Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Dezember 2003, Az. 2 U 50/02
Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. März 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird, soweit mit diesem Urteil die Klage ge gen die Beklagte zu 2) abgewiesen worden ist, zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten zu 2) wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 40.000,– abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 500.000 festgesetzt.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des – mit Wirkung u. a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten – europäischen Patents 0 615 445, das auf einer am 21. September 1994 veröffentlichten Anmeldung vom 4. Dezember 1992 beruht und dessen Erteilung am 15. Mai 1996 bekannt gemacht worden ist. Dieses Patent (Anlage K 3) – nachfolgend: Klagepatent – trägt die Bezeichnung „Pharmazeutisch applizierbares Nanosol und Verfahren zu seiner Herstellung“. Der Patentanspruch 25 der in der deutschen Verfahrenssprache abgefassten Klagepatentschrift lautet wie folgt:
Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine, gekennzeichnet durch
a) eine innere Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Verbindung(en), die eine Teilchengröße von 10 – 800 nm aufweist (aufweisen) und eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen),
b) eine äußere Phase aus Gelatine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gelatinederivat, welche(s) positiv oder negativ geladen ist,
c) einen annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand der inneren und Phase.
Die Beklagten zu 1) und 2) haben Nichtigkeitsklage betreffend den deutschen Teil des Klagepatents einschließlich des Patentanspruches 25 erhoben.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagten wegen Verletzung des Patentanspruches 25 des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
Erstinstanzlich hat sie sich zur Stützung ihres Verletzungsvorwurfs auf die als Anlagen K 7 und K 8 vorgelegten Werbeunterlagen der Beklagten zu 1) und 2) gestützt, wobei die Werbeunterlage Anlage K 7 den Beklagten zu 3) als Ansprechpartner für die Werbeadressaten ausweist. Außerdem hat die Klägerin sich zur Begründung ihres Verletzungsvorwurfes auf das als Anlage K 10 überreichte Vortragsmanuskript des Beklagten zu 4) sowie den als Anlage K 17 eingeführten Fachaufsatz, dessen Mitautor ebenfalls der Beklagte zu 4) ist, gestützt.
Die Beklagten haben geltend gemacht, mit den genannten Unterlagen kein Nanosol gemäß Patentanspruch 25 des Klagepatents angeboten zu haben. Sie haben überdies vorgetragen, ein solches Nanosol auch nicht hergestellt, in Verkehr gebracht oder gebraucht zu haben, was auch hinsichtlich der in der Anlage K 10 erwähnten ß-Carotine gelte.
Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2001, Seiten 6 und 7 (Bl. 89, 90 GA) hat die Klägerin erstinstanzlich im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, die in der zur Stützung des Verletzungsvorwurfs herangezogenen Anlage K 10 erwähnten ß-Carotine / Carotinoide könnten mit dem in Anlage B 2 und B 3 patentierten Verfahren der Mischkammer-Mikronisierung zu Nanoteilchen verarbeitet werden, ausgeführt, Carotinoide sowie insbesondere das ß-Carotin seien keine in Wasser schwer löslichen Verbindungen im Sinne von Patentanspruch 25 des Klagepatents. Mit Anspruch 25 hätten diese Stoffe nicht zu tun. Sie lägen weit ab davon.
Auf den Hinweis des Vorsitzenden der angerufenen 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz, dass es , weil seitens der Klägerin kein streitgegenständliches Erzeugnis der Beklagten als auf dem Markt befindlich nachgewiesen sei, allein darauf ankomme, ob sich aus den vorliegenden schriftlichen Unterlagen Angebotshandlungen der Beklagten als Patentverletzungshandlungen nachweisen ließen oder aus ihnen zumindest deutlich zu entnehmen sei, dass seitens der Beklagten patentverletzende Benutzungshandlungen vorgenommen worden seien, hat die Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 27. Februar 2002, Seite 6 (Bl. 132 GA) vorgetragen, dass es richtig sei, dass kein „streitgegenständliches Erzeugnis“ von Seiten der Beklagten sich auf dem Markt befinde.
Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich aus den Werbeunterlagen gemäß Anlagen K 7 und K 8 jedenfalls hinsichtlich der mit diesen Unterlagen beworbenen Erzeugnisse nicht die Merkmale des Patentanspruches 25 ergäben, die besagten, dass die Verbindung(en), die die innere Phase des Nanosols bildet (bilden), eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen), dass eine äußere Phase des Nanosols aus Gelatine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gelatinederivat besteht, welche(s) positiv oder negativ geladen ist, und dass ein annähernd oder vollständig isoionischer Ladungszustand der inneren und äußeren Phase des Nanosols gegeben ist. Bezüglich des Merkmals, wonach die äußere Phase des Nanosols aus Gelatine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gelatinederivat bestehe, könne die Anlage K 10 nur herangezogen werden, wenn die Werbungsadressaten der Anlagen K 7 und K 8 den Vortrag gemäß Anlage K 10 gleichsam in die Werbeschriften hineinläsen. Dafür sei jedoch nichts Substantielles vorgetragen. – Auch die (innerbetriebliche) Herstellung von Erzeugnissen nach Anspruch 25 lasse sich aus der Gesamtheit der Unterlagen nicht herleiten. Insoweit ließen die Anlagen K 10, K 17 in Verbindung mit den den Anlagen K 7, K 8 allenfalls Vermutungen zu. Es würden in den Anlagen K 10, K 17 nur wissenschaftliche Erkenntnisse referiert, ohne Angabe dazu, ob sie auf bestimmten Versuchen beruhten. Insoweit fehlten jedenfalls Hinweise darauf, dass von der Beklagten hergestellte Nanosole als innere Phase eine Verbindung bzw. Verbindungen aufwiesen, die eine negative Oberflächenladung besitze bzw. besäßen, und eine äußere Phase aus Gelatine und dergl. habe, welche(s) positiv oder negativ geladen sei, und dass bei diesen Nanosolen ein annähernd oder vollständig isoionischer Ladungszustand der inneren und äußeren Phase bestanden habe.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.
In der Berufungsinstanz macht die Klägerin nunmehr geltend, dass ihr inzwischen bekannt geworden sei, dass sich durchaus „streitgegenständliche Erzeugnisse“ auf dem Markt befänden, und zwar „BetaVit 10%“ bzw. „Betavit 20%“ (Anlagen BK 2/ 2a und BK 3/3a), „Beta-Carotene 10% DC“ bzw. „Beta-Carotene 20% DC“ (Anlagen BK 4/4a und BK 5/5a), „Bz1 10% “ (Anlage BK 6/6a), „Vitamin D 2 850“ ( Anlage BK 7/7a), „Vitamin D 3 100“ (Anlage BK 8/8a), „Vitamin D 3 850“ (Anlage BK 9/9a), „Vitamin E Acetate 50% DC“ (Anlage BK 10/10 a) „Dry n-3 18: 12 Omega-3 -fatty Acids“ (BK 11/11a) Diese Produkte verwirklichten die Merkmale des Patentanspruches 25 des Klagepatents. Sie habe die Produkte „Bz2“ bzw. „Beta-Carotene 20% DC“ untersuchen lassen, der Gutachter komme zu dem Ergebnis, dass diese Produkte sämtliche Merkmale des Anspruchs 25 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklichten (vgl. Anlage BK 13 ). – Entgegen der Auffassung des LG ergebe sich der Tatbestand der Patentverletzung aber auch bereits aus den erstinstanzlich überreichten Unterlagen (vgl. Ziffer 4 der Berufungsbegründung vom 5.7.2002/ Bl. 198- 200), so wie der Fachmann diese Unterlagen verstehe. Sie verkenne allerdings nicht, dass sie die Merkmale 2, 4, 5, 6 und 7 unmittelbar aus den Anlagen K 7 und K 8 auch unter Zuhilfenahme von Anlage K 10 nicht herleiten könne (vgl. Schriftsatz vom 20. 8. 2003, S. 24/Bl. 273 GA). Wenn, wie nunmehr festgestellt, jedoch mit der beworbenen Technologie erzeugte Arzneimittel auf dem Markt seien, genüge es festzustellen, dass diese patentverletzend seien, um auch die Angebotshandlungen gemäß Anlagen K 7 und K 8 als patentverletzende Angebotshandlungen zu beurteilen. Denn wenn ein seitens der Beklagten beworbenes Erzeugnis körperlich tatsächlich vorhanden sei, sei es nicht zusätzlich erforderlich, dass die Erfindung für den Empfänger unmittelbar schon aus dem Angebot erkennbar sein müsse . – Sie habe erst nach Durchführung der ersten Instanz ein Erzeugnis der Beklagten als patentverletzend aufgefunden, wobei dies keinesfalls auf Nachlässigkeit beruhe. Bei ihr handele es sich um ein kleineres Unternehmen, das selbstverständlich nicht über diejenigen Ressourcen in finanzieller und sachlicher Hinsicht verfüge, wie sie den Beklagten zur Verfügung stünden. Sie sei auch nicht selbst auf dem Markt der Herstellung von Arzneimittelstoffen und/ oder von pharmazeutischen Erzeugnissen tätig. Sie kenne mithin das Herstellungs- und Vertriebsprogramm der Beklagten nicht, das zweifelsfrei tausende von Artikeln und Präparaten umfasse. Es sei überdies darauf hinzuweisen, dass der gesamte Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz darauf hinausgelaufen sei, dass lediglich die NanoMorph-Technologie seitens der Beklagten angeboten werden würde, nicht jedoch zugehörige, auf ihr basierende Erzeugnisse. Dies sei auch in dem Schreiben der Beklagten vom 21. 2. 2001 gemäß Anlage K 9 zum Ausdruck gebracht worden. Zwar habe bereits die Anlage K 10 auf das Erzeugnis „Beta-Vit 10%“ hingewiesen, dieser Anlage habe sie jedoch keinen Hinweis auf den Tatbestand einer Patentverletzung entnehmen können, zumal die Beklagen insoweit die Behauptung aufgestellt hätten, es handele sich um eine durch Mahlung hergestellte Formulierung.
Die Klägerin beantragt – soweit nach Rücknahme der betreffend die Beklagten zu 1), 3) und 4) eingelegten Berufung noch von Interesse – ,
unter Aufhebung des Urteils erster Instanz vom 19.März 2002 – LG Düsseldorf 4 O 157/01 – die Beklagte zu 2) nach Maßgabe der erstinstanzlich gestellten Anträge wie folgt zu verurteilen:
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhand- lung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 2) an ihrem jeweiligen Vorstandsvorsitzenden zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
im deutschen territorialen Geltungsbereich des europäischen Patents 0 615 445 B 1 Nanosole von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine herzustellen, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen gegeben sind
a) eine innere Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Verbindung(en) , die eine Teilchengröße von 10 bis 800 nm aufweist (aufweisen) und eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen),
b) eine äußere Phase aus Gelatine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gelantinederivat, welche(s) positiv oder negativ geladen sind (ist),
c) einen annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand der inneren und äußeren Phase (EP 0 615 445 B1, Anspruch 25);
2.
ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 2) die zu I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 21. Oktober 1994 begangen habe, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten sowie der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse und der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluß von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluß von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren und Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungzeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 15. Juni 1996 zu machen seien,
3.
die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter vorstehend I 1 beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten,
II.
festzustellen,
1. dass die Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihr für die zu I 1 bezeichneten und in der Zeit vom 21. Oktober 1994 bis 14. Juni 1996 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
2. dass die Beklagte zu 2) verpflichtet sei , ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I 1 bezeichneten und seit dem 15. Juni 1996 begangenen Hand lungen entstanden sei und noch entstehen werde.
Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 2) trägt vor, die Klägerin stütze ihre Berufungsbegründung auf einen vollständig neuen Vortrag, der mit dem erstinstanzlichen Vortrag in keinerlei Zusammenhang stehe und der gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen sei. Bei den Produkten gemäß Anlagen BK 2 bis BK 6 handle es sich um Carotinoidprodukte. Der Klägerin sei als Marktteilnehmerin, aber auch aufgrund der seinerzeit geführten Kooperationsgespräche das Tätigkeitsfeld der Beklagten zu 2) bekannt gewesen, insbesondere seien ihr auch deren seit langer Zeit auf dem Markt befindlichen Vitaminprodukte bekannt gewesen. Sie wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, bereits vor Erhebung der Klage die in Rede stehenden Produkte der Beklagten zu erwerben und den nunmehr vorgebrachten Patentverletzungsvorwurf anhand dieser Produkte zu konkretisieren. Dass dies nicht geschehen sei, beruhe zumindest auf Nachlässigkeit. Tatsächlich sei dies jedoch bewußt erfolgt, da der Klägerin bekannt gewesen sei, dass die Beklagte zu 2) bereits lange vor dem Prioritätstag auf dem Gebiet der Formulierung von Vitaminen, insbesondere von Carotinoiden tätig gewesen sei und über umfangreiche, auch patentrechtlich geschützte Kenntnisse verfügt habe. Die Klägerin habe nicht nur diese Produkte nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, sondern dies sogar ausgedrücklich ausgeschlossen, wie sich aus Seite 7 Abs. 2 ihres Schriftsatzes vom 12.12.2001 (Bl. 90 GA) ergebe, wo die Klägerin vorgetragen habe, dass Carotinoide mit Anspruch 25 des Klagepatents nichts zu tun hätten. Die nunmehrige Einführung dieser der Klägerin bereits in erster Instanz bekannten Carotinoidprodukte in das Verfahren sei angesichts dessen schlechterdings nicht zu rechtfertigen. Auch soweit die übrigen Vitamin-Präparate betroffen seien, könne die Klägerin nicht rechtfertigen, warum sie diese Produkte erst in der Berufungsinstanz zum Gegenstand ihres Sachvortrages gemacht habe. Diese Produkte seien schon seit langem auf dem Markt, was auch der Klägerin nicht verborgen geblieben sei. Ungeachtet dessen sei es nachlässig, wenn man bei erkannten Darlegungsschwierigkeiten sich nicht darum bemühe, festzustellen, ob die Beklagten überhaupt Produkte auf dem Markt hätten, wobei darauf hinzuweisen sei, dass die von der Klägerin angeführten Carotinoidprodukte nach einem Mahlverfahren und die übrigen Produkte nach einem Mikroenkapsulationsverfahren hergestellt würden, bei dem eine Emulsion erzeugt werde, die anschließend getrocknet werde (vgl. Schriftsatz vom 27. 1. 2003, S. 13/Bl. 232 GA). Die Klägerin habe jedoch erstinstanzlich ausgeführt (vgl. Schriftsatz vom 12.12.2001, Seite 4/Bl. 87 oben GA), dass Emulsionen etwas völlig anderes seien als Nanosole, wie sie in Anspruch 25 des Klagepatents beschrieben seien.
Innerhalb der den Beklagten nachgelassenen Schriftsatzfrist haben die Beklagten zu 2) und 4) mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2003 unter Übermittlung einer Ablichtung des Protokolls des Bundespatentgerichts vom 15. Oktober 2003 (Anlage B-ROP 9) mitgeteilt, dass das Klagepatent im Umfang der Patentansprüche 25 bis 52 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt worden sei.
Die Klägerin hat mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichtem Schriftsatz vom 12. November 2003 erklärt, sie nehme die Berufung gegen die Beklagten zu 1), zu 3) und zu 4) zurück (vgl. Bl. 346 GA). Mit diesem Schriftsatz hat die Klägerin außerdem erklärt, dass sie sich mit der seitens der Beklagten beantragten Aussetzung des Rechtsstreits einverstanden erkläre und höchst vorsorglich ihrerseits beantrage, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen den deutschen Teil des europäischen Patents 0 165 445 B1 anhängigen Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Die Beklagte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 28. November 2003, eingegangen bei Gericht am 8. Dezember 2003, einer Aussetzung des Rechtsstreits widersprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Nachdem die Klägerin ihre Berufung gegen das landgerichtliche Urteil vom 19. März 2002 mit Schriftsatz vom 12. November 2003 insoweit zurückgenommen hat, als mit diesem Urteil ihre Klagen gegen die Beklagten zu 1), zu 3) und zu 4) abgewiesen worden sind, was gemäß § 516 Abs. 1 ZPO auch ohne Einwilligung der genannten Beklagten bis zur Verkündung des Berufungsurteils wirksam erfolgen konnte, war nunmehr nur noch über die Berufung des Klägerin gegen die erstinstanzliche Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte zu 2) zu entscheiden. Diese Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, sachlich jedoch nicht gerechtfertigt.
1.
Soweit die Klägerin geltend macht, das Landgericht habe verkannt , dass sich der Tatbestand der Patentverletzung ohne weiteres aus den Inhalten der Anlagen K 7 (K 7 a), K 8 (K 8 a), insbesondere in Verbindung mit Anlagen K 10 und K 17 ergebe (vgl. Berufungsbegründung vom 5. Juli 2002 Seiten 18 -21 – Bl. 198- 201 GA), kann sie damit keinen Erfolg haben.
a)
Die erfindungsgemäße Lehre nach dem Patentanspruch 25 des Klagepatents betrifft ein Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine (vgl. Seite 2, Zeilen 5 – 7der Klagepatentschrift). Unter „Nanosol“ ist eine kolloidale Lösung zu verstehen, in der ein fester oder flüssiger Stoff in feinster Verteilung, also in ganz kleinen Partikeln (im Nanobereich), dispergiert enthalten ist.
Nach der Beschreibung der Klagepatentschrift besteht die Schwierigkeit darin, Arzneistoffe mit problematischer Bioverfügbarkeit in eine befriedigende pharmazeutisch applizierbare Form zu bringen. Bei etwa 30% aller Wirkstoffe in Arzneimitteln ist eine schnelle Freigabe des Wirkstoffs aus seiner Zubereitung nach der Applikation, d. h. eine schnelle Überführung in die gelöste, resorptionfähige Form erforderlich, um einen akzeptablen Therapieerfolg zu erzielen (vgl. Seite 2, Zeilen 12 – 15 der Klagepatentschrift).
Bisher vorgeschlagene und in der Klagepatentschrift näher genannte Maßnahmen zur verbesserten Freigabe von Wirkstoffen weisen Nachteile auf: Zum einen belasten sie den Organismus mit toxikologisch bedenklichen Stoffen, zum anderen besteht die Gefahr, dass eine erhöhte Löslichkeit in vivo durch Rekristallisationsvorgänge zunichte gemacht wird. Außerdem reicht die anzuwendende Menge oftmals nicht aus, um eine erforderliche Arzneistoffdosis in die Lösung zu bringen. Zum Teil sind die Verfahren auch recht zeit- und kostenaufwendig oder erfordern komplexe Zusatzstoffe (vgl. Seite 2, Zeile 40 – Seite 3, Zeile 24).
Hiervon ausgehend formuliert die Klagepatentschrift die Aufgabe der Erfindung dahin, die Bioverfügbarkeit von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/ oder organischen Verbindungen durch Erhöhung ihrer Lösegeschwindigkeit ohne Zusatz von schädlichen Hilfsstoffen zu verbessern (Seite 3, Zeilen 25 – 27 ).
Zur Lösung dieser Aufgabe wird unter anderem ein Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine vorgeschlagen, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass a) eine innere Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Verbindung(en), die eine Teilchengröße von 10 – 800 nm aufweist (aufweisen) und eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen), b) eine äußere Phase aus Gelatine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gelatinederivat, welche(s) positiv oder negativ geladen ist, vorhanden ist und c) ein annähernd oder vollständig isoionischer Ladungszustand der inneren und äußeren Phase besteht.
Merkmalsmäßig gegliedert stellt sich die Lösung nach Patentanspruch 25 wie folgt dar:
(1) Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen
Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Ver-
bindungen mit Gelatine, gekennzeichnet durch
(2) eine innere Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Ver-
bindung(en),
(3) die eine Teilchengröße von 10 – 800nm aufweist (aufweisen) und
(4) eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen)
(5) eine äußere Phase aus Gelantine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gela-
tinederivat,
(6) welche(s) positiv oder negativ geladen ist,
(7) einen annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand der inneren
und äußeren Phase.
Diese Lösung ist insbesondere auf Seite 6, Zeilen 40 – 49 der Klagepatentschrift näher erläutert. Dort heißt es: „Überraschenderweise zeigt sich bei der Lösung der oben genannten Aufgabe, dass bei Gelatine die Einstellung ihres Ladungzustandes durch die Protonierung bzw. Deprotonierung relativ zum isoelektrischen Punkt (IEP) völlig ausreichend ist, um erfindungsgemäß eine in Wasser schwer lösliche organische Verbindung, insbesondere einen solchen Arzneistoff in Form eines Nanosols zu stabilisieren. Im Rahmen der Erfindung hat sich nun gezeigt, dass die geladenen, kolloiden Arzneipartikel dann stabilisiert werden, wenn ein Ladungsausgleich zwischen diesen Partikeln und einer gegensinng geladenen Gelatine, einem Kollagenhydrolysat bzw. einem Gelatinederivat erreicht ist. Dieser Zustand ist der isoionische Punkt (IEP) . Dabei zeigt sich erstaunlicherweise, dass die Ostwald-Reifung der kolloiden Arzneistoffpartikel gemäß der Erfindung unterbunden wird. Die Partikel liegen nahezu monodispers vor und sind am Wachstum gehindert. Das Gesamtsystem wird dann als erfindungsgemäßes Nanosol bezeichnet.“
b)
Zutreffend hat das Landgericht im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass mit den Werbeunterlagen gemäß Anlagen K 7 (K 7 a) K 8 ( K 8 a), mit denen eine sogenannte „NanoMorph“-Technologie beworben wird, nicht Erzeugnisse angeboten werden, die die vorgenannten Merkmale des Patentanspruches 25 des Klagepatents aufweisen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil, die sich der Senat zu eigen macht, wird in vollem Umfang verwiesen. So führt das Landgericht u. a. zutreffend aus, dass in den Anlagen K 7 und K 8 nicht erwähnt sei, dass die mit der dort beschriebenen Technologie hergestellten Erzeugnisse eine gegensätzliche elektrische Ladung von einer inneren und äußeren Phase hätten und dass der Ladungszustand von innerer und äußerer Phase annähernd oder vollständig isoionisch sei.
Es ist nach wie vor seitens der Klägerin nicht dargetan, dass bei objektiver Betrachtung mit der Verteilung der Werbeunterlagen gemäß Anlagen K 7 (7 a) und
K 8 (8 a) Erzeugnisse angeboten worden sind, die die Merkmale von Anspruch 25 aufweisen, was letztlich die Klägerin selbst einräumt, wenn sie im Schriftsatz vom 20. August 2003 Seite 24 (Bl. 273 GA) ausführt, dass sie nicht verkenne, dass die Merkmale 2, 4,5, 6 und 7 „unmittelbar“ aus den Anlagen K 7, K 8 – auch unter Zuhilfenahme von Anlage K 10 – nicht hergeleitet werden könnten.
Bei diesen Werbeunterlagen kann man und können die durch sie angesprochenen Fachleute spekulieren und es bei Kenntnis der Klagepatentschrift für möglich halten, dass Anspruch 25 durch nach dem beworbenen NanoMorph-Verfahren hergestellte Produkte verwirklicht werde. Das genügt aber nicht zur Annahme, es liege ein patentverletzendes Anbieten vor. Der Hinweis der Klägerin auf die „Europareise“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes(GRUR 1969, 35), die soeben erst durch die Entscheidung „Kupplung für optische Geräte“ des Bundesgerichtshofes vom 16. September 2003 – ZR 179/02 – bestätigt worden ist, geht fehl, denn es gibt auf dem Markt keine Produkte der Beklagten zu 2), bei denen der Fachwelt die Patentbenutzung bekannt wäre und zu denen sie eindeutig die Anlagen K 7 und K 8 in Bezug setzen würde.
Ob durch die Verteilung von Werbeunterlagen ein patentgemäßes Erzeugnis angeboten wird, muß nach der zuletzt zitierten Entscheidung „Kupplung für optische Geräte“ des Bundesgerichthofes anhand derjenigen objektiven Gegebenheiten des Streitfalls geprüft werden, die in vergleichbarer Weise eine verläßliche Aussage über Gestalt und Beschaffenheit des Erzeugnisses zulassen. Weder das Verständnis des Werbenden noch das Verständnis einzelner Empfänger der Werbeunterlagen oder einer bestimmten Gruppe von Personen, an die sich das Werbemittel wendet, soll einen brauchbaren Maßstab bilden. Entscheidend soll vielmehr nur sein, ob bei objektiver Betrachtung der im Streitfall gegebenen Umstände davon ausgegangen werden muß, dass das mittels Verteilens von Werbeunterlagen angebotene Erzeugnis dem Gegenstand des Patents entspricht. Davon kann jedoch, wie das Landgericht im angefochtenen Urteil im einzelnen näher begründet hat, hier nicht ausgegangen werden.
Das Landgericht hat es auch zutreffend abgelehnt, die Anlage K 10 zur Ergänzung der Anlagen K 7, K 8 heranzuziehen. Das ginge ohnehin nur, wenn den Adressaten der Werbung gemäß Anlagen K 7, K 8 das Vortragsmanuskript gemäß Anlage K 10 allgemein bekannt und beim Lesen der Anlagen K 7, K 8 praktisch so gegenwärtig wäre, dass sie die Unterlagen als Einheit auffassten. Dafür spricht jedoch nichts. – Im übrigen weist die Anlage K 10 nicht auf alle Merkmale des Patentanspruches 25 hin. Vor allem aber zeigt sie lediglich mehrere theoretische Möglichkeiten auf, die eine eindeutige Zuordnung von Produkten zu Merkmalen des Anspruches 25 auch für Fachleute nicht zulässt.
Den Anlagen K 10 und K 17 als solchen kommt keinerlei Bedeutung für etwaige Benutzungshandlungen der Beklagten zu 2) zu, da Gegenstand dieser Anlagen lediglich ein Vortrag bzw. ein Fachaufsatz ist, wobei sich weder aus dem Vortragsmanuskript noch aus dem Aufsatz ergibt, dass all die dort dargestellten Lösungsmöglichkeiten von der Beklagten zu 2) angeboten worden sind oder angeboten werden bzw. verwirklicht worden sind. In dem Vortragsmanuskript und in dem Fachaufsatz werden lediglich wissenschaftliche Erkenntnisse referiert, ohne dass ersichtlich wäre, dass sie auf Produkten beruhen, die von der Beklagten zu 2) hergestellt oder angeboten worden sind.
Fachleute können auch bei einer Zusammenschau der erstinstanzlich überreichten Anlagen K 7 (7 a), K 8 (8 a), K 10 und K 17 nicht den Schluß ziehen, Produkte nach Anspruch 25 seien jedenfalls von der Beklagten zu 2) hergestellt worden. Auch insoweit sind nur Vermutungen möglich, aber keine sicheren Feststellungen, was das Landgericht, auf dessen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, im angefochtenen Urteil völlig zutreffend gesehen hat.
2.
Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz den Vorwurf der Verletzung des Patentanspruches 25 des Klagepatents nunmehr erstmals darauf stützt, dass sich auf dem Markt die im einzelnen mit den Anlagen BK 2 bis BK 11 bezeichneten Produkte der Beklagten befänden und bei diesen die Merkmale des Patentanspruches 25 verwirklicht seien, hat sie nach Auffassung des Senats – zumindest durch Bezugnahme auf das als Anlage BK 13 überreichte Privatgutachten von Prof. Dr. M, welches sich allerdings konkret nur mit dem Erzeugnis „Bz2“ (BK 3), das nach dem Inhalt des Gutachtens laut Angabe der Beklagten zu 2) bzw. der Klägerin allerdings gleich dem Handelsprodukt „Beta-Carotene 20% DC“ (Anlage BK 5) sein soll (vgl. Seite 2 des Gutachtens), befasst, nicht jedoch mit den Erzeugnissen gemäß Anlagen BK 2, BK 4, BK 6 – BK 11, – hinreichend schlüssig eine Verletzung des Patentanspruches 25 durch die nunmehr beanstandeten Erzeugnisse der Beklagten vorgetragen. Im Hinblick auf den gegenteiligen Vortrag der Beklagten zu 2) wäre diesem Sachvortrag der Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen, wenn dieses neue Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz zuzulassen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Dabei ist zu differenzieren zwischen den Produkten gemäß Anlagen BK 2 – BK 6 einerseits und den anderen Vitaminpräparaten (Anlagen BK 7 – BK 11) andererseits. Bei den Produkten gemäß Anlagen BK 2 – BK 6 handelt es sich, wie die Beklagte unbestritten vorgetragen hat (vgl. Schriftsatz vom 27. Januar 2003, Seite 3 – Bl. 222 GA), um Carotinoidprodukte, die als solche seit Jahren auf dem Markt sind.
a)
Soweit die Klägerin die Produkte gemäß Anlagen BK 7 – BK 11 angreift, liegt nur eine Ergänzung und Konkretisierung des bisherigen Sachvortrages vor (§ 264 Nr. 1 ZPO), nicht aber eine Änderung des Klagegrundes. Auch wenn die Klägerin im Schriftsatz vom 27. Februar 2002 Seite 6 (Bl. 132 GA) ausgeführt hat, es befinde sich kein „streitgegenständliches Erzeugnis“ auf dem Markt, so ist ihren Ausführungen doch zu entnehmen, dass sie alle Erzeugnisse angreifen will, die durch die den Klagegrund bildende „NanoMorph-Technologie“ hergestellt sind und die Merkmale des Anspruches 25 erfüllen. Sie hat damit nicht etwa zum Ausdruck gebracht, „auf dem Markt befindliche Erzeugnisse“ würden von ihrer Klage nicht erfasst und vom Angriff ausgenommen. Ihr oben zitierter Sachvortrag ist bei vernünftiger Auslegung nur dahin zu verstehen, sie könne derzeit kein Erzeugnis benennen.
Damit sind im Hinblick auf das Vorbringen zu diesen Erzeugnissen die Vorschriften in §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 ZPO unmittelbar anwendbar. Nach § 531 Abs. 2 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz nur zuzulassen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Dabei ist diese Vorschrift im Lichte der Zielsetzung der ZPO-Reform zu sehen, Sachvortrag in zweiter Instanz nur ausnahmsweise zuzulassen, um der neuen Funktion der Berufung als Instrument der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung gerecht zu werden (vgl. Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1903).
Dass hier die Voraussetzungen der Nr. 1 und Nr. 2 von § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, ist ohne weiteres erkennbar, und es bedarf daher an dieser Stelle keines näheren Eingehens auf diese Tatbestände. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen hier aber auch nicht die Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vor. Danach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Bei der Frage, wann Nachlässigkeit im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliegt, ist auf den Zweck des § 531 ZPO Bedacht zu nehmen, dass der entscheidungserhebliche Sach- und Streitstoff bereits in der ersten Instanz vollständig unterbreitet werden soll (vgl. Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 531 Rdn. 31). Dabei trägt die Partei, die erstmals in der Berufungsinstanz neue Tatsachen vorbringt, die Darlegungslast dafür, dass sie in der ersten Instanz nicht nachlässig war, soweit sie diese Tatsachen noch nicht vorgebracht hat (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 531 Rdn. 34).
Die Klägerin hat nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass es ihr erst in der Berufungsinstanz und nicht bereits in der ersten Instanz möglich war, die nunmehr angegriffenen Produkte als Verletzungsprodukte zu präsentieren. Wenn nicht schon aufgrund der Klageerwiderung der Beklagten zu 2) und 4) vom 10. August 2001, wonach die Klage unsubstantiiert und der Vortrag der Klägerin „nebulös“ sei (vgl. Seite 3 – Bl. 75 GA), so doch spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz (14. Februar 2002) und aufgrund der dort erteilten Hinweise des Vorsitzenden hätte die Klägerin höchste Veranlassung gehabt, dasjenige zu tun, was sie nunmehr mit der Berufungsbegründung in der Berufungsinstanz getan hat. Dazu, warum ihr dies damals nicht möglich war, ihr dies aber nach Berufungseinlegung möglich geworden ist, fehlt jeglicher plausible Sachvortrag der Klägerin. Hinderungsgründe sind insoweit nicht erkennbar, so dass davon auszugehen ist, dass dies auch schon damals hätte geschehen können und es nur auf Nachlässigkeit der Klägerin beruht, dass dies nicht geschehen ist. Die nunmehr in Rede stehenden Produkte befanden sich schon lange vor Klageerhebung auf dem Markt, und zwar ein wesentlicher Teil der Produkte sogar mit Wissen der Klägerin, wie die Anlage K 10 deutlich macht. Da die Klägerin bereits mit ihrer Klage vorgetragen hatte, dass die von ihr mit der Klage beanstandete Technologie von der Beklagten eingesetzt worden sei (vgl. Seite 32 der Klageschrift – Bl. 33 GA), hätte es bereits zur sorgfältigen Prozessförderungspflicht gehört, diesen Vortrag zu substantiieren und die in Frage kommenden Produkte der Beklagten schon damals zu untersuchen und zu benennen und nicht erst abzuwarten, wie das Landgericht allein aufgrund der Unterlagen gemäß Anlagen K 7, K 8, K 10 und K 17 entscheiden würde.
Auch mit der in der mündlichen Verhandlung überreichten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Klägerin vom 17. September 2003 wird nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass es der Klägerin erst in der Berufungsinstanz und nicht schon in erster Instanz möglich war, die in Rede stehenden Produkte als „Verletzungsprodukte“ zu benennen. Soweit in einem ersten Teil dieser eidesstattlichen Versicherung darauf hingewiesen wird, dass man mit der L AG eine Geheimhaltungsvereinbarung getroffen habe und davon ausgegangen sei, dass sich die L AG an diese Verpflichtung halte und das ihr anvertraute Wissen über die Nanosol- und Cryopellet-Technologie nicht an die Beklagte zu 2) weitergebe, rechtfertigt dies das Untätigsein der Klägerin nicht, weil sie mit der Erhebung ihrer Klage im März 2001 davon ausgegangen war, die Beklagte zu 2) verletze den Patentanspruch 25 des Klagepatents. Angesichts der Klageerhebung im März 2001 kann schlechterdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bis zur Berufungsbegründung im Juli 2002 aufgrund der mit der L AG getroffenen Geheimhaltungsvereinbarung angenommen hat, die Beklagte zu 2) mache keinen Gebrauch von Patentanspruch 25 des Klagepatents.
Soweit in der eidesstattlichen Versicherung weiter geltend gemacht wird, dass man im März/April 2002 zufällig auf eine Veröffentlichung gestoßen sei, nach der einem Carotinoid-Produkt der Beklagten zu 2), nämlich „Bz1“, durch die amerikanische Behörde FDA der sogenannte „GRAS“-Status verliehen worden sei, und dies bei ihr den Verdacht erweckt habe, dass die Beklagte zu 2) entgegen ihren eigenen Angaben und Behauptungen ein anderes und schonenderes Verfahren als das über 20 Jahre alte Horn`sche Hochdruck-/Hochtemperaturverfahren benutzt haben müsse und dass damit für sie deutlich geworden sei, dass im Zusammenhang mit der Herstellung dieses Produktes von ihrer, der Klägerin, Technologie Gebrauch gemacht worden sein müsse, ist auch dieses Vorbringen nicht geeignet, darzutun und glaubhaft zu machen, dass es nicht auf Nachlässigkeit beruht, dass das neue Vorbringen nicht bereits in erster Instanz gebracht worden ist. Den „Verdacht“, dass die Beklagte zu 2) „von ihrer Technologie“ Gebrauch macht, hatte die Klägerin ausweislich der Klageschrift bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung. Der Umstand, dass sie im März/April 2002 auf die Veröffentlichung des sogenannten „GRAS“-Status für „Bz1“ aufmerksam geworden ist, hat sie im übrigen auch nicht veranlasst, hierauf in der Berufungsbegründung vom 5. Juli 2002 hinzuweisen, um so zu erklären, dass erst diese Veröffentlichung sie veranlasst habe, nunmehr die mit der Berufungsbegründung genannten Produkte anzugreifen. Der eidesstattlichen Versicherung und dem Vortrag der Klägerin ist auch kein plausibler Grund zu entnehmen, warum über „Bz1“ hinaus andere Carotinoide und Vitaminpräparate erstmals angegriffen werden. Die Klägerin gibt auch keine Erklärung dafür, warum sie nicht hinsichtlich „Bz1“ eine Untersuchung durch einen Sachverständigen hat vornehmen zu lassen, sondern Prof. Dr. M mit der Untersuchung von „Bz2“ beauftragt hat, wobei sie auch nicht dargetan hat, wann Prof. Dr. M mit der Untersuchung dieses Produktes beauftragt worden ist , wodurch die Untersuchung gerade dieses konkreten Produkts veranlasst worden war und warum sie diese Untersuchung nicht bereits vorprozessual oder aber zumindest erstinstanzlich veranlasst hat.
Es kommt nicht entscheidend darauf an, über welche Kenntnisse die Klägerin erstinstanzlich hinsichtlich der Produkte der Beklagten verfügte, sondern darauf, ob ihr Nachlässigkeit, wobei im Rahmen von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO einfache Fahrlässigkeit ausreicht (vgl. Begr. BT-Drs. 14/4722 S. 102), insoweit vorzuwerfen ist, als sie die Produkte, die sie nunmehr als patentverletzend benannt hat, nicht bereits erstinstanzlich als patentverletzend benannt hat. Dies ist aus den dargelegten Gründen der Fall.
b)
Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz die Carotinoidprodukte gemäß Anlagen BK 2 – BK 6 als patentverletzend beanstandet, liegt eine Klageänderung vor.
Die Klägerin hat im ersten Rechtzug – aus welchen Gründen auch immer – ausdrücklich erklärt, aus dem Klagepatent Carotinoidprodukte, insbesondere ß-Carotin-Produkte, nicht angreifen zu wollen (vgl. Schriftsatz vom 12. Dezember 2001, S. 6/7 – Bl. 89,90 GA). Damit hat die Klägerin die Produktgruppe der Carotinoide aus dem dem Landgericht zur Beurteilung vorgelegten Streitgegenstand ausgeklammert, auch wenn dies im Klageantrag keinen Niederschlag gefunden hat.
Streitgegenstand ist der geltend gemachte prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Antrag und den Lebenssachverhalt, aus dem die Klägerin die begehrte Rechtsfolge herleitet, also den Klagegrund. Zum Klagegrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klägerin zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (BGH, NJW 1992, 1171, 1173 re. Sp. m. w. N.). Das ist hier nicht nur das Klagepatent, sondern es sind auch die aus diesem Patent angegriffenen und nach Auffassung der Klägerin mit den Merkmalen des Patentanspruches 25 des Klagepatents beschreibbaren Produkte. Nicht zu diesem Klagegrund, dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex, gehörten erstinstanzlich gemäß ausdrücklicher Erklärung der Klägerin die Carotinoidprodukte, so dass das Landgericht hierüber auch weder positiv noch negativ rechtskräftig hätte entscheiden können, und zwar auch aus vernünftiger Sicht der Beklagten und selbst eines rechtlichen Laien (vgl. BGH a. a. O. S. 1174).
Daher liegt, soweit die Klägerin nunmehr die Carotinoidprodukte gemäß Anlagen BK 2 – BK 6 als patentverletzend beanstandet, eine Klageänderung vor, die nicht etwa wegen § 264 ZPO nicht als solche gelten würde – die Voraussetzungen der einzelnen Alternativen dieser Norm sind entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gegeben – und die daher gemäß § 533 ZPO zu beurteilen ist. Danach ist sie, unabhängig von der Frage der Sachdienlichkeit, in der Berufungsinstanz nur unter den Voraussetzungen der §§ 533 Nr. 2, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuzulassen. Diese Voraussetzungen liegen jedoch aus den oben zu Ziffer II 3 a) genannten Gründen nicht vor, so dass die Klageänderung hinsichtlich der Carotinoidprodukte gemäß Anlagen BK 2 – BK 6 nicht zuzulassen ist.
4.
Ob bei den §§ 529, 531 ZPO ähnlich wie bei § 530 ZPO das „Verzögerungsprinzip“ zu berücksichtigen ist, was in der Literatur überwiegend verneint wird ( vgl. z. B. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 531 Rdn 2, wo es heißt, dass der Gesichtspunkt der Verzögerung des Rechtstreits im gesamten Anwendungsbereich des § 531 ZPO keine Rolle spiele), kann dahinstehen, da selbst dann, wenn sich bereits nach Überreichung des Privatgutachtens gemäß Anlage BK 13 mit Schriftsatz der Klägerin vom 20. August 2003 die Notwendigkeit von Beweiserhebungen ergeben haben würde, vorbereitende Maßnahmen des Gerichts angesichts des nahen Verhandlungstermins vom 18. September 2003 nicht mehr geeignet gewesen wären, eine Verzögerung des Rechtsstreits zu vermeiden.
5.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO wegen der anhängigen Nichtigkeitsklage betreffend den deutschen Teil des Klagepatents kam gegen den Widerstand der Beklagten zu 2) nicht in Betracht, da der Rechtsstreit unbeschadet der Frage, ob das Klagepatent mit dem hier geltend gemachten Patentanspruch 25 rechtsbeständig ist, im Sinne einer Zurückweisung der Berufung der Klägerin zur Endentscheidung reif ist.
Es bestand auch kein Anlass, entsprechend dem Antrag der Klägerin die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 ZPO Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. zuzulassen, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Auslegung der neugefassten Vorschriften in §§ 529, 531, 533 ZPO hat.
R1 R2 R4
Vors. Richter am OLG Richter am OLG Richter am OLG