2 U 30/03 – Schutzrolli für Kehlkopfoperierte

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 305

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. Juli 2004, Az. 2 U 30/03

1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Januar 2003 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 13.500 € abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 85.000 €.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters
200 13 409 (im Folgenden: Klagegebrauchsmuster), das am 3. August 2000 angemeldet und am 1. Februar 2001 eingetragen worden ist. Die Eintragung des Klagegebrauchsmusters ist am 8. März 2001 bekannt gemacht worden.

Die Ansprüche 1, 2 sowie 4 bis 7 des Klagegebrauchsmusters, welche die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit in Kombination geltend macht, lauten wie folgt:

Schutzrolli für Kehlkopfoperierte,

dadurch gekennzeichnet,

dass zwei Strickteile bzw. Stoffteile durch einen eingefassten Stehbund/ein Trägerband (2) so miteinander verbunden/vernäht sind, dass eine Einheit entsteht, der Stehbund/das Einfassband mit oder ohne Nahtstelle (3) kreisförmig geschlossen ist und der dadurch entstehende Ausschnitt (1) – vorzugsweise in Rundhalsform – die Möglichkeit bietet, den Schutzrolli durch diese Öffnung über den Kopf zu ziehen, eines der beiden Strick-/Stoffteile vorne getragen wird (4), sich vom Hals bis in den Brustbereich erstreckt und dabei auf beiden Schultern aufliegt (8), die im vorne liegenden Strick-/Stoffteil (4) im Bereich der Übergangsnaht von Stricklätzchen und Stehbund (6) eingenähte Schutzeinlage (5) den Bereich der operativ angelegten Halsöffnung verdeckt, eines der beiden Strick-/Stoffteile hinten getragen wird (7), nämlich im Nackenbereich anliegt und sich bis in den Rücken erstreckt, wobei es seitlich auf den beiden Schultern (8) aufliegt, keine zusätzlichen Verschlüsse angebracht sind und hierdurch der Stehbund/Einfassband sich optisch nicht mehr von einem herkömmlichen Oberbekleidungsteil mit Stehbund unterscheiden lässt.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 und 4 aus der Klagegebrauchsmusterschrift zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung, wobei die Figur 1 eine Ansicht von oben und die Figur 4 eine solche von unten zum Inhalt haben.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Schutzrollis unter der Bezeichnung „Larynx-Schutzrolli (Shirt-Form)“, wegen deren Beschaffenheit auf die von der Klägerin als Anlage K 5 und von der Beklagten als Anlage CCP 7 überreichten Musterstücke verwiesen wird.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Beklagte mache mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Schutzrollis von den Merkmalen der oben genannten Ansprüche des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch und verletze damit dieses Schutzrecht.

Sie hat beantragt,

I.
die Beklagte zu verurteilen,

1.
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Schutzrollis für Kehlkopfoperierte herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen zwei Strickteile bzw. Stoffteile durch einen eingefassten Stehbund/ein Trägerband so miteinander verbunden/vernäht sind, dass eine Einheit entsteht, wenn hierbei der Stehbund mit oder ohne Nahtstelle kreisförmig geschlossen ist und der dadurch entstehende Ausschnitt – vorzugsweise in Rundhalsform – die Möglichkeit bietet, den Schutzrolli durch diese Öffnung über den Kopf zu ziehen, und eines der beiden Strick-/Stoffteile vorne getragen wird, sich vom Hals bis in den Brustbereich erstreckt und dabei auf den Schultern aufliegt und die im vorne liegenden Strick-/Stoffteil im Bereich der Übergangsnaht von Stricklätzchen und Stehbund eingenähte Schutzeinlage den Bereich der operativ angelegten Halsöffnung verdeckt und eines der beiden Strick-/Stoffteile hinten getragen wird, nämlich im Nackenbereich anliegt und sich bis in den Rücken erstreckt, wobei es seitlich auf den beiden Schultern aufliegt, und keine zusätzlichen Verschlüsse angebracht sind und hierdurch der Stehbund sich optisch nicht mehr von einem herkömmlichen Oberbekleidungsteil mit Stehbund unterscheiden lässt;

2.
ihr – der Klägerin – darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie
– die Beklagte – die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. September 2001 begangen habe, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten
und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschrif-
ten der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten
und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschrif-
ten der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs-
kosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten hinsichtlich ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt eingeräumt werden könne;

sowie

II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 8. September 2001 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und eingewendet: Abgesehen davon, dass der angegriffene Schutzrolli nicht alle Merkmale der geltend gemachten Anspruchskombination des Klagegebrauchsmusters verwirkliche, sei dieses jedenfalls nicht schutzfähig, weil es nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das Urteil vom 14. Januar 2003 wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, während die Klägerin um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die Berufung ist begründet und führt zur Klageabweisung, weil der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zustehen, denn das Klagegebrauchsmuster ist nicht schutzfähig.

1.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Rolli für Patienten mit Luftröhrenschnitt und Kehlkopfoperierte, die durch eine operativ angelegte Öffnung im Hals (ein sogenanntes Tracheostoma) atmen.

Die Klagegebrauchsmusterschrift führt aus:

Für solche Zwecke seien bislang lätzchenartige Tücher, Schals und auch Rollis angeboten worden, die den Zweck hätten, die Atemluft zu filtern, anzufeuchten und zu erwärmen, und die gleichzeitig der Aufnahme von Trachealsekret sowie als optischer Schutz dienten. Bereits bekannte Schutzrollis für Halsatmer bestünden aus einem luftdurchlässigen Textilgewebe (in der Regel Strickwaren) in Lätzchenform mit angenähtem halsnahen gestrickten oder gewebten Stehbund oder Einfassband. Dieser Stehbund / dieses Einfassband werde wie ein Befestigungsband verwendet, das um den Hals gelegt werde. Der Stehbund sei an den Enden so vernäht, dass ein Ausfransen verhindert werde. Um eine Anpassung an verschiedene Halsweiten zu ermöglichen, sei der Verschluss am Schutzrolli selbst noch nicht gebrauchsfertig vorhanden, sondern müsse vom Anwender des Schutzrollis erst noch angebracht bzw. hergestellt werden, wobei ihm z.B. mitgelieferte Klett- und Flauschbänder zur Verfügung stünden, die an dem gestrickten Stehbund/Einfassband aufgebracht und angenäht werden müssten. Je nach Halsweite werde auch ein Kürzen des Stehbundes/Einfassbandes durch den Anwender erforderlich, bevor die Klettelemente aufgenäht werden könnten. Hier bestehe die Gefahr, dass die Strickware ausfranse bzw. die Strickmaschen sich auffädelten.

Das umständliche, zeitaufwändige und teilweise auch schwierige Verschlußsystem überfordere viele Anwender, da die textile Schutzvorrichtung nicht sofort einsetzbar sei, sondern dem Anwender einige eigenhandwerkliche Tätigkeiten abverlange. Zudem lägen die Klett- und Flauschbänder direkt auf der Haut des Patienten auf und könnten hier störende Hautreibungen verursachen, was vom Anwender als unangenehm empfunden werde.

Nachteilig sei auch der optische Eindruck, den herkömmliche Schutzrollis böten. Der/das relativ schmale Stehbund/Einfassband und der Verschluss mit Klettstreifen ließen sofort erkennen, dass es sich nicht um einen normalen Stehbund-Rolli oder Pullover handele, und lenkten die Aufmerksamkeit des Betrachters auf diese Schutzvorrichtung.

Die Klagegebrauchsmusterschrift bezeichnet es dann als Aufgabe der Erfindung, einen Schutzrolli für Kehlkopfoperierte anzubieten, der ein einfaches Verschlußsystem integriere, sofort einsetzbar, für verschiedene Halsweiten geeignet und hautfreundlich sei.

Das so bezeichnete technische Problem soll erfindungsgemäß (nach den Ansprüchen 1, 2 sowie 4 bis 7 des Klagegebrauchsmusters) gelöst werden durch folgende Ausgestaltung:

1. Schutzrolli für Kehlkopfoperierte;

2. der Schutzrolli umfasst zwei Strickteile bzw. Stoffteile;

3. die Teile sind durch einen eingefassten Stehbund/ein Trägerband (2) so
miteinander verbunden/vernäht, dass eine Einheit entsteht;

4. der Stehbund/das Einfassband ist

a) mit oder ohne Nahtstelle (3) kreisförmig geschlossen;

b) der dadurch entstehende Ausschnitt (1) – vorzugsweise in Rund-
halsform – lässt sich über den Kopf ziehen;

5. eines der beiden Strick-/Stoffteile wird vorne (4) getragen,

a) erstreckt sich vom Hals bis in den Brustbereich und

b) liegt auf beiden Schultern auf (8);

6. im vorne liegenden Strick-/Stoffteil im Bereich der Übergangsnaht von
Stricklätzchen und Stehbund (6)

a) ist eine Schutzeinlage eingenäht,

b) diese verdeckt den Bereich der operativ angelegten Halsöffnung;

7. eines der beiden Strick-/Stoffteile wird hinten (7) getragen,

a) liegt im Nackenbereich an,

b) erstreckt sich bis in den Rücken und

c) liegt seitlich auf den Schultern auf;

8. zusätzliche Verschlüsse sind nicht vorhanden;

9. der Stehbund/das Einfassband lässt sich optisch nicht mehr von einem
herkömmlichen Oberbekleidungsteil mit Stehbund unterscheiden.

Die Klagegebrauchsmusterschrift hebt hervor, bei dem erfindungsgemäßen Schutzrolli dehne sich das Stricklätzchen bis in den Schulter- und Rückenbereich aus und biete so Halt unter einem Hemd oder einer Jacke. Der Stehbund/das Einfassband gehe rundum in das angenähte Stricklätzchen über, und die Ränder des Schutzrollis seien optisch nicht mehr zu erkennen, da sie von der Oberbekleidung des Anwenders verdeckt werden könnten.

2.
Das Klagegebrauchsmuster erfüllt nicht die Voraussetzungen für einen Gebrauchsmusterschutz (§ 1 Abs. 1 GebrMG), weil es angesichts des Standes der Technik zur Zeit seiner Anmeldung nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht.

Zu dem genannten Stand der Technik gehört u.a. das aus dem deutschen Gebrauchsmuster 80 14 544 (Anlage K 2, Veröffentlichungstag 18. September 1980), bekannte „hygienische Schutzkleidungsstück für an einer äußerlich erkennbaren Schädigung des Kehlkopfes leidende Personen“, das aus einem Kragen und einem die Brust der Trägerperson teilweise bedeckenden Stoffstück besteht, welches auf seiner der Trägerperson zuzukehrenden Seite im Kehlkopfbereich ein Filter- und Absorptionsstück (5) trägt. Nachstehend sind die in der genannten Gebrauchsmusterschrift enthaltenen Figuren 1 und 2 wiedergegeben:

In diesen Figuren ist der Kragen als offener Kreisring ausgebildet, dessen Enden – z.B. mit Hilfe eines Klettverschlusses – miteinander verbunden werden können. Anspruch 1 des genannten Gebrauchsmusters spricht insoweit lediglich von einem „der Trägerperson zuzuordnenden Kragen (2)“. Die Ansprüche 2 bis 5 umschreiben unterschiedliche Ausgestaltungen eines solchen, als offener Kreisring ausgebildeten Kragens, während Anspruch 9 ein Kleidungsstück nach Anspruch 1 lehrt, bei dem „der Kragen (2) einen geschlossenen, in sich elastischen Kreisring bildet“. Im Zusammenhang damit hebt die Beschreibung (Seite 8, 3. Absatz) hervor, gegebenenfalls könne der Kragen „auch in sich geschlossen und elastisch sein, um nach der Art eines Pullovers über den Kopf gezogen zu werden“.

Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass das genannte Gebrauchsmuster auch ein lätzchenartiges Kleidungsstück für kehlkopfoperierte Personen offenbart, bei dem das „Lätzchen“ an einem von vornherein geschlossen Rundkragen nach Art eines Pulloverkragens befestigt ist, der sich infolge seiner Elastizität so weiten lässt, dass er über den Kopf des Benutzers gezogen werden kann.

Auf Seite 9, 2. Absatz weist die Beschreibung des genannten Gebrauchsmusters noch darauf hin, „das Kleidungsstück gemäß der Neuerung“ habe „nicht nur aus Gründen des Schutzes und der Gesundheit für am Kehlkopf erkrankte Personen seine Bedeutung“, sondern könne „auch aus Gründen der Ästhetik und Hygiene beispielsweise unter einem Hemd oder einem anderen entsprechenden Kleidungsstück getragen werden“.

Das in dem deutschen Gebrauchsmuster 80 14 544 offenbarte Schutzkleidungsstück mit geschlossenem Rundkragen weist vor allem einen Nachteil auf, auf den der Durchschnittsfachmann bei einem Ausprobieren sehr schnell stoßen wird: Das nur am Rundkragen gehaltene Lätzchen kann, weil es von den Seiten her und – was noch wichtiger und allein entscheidend ist – im Schulterbereich allenfalls durch ein darüber getragenes Hemd oder anderes Kleidungsstück festgelegt wird, insbesondere mit seinen Randbereichen leicht von den Schulterpartien herabrutschen und sich dabei verziehen, so dass sich im Bereich der Schutzeinlage Falten bilden. Das ist nicht nur aus Gründen der Ästhetik störend, sondern kann vor allem auch die Funktion der Schutzeinlage nachteilig beeinflussen.

Der Durchschnittsfachmann, der das erkennt und danach trachtet, diese Nachteile des bekannten Schutzkleidungsstückes zu beseitigen, wird Lösungsversuche von vornherein verwerfen, die darin bestehen, das Schutzlätzchen mittels Klett- oder Flauschbändern oder dergleichen an der darüber getragenen „normalen“ Kleidung zu befestigen; das wäre nämlich nicht nur sehr unpraktisch, weil es die Anbringung von Befestigungsstellen oder dergleichen an diesen Kleidungsstücken erfordern würde, sondern darüber hinaus auch störend, weil die Klett- oder Flauschbänder zum Teil direkt auf der Haut der Trägerperson auflägen und hier unangenehme Hautreibungen verursachen könnten, wie es die Klagegebrauchsmusterschrift bei den von ihr als vorbekannt geschilderten Schutzrollis als nachteilig hervorhebt.

Der Durchschnittsfachmann, der das aus dem Gebrauchsmuster 80 14 544 bekannte Schutzkleidungsstück mit geschlossenem Rundkragen verbessern will, wird daher nach anderen Lösungen seines Problems suchen. Dabei wird er durch die genannte Gebrauchsmusterschrift unmittelbar dazu angeregt, sich nicht nur auf dem verhältnismäßig engen Gebiet der Schutzkleidung für Kehlkopfoperierte umzusehen, sondern auch auf dem weiteren Gebiet der allgemeinen Ge- brauchstextilien, denn – vgl. die obigen Ausführungen – die Beschreibung des genannten Gebrauchsmusters weist ausdrücklich darauf hin, das dort beschriebene Schutzkleidungsstück diene auch ästhetischen Zwecken – also solchen, für deren Erfüllung in erster Linie „normale“ Kleidungsstücke bestimmt sind -, weil es unter einem Hemd oder einem anderen entsprechenden Kleidungsstück getragen werden könne.

Auf dem Gebiet der allgemeinen Textilien waren am Prioritätstage des Klagegebrauchsmusters Gestaltungen bekannt, wie sie sich aus den von der Beklagten im Berufungsverfahren überreichten US-Patentschriften 4 780 912 (Anlage CCP 4) und 4 833 732 (Anlage CCP 5) ergeben.

An der Berücksichtigung dieser Schriften ist der Senat nicht durch § 531 Abs. 2 ZPO n.F. gehindert, denn die Klägerin bestreitet nicht – und könnte das angesichts der Datenangaben auf den vorgelegten Patentschriften auch nicht -, dass diese vor dem 3. August 2000, dem Prioritätstage des Klagegebrauchsmusters, veröffentlicht worden sind und daher am Anmeldungstage des Klagegebrauchsmusters zum Stand der Technik gehörten. Unstreitiges Vorbringen unterliegt aber keiner Zurückweisung nach § 531 ZPO (vgl. dazu Zöller-Gummer-Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 531 Rdnr. 10 m.w.N.).

Die genannten US-Patentschriften, vor allem die US-PS 4 833 732, offenbaren Rollis, die lediglich Brust, Rücken und Schultern ihres Trägers bedecken und einen Stehbund haben. Zwar weisen die in den Figuren beider genannten Schriften dargestellten Ausführungsbeispiele sämtlich einen Kragen auf, der als offener, vom Träger erst noch mit Hilfe von Klettverschlüssen oder anderen Vorrichtungen zu schließender Kreisring o. dgl. ausgebildet ist, der Durchschnittsfachmann sieht aber ohne weiteres, dass die dort gezeigten Kleidungsstücke problemlos auch mit einem geschlossenen, elastischen Kragen entsprechend dem deutschen Gebrauchsmuster 80 14 544 versehen werden können.

Der Durchschnittsfachmann, der sich auch an den genannten US-Patentschriften orientiert, erkennt ohne weiteres, dass dann, wenn ein Schutzkleidungsstück außer einem mit einer Schutzeinlage versehenen Brustteil auch ein Rückenteil aufweist – wie es z.B. in den Figuren 1 und 2 der US-PS 4 833 732 gezeigt ist -, das Brustteil nicht mehr von den Schulterpartien herunterrutschen und deshalb unerwünschte Falten bilden kann, weil es nämlich infolge seiner Verbindung mit dem Rückenteil im Schulterbereich festgehalten wird. Er kann daher die aus den Ansprüchen 1, 2 sowie 4 bis 7 des Klagegebrauchsmusters ersichtliche Gestaltung auffinden, ohne dass es dazu eines erfinderischen Schrittes bedarf.

Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, zwischen der Veröffentlichung des ein Schutzkleidungsstück betreffenden deutschen Gebrauchsmusters 80 14 544 und der Anmeldung des Klagegebrauchsmusters mit dem verbesserten Schutzkleidungsstück habe ein Zeitraum von etwa 20 Jahren gelegen, was dafür spreche, die Lösung des Klagegebrauchsmusters sei nicht ohne weiteres auffindbar gewesen. Denn das Verstreichen eines längeren Zeitraumes bis zur Auffindung einer neuen Lösung kann nur dann ein Indiz dafür darstellen, diese neue Lösung sei erfinderisch, wenn während dieses längeren Zeitraumes immer wieder von den beteiligten Kreisen versucht worden ist, eine neue Lösung zu finden. Dass das auf dem vorliegenden Gebiet der Schutzkleidung für Kehlkopfoperierte in der Zeit zwischen 1980 und der Anmeldung des Klagegebrauchsmusters der Fall gewesen sei, behauptet auch die Klägerin nicht.

Angesichts der dargelegten Umstände ist durch die Eintragung des Klagegebrauchsmusters mit den Ansprüchen 1, 2 sowie 4 bis 7 kein Gebrauchsmusterschutz für die Klägerin begründet worden (§§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG).

3.
Die Klage war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

4.
Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind: Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung die Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

R1 R2 R4