Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. Dezember 2010, Az. 2 U 28/10
Vorinstanz: 4b O 251/09
I.
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 2. Februar 2010 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
III.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 250.000,– Euro festgesetzt.
G r ü n d e
I.
Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 1, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts war aufzuheben, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt, der im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gesichert werden könnte. Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagten aus dem Antragsschutzrecht keine Unterlassungsansprüche, weil die angegriffenen Tintenpatronen nicht mit dem in Schutzanspruch 1 des am 28. Februar 2008 angemeldeten und am 12. November 2009 eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters 20 2008 017 XXX.3 (Verfügungsgebrauchsmuster; Anlage ASt 5) übereinstimmen. Ob das Verfügungsgebrauchsmuster die Voraussetzungen des Gebrauchsmusterschutzes erfüllt, brauchte unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden.
1.
Das Verfügungsgebrauchsmuster betrifft eine Tintenpatrone, die in einem Tintendrucker verwendet wird und sich zu diesem Zweck in diesen Drucker einsetzen und aus ihm herausnehmen lässt.
Wie die Verfügungsgebrauchsmusterschrift ausführt (S. 1, Zeile 18 bis S. 2, Zeile 13), beschreibt die US-Patentanmeldung 2006/02 03 051 A 1 (Anlage MBP 10), deren Figuren 2 und 11 nachstehend wiedergegeben sind, eine derartige Tintenpatrone, deren Tintenzuführabschnitt und Lufteinlass durch eine Abdeckung (70 bzw. 90; Bezugszeichen entsprechen den nachstehend wiedergegebenen Figurendarstellungen) geschützt ist, die vor dem Einsetzen der Patrone in das Aufzeichnungsgerät entfernt werden muss. Daran wird bemängelt, die Abdeckung müsse wieder angebracht werden, wenn die Patrone mit darin verbliebener Tinte aus dem Drucker herausgenommen werde und der Benutzer sie weiterverwenden wolle. Ohne die Abdeckung könne die Patrone beschädigt werden, wenn der Tintenzuführabschnitt oder der Lufteinlassabschnitt auf eine harte Oberfläche falle, oder es könne Tinte aus der Patrone tropfen.
Wie die Verfügungsgebrauchsmusterschrift weiter ausführt (S. 2, Zeilen 15 bis 24), offenbart die US-Patentanmeldung 2007/00 70 140 A 1 (Anlage MBP 11), deren Figuren 77 und 78 nachstehend eingeblendet sind, eine Tintenpatrone in der Aufnahmekammer eines Druckers, wobei die Aufnahmekammer mit einer Tür zum Öffnen und Schließen versehen ist. Beim Schließen raste die entsprechend eingerichtete Tür auf der Tintenpatrone ein, um diese aus der Aufnahmekammer zu entfernen, wenn die Tür wieder geöffnet wird. Gleichwohl verlasse sich der Anwender lieber auf das Aufzeichnungsgerät, um die Tintenpatrone herauszunehmen.
Wie sich auch aus den Vorteilsangaben (Verfügungsgebrauchsmusterschrift S. 2, Zeile 28 bis S. 3, Zeile 5) ergibt, besteht die Aufgabe (das technische Problem) der im Verfügungsgebrauchsmuster umschriebenen technischen Lehre darin, beiden genannten Nachteilen abzuhelfen, nämlich sowohl den Tintenzuführabschnitt und – sofern auf der Gehäusevorderseite vorhanden – auch den Lufteinlassabschnitt vor Beschädigungen zu schützen, solange die Tintenpatrone nicht in dem Aufzeichnungsgerät installiert ist, als auch das Herausnehmen der Patrone aus dem Aufzeichnungsgerät zu erleichtern. Dass der Schutz der aus dem Drucker entnommenen Patrone vor Beschädigungen ein zentrales Anliegen der Erfindung ist, steht in Einklang mit den Ausführungen der Verfügungsgebrauchsmusterschrift im allgemeinen Teil ihrer Beschreibung (Anlage ASt 5, S. 3, Zeilen 7 bis 29); auch dort wird hervorgehoben, dank der Erfindung werde eine Beschädigung des Tintenzuführ- und – falls an der Gehäusevorderseite vorhanden – auch des Lufteinlassabschnittes vermieden. Auch wenn die Beschreibung die diesen Erörterungen zugrunde liegende Konfiguration als Ausführungsbeispiel bezeichnet (Anlage ASt 5 S. 3, Zeile 7) erkennt der angesprochene Durchschnittsfachmann an den dort wiedegegebenen Gestaltungsmerkmalen, dass es sich um diejenige Ausbildung handelt, die den Vorgaben des ursprünglich angemeldeten Anspruches 1 entspricht.
Zur Lösung dieser Aufgabe wird in Schutzanspruch 1 des Verfügungsgebrauchsmusters eine Tintenpatrone mit folgenden Merkmalen vorgeschlagen:
1. Die Tintenpatrone (10/10‘) umfasst:
a) ein Gehäuse (20),
b) einen Tintenzuführabschnitt (90) und/oder einen Lufteinlassabschnitt (80),
c) ein bewegbares Element (21),
d) wenigstens ein federndes Element (23, 24).
2. Das Gehäuse (20) hat
a) eine Vorderfläche (41), die in eine Richtung (30) orientiert ist, in welcher die Tintenpatrone
in einem Patronenanbringungsabschnitt (276) des Aufzeichnungsgerätes (250) anzubrin-
gen ist und
b) eine Rückfläche (42), die zu der Vorderfläche (41) entgegengesetzt liegt,
c) zumindest einen im Gehäuse festgelegten Teil einer Tintenkammer (100) wobei die Tinten-
kammer eingerichtet ist, Tinte zu speichern.
3. Der Tintenzuführabschnitt (90) ist an der Vorderfläche des Gehäuses (20) positioniert, wobei
der Tintenzuführabschnitt (90) eingerichtet ist, Tinte aus dem Inneren der Tintenkammer (100)
nach außerhalb der Tintenkammer abzugeben, und/oder:
4. Der Lufteinlassabschnitt (80) ist an dem Gehäuse (20) positioniert, wobei der Lufteinlassab-
schnitt eingerichtet ist, Luft von außerhalb der Tintenkammer (100) in das Innere der Tinten
kammer zu saugen.
5. Das bewegbare Element (21)
a) umfasst eine Vorderwand (161), welche der Vorderfläche (41) des Gehäuses (20) zuge-
wandt ist, wobei
b) die Vorderwand (161) außerhalb des Gehäuses (20) positioniert und eingerichtet ist, sich
zwischen einer ersten Position und einer zweiten Position relativ zu dem Gehäuse (20) ent-
lang der Richtung (30) zu bewegen, in welcher die Tintenpatrone (10, 10‘) in den Patronen-
anbringabschnitt (276) einzusetzen ist.
6. Das federnde Element (23, 24)
a) hat ein erstes Ende, das mit der Vorderfläche (41) des Gehäuses (20) verkoppelt ist, und
ein zweites Ende, das mit dem bewegbaren Element (21) verkoppelt ist,
b) ist eingerichtet, sich zu dehnen und zusammenzuziehen, um das bewegbare Element (21)
relativ zu dem Gehäuse (20) zwischen der ersten Position und der zweiten Position zu
bewegen.
Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 bis 4 b) und 8 bis 10 zeigen bevorzugte Ausführungsformen der schutzrechtsgemäßen Tintenpatrone, wobei die in den Merkmalen 1a) und 2a) beschriebenen Konfigurationen in Figur 1, die in den Merkmalen 1b), 2b), 2c), 3 und 4 beschriebenen Vorgaben in den Figuren 4 a) bis 4 b), die Vorgaben der Merkmale 1c), 1d) und der Merkmalsgruppen 5 und 6 in den Figuren 2 a) bis 3 d) und die Ausbildung gemäß der Merkmalsgruppe 6 zusätzlich in den Figuren 8 bis 10 b) zu erkennen sind.
Im Kern ist die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters darauf gerichtet, ein relativ zum Patronengehäuse entlang der Einsetzrichtung zwischen zwei Positionen bewegbares Element vorzusehen, dessen Bewegbarkeit mit Hilfe eines federnden Elements hergestellt wird, das zum Einen mit der Vorderfläche des Gehäuses und zum Anderen mit der Vorderwand des bewegbaren Elements gekoppelt ist, die sich außerhalb des Gehäuses befindet. Wie das Landgericht insoweit zutreffend herausgearbeitet hat (Urteilsumdruck S. 13; Bl. 146 d.A.), gibt Schutzanspruch 1 hinsichtlich der zwischen den Parteien auch im Berufungsverfahren allein streitigen Merkmalsgruppe 5 als Gestalt für das bewegbare Element lediglich vor, dass es eine der Vorderfläche des Gehäuses zugewandte Vorderwand aufweisen muss, die außerhalb des Gehäuses positioniert ist und, weil sie das bewegbare Element jedenfalls mit bildet, die bereits erwähnte Bewegung des bewegbaren Elementes zwischen der ersten und der zweiten Position relativ zu dem Gehäuse entlang der Einsetzrichtung mit vollzieht. Weitere Anweisungen zur Ausgestaltung des bewegbaren Elementes enthält Schutzanspruch 1 nach seinem Wortlaut nicht. Der Durchschnittsfachmann bleibt jedoch nicht bei einer philologischen Betrachtungsweise stehen, sondern sucht den mit dem Anspruchswortlaut umschriebenen technischen Sinngehalt zu erfassen, der sich in erster Linie daraus ergibt, was nach dem Inhalt der Verfügungsgebrauchsmusterbeschreibung mit dem bewegbaren Element erfindungsgemäß erreicht werden soll. Er wird hierzu auch die bereits erwähnten, den ursprünglich angemeldeten Anspruch 1 betreffenden Ausführungen in der Gebrauchsmusterschrift heranziehen (Anlage ASt 5, S. 3 Zeilen 7 bis 29); ihnen entnimmt er, dass das darin beschriebene federbelastete und zwischen zwei verschiedenen Positionen relativ zum Patronengehäuse bewegbare Element neben einem Erleichtern der Patronenentnahme auch die entnommene Patrone vor Beschädigungen des Tintenzuführ- und ggfs. auch des Lufteinlassabschnittes beim Auftreffen auf eine harte Oberfläche schützen soll. Beide Anliegen stellt die Verfügungsgebrauchsmusterschrift gleichwertig nebeneinander. Dementsprechend muss das bewegliche Element im Sinne der Merkmalsgruppe 5 in allen in Betracht kommenden Ausführungsmöglichkeiten so beschaffen sein, dass es auch diesen Schutz gewährleistet; demgemäß muss es in jeder erfindungsgemäß möglichen Konfiguration dazu in der Lage sein, von den bei einem Auftreffen der Patrone auf eine harte Oberfläche auf sie einwirkenden Kräften einen solchen Teil aufzunehmen, dass der Tintenzuführ- und ggfs. auch der Lufteinlassabschnitt von Beschädigungen freibleiben. Da diese Anforderungen selbst für die im ursprünglich angemeldeten Anspruch 1 umschriebenen Ausführungsformen gelten, bei denen die Gestalt des bewegbaren Elementes überhaupt nicht konkretisiert wird, beanspruchen sie erst recht Gültigkeit für die im vorliegenden Streitfall geltend gemachte Fassung des Schutzanspruches 1, die für das bewegbare Element eine Vorderwand entsprechend der Merkmalsgruppe 5 vorsieht. Bei einer solchen Ausbildung ist es die Vorderwand des bewegbaren Elementes, die diese Schutzfunktion für den Tintenzuführ- und ggfs. auch für den Lufteinlassabschnitt zu gewährleisten hat; das ergibt sich schon daraus, dass sie der Vorderfläche des Patronengehäuses zugewandt und außerhalb des Gehäuses (also in Patroneneinsetzrichtung vor diesem angeordnet ist) und damit genau vor derjenigen Gehäusefläche, die den Tintenzuführ- und ggfs. auch den Lufteinlassabschnitt aufweist.
Die Vorderwand des bewegbaren Elementes ist die einzige Schutzeinrichtung, die bei der in Schutzanspruch 1 in der geltend gemachten Fassung umschriebenen Ausgestaltung die genannten Funktionen erfüllen kann. Schutzanspruch 1 verlangt entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten nicht, dass das bewegbare Element das Patronengehäuse teilweise umschließende Seitenwände aufweist, die den Tintenzuführabschnitt und den Lufteinlassabschnitt in einer ersten Position bei nicht eingesetzter Patrone wie einen Behälter in sich aufnehmen und nur bei montierter Patrone durch hierfür vorgesehene besondere Öffnungen der Vorderwand hindurchtreten und das bewegliche Element nach vorn überragen lassen.
Die gegenteilige Auslegung verbietet sich schon durch die Systematik der Schutzansprüche, denn dort werden Seitenwände erst in Unteranspruch 8 und besondere Öffnungen des bewegbaren Elementes in der Vorderwand zum Hindurchtreten des Tintenzuführ- und ggfs. auch des Lufteinlassabschnittes bei eingesetzter Patrone erst in den Unteransprüchen 7, 8 und 15 gelehrt. Der allgemeiner gefasste Hauptanspruch 1 enthält derartige Vorgaben nicht, und auch das Teilmerkmal, dass das bewegbare Element die in der Merkmalsgruppe 5 beschriebene Vorderwand umfasst, veranlasst den angesprochenen Durchschnittsfachmann nicht zu einem Verständnis, dass dann auch zwingend Seitenwände vorgesehen sein müssten; die Vorgabe einer Vorderwand besagt nur, dass in jedem Fall eine der Gehäusevorderfläche zugewandte Wand vorhanden sein muss, die das Merkmal 5 wegen dieser Positionierung als Vorderwand bezeichnet, während Seitenwände nur zu den bevorzugten Ausführungsformen gehören.
Die Anforderungen, die Gegenstand der Unteransprüche sind, können nicht schon in den Hauptanspruch hineingelesen werden. Das bedeutet aber nur, dass von dem (schützenden) bewegbaren Element weder verlangt werden kann, dass seine Vorderwand den Tintenzuführabschnitt lochartig umgreift, noch, dass es als kastenartiges Gebilde mit Seitenwänden ausgebildet ist. Nichts ist dagegen darüber ausgesagt, ob an die Vorderwand nicht bestimmte Dimensionierungsvorgaben gestellt werden können und müssen, die sicherstellen, dass das bewegbare Element die ihm zugedachte Schutzfunktion gegen Beschädigungen erfüllen kann. Es geht dabei nicht – jedenfalls nicht nur und nicht vordringlich – um Schäden, die im Zuge des Einsetzvorgangs eintreten können, sondern darum, dass eine Beschädigung vermieden wird, die daraus resultiert, dass der Benutzer die Tintenpatrone aus dem Drucker entfernt und dieser versehentlich auf eine harte Oberfläche fällt. Genau diese Konstellation stellt die Verfügungspatentbeschreibung in Bezug auf den Stand der Technik als problematisch heraus.
Aus dem Satz „… zu schützen, wann immer auch die Tintenpatrone nicht in dem Aufzeichnungsgerät installiert ist“ (Verfügungsgebrauchsmusterschrift, S. 2, Zeile 32 bis S. 3, Zeile 1), ergibt sich nichts Gegenteiliges, denn der installierte Zustand im Sinne des Antragsschutzrechtes umfasst nicht nur die abgeschlossene betriebsfertige Montage. Beim Einführen wird die Patrone kaum mit einer solchen Geschwindigkeit oder Kraft vorwärts bewegt, dass der Lufteinlass- und/oder der Tintenzuführabschnitt beschädigt werden können; dass sie bei diesem Vorgang, wenn sie sich – sei es auch zunächst nur lose und noch nicht in der Endposition – im Anbringabschnitt befindet, nicht mehr herunterfallen kann, ist selbstverständlich. Das wird auch in der Verfügungsgebrauchsmusterbeschreibung nicht anders gesehen. Denn auch die aus dem Stand der Technik gemäß der US-Patentanmeldung 2006/02 03 051 bekannte Patrone ist, wenn zu ihrer Montage die Abdeckung entfernt ist, beim Einsetzen solchen Gefahren ausgesetzt. Insoweit erhebt die Verfügungsgebrauchsmusterschrift aber keine Beanstandungen; ihre Kritik befasst sich nur mit der Situation, dass die nur teilentleerte Patrone entnommen wird, aber später weiter verwendet werden soll und bis zu ihrer erneuten Verwendung aufbewahrt und geschützt werden muss. Für die Vorderwand muss vor diesem Hintergrund eine Dimensionierung verlangt werden, die sie potentiell in die Lage versetzt, die ihr zugedachte Schutzfunktion für den Tintenzuführabschnitt zu erfüllen.
Demgegenüber kann die Verfügungsklägerin nicht mit Erfolg, wie in der mündlichen Berufungsverhandlung geschehen, geltend machen, da Schutzanspruch 1 nach seinem Wortlaut keine Ausbildung der Vorderwand des bewegbaren Elementes verlange, die den Tintenzuführ- und ggfs. den Lufteinlassabschnitt vor Beschädigungen schützen könne, die im Anspruch beschriebene Federbeaufschlagung des bewegbaren Elementes aber in jedem Fall die Herausnahme der Patrone aus dem Drucker erleichtere, sei auch nur Letzteres das objektiv von der in Schutzanspruch 1 umschriebenen Vorrichtung gelöste technische Problem, und dementsprechend erfasse Schutzanspruch 1 des Verfügungsgebrauchsmusters auch jedes bewegbare Element, das nur das Herausnehmen der Tintenpatrone aus dem Drucker erleichtert. Soweit die Verfügungsklägerin in diesem Zusammenhang auf dem Primat der Schutzansprüche verweist, der auch verlange, das von der Erfindung objektiv gelöste technische Problem nur anhand des Anspruchsinhalts und unabhängig vom Inhalt der Beschreibung zu bestimmen, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass zunächst der Sinngehalt der in den Schutzansprüchen wiedergegebenen Vorgaben zu ermitteln ist und zur Ermittlung dieses Sinngehalts anerkanntermaßen die Beschreibung heranzuziehen ist (BGH GRUR 1986, 803 Formstein; GRUR 1989, 903, Batteriekastenschnur; GRUR 1992, 594 – mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 2002, 519, 521 Abschnitt II.4.a – Schneidmesser II). Diese Auslegung ist auch dann vorzunehmen, wenn der Anspruch allein aus sich heraus klar und verständlich erscheint. Erst wenn aufgrund der Auslegung der Sinngehalte des betreffenden Merkmals ermittelt worden ist, greift der Grundsatz ein, dass die Beschreibung einen die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patent- bzw. Schutzanspruch regelmäßig weder einschränken noch erweitern darf (BGH GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit; Urteil vom 4. Februar 2010 – Xa ZR 36/08 – Gelenkanordnung, Tz. 20, 27). Hierbei darf jedoch der Inhalt der Ansprüche von dem die Erfindung tragenden wesentlichen technischen Gedanken nicht losgelöst werden. Das wäre unvereinbar mit dem Gebot der Rechtssicherheit, das verlangt, dass die Ansprüche auch für Dritte vorhersehbar beschreiben, was unter Schutz gestellt werden soll. Im Streitfall kann sich die Verfügungsklägerin daher nicht auf den Standpunkt stellen, der Inhalt des Schutzanspruches 1 müsse auch hinsichtlich der Vorgaben der die Vorderwand des bewegbaren Elements betreffenden Merkmalsgruppe 5 aus sich selbst heraus bestimmt werden, sondern es ist – wie vorstehend geschehen – anhand der Beschreibung der technische Sinngehalt zu bestimmen. Dies ist nicht möglich ohne Berücksichtigung dessen, was das Verfügungsgebrauchsmuster mit einem die Vorderwand im Sinne der Merkmalsgruppe 5 aufweisenden bewegbaren Element erreichen will. Dies berücksichtigt auch der von der Verfügungsklägerin in der Berufungsverhandlung überreichte Hilfsantrag nicht, der ebenfalls nur darauf abstellt, dass der angegriffene Gegenstand in der Lage ist, die Tintenpatrone teilweise aus dem Patronenanbringungsabschnitt auszuwerfen.
2.
Die angegriffenen Tintenpatronen machen keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Verfügungsschutzrechts. Das Aussehen ihrer Gehäusevorderseite entspricht der nachstehend wiedergegebenen dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils entnommenen Abbildung.
Wie die vorstehende Abbildung erkennen lässt, weisen die angegriffenen Patronen an der Vorderseite des Gehäuses (rechts im Bild) unterhalb des Lufteinlasses und oberhalb der Tintenzuführung einen Stößel auf, der, solange die Patrone nicht eingesetzt ist, aus der Gehäusevorderseite nach vorn herausragt, in einer Federkammer mit einer Schraubenfeder beaufschlagt gelagert ist und beim Einschieben der Patrone in den dafür vorgesehenen Tintenpatronenanbringungsabschnitt gegen die Kraft dieser Schraubenfeder von diesem in Richtung der Gehäusevorderseite eingedrückt wird. Wird zum Herausnehmen der Patrone deren Verrastung im Anbringungsabschnitt gelöst, entspannt sich die Feder, lässt den Stößel wieder nach vorn ausfahren und wirft die Patrone teilweise aus dem Anbringungsabschnitt aus.
Der Stößel ist entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin kein bewegbares Element mit einer Vorderwand, wie sie Schutzanspruch 1 des Antragsschutzrechtes in der Merkmalsgruppe 5 verlangt. Die aus dem Gehäuse in Einsetzrichtung herausragende vordere Stirnseite des Stößels ist schon deshalb keine Vorderwand, weil sie der Vorderseite des Gehäuses nicht zu-, sondern abgewandt ist; die von der Verfügungsklägerin als Vorderwand angesehene in der Federspeicherkammer gelagerte gegenüber liegende Stirnseite des Stößels ist zwar der Gehäusevorderseite zugewandt, sie wird aber vom Durchschnittsfachmann anders als die in den Ausführungsbeispielen gemäß Figuren 3 (a) bis (d), 8 und 9 der Verfügungsgebrauchsmusterschrift gezeigte Gestaltung nicht als Vorderwand gesehen, sondern als Rückwand. Die Figurendarstellungen zeigen eine Konfiguration, die insgesamt wandförmig ausgebildet und mit der Rückseite dieser Wand dem Patronengehäuse zugewandt ist; der Stößel der angegriffenen Gegenstände hat dagegen eine quaderförmige Gestalt, wobei sich die Länge des Quaders in Patroneneinsetzrichtung erstreckt, während die Stirnseiten als kleinste Flächen in der Ebene des Vorrichtungsteils verlaufen, das vom Verfügungsgebrauchsmuster als Vorderwand bezeichnet wird. Träfe die Sichtweise der Verfügungsklägerin zu, wäre letztlich der gesamte Stößel als Vorderwand zu betrachten. Dass dies nicht der Intention der Merkmalsgruppe 5 entspricht, liegt auf der Hand.
Ein Vorrichtungsteil wie der bei den angegriffenen Gegenständen vorhandene Stößel ist auch keine Vorderwand im Sinne des Schutzanspruches 1. Auch eine Vorderwand ist eine Wand und muss ein flächiges Gebilde sein. Auch wenn weder dem Schutzanspruch 1 noch der Gebrauchsmusterbeschreibung nähere Dimensionierungsvorgaben zu entnehmen sind, muss das betreffende Funktionselement, soll es als Vorderwand im Sinne des Verfügungsgebrauchsmusters dienen können, jedenfalls eine solche Flächengröße und auch eine solche Position gegenüber der Gehäusevorderseite aufweisen, dass es den Tintenzuführ- und ggfs. den Lufteinlassabschnitt beim Auftreffen der Patrone auf eine harte Oberfläche vor Beschädigungen schützen und diejenigen Kräfte aufnehmen kann, die ohne ihr Vorhandensein auf die beiden Abschnitte der Gehäusevorderseite oder eine von ihnen einwirkten. Solche Kräfte kann der Stößel der angegriffenen Gegenstände schon wegen seiner sehr geringen Flächenausdehnung nicht aufnehmen, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang. Bei einem Herunterfallen trifft die Gehäusevorderseite der Patrone nicht zuerst auf den Stößel, sondern mit einem beliebigen Bereich auf die Oberfläche auf, der dann auch den auftretenden Kräften ausgesetzt ist. Vor derartigen Beschädigungen werden der an der Gehäusevorderseite der angegriffenen Patronen vorhandene Tintenzuführabschnitt und auch der dort ggfs. positionierte Lufteinlassabschnitt auf andere Weise geschützt, nämlich durch etwa zylinder- bzw. zylindersegmentförmige Einfassungswände, die beide den Stößel deutlich nach vorn überragen und dadurch sicherstellen, dass die herunterfallende Patrone mit einer dieser beiden Einfassungen und nicht mit dem Stößel auf die Oberfläche auftrifft.
III.
Als unterlegene Partei hat die Verfügungsklägerin gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen.