2 U 126/00 – Computergehäuse

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 26

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Mai 2001, Az. 2 U 126/00

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird die mit Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 1. August 2000 erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf DM 11x.01x,– festgesetzt.

Tatbestand:

Die Antragstellerin nimmt als Lizenznehmerin an dem europäischen Patent 0 859 974 (Anlage Ast 1; nachfolgend: Verfügungspatent), dessen eingetragener Inhaber Herr M1xxxx H4xxxxxx aus N1xxx ist, die Antragsgegnerin wegen Verletzung des Verfügungspatents durch Angebot und Vertrieb von Computergehäusen gemäß Anlage 4 der Antragstellerin und gemäß Anlagen Anlagen B 6 und B 13 zur Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 3. April 2000 im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen auf Unterlassung in Anspuch.

Nachdem die Antragstellerin zunächst ein Verbot im Bereich der Europäischen Gemeinschaft in den derzeit gültigen Grenzen begehrt hatte, hat sie ihr Begehren erstinstanzlich später auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt.

Nach mündlicher Verhandlung hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf die schließlich von der Antragstellerin erbetene einstweilige Verfügung mit Urteil vom 1. August 2000 erlassen und die Antragsgegnerin verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen, Computergehäuse, bestehend aus einem Gehäuserahmen, Gehäusewandteilen sowie zumindest teilweise verschwenkbaren Trag- und Befestigungseinheiten für Computerfunktionseinheiten, wobei mindestens eine Trageinheit, bestehend aus Hauptplatinenträger und Erweiterungskartenträger, vorhanden ist, welche aus einer Einbauposition in eine Montage- und Wartungsposition verschwenkbar ausgebildet ist, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, bei denen der mit dem Hauptplatinenträger gemeinsam verschwenkbare Erweiterungskartenträger in der Einbauposition zumindest einen Teil einer äußeren Seitenwand bildet. Von den Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht der Antragstellerin 38% und der Antragsgegnerin 62% auferlegt. Eine Urteilsausfertigung ist an den erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin von Amts wegen am 21. August 2000 zugestellt worden (vgl. Bl. 73 GA).

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.

Die Antragsgegnerin macht u. a. geltend, dass die Antragstellerin bis zum 4. April 2001 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus der einstweiligen Verfügung nicht unternommen habe und auch ein Hauptsacheverfahren nicht anhängig sei (vgl. Schriftsatz vom 4. April 2001 Seite 2 – Bl. 133 GA).

Eine Zustellung der Urteilsverfügung im Parteibetrieb durch die Antragstellerin an den erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht nachweisen können, und sie ist unstreitig auch nicht erfolgt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 1. August 2000 (Az.: 4 O 117/00) aufzuheben und den auf den Erlaß der einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg. Dies gilt allein schon deshalb, weil die Antragstellerin die Vollziehungsfrist nach §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO versäumt hat. Die Antragsgegnerin durfte das Ziel der Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen Versäumung der Vollziehungsfrist nach den vorgenannten Vorschriften mit der Berufung verfolgen und mußte hierzu nicht das besondere Verfahren nach §§ 926, 927, 936 ZPO einleiten.

Eine erwirkte einstweilige Verfügung muß nach §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO innerhalb eines Monats vollzogen werden. Duch das Vollziehungsgebot, welches ausweislich BVerfG NJW 1988, 3141, verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wird verhindert, dass aus der einstweiligen Verfügung erstmals nach einem längeren Zeitraum unter dann möglicherweise veränderten Umständen vollstreckt wird. Zudem wird durch das Vollziehungsgebot erreicht, dass der Antragsgegner innerhalb eines Monats erfährt, ob der Antragsteller von der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will oder nicht, wobei der Wille des Gebrauchmachens sich angesichts der Schadensersatzregelung nach § 945 ZPO durchaus nicht von selbst versteht. Nach Verstreichen der Monatsfrist braucht der Antragsgegner nicht mehr mit einer Vollstreckung zu rechnen (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 1995, Rdn. 297 mit zahlreichen Nachweisen).

Zur Einhaltung der Frist zur Vollziehung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Partei, welche die einstweilige Verfügung erwirkt hat, diese dem Antragsgegner innerhalb der Vollziehungsfrist im Parteibetrieb zustellt und so dem Antragsgegner eindeutig vor Augen führt, dass sie trotz der Gefahren, die sich für sie aus einer Vollziehung wegen der daraus drohenden Schadensersatzpflicht gemäß § 945 ergeben können, von der erwirkten Unterlassungsverfügung auch Gebrauch machen will. Eine Amtszustellung genügt nicht, wobei auch die erstmals durch Urteil ergangene Unterlassungsverfügung der Vollziehung durch Parteizustellung innerhalb der vom Gesetz vorgeschriebenen Frist bedarf (vgl. Urteil des Senats vom 12. Februar 1987, veröffentlicht in NJW-RR 1987, 763 sowie Berneke a.a.O. Rdn. 312 mit zahlreichen Nachweisen). Die Amtszustellung des Urteils ist nicht als Vollziehung anzusehen, da sie nicht geeignet ist, den Vollziehungswillen des Antragstellers auszudrücken.

Die Vollziehung einer nach mündlicher Verhandlung beim Landgericht erwirkten Urteilsverfügung muß gemäß § 176 ZPO durch Zustellung an den beim Landgericht zugelassenen Verfahrensbevollmächtigen des Antragsgegners bewirkt werden (vgl. auch Urteil des Senats vom 21. März 1985 – 2 U 44/85 sowie Berneke a.a.O. Rdn. 320). Die bloße Zustellung einer Urteilsverfügung an die Partei selbst, also an den Antragsgegner selbst, reicht in einem solchen Falle nicht aus und ist ohne Heilungsmöglichkeit unwirksam (vgl. auch OLG Celle GRUR 1989, 541; OLG Hamm MDR 1976, 407).

An die beim Landgericht zugelassenen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, die Rechtsanwälte A2xxxxxxx und P2xxxxx, ist eine Zustellung der Urteilsverfügung vom 1. August 2000 jedoch nur von Amts wegen am 21. August 2000 (vgl. Bl. 73 GA), nicht aber innerhalb der Vollziehungsfrist im Parteibetrieb erfolgt. Die Antragstellerin hat eine Zustellung der Urteilsverfügung, insbesondere innerhalb der Vollziehungsfrist, an die erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners im Parteibetrieb weder dargelegt noch nachgewiesen, sondern nur eine Zustellung an die Antragsgegnerin selbst, was jedoch nicht ausreicht.

Nach alledem war die einstweilige Verfügung aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO.

Das vorliegende Urteil unterliegt als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einem Rechtsmittel nicht (§ 545 Abs. 2 ZPO) und ist daher auch ohne besonderen Ausspruch zur Vollstreckbarkeit nicht nur vorläufig, sondern endgültig vollstreckbar.

S4xxxxxxxx R1xx Dr. B2xxxx