2 U 124/09 – Buprenorphin

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1257

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. Februar 2010, Az. 2 U 124/09

I.
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 27. August 2009 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.500.000,00 Mio. €.

G r ü n d e :

Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Das Berufungsvorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Der Senat vermag im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht festzustellen, dass die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch macht und der Antragstellerin deshalb ein Verfügungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1, 9 Abs. 2 Nr. 1 PatG gegen die Antragsgegnerin zusteht.

I.
Das Verfügungspatent betrifft ein transdermales therapeutisches System (TTS), das als aktiven Bestandteil Buprenorphin enthält.

Buprenorphin ist ein partialsynthetisches Opiat, dessen Vorteil gegenüber anderen Verbindungen dieser Substanzklasse in einer höheren Wirksamkeit liegt. Es wird insbesondere bei der Behandlung von Krebs- oder Tumorpatienten eingesetzt. Nach den einleitenden Erläuterungen der Verfügungspatentschrift kann Schmerzfreiheit bei Krebs- oder Tumorpatienten mit infauster Diagnose im Finalstadium mit Tagesdosen um 1 mg erreicht werden (Anlage rop 1, Seite 1 Zeilen 6 bis 8). Allerdings weist Buprenorphin, wie andere Opiate, ein hohes Suchtpotential und eine geringe Bioverfügbarkeit bei einer oralen Gabe auf. So beträgt die Bioverfügbarkeit aus dem Gastrointestinaltrakt nach den Erläuterungen der Verfügungspatentschrift nur annähernd 10%, d. h. nur etwa 10% der verabreichten Wirkstoff-Menge gelangen über den Verdauungstrakt unverändert in den Blutkreislauf und können dort ihre Wirkung entfalten. Bei Verabreichung unter der Zunge (sublinguale Applikation) beträgt in die Bioverfügbarkeit etwa 50% (Anlage rop 1, Seite 1 Zeilen 8 bis 11).

Der Wirkstoff Buprenorphin unterliegt aufgrund seines Suchtpotenzials dem Betäubungsmittelgesetz. Das Suchtpotenzial ist allerdings auch von der Arzneiform abhängig. Eine Applikation, die einen unterschiedlichen Blutspiegel des Schmerzmittels über die Wirkungsdauer hervorruft, z. B. einen hohen Blutspiegel unmittelbar nach der Applikation und danach einen niedrigeren Blutspiegel, führt aufgrund der zunächst verursachten, dann aber stark nachlassenden Euphorie des Patienten eher zur Sucht als eine Darreichungsform, die einen konstanten Blutspiegel aufrecht erhält (Anlage rop 1, Seite 1 Zeilen 15 bis 23). Letzteres ist zwar bei einer Dauerinfusion von Buprenorphin der Fall. Eine Dauerinfusion kann jedoch in der häuslichen Pflege regelmäßig nicht ohne ärztliche Hilfe angelegt und kontrolliert werden. Außerdem führt sie oftmals zu Entzündungen an der Eintrittstelle der Kanüle (Anlage rop 1, Seite 1 Zeilen 22 bis 24). Eine orale Depotform hat demgegenüber den bereits angesprochenen Nachteil der geringen Bioverfügbarkeit, wodurch eine hohe Dosierung notwendig ist, die die Gefahr von Nebenwirkungen wie Atemdepressionen infolge einer Überdosierung mit sich bringt. Darüber hinaus bereiten orale Depotformen nach den Angaben in der Verfügungspatentschrift Probleme im Hinblick auf die Dosierungen, wenn sowohl Präparate der Originalanbieter als auch Generika erhältlich sind. Denn es ist möglich, dass Generika mit gleicher in-vitro-Freisetzung wie Originalpräparate nicht die gleiche Wirksamkeit wie die Originalpräparate haben. Das bedeutet, dass es durch unkontrollierte Freisetzung in vivo zu Über- oder Unterdosierungen kommen kann. Des Weiteren kann eine orale Depotform beschädigt werden, was zur Freisetzung des Wirkstoffs auf einen Schlag führen kann, wobei die Arzneiform nach dem Einnehmen nicht unmittelbar aus dem menschlichen Körper entfernt werden kann (Anlage rop 1, Seite 1 Zeilen 26 bis 42).

Diese Nachteile werden durch transdermale, also den Wirkstoffen durch die Haut abgebende Therapiesysteme vermieden, da das Medikament nicht über Kanülen in den menschlichen Körper eingebracht werden muss und daher auch von einem medizinischen Laien appliziert werden kann. Gleichzeitig ist ständig eine konstante Arzneistoffzufuhr sichergestellt, die jederzeit durch Abreißen des Systems (Entfernen des Pflasters) unterbrochen werden kann (Anlage rop 1, Seite 1 Zeilen 43 bis 47).

Die Verfügungspatentschrift gibt an, dass ein transdermales therapeutisches System deshalb für Buprenorphin als Arzneiform der Wahl erscheint (Anlage rop 1, Seite 1 Zeile 47). Nach ihren Angaben steht dem allerdings entgegen, dass Buprenorphin ein hohes Molekulargewicht (M.G. 468) aufweist und durch seinen hohen Schmelzpunkt und seine überaus schlechte Löslichkeit in gängigen organischen Lösungsmitteln und Wasser nur ausgesprochen schlecht durch die menschliche Haut penetriert. Denn eine Diffusion, die Voraussetzung für die Penetration durch die menschliche Haut ist, erfordert gelöste Substanzen. Die Löslichkeit darf aber nicht durch Salzbildung erhöht werden, denn in ionisierter Form werden Basen nicht resorbiert (Anlage rop 1, Seite 2, Zeilen 43 bis 52). Die Verfügungspatentschrift gibt an, dass es deshalb bisher nicht gelungen sei, Buprenorphin transdermal in der erforderlichen Menge zur Resorption zu bringen (Anlage rop 1, Seite 2, Zeilen 53 bis 54).

Als Stand der Technik nennt die Verfügungspatentschrift in diesem Zusammenhang die EP-A-242 827 (Anlage AG 3/NiK 11), die ein flächenförmiges therapeutisches System mit flexibler Rückschicht offenbart, welche ein oder mehrere Wirkstoffreservoirs, eine oder mehrere haftklebende Schichten und eine ablösbare Schutzschicht für die Hautkontaktoberfläche aufweist. Ein Hinweis, wie Buprenorphin transdermal in ausreichender Menge zur Resorption gebracht werden könne, finde sich in dieser Druckschrift jedoch nicht (Anlage rop 1, Seite 2, Zeilen 53 bis 54).

Als weiteren Stand der Technik führt die Verfügungspatentschrift die EP-A-0 171 742 (Anlage AG 3/NiK 3) an, die nach ihren Angaben eine pharmazeutische Komposition eines Opioid enthaltenen Wirkstoffs und eines so genannten Vehikels als Übergangsstoff zur transdermalen Lieferung einer therapeutischen Dosis als Wirkstoff beschreibt. Als Arzneiform werde eine Lotion oder Creme definiert. Die Komposition enthalte einen Penetrationsbeschleuniger, wobei es jedoch an einer Angabe, wie eine zufriedenstellende Penetration des als Opioid verwendeten Buprenorphins verwirklicht werden könne, fehle (Anlage rop 1, Seite 3, Zeilen 6 bis 12).

Schließlich geht die Verfügungspatentschrift noch auf die US-A-4 844 903 (Anlage AG 3/NiK 6) ein, in der ein Pflaster für die transdermale Adsorption von pharmazeutischen Substanzen beschrieben ist. In dieser älteren Druckschrift, so die Verfügungspatentschrift, sei u.a. pauschal ausgeführt, dass die transdermale Adsorption nach dieser Patentschrift in gewünschter Weise durch die Wahl der Konzentration des Wirkstoffs in der Matrix beeinflusst werden könne. Diese Maßnahme habe jedoch enge Grenzen, insbesondere im Hinblick auf die Löslichkeit des Wirkstoffs (vgl. Anlage rop 1, Seite 3, Zeilen 13 bis 16).

Vor diesem Hintergrund hat es sich das Verfügungspatents zur Aufgabe gemacht, Buprenorphin oder eines seiner pharmazeutisch verträglichen Salze in einem transdermalen therapeutischen System bereitzustellen, das Buprenorphin oder dessen pharmazeutisch verträgliches Salz über einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden kontrolliert abgibt, das ferner gewährleistet, dass das Buprenorphin sich während der Lagerung des vorgefertigten transdermalen therapeutischen Systems nicht merklich zersetzt, und das sicherstellt, dass das unzureichend hautgängige Buprenorphin im geforderten Ausmaß in vivo durch menschliche Haut penetriert, wobei der Aufwand für das System minimiert sein soll (vgl. Anlage rop 1, Seite 3, Zeilen 17 bis 22).

Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 des Verfügungspatents die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Transdermales therapeutisches System in Form eines Pflasters zur Verabreichung von Buprenorphin an die Haut aus

(1.1) einer wirkstoffundurchlässigen Rückschicht,

(1.2) einer haftklebenden Reservoirschicht und

(1.3) einer wieder ablösbaren Schutzschicht.

(2) Die Reservoirschicht enthält

(2.1) 20 – 90 Gew.-% Polymermaterial,

(2.2) 0,1 – 30 Gew.-% Weichmacher,

(2.3). 0,1 – 20 Gew.-% Buprenorphinbase oder eines ihrer pharmazeutisch akzeptablen Salze,

(2.4) 0,1 – 30 Gew.-% Lösungsmittel für die Wirkstoffbase.

(3) Das im System verbleibende Lösungsmittel für Buprenorphin in der Reservoirschicht ist eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe.

II.
Der Senat vermag im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht festzustellen, dass die von der Beklagten unter der Bezeichnung „Buprenorphin A“ vertriebenen buprenorphinhaltigen Pflaster (nachfolgend auch: angegriffene Ausführungsformen) von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machen.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung in der Regel voraus, dass die Übereinstimmung des angegriffenen Gegenstandes mit der schutzbeanspruchten technischen Lehre und die Benutzungshandlungen entweder unstreitig oder für das Gericht hinreichend klar zu beurteilen sind, insbesondere kein Sachverständiger hinzugezogen werden muss. Die Kürze der im Eilverfahren bis zur gerichtlichen Entscheidung verfügbaren Zeit steht in der Regel – so auch hier – der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens entgegen (Senat, InstGE 9, 140, 146 Tz. 27 = Mitt. 2008, 327 = GRUR-RR 2008, 329 – Olanzapin). Im Entscheidungsfall ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand ohne Einholung eines solchen Gutachtens nicht feststellbar, ob die angegriffene Ausführungsform der in Patentanspruch 1 des Verfügungspatents unter Schutz gestellten technischen Lehre entspricht. Ohne sachverständige Beratung kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform das Merkmal (2.4) der vorstehenden Merkmalsgliederung verwirklicht.

1.
Gemäß Merkmal (2.4) enthält die Reservoirschicht des Pflasters 0,1 – 30 Gew.-%
Lösungsmittel für die Wirkstoffbase, wobei das Lösungsmittel in Merkmal (3) näher dahin beschrieben ist, dass das im System verbleibende Lösungsmittel für Buprenorphin in der Reservoirschicht eine Verbindung mit mindestens einer sauren Gruppe ist.

Die Verfügungspatentschrift hebt hervor, dass ein Weichmacher (Merkmal (2.2)) in Verbindung mit einem „Lösungsmittel“ für Buprenorphin erforderlich ist, um Buprenorphin transdermal applizieren zu können (Anlage rop 1, Seite 4, Zeilen 4 bis 5). Die Kombination Weichmacher/Lösungsmittel gemäß der Lehre der Erfindung schaffe die Voraussetzungen für die Penetration der Buprenorphinbase durch die Haut (Anlage rop 1, Seite 4, Zeilen 12 bis 13; vgl. a. Seite 6 Zeile 55 bis Seite 7 Zeile 2). Als besonders geeignete Lösungsmittel für Buprenorphin in der Matrix nennt die Verfügungspatentbeschreibung die Monoester von Dicarbonsäuren, z. B. Monomethylglutarat und Monomethyladipat (vgl. Anlage rop 1, Seite 4, Zeilen 14 bis 15; Unteransprüche 2 und 3). Nach dem allgemeinen Patentanspruch 1 sind „Lösungsmittel“ allerdings nicht nur die Monoester von Dicarbonsäuren, insbesondere nicht nur die in den Beispielen der Verfügungspatentschrift zum Einsatz kommenden Monomethylester der Glutar- bzw. Adipinsäure (vgl. Anlage rop 1, Seite 4, Zeile 57 und Tabelle auf Seite 6). Es kommen vielmehr grundsätzlich „alle Säuren in Frage, die Buprenorphin in ausreichendem Maße lösen, ohne dass es zu einer vollständigen Salzbildung kommt“, da in letzterem Fall nicht mehr mit einer Penetration durch die Haut gerechnet werden kann (vgl. Anlage rop 1, Seite 4, Zeilen 15 bis 17).

2.
Die Antragstellerin hat in erster Instanz unter Vorlage eigener Untersuchungsergebnisse behauptet, die angegriffenen Ausführungsformen enthielten als Lösungsmittel jeweils mindestens 0,8 Gew.-% Abietinsäure. Dem sind die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin entgegengetreten. Sie haben vor dem Landgericht vorgetragen, dass sich in den angegriffenen Ausführungsformen Abietinsäure mit einem Gehalt von lediglich 0,029 – 0,034 Gew.-% finde. Die Nebenintervenientin hat hierzu einen Prüfbericht des Labors für analytische und pharmazeutische Chemie B GmbH in C vorgelegt (Anlagen GL 2/2a), nach welchem mittels der HPLC-Methode gemäß Standardsarbeitsanweisung SAAA P664 (Bl. 219 – 220 GA) bei drei untersuchten Chargen eben ein solcher Abietinsäuregehalt ermittelt worden ist. Das Landgericht hat die Behauptung der Antragstellerin, die angegriffenen Pflaster enthielten mindestens 0,8 Gew.-% Abietinsäure, vor diesem Hintergrund zu Recht als nicht glaubhaft gemacht angesehen. In zweiter Instanz hält die Antragstellerin – nachdem sie sich im ersten Rechtszug von der Nebenintervenientin darüber hat belehren lassen müssen, wie der Abitiensäuregehalt zutreffend zu bestimmen ist – an ihrem erstinstanzlichen Vortrag nicht mehr fest. Im Berufungsrechtszug behauptet sie statt dessen erstmals, die angegriffenen Ausführungsformen enthielten als Lösungsmittel Dehydroabietinsäure (DHAA) mit einem Gehalt von mindestens 0,26 Gew.-%.

3.
Es handelt sich hierbei um völlig neuen Sachvortrag, den die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin bestreiten. Zwar können die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin nicht ausschließen, dass – nicht anders als im Falle von Abietinsäure (vgl. Anlage GL 2; Anlage GL 4, Seite 3, Ziff. 10; Anlagen rop 7 und 8, Annex 4, Seite 1; Anlage rop 21, Seite 2 Ziff. 10) – Dehydroabietinsäure in den angegriffenen Ausführungsformen enthalten sein kann, weil die angegriffenen Pflaster Glycerinester von hydriertem Kolophonium (Tallharz) als Klebrigmacher enthalten, Kolophonium sich aus Abietinsäure, Dehydroabietinsäure und anderen Harzsäuren zusammensetzt (vgl. Anlage rop 51) und nicht auszuschließen ist, dass nach der Veresterung im Kolophonium noch „Spuren“ von freier Dehydroabietinsäure verbleiben und infolgedessen – als „Verunreinigung“ – in das Endprodukt gelangen (vgl. hierzu auch 2. Gutachten v. Prof. Dr. D, Anlage GL 14, Seiten 2 bis 3, Ziff. 3. bis 8.). Sie bestreiten aber, dass in den angegriffenen Ausführungsformen 0,1 Gew.-% oder mehr Dehydroabietinsäure enthalten sind. Vor diesem Hintergrund ist bereits fraglich, ob die Antragstellerin mit ihrem neuen Vortrag in der Berufungsinstanz überhaupt noch gehört werden kann. Denn nach § 531 Abs. 2 ZPO, der grundsätzlich auch im einstweiligen Verfügungsverfahren anzuwenden ist (vgl. OLG Thüringen, OLG-NL 2004, 277; OLG Thüringen, GRUR-RR 2006, 283; Zöller/Gummer, ZPO, 27. Aufl., § 531 Rdnr. 1; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 925 Rdnr. 12; vgl. a. OLG Hamburg, GRUR-RR 2003, 135; OLG Stuttgart, OLGR 2005, 223 = BauR 2005, 605), sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in zweiter Instanz nur bei Vorliegen der in dieser Vorschrift unter Nr. 1 bis 3 aufgeführten Voraussetzungen zuzulassen, wobei vorliegend allein die Ausnahme des § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO eingreifen könnte. Ob die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift hier vorliegen, bedarf letztlich aber keiner Entscheidung. Denn der Erlass einer einstweiligen Verfügung scheidet auch bei Berücksichtigung des neuen Sachvortrags der Antragstellerin aus.

4.
Dass die angegriffenen Ausführungsformen 0,1 Gew.-% oder mehr Dehydroabietinsäure enthält, vermag der Senat im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht festzustellen.

Zur Glaubhaftmachung ihrer Behauptung, dass die angegriffenen Pflaster mindestens 0,26 Gew.-% Dehydroabietinsäure enthalten, hat die Antragstellerin als Anlage rop 32 (Annex 8) wiederum einen eigenen Versuchsbericht vorgelegt. Gemäß diesem Analysebericht wurde zunächst ein Gehalt von mindestens 0,26 Gew.-%. Dehydroabietinsäure mittels „halbquantitativer“ GC-MS-Bestimmung ermittelt (Anlage rop 32, Teil 3). Die Nebenintervenientin macht allerdings geltend, dass die von der Antragstellerin angewandte GC-MS-Methode wegen des Einsatzes von TSMH bzw. wasserhaltigem THF von vornherein ungeeignet sei, den Dehydroabietinsäure-Gehalt zuverlässig zu bestimmen. Dass die GC-MS-Methode wegen des Einsatzes von TSMH zu höheren Werten führen könne, da bei der Derivatisierung mit TSMH nicht nur Säuren, sondern auch Ester erfasst würden, haben die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin bereits in erster Instanz eingewandt (vgl. a. Anlage AG 7). Für die Berechtigung dieses Einwandes spricht, dass die Antragstellerin mittels dieser Methode einen Abietinsäuregehalt von 0,8 Gew.-% in den angegriffenen Ausführungsformen ermittelt hat, wohingegen das von der Nebenintervenientin beauftragte Labor für analytische und pharmazeutische Chemie B GmbH – wie bereits ausgeführt – auf der Grundlage der HPLC-Methode gemäß der Arbeitsanweisung SAA P664 einen Abietinsäuregehalt von lediglich bei 0,029 – 0,034 Gew.-% ermittelt hat. Die Richtigkeit des letzteren Werts wird von der Antragstellerin in zweiter Instanz nicht mehr in Zweifel gezogen. Die Antragstellerin behauptet zwar, sie habe die Verfahrensparameter der Methode nunmehr im Vergleich zur ersten Instanz angepasst, wobei für die Probenaufbereitung und Durchführung der Chromatographie als Aufschluss- und Fließmittel nicht TSMH, sondern THF zum Einsatz gekommen sei. Nach dem Vorbringen der Nebenintervenientin soll die
GC-MS-Methode allerdings auch wegen des Einsatzes von wasserhaltigem THF nicht geeignet sein. Die Nebenintervenientin hat zudem als Anlage G 21 eine eidesstattliche Versicherung des Leiters des Labors für analytische und pharmazeutische Chemie B GmbH vorgelegt, nach welcher die GC-MS-Analytik bei der quantitativen Bestimmung der Dehydroabietinsäure in den angegriffenen Pflastern Schwächen aufweisen soll und für eine quantitatve Bestimmung als nicht ausreichend angesehen wird. Die Antragstellerin, die die gaschromatographische Massenspektroskopie lediglich im Rahmen einer „Voruntersuchung“ angewandt hat, spricht selbst nur von einer „halbquantitativen“ Gehaltsbestimmung mittels GC-MS (vgl. Anlage rop 32, Seite 6; Berufungsbegründung, Seite 6 [Bl. 285 GA]), was eher gegen die hinreichende Eignung dieser Methode zur quantitativen Bestimmung von Dehydroabietinsäure spricht.

Die Antragstellerin hat zwar nunmehr selbst auch eine HPLC-Methode entsprechend der von der Antragsgegnerin in erster Instanz vorgelegten Arbeitsanweisung SAA P664 des Labors B entwickelt und eine entsprechende Messung durchgeführt, bei welcher nach ihren Angaben ein Gehalt von 0,39 Gew.-%. Dehydroabietinsäure in den Pflastern der Antragsgegnerin festgestellt worden ist (vgl. Anlage rop 32, Teil 4). Sie hat hiernach ferner ein externes Analyseinstitut, die F GmbH & Co. KG in Leverkusen, mit der Durchführung einer quantitativen Bestimmung gemäß dieser Arbeitsvorschrift sowie einer Validierung der Methode beauftragt (vgl. Anlage rop 33, [Annex 9]). Dabei ist nach ihren Angaben ein Gehalt von 0,28 Gew.-%. Dehydroabietinsäure festgestellt worden. Auch wenn die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin in zweiter Instanz keine gegenteiligen Untersuchungsergebnisse vorlegen, vermag der Senat – insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die von der Antragstellerin in erster Instanz überreichten Analyseergebnisse als nicht haltbar erwiesen haben – allein auf der Grundlage der von der Antragstellerin nunmehr vorgelegten Analysen ohne sachverständige Beratung nicht festzustellen, dass die angegriffenen Ausführungsformen tatsächlich 0,1 Gew.-%. oder mehr Dehydroabietinsäure enthalten.

Nach dem Vorbringen der Nebenintervenientin lässt sich die zur Abietinsäure entwickelte Standardarbeitsanweisung SAA P664 nicht einfach auf Dehydroabietinsäure übertragen. Abietinsäure wird im Rahmen der HPLC-Untersuchung bei einer Wellenlänge von 240 nm selektiert, wohingegen Dehydroabietinsäure bei einer Wellenlänge von 213 nm detektiert. Nach den Angaben der Nebenintervenientin soll im Bereich dieser Wellenlänge eine Vielzahl von Substanzen absorbieren, was die Bestimmbarkeit von Dehydroabietinsäure erheblich erschweren soll. Für die Richtigkeit dieses Vorbringens spricht der von der Nebenintervenientin als Anlage GL 17 vorgelegte „Zwischenbericht“ des Labors
Dr. E, aus dem u.a. hervorgeht, dass bei dieser Wellenlänge weitaus mehr Verunreinigungen in den Proben detektiert werden, als es bei den HPLC-Messungen der Abietinsäure bei 240 mm der Fall war (Anlage GL, Ziff. 2 a). Der besagte „Zwischenbericht“ kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Antragstellerin sowie dem Analyseinstitut F durchgeführte Analyse keine gesicherte Aussage zur Gehaltsbestimmung von Dehydroabietinsäure erlaube. Es wird vielmehr eine systematische Entwicklung und Validierung einer geeigneten Analysemethode für Dehydroabietinsäure als erforderlich angesehen, welche nach Einschätzung des von der Nebenintervenientin beauftragten Labors Dr. E frühestens in drei bis vier Monaten abgeschlossen sein soll (Anlage GL 17, „Zusammenfassung“). Das von der Nebenintervenientin als Anlage GL 19 ferner vorgelegte Privatgutachten von Prof. Dr. G („Analytik Dehydroabietinsäure II“) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die von der Antragstellerin vorgelegte HPLC-Analytik aufgrund verschiedener Schwächen und Unsicherheiten in der jetzigen Form nicht akzeptiert werden könne. Der Parteigutachter der Nebenintervenientin veranschlagt für die Durchführung geeigneter Untersuchungen sogar einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Seine Angaben hat Prof. Dr. G im Verhandlungstermin an Eides statt versichert (vgl. Anlage GL 19). Die von der Antragstellerin in zweiter Instanz vorgelegten Analyseergebnisse sind demgegenüber in erheblich kürzerer Zeit zu Stande gekommen, was gegen ihre Verlässlichkeit spricht. Nach den Einschätzungen der Privatgutachter der Nebenintervenientin sollen die Analyseergebnisse der Antragstellerin jedenfalls nicht hinreichend aussagekräftig sein. Insbesondere kommt der Parteigutachter Prof. Dr. G, hinsichtlich des Versuchsberichts gemäß Anlage rop 32 sowie des Analysenreports gemäß Anlage rop 33 zu dem Ergebnis, dass es sich bei der durchgeführten HPLC-Gehaltsbestimmung weder um eine aussagekräftige noch um eine zuverlässige Methode handele (Anlage GL 19, Seite 2 unter „HPLC-Analytik“). Der Senat vermag dies ohne sachverständige Beratung nicht zu beurteilen. Er kann mangels eigener Sachkunde insbesondere nicht beurteilen, ob die von der Antragstellerin vorgelegten Chromatogramme aus Sicht des Fachmanns einen gut separierten Peak zeigen, der eine einwandfreie Peakform aufweist. Nach den Ausführungen des Privatgutachters der Nebenintervenientin Prof. Dr. G zeigt das Chromatogramm in Figur 3 der Anlage rop 33 eine relativ dichte Aufeinanderfolge von Peaks, wobei das angeblich für Dehydroabietinsäure diagnostische Signal bei 8,541 min aufgrund seiner „Schulter“ im späteren Kurvenverlauf nach seiner Beurteilung eine unsymmetrische Form zeigen soll. Nach Auffassung des Privatgutachters der Nebenintervenientin spricht dies dafür, dass es sich hier nicht um eine Verbindung, sondern um ein Gemisch mehrerer Komponenten handelt (Anlage GL 19, Seite 2 unter „HPLC-Analytik“). Dass diese Beurteilung des Privatgutachters der Nebenintervenientin unzutreffend ist, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der „Erläuterungen“ der Antragstellerin im Verhandlungstermin nicht festzustellen. Ohne Hilfe eines gerichtlichen Sachverständigen kann der Senat nicht beurteilen, ob die von der Antragstellerin und der Nebenintervenientin vorgelegten Chromatogramme einwandfreie und klar separierte Peaks aufweisen oder nicht. Ebenso sieht sich der Senat außer Stande, die Berechtigung und Stichhaltigkeit der von der Nebenintervenientin gegenüber den Analysen der Antragstellerin ferner erhobenen Einwände selbst zu verifizieren. Die Entscheidung des Falls erfordert insgesamt chemische und analysetechnische Spezialkenntnisse, die dem Senat nicht eigen sind, sondern einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unzulässigen sachverständigen Beratung bedürfen.

5.
Das gilt letztlich auch hinsichtlich der Frage, was unter einem „Lösungsmittel“ im Sinne des Verfügungspatents zu verstehen ist, insbesondere was der Fachmann in diesem Zusammenhang den in der Tabelle auf Seite 6 der Verfügungspatentschrift angeführten Beispielen sowie der Beschreibungsstelle auf Seite 6, Zeilen 55 bis 57, die von einem „Lösungsvermittler“ spricht, entnimmt, und ob die nach dem Vortrag der Antragstellerin in den angegriffenen Ausführungsformen – möglicherweise nur als Verunreinigung des Klebstoffs („Glycerinester von hydriertem Kolophonium“) vorhandene – Dehydroabietinsäure, welche ebenso wie Buprenorphin bei Raumtemperatur ein Feststoff ist, ein solches „Lösungsmittel“ ist.

6.
Scheidet der Erlass einer einstweiligen Verfügung schon aus den vorstehenden Gründen aus, kommt es auf die zwischen den Parteien ferner diskutierten Streitfragen nicht an. Insbesondere kann dahinstehen, ob es vorliegend auch an dem für einen Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund fehlt.

III.
Da die Berufung der Antragstellerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.