und abspringt, weil die Blattfeder nach teilweiser Entspannung an den Haltelaschen diese hintergreifend, festhakt und gehaltert bleibt.

II.

Das Klagepatent wird nicht mittelbar verletzt, weil die angegriffene Ausführungsform 2 nicht geeignet ist, für die Benutzung der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre verwendet zu werden.

Nach Ansicht der Klägerin erkennt der Fachmann am Prioritätstag, dass mit dem Begriff der Hinterschneidung in den Merkmalen 7.2 und 7.3 lediglich eine solche Formgebung der Vorsprünge gemeint ist, die dazu beiträgt, dass die Blattfeder bei teilweiser Entspannung an den betreffenden Vorsprüngen unverlierbar gehaltert ist. Dies könne durch regelrechte Einkerbungen in der außenseitigen Flanke der Vorsprünge erfolgen und werde entsprechend beispielhaft in Figur 4 der Klagepatentschrift gezeigt. Die Vorsprünge könnten aber auch andersartig konstruiert sein, wie etwa durch eine mehr oder minder ausgeprägte Neigung ihrer Außenflanken. Ein solcher Winkel sei auch bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden, wie sich aus der (nachstehend eingeblendeten) Darstellung der angegriffenen Ausführungsformen 2 ergebe :

Die Winkel seien zwar – so meint die Klägerin – geringfügig, reichten aber aus, um die Blattfeder sicher an den Vorsprüngen zu halten. Anderenfalls seien die Bremsbeläge der Beklagten nicht verkehrsfähig, weil sie ohne eine solche sichere Halterung der Feder dem Monteur bei der Demontage des Bremsbelags „um die Ohren fliegen“ würden. Jedenfalls sei aber eine Verwirklichung mit äquivalenten Mitteln gegeben. Denn selbst wenn die Außenflanken der Vorsprünge der Ausführungsformen 2 nicht geringfügig geneigt wären, wäre immer noch ein solcher Kraftschluss zwischen der jeweiligen Außenkante der Ausnehmungen in der Blattfeder und der betreffenden Außenflanken der Vorsprünge vorhanden, dass die Blattfeder sicher auf dem Bremsbelag gehalten würde. Der Fachmann erkenne, dass er auch durch einen bloßen, freilich ausreichend sicheren Kraftschluss denselben Effekt wie bei einer tatsächlichen Hinterschneidung im Sinne des Merkmals 7.3 erreichen könne. Denn auch durch die Wahl der Federkraft, die auf die Außenflanken der Vorsprünge wirke, werde ein Abrutschen der Blattfeder vom Bremsbelag sicher verhindert. Werde die Federkraft nur ausreichend groß bemessen, wirkten die zueinander parallelen Flanken der Vorsprünge als Hinterschnitte, von denen sie nicht abrutschen könnten.

Den Ausführungen der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Das Klagepatent betrifft Belaghalterungen für eine Scheibenbremse für Straßenfahrzeuge, bei denen in die Belagschächte jeweils ein einen Reibbelag tragender Belagträger einführbar ist und auf die Außenkanten des Belagträgers eine Blattfeder einwirkt, die ein Klappern der Beläge bzw. en Ausschlagen der Führungsflächen in den Belagschächten vermeiden soll (vgl. Klagepatent, S. 2, Z. 13 ff.). Die Blattfeder wird sattel- bzw. gehäuseseitig an einem lösbaren Niederhalteelement abgestützt. Wird dieses Niederhalteelement für einen notwendigen, insbesondere verschleißbedingten Austausch der Bremsbeläge gelöst, kann es zu einer explosionsartigen unkontrollierbaren Entspannung der stark vorgespannten Feder kommen, welche die Sicherheit und Unversehrtheit des Montagepersonals gefährdet (vgl. Klagepatent, S. 2, Z. 15 ff.). Um dies zu verhindern, ist es erforderlich, dass die Blattfeder auch dann noch unverlierbar gehaltert ist, wenn das Niederhalteelement gelöst worden ist (vgl. Klagepatent, S. 2, Z. 53 ff.). Im Stand der Technik war bekannt, auf beiden Seiten des Belagträgers eine Haltelasche auszubilden, die eine halbrunde Ausnehmung aufweist, in die ein entsprechend komplementär bzw. als Halbbogen ausgebildetes Ende der Blattfeder eingreift. Bei einer solchen Ausgestaltung konnte die Blattfeder – so heißt es in der Klagepatentschrift – leicht eingeführt werden, und es war sichergestellt, dass sich die Blattfeder bei der Demontage nicht ohne weiteres löst (Klagepatent, S. 2, Z. 35 ff.). Im Hinblick auf diesen Stand der Technik wird in der Klagepatentschrift aber auch kritisch angemerkt, dass ein explosionsartiges Entspannen nicht unter allen Umständen verhindert werden könne, da bereits ein geringfügiges Manipulieren an der Blattfeder dazu führe, dass diese ihren Sitz vorzeitig verlasse. Für den Fachmann ergibt sich daraus, dass die im Klagepatent vorgeschlagene Lösung besonders hohen Sicherheitsanforderungen genügen soll.

In Patentanspruch 1 wird zur Sicherung der Blattfeder insbesondere bei der Demontage des Belagträgers nach Lösen des Niederhalteelementes vorgeschlagen, zwei auf beiden Seiten des Belagträgers auskragende Haltelaschen als Vorsprünge auszubilden, die von der Außenkante des Belagträgers auskragen, an ihrer Außenkante eine Hinterschneidung aufweisen und im montierten Zustand die jeweilige Ausnehmung, die an jedem seitlichen Ende der Blattfeder ausgebildet ist, derart durchgreifen, dass die Außenkante dieser Ausnehmung an der Hinterschneidung anliegt. Für den Fachmann, der sich am allgemeinen Verständnis des Begriffs einer Hinterscheidung orientiert, wird damit bereits durch den Wortlaut des Patentanspruchs vorgegeben, dass nach der Lehre aus Patentanspruch 1 das angestrebte Anliegen der Außenkante der Ausnehmung der Blattfeder jedenfalls auch durch ein formschlüssiges Anliegen der Außenkante der Ausnehmung in der Hinterschneidung des Vorsprungs erreicht werden soll und nicht allein durch den Kraftschluss der – nach dem Lösen des Niederhalteelements – nur teilweise entspannten Feder an dem Vorsprung. Denn in Merkmal 7.3 wird ausdrücklich gefordert, dass die Ausnehmung an der Hinterschneidung anliegen soll, und damit nicht nur an einer geraden, kerbenfreien Außenkante des Belagträgers. In diesem Verständnis von der Lehre des Klagepatents sieht sich der Fachmann bestätigt, wenn er die Beschreibung mit heranzieht, in der allgemein zu den Vorteilen der Erfindung ausgeführt wird, dass es bei der Demontage des Bremsbelages selbst bei einem Abscheren der zum Befestigen des Haltebügels dienenden Schraubverbindung nicht vorkommen könne, dass ein explosionsartiges Ausdehnen und Abspringen der Blattfeder erfolgt, weil diese „nach teilweiser Entspannung an den Haltelaschen, diese hintergreifend, festhakt und gehaltert bleibt“ (Klagepatent, S. 2, Z. 57 ff.). Entsprechend sind die in den Zeichnungen des Klagepatents beispielhaft gezeigten Hinterschneidungen 25 ausgestaltet, wobei die Haltelaschen im Bereich der Außenkante unter einem Vorsprung Anschrägungen aufweisen, um die Montage der Blattfeder zu erleichtern (Klagepatent, Figuren 1 und 4; vgl. auch S. 4, Z. 14 ff.). Ob in Figur 1 kein vollflächiger Formschluss zwischen den Außenkanten der Federausnehmung und der Belagträgervorsprünge gezeigt wird oder ob es sich insoweit um eine rein schematische Darstellung handelt, kann offen bleiben, weil dies nicht entscheidungserheblich ist. Denn zum Einen handelt es sich nur um ein Ausführungsbeispiel, welches die weitergehende Lehre aus Patentanspruch 1 nicht zu beschränken vermag, und zum Anderen fordert das Klagepatent nicht notwendigerweise einen vollflächigen Formschluss; es reicht vielmehr, wie den allgemeinen Vorteilsangaben entnommen werden kann, ein „Einhaken“ der Außenkante der Federausnehmung in die Hinterschneidung des Belagträgervorsprungs. Zumindest eine solche Ausgestaltung wird auch in Figur 1 des Klagepatents unzweifelhaft gezeigt.

Über solche nach dem Wortsinn der Erfindung geforderte Hinterschneidungen verfügt die angegriffene Ausführungsform 2 nicht. Dabei kann dahin stehen, ob die in den Anlagen K 9 und K 10 angedeuteten von der Klägerin zu Recht als „geringfügig“ bezeichneten Abschrägungen tatsächlich bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden sind, welche die Klägerin bei der in der Anlage K 9 gezeigten angegriffenen Ausführungsform mit einer Differenz von 0,3 cm beziffert bei einer Gesamtlänge des Bremsbelages von 25,5 cm und bei der in der Anlage K 10 gezeigten angegriffenen Ausführungsform mit einer Differenz von 0,35 cm errechnet bei einer Gesamtlänge des Bremsbelages von 25,8 cm (letztere jeweils nach den Angaben der Beklagten), was von der Beklagten im Termin bestritten wurde. Zudem bedarf es keiner Entscheidung, ob eine bloße Abschrägung (ohne Vorsprung wie in dem in Figur 4 des Klagepatents gezeigten Ausführungsbeispiel) überhaupt eine Hinterschneidung im Wortsinne der Lehre des Klagepatents bilden kann. Denn jedenfalls genügt dafür nicht ein derart geringer Winkel, wie er bei den beiden Ausgestaltungen den angegriffenen Ausführungsformen 2 nach den Angaben in den Anlagen K 9 und K 10 verwirklicht ist. Das erfindungsgemäß angestrebte formschlüssige Anliegen der Außenkante der Ausnehmung der Blattfeder an der Hinterscheidung wird hier nicht erreicht. Es kommt zu keinem hintergreifenden Festhaken der Außenkante der Blattfederausnehmung, wie es durch die Hinterschneidung realisiert werden soll. Vielmehr wird das Anliegen der Feder an der Außenkante des Vorsprungs allein durch die Vorspannung der Feder und damit durch Kraftschluss bewirkt. Das reicht für eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals nicht aus.

Aber auch eine Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre mit äquivalenten Mitteln kommt nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt patentrechtliche Äquivalenz voraus, dass das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mittel gelöst wird, dass seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden und die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre ausgerichtet sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (etwa: BGH, GRUR 2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil).

Es bestehen bereits Zweifel, ob von einer technischen Gleichwirkung im vorgenannten Sinne ausgegangen werden kann. Wie dargelegt, liegt der in Patentanspruch 1 des Klagepatent unter Schutz gestellten Erfindung das Problem zugrunde, nicht nur – wie im Stand der Technik aus der EP-A 0 248 385 bekannt – eine Ausführungsform zu entwickeln, bei der zwar die Blattfeder bei der Demontage gegen ein Lösen gesichert ist, diese Sicherung jedoch durch geringfügiges Manipulieren an der Blattfeder wieder aufgehoben werden kann (vgl. Klagepatent S. 2, Z. 43 ff.). Vielmehr soll die Sicherung von „absolut sicherer Wirkungsweise“ sein, also höchsten Anforderungen genügen. Dazu trägt bei der erfindungsgemäß vorgeschlagenen Lösung nicht nur der durch die Vorspannung der Blattfeder erzielbare Kraftschluss zwischen der Außenkante der Ausnehmung der Blattfeder und der Außenkante des Vorsprungs des Belagträgers bei, sondern auch der durch die Hinterschneidung des Vorsprungs und damit durch ein „Hintergreifen“ und „Festhaken“ (vgl. Klagepatent, S. 3, Z. 2) erreichte Formschluss. Darauf zu verzichten, bedeutet ein Mittel aufzugeben, das erfindungsgemäß zur Herbeiführung einer „absolut sicheren Wirkungsweise“ der Erfindung vorgesehen ist. Von einem im Hinblick auf die der Erfindung zugrundeliegenden Problemstellung gleichwirkenden Mittel kann danach nicht die Rede sein.

Auf jeden Fall ist aber nicht ersichtlich, aufgrund welcher am Sinngehalt der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre es für den Fachmann auffindbar gewesen sein soll, statt des wortsinngemäß vorgesehenen Formschlusses mittels einer Hinterschneidung des Vorsprungs bei dem Belagträgers lediglich einem Kraftschluss vorzusehen. Der Fachmann muss, um von der wortsinngemäßen Lehre zur angegriffenen Ausführungsform zu gelangen, zu der Erkenntnis kommen, dass auch eine Ausgestaltung der Vorsprünge ohne Hinterschneidung einen hinreichend sicheren Halt der Blattfeder nach Lösen des Niederhalters gewährleistet. Dahin mögen ihn Überlegungen aufgrund seines allgemeinen Fachwissens führen; an der Lehre des Klagepatents können dieses Überlegungen jedoch nicht ausgerichtet sein, weil sie auf den Formschluss, den die erfindungsgemäß vorgesehene Hinterschneidung zwischen Belagträger und Blattfeder ermöglicht, bewusst verzichten und sich damit von dieser abwenden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Anwendung des § 93 ZPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Teilanerkenntnis nicht sofort erteilt wurde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1 und 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 300.000,00 € festgesetzt.