2 U 181/99 – Abfallsammelfahrzeug mit Rückfahrsicherung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 214 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. Juni 2003, Az. 2 U 181/99 

I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. August 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

1.
Die Beklagten werden verurteilt,

a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

aa)
Aufbauten für Müllsammelfahrzeuge mit einer Einrichtung zur Überwachung des vom Fahrerhaus nicht einsehbaren Rückraumbereiches oberhalb der Trittbretter, die nach dem Einlegen des Rückwärtsganges dort vorhandene Hindernisse im Fahrerhaus anzeigt,

und/oder

bb)
Einrichtungen zur Überwachung des vom Fahrerhaus nicht einsehbaren Rückraumbereiches von Müllsammelfahrzeugen oberhalb der Trittbretter, die nach dem Einlegen des Rückwärtsganges dort vorhandene Hindernisse im Fahrerhaus anzeigen,

im Geltungsbereich des deutschen Patents 39 18 998 herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, wobei das Verbot der Herstellung nur die Beklagten zu 1) und zu 2) betrifft, bei denen die Überwachungsvorrichtung als optoelektronischer Reflektions-Lichttaster ausgebildet und mittels eines Stromkreises mit einem Relais verbunden ist, das so geschaltet ist, dass es ein Motorstoprelais ansteuert, welches das Abschalten des Antriebsmotors auf elektrischem Wege bewirkt, und bei denen in die Ausgangsleitung des optoelektronischen Reflektions-Lichttasters ein Überwachungs- und Schaltrelais integriert ist, das bei seinem Ansprechen eine Drehzahlbegrenzung des Antriebsmotors bewirkt;

b) der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1.a) bezeichneten Handlungen in der Zeit seit dem 18. Januar 1994 begangen haben, und zwar unter Angabe

aa)
hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) der Herstellungsmengen und -zeiten, hinsichtlich der Beklagten zu 3) hinsichtlich der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

bb)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen), -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer (einschließlich solcher der öffentlichen Hand);

cc)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen), -zeiten und –preisen;

dd)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren flagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

ee)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu 1.a) bezeichneten, in der Zeit seit dem 18. Januar 1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

II.
Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 256.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 256.000 €.

Tatbestand:

Die Klägerin ist seit dem 18. Januar 1994 Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem deutschen Patent 39 18 998 (im folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent beruht auf einer am 12. Juni 1989 eingegangenen und am 13. Dezember 1990 offengelegten Anmeldung. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 18. März 1993.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

Kraftfahrzeug, insbesondere Lastkraftwagen, mit einer den vom Fahrerhaus nicht einsehbaren Rückraumbereich überwachenden Einrichtung, die mit dem Einlegen des Rückwärtsganges aktiviert wird und dann dort vorhandene Hindernisse im Fahrerhaus anzeigt,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Überwachungsvorrichtung als Infrarotsensor (10) ausgebildet und mittels eines Stromkreises (14) mit einem Relais (17) verbunden ist, das ein das Abschalten des Antriebsmotors auf elektrischem oder pneumatischem Wege bewirkendes Motorstoprelais (23) ansteuernd geschaltet ist, und dass in die Versorgungsleitung (25) des Infrarotsensors (10) ein Überwachungs- und Schaltrelais (26) integriert ist, das bei seinem Ansprechen eine Drehzahlbegrenzung (27) des Antriebsmotors bewirkt.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 aus der Klagepatentschrift zeigen: Figur 1 eine mögliche Anordnung des Infrarotsensors an der Rückseite eines Kraftfahrzeuges und Figur 2 ein vereinfachtes Schaltbild der in das Fahrzeug integrierten Einrichtung mit Infrarotsensor.

Die Beklagte zu 1), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2) ist, stellt Aufbauten für Müllsammelfahrzeuge her, die sie auf fremdgefertigte Fahrwerke montiert, welche dann zusammen mit den Aufbauten komplette Müllsammelfahrzeuge bilden. Teil der Aufbauten ist eine den Raum hinter dem Fahrzeug überwachende Einrichtung. Die Beklagte zu 1) vertreibt die von ihr komplettierten Müllsammelfahrzeuge sowie auch einzelne Überwachungseinrichtungen über die Beklagte zu 3).

Die genannten Überwachungseinrichtungen der Beklagten weisen bis zu vier die Hecktrittbretter des Müllsammelfahrzeuges überwachende Sensoren auf, bei denen es sich um aktive Infrarotsensoren handelt, nämlich um optoelektronische Reflextaster, die mit (gepulstem) Infrarotlicht arbeiten und den Anteil des Infrarotlichtes messen, der von Gegenständen in ihrem Erfassungsbereich reflektiert wird. Befindet sich auf mindestens einem der Hecktrittbretter eine Person, so ist ein Rückwärtsfahren des Müllsammelfahrzeuges nicht möglich, weil bei Einlegen des Rückwärtsganges sofort der Motor abgestellt wird; außerdem bewirkt die Vorrichtung der Beklagten in einem solchen Falle, dass die erzielbare Geschwindigkeit des Fahrzeuges bei Vorwärtsfahrt begrenzt ist; der letztere Effekt tritt auch dann ein, wenn einer der Sensoren beschädigt oder außer Betrieb ist.

Die Funktionsweise der Hecktrittbrett-Überwachungseinrichtung der Beklagten ergibt sich u.a. aus den von der Klägerin als Anlagen K 10, K 11 und K 15 vorgelegten und nachfolgend wiedergegebenen Blockschaltbildern, hinsichtlich deren darauf hinzuweisen ist, dass die jeweils als „K 5“ bezeichneten Relais Doppelrelais sind, die eine gemeinsame Spule, aber jeweils zwei voneinander getrennte Schaltelemente aufweisen, die beide dann ansprechen, wenn die Spule ein Magnetfeld erzeugt.

Das Blockschaltbild gemäß Anlage K 10 zeigt die Vorrichtung im Normalzustand mit unbeeinflussten Sensoren und eingelegtem Rückwärtsgang; bei den Anlagen K 11 und K 15 spricht der Sensor 1 an, weil sich z.B. auf dem von ihm überwachten Hecktrittbrett eine Person befindet, wobei bei Anlage K 11 der Rückwärtsgang eingelegt ist, bei Anlage K 15 dagegen nicht.

Die Klägerin hat geltend gemacht: Die Hecktrittbrett-Überwachungseinrichtung der Beklagten verletze das Klagepatent, wobei dessen Lehre teilweise mit äquivalenten Mitteln verwirklicht sei, nämlich soweit es um die Integration des Überwachungs- und Schaltrelais gehe, das bei der angegriffenen Ausführungsform nicht in der Versorgungsleitung des Infrarotsensors liege, sondern im Signalstromkreis.

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1.
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Aufbauten für Müllsammelfahrzeuge mit Einrichtungen zur Überwachung des vom Fahrerhaus nicht einsehbaren Rückraumbereiches, die nach dem Einlegen des Rückwärtsganges dort vorhandene Hindernisse im Fahrerhaus anzeigen,

im Geltungsbereich des deutschen Patents 39 18 998 anzubieten, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen, sowie – bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) – herzustellen,

bei denen die Überwachungsvorrichtung als Infrarotsensor ausgebildet und mittels eines Stromkreises mit einem Relais verbunden ist, das ein das Abschalten des Antriebsmotors auf elektrischem Wege bewirkendes Motorstoprelais ansteuernd geschaltet ist, und bei denen ein Überwachungs- und Schaltrelais bei seinem Ansprechen eine Drehzahlbegrenzung des Antriebsmotors bewirkt,

insbesondere wenn auch die Merkmale der Unteransprüche 2, 7 und 8 des Klagepatents vorliegen;

2.
ihr – der Klägerin – Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die zu I.1. begangenen Handlungen seit dem 18. Januar 1994 begangen hätten, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten sowie – bezüglich der Be-
klagten zu 1) und 2) – der hergestellten Erzeugnisse,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten
und –preisen sowie gegebenenfalls Typenbezeichnungen, sowie den
Namen und Anschriften der Abnehmer;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten, -preisen und gegebenenfalls Typenbezeichnungen sowie den
Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

und

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Ge-
stehungskosten und des erzielten Gewinns;

II.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten und seit dem 18. Januar 1994 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Die Beklagten haben um Klageabweisung gebeten und eingewendet: Sie verletzten das Klagepatent nicht, denn in Abweichung von dessen Lehre überwache die angegriffene Ausführungsform nur die Hecktrittbretter, nicht aber den gesamten vom Fahrerhaus nicht einsehbaren Rückraum, auch würden die von ihnen verwendeten Sensoren, die als aktive Sensoren ohnehin nicht solche im Sinne des Klagepatents seien, weil dieses nur passive Sensoren lehre, nicht erst durch das Einlegen des Rückwärtsganges scharf geschaltet, sondern beobachteten die von ihnen überwachten Bereiche ständig; schließlich fehle auch die vom Klagepatent verlangte gesonderte Überwachung der Versorgungsleitungen der Sensoren durch ein eigenes Bauteil.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil vom 24. August 1999 wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge in der aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Fassung weiterverfolgt, während die Beklagten um Zurückweisung des Rechtsmittels und hilfsweise darum bitten, ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13. September 2001 (Bl. 205-210 GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K66 vom 17. April 2002 (Bl. 234-249 GA) sowie auf die Niederschrift vom 10. April 2003 über die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen (Bl. 312-332 GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet und führt zu einer antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten, weil diese mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen
Überwachungseinrichtungen das Klagepatent verletzen.

I.

Die durch das Klagepatent geschützte Erfindung betrifft ein Kraftfahrzeug, insbesondere einen Lastkraftwagen,

1. mit einer Einrichtung, die den vom Fahrerhaus nicht einsehbaren Rück-
raumbereich überwacht,

2. wobei die Einrichtung

a) mit dem Einlegen des Rückwärtsganges aktiviert wird und

b) dann dort vorhandene Hindernisse im Fahrerhaus anzeigt.

Nach den einleitenden Ausführungen der Klagepatentschrift (Spalte 1 Zeilen 9-15) werden derartige Schutzeinrichtungen und Sicherheitsschaltungen vereinzelt in Kraftfahrzeuge eingebaut, um vor Beschädigungen des Kraftfahrzeuges selbst, vor Personenschäden und vor Schäden an Gegenständen zu schützen, die leicht beim Rückwärtseinparken oder Rückwärtsfahren derartiger Kraftfahrzeuge eintreten können. Die Klagepatentschrift weist dann (Spalte 1 Zeilen 15-33) darauf hin, das Rückwärtsfahren von Kraftfahrzeugen, insbesondere von Lastkraftwagen, sei letztlich ein gefährlicher Verkehrsvorgang, auf den allerdings nicht verzichtet werden könne. Er sei nach den Unfallverhütungsvorschriften nur zulässig, wenn sichergestellt sei, dass keine Personen gefährdet würden; nach Möglichkeit solle sich der Fahrer dabei durch eine dritte Person einweisen lassen, die, um nicht selbst gefährdet zu werden, im Sichtbereich des Fahrers agieren solle. Die Praxis zeige jedoch, dass oft keine Einweiser vorhanden seien; nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz würden jährlich rund 100 Personen durch Unfälle beim Rückwärtsfahren von Kraftfahrzeugen tödlich verletzt.

Die Klagepatentschrift erwähnt dann (Spalte 1 Zeilen 34-53) die japanische Patentschrift 57-58 531, aus der es bekannt sei, mit Hilfe von Ultraschallwellen, die von einem Indikator ausgesendet würden, Hindernisse zu orten, die hinter einem Kraftfahrzeug lägen. Dabei werde der Bereich hinter dem Fahrzeug durch Ultraschallwellen beschallt, deren Laufzeit nach der Reflektion an einem Hindernis gemessen und ausgewertet werde. Die Klagepatentschrift kritisiert an diesem Stand der Technik, er sei für eine Personenschutzschaltung weder geeignet noch vorgesehen. Es erfolge nur eine Warnung bzw. Anzeige im Fahrerhaus. Anders als Kraftfahrzeuge und andere Hindernisse, die im rückwärtigen Bereich des mit der Einrichtung versehenen Kraftfahrzeuges vorhanden seien, würden dort befindliche Personen nicht oder nur ungenügend erfasst.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es sodann (Spalte 1 Zeilen 54-59) als Aufgabe der Erfindung, ein Kraftfahrzeug so auszubilden und auszurüsten, dass auch Personen beim Rückwärtsfahren während des Rangierbetriebes wirksam geschützt seien, ohne dass die Möglichkeit bestehe, die Schutzeinrichtung unwirksam zu machen.

Das so bezeichnete technische Problem soll gemäß Anspruch 1 des Klagepatents dadurch gelöst werden, dass bei einem Kraftfahrzeug mit den oben wiedergegebenen Merkmalen 1 bis 2.b folgende weitere Merkmale vorgesehen werden:

3. Die Überwachungsvorrichtung ist als Infrarotsensor (10) ausgebildet
und

4. mittels eines Stromkreises (14) mit einem Relais (17) verbunden;

5. das Relais (17) ist so geschaltet, dass es ein Motorstoprelais (23) an-
steuert, welches das Abschalten des Antriebsmotors auf elektrischem
oder pneumatischem Wege bewirkt;

6. in die Versorgungsleitung (25) des Infrarotsensors (10) ist ein Über-
wachungs- und Schaltrelais (26) integriert;

7. das Überwachungs- und Schaltrelais (26) bewirkt bei seinem An-
sprechen eine Drehzahlbegrenzung (27) des Antriebsmotors.

Die Klagepatentschrift hebt hervor: Mit einer derartigen Überwachungsvorrichtung sei sichergestellt, dass vor allem jedwedes Lebewesen nicht nur rechtzeitig und schnell angezeigt werde, sondern auch vor einer Verletzungsgefahr geschützt sei, insbesondere auch dadurch, dass eine Reaktion des Fahrers gar nicht abgewartet werden müsse, sondern sofort ein Motorstoprelais angesteuert werde, das für einen Stillstand des Fahrzeuges Sorge trage (Spalte 2 Zeilen 2-9). Der ganze Prozess laufe so kurzfristig ab, dass praktisch mit Eintreten der gefährdeten Person in den zu überwachenden Rückraumbereich der Motor abgestellt werde, der sofort wieder gestartet werden könne, wenn die gefährdete oder gefährdende Person den zu überwachenden Rückraumbereich wieder verlasse (Spalte 2 Zeilen 20-33). Ein Außerbetriebnehmen der Überwachungsvorrichtung sei praktisch ausgeschlossen, da zusätzlich in den Versorgungszweig des Stromkreises ein Überwachungs- und Schaltrelais integriert sei, das bei seinem Ansprechen eine Drehzahlbegrenzung bewirke; werde das genannte Relais aktiviert, so schalte es automatisch eine Drehzahlbegrenzung, so dass das Fahrzeug eine bestimmte Geschwindigkeit nicht überschreiten könne (Spalte 2 Zeilen 41-49).

Die Erfindung zeichne sich dadurch aus, dass mit Hilfe der erfindungsgemäßen Einrichtung ausschließlich gefährdete Personen und gefährliche Gegenstände ermittelt würden, wobei diese Ermittlung automatisch zu einem Stillstand des Kraftfahrzeuges führe, ohne dass der Kraftfahrer selbst darauf Einfluss nehmen könne (Spalte 3 Zeilen 61-66).

Bei der Beschreibung des in der Klagepatentschrift wiedergegebenen Ausführungsbeispiels weist diese (Spalte 4 Zeilen 51-53) ausdrücklich darauf hin, die Schutzbereichsgrenzen des Infrarotsensors richteten sich nach dem auszurüstenden Fahrzeugtyp.

Von den oben wiedergegebenen Merkmalen des Patentanspruchs 1 bedürfen angesichts des Streites der Parteien die Merkmale 1, 3 und 6 besonderer Erörterung.

Merkmal 1 spricht nur allgemein von dem zu überwachenden „Rückraumbereich“, der vom Fahrerhaus nicht einsehbar ist, ohne über die Größe dieses Bereiches etwas zu sagen; die Beschreibung des Klagepatents hebt insoweit (Spalte 4 Zeilen 51-53) ausdrücklich hervor, die Schutzbereichsgrenzen des Infrarotsensors
– also die Grenzen des zu überwachenden Rückraumes – richteten sich nach dem auszurüstenden Fahrzeugtyp. Das Klagepatent überlässt es also dem Belieben des Fachmanns, den zu überwachenden Rückraum, d.h. den Raum hinter dem Kraftfahrzeug, der vom Fahrerhaus aus nicht einsehbar ist, so einzugrenzen, wie er es nach dem Einsatzzweck des jeweiligen Fahrzeuges für sinnvoll hält, also z.B. dann, wenn in erster Linie der Schutz von Menschen in unmittelbarer Nähe des Fahrzeuges erreicht werden soll – bei einem Müllsammelfahrzeug vor allem der Schutz der Müllwerker, die sich auf den Hecktrittbrettern oder ganz in ihrer Nähe befinden –, sich auf die Überwachung des Raumes in unmittelbarer Nähe der Hecktrittbretter zu beschränken, was leicht erreichbar ist, wenn man z.B. entsprechend der Anweisung in Spalte 3 Zeile 11 f. der Klagepatentschrift den/die Infrarotsensor/en in Höhe der Aufbauoberkante anbringt; dann kann man ihn/sie so einstellen, dass sein/ihr kegelförmiger Einflussbereich nur bis dicht hinter die Hecktrittbretter reicht.

Dass das Merkmal 1 so zu verstehen ist, hat auch der gerichtliche Sachverständige überzeugend auf Seite 6, vorletzter Absatz, und Seite 8 Mitte seines schriftlichen Gutachtens (Bl. 239, 241 GA) ausgeführt. Er hat außerdem bei seiner mündlichen Anhörung (vgl. Seite 19 unten der Niederschrift vom 10. April 2003, Bl. 330 GA) darauf hingewiesen, die Größe des zu überwachenden Rückraumes hänge patentgemäß von der Art des Fahrzeuges ab, könne also unterschiedlich groß sein, je nachdem, ob es z.B. um einen Bus, ein Müllsammelfahrzeug oder einen Bagger gehe.

Nach Merkmal 3 soll die Überwachungsvorrichtung als „Infrarotsensor“ ausgebildet sein. Dieser Begriff umfasst nach dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch sowohl passive Infrarotsensoren, also solche, die nur auf Körper oder Gegenstände reagieren, welche eine höhere Temperatur als ihre Umgebung aufweisen, als auch aktive Sensoren, die (gepulstes) Infrarotlicht aussenden und denjenigen Anteil dieses Lichtes messen, der von Gegenständen im Erfassungsbereich des Sensors reflektiert wird.

Maßgebend für den Schutzbereich eines Patents ist gemäß § 14 PatG der Inhalt der Patentansprüche, zu dessen Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Da „Inhalt“ nicht „Wortlaut“ bedeutet, sondern „Sinngehalt“, kommt es insoweit darauf an, welchen Sinngehalt der von einem Patent angesprochene Durchschnittsfachmann einem in einem Patentanspruch verwendeten Begriff unter Berücksichtigung des gesamten Offenbarungsgehalts der Patentschrift beimisst. Insoweit ist eine Patentschrift im Hinblick auf die in ihr gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon; ergibt der Gesamtzusammenhang der Patentschrift, dass ein in ihr benutzter Begriff ausnahmsweise in einem anderen Sinne zu verstehen ist, als es dem allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch entspricht, so ist dieser Sinn maßgebend (vgl. dazu BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube).

Im vorliegenden Falle kann aber nicht angenommen werden, das Klagepatent verstehe unter einem „Infrarotsensor“ abweichend vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch nur einen passiven und nicht auch einen aktiven Sensor.

Das technische Problem, das die patentgemäße Erfindung lösen will, besteht nach dem Gesamtinhalt der Klagepatentschrift nicht allein darin, einen sicheren Schutz von Personen zu gewährleisten, die sich hinter dem Kraftfahrzeug befinden, das mit der erfindungsgemäßen Überwachungseinrichtung ausgestattet ist (und außerdem zu verhindern, dass die Schutzvorrichtung unwirksam gemacht werden kann), wenn auch vor allem der Personenschutz besonders in den Vordergrund gestellt wird. Dem Klagepatent geht es vielmehr auch darum, Beschädigungen des mit der Überwachungseinrichtung versehenen Kraftfahrzeuges selbst und Beschädigungen an Gegenständen zu verhindern, die sich hinter dem Kraftfahrzeug befinden und mit denen das Kraftfahrzeug beim Rückwärtsfahren kollidieren könnte. Dass auch dies der Zweck solcher Überwachungseinrichtungen ist, auf die sich die Erfindung bezieht, hebt die Klagepatentschrift bereits in Spalte 1 Zeilen 9-15 hervor; sie erwähnt in Spalte 1 Zeilen 34-48, dass bei der aus der dort genannten japanischen Patentschrift bekannten, mit Ultraschallwellen arbeitenden Vorrichtung vor allem ein Zusammenstoß des Kraftfahrzeuges mit in seinem rückwärtigen Bereich befindlichen Gegenständen wie z.B. anderen Kraftfahrzeugen hinreichend sicher vermieden werden könne, dass allerdings diese Vorrichtung für den Personenschutz unzureichend sei. Die Klagepatentschrift kritisiert an der genannten Vorrichtung lediglich den letzteren Umstand, der nach ihren Ausführungen zum einen darauf beruht, dass bei Feststellung eines Hindernisses lediglich eine Anzeige im Fahrerhaus erscheint, die der Fahrer auch ignorieren kann, und zum anderen darauf, dass mit Ultraschallwellen Personen nicht hinreichend sicher erfasst werden können. Die Klagepatentschrift spricht bei der Formulierung der Aufgabe ausdrücklich davon, es solle erreicht werden, dass mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung auch Personen beim Rückwärtsfahren während des Rangierbetriebes wirksam geschützt würden; bereits aus dem Wort „auch“ ergibt sich, dass diese Wirkung den schon beim Stand der Technik erreichten Schutz vor Schäden am Fahrzeug selbst und an anderen Gegenständen nicht beeinträchtigen oder gar aufheben solle, sondern zusätzlich zu diesen – beizubehaltenden – Vorteilen erstrebt werde.

Schließlich hebt die Klagepatentschrift (Spalte 2 Zeilen 2-6) in ihren allgemeinen, noch nicht das besondere Ausführungsbeispiel betreffenden Ausführungen zu den Wirkungen der geschützten Erfindung hervor, mit der patentgemäßen Überwachungsvorrichtung sei sichergestellt, dass vor allem jedwedes Lebewesen rechtzeitig und schnell angezeigt werde; daraus ergibt sich eindeutig, dass nach der Intention der Erfindung, wenn es dieser auch besonders auf die Anzeige und den Schutz von hinter dem Kraftfahrzeug befindlichen Lebewesen, vor allem von Menschen, ankommt, die Erfassung und die Anzeige von hinter dem Kraftfahrzeug befindlichen Gegenständen, mit denen dieses beim Rückwärtsfahren kollidieren könnte, jedenfalls durchaus erwünscht sind.

Dass es beim Klagepatent auch darum geht, Gegenstände jeder Art zu erkennen, mit denen das Kraftfahrzeug beim Rückwärtsfahren zusammenstoßen könnte, ergab sich im übrigen bereits aus der der Klagepatentschrift vorangehenden Offenlegungsschrift (Anl. ROP 2), weil nämlich auch hier in der Einleitung allgemein die Rede davon war, Einrichtungen der erfindungsgemäßen Art sollten „Hindernisse“ (also solche jeder Art) im Raum hinter dem Kraftfahrzeug anzeigen (a.a.O., Spalte 1 Zeilen 3-8), und mit Überwachungseinrichtungen der erfindungsgemäßen Art sollten u.a. auch die mit ihnen ausgerüsteten Kraftfahrzeuge selbst vor Beschädigungen beim Rückwärtsfahren geschützt werden (a.a.O., Spalte 1 Zeilen 9-14).

Will damit das Klagepatent neben dem im Vordergrund stehenden Schutz von Menschen und anderen Lebewesen auch erreichen, dass Schäden an dem mit der Überwachungseinrichtung ausgerüsteten Kraftfahrzeug selbst und an Gegenständen aller Art im Rückraum hinter dem Kraftfahrzeug vermieden werden, so umfasst der in Merkmal 3 verwendete Begriff „Infrarotsensor“ – entsprechend dem allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch – neben passiven auch aktive Sensoren, mögen auch die Formulierungen in Spalte 4 Zeilen 36-47 sowie 58-63 der Klagepatentschrift, die die Besonderheiten des in der Klagepatentschrift gezeigten Ausführungsbeispiels betreffen, sich nur mit passiven Sensoren befassen. Denn wie der gerichtliche Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend bestätigt hat (vgl. Seite 7, 8 der Niederschrift, Bl. 318 f. GA), so dass der Senat ihm folgt, lassen sich Lebewesen und „warme“ Gegenstände mit einem aktiven Infrarotsensor ebenso gut erkennen wie mit einem passiven, wobei ein aktiver Infrarotsensor im Unterschied zu einem passiven darüber hinaus auch „kalte“ Gegenstände detektiert, die sich in seinem Erfassungsbereich befinden und mit denen das Kraftfahrzeug beim (weiteren) Rückwärtsfahren kollidieren könnte. Dass ein aktiver Infrarotsensor nicht unterscheidet, ob das von ihm detektierte Hindernis ein Lebewesen bzw. ein „warmer“ Gegenstand ist oder ein „kalter“, beeinträchtigt, wie der gerichtliche Sachverständige a.a.O. bestätigt hat, seine Eignung zur Erreichung des vom Klagepatent vor allem angestrebten Zieles des Personenschutzes nicht.

Merkmal 6 bezweckt eine ständige Überwachung der Anlage daraufhin, ob der Infrarotsensor ordnungsgemäß arbeiten kann. Wie der gerichtliche Sachverständige auf den Seiten 4 ff. seines schriftlichen Gutachtens (Bl. 237 ff. GA) plausibel dargelegt hat, bewirkt das in Merkmal 6 genannte Überwachungs- und Schaltrelais, wenn es entsprechend dem weiteren Wortlaut des Merkmals 6 in die Versorgungsleitung des Infrarotsensors integriert ist, also in die Leitung, über die der Sensor dauernd (auch bei nicht eingelegtem Rückwärtsgang) mit Strom versorgt wird, eine ständige Überwachung des Infrarotsensors auf Funktionsfähigkeit, und zwar nach dem sogenannten Ruhestrom-Prinzip, wie es schon am Anmeldetag des Klagepatents üblicherweise bei Schutzsystemen angewandt wurde. Wird der Ruhestrom unterbrochen, z.B. durch eine Beschädigung der Versorgungsleitung oder durch eine Beschädigung oder Entfernung des Infrarotsensors, so schaltet das Relais und bewirkt (vgl. Merkmal 7) eine Drehzahlbegrenzung des Antriebsmotors, so dass das Fahrzeug zwar noch fahren kann, aber nur noch mit geringer Geschwindigkeit, was den Fahrer veranlassen wird, möglichst bald eine Werkstatt aufzusuchen, um die Rückraum-Überwachungseinrichtung wieder instandsetzen zu lassen. Eine Überwachung der Anlage mit Hilfe eines in die Versorgungsleitung des Infrarotsensors integrierten Überwachungs- und Schaltrelais beeinträchtigt den vom Klagepatent erstrebten Zweck der Rückraumsicherung nicht; denn da bei der patentgemäßen Überwachungseinrichtung auch der Signalstromkreis des Sensors der – gemäß Merkmal 2.a mit dem Einlegen des Rückwärtsganges aktivierten – Einrichtung nach dem Ruhestrom-Prinzip arbeitet, der Stromfluss im Signalstromkreis aber auch bei einer Unterbrechung der Versorgungsleitung des
Infrarotsensors unterbrochen wird, wird bei Einlegen des Rückwärtsganges das Motorstoprelais auch dann angesteuert, wenn der Sensor mangels Stromversorgung nicht arbeiten kann.

II.

Die Beklagten verletzen das Klagepatent, und zwar nicht nur mit der Herstellung/dem Vertrieb von kompletten Müllsammelfahrzeugen, die die angegriffene Überwachungseinrichtung aufweisen, sondern auch mit der Herstellung und dem Vertrieb von bloßen Überwachungseinrichtungen, die dann lediglich noch des Einbaues in Müllsammelfahrzeuge bedürfen, was seitens der Abnehmer geschieht. Denn diese Einrichtungen sind, wie noch auszuführen sein wird, entsprechend dem Klagepatent ausgestaltet und können praktisch nur in der Weise verwendet werden, dass sie in Kraftfahrzeuge eingebaut werden, die dann der Lehre des Klagepatents teils wortsinngemäß, teils äquivalent entsprechen. In einem solchen Fall erstreckt sich der Schutz eines Patents auch auf Teile der patentierten Gesamtvorrichtung (vgl. dazu BGH, GRUR 1971, 78, 80 – Dia-Rähmchen V).

Die Überwachungseinrichtungen der Beklagten überwachen den vom Fahrerhaus nicht einsehbaren Bereich hinter dem Müllsammelfahrzeug, also den Rückraumbereich, weil die Sensoren die Hecktrittbretter und den Bereich in ihrer unmittelbaren Nähe erfassen, was nach den obigen Ausführungen zur Verwirklichung des Merkmals 1 des Klagepatents ausreicht.

Erfüllt ist auch das Merkmal 2.a, und zwar wortsinngemäß jedenfalls aber in äquivalenter Weise.

Zwar sprechen die bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Sensoren nicht nur bei eingelegtem Rückwärtsgang auf Personen oder Gegenstände an, die sich in ihrem Erfassungsbereich befinden, sondern sind auch unabhängig von der Stellung des Rückfahrschalters aktiv. Die mit der Lehre des Klagepatents erstrebte Wirkung, nämlich bei der Feststellung von Hindernissen im überwachten Rückraumbereich ein (weiteres) Rückwärtsfahren des Fahrzeugs durch Abstellen des Motors zu verhindern, tritt aber auch bei der angegriffenen Ausführungsform nur ein, wenn der Rückwärtsgang eingelegt ist. Insoweit wird daher auch bei der angegriffenen Ausführungsform die Überwachungseinrichtung erst mit dem Einlegen des Rückwärtsganges aktiviert. Dass die angegriffene Einrichtung darüber hinaus eine weitere Funktion erfüllt, dass sie nämlich als Reaktion auch auf ein Ansprechen des Sensors bei Vorwärtsfahrt (nicht nur als eine solche auf eine Unterbrechung im Signalstromkreis) eine Geschwindigkeitsbegrenzung bewirkt, beeinträchtigt ihre Wirksamkeit für den vom Klagepatent erstrebten Zweck nicht, wie dem Durchschnittsfachmann auch ohne weiteres klar ist, weil die Klagepatentschrift nichts enthält, was etwa darauf hindeuten könnte, eine Geschwindigkeitsbegrenzung bei Vorwärtsfahrt solle – abgesehen von Fällen einer Stromunterbrechung in der Versorgungsleitung des Infrarotsensors – auch dann verhindert werden, wenn sie bei dem jeweils mit der Überwachungseinrichtung ausgerüsteten Kraftfahrzeug zweckmäßig und sinnvoll ist, wie es bei einem Müllsammelfahrzeug der Fall ist, weil dieses, wenn sich Personen auf einem der Hecktrittbretter befinden, nur langsam vorwärts fahren darf.

Auch der gerichtliche Sachverständige ist in seinem schriftlichen Gutachten auf den Seiten 8 und 9 zu dem Ergebnis gelangt, Merkmal 2.a sei (mit äquivalenten Mitteln) erfüllt, ohne dass die Beklagten seinen – überzeugenden – Ausführungen widersprochen hätten.

Unstreitig und offensichtlich verwirklicht ist Merkmal 2.b, weil das Ansprechen eines Sensors (auf ein im Rückraumbereich befindliches Hindernis) durch einen Farbwechsel einer Leuchtdiode im Fahrerhaus angezeigt wird.

Wie oben unter I. ausgeführt, gehören zu den in Merkmal 3 genannten „Infrarotsensoren“ auch aktive Sensoren, wie sie die angegriffene Ausführungsform aufweist, so dass auch dieses Merkmal, und zwar wortsinngemäß, verwirklicht ist.

Unstreitig und offensichtlich sind des weiteren die Merkmale 4 und 5 wortsinngemäß erfüllt, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.

Die angegriffenen Überwachungseinrichtungen weisen schließlich ein Überwachungs- und Schaltrelais im Sinne des Merkmals 6 auf, wie auch die Beklagten nicht in Abrede stellen; dieses Relais ist allerdings in Abweichung vom Wortsinn des Merkmals 6 nicht in die Versorgungsleitung des Infrarotsensors integriert, sondern in die Signalleitung. Das führt jedoch die angegriffene Ausführungsform nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus. Der Schutzbereich eines Patents umfasst nämlich auch solche Gestaltungen, bei denen Mittel eingesetzt werden, die zwar vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichen, die aber – jedenfalls im wesentlichen – die gleiche Wirkung wie die dem Wortsinn entsprechenden Mittel erzielen und die der Durchschnittsfachmann am Prioritätstage des Patents ohne erfinderische Bemühungen aufgrund von Überlegungen auffinden konnte, die an die in den Patentansprüchen umschriebene Erfindung anknüpfen.

So liegt der Fall hier: Wie der gerichtliche Sachverständige auf den Seiten 3-7 und 12 f. seines schriftlichen Gutachtens (Bl. 236-240, 245 f. GA) überzeugend dargelegt hat, so dass der Senat ihm folgt, lässt sich eine Überwachung der Sensorfunktion bei nach dem Ruhestrom-Prinzip arbeitenden Sensoren (wie sie nicht nur bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden sind, sondern auch am Prioritätstage des Klagepatents allgemein üblich waren) auch mit einer Überwachung des Signalstromkreises erreichen, da der Ruhekontakt auch dann bei Wegfall der Versorgungsspannung öffnet, so dass eine gesonderte Überwachung des Versorgungsstromkreises nicht mehr notwendig ist.

Zwar ist, wenn nicht gezielt der Versorgungs-, sondern der Signalstromkreis überwacht wird, nicht zu unterscheiden, ob die Ursache für ein Öffnen des Kontaktes darin liegt, dass der Sensor ein Objekt im überwachten Bereich erkannt hat, oder darin, dass eine Leitungsunterbrechung im Signal- oder Versorgungsstromkreis eingetreten ist. Da allerdings eine Unterbrechung der Signalstromleitung bei eingelegtem Rückwärtsgang ebenso zum Motorstop führt wie das Erkennen eines Hindernisses durch den Sensor, wird eine Gefährdung von Personen oder Gegenständen beim Rückwärtsfahren in jedem Fall vermieden. Insoweit tritt also bei einer Integration des Überwachungs- und Schaltrelais in die Signal- statt in die Versorgungsleitung des Infrarotsensors dieselbe Wirkung ein wie bei einer wortsinngemäß dem Merkmal 6 entsprechenden Ausgestaltung.

Da jedoch anders als bei einer dem Wortsinn des Merkmals 6 entsprechenden Ausgestaltung im Falle der Integration des genannten Relais in die Signalleitung eine gemäß Merkmal 7 bewirkte Drehzahlbegrenzung des Antriebsmotors außer in den Fällen einer Unterbrechung im Versorgungsstromkreis auch dann eintritt, wenn der Sensor ein Hindernis detektiert, wird der Fachmann eine solche Ausgestaltung dann nicht wählen, wenn sie beim Einsatz des mit der Überwachungseinrichtung ausgerüsteten Fahrzeuges zu Problemen führen würde, weil nämlich der „Kriechgang“ z.B. auch dann ausgelöst würde, wenn der Sensor bei normaler Vorwärtsfahrt einen Gegenstand (etwa ein nachfolgendes Fahrzeug) im überwachten Rückraumbereich erkennen würde. Beeinträchtigt dagegen die – wegen der von ihr bewirkten weitergehenden Überwachung eigentlich wünschenswerte – Integration des Überwachungs- und Schaltrelais in die Signalleitung den Einsatz des Kraftfahrzeuges nicht, so liegt es nahe, dass der Durchschnittsfachmann eine solche Gestaltung wählt, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden ist. Da es bei einem Müllsammelfahrzeug sinnvoll ist, nur den Raum im Bereich der Hecktrittbretter und ihrer unmittelbaren Umgebung zu überwachen, also den/die Sensor/en so einzustellen, dass er/sie Hindernisse, die weiter entfernt sind, nicht erfasst/erfassen (wie es bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall ist), liegt es auch bei einer Anknüpfung an die im Klagepatent gelehrte Lösung nahe, diese Ausgestaltung zu wählen, so dass das Merkmal 6 in äquivalenter Weise verwirklicht ist.

Dass damit auch Merkmal 7 (und zwar wortsinngemäß) erfüllt ist, liegt auf der Hand und bedarf daher keiner weiteren Erörterung.

III.

Da die Beklagten, wie ausgeführt, das Klagepatent verletzen, waren sie gemäß §§ 9, 139 Abs. 1 PatG antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen.

Da sie die Patentverletzung bei Anwendung der ihnen obliegenden Sorgfalt ohne weiteres hätten erkennen können, sie also schuldhaft gehandelt haben, ohne dass ihnen nur leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt, sind sie der Klägerin gemäß §§ 9, 139 Abs. 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet, und zwar wegen der Handlungen, die sie in der Zeit begangen haben, in der allein die Klägerin aufgrund der ihr erteilten ausschließlichen Lizenz am Klagepatent zu dessen Benutzung berechtigt war, also seit dem 18. Januar 1994. Da die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche ohne Kenntnis der weiteren Einzelheiten der Patentverletzung noch nicht beziffern kann, andererseits aber ihre Schadensersatzansprüche einer verhältnismäßig kurzen, nämlich dreijährigen Verjährung unterliegen (§§ 141 PatG, 195 BGB n.F.), hat sie ein rechtliches Interesse daran (§ 256 Abs. 1 ZPO), die Schadensersatzpflicht der Beklagten lediglich dem Grunde nach feststellen zu lassen.

Da die Klägerin zur Bezifferung ihrer Schadensersatzansprüche die mit ihrem Rechnungslegungsantrag begehrten Angaben benötigt, sie die entsprechenden Kenntnisse selbst nicht haben kann, die Beklagten ihr diese aber ohne unzumutbare Belastung verschaffen können, sind sie entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Den Beklagten entsprechend ihrem Antrag zu gestatten, die Zwangsvollstreckung auch unabhängig von einer Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden (§ 712 Abs. 1 ZPO), kam nicht in Betracht, weil die Beklagten schon nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht (vgl. § 714 Abs. 2 ZPO) haben, dass ihnen die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

Zur Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) besteht kein Anlass, weil die vorliegende Sache als reine Einzelfallentscheidung weder rechtsgrundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

J J12 J67