2 U 111/10 – Polymeres Verdickungsmittel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1818

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Januar 2012, Az. 2 U 111/10

Vorinstanz: 4b O 103/09

I.
Die Berufung gegen das am 10.08.2010 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.500.000,- € festgesetzt.

V.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Mitinhaberin des in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft stehenden, europäischen Patents 0 503 XXX (Klagepatent, Anlage K 1) und von der weiteren Mitinhaberin, der ursprünglich allein eingetragenen A Co. Ltd. ermächtigt, Rechte aus dem Klagepatent unabhängig von der Mitinhaberin geltend zu machen. Das Klagepatent wurde am 06.03.1992 unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 08.03.1991 angemeldet. Der Hinweis auf seine Erteilung wurde im Patentblatt des EPA am 29.05.1996 und im Bundespatentblatt am 31.10.1996 veröffentlicht.

Der vorliegend allein streitgegenständliche Anspruch 16 des Klagepatents hat in der Originalfassung folgenden Wortlaut:

„A water in oil emulsion containing polymeric material, at least 98 % of the polymeric material in the emulsion being water soluble, which polymeric material comprises units derived from (a) acrylamide, (b) 2-acrylamido-2-methylpropanesulphonic acid and (c) N,N`-methylene-bis-acrylamide, which N,N`-methylene-bis-acrylamide is present in an amount of from 0,06 to 1 millimoles inclusive per mole of total monomer units, at least some of the 2-acrylamido-2-methylpropanesulphonic acid units being in the form of a neutral salt thereof such that the aqueous phase of the water in oil emulsion has a pH of at least 5.5.”

In der deutschen Übersetzung lautet er:

„Wasser-in-Öl-Emulsion, die ein Polymermaterial enthält, wobei zumindest 98 % des Polymermaterials in der Emulsion wasserlöslich ist, welches Polymermaterial Einheiten enthält, die aus (a) Acrylamid, (b) 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und (c) N,N´-Methylen-bis-acrylamid abgeleitet sind, welches N,N`-Methylen-bis-acrylamid in einer Menge von 0,06 bis einschließlich 1 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten vorhanden ist, wobei zumindest einige der 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure-Einheiten in Form eines neutralen Salzes davon vorliegen, so dass die wässrige Phase der Wasser-in-Öl-Emulsion einen pH-Wert von zumindest 5,5 besitzt.“

Die Beklagte zu 2) war zwischen 1992 und 2007 Alleinvertriebshändlerin des von der Klägerin hergestellten klagepatentgemäßen polymeren Verdickungsmittels B 305. Nachdem der entsprechende Vertrag klägerseits gekündigt worden war, übernahm sie im Jahr 2008 den Vertrieb des von der Beklagten zu 1) hergestellten Mittels C 1305 (angegriffene Ausführungsform) auf dem deutschen Markt. Nach der Produktbeschreibung handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um einen flüssigen Verdicker und Stabilisator für Emulsionen, der das Emulgieren von allen kosmetischen Ölen ermöglicht und samtige Creme-Gel-Texturen erzeugt. C 1305 wird von der Beklagten zu 2) als Ersatzprodukt für B 305 angeboten.

Die Klägerin hat, noch bevor ihr bekannt war, welches Mittel bei der angegriffenen Ausführungsform als quervernetzendes Monomer verwandt wird, die Beklagten erstinstanzlich wegen wortsinngemäßer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Vernichtung und Erstattung vorprozessualer Kosten in Anspruch genommen, weil sie die Auffassung vertrat, das mit den bekannten Untersuchungsmethoden nicht nachweisbare N,N`-Methylen-bis-acrylamid (MBA) müsse in der angegriffenen Ausführungsform vorhanden sein, da andernfalls das Endprodukt unbrauchbar sein müsse. Nachdem als entsprechendes Monomer Triallylamin (TAA) identifiziert worden war und die Beklagten den zur Verschwiegenheit verpflichteten Rechts- und Patentanwälten der Klägerin die konkret verwendete Menge TAA (mehr als 1 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten) offenbart hatten, hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen, nur noch eine Klagepatentverletzung mit äquivalenten Mitteln geltend gemacht und dies damit begründet, dass das über drei funktionelle Gruppen (C-C-Doppelbindungen) verfügende TAA im Verhältnis zu MBA, das über zwei ungesättigte Bindungen (C-C-Doppelbindungen) verfügt, gleichwirkend sei. Seine Verwendung habe für den Fachmann auch nahegelegen und werde durch die Klagepatentschrift angeregt, da diese u.a. auf die Schrift EP 0 186 XXY verweise, in der als quervernetzende Monomere auch solche mit drei funktionellen Gruppen (C-C-Doppelbindungen) offenbart werden.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, eine Verletzung des Klagepatents liege nicht vor, auch nicht eine solche mit äquivalenten Mitteln. Sie haben die Gleichwirkung von TAA und MBA bestritten und geltend gemacht, die Verwendung von TAA habe weder nahegelegen noch sei sie gleichwertig. Die streitgegenständliche Erfindung habe sich ausschließlich auf die Verwendung von MBA beschränkt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht. Sie mache von seiner technischen Lehre weder wortsinngemäßen noch äquivalenten Gebrauch. Der streitgegenständliche Klagepatentanspruch bezeichne mit „abgeleitet aus (a) Acrylamid, (b) 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und (c) N,N´-Methylen-bis-acrylamid“ die chemische Reaktion dieser Bestandteile. Der Begriff „abgeleitet aus“ beinhalte daher nicht auch die Verwendung anderer Vernetzungsmonomere als MBA, insbesondere nicht solcher mit mehr als zwei funktionellen Gruppen. Hierfür gebe das Klagepatent auch ansonsten keinen Anhaltspunkt.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie macht sowohl eine wortsinngemäße Klagepatentverletzung als auch – hilfsweise – eine solche mit äquivalenten Mitteln geltend. Die Klägerin ist der Ansicht, bereits der Anspruchswortlaut „enthält“ („comprises“ in der englischen Fassung) lasse die Möglichkeit zu, dass das Polymermaterial weitere Einzelheiten zusätzlich zu den explizit genannten aufweise. Deshalb sei auch die Verwendung eines Vernetzungsmittels mit mehr als 2 Doppelbindungen vom Wortlaut umfasst. Der Begriff der „Ableitung“ sei im Sinne einer gedanklichen Ableitung und damit als reine Wirkungsangabe zu verstehen. Desweiteren stelle auch die Beschreibungspassage „Für die vorliegende Erfindung geeignete Polymere können auch durch die Verfahren gemäß GB-B-2206XYX und EP-B-0186XXY hergestellt werden.“ klar, dass Verbindungen mit drei funktionellen C-C-Doppelbindungen geeignete Alternativen zu MBA seien. Denn die EP 0 186 XXY benenne als Vernetzer Triallylcyanurat und Triallylisocyanurat, die wie TAA drei funktionelle C-C-Doppelbindungen aufweisen. Für den Zweck der Erfindung bestehe kein Unterschied, ob ein Vernetzer mit zwei oder drei funktionellen C-C-Doppelbindungen verwandt werde, zumal TAA in überwiegendem Umfang nur mit zwei der drei C-C-Doppelbindungen reagiere. Jedenfalls liege eine äquivalente Patentverletzung vor. Das Landgericht habe zu Unrecht die Gleichwertigkeit verneint, wie u.a. die gerade genannte Beschreibungsstelle belege.

Die Klägerin beantragt nach teilweiser Klagerücknahme, was das Herstellen der angegriffenen Ausführungsform anbelangt,

I.
das am 10.08.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf – Aktenzeichen 4b O 103/09 – aufzuheben,

II.
die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
eine
1. Wasser-in-Öl Emulsion, die ein

2. Polymermaterial enthält,
2.1. wobei zumindest 98 % des Polymermaterials in der Emulsion wasserlöslich ist,
2.2. welches Polymermaterial Einheiten enthält, die aus (a) Acrylamid, (b) 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und (c) Triallylamin abgeleitet sind,
2.3. welches Triallylamin in einer Menge zwischen 2 bis 10 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten vorhanden ist,
2.4. wobei zumindest einige der 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure-Einheiten in Form eines neutralen Salzes davon vorliegen, so dass die wässrige Phase der Wasser-in-Öl Emulsion einen pH-Wert von mindestens 5,5 besitzt,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, einzuführen (nur Beklagte zu 2) oder zu den genannten Zwecken zu besitzen;

III.
die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und in einer geordneten Aufstellung Rechnung zu legen in welchem Umfang sie die unter Ziffer II bezeichneten Verletzungshandlungen seit dem 01.01.2008 begangen haben, unter Angabe
1. der Herstellungsmengen, -preisen und –zeiten (nur Beklagte zu 1),
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen, Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeiträumen und Verbreitungsgebiet,
5. der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

IV.
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin gesamtschuldnerisch allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer II bezeichneten Verletzungshandlungen seit dem 01.01.2008 entstanden ist und noch entstehen wird;

V.
anzuordnen, dass die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindliche, vorstehend unter II. bezeichnete Wasser-in-Öl Emulsion zu vernichten;

VI.
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, der Klägerin die vorprozessualen Abmahnkosten in Höhe von 11.729,60 € zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, einschließlich der von den Parteien vorgelegten Privatgutachten (Privatgutachten Dr. C vom 01.07.2011 (Anlage K 22) und vom 15.11.2011 (Anlage K 25) sowie Privatgutachten Dr. D vom 19.09.2011 (Anlage M 1, deutsche Übersetzung Anlage M 1a) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent nicht.

1.)
Dieses betrifft wasserlösliche polymere Verdickungsmittel für Produkte, die äußerlich angewandt werden. Hierbei kann es sich um Körperhygiene-Produkte für Haut und Haare oder um topisch verabreichbare pharmazeutische Präparate handeln. Alle diese Produkte verwenden Eindicker/Stabilisatoren, um die rheologischen Eigenschaften (d.h. die Eigenschaften des Verformungs- und Fließverhaltens) zu modifizieren und die Stabilität zu verbessern. Es besteht daher Bedarf an einer Polymerzusammensetzung, die leicht dispergierbar ist, sowohl als Eindicker als auch als Stabilsator dient, in flüssiger Form vorliegt, um eine leichte Handhabbarkeit mit automatischen Spendern und Dosierpumpen zu ermöglichen, und alle anderen, in der Klagepatentbeschreibung (vgl. Anlage K 2 S. 2 bis 4) genannten strengen Kriterien erfüllt, die an in den oben genannten Bereichen verwandte Mittel gestellt werden.
Im Stand der Technik war durch die GB-B-2007XXZ eine Kombination aus Monomeren unter Verwendung von MBA als Vernetzer bekannt. Das dort beschriebene polymere Material konnte jedoch nicht zu Cremen oder einem Gel formuliert werden, deren Glätte jener entspricht, die mit wasserlöslichen Polymeren der Erfindung vergleichbar ist.

Zur Erreichung dieser Glätte bedient sich die Erfindung der Kombination folgender Merkmale:

1. Wasser-in-Öl Emulsion, die ein

2. Polymermaterial enthält,
2.1. wobei zumindest 98 % des Polymermaterials in der Emulsion wasserlöslich ist,
2.2. welches Polymermaterial Einheiten enthält, die aus (a) Acrylamid, (b) 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und (c) N,N`-Methylen-bis-acrylamid abgeleitet sind,
2.3. welches N,N`-Methylen-bis-acrylamid in einer Menge zwischen 0,06 bis einschließlich 1 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten vorhanden ist,
2.4. wobei zumindest einige der 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure-Einheiten in Form eines neutralen Salzes davon vorliegen, so dass die wässrige Phase der Wasser-in-Öl Emulsion einen pH-Wert von mindestens 5,5 besitzt.

2.)
Von dieser technischen Lehre macht die angegriffene Ausführungsform weder wortsinngemäß noch in äquivalenter Weise Gebrauch.

a) Einer wortsinngemäßen Verletzung steht entgegen, dass MBA, welches in Merkmal 2.2 ausdrücklich genannt wird, bei der angegriffenen Ausführungsform keine Verwendung findet. Hierauf zu verzichten, lässt der streitbefangene Klagepatentanspruch nicht zu. Dass das Klagepatent den Begriff „enthält“ (im Original „comprises“) verwendet, lässt – worauf die Beklagten zutreffend hinweisen – allenfalls das Hinzufügen weiterer, nicht genannter Einheiten bzw. Stoffe zu, nicht aber das Ersetzen im Anspruch genannter Bestandteile durch andere, nicht genannte Bestandteile. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auch der Begriff „abgeleitet“ im Sinne des Klagepatents nicht dahingehend verstanden werden, dass er eine reine Wirkungsangabe durch beispielhafte Aufzählung geeigneter Zusatzstoffe darstellt. Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Definition dem allgemeinen Sprachgebrauch im chemischen und/oder pharmazeutischen Bereich entspricht. Denn die Auslegung hat im Lichte des Klagepatents zu erfolgen, welches sein eigenes Lexikon darstellt (vgl. BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; BGH, GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig). In seiner Verfahrenssprache bedient sich das Klagepatent des Wortlauts „units derived from“, der außer mit „abgeleitet aus“ auch mit „entstammen“, „abstammen von“, „beziehen aus“ und „erlangen von“ übersetzt wird. Bereits dies ist ein Beleg dafür, dass sich die Erfindung bewusst für die aufgezählten Stoffe als Ausgangspunkt entschieden hat und nicht jeden Stoff mit vergleichbarer Wirkung zulassen will. Dies bestätigt auch die Beschreibung, welche ebenfalls keinerlei Hinweise auf eine rein beispielhafte Aufzählung in Merkmal 2.2 enthält. Das müsste sie aber. Denn wenn die anspruchsgemäß vorgenommene Aufzählung der Inhaltsstoffe nur beispielhaften Charakter hätte, müsste die dann allein entscheidende Wirkung der zu verwendenden Inhaltsstoffe konkret benannt werden, um die notwendige Abgrenzung der erfindungsgemäßen Emulsion von anderen, nicht unter das Klagepatent fallenden vorzunehmen und das Nacharbeiten der erfindungsgemäßen Emulsion zu ermöglichen. Die von der Klägerin in Bezug genommene Beschreibungsstelle „Die Wasserlöslichkeit des Vernetzungsmittels beträgt vorzugsweise zumindest 1 Gew.-% der Lösung“ (Seite 7 oben der deutschen Übersetzung, Anlage K 2) führt auch dann, wenn jedes Vernetzungsmittel per se eine bestimmte Wasserlöslichkeit aufweist, zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese Beschreibungsstelle ist im Kontext zu lesen und befindet sich am Ende eines Abschnitts, der sich allein zu MBA als vernetzendem Monomer verhält. Aufgrund dieses Gesamtzusammenhangs scheidet ein Verständnis dieser Textpassage dahingehend, dass das Klagepatent diverse Monomere als Vernetzungsmittel in Betracht zieht, aus.
Bei MBA und TAA handelt es sich – das ist unstreitig – um unterschiedliche Polymere aus unterschiedlichen Polymerfamilien. Während MBA zu den polyacrylischen Monomeren zählt, gehört TAA zu den polyallylischen Monomeren. Durch die Verwendung von TAA anstelle von MBA ist daher nicht ein weiterer, nicht aufgezählter Inhaltsstoff bei der angegriffenen Ausführungsform zur Anwendung gekommen, sondern ein vom Klagepatent genannter Inhaltsstoff ist durch einen nicht genannten ersetzt worden. Dass TAA unter Verwendung von MBA hergestellt wird, behauptet die Klägerin nicht, so dass dahinstehen kann, ob unter dieser Voraussetzung die Verwendung von TAA vom Wortlaut im gerade genannten Sinne noch umfasst wäre.

Darüber hinaus fehlt es an der in Merkmal 2.3 angegebenen Größe für die als Vernetzer zu veranschlagende Stoffmenge. Denn das in der angegriffenen Ausführungsform benutzte TAA ist dort auch nach dem Vorbringen der Klägerin in einer deutlich höheren Konzentration als 0,06 – 1 Millimol pro Mol vorhanden, nämlich 2 – 10 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten.

b) Eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents durch äquivalente Mittel ist ebenfalls zu verneinen. Es fehlt jedenfalls an einer Verwirklichung des Merkmals 2.2.

Zwar erstreckt sich der Schutzbereich des Patents auch auf vom Wortsinn abweichende Ausführungen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die am Sinngehalt der Ansprüche, d.h. an der darin beschriebenen Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden konnte (vgl. BGH GRUR 1986, 803 – Formstein; 1988, 896 – Ionenanalyse; 1989, 903 – Batteriekastenschnur; 2002, 511 (512) – Kunststoffrohrteil). Eine äquivalente Benutzung liegt damit aber nur vor, wenn in Bezug auf das Ersatzmittel kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

 das Austauschmittel muss dieselbe technische Wirkung erzielen, die das im Patentanspruch beschriebene Lösungsmittel nach der Lehre des Klagepatents erreichen soll (Gleichwirkung);
 der Durchschnittsfachmann mit dem Kenntnisstand des Prioritätstags muss ohne erfinderische Überlegungen in der Lage gewesen sein, das Austauschmittel als funktionsgleiches Lösungsmittel aufzufinden (Naheliegen);
 der Fachmann muss die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine Lösung in Betracht gezogen haben, die zu der im Wortsinn des Patenanspruchs liegenden gegenständlichen Ausführungsform gleichwertig ist (Gleichwertigkeit).

Diese Regeln sind grundsätzlich auch auf Patentansprüche anzuwenden, die die stoffliche Zusammensetzung einer chemischen Verbindung zum Gegenstand haben. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Fachmann bei chemischen Zusammensetzungen sich nicht selten durch unterschiedliche Eigenschaften auch verwandter Stoffe und Verbindungen gehindert sieht, eine bestimmte Komponente durch eine andere zu ersetzen. Zu einem solchen Austausch wird er nur dann greifen, wenn ihn die Patentschrift deutlich darauf hinweist, dass der betreffende Ersatzstoff in seinen im Rahmen der Erfindung maßgeblichen Eigenschaften mit dem im Patenanspruch ausdrücklich genannten Stoff übereinstimmt und mögliche abweichende Eigenschaften für die unter Schutz gestellte technische Lehre keine Bedeutung haben. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Vorliegend fehlt es jedenfalls am Naheliegen und an der Gleichwertigkeit von TAA als Austauschmittel für MBA. Zwar heißt es in der Klagepatentbeschreibung (Seite 6 vorletzter Absatz der deutschen Übersetzung, Anlage K 2), dass für die vorliegende Erfindung geeignete Polymere durch die Verfahren gemäß GB-B-2206XYX und EP-B-0186XXY hergestellt werden können. Auch werden in der EP 0 186 XXY neben MBA Triallylcyanurat und Triallyisocyanurat als quervernetzende Monomere offenbart, die ebenso wie TAA und anders als MBA über drei funktionelle Gruppen in Form von C-C-Doppelbindungen verfügen. Doch selbst wenn hiermit durch das Klagepatent auf eben diese Polymere und nicht nur auf die in den genannten Schriften dargestellten Verfahren verwiesen würde, würde dies nicht zu einer Gleichwertigkeit im rechtlichen Sinn führen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Annahme einer Äquivalenz bereits dann ausgeschlossen, wenn das Patent bei objektiver Betrachtung hinter dem weiter gehenden technischen Gehalt der Erfindung zurückbleibt. Dann ist der Schutz auf das zu beschränken, was noch mit dem Sinngehalt der Patentansprüche in Beziehung zu setzen ist (GRUR 2002, 519 (523) – Schneidmesser II). Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung). Dies bedeutet, dass selbst dann, wenn man annehmen würde, dass die vorstehend wiedergegebene Beschreibungsstelle des Klagepatents die Verwendung von Monomeren mit drei funktionellen Gruppen der Verwendung von MBA in technischer Hinsicht gleich stellt, eine Gleichwertigkeit in rechtlicher Hinsicht ausgeschlossen wäre. Hinzu kommt vorliegend, dass es in der genannten Beschreibungsstelle weiter heißt:
„Zusätzlich gelten die folgenden Bedingungen:
1) Das vernetzende Monomer N,N`-Methylen-bis-acrylamid (MBA) enthält zwei Ungesättigtheitsstellen zum Vernetzen und ist ausreichend wasserlöslich, um …“
Damit ist ausdrücklich eine Abgrenzung von den im Stand der Technik bekannten quervernetzenden Monomereinheiten mit drei funktionellen Gruppen vorgenommen. Dass sich das Klagepatent in Kenntnis der zur Verfügung stehenden diversen Vernetzungsmonomere allein für MBA entschieden hat, hat auch einen wissenschaftlichen Hintergrund, was u.a. die zum Prioritätszeitpunkt bereits veröffentlichte Schrift EP 0 343 XYY (Anlage K 20, auszugsweise deutsche Übersetzung Anlage K 20a) belegt. In ihr wird darauf hingewiesen, dass sich die polyacrylischen Monomere, zu denen Methylen-bis-acrylamid (MBA) gehört, von den polyallylischen Monomeren, zu denen Triallylamin (TAA) zählt, unterscheiden und die polyacrylischen Monomere die Neigung haben, schneller zu reagieren als die polyallylischen Monomere (vgl. Anlage K 20 Seite 4). Relevante Unterschiede zwischen MBA und TAA werden auch in dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten Dr. C vom 01.07.2011 (Anlage K 22) benannt. Dieses stellt eine Konkretisierung von klägerischem Vorbringen dar, welches nicht nach § 531 ZPO ausgeschlossen und in der Berufung zu berücksichtigen ist. In dem genannten Privatgutachten heißt es zum einen auf Seite 10, dass die Reaktivität der Doppelbindungen in MBA, Acrylamid und AMPS vergleichbar und dies für die Polymerisationsreaktion förderlich ist, und auf Seite 8, dass TAA als Vernetzer wie MBA nur mit zwei Doppelbindungen als Verknüpfungspunkt reagiere und die bei TAA vorhandene dritte Doppelbindung an der Verknüpfungsreaktion nicht beteiligt sei. Zum anderen wird sodann auf Seite 11 ausgeführt, dass MBA in wesentlich geringeren Mengen eingesetzt werden kann als TAA. Die mit der Entscheidung für MBA verbundenen Vorteile sind daher jedenfalls in Bezug auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt erheblich und für Fachmann auf erste Sicht erkennbar. Eines ausdrücklichen Hinweises in der Klagepatentschrift auf den erfindungsgemäßen Vorteil, das Vernetzungsmonomer nur in geringer Menge zu benötigen, hätte es vor diesem Hintergrund nicht einmal bedurft. Dass die Klagepatentbeschreibung diesen Vorteil dennoch erwähnt und auch in besonderer Weise hervorhebt, indem sie ausführt: „… Sie werden mit einer kleinen Menge des N,N`-Methylen-bis-acrylamid als Vernetzungsmittel gleichzeitig umgesetzt, um …“ (siehe Seite 6 oben der deutschen Übersetzung, Anlage K 2) und „Es ist sehr überraschend, dass durch Steuern der Menge an Vernetzungsmittel zwischen 0,06 und 1 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten eine ausgezeichnete Eindickungswirkung erzielt werden kann, ohne dass unerwünschte Feststoffe in der Formulierung vorhanden wären und man beim Auftragen auf der Haut ein „zähflüssiges“ Gefühl empfindet, wie es der Fall ist, wenn Vernetzungsmittel in einer zu geringen Menge vorhanden ist.“ (Seite 9 unten der deutschen Übersetzung, Anlage K 2), belegt, dass sie diesem Vorteil besonderes Gewicht beimisst. Dass er nicht nach Belieben verzichtbar ist, bringt das Klagepatent insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass es ihn nicht nur in der Patentbeschreibung besonders hervorhebt, sondern die geringe Menge des Vernetzungsmittels MBA auch ausdrücklich in den hier geltend gemachten Patentanspruch und auch in sämtliche anderen die Konzentration des Vernetzungsmittels MBA betreffenden Ansprüche (1, 3, 4, 9. 10, 16, 18 und 19) aufgenommen hat. Da TAA unstreitig nicht in einer vergleichbar geringen Menge mit gleicher Wirkung eingesetzt werden kann, ist der Austausch von MBA durch TAA aus der Sicht des Fachmanns nicht durch das Klagepatent nahegelegt. Zudem erhält der Fachmann durch die Klagepatentschrift auch keinen Hinweis darauf, in welcher Menge TAA zum Erzielen einer entsprechenden Wirkung einzusetzen wäre. Die Vorgabe in Merkmal 2.3 müsste daher ersatzlos entfallen, wollte man TAA als gleichwertiges Ersatzmittel ansehen. Das ist patentrechtlich ausgeschlossen.

Es ist nach dem Gesagten nicht mehr von Bedeutung, dass nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.09.2011 – Az: X ZR 69/10 – Diglycidverbindung) eine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln bei Nennung anderer Alternativmöglichkeiten in der Klagepatentbeschreibung als von der angegriffenen Ausführungsform verwandt nur dann in Betracht kommt, wenn sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen mit der unter Schutz gestellten Lösung deckt und sich in ähnlicher Weise wie diese Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruch aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.