2 U 153/00 – Elektrisches Installationsgerät

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 125 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. April 2002, Az. 2 U 153/00 

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. September 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.564,59 € (50.000 DM) abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland geschäftsansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und der Wert der Beschwer der Klägerin betragen jeweils 500.000 DM (255.645,94 €).

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patentes 0 671 797 (Klagepatent, Anl. K 1) betreffend ein elektrisches Installationsgerät und des inhaltsgleichen deutschen Gebrauchsmusters 94 03 786 (Klagegebrauchsmuster, Anl. K 2), das sie im gleichen Umfang wie das Klagepatent geltend macht. Aus beiden Schutzrechten nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung wurde am 28. Februar 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität des Klagegebrauchsmusters vom 7. März 1994 eingereicht und am 13. September 1995 im Patentblatt veröffentlicht; der Hinweis auf die Patenterteilung ist am 9. September 1998 bekannt gemacht worden. Das Klagegebrauchsmuster ist am 5. Mai 1994 eingetragen und am 16. Juni 1994 im Patentblatt bekannt gemacht worden.

Anspruch 1 des Klagepatentes lautet wie folgt:

Elektrisches Installationsgerät, insbesondere Automatenkasten, Sicherungskasten, Kleinverteilerkasten und/oder dgl.

mit einem kastenförmigen ein Unterteil (21) und ein oberes Teil (22) aufweisenden kastenförmigen Gehäuse (20),

das in seinem Kasteninneren (30) zur Halterung von Sicherungen, Automaten, Schaltgeräten und/oder dgl. Trageschienen (40) aufweist,

mit im Gehäuseinneren (30) vorgesehenen Anschlussklemmenleisten (29),

mit an wenigstens einer Stirnseite des Gehäuses (20) vorgesehenen Kabeleinführungen,

durch die anzuschließende Kabel in das Gehäuseinnere (30) führbar sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass im Bereich der Kabeleinführungen ein nach der Seite der heranzuführenden Kabel offener in Draufsicht auf das Installationsgerät unterhalb einer Anschlussklemmenleiste (29) angeordneter Aufnahmeraum (28) am Gehäuse (20) vorgesehen ist,

der zum Gehäuseinneren (30) durch eine Platte (31) mit Kabeleinführungsdichtungen (35) verschlossen ist,

dass die Kabeleinführungsdichtung (35) aus einem weichen elastischen Kunststoff besteht,

während die Platte (31) aus einem harten Kunststoff, und

dass die Kabeleinführungsdichtungen (35) von beiden Seiten der Platte (31) um eine Durchgangsöffnung (57) in der Platte (31) angespritzt sind.

Wegen der nur „insbesondere“ geltend gemachten Ansprüche 2, 4, 7 bis 11, 15 und 17 wird auf den Wortlaut der Klagepatentschrift Bezug genommen.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 zeigen ein Ausführungsbeispiel der Erfindung, und zwar Figur 1 eine Seitenansicht des erfindungsgemäßen Gerätes und Figur 2 eine Teilansicht im Schnitt mit der Anschlussklemmenleiste und eine darunter angeordneter Aufnahmeraum.

Die Beklagte zu 1), als deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) seit dem 16. September 1998 im Handelsregister eingetragen sind, stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „A2xxxxxx“ Installationsgeräte, deren nähere Ausgestaltung sich aus den als Anlagen K 7 und B 9 vorgelegten Musterstücken, dem als Anl. B 10 vorgelegten Gehäuseteil und den nachstehenden Abbildungen ergibt, die der Werbeschrift „A2xxxxxx Installationsverteiler 1999/2000“ der Beklagten (Anl. K 10, Seiten 6/4 und 6/5) entnommen sind.

Das Gerät der Beklagten besteht aus einem kastenförmigen Gehäuse, dessen Unterteil an der Montagewand befestigt wird, und dessen oberer Teil von vorn auf das Gerät gesetzt wird. An der Stirnseite zur Kabeleinführung ist am Gehäuseunterteil eine Platte mit Kabeleinführungsdichtungen vorgesehen, die nach außen einen etwa 1 cm hohen entlang den Schmalseiten und der Vorderseite des Gehäuses verlaufenden und zur Montagewand offenen (U-förmigen) Kragen aufweist. An diesem Kragen kann eine gesondert gelieferte Kabelabdeckhaube befestigt werden. Im Gehäuseinneren befindet sich zur Kastenmitte versetzt die Anschlussklemmenleiste.

Die Klägerin sieht in diesem Installationskasten eine Verletzung der Klageschutzrechte. Die Beklagten haben vor dem Landgericht eingewandt, der von dem U-förmigen Rahmen umschlossene Raum sei kein Aufnahmeraum im Sinne der Klageschutzrechte; dazu sei er zu klein. Er liege auch nicht in Draufsicht ( Frontansicht) unterhalb einer Anschlussklemmenleiste. Der U-förmige Rahmen sei nur das Verbindungsmittel zum Aufsetzen der nicht zum Gehäuse gehörenden Kabelabdeckhaube.

Durch Urteil vom 28. September 2000 hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt,

1.
es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen,

elektrische Installationsgeräte, insbesondere Automatenkästen, Sicherungskästen, Kleinverteilerkästen und/oder dergleichen mit einem kastenförmigen, ein Unterteil und einen oberen Teil aufweisenden Gehäuse, das in seinem Kasteninneren zur Halterung von Sicherungen, Automaten, Schaltgeräten und/oder dergleichen zumindest eine Trageschiene aufweist, mit im Gehäuseinneren vorgesehener Anschlussklemmenleiste, mit an wenigstens einer Stirnseite des Gehäuses vorgesehenen Kabeleinführungen, durch die anzuschließende Kabel in das Gehäuse führbar sind,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen im Bereich der Kabeleinführungen ein nach der Seite der heranzuführenden Kabel offener, in Draufsicht auf das Installationsgerät unterhalb der Anschlussklemmenleiste angeordneter Aufnahmeraum am Gehäuse vorgesehen ist, der zum Gehäuseinneren durch eine Platte mit Kabeleinführungsdichtungen verschlossen ist, die aus einem weichen elastischen Kunststoff bestehen, während die Platte aus einem harten Kunststoff besteht und die Kabeleinführungsdichtungen von beiden Seiten der Platte um eine Durchgangsöffnung in der Platte angespritzt sind,

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 16. Juli 1994 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei von den Beklagten zu 2) und zu 3) sämtliche Angaben nur für die Zeit seit dem 16. Oktober 1998 zu machen sind.

Außerdem hat es antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten und seit dem 16. Juli 1994 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde, wobei sich die Verpflichtung der Beklagten zu 2) und 3) zum Schadenersatz auf seit dem 16. Oktober 1998 begangene Handlungen beschränke.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das angegriffene Installationsgerät besitze in Gestalt des umlaufenden Randes im Bereich der Kabeleinführungen einen Aufnahmeraum im Sinne der Klageschutzrechte. Dieser sei am Gehäuse vorgesehen, weil er im fertig montierten Zustand integraler Bestandteil des angegriffenen Installationsverteilers sei, unabhängig davon, ob er auch zur Befestigung einer gesonderten Kabelabdeckhaube dienen könne. Wie von den Klageschutzrechten vorgesehen verdecke der von dem umlaufenden Rand umschlossene Raum die Kabeleintrittsstelle bei Draufsicht auf das Gerät. Dieser Aufnahmeraum sei in Draufsicht auf das Installationsgehäuse unterhalb der Anschlussklemmenleiste angeordnet. Dass Aufnahmeraum und Anschlussklemmenleiste nicht exakt untereinander, sondern seitlich versetzt in zwei Ebenen angeordnet seien, werde vom Wortsinn der Klageschutzrechte umfasst. Nach deren technischer Lehre beziehe sich die mit dieser Ausgestaltung angestrebte platzsparende Bauweise darauf, dass der Aufnahmeraum Teil des Gehäuses sei, der Innenraum selbst für die Montage der Kabel an die Klemmenleisten zur Verfügung stehe und daher keine Vergrößerung des Kastenvolumens eintrete. Auch bei der angegriffenen Ausführungsform beginne der Innenraum hinter der Kabeleinführung, so dass dieser Raum für die Kabelmontage zur Verfügung stehe. Dass der leichte seitliche Versatz das Kastenvolumen vergrößere, sei nicht ersichtlich und werde von den Beklagten auch nicht behauptet.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen ergänzend geltend: Das Landgericht habe verkannt, dass der Aufnahmeraum nach der technischen Lehre der Klageschutzrechte die Kabel so weit aufnehmen solle, dass auch in schrägem Winkel oder nahezu parallel zur Stirnfläche und quer zum Sicherungskasten verlaufende herangeführte Kabelabschnitte verdeckt würden, und entsprechend groß sein müsse. Dazu sei der vom umlaufenden Kragen umschlossene Bereich des angegriffenen Installationskastens ersichtlich nicht in der Lage. Mittelbar werde die Größe des Aufnahmeraums auch durch die Vorgabe des Anspruches 1 definiert, ihn in Draufsicht auf das Installationsgerät unterhalb der Anschlussklemmenleiste anzuordnen. Er müsse mindestens so groß sein, dass oberhalb wenigstens eine Anschlussklemmenleiste Platz finde. Auch das treffe auf die angegriffene Ausführungsform nicht zu. Durch den seitlichen Versatz liege der Kragen in Draufsicht auf das Gerät nicht unterhalb der Anschlussklemmenleiste, sondern in einer anderen Betrachtungsebene. Die Anordnung der Einlassöffnungen zur Anschlussklemmenleiste entspreche bei der angegriffenen Ausführungsform dem Stand der Technik gemäß dem deutschen Gebrauchsmuster 90 15 252 (Anl. K 5/B 2) und dem als Anl. B 3 vorgelegten, nach der technischen Lehre dieser Druckschrift ausgebildeten Installationskasten.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, ihnen für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung zu gestatten, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und ihn verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Auch sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt es.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe :

Die Berufung ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz nicht zu, denn das angegriffene Installationsgerät macht von der technischen Lehre der Klageschutzrechte keinen Gebrauch.

I.

Die nachfolgend anhand der Klagepatentschrift erläuterten Klageschutzrechte betreffen ein elektrisches Installationsgerät mit den Merkmalen 1 bis 3 der nachstehenden Merkmalsgliederung. Solche Geräte sind, wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt (Spalte 1 Zeilen 13-16), leicht montierbar und ermöglichen auch ein leichtes Ansetzen der anzuschließenden Kabel, Sicherungen und Automaten, haben aber den Nachteil, dass das Rangieren und Einführen der Kabel, selbst wenn sie in Kabelkanälen oder Installationsrohren verlegt sind, ein unschönes Aussehen ergibt (Spalte 1 Zeilen 16-19). Die herangeführten Kabel haben häufig eine unterschiedliche Stärke, und die Kabeldurchtrittsöffnungen haben – beispielsweise bei dem aus dem in der einleitenden Patentbeschreibung erwähnten deutschen Gebrauchsmuster 90 05 252 (Anl. K 5 und B 2) vorbekannten Gerät – unterschiedliche Durchmesser (vgl. Seite 7 der vorgenannten Druckschrift und Spalte 8 Zeilen 34-36 in Verbindung mit Figur 11 und 12 der Klagepatentschrift). Werden die Kabel zur passenden Durchtrittsöffnung geführt, die nicht immer genau im geradlinigen Kabelverlauf liegt, müssen sie häufig umeinander herum- und aneinander vorbeigeführt werden. Dadurch entsteht ein fächer- und knäuelartig erweiterter Abschnitt vor der Einführungsstelle. Häufig werden die Kabel zur Verdrahtung mit den Anschlussklemmen und den im Gehäuse untergebrachten Sicherungsautomaten zunächst weit in das Gehäuse hereingezogen und anschließend der nicht benötigte Abschnitt wieder hinausgeschoben. Hierdurch, durch schräg herangeführte Kabel und durch ungenaues Anschneiden erhalten die Kabeleinführungsdichtungen ein unregelmäßiges und uneinheitliches Aussehen, weil die vorzugsweise elastische und das Kabel umgebende Manschette in unterschiedlicher Weise deformiert wird und auch einreißen kann (vgl. Seiten 3, 5 und 7 der letztgenannten Gebrauchsmusterschrift).

Bei dem vorbekannten Installationsgerät, das in etwa die Merkmale 1 bis 3 bereits aufweist, sind sowohl der aufgeweitete Abschnitt der Kabelgruppe als auch die Kabeleintrittsstelle frei sichtbar, weil auch die Platte mit den Kabeleinführungsdichtungen, wie die nachstehenden Abbildungen der älteren Druckschrift zeigen, an der Außenseite des Gehäuses liegt und den Kasten stirnseitig abschließt.

Die deutsche Auslegeschrift 1 095 913 (Anl. K 4) beschreibt eine im Freien senkrecht anzubringende Verbindungs- und Verzweigungsdose für elektrische Leitungskabel, bei der die Leitungseinführungen an der unteren Stirnwand innerhalb eines Tropfrandes angeordnet sind, der durch am Gehäuseunterteil einerseits und am Deckelteil andererseits angeordnete Fortsätze (1 f, 2 b) gebildet wird, die untere Stirnwand (1 b) und die Stopfen (3) nach unten überragt und vollständig umfasst, damit Feuchtigkeit am Gehäuse abgleitet und das Doseninnere trocken bleibt (vgl. Anl. K 4 Spalte 5 Zeilen 26-35 und Spalte 3 Zeilen 6 ff). Diesen Tropfrand beanstandet die Klagepatentschrift als verhältnismäßig klein gestalteten Aufnahmeraum, der nicht verhindert, dass herangeführte Kabel immer noch ein unschönes Aussehen ergeben (Spalte 1 Zeilen 28-33).

Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung gibt die Klagepatentschrift an, einen Installationskasten so auszubilden, dass die Installation oder die Heranführung der Kabel in Installationsrohren oder Kabelkanälen den optischen Eindruck der Geräte nicht verschlechtern und darüber hinaus eine zeitsparende Herstellung und Montage möglich ist (Spalte 1 Zeilen 39-45 der Klagepatentschrift).

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Anspruch 1 des Klagepatentes ein Installationsgerät vor, das folgende Merkmale miteinander kombiniert:

1. Elektrisches Installationsgerät, insbesondere Automatenkasten,
Sicherungskasten, Kleinverteilerkasten und/oder dergleichen mit einem
kastenförmigen Gehäuse (20);

2. das kastenförmige Gehäuse (20) weist auf

2.1 ein kastenförmiges Unterteil (21) und einen oberen Teil (22),

2.2 in seinem Kasteninneren (30) zur Halterung von Sicherungen,
Automaten, Schaltgeräten und/oder dergleichen Trageschienen (40),

2.3 und in seinem Gehäuseinneren (30) Anschlussklemmenleisten (29);

3. an wenigstens einer Stirnseite des Gehäuses (20) sind Kabeleinführun-
gen vorgesehen, durch die anzuschließende Kabel in das Gehäuse-
innere (30) führbar sind.

4. Im Bereich der Kabeleinführungen ist ein Aufnahmeraum (28) am Ge-
häuse (20) vorgesehen; dieser ist

4.1 nach der Seite der heranzuführenden Kabel offen,

4.2 in Draufsicht auf das Installationsgerät unterhalb einer Anschluss-
klemmenleiste (29) angeordnet und

4.3 zum Gehäuseinneren (30) durch eine Platte (31) mit Kabelein-
führungsdichtungen (35) verschlossen;

5. die Kabeleinführungsdichtung (35) besteht aus einem weichen
elastischen Kunststoff;

6. die Platte (31) besteht aus einem harten Kunststoff;

7. die Kabeleinführungsdichtungen (35) sind von beiden Seiten der Platte
(31) um eine Durchgangsöffnung (57) in der Platte (31) angespritzt.

Die den Kern der Erfindung bildende Merkmalsgruppe 4 lehrt den Durchschnittsfachmann zwei Maßnahmen, nämlich die Anordnung eines Aufnahmeraumes im Bereich der Kabeleinführungen am Gehäuse und in Draufsicht auf das Installationsgerät darüber die Anordnung einer Anschlussklemmenleiste.

a) Der Aufnahmeraum wird nach den Vorgaben der Merkmale 4, 4.1 und 4.3 gebildet, indem die Kabeleinführungsplatte im Gegensatz zum vorbekannten deutschen Gebrauchsmuster 90 05 252 (Anl. K 5 und B 2) von der Gehäusestirnseite in das Gehäuse hineinverlegt wird, und zwar weiter als bei der aus der deutschen Auslegeschrift 1 095 913 (Anl. K 4) vorbekannten Vorrichtung, deren Aufnahmeraum die Klagepatentschrift als zu klein betrachtet (Spalte 1 Zeilen 28-33). Der so gebildete Aufnahmeraum ist ein Teil des kastenförmigen Gehäuses, so dass das Installationsgerät selbst durch die Anordnung des Aufnahmeraumes nicht größer wird (Spalte 2 Zeilen 3-7 der Klagepatentbeschreibung).

Konkrete Vorgaben zur Größenbemessung des Aufnahmeraums enthält Anspruch 1 nicht, sie ergeben sich für den Durchschnittsfachmann aus der dem Aufnahmeraum erfindungsgemäß zugeschriebenen Funktion; aus den Nachteilsangaben in Spalte 1 Zeilen 16-19, der Aufgabenformulierung und den Vorteilsangaben in Spalte 2 Zeilen 1, 5 und 6 der Klagepatentbeschreibung geht hervor, dass er die Kabel bzw. die Kanäle aufnehmen soll, und zwar gerade den Bereich, in dem die Kabel „rangiert“ und sodann in das Innere des an der Wand montierten Gehäuses eingeführt werden. Das sind diejenigen Bereiche, die „ein unschönes Aussehen“ ergeben können und die den Blick des vor dem fertig montierten Gerät stehenden Betrachters so entzogen werden sollen, dass „optisch ein wohlfeiles Aussehen“ erzielt wird (Spalte 2 Zeilen 2 und 3 der Klagepatentbeschreibung). Dazu genügt es nicht, nur die eigentliche Kabeldurchtrittsstelle mit ihren durch das Verschieben der Kabel zuweilen unordentlich aussehenden Dichtungsmanschetten zu verdecken, sondern es sollen, was mit dem Ausdruck „rangieren“ ebenso anschaulich umschrieben wird, auch die zu den jeweiligen Einführungsöffnungen abgebogenen Kabelabschnitte bzw. der fächerartig aufgespreizte Abschnitt des aus dem Kanal- oder Installationsrohr austretenden Kabelbündels zumindest zu einem erheblichen Teil noch abgedeckt sein (vgl. Spalte 2 Zeilen 5-7 und Spalte 6 Zeilen 50-52 der Klagepatentbeschreibung). Da auch der in der Klagepatentbeschreibung als zu klein beanstandete Aufnahmeraum der aus der deutschen Auslegeschrift 1 095 913 (Anl. K 4) bekannten Vorrichtung die eigentliche Kabeldurchtrittsstelle den Blicken des Betrachters entzieht, kann sich die Kritik der Klagepatentschrift nur darauf beziehen, dass der Aufnahmeraum der vorbekannten Vorrichtung ein „Rangieren“ von Kabeln nur unvollständig kaschieren kann und der vom Klagepatent in der Merkmalsgruppe 4 gelehrte Aufnahmeraum mehr Platz bieten soll.

Dass der Aufnahmeraum nach Anspruch 2 des Klagepatentes durch ein Abdeckteil weiter verlängert werden kann, besagt nicht, dass der genannte Kabelabschnitt erst mit Hilfe dieses Teiles „unsichtbar gemacht“ werden und die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 nur die eigentliche Kabeleintrittsstelle verdecken soll. Das Abdeckteil gemäß Anspruch 2 ist ein zum Aufnahmeraum hinzukommendes zusätzliches Element; es soll einen noch größeren Abschnitt aufnehmen und dasjenige vervollkommnen, was grundsätzlich schon die in Anspruch 1 gelehrten Maßnahmen erreichen sollen (vgl. Spalte 2 Zeilen 25-28).

Die Vorgabe in Merkmal 4, den Aufnahmeraum am Gehäuse vorzusehen, bedeutet nicht, dass er auch auf das Gehäuse gesetzt werden kann, etwa auf das kastenförmige Unterteil des aus den Figuren 1 und 2 des deutschen Gebrauchsmusters 90 05 252 (Anl. K 5 und B 2 bekannten Gerätes. Die in Merkmal 4.2 gegebene Anweisung, den Aufnahmeraum in Draufsicht auf das Installationsgerät unterhalb einer Anschlussklemmenleiste anzuordnen, und die Vorgabe aus Merkmal 2.3, diese Anschlussklemmenleiste im Gehäuseinneren unterzubringen, lassen sich zusammen mit den in den Merkmalen 4.1 und 4.3 genannten Maßnahmen nur erfüllen, wenn der Aufnahmeraum gewissermaßen durch einen Rücksprung des kastenförmigen Gehäuses gebildet wird bzw. die Platte mit den Kabeleinführungsdichtungen ein Stück weit ins Gehäuseinnere verlegt wird. Bestätigt in dieser Annahme sieht sich der Durchschnittsfachmann durch die Ausführungen im allgemeinen Teil der Patentbeschreibung in Spalte 1 Zeilen 58 bis Spalte 2 Zeile 7, erfindungsgemäß werde ein Teil des kastenförmigen Gehäuses zur Bildung des Aufnahmeraums verwandt, und zwar derjenige, der entsprechend Merkmal 4.2 in Draufsicht unter demjenigen Gehäuseteil liegt, der eine Anschlussklemmenleiste aufnimmt. Diese Ausgestaltung stellt zugleich sicher, dass das Installationsgerät selber durch den so ausgebildeten Aufnahmeraum nicht größer wird (vgl. Spalte 2 Zeilen 3-7 der Klagepatentbeschreibung), was es würde, wenn der Aufnahmeraum von außen auf ein entsprechend Figuren 1 und 2 des bereits erwähnten deutschen Gebrauchsmusters 90 05 252 ausgebildetes Gehäuse aufgesetzt würde. Eine Vergrößerung des Gehäuses lässt das Klagepatent nur für den Fall zu, dass der Aufnahmeraum nach Anspruch 2 durch ein zusätzliches Abdeckteil verlängert wird (vgl. Figur 1 der Klagepatentschrift).

b) Die Anweisung des Merkmals 4.2, den Aufnahmeraum in Draufsicht auf das Installationsgerät – dem entspricht eine Blickrichtung etwa rechtwinklig auf die Vorderfront des Gehäuses und die dazu parallele Installationswand – unterhalb einer Anschlussklemmenleiste anzuordnen, ist nicht schon dann erfüllt, wenn Aufnahmeraum und Anschlussklemmenleiste in unterschiedlichen Ebenen angeordnet sind; sie verlangt auch, dass beide in Draufsicht zumindest im wesentlichen vertikal übereinander liegen. Das entnimmt der Durchschnittsfachmann nicht nur dem in Figur 1 und Seite 6 Zeilen 49-53 der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel, sondern auch der Zielsetzung des Klagepatentes, den Platz im Gehäuse optimal auszunutzen, das Gehäuse nicht um den Aufnahmeraum zu vergrößern und eine zeitsparende Montage zu ermöglichen (vgl. Spalte 2 Zeilen 15-18 und Spalte 6 Zeilen 53-56 der Klagepatentbeschreibung). Wird die Anschlussklemmenleiste im Gehäuseinneren oberhalb des Aufnahmeraumes untergebracht, können die herangeführten Kabel leicht verdrahtet werden, weil die Anschlussklemmenleiste in der vorderen Ebene liegt, zum Anschließen der für sie vorgesehenen Kabel besonders gut erreichbar ist, und auch genügend Abstand zu den in Merkmal 2.2 genannten anzuschließenden Geräten auf der nächstliegenden Tragschiene geschaffen wird. Das erleichtert es, die Gehäusegröße auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten genormten Mindestabstand zwischen Kabeleintrittsstelle und den Gerätschaften auf der Tragschiene zu beschränken. Versetzte man die Anschlussklemmenleiste aus der genannten Position gegenüber dem Aufnahmeraum weiter ins Gehäuseinnere in Richtung der Tragschienen, verringerte sich auch ihr Abstand zu den dort angebrachten Geräten, und das Anschließen der Kabel würde durch den verkleinerten Arbeitsspielraum entsprechend schwieriger. Um gleich gute Montagemöglichkeiten zu schaffen, müsste der Abstand der Tragschiene von der Anschlussklemmenleiste vergrößert werden; bei gleicher Plazierung der anzuschließenden Geräte vergrößerte sich hierdurch auch das Volumen des kastenförmigen Gehäuses. Das liefe der Zielsetzung des Klagepatentes zuwider, eine Vergrößerung des kastenförmigen Gehäuses zu vermeiden und hierzu den Aufnahmeraum in das Gehäuse zu integrieren.

II.

Von dieser Lehre macht das angegriffene Installationsgerät der Beklagten keinen Gebrauch.

1. Es verwirklicht nicht das Merkmal 4 der vorstehenden Merkmalsgliederung; es fehlt ein Aufnahmeraum am Gehäuse. Der die an der Gehäusestirnseite befindliche Kabeleinführungsplatte umgebende etwa 1 cm hohe Kragen ist entgegen der Ansicht der Klägerin kein Aufnahmeraum im Sinne der Klageschutzrechte. Er ist nicht am Gehäuse angeordnet. Er ist nicht in das Gehäuse integriert, indem die Kabeleinführungsplatte vom stirnseitigen äußeren Gehäuserand nach innen verlegt worden ist, sondern, wie das Musterstück gemäß Anl. B 9 zeigt, an der Kabeleintrittsseite von außen auf die Gehäusestirnwand aufgesetzt; um die Höhe dieses umlaufenden Randes vergrößert sich das Gehäuse.

Abgesehen davon ist der von dem Kragen umschlossene Raum zu klein, um die von der technischen Lehre der Klageschutzrechte dem Aufnahmeraum zugewiesenen Funktionen erfüllen zu können. Wie das Muster gemäß Anl. B 9 ebenfalls erkennen lässt, entzieht der nur etwa 1 cm hohe Kragen nur die unmittelbare Kabeldurchtrittsstelle den Blicken des Betrachters, während der durch das „Rangieren“ der Kabel entstehende fächerartig aufgeweitete Abschnitt mit seinen in unterschiedliche Richtungen gebogenen Kabelabschnitten in voller Länge sichtbar bleibt. Da die vom Klagepatent angestrebten Wirkungen nicht erreicht werden, kommt auch eine Verwirklichung des Merkmals 4 mit äquivalenten Mitteln nicht in Betracht.

2. Das angeriffene Gerät erfüllt auch nicht das Merkmal 4.2. Der von dem umlaufenden Kragen umschlossene Raum ist in Draufsicht auf das Gerät nicht unterhalb einer Anschlussklemmenleiste angeordnet, sondern nach außen versetzt; zusätzlich ist die Anschlussklemmenleiste, wie die im Tatbestand wiedergegebene Abbildung aus der Werbeschrift der Beklagten zeigt, von der Stirnwand weg ins Gehäuseinnere verlegt worden. Der von der Klägerin als Aufnahmeraum angesehene Teil und die Anschlussklemmenleiste liegen nicht einmal mehr teilweise übereinander, sondern sind erheblich voneinander beabstandet. Wie die Abbildungen auf Seite 6/4 und die obere Abbildung Seite 6/5 der als Anl. K 10 zu den Akten gereichten Werbeschrift der Beklagten zeigen, ist die Anschlussklemmenleiste bei der angegriffenen Ausführungsform verhältnismäßig weit von der Kabeleintrittsstelle entfernt. Während bei einer Merkmal 4.2 entsprechenden Anordnung der Abstand von Aufnahmeraum und Anschlussklemmenleiste zur ersten Trageschiene etwa gleich ist und dadurch der gesamte Zwischenraum zwischen der Kabeldurchtrittsstelle und den auf der Tragschiene befindlichen Gerätschaften für die Montage zur Verfügung steht, hat das angegriffene Installationsgerät infolge der in das Gehäuseinnere versetzten Anordnung der Anschlussklemmenleiste den Nachteil, dass zwischen der Kabeleintrittstelle und der Anschlussklemmenleiste ein Zwischenraum verbleibt, der weder zur Unterbringung von Geräten noch zur Montage genutzt werden kann und sich der zur Montage zur Verfügung stehende Raum verkleinert, wenn man den Abstand zwischen der Kabeleintrittsstelle und den Geräten auf der ersten Trageschiene etwa auf den genormten Mindestabstand beschränkt. Durch die Anordnung der Anschlussklemmenleiste in einer in Draufsicht auf das Gerät oberhalb der Kabeleintrittsstelle liegenden Ebene ist es zwar auch hier möglich, die zum Verdrahten in der Anschlussklemmenleiste bestimmten Null-Leiter-Kabel in Zugrichtung der Kabel aus dem Gehäuse heraus zu bearbeiten und anzuschließen, der geringe Abstand zwischen Anschlussklemmenleiste und Tragschiene erschwert jedoch das Anschließen der Kabel an die auf der Tragschiene befindlichen Geräte. Will man gleich gute Montagebedingungen schaffen, wie sie eine Merkmal 4.2 entsprechende Anordnung bietet, muss man den Abstand zwischen der Kabeleintrittsstelle und den Geräten auf der ersten Trageschiene vergrößern. Das führt dazu, dass man entweder ein größeres Gehäuse benötigt oder weniger Trageschienen mit Geräten im Gehäuse untergebracht werden können.

Entgegen der Ansicht der Klägerin (Bl. 8 der Berufungserwiderung, Bl. 158 d.A.) kommt auch eine Verwirklichung des Merkmals 4.2 mit äquivalenten Mitteln nicht in Betracht. Die Klägerin hat kein Ersatzmittel für das nicht wortsinngemäß erfüllte Merkmal 4.2 angegeben; dieses Ersatzmittel könnte allenfalls darin liegen, die Anschlussklemmenleiste näher an der Kabeleintrittsstelle als an der Tragschiene und in einer in Draufsicht auf das Gerät oberhalb der Kabeleintrittsstelle liegenden Ebene anzubringen. Diese Ausgestaltung verwirklicht jedoch das Gegenteil dessen, was das Merkmal 4.2 lehrt, und war aus diesem Grund für den Durchschnittsfachmann auch nicht mit Hilfe an der in den Ansprüchen beschriebenen Erfindung orientierter Überlegungen auffindbar. Dass der hinter der Kabeleinführungsplatte liegende Innenraum Platz für die Montage der eingeführten Kabel an den Anschlussklemmen bietet, genügt entgegen der Ansicht des Landgerichts im angefochtenen Urteil nicht und trifft im übrigen auf das angegriffene Gerät auch nicht zu. Da die Anschlussklemmenleiste seitlich versetzt und mit Abstand von der Kabeleinführungsplatte im Gehäuseinneren angeordnet ist, verkleinert sich bei gleicher Gehäusegröße und gleich vielen darin unterzubringenden Geräten der zur Montage verfügbare Zwischenraum zwischen Anschlussklemmenleiste und anzuschließenden Geräten.

III.

Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäss § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 S. 1 ZPO.

IV.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO n.F. niedergelegten Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn es geht nur um die Anwendung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelter Grundsätze auf den konkreten Einzelfall, und es stehen auch keine Rechtsfragen zur Entscheidung, die in einer unbestimmten Anzahl künftiger Fälle zu erwarten sind oder bei denen die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert.

S3xxxxxxxx Richter am OLG K3xxxxxxxx Dr. B2xxxx
ist in Urlaub und kann des-
halb nicht unterschreiben.

S3xxxxxxxx