2 U 139/02 – Thermische Behandlung von Rohmehl, Wirbelkammer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 290

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. März 2004, Az. 2 U 139/02

Vorinstanz: 4 O 417/01

Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. September 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von € 1.100.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 1.022.583,76 = DM 2.000.000,00 festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents
0 497 937 (Anlage 2; nachfolgend : Klagepatent I ), des deutschen Patents 40 26 814 (Anlage 3; nachfolgend: Klagepatent II ) und des deutschen Gebrauchsmusters 90 18 023 (Anlage 4; nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch und bittet überdies um die Feststellung, dass die Beklagte ihr wegen der schutzrechtsverletzenden Handlungen zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Sämtliche Schutzrechte, die in Kraft stehen, betreffen eine Anlage zur thermischen Behandlung von mehlförmigen Rohmaterialien. Das Klagepatent II beruht auf einer Anmeldung vom 24. August 1990. Diese Prioriät nehmen das Klagepatent I und das Klagegebrauchsmuster in Anspruch.

Der Anspruch 1 des Klagepatents I hat folgenden Wortlaut:

„Anlage zur thermischen Behandlung von mehlförmigen Rohmaterialien, insbesondere bei der Herstellung von Zementklinker aus Rohmehl, wobei das Rohmehl in einem Brennprozeß durch Vorwärmen, Calcinieren, Sintern und Kühlen thermisch behandelt wird, und der Abgasstrom der Sinterstufe und der Abluftstrom der Kühlstufe aus dem Klinkerkühler getrennt oder gemeinsam in der mit Brennstoff versorgten Calcinierstufe (17) zur Calcination des Rohmehls genutzt werden, wobei die Gas-Feststoffsuspension in der Calcinierstufe (17) aus einem aufsteigenden Rohrleitungsast (30) in einen absteigenden Rohrleitungsast (32) umgelenkt und in den untersten Zyklon des Zyklonschwebegas-Wärmetauschersystems zwecks Abtrennung des calcinierten Rohmehls vom Gasstrom eingeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß in der Calcinierstufe (17) im Bereich ihrer Strömungsumlenkung eine Wirbelkammer (33) mit Abtrennung wenigstens eines Teils wenigstens von Grobkornanteilen (37) aus der Gas-Feststoffsuspension und Wiedereinführung des abgetrennten Feststoffanteils in den der Wirbelkammer (33) strömungsseitig vorgeschalteten und/oder nachgeschalteten Ast (30 bzw. 32) der Calcinierstufe (17) angeordnet ist.“
Der Patentanspruch 1 des Klagepatents II lautet wie folgt:

„Anlage zur thermischen Behandlung von mehlförmigen Rohmaterialien, insbesondere bei der Herstellung von Zementklinker aus Rohmehl, wobei das Rohmehl in einem Brennprozeß mit Vorwärmstufe (11), Calcinierstufe (17), Drehrohrofen (23) und Klinkerkühler (24) thermisch behandelt wird, wobei die Calcinierstufe (17) mit Abgas aus dem Drehrohrofen (23) , mit Tertiärluft aus dem Klinkerkühler (24), mit Rohmehlzuführung (20,21) und mit Brennstoffzuführung (26, 27) versorgt ist, und wobei die Gas-Feststoffsuspension in der Calcinierstufe (17) aus einem aufsteigenden Rohrleitungsast (30) in einen absteigenden Rohrleitungsast (32) umgelenkt und in den untersten Zyklon des Zyklonschwebegas-Wärmetauschersystems zwecks Abtrennung des calcinierten Rohmehls vom Gasstrom eingeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß in der Calcinierstufe (17) im Bereich ihrer Strömungsumlenkung eine Wirbelkammer (33) mit Abtrennung wenigstens eines Teils wenigstens von Grobkornanteilen (37) aus der Gas-Feststoffsuspension und Wiedereinführung des abgetrennten Feststoffanteils in den der Wirbelkammer (33) strömungsseitig vorgeschalteten und/oder nachgeschalteten Ast (30 bzw. 32) der Calcinierstufe (17) angeordnet ist.“ Der Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters hat folgenden Inhalt:

„Anlage zur thermischen Behandlung von mehlförmigen Rohmaterialien, insbesondere bei der Herstellung von Zementklinker aus Rohmehl, wobei das Rohmehl in einem Brennprozeß durch Vorwärmen, Calcinieren, Sintern und Kühlen thermisch behandelt wird, und der Abgasstrom der Sinterstufe und der Abluftstrom der Kühlstufe aus dem Klinkerkühler getrennt oder gemeinsam in der mit Brennstoff versorgten Calcinierstufe zur Calcination des Rohmehls genutzt werden, wobei die Gas-Feststoffsuspension in der Calcinierstufe umgelenkt und in den untersten Zyklon des Zyklonschwebegas-Wärmetauschersystems zwecks Abtrennung des calcinierten Rohmehls vom Gasstrom eingeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß in der Calcinierstufe (17) im Bereich ihrer Strömungsumlenkung eine Wirbelkammer (33) mit Abtrennung wenigstens eines Teils wenigstens von Grobkornanteilen (37) aus der Gas-Feststoffsuspension und Wiedereinführung des abgetrennten Feststoffanteils in den der Wirbelkammer
(33) strömungsseitig vorgeschalteten und/oder nachgeschalteten Ast (30 bzw. 32) der Calcinierstufe (17) angeordnet ist.“

Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 der drei parallelen Schutzrechte verdeutlicht die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispieles, wobei diese Figur eine schematische Ansicht der erfindungsgemäßen Zementklinkerpro-duktionslinie mit in der Calcinierstufe angeordneter Wirbelkammer zeigt.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Ofenanlagen für die Herstellung von Zementklinker, wie sie sich aus den Anlagen 9, 9a ergeben, wobei die Calcinierstufe – soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse – in insgesamt drei unterschiedlichen Ausstattungsvarianten angeboten wird. Eine erste Variante ergibt sich aus der Anlage 9 b rechte Seite, die nachstehend verkleinert wiedergegeben ist.

Eine zweite Variante zeigt die nachstehend verkleinert wiedergegebene linke Seite der Anlage 9 b:

Die dritte Ausführungsform ergibt sich schließlich aus der nachstehend wiedergebenen Anlage 10 a:

Die Klägerin macht geltend, sämtliche zuvor dargestellten Ausführungsformen machten wortsinngemäß von den Ansprüchen 1 der drei Klageschutzrechte Gebrauch. Sie alle verfügten in der Calcinierstufe im Bereich ihrer Strömungsumlenkung auch über eine „Wirbelkammer“ im Sinne der Erfindung, in welcher wenigstens ein Teil wenigstens von Grobkornanteilen aus der Gas-Feststoffsuspension abgetrennt werde, wobei dieser abgetrennte Feststoffanteil entsprechend der erfindungsgemäßen Lehre in den der Wirbelkammer strömungsseitig vorgeschalteten Ast der Calcinierstufe wieder eingeführt werde. Die „Wirbelkammer“ werde von der in Anlagen 9 b und 10 gelb gekennzeichneten Umlenkkammer gebildet, in der die Gas-Feststoffsuspension um mindestens zweimal annähernd 180° umgelenkt werde.

Die Beklagte verteidigt sich mit dem Argument, dass die angegriffenen Ausführungsformen keine „Wirbelkammer“ im Wortsinne der Erfindung aufwiesen. Sie macht ferner geltend, dass die vom Wortlaut der Ansprüche 1 abweichende Gestaltung des Umlenkungsbereiches gegenüber der erfindungsgemäßen Gestaltung auch nicht patentrechtlich äquivalent sei, weil die angegriffenen Ausführungsformen von wesentlichen Vorteilen der Erfindung keinen Gebrauch machten und sie auch nicht den durch die Ansprüche der Klageschutzrechte vorgezeichneten Lösungsweg benutzten. Schließlich scheitere die Annahme patentrechtlicher Äquivalenz auch am Stand der Technik. Der einschlägige Stand der Technik, von dem ihre Ausführungsformen abgeleitet seien, ergebe sich aus den Anlagen B 2/B 2 a sowie B 3. Gegenüber diesem Stand der Technik stellten die angegriffenen Ausführungsformen keine erfinderischen Weiterentwicklungen dar, sondern seien für den Fachmann naheliegend gewesen.

Zum anderen verteidigt sich die Beklagte – hilfsweise (vgl. Schriftsatz vom 27. März 2002 Seite 45 – Bl. 83 GA) – mit dem Argument, dass ihr ein privates Vorbenutzungsrecht zustehe.

Das Landgericht hat antragsgemäß in der Sache wie folgt erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Anlagen zur thermischen Behandlung von mehlförmigen Rohmaterialien, insbesondere zur Herstellung von Zementklinker aus Rohmehl, wobei das Rohmehl in einem Brennprozeß durch Vorwärmen, Calcinieren, Sintern und Kühlen thermisch behandelt wird, und der Abgasstrom der Sinterstufe und der Abluftstrom der Kühlstufe aus dem Klinkerkühler getrennt oder gemeinsam in der mit Brennstoff versorgten Calcinierstufe zur Calcination des Rohmehls genutzt werden, wobei die Gas-Feststoffsuspension in der Calcinierstufe aus einem aufsteigenden Rohrleitungsast in einem absteigenden Rohrleitungsast umgelenkt und in den untersten Zyklon des Zyklonschwebegas-Wärmetauschersystems zwecks Abtrennung des calcinierten Rohmehls vom Gasstrom eingeführt wird,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen in der Calcinierstufe im Bereich ihrer Strömungsumlenkung eine Umlenkkammer angeordnet ist, in der die Gas-Feststoffsuspension um mindestens zweimal annähernd 180 Grad umgelenkt wird, und eine Abtrennung wenigstens eines Teils wenigstens von Grobkornanteilen aus der Gas-Feststoffsuspension und Wiedereinführung des abgetrennten Feststoffanteils in den der Umlenkkammer strömungsseitig vorgeschalteten und/oder nachgeschalteten Ast der Calcinierstufe vorgesehen sind;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu 1. bezeicheten Handlungen seit dem 3. März 1994 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten,
-preisen, den Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der ge-
werblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,-zeiten, -prei-
sen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werberträgern, deren Aufla-
genhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten
und des erzielten Gewinns.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der E2 AG (vormals L AG) durch die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 3. März 1994 bis 19. September 2001 begangenen Handlungen, und der Klägerin durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 19. September 2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der Lehre der Ansprüche 1 der Klageschutzrechte Gebrauch machten, wobei dies auch für das Merkmal „Wirbelkammer“ gelte, welches der durch die Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann funktionsorientiert auslege und dahin verstehe, dass es sich um einen baulichen Bestandteil des Calcinators handele, der 1. eine gute Durchmischung der Gas-Feststoffsuspension mit dem Luftsauerstoff gewährleiste, als Folge dessen 2. eine im Vergleich zu herkömmlichen Calcinatoren mit Rohrleitungskrümmer geringere Bauhöhe ermögliche, 3. für eine Abscheidung der Grobkornanteiles aus der Gas-Feststoffsuspension zum Zwecke ihrer Rezirkulation in der Calcinatorstufe sorge und 4. in welchem ein Wirbelstrom entstehe, wobei dies beispielsweise dadurch geschehen könne, dass die Wirbelkammer eine Öffnung zum tangentialen Eintritt der Gas-Feststoffsuspension und eine Öffnung zum tangentialen Austritt aufweise, wobei die Eintrittsöffnung an dem aufsteigenden Ast und die Austrittsöffnung an den absteigenden Ast der Calcinierstufe angeschlossen seien. Soweit die Klageschutzrechte in der „Wirbelkammer“ die Entstehung eines „Wirbelstroms“ verlangten, habe der Fachmann keine Veranlassung zu der Annahme, hiermit sei ein ganz bestimmte Art von Strömung gemeint. Tauglich für die Erreichung der erfindungsgemäßen Ziele und Vorteile und damit von dem Begriff „Wirbelstrom“ umfasst sei vielmehr jedwede Strömung, die Verwirbelungen aufweise und die damit geeignet sei, einerseits das Strömungsmedium zu durchmischen und andererseits grobe Feststoffanteile abzuscheiden. – Ohne Erfolg berufe sich die Beklagte auf ein privates Vorbenutzungsrecht. Dabei könne zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass sie am Prioritätstag der Klageschutzrechte im Erfindungsbesitz gewesen sei, doch ihrem Vorbringen lasse sich nicht entnehmen, dass sie am Prioritätstag bereits Benutzungshandlungen vorgenommen oder Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der (gewerblichen) Benutzung getroffen habe. Der einem Konstrukteur der Beklagten erteilte Auftrag zur Erstellung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b stelle eine solche Veranstaltung nicht dar. Dies gelte zum einen deshalb, weil diese Zeichnung für das Projekt Pro bestimmt gewesen sei, wie nicht nur die Bezeichnung auf dieser Anlage deutlich mache, sondern auch der Vortrag der Beklagten und die Zeichnung für das Projekt Pro keine Verwendung gefunden habe, weil bei Fertigstellung der Zeichnung am 4.9.1990 das Projekt Pro schon zu weit fortgeschritten gewesen sei (vgl. Vortrag der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 27. März 2002 Seite 56 – Bl. 94 GA). Damit sei der Entschluss, die Zeichnung gewerblich zu nutzen, nämlich für das Projekt Pro, ein nur bedingter Entschluss gewesen, der unter dem Vorbehalt einer überhaupt gegebenen Realisierungsmöglichkeit gefasst worden sei. Dieser Entschluss sei nach dem 4.9.1990 aufgegeben worden. Dass die Beklagte vor dem Prioritätstag ganz generell den Entschluss gefasst habe, die in der Anlage 9 b verkörperte technische Lehre gewerblich zu nutzen, sei nach dem Vorbringen der Beklagten nicht eindeutig zu bejahen. Einiges spreche dafür, dass es bei der Erstellung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b nur um das Projekt Pro gegangen sei. Es sei auch nicht klar, ob die Beklagte sich bis zum Prioritätstag überhaupt Gedanken gemacht habe, die Zeichnung über das Vorhaben „Pro“ hinaus zu benutzen. Letztlich könne all dies jedoch dahingestellt bleiben, da in der Anfertigung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b kein Akt gesehen werden könne, der nach außen (objektiv) deutlich mache , dass die betreffende Erfindung alsbald gewerblich benutzt werden solle. Dabei möge es sein, dass im Bereich des großindustriellen Anlagenbaues eingehende Planungs- und Konstruktionsvorleistungen erbracht werden müssten, bevor überhaupt die Aussicht bestehe, in Verhandlungen über die Vergabe eines Auftrages eintreten zu können. Es möge auch zutreffen, dass Zeichnungen gemäß Anlage 9 b als solche verkauft werden könnten , wenn der Kunde nur an Ingenieurleistungen interessiert sei. Andererseits sei eine solche Zeichnung jedoch typischerweise ein Mittel, um neu entwickelte technische Ideen festzuhalten. Handskizzen wie die Anlagen K 1 bis K 3 seien zu einer ordnungsgemäßen Dokumentation dessen, was Gegenstand der Neuentwicklung sei, nicht geeignet. Eine Zeichnung wie die Anlage 9 b könne deshalb für sich gesehen und objektiv betrachtet lediglich den Sinn haben, die betreffende Technik in einer Weise zu dokumentieren, dass sie in den „Ideenvorrat“ des Unternehmens aufgenommen worden sei, so dass auf sie bei sich bietender Gelegenheit zurückgegriffen werden könne. Unter solchen Umständen lägen bloß vorsorgliche Bemühungen vor , aber noch keine „Veranstaltungen zur alsbaldigen Benutzungsnahme“ im Sinne von § 12 PatG. Hier lägen keine zusätzlichen Momente vor, denen man entnehmen könne, dass die Fertigung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b nach außen erkennbar den festen Entschluss der Beklagten zur alsbaldigen gewerblichen Nutzung dokumentiere.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es .

Die Beklagte macht insbesondere unter Berufung auf die von ihr vorgelegten Privatgutachten (Anlagen W 1, W 1a, W 2) geltend, dass der durch die Klageschutzrechte angesprochene Fachmann mit dem in den Klageschutzrechten gebrauchten Begriff „Wirbelkammer“ eine ganz bestimmte Bedeutung verbinde, die dahin gehe, dass es sich um einen Raum bzw. eine Kammer handele, in welchem bzw. welcher ein ortsfester Makrowirbel mit den Abmessungen des Raumes bzw. der Kammer erzeugt werde, wobei zur Erzeugung dieses Wirbels der Hauptströmung durch tangentiale Zuführung des Fluids in den Raum bzw. die Kammer eine tangentiale Geschwindigkeitskomponente aufgeprägt werden müsse. Der Fachmann, der sich mit diesem Vorverständnis den Klageschutzrechten zuwende, finde in den Klagepatentschriften und in der Klagegebrauchsmusterschrift keinen Anhaltspunkt dafür, dass die technische Lehre der Ansprüche 1 der Klageschutzrechte den Begriff „Wirbelkammer“ in einem davon abweichenden, weiteren Sinne gebrauche . Im Gegenteil werde u. a. mit der Darstellung eines solchen Makrowirbels in der Figur 3 der Klageschutzrechte diese Vorstellung des Fachmannes von einer „Wirbelkammer“ aufgegriffen und verstärkt. Eine „Wirbelkammer“ in diesem Sinne wiesen die angegriffenen Ausführungeformen jedoch nicht auf. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, könne die Gestaltung der Umlenkkammer der angegriffenen Ausführungsformen auch nicht als patentrechtlich äquivalent zu einer Wirbelkammer angesehen werden. Im übrigen habe sie sich für den Fachmann auch in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. – Zu Unrecht habe das Landgericht auch die Voraussetzungen eines Vorbenutzungsrechtes verneint. Die Auffassung des Landgerichts , dass eine Zusammenstellungszeich-nung , wie sie als Anlage 9 b vorliege, „typicherweise ein Mittel“ sei, „um neuentwickelte technische Ideen festzuhalten“, verkenne die Bedeutung der üblichen Arbeitsmittel eines Anlagenbauers . Neuentwickelte technische Ideen würden vielmehr in Skizzen entsprechend den Anlagen K 1, K 2 und K 3 festgehalten, nicht aber in Zeichnungen wie Anlage 9 b, die bereits eine große Menge an Ingenieurleistung kristallisiere und ein verkaufsfähiges Produkt sei. Aus ihren einschlägigen Aktivitiäten vor und nach Fertigstellung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b am 4. September 1990 ergebe sich, dass sie die ganz selbstverständliche und feste Absicht gehabt habe, diese Neukonstruktion des Calcinators bei allen sich in Zukunft bietenden möglichen Anwendungsfällen einzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

auf ihre Berufung das angefochtene Urteil abzuändern
und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin macht geltend, die Auslegung des erfindungsgemäßen Merkmals „Wirbelkammer“ durch das Landgericht sei zutreffend. Das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zu dem geltend gemachten Vorbenutzungsrecht werde bestritten. Die insoweit in der Berufungsinstanz neu vorgetragenen Tatsachen könnten keine Berücksichtigung finden , weil der verspätete Vortrag nicht hinreichend entschuldigt worden sei. Im übrigen seien weder der Erfindungsbesitz noch ausreichende Veranstaltungen zur alsbaldigen Benutzung der Erfindung schlüssig dargetan.

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und des Senats verwiesen.

II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin angesichts der Anlage 1 nach den Grundsätzen der gewillkürten Prozessstandschaft befugt ist, die ihr zuerkannten Ansprüche wegen Verletzung der Klageschutzrechte geltend zu machen. Dass die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre der Ansprüche 1 der drei Klageschutzrechte dem Wortsinn nach Gebrauch machen, ist im angegriffenen Urteil des Landgerichts ebenfalls zutreffend dargelegt. Die gegen diese Beurteilung mit der Berufung der Beklagten gerichteten Angriffe sind nicht gerechtfertigt. Schließlich hat das Landgericht, auf dessen Ausführungen insoweit in vollem Umfang zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, zu Recht auch das Bestehen eines privaten Vorbenutzungsrechtes im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Benutzungshandlungen der Beklagten verneint. Dabei kann es mit dem Landgericht dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, dem 24. August 1990, bereits im Erfindungsbesitz war, da jedenfalls auch in der Berufungsinstanz nichts dafür ersichtlich ist, dass sie einen etwaigen Erfindungsbesitz im vorgenannten Zeitpunkt durch Benutzungshandlungen oder auch durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung bereits betätigt hatte.

1.
Die Lehre der drei Klageschutzrechte, die nachstehend an Hand der die Priorität auch für die anderen beiden Klageschutzrechte begründenden deutschen Klagepatentschrift 40 26 814 (Anlage 3) dargestellt wird, betrifft nach der einleitenden Beschreibung (Sp. 1, Z. 3 – 15) merkmalsmäßig gegliedert folgenden Gegenstand:

1. Anlage zur thermischen Behandlung von mehlförmigen Rohmaterialien, insbe-
sondere bei der Herstellung von Zementklinker aus Rohmehl,
2. wobei das Rohmehl in einem Brennprozess durch Vorwärmen, Calcinieren,
Sintern und Kühlen thermisch behandelt wird und
3. der Abgasstrom der Sinterstufe und der Abluftstrom der Kühlstufe aus dem
Klinkerkühler getrennt oder gemeinsam in der mit Brennstoff versorgten Calci-
nierstufe zur Calcination des Rohmehls genutzt werden,
4. wobei die Gas-Feststoffsuspension in der Calcinierstufe umgelenkt und
5. in den untersten Zyklon des Zyklonschwebegas-Wärmetauschersystems
zwecks Abtrennung des calcinierten Rohmehls vom Gasstrom eingeführt wird.

Zu dem dem angesprochenen Fachmann geläufigen Hintergrund der Erfindung gehört das Wissen, dass Zement aus einer Mischung von Gips, Zuschlagstoffen sowie fein gemahlenem Zementklinker besteht und letzterer aus einem sogenannten Rohmehl gewonnen wird, welches durch Wärmebehandlung zu Zementklinker umgewandelt wird. Dabei weiß der Fachmann auch, dass die Wärmebehandlung herkömmlicherweise in zwei Stufen erfolgt. In einem ersten Schritt wird das Rohmehl in einem sogenannten Calcinator calciniert, d. h. erhitzt und u.a. das CO ausgetrieben. In einem zweiten Schritt wird das Rohmehl anschließend in einem Drehrohrofen gesintert, d. h. soweit erhitzt, dass die Rohmehlkörner an ihrer Oberfläche miteinander reagieren, so dass die Zementklinkermineralbildung eintritt. Der fertig gesintere Zementklinker wird schließlich in einem Klinkerkühler gezielt abgekühlt.

Die Klagepatentschrift II macht in Sp. 1, Z. 16 – 32 und 33 58 weitere Angaben zum technischen Hintergrund der Erfindung.

Danach ist es, um bei Anlagen zur Herstellung von Zementklinker aus Zementroh-mehl unwirtschaftlich lange und/oder im Durchmesser große Drehrohröfen zu ver-meiden und den spezifischen Wärmebedarf des Zementklinkerherstellungspro-zesses niedrig zu halten, bekannt, dem Drehrohrofen materialflußseitg gesehen einen Calcinator vorzuschalten, der mit einer Zweitfeuerung ( neben der Feuerung im Drehrohrofen) ausgestattet ist. In der Zweitfeuerung entzündet sich der zugeführte Brennstoff jeglicher Art und wird in der Regel mit der vom Klinkerkühler kommenden heißen Abluft, Tertiärluft genannt, möglichst vollständig verbrannt. Die entstehende Verbrennungswärme wird augenblicklich auf das Rohmehl übertragen und zur weiteren Calcinierung des Rohmehls noch vor Einführung in den Drehrohrofen verwendet, wobei die Temperatur nicht wesentlich über die Dissoziationstemperatur der Entkarbonatisierungreaktion steigt (vgl. Sp. 1, Z.16 – 32).

Ist der in den Calcinator zugefeuerte Brennstoff ein Festbrennstoff, z. B. Kohlen-staub, und ist dieser nicht ausreichend fein gemahlen und/oder enthält dieser schwerbrennbare Anteile wie z. B. Anthrazit, so ist die Gefahr nicht ausgeschlossen, dass der Brennstoff im Calcinator nicht vollständig ausbrennt, weil die Verweilzeit der unverbrannten Bestandteile, nämlich nicht ausreichend ausgebrannte Festbrennstoffpartikel und/oder z. B. durch unvollständige Verbrennung gebildetes CO, im Calcinator zu kurz werden kann. In den meisten Fällen gelang es, den Restausbrand dieser zunächst nicht vollständig ver-brannten Bestandteile durch eine besondere konstruktive Gestaltung der Brennstrecke des Calcinators, nämlich durch eine Umlenkung der Calcina-torbrennstrecke bzw. der Drehofenabgassteigleitung in einem Winkel von z. B. 90 bis 180° zu bewerkstelligen, weil in dem Rohrleitungskrümmer noch eine Vermischung der Restbrennstoffes mit Luftsauerstoff zur Förderung des Restausbrandes bei vertretbar niedrigem Druckverlust erfolgt (vgl. Sp. 1, Z. 33 – 51).

Der hier angesprochene Stand der Technik ist in der oben wiedergegebenen Figur 1 der Klagepatentschrift I durch den dort gestrichelt gezeichneten Teil verdeutlicht, wobei es in der Klagepatentschrift I Sp. 4, Z. 68 – Sp. 5 Z. 4 hierzu heißt, dass beim bisher bekannten Stand der Technik die Abgase über den gestrichelt gekennzeichneten Rohrleitungskrümmer (31) sowie über einen absteigenden Rohrleitungsast (23) dem untersten Zyklon (28) zugeleitet würden. Unter Bezugnahme auf die Figur 1 der Klagepatentschrift I stellt sich damit der Verfahrensablauf bei diesem Stand der Technik wie folgt dar: Bei (10) wird das Zementrohmehl in die Vorwärmstufe (11) gegeben. Am Ende der Vorwärmstrecke (15) tritt das Rohmehl aus und wird über die Zuführleitungen (20,21) einerseits in den aufsteigenden heißen Abluftstrom des Klinkerkühlers (24) und andererseits in den ebenfalls aufsteigenden heißen Abgasstrom des Drehrohrofens (23) aufgegeben. Im Bereich der Rohmehlaufnahme wird außerdem Brennstoff (26,27) eingeblasen. Rohmehl und Brennstoff werden von dem mit hoher Geschwindigkeit aufsteigenden Abgas- bzw. Abluftstrom mitgerissen und bilden eine Gas-Feststoffsuspension. Sie strömt zunächst im aufsteigenden Ast (30) des Calcinators (17) nach oben, erfährt sodann im Bereich des Rohrleitungskrümmers (31) eine Strömungsumlenkung, um alsdann über den absteigenden Ast (32) des Calcinators (17) in den untersten Zyklon (28) des Wärmetauschersystems zu gelangen. Dort wird das calcinierte Rohmehl aus der Gas-Feststoffsuspension abgetrennt. Das Rohmehl gelangt anschließend über die Zuleitung (29) in den Drehrohrofen (23) , wo es in einer weiteren Wärmebehandlung gesintert wird.

Die Klagepatentschrift kritisiert an diesem Stand der Technik, dass es sich in der Praxis gezeigt habe, dass es Fälle gebe, bei denen der Rohrleitungkrümmer allein nicht genüge, den Restausbrand der unverbrannten Umsetzungsprodukte des Calcinatorbrennstoffes zu erreichen, dies gelte insbesondere beim Einsatz schwer brennbarer Kohlesorten und/oder auch bei schwankender Festbrennstoffzudosierung zum Calcinator, welche durch die Brennanlage durchlaufende Stöße an CO und unverbrannten Brennstoffpartikeln zur Folge habe (vgl. Sp. 1, Z. 51 – 58).

Nach den weiteren Erläuterungen der Klagepatentschrift II muß auch bei Zement-klinkerproduktionslinien mit Calcinator und mit unterstöchiometrischer Brennstoff-verbrennung in der Drehofenabgassteigleitung zwecks Schaffung einer CO-haltigen Reduktionszone zur Reduzierung des im Abgas enthaltenen NOx , wobei die Klagepatentschrift auf EP 0 222 044 B 1 verweist, dafür gesorgt werden, dass das in der Reduktionszone katalytisch wirkende CO sowie gegebenenfalls auch die im Calcinator zunächst nicht verbrannten Festbrennstoffpartikel noch im Calcinator selbst die Gelegenheit erhalten, vollständig verbrennen zu können (Sp. 1, Z. 59-68).

Die Klagepatentschrift II geht ferner auf den Stand der Technik ein, der in der Zeitschrift „Zement-Kalk-Gips“ Heft 5/1976 S. 193 197 (vgl. Anlage 6) beschrieben ist. Es heißt hierzu in der Klagepatentschrift II, dass dort zur Beeinflussung der Rohmehlcalcinierung in einer Zementklinkerproduktionslinie mit Zweitfeuerung in der als Calcinator ausgebildeten Drehofenabgassteigleitung vorgeschlagen sei, von dem Rohmehl, das bereits einmal den Calcinator (Drehofenabgassteigleitung) durchlaufen habe und das anschließend im untersten Zyklon des Wäremtauschersystems vom Gas abgeschieden und in die Drehofeneinlaufkammer eingeführt werde, einen Teilstrom nach Austritt aus dem untersten Zyklon abzutrennen und in den Calcinator (Drehofenabgassteigleitung) zu rezirkulieren (Sp. 2, Z. 1- 12).

Die Klagepatentschrift II kritisiert, dass, wie sich aus der Veröffentlichung selbst ergebe, eine bessere Entsäuerung der Materials mit Rezirkulation nicht eingetreten sei. Sie verweist überdies darauf, dass sich solche Anlagen in der Praxis nicht durchgesetzt hätten und ein vollständiger Ausbrand bzw. Restausbrand insbesondere unverbrannt gebliebener gasförmiger Brennstoff-bestandtele wie z B. Co im Calcinator mit der bekannten Rezirkulationsanlage nicht möglich sei (Sp. 2, Z. 12- 20).

Die Klagepatentschrift II befasst sich überdies mit der Veröffentlichung in der Zeitschrift „Zement-Kalk-Gips“, Heft 7,/1986 , Seiten 351 bis 366, und würdigt sie dahin, dass sie auf Seiten Seiten 353 und 354 Rohrcalcinatoren und im übrigen Topf-Calcinatoren mit zirkulierender oder nicht zirkulierender Wirbelschicht offen-bare (Sp. 2, Z. 21 – 25).

Zu den Topf-Calcinatoren führt die Klagepatentschrift aus, dass diese generell an Vermischungsproblemen litten (vgl. Sp. 2, Z. 25/26).

Die Klagepatentschrift II geht dann näher auf das auf Seite 365 der vorgenannten Veröffentlichung beschriebene und gezeigte SCS-Verfahren von Sumitomo (vgl. Anlage 7) ein und würdigt dieses dahin, dass es nicht einen Rohrcalcinator, bei welchem die Gas-Feststoffsuspension aus einem aufsteigenden Rohrleitungsast um etwa 180° in einem absteigenden Rohrleitungsast umgelenkt werden würde, sondern wiederum einen Topf-Calcinierreaktor offenbare, in den seitlich vorerhitztes Zementrohmehl und Brennstoff sowie von unten vom Klinkerkühler kommende Tertiärluft eingeführt würden. Die Gas-Feststoffsuspension werde am Austritt des Calcinierreaktors in einen „Rückführungszyklon“ genannten kleinen Staubsammeltrichter eingeführt (Sp. 2, Z. 27 – 39).

An diesem Calcinator bemängelt die Klagepatentschrift II, dass in dem kleinen Staubsammeltrichter eine wirkungsvolle Vermischung der im Topf-Calcinator un-verbrannt gebliebenen Komponenten mit Luftsauerstoff nicht möglich sei. Weil es sich beim bekannten Calcinatorreaktor nicht um einen Rohr-Calcinator mit 180° Rohrleitungskrümmer handele, könne der „Rückführungszyklon“ genannte Staub-sammeltrichter im Anschluss an den Calcinierreaktor auch nicht dazu dienen, die Gesamtlänge bzw. die Bauhöhe eines Rohr-Calcinators deutlich zu verringern und trotzdem auch bei schwerbrennenden Festbrennstoff und/oder CO-Gassträhnen einen vollständigen Ausbrand der Brennstoffkomponenten im Calcinator einer Zementproduktionslinie zu erreichen (Sp. 2, Z. 39 – 52).

Schließlich erwähnt die Klagepatentschrift II noch die EP 0 153 048 B 1 und verweist darauf, dass sie nur Topfcalcinatoren betreffe, aber keine Rohrcalcinatoren mit aufsteigendendem und absteigenden Rohrleitungsast (Sp. 2, Z. 54 – 56).

Ausgehend von dem zuvor gewürdigten Stand der Technik formuliert die Klage-patentschrift II die Aufgabe der Erfindung dahin, bei Zementklinker-produktionslinien der oben beschriebenen Art, also bei Anlagen mit den oben genannten Merkmalen 1 bis 5, mit dem Drehrohrofen vorgeschaltetem, mit einer Zweitfeuerung ausgestatteten Calcinator einen wärmewirtschaftlich günstigen möglichst vollständigen Ausbrand bzw. Restausbrand unverbrannter Brennstoffbestandteile wie z. B. CO im Calcinator zu ermöglichen, und zwar anwendbar bei Calcinatoren mit oder ohne Einrichtungen zur Reduktion des im Ofengas enthaltenen NOx (Sp. 2, Z. 56 – 64).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 des Klagepatents II merkmalsmäßig gegliedert folgenden Gegenstand vor:

1. Anlage zur thermischen Behandlung von mehlförmigen Rohmaterialien,
insbesondere bei der Herstellung von Zementklinker aus Rohmehl,
2. wobei das Rohmehl in einem Brennprozess mit Vorwärmstufe , Calcinierstufe,
Drehrohrofen und Klinkerkühler thermisch behandelt wird,
3. wobei die Calcinierstufe mit Abgas aus derm Drehrohrofen , mit Tertiärluft aus
dem Klinkerkühler, mit Rohmehlzuführung und mit Brennstoffzuführung versorgt
ist, und
4. wobei die Gas-Feststoffsuspension in der Calcinierstufe aus einem aufsteigen-
den Rohrleitungsast in einen absteigenden Rohrleitungsast umgelenkt und
5. in den untersten Zyklon des Zyklonschwebegas-Wärmetauschersystems
zwecks Abtrennung des calcinierten Rohmehls vom Gasstrom eingeführt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
6. in der Calcinierstufe im Bereich ihrer Strömungsumlenkung eine Wirbelkammer
angeordnet ist,
7. in der Wirbelkammer wenigstens ein Teil wenigstens von Grobkornanteilen
aus der Gas-Feststoffsuspension abgetrennt wird,
8. der abgetrennte Feststoffanteil in den der Wirbelkmmer strömungseitig vorge-
schalteten und/oder nachgeschalteten Ast der Calcinierstufe angeordnet ist.

Bei dem Patentanspruch 1 des Klagepatents I und dem Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lauten die Merkmale 2 und 3 dagegen wie folgt:

2. wobei das Rohmehl in einem Brennprozess durch Vorwärmen, Calcinieren,
Sintern und Kühlen thermisch behandelt wird und
3. der Abgasstrom der Sinterstufe und der Abluftstrom der Kühlstufe aus dem
Klinkerkühler getrennt oder gemeinsam in der mit Brennstoff versorgten
Calcinierstufe zur Calcination des Rohmehls genutzt werden.

Bei dem Schutzanspruch des Klagegebrauchsmusters erschöpft sich überdies das Merkmal 4 in der folgenden Angabe:

4. wobei die Gas-Feststoffsuspension in der Calicinierstufe umgelenkt wird.

Die Klagepatentschrift II hebt als charakteristisch für die Erfindung hervor, dass im Calcinator etwa an der Stelle, an der bisher ein Rohrleitungskrümmer mit Umlenkung der Gas-Festsoffsuspension um z. B. 180° , also etwa im Bereich der höchsten Stelle des Calcinators, eine Wirbelkammer angeordnet sei (Sp. 2, Z. 67 – Sp. 3, Z. 4). Die Eigenschaften dieser Wirbelkammer beschreibt sie dahin, dass sie eine sehr gute Vermischung des in der Gas-Festsoffsuspenion des Calcinators enthaltenen CO sowie der gegebenenfalls enthaltenen nicht verbrannten Brennstoffpartikel und Luftsauerstoff ermögliche , wodurch das CO sowie die Brennstoffpartikel noch im Calcinator verbrennen könnten (Sp. 3., Z. 4 – 9). Durch einen in der Wirbelkammer erzielbaren Wirbelstrom sei die Ver-mischung unverbrannt gebliebener Brennstoffpartikel mit sauerstoffhaltigen Luftströmen im Calcinator möglich, wodurch der vollständige Ausbrand dieser Brennstoffkomponenten (auch CO) im Calcinator gewährleistet sei. Es werde die Möglichkeit eröffnet, die Brennstrecke beim erfindungsgemäßen Calcinator gegenüber bisher üblichen Calcinatoren zu verkürzen und die Bauhöhe des erfindungsgemäßen Calcinators erheblich niedriger zu halten als bei bisher bekannten Calcinatoren (Sp. 3, Z. 14 – 32). Außerdem sei es ein besonderes Merkmal der Erfindung, dass in der Wirbelkammer der Calcinierstufe wenigstens ein Teil wenigstens der Grobkornanteile aus der Gas-Feststoffsuspension abgetrennt werde, wodurch er zur Rezirkulation in der Calcinierstufe eingesetzt werden könne (vgl. Sp. 3, Z. 43 – 59 ).

Der Durchschnittsfachmann, der sich am Patentanspruch 1 orientiert, sieht, dass ihm dieser hinsichtlich der konstruktiven Ausgestaltung der „Wirbelkammer“ nur wenige Vorgaben macht. Merkmal 6 beinhaltet eine Aussage über die örtliche Lage der „Wirbelkammer“. Merkmal 7 ist eine reine Funktionsangabe: Die Wirbelkammer soll so beschaffen sein, dass in ihr wenigstens ein Teil von wenigstens Grobkornanteilen aus der Gas-Feststoffsuspension abgetrennt wird, der nach Maßgabe des Merkmals 8 der Calcinierstufe wieder zugeführt wird. Aus dem Merkmal 4 in Verbindung mit dem Merkmal 6 ergibt sich überdies, dass es sich bei der „Wirbelkammer“ um einen Raum bzw. eine Kammer handelt, in den bzw. in die der aufsteigende Rohrleitungsast hinein- und aus der der absteigende Rohrleitungsast hinausläuft. Nähere räumlich – körperliche Angaben zur „Wirbelkammer“ enthalten erst die Unteransprüche, wobei der Unteranspruch 2 näher beschreibt, wo genau die Wirbelkammer angeordnet werden soll und erst der Unteranspruch 3 angibt, dass die Wirbelkammer eine Öffnung zum tangentialen Eintritt der Gas-Feststoffsuspension und eine Öffnung zum tangentialen Austritt aufweist, wobei die Eintrittsöffnung an dem aufsteigenden Ast und die Austrittsöffnung an den absteigenden Ast der Calcinierstufe angeschlossen sind. Da es sich dabei um Merkmale aus den Unteransprüchen handelt, also um bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung, hängt die Verwirklichung des Merkmales „Wirbelkammer“ der Ansprüche 1 nicht davon ab, dass die räumlich-körperlichen Merkmale dieser Unteransprüche verwirklicht sind.

Wenn also, wie die Beklagte unter Bezugnahme auf die von ihr überreichten Parteigutachten behauptet, der durch die Klagepatentschrift angesprochene Fachmann mit dem Begriff „Wirbelkammer“ von vornherein die Vorstellung verbinden sollte, dass es sich dabei um einen „Strömungsapparat“ in Form eines Raumes bzw. einer Kammer handelt, in welchem bzw.in welcher ein ortsfester Makrowirbel mit den Abmessungen des Raumes bzw. der Kammer erzeugt wird, wobei zur Erzeugung dieses Wirbels der Hauptströmung durch tangentiale Zuführung des Fluids in den Raum bzw. die Kammer eine tangentiale Geschwindigkeitskomponente aufgeprägt wird, so sieht er, dass der Begriff „Wirbelkammer“ im Anspruch 1 der Klageschutzrechte gerade nicht in diesem einschränkenden Sinne gebraucht wird, da eine tangentiale Zuführung des Fluids in den Raum bzw. die Kammer zwecks Erzeugung eines Wirbels der Hauptströmung durch Aufprägung einer tangentialen Geschwindigkeitskompo-nente erst Gegenstand einer bevorzugten Ausführung der Erfindung nach den Ansprüchen 3 der Klageschutzrechte ist, auf welche die Erfindung aber nicht beschränkt ist. Bedeutung und Tragweite des im Hauptanspruch verwendeten Begriffes „Wirbelkammer“ wird durch ein erst im Unteranspruch vorausgesetztes Merkmal nicht auf das bevorzugte Ausführungsbeispiel des Unteranspruches reduziert. Im Gegenteil besagen gerade die Unteransprüche dem Durchschnittsfachmann, dass regelmäßig – so nicht der allgemeine Teil der Beschreibung der Patentschrift dem ausdrücklich entgegensteht – dem im Hauptanspruch verwendeten Begriff ein weiteres Verständnis beizulegen ist und dass Ausgestaltungen möglich sind, die nicht den Vorgaben der Unteransprüche entsprechen; sie müssen sich nur im Rahmen der Vorgaben des Hauptanspruches halten. – Die Ausgestaltung nach Unteranspruch 3 gibt dem Fachmann lediglich, wie er auch der Beschreibung in Sp. 3, Zeilen 9 – 15 entnehmen kann, einen Hinweis darauf, durch welche Gestaltung der Wirbelkammer er beispielhaft und bevorzugt einen „Wirbelstrom“ in der Wirbel-kammer erzielen kann. Eine Beschränkung auf die Erzeugung eines solchen „Wirbelstroms“ ist damit aber nicht verbunden, da eben das Merkmal des Anspruches 3, dass die Wirbelkammer eine Öffnung zum tangentialen Eintritt der Gas-Feststoffsuspension aufweist, nicht Gegenstand der Ansprüche 1 der Klageschutzrechte ist.

Nach der Entscheidung „Spannschraube“ des Bundesgerichtshofes vom 2. März 1999 (vgl. GRUR 1999, 909 = Mitt. 1999, 304 = MDR 1999,1215 = NJW-RR 2000, 259) stellen Patentschriften im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar. Weichen diese vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch ab, ist letztlich nur der sich aus der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgebend. Nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bestimmung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe ist entscheidend, sondern das Verständnis des unbefangenen Fachmanns, wobei auf den Gesamtzusammenhang abzustellen ist, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt.

Dieser hat jedoch nicht nur im Hinblick auf die Ansprüche 3 der Klageschutzrechte Anlass, den Begriff „Wirbelkammer“ der Ansprüche 1 der Klageschutzrechte abweichend von dem von der Beklagten behaupteten Verständnis der Fachwelt zu verstehen, sondern auch im Hinblick auf die Funktionen und Aufgaben , die der „Wirbelkammer“ nach der Beschreibung zukommen sollen. In dieser Kammer sollen Wirbel in der durchströmenden Gas-Feststoffsuspension erzeugt werden. Dadurch soll, wie der Durchschnittsfachmann der Beschreibung der Klagepatentschrift in Sp. 3, Zeilen 4 – 9 sowie 14 – 19 und Sp. 5, Z. 9 -16 entnehmen kann, eine intensive Vermischung der im aufsteigenden Rohrleitungsast ankommenden Gas-Feststoffsuspension mit Luftsauerstoff aus dem Klinkerkühler erfolgen, was einem vollständigen Ausbrand bzw. vollständigen Restausbrand von Brennstoffkomponenten (Brennstoffpartikel und auch Kohlenmonoxyd) ermöglicht. Wie die Kammer bzw. der Raum, der von den Ansprüchen 1 der Klageschutzrechte als „Wirbelkammer“ bezeichnet wird, diese ihm zugewiesenen Funktionen , nämlich Ausbrand und Abtrennung von Grobkornanteilen, erfülllen kann und welche konkrete räumlich-körperliche Ausgestaltung dazu erforderlich ist, überläßt Anspruch 1 weitgehend dem Ermessen des Durchschnittsfachmannes. Dieser entnimmt allerdings der kritischen Bemerkung in Sp. 1, Z. 45 ff der Klagepatentschrift, dass eine bloße Umlenkung des aufsteigenden Rohrleitungsastes der Calcinierstufe in einem absteigenden Rohrleitungsast trotz der bereits hiermit verbundenen Vermischung des Restsauerstoffes mit Luftsauerstoff zur Förderung des Restausbrandes als nicht genügend angesehen wird und deshalb eine so gebildete (Umlenkungs-) Kammer nicht als „Wirbelkammer“ angesehen werden kann.

Auch den – allerdings etwas unterschiedlichen – Beschreibungen der Klagepatentschriften und der Klagegebrauchsmusterschrift wird der Fachmann nicht entnehmen, dass ein tangentialer Eintritt des Gas-Feststoffsuspension in die Wirbelkammer gewährleistet sein müsse. Während in der Klagepatentschrift I auf Seite 3, Zeile 16 davon die Rede ist , dass die Wirbelkammer eine Öffnung zum tangentialen Eintritt der Gas-Feststoffsuspension aufweisen „kann“, sprechen die Klagepatentschrift II in Sp. 3, Zeilen 9/10 und die Klage-gebrauchsmusterschrift auf Seite 3, Zeilen 25/26 zwar davon, dass die Wirbelkammer eine Öffnung zum tangentialen Eintritt der Gas-Fest-stoffsuspension „aufweist“, doch der Fachmann sieht, dass dies ihm in den jeweiligen Passagen der Beschreibung nur im Zusammenhang mit der gesamten Darstellung der bevorzugten Ausführung nach den jeweiligen Ansprüchen 3 erläutert wird.

Bei der Auslegung des Begriffs „Wirbelkammer“ der jeweiligen Ansprüche 1 der Klageschutzrechte sieht der Fachmann auch, dass sowohl die Ansprüche 1 als auch die Beschreibungen durchgängig zwischen Zyklon (Fliehkraftabscheider) und Wirbelkammer unterscheiden, was für den Fachmann eine Bestätigung für seine Überlegung bedeutet, dass die Wirbelkammer nicht zwingend einen durch tangentialen Eintritt der Gas-Feststoffsuspension erzeugten „Makrowirbel“ bedingt, sondern dass auch eine Vielzahl relativ ungeordneter Wirbel möglich sind, so sie denn für die patentgemäß geforderte ausreichende Vermischung sorgen und Vorrichtungsteile vorhanden sind, die eine Abtrennung von Grobkornanteilen nach Maßgabe des Merkmals 7 gewährleisten.

Selbst wenn der Fachmann mit dem Begriff „Wirbelkammer“ von vornherein eine ganz bestimmte Vorstellung im Sinne des Vortrags der Beklagten verbinden sollte, wird er angesichts des Inhalts des Anspruches 1 und der Erläuterung dieses Anspruches in der Beschreibung der Klagepatentschriften bzw. der Klagegebrauchsmusterschrift und angesichts des Gesamtinhalts dieser Schriften unter Berücksichtigung der Unteransprüche 3 den dort gebrauchten Begriff „Wirbelkammer“ aus den aufgezeigten Gründen funktionsorientiert so auslegen, wie dies zuvor aufgezeigt worden ist.

2.
Ausgehend von dem aufgezeigten Verständnis des Durchschnittfachmannes von dem Merkmal „Wirbelkammer“ der Ansprüche 1 der Klageschutzrechte hat das Landgericht eine wortsinngemäße Verwirklichung aller Merkmale der Ansprüche 1 der Klageschutzrechte mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, bejaht.

Die in den Anlagen 9 a, 9 b 10 a und 10 b jeweils gelb dargestellten Bereiche der angegriffenen Ausführungsformen stellen „Wirbelkammern“ im Wortsinn der technischen Lehre der Klageschutzrechte dar, wobei die einzelne Wirbelkammer jeweils aus einem 180°- Rohrumlenkungsbogen besteht, wie er als solches auch schon Stand der Technik war, an den sich jedoch ein Umlenkungsabscheider anschließt und nochmals ein um 180°- gekrümmter Rohrumlenkungsbogen (vgl. auch das von der Beklagten vorgelegte Gutachten Anlage W 2 S. 7).

Die Anlage 9 a zeigt eine zweisträngige Anlage mit zwei spiegelbildlich angeordneten, identischen Zyklonstufen 1 – 3 (blau). Der aufsteigenede Ast des Calcinators 8 (rot) verzweigt sich an seinem oberen Ende und geht über zwei Umlenkungen 12 (gelb) in zwei beidseitig absteigende Äste (orange) über, die jeweils in den entsprechenden untersten Zyklon eins Zyklonschwebegas-Wärmetauschersystems münden, deren Einzelheiten sich aus der Anlage 9 b ergeben.

Die Anlage 10 zeigt dagegen eine einsträngige Variante des Calcinators, wobei sich Details dieses Calcinators aus der Anlage 10 a ergeben.

Bei der in Anlage 9 a gezeigten Anlage wird das Abgas des Drehofens 1 in den Calcinator 8 eingeleitet. Weiterhin wird der Abluftstrom des Klinkerkühlers 3 als Tertiärluft 7 in den Calcinator eingeleitet. Der Calcinator 8 wird über den Calcinierbrenner 10 mit Brennstoff versorgt. Das Abgas des Drehofens 1, die Tertiärluft 7 und der Brennstoff werden zur Calcination des Rohmehls genutzt.

Gemäß Anlagen 9 a und 9 b wird dem Calcinator über die dort als Mehlzufuhr be-zeichneten Leitungen Rohmehl zugeführt, das von dem vom Drehofen aufsteigenden Abgas und der zugeführten Tertiärluft mitgerissen wird und daraufhin zusammen mit dem eingeblasenen Brennstoff eine Gas-Feststoffsuspension bildet. Am oberen Ende des aufsteigenden Rohrleitungsastes des Calcinators wird die Gas-Feststoffsuspenion über die sich verzweigenden Rohrkrümmer 12 in die absteigenden Rohrleitungsäste (orange) des Calcinators umgelenkt.

Gemäß Anlage 9 a wird die Gas-Feststoffsuspension von jedem absteigenden Rohrleitungsast in je einen untersten Zyklon des Zyklon-Wärmetauschersystems 13 (blau) zwecks Abtrennung des calcinierten Rohmehls vom Gasstrom eingeführt.

Gemäß den Anlagen 9a und 9 b ist im Calcinator im Bereich seines Strömungs-umlenkung , also zwischen seinem aufsteigenden und seinem absteigenden Ast ein Bereich, in welchem die Gas-Feststoffsuspension zu einer mehrfachen, schroffen Umlenkung gezwungen wird. Dieser Bereich ist in den genannten Anlagen gelb dargestellt. Aufgrund der sehr hohen Strömungsgeschwindigkeit (ca. 60 km/h) führt die mehrfache schroffe Umlenkung in diesem Bereich zu erheblichen Verwirbelungen der Gas-Feststoffsuspension, was wiederum zu einer intensiven Durchmischung der Gas-Feststoffsuspension führt, so dass der für die weitere Verbrennung zur Verfügung stehene Restsauerstoff in einem guten Kontakt zu den noch unverbrannten Brennstoffpartikeln und dem noch unverbrannten CO kommt, was einen vollständigen Ausbrand zur Folge hat (vgl. Anl. 9 S. 615). Dieser Bereich kann daher bei dem hier zugrundegelegten Verständnis des durch die Klagepatentschrift angesprochenen Fachmannes von einer „Wirbelkammer“ im Wortsinne des Ansprüche 1 der Klageschutzrechte als eine solche angesehen werden, in welcher ein „Wirbelstrom“ entsteht.

In diesem als Wirbelkammer anzusehenden Bereich sind Sammeltrichter angeordnet, die nach unten nahezu spitz verlaufen. Die starken Wirbel in diesem Bereich führen dazu, dass in der Gas-Feststoffsuspension noch enthaltene grobe und damit schwere Körner teilweise aus der Gas-Feststoffsuspension herausgeschleudert werden und sich in diesen Sammeltrichtern ansammeln und so aus der Gas-Feststoffsuspension abgetrennt werden.

Gemäß den Anlagen 9 a und 9b zweigt vom Boden der besagten Sammeltrichter jeweils eine Leitung (blau) ab, die in die Leitung mündet, mit der dem aufsteigenden Ast des Calcinators (rot) Rohmehl zugeführt wird. Über diese Leitung wird ein Teil des abgetrennten Feststoffanteils wieder in die der Umlenkungskammer ( der gelbe Bereich) strömungsseitig vorgeschalteten Ast (rot) des Calcinators eingeführt.

All dies, was für die zweisträngige Ausführung dargelegt ist, gilt auch für die einsträngige Ausbildung nach Anlagen 10, 10 a.

3.
Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung schließlich, das Landgericht habe zu Unrecht ein Vorbenutzungsrecht zu ihren Gunsten verneint. Diese Rüge ist nicht gerechtfertigt. Der im Kern unverändert gebliebene Sachvortrag der Beklagten, der in der Berufungsinstanz nur am Rande variiert worden ist, rechtfertigt die Annahme eines Vorbenutzungsrechtes nicht, wie das Landgericht mit im wesentlichen zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, im angefochtenen Urteil dargelegt hat.

Nach § 9 PatG ist (allein) der Patentinhaber oder der von diesem Ermächtigte befugt, die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung zu benutzen; sonstige Dritte sind dauernd von einer solchen Benutzung ausgeschlossen. Diesen Grundsatz schränkt § 12 PatG für einen Sonderfall ein, indem er diese Wirkung des Patents gegenüber demjenigen nicht eintreten läßt, der die Erfindung zur Zeit der Anmeldung im Inland bereits in Benutzung oder die dafür erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte, und diesem zugleich die Befugnis einräumt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines Betriebes zu nutzen. Mit dieser Einschränkung will das Gesetz aus Billigkeitsgründen einen vorhandenen oder bereits angelegten gewerblichen Besitzstand des Vorbenutzers schützen und damit die unbillige Zerstörung in zulässiger, insbesondere rechtlich unbedenklicher Weise geschaffener Werte verhindern (vgl. BGH GRUR 2002, 231 – Biegevorichtung mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und auf das Schrifttum). Auf der Grundlage seines erst zu einem späteren Zeitpunkt in rechtlich relevanter Weise angelegten bzw. geschaffenen Ausschließlichkeitsrechts soll der Patentinhaber nicht auch Personen von der Benutzung der unter Schutz gestellten Erfindung ausschließen können, die sie bereits vorher benutzt oder konkrete Anstalten für eine solche Benutzung getroffen haben. Die Regelung enthält insoweit eine an Billigkeitsgründen orientierte Ausnahme von der umfassenden alleinigen Berechtigung des Patentinhabers. Dabei ist der Vorbenutzer – soweit es um den von dem Patentinhaber hinzunehmenden Eingriff in dessen Alleinbefugnis geht – auf den von der Ausnahme geschützten Besitzstand beschränkt. Ihm ist eine Benutzung der patentgemäßen Lehre lediglich in dem durch diesen beschriebenen Umfang eröffnet; Weiterentwicklungen über den Umfang der bisherigen Benutzung hinaus sind ihm jedoch dann verwehrt, wenn sie in den Gegenstand der geschützten Erfindung eingreifen.

Daraus ergibt sich, dass Erfindungsbesitz nach deutschen Recht zur Begründung eines Vorbenutzungsrechtes nicht ausreicht, wenn er seinen Niederschlag nicht in Benutzungshandlungen oder Veranstaltungen zur Inbenutzungsnahme gefunden hat, die in Deutschland vollzogen worden sind (vgl. BGH GRUR 1969, 35 – Europareise; BGH GRUR 2002, 231 – Biegevorrichtung sowie Benkard/Bruchausen, PatG, 9. Aufl., § 12 PatG Rdn. 11 a; Benkard/Jestaedt, EPÜ, Art. 64 Rdn. 14), dabei ist der Begriff der Benutzung derselbe wie in § 139 Abs. 2 und 3 sowie § 142 PatG (vgl. BGH GRUR 1964, 491, 493 – Chloramphenicol) und umfasst die in §§ 9 und 10 PatG umschriebenen Benutzungsarten, zu denen der Patentinhaber ausschließlich befugt ist und die er jedem anderen verbieten kann.

Ein privates Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG kann allerdings auch durch Bekräftigung des Erfindungsbesitzes durch zur Zeit der Anmeldung erfolgte Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung begründet werden. Dabei muß es sich um Handlungen handeln, die dazu bestimmt sind, die Erfindung im Wesentlichen auszuführen, und die darüber hinaus den ernstlichen Willen erkennbar machen, die Erfindung alsbald zu benutzen (vgl. BGHZ 39, 389, 398). Der Benutzungswille im vorgenannten Sinne muß erkennbar betätigt sein. Es muß sich um eine endgültige feste Entschließung zur Aufnahme der Benutzung handeln. Entschließungen, denen objekiv ein Moment des Einstweiligen anhaftet, bei denen man sich jederzeit eines anderen besinnen kann, genügen nicht. Vorsorgliche Bemühungen, die die Möglichkeit einer etwaigen späteren noch ungewissen Benutzung der Erfindung schaffen und vorbereiten sollen, sind keine ausreichenden Veranstaltungen. Ein bedingter Entschluß erfüllt das Erfordernis des ernsthaften Willens zu alsbaldigen gewerblichen Benutzung nicht (vgl. Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 12 PatG Rdn 13 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung u.a. auf die bereits zitierte Entscheidung BGHZ 39, 389,398).

All dies gilt auch im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Gebrauchsmusteransprüche (vgl. §§ 11, 13 Abs. 3 GebrMG in Verbindung mit § 12 PatG).

Ausgehend von diesen Grundsätzen mag zwar mit dem Landgericht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte schlüssig dargetan hat, dass sie zum Zeitpunkt der Anmeldung bzw. zum Prioritätszeitpunkt (24. August 1990) bereits im Erfindungsbesitz gewesen ist. Ihrem Vorbringen läßt sich jedoch nicht entnehmen, dass sie zum 24. August 1990 diesen Erfindungsbesitz durch Benutzungshandlungen oder durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Benutzung im oben erläuterten Sinne bekräftigt hat.

Als Benutzungshandlung oder Veranstaltung zur Benutzungsaufnahme kommt allein der dem Konstrukteur Schröder angeblich am 20. August 1990 erteilte Auftrag in Betracht, die Zeichnung gemäß Anlage 9 b, die am 4. September 1990 und damit erst einige Zeit nach dem Prioritätstag fertiggestellt worden ist, zu erstellen. In der Erstellung dieser Zeichnung mit der Bezeichnung „Calcinator/Version I Baugröße BEFRA“ ist schon deshalb keine Benutzungs-handlung zu sehen, weil in der Erstellung einer Zeichnung keine Herstellung der Vorrichtung oder eine andere der in §§ 9 und 10 PatG genannten Benutzungshandlungen liegt, sondern allenfalls eine Vorbereitungshandlung zu solchen Benutzungshandlungen.

Der angeblich am 20. August 1990 erteilte Auftrag zur Erstellung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b stellt auch keine Veranstaltung zur alsbaldigen Inbenutzungsnahme dar. Bei der Zeichnung gemäß Anlage 9 b handelt es sich nicht um eine Werkstattzeichnung, die die unmittelbare Unterlage für die Ausführung der Erfindung bilden sollte, sondern um einen, wie es auf der Zeichnung heißt „Entwurf“ zu einer „Version I“, womit diese Zeichnung schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht etwas ist, was unmittelbar umgesetzt werden sollte. Soweit der Bundesgerichtshof in dem Auftrag zur Herstellung einer fertigungsreifen Werkstattzeichnung und der baldigen Inangriffnahme dieses Auftrages durch einen Angestellten eine ausreichende Veranstaltung zur alsbaldigen Inbenutzungsnahme gesehen hat (vgl. BGH GRUR 1969, 546, 549 – Bierhahn), kann diese Rechtsprechung daher nicht angeführt werden, um damit auch hier das Vorliegen ausreichender Veranstaltungen zu begründen. Vielmehr handelt es sich bei der Zeichnung gemäß Anlage 9 b um eine Zeichnung in der verschiedene technische Ideen, die möglicherweise bei Gelegenheit Grundlage für eine Fertigung sein sollten, in einer Form, die über die Form bloßer technische Skizzen hinausgeht, dokumentiert werden sollten und sind. Dies reicht jedoch nach den oben aufgezeigten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht aus, um in dem Auftrag zur Erstellung dieser Zeichnung und in der Fertigung dieser Zeichnung eine Veranstaltung zur alsbaldigen Inbenutzungsnahme im Sinne von § 12 PatG zu sehen.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Erstellung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b mit einem erheblichen Aufwand verbunden gewesen sei, um damit darzutun, dass es sich um eine Veranstaltung im Sinne von § 12 PatG gehandelt habe, ist zunächst darauf zu verweisen, dass angesichts ihren eigenen Vortrags, wonach der Konstrukteur Schröder schon innerhalb weniger Tage, nämlich in der Zeit vom 20. bis zum 24. August 1990 die Zeichnung im Hinblick auf die erfindungsrelevanten Verhältnisse fertiggestellt habe, der Aufwand, der auch kostenmäßig nicht näher beziffert wird, wohl doch nicht so hoch gewesen sein kann, wie sie geltend macht. Zum anderen und vor allem ist aber darauf zu verweisen, dass es unerheblich ist, ob eine Veranstaltung mit einem erheblichen Kapitalaufwand verbunden war oder nicht (vgl. RG JW 08, 247). Entscheidend ist vielmehr, ob sie den ernstlichen und unbedingten Willen erkennen läßt, alsbald die Erfindung in Benutzung zu nehmen. Davon kann jedoch aus den hier und den im landgerichtlichen Urteil genannten Gründen, auf die ergänzend verwiesen wird, bei der Erstellung der Zeichnung gemäß Anlage 9 b keine Rede sein.

4.

Das Landgericht hat unter IV. seiner Entscheidungsgründe im einzelnen ausgeführt, aufgrund welcher weiteren Tatumstände und Rechtsvorschriften der Klägerin die zuerkannten Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Auf diese zutreffenden Ausführungen, die von der Beklagten als solche nicht näher beanstandet worden sind und die sich der Senat zu eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. liegen nicht vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht erkennbar ist, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

R1 R4 Dr. R3
Vors. Richter am OLG Richter am OLG Richter am OLG