15 U 109/14 – Elektronisches Mikrometer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2414

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Mai 2015, Az. 15 U 109/14

Vorinstanz: 4b O 33/13

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12.06.2014 abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR — ersatzweise Ordnungshaft — oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

elektronische Mikrometer,

enthaltend ein Gehäuse, das mindestens ein inneres Volumen definiert, in dem angeordnet sind:

eine Hülse, die mindestens zum Teil mit Gewinde versehen ist,

eine Schraube, die in der genannten Hülse eingesetzt und fähig ist, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben,

ein elektronisches Messsystem, das fähig ist, die relative Drehung der Schraube in Bezug auf die Hülse zu messen und aus dieser Messung die Längsposition der Schraube zu bestimmen,

gekennzeichnet durch

Dichtungen, die so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens abdichten,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

b) der Klägerin Auskunft zu erteilen und schriftlich in geordneter Form (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1a) bezeichneten Handlungen seit dem 19. Dezember 2003 begangen hat und zwar unter Angabe

aa) der einzelnen Lieferungen mit

aaa) Liefermengen, -zeiten und -preisen, einschließlich der Rechnungsnummern,

bbb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung. Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,

ccc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

bb) der einzelnen Angebote mit

aaa) Angebotsmengen, -zeiten und –preisen,

bbb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,

ccc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

cc) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,

dd) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse und der bezahlten Preise,

ee) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume,

wobei

– die unter aa) ccc) und dd) verlangten Angaben zu den Verkaufsstellen und den bezahlten Preisen erst für die Zeit seit dem 30.04.2006 zu erfolgen haben,

– die unter aa) und dd) genannten Angaben durch Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen in Kopie zu belegen sind,

– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmt bezeichnete Lieferung oder ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder ein bestimmt bezeichneter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

– bei den Belegen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin seit dem 19. Dezember 2003 durch die unter Ziffer I. 1a) bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.

II. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 250.000,00,- abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

GRÜNDE:

A.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des in französischer Verfahrenssprache erteilten Europäischen Patents EP 0 973 xxx xx („Klagepatent“, Anlage K 3), das am 17.07.1998 angemeldet wurde. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 19.01.2000, die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents durch das Europäische Patentamt am 19.11.2003. Eine deutsche Übersetzung des Klagepatents wurde als DE 698 19 xxx xx (Anlage K 3a) am 02.09.2004 vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlicht.
Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes hielt die Erteilung des Klagepatents mit Beschluss vom 13.10.2009 unverändert aufrecht (Anlage B03).

In der französischen Originalsprache hat der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Hauptanspruch 1 des Klagepatents folgenden Wortlaut (ohne Bezugszeichen):

„Micromètre électronique comprenant un boîtier définissant au moins un volume interne, dans lequel sont disposés:
une douille au moins partiellement filetée,
une vis engagée dans ladite douille et apte être mise en rotation par rapport á ladite douille de manière á se déplacer selon l`axe de mesure longitudinal du micromètre,
un système de mesure électronique apte á mesurer la rotation relative de la vis par rapport á la douille et á déterminer á partir de cette mesure la position longitudinale de la vis,
caractérisé par des joints disposés de manière á étanchéifier l`ensemble dudit volume interne.”

Gemäß der veröffentlichten T2-Schrift lautet der Hauptanspruch 1 des Klagepatents in deutscher Übersetzung:

„Elektronisches Mikrometer, enthaltend ein Gehäuse, das mindestens ein inneres Volumen definiert, in dem angeordnet sind:
eine Hülse, die mindestens zum Teil mit Gewinde versehen ist,
eine Schraube, die in der genannten Hülse eingesetzt und fähig ist, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben,
ein elektronisches Messsystem, das fähig ist, die relative Drehung der Schraube in Bezug auf die Hülse zu messen und aus dieser Messung die Längsposition der Schraube zu bestimmen,
gekennzeichnet durch Dichtungen, die so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens abdichten.“

Die nachfolgend eingeblendete Figur 2 des Klagepatents zeigt ein erfindungsgemäß bevorzugtes Mikrometer:

Die Normen ISO20653 und deren Vorgängerin DIN40050 definieren zweistellige „International Protection Codes“ („IP-Codes“). Während die erste Ziffer eines entsprechenden Codes den Schutz gegen Fremdkörper und Berührung betrifft, bezieht sich die zweite Ziffer auf den Schutz gegen Feuchtigkeit bzw. Wasser. Umso höher die ausgewiesenen Ziffern sind, desto größer ist jeweils der vermittelte Schutz. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Standardnorm DIN 40050 sowie der (die Codierung identisch übernehmenden) Nachfolgenorm ISO 20653 wird auf das Anlagenkonvolut K 12 verwiesen.

Die Klägerin ist ein schweizerisches Unternehmen, das patentgemäße elektronische Mikrometer herstellt und vertreibt.

Die Beklagte ist ein chinesisches Unternehmen, das in der Vergangenheit im Auftrag der Klägerin Mikrometer fertigte. Die betreffende Zusammenarbeit ist inzwischen beendet. Die Beklagte verfügte zu keiner Zeit über eine Lizenz am Klagepatent.

Vor dem Landgericht Düsseldorf wurde auf Antrag der Klägerin ein selbstständiges Beweisverfahren unter Beteiligung der hiesigen Parteien durchgeführt (Az. der beigezogenen Akte: LG Düsseldorf, 4a O 32/13). Im Rahmen jenes Verfahrens fand am 14.05.2013 auf der Messe „Control 2013“ in Stuttgart eine Besichtigung durch die gerichtlich beauftragte Sachverständige, Frau Patentanwältin Dr. B, statt. Die Sachverständige untersuchte zwei von der Beklagten ausgestellte elektronische Mikrometer auf eine mögliche Verletzung des Klagepatents. Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten in der beigezogenen Akte (dort Blatt 72 – 114) Bezug genommen.

Die Beklagte stellt verschiedene Modelle elektronischer Mikrometer her.

Zur angegriffenen Ausführungsform 1 gehören folgende Mikrometer, die in den hier relevanten technischen Aspekten übereinstimmen und allesamt die Anforderungen der Schutzklasse IP54 erfüllen:

– das auf der deutschsprachigen Internetseite der Beklagten beworbene und auf der Fachmesse „Control“ in Stuttgart im Jahre 2012 ausgestellte (vgl. S. B14 des Messekataloges gemäß Anlage K6) Multianzeige-Mikrometer mit der Artikelnummer 191-01-AAE:

– das von der Klägerin im Rahmen zweier Testkäufe bei der C GmbH („C“) – der deutschen Vertriebspartnerin der Beklagten – u.a. erworbene elektronische Mikrometer mit der Artikelnummer 312.AAC („D“):

– das auf der Messe „Control 2013“ in Stuttgart von der Beklagten ausgestellte elektronische Mikrometer mit der Produktnummer 121297AAD, welches Gegenstand des oben bereits erwähnten selbständigen Beweisverfahrens war (die Beschriftung des nachfolgenden Bildes stammt von der dortigen gerichtlichen Sachverständigen):

Bei allen Modellen der angegriffenen Ausführungsform 1 ist die vorderseitige Öffnung des inneren Gehäuses, durch die der an der Schraube befindliche Taststift das Gehäuse verlässt, an den Umfang des Taststifts angepasst (nachstehende Abbildung zeigt den Taststift beim Austritt aus dem Gehäuse):

Die Parteien streiten darüber, ob diese Anpassung eine klagepatentgemäße Dichtung des – im Übrigen durch verschiedene Dichtungen unstreitig abgedichteten – inneren Gehäuses darstellt. Wegen der sonstigen Details der Ausgestaltung der Modelle gemäß der angegriffenen Ausführungsform 1 wird auf die Seiten 6 bis 8 des landgerichtlichen Urteils nebst Abbildungen Bezug genommen.

Die Beklagte stellte auf der Messe „Control 2013“ in Stuttgart ein Mikrometer mit der Bezeichnung „E“ („angegriffene Ausführungsform 2“) aus, welches das Schutzniveau IP65 einhält und ebenfalls von der Gutachterin des vorerwähnten selbstständigen Beweisverfahrens untersucht wurde. Das folgende Foto der angegriffenen Ausführungsform 2 stammt wiederum von der gerichtlichen Sachverständigen:

Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 befindet sich – anders als bei der angegriffenen Ausführungsform 1 – am vorderen Ende des Gehäuses zwischen Taststift und Hülse eine zusätzlich angebrachte Dichtung, die als schwarzer Ring in der vorstehenden Abbildung im Querschnitt erkennbar ist.

Der Taststift und die in der nachstehenden Abbildung gezeigte Hülse weisen bei der angegriffenen Ausführungsform 2 gegengleiche Gewinde auf, wobei zwischen Taststiftgewinde und Hülsengewinde eine hochgenaue Passung besteht. Es findet sich dort jedoch kein weiteres Bauteil, welches eine Abdichtwirkung hat.

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob am hinteren Ende der angegriffenen Ausführungsform 2 aufgrund der vorerwähnten Anpassung der Gewinde zueinander eine Dichtung im Sinne des Klagepatents vorhanden ist. Im Übrigen ist das innere Gehäuse bei der angegriffenen Ausführungsform 2 unstreitig durch verschiedene Dichtungen abgedichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausgestaltung des inneren Gehäuses der angegriffenen Ausführungsform 2 wird auf die betreffenden Ausführungen auf S. 9 bis S. 11, 2. Absatz des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Vor dem Landgericht Mannheim nahm die hiesige Klägerin die C ohne Erfolg wegen vermeintlicher Verletzung des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 in Anspruch. Das Landgericht Mannheim wies die betreffende Klage mit Urteil vom 21.03.2014 (Az. 7 O 83/13) ab (Anlage B 01). Die Klägerin legte gegen jenes Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein, über die derzeit noch nicht entschieden ist.

Die Klägerin hat in erster Instanz des vorliegenden Rechtsstreits Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft/Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend gemacht, wobei sie ihre ursprüngliche Klage teilweise zurückgenommen hat (vgl. wegen der Einzelheiten das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2014 vor dem Landgericht, Blatt 107 f. GA), und insoweit vorgebracht: Das Klagepatent erfordere als Dichtung kein sperrendes Element als zusätzliche Komponente, wie sich bereits aus dem Anspruchswortlaut in der maßgeblichen französischen Verfahrenssprache des Klagepatents ergebe. Dem Fachmann seien im Prioritätszeitpunkt bereits sog. Spalt- oder Labyrinthdichtungen bekannt gewesen, die durch einen Spalt gekennzeichnet seien, der in vordefinierten Grenzen noch durchlässig sei. Die Schutzklasse IP54 erfordere keine vollständige Abdichtung gegen Wasser und Staub. Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 stelle die hochgenaue Passung zwischen Taststift und vorderer Gehäuseöffnung (Durchtrittsöffnung) eine Dichtung im Sinne des Klagepatents dar. Die angegriffene Ausführungsform 2 verfüge im hinteren Bereich des Mikrometers über ein von der Skalierungshülse und der Messtrommel gebildetes, zweites inneres Volumen. Beide innere Volumina bildeten das patentgemäße innere Volumen. Das erste innere Volumen sei durch eine durch gegengleiche Gewinde von Gewindehülse und Schraube gebildete Labyrinthdichtung abgedichtet. Die Skalierungshülse und die Messtrommel bildeten durch die Überlappung eine erfindungsgemäß erfasste Spaltdichtung.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung vor dem Landgericht im Wesentlichen geltend gemacht: Das Klagepatent verstehe unter einer Dichtung ein physikalisch an der Berührungsstelle von Hülse zur Schraube existierendes Teil, worunter keine „hochgenaue Passung“ falle. Dies gelte umso mehr, als das Eindringen von Feuchtigkeit etc. dadurch verschlimmert werde, dass der Taststift bei der angegriffenen Ausführungsform 1 durch die Öffnung hinein und heraus gedreht werde. Ferner sei bei dem Mikrometer mit der Artikelnummer 191-01-AAE keine Schraube vorhanden, die in der Hülse eingesetzt und fähig sei, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 lägen das Gewinde des Taststifts und die Gewindehülse unter einer Messtrommel außerhalb des geschlossenen inneren Volumens. Auch bei der angegriffenen Ausführungsform 2 fehle es an einem zusätzlichen dichtenden Bauteil und an einer vollständigen Abdichtung, weil die Schraube am hinteren Teil des Gehäuses sich reibungslos durch die Hülse drehen ließe und so ein Spalt bestehe.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 12.06.2014 abgewiesen, wobei es zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt hat: Das Klagepatent verlange als Dichtungen zusätzliche Komponenten, die für eine Abdichtung des inneren Volumens sorgten. Die hochgenaue Anpassung verschiedener, bestehender Bauteile stelle dagegen keine patentgemäße Dichtung dar. Vor diesem Hintergrund machten die angegriffenen Ausführungsformen von der patentgemäßen Lehre keinen Gebrauch: Es fehle insofern an einer patentgemäßen geforderten Dichtung zwischen Taststift und Hülse bei der angegriffenen Ausführungsform 1 bzw. zwischen Skalierungshülse und Messtrommel bei der angegriffenen Ausführungsform 2. Wegen der weiteren Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird auf das angefochtene Urteil (Blatt 110 bis 135 GA) und den einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Klägerin zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 30.07.2014 (Blatt 175 f. GA) Bezug genommen.

Mit ihrer gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegten Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Das Landgericht habe den Anspruch 1 des Klagepatents „unter dessen Wortsinn“ ausgelegt. Verfehlt habe das Landgericht nämlich den Begriff der „joints“ unter Bezugnahme auf Ausführungsbeispiele auf separate Dichtelemente beschränkt. Die mit Anspruch 1 des Klagepatents einhergehende (objektive) Verbesserung bestehe darin, dass das Gehäuse des Mikrometers mindestens ein gemeinsames und in seiner Gesamtheit abgedichtetes inneres Volumen definiere, in welchem die genannten mechanischen und elektronischen Bestandteile des Mikrometers angeordnet seien. Insoweit könne das Gehäuse klagepatentgemäß auch mehrere innere Volumina definieren, die dann zusammen das gemeinsame innere Volumen bildeten. Dieses gesamte, mindestens eine innere Volumen sei erfindungsgemäß durch Dichtungen abzudichten, wobei eine Wahl spezifischer Dichtungstypen nicht Teil dieses Kerns der Erfindung sei. Der Begriff „disposés“ betreffe allein die örtliche Positionierung der anspruchsgemäßen Dichtungen, so dass das mindestens eine innere Volumen als die wesentlichen Elemente aufnehmender Hohlraum mindestens entsprechend dem Schutzindex IP54 abgedichtet sei. Der Erreichung des Mindestschutzes gemäß IP54 stehe eine Durchlässigkeit der Spaltdichtung weder in Bezug auf Staub (erste Ziffer des IP-Codes) noch in Bezug auf Wasser (zweite Ziffer des IP-Codes) entgegen, solange ein gewisses Ausmaß an eindringendem Staub bzw. Wasser nicht überschritten werde. Eine Unterscheidung zwischen der Dichtwirkung durch Gestaltung des Gehäuses oder durch Einfügen spezieller Dichtelemente sei technisch unsinnig. Die – unstreitig – den Schutzindizes IP54 und IP65 genügenden angegriffenen Ausführungsformen realisierten nach alledem ebenfalls anspruchsgemäße Spalt- bzw. Labyrinthdichtungen.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Standpunktes im Wesentlichen wie folgt: Das Landgericht sei unter zutreffender Auslegung des Anspruchs 1 zu dem Ergebnis gekommen, dass anspruchsgemäße Dichtungen nur solche sein könnten, die separat als konstruktives Element dem Mikrometer hinzugefügt werden müssten. Die Beklagte macht sich ferner die Auffassung des Landgerichts Mannheim im Parallelverfahren gegen die C zu eigen. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei insoweit (zwischen Taststift und Hülse bzw. zwischen Skalierungshülse und Messtrommel) keine zusätzliche, abdichtende Komponente vorhanden. Mit Blick auf den Absatz [0042] des Klagepatents sei zu beachten, dass die dort angesprochenen „anderen Mittel“ nur einer zusätzlichen Verbesserung dienten. Spalt- und Labyrinthdichtungen böten keine ausreichende Dichtung gegen Flüssigkeit und Feuchtigkeit. Lösungen, die das Schutzniveau IP54 allein im Wege einer Passgenauigkeit bestehender Bauteile erreichten, seien nicht erfindungsgemäß. Ein „Anordnen“ verlange ein „Hinzufügen“ eines separaten Dichtelements und dürfe nicht auf eine örtliche Anordnung abstrakter oder konkreter Dichtungen an Schwachstellen des Gehäuses reduziert werden. Mangels einer Dichtung zwischen Trommel und Skalierungshülse bzw. zwischen Messspindel und Hülse in Form einer zusätzlichen, abdichtenden Komponente machten die angegriffenen Ausführungsformen von Anspruch 1 des Klagepatents keinen Gebrauch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Das landgerichtliche Urteil ist abzuändern. Beide angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Der Klägerin stehen deshalb die jeweils geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung zu; ferner ist die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz hinsichtlich beider angegriffener Ausführungsformen festzustellen.

I.
Die technische Lehre des Klagepatents hat insbesondere ein elektronisches, dichtes Mikrometer zum Gegenstand.

Gemäß den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents waren bereits elektronische Mikrometer, bei denen die gemessene Distanz durch ein elektronisches Messsystem bestimmt und auf einer elektronischen Anzeige angezeigt wird, vorbekannt. Derartige elektronische Mikrometer wiesen – so das Klagepatent – im Vergleich zu konventionellen (d.h. mechanischen) Mikrometern die Vorteile eines wesentlich verbesserten Ablesekomforts sowie die Möglichkeit einer Speicherung und Übermittlung gemessener Werte auf.

Andererseits beschreibt das Klagepatent das Erfordernis einer recht sorgfältigen Unterhaltung solcher elektronischer Mikrometer. Beispielsweise seien solche Vorrichtungen schlecht angepasst, um in einer feuchten oder einer Staub, Schmiermitteln oder Schneidöl ausgesetzten Umgebung zu funktionieren. Vor allem sei es wichtig, dass die kapazitiven Elektroden des Messsystems frei von jeder Feuchtigkeit blieben.

Als Stand der Technik hebt das Klagepatent die US 5,433,AAF hervor, die ein Mikrometer betreffe, das verschiedene Mittel zum Verhindern des Eindringens von Wasser in gewisse Teile des Mikrometers enthalte. Hier dienten insbesondere Ringdichtungen dazu, das Eindringen von Wasser entlang der Schraube zu verhindern. Die dort beschriebene Vorrichtung sehe jedoch nichts vor, um die kapazitiven Elektroden, den elektronischen Mess- und Anzeigeschaltkreis oder das Gewindeteil der Mikrometerschraube und der Hülse gegen das Eindringen von Wasser zu schützen.

Ähnliche Mikrometer seien in der JP-7-159AAG und in der JP-6-194AAH beschrieben – auch dort sei jeweils nur ein Teil der Bestandteile vor Feuchtigkeit geschützt.

Vor diesem technischen Hintergrund sei es – so das Klagepatent in seinem Absatz [0006] – ein Ziel, ein im Vergleich zu den Mikrometern im Stand der Technik verbessertes elektronisches Mikrometer vorzuschlagen, das besser an ein Funktionieren in einer schmutzigen, feuchten oder Staubablagerungen, Schmiermitteln oder Schneidöl ausgesetzten Umgebung angepasst sei.

Zwecks Lösung dieses technischen Problems schlägt das Klagepatent in seinem Hauptanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Elektronisches Mikrometer, enthaltend ein Gehäuse (23).

2. Das Gehäuse (23) definiert mindestens ein inneres Volumen (230), in dem angeordnet sind:

a) eine Hülse (10), die mindestens zum Teil mit Gewinde versehen ist;

b) eine Schraube (1), die in der genannten Hülse (10) eingesetzt und fähig ist, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben,

c) ein elektronisches Messsystem (19, 20, 21, 5), das fähig ist, die relative Drehung der Schraube (1) in Bezug auf die Hülse (10) zu messen und aus dieser Messung die Längsposition der Schraube (1) zu bestimmen.

3. Dichtungen (30, 32, 34, 38, 46) sind so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens (230) abdichten.

II.
Die Klägerin rügt zu Recht, dass das Landgericht das Merkmal 3 des Anspruchs 1 des Klagepatents unzulässig „unter dessen Wortsinn“ ausgelegt hat, indem es angenommen hat, „Dichtungen“ könnten nur „zusätzliche Komponenten, die für eine Abdichtung des inneren Volumens sorgen“ sein.

Unter der erfindungsgemäßen Anordnung von „joints“ („Dichtungen“) versteht der Durchschnittsfachmann – ein Maschinenbauingenieur mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung bei der Konstruktion von elektronischen Mikrometern – vielmehr sämtliche konstruktiven Maßnahmen, die zu einer Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens eines elektronischen Mikrometers in einem solchen Umfang führen, dass den Anforderungen des Schutzindexes IP54 gemäß der Norm DIN40050 bzw. der Nachfolgenorm ISO 20653 genügt wird. Optional darf die erfindungsgemäß intendierte Abdichtung daher auch unter Zuhilfenahme der im inneren Volumen angeordneten Bauteile selbst erzielt werden, indem diese – über die Anforderungen der Merkmalsgruppe 2 hinausgehend – gerade in solcher Weise zueinander im inneren Volumen angeordnet werden, dass eine Berührungs- bzw. Spaltdichtung entsteht, die zumindest den Anforderungen des Schutzindexes IP54 genügt.

1.
Die hier entscheidungserhebliche Auslegung des Merkmals 3 und insbesondere die darin enthaltene Anforderung „…joints disposés …“ gibt zunächst Anlass, folgende Grundsätze der Auslegung eines (europäischen) Patents in Erinnerung zu rufen:

Der Schutzbereich wird durch die Patentansprüche bestimmt, wobei lediglich zu deren Auslegung der Beschreibungstext und die Zeichnungen heranzuziehen sind (Art. 69 Abs. 1 EPÜ). Gemäß Art. 1 S. 2 des Protokolls über die Auslegung des EPÜ („Auslegungsprotokoll“) ist Art. 69 EPÜ nicht dahingehend auszulegen, dass die Patentansprüche lediglich als Richtlinie für die Auslegung dienen. Die Auslegung soll gemäß Art. 1 S. 3 des Auslegungsprotokolls einen ausreichenden Schutz für den Patentinhaber mit einer ausreichenden Rechtssicherheit für Dritte verbinden. Den Patentansprüchen kommt insoweit der Vorrang gegenüber der Beschreibung zu (BGHZ 160, 204, 209 = GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGHZ 171, 120 = GRUR 2007, 410 – Kettenradanordnung I; BGHZ 172, 88, 97 = GRUR 2007, 778, 779 – Ziehmaschinenzugeinheit I; GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung). Ebenso wenig wie die Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen im Rahmen der Auslegung zu einer inhaltlichen Erweiterung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen darf, berechtigt sie zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands (BGH, GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit I; GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung). Dem Wortlaut des Anspruchs kommt demnach entscheidende – wenn auch nicht alleinige – Bedeutung zu (BGH, GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport; BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung). Ein weit gefasster Patentanspruch darf deshalb nie unter Berufung auf den Beschreibungstext einschränkend interpretiert werden.

2.
Die Merkmale 1 und 2 des Hauptanspruchs 1 geben den überwiegend bereits aus dem Stand der Technik vorbekannten Aufbau eines elektronischen Mikrometers wieder. Demnach verfügt ein solches elektronisches Mikrometer über ein Gehäuse (Merkmal 1), durch das ein inneres Volumen definiert wird (Merkmal 2). Innerhalb des so definierten inneren Volumens sind – womit sich das Klagepatent bereits vom gattungsbildenden Stand der Technik abhebt – zwingend folgende drei – das Wesen eines gattungsgemäßen elektronischen Mikrometers ausmachende – Vorrichtungsbestandteile anzuordnen: eine Hülse mit Gewinde (Merkmal 2a), eine in dieser Hülse befindliche, entlang der longitudinalen Messachse verschiebbare Schraube (Merkmal 2b) sowie ein elektronisches Messsystem zur Bestimmung der Längsposition der Schraube (Merkmal 2c). Schließlich schreibt das – den Kern der erfindungsgemäßen Lösung ausmachende – Merkmal 3 die Anordnung von Dichtungen („…joints disposés …“) vor, die die Gesamtheit des genannten inneren Volumens abdichten.

Vor die Aufgabe gestellt, ein erfindungsgemäßes Mikrometer zur Verfügung zu stellen, vergegenwärtigt sich der Fachmann zunächst, dass das streitige Merkmal 3 durch folgenden zweigeteilten Aufbau gekennzeichnet ist: Erstens enthält es in Bezug auf Dichtungen eine gewisse räumlich-körperliche Vorgabe dergestalt, dass diese anzuordnen sind („…joints disposés…“). Zweitens wird der Zweck dieser räumlich-körperlichen Vorgabe dahingehend erläutert, dass „dass sie [die „joints“] die Gesamtheit des genannten inneren Volumens (230) abdichten.“ („…de manière á étanchéifier l`ensemble dudit volume interne.“).

Zwischen den Parteien steht zu Recht außer Streit, dass – wovon auch das Landgericht richtig ausgegangen ist – jedenfalls der allgemeine Sprachgebrauch des im Merkmal 3 verwendeten Begriffs der „joints“ nach der hier gemäß Art. 70 EPÜ maßgeblichen französischen Verfahrenssprache ausweislich des als Anlage K 9 vorgelegten Französisch-Wörterbuchs auch (gerade im maschinenbau-technischen Kontext) Konstruktionen einschließt, bei denen eine berührungslose (also strömungstechnische Effekte ausnutzende) Dichtung ohne zusätzliche Bauteile vorhanden ist.

Wie nachfolgend erläutert wird, ist das klagepatentgemäße Verständnis mit diesem – weitgefassten – allgemeinen Sprachverständnis von „joints“ kongruent. Der Fachmann hat vorliegend weder mit Rücksicht auf den Anspruchswortlaut noch auf die Beschreibung und Zeichnungen des Klagepatents Veranlassung zu der Annahme, der Anmelder habe sich – aus welchen Gründen auch immer – gerade nicht des (erweiterten) üblichen Sprachgebrauchs bedient, weshalb hier kein Anhalt für eine Divergenz zum allgemeinen Sprachgebrauch besteht (vgl. BGH, GRUR 2000, 754 – werkstoffeinstückig; vgl. BGH, GRUR 2007, 410 – Kettenradanordnung).

a)
Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Klagepatents umfasst zwanglos auch ein technisches Handeln, bei dem die zur Gesamtheit des inneren Volumens gehörenden Vorrichtungsbestandteile (also auch die in der Merkmalsgruppe 2 explizit erwähnten Komponenten) ihrerseits zugleich einen Beitrag zur gewünschten Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens leisten.

Der entsprechend breit formulierte Anspruch 1 stellt es nämlich weitestgehend in das Belieben des Fachmanns, auf welche der ihm allgemein bekannten technischen Maßnahmen zum Zwecke der Abdichtung des gesamten inneren Volumens er zurückgreifen möchte. Das gilt auch für die Frage, ob und in welchem Umfang er sich im Interesse der Abdichtung zusätzlicher (also von den in Merkmalsgruppe 2 genannten, verschiedenen) Bauteile bedient oder inwieweit er sich stattdessen eine spezifische Anordnung der ohnehin zwingend vorzusehenden – ein (elektronisches) Mikrometer ausmachenden -Vorrichtungskomponenten zunutze machen möchte.

Gegen dieses Verständnis des Wortlauts spricht insbesondere kein systematisches (auf das Verhältnis der Merkmalsgruppe 2 und des Merkmals 3 abstellendes) Argument: Namentlich ist es unzutreffend, aus der mehrfachen Verwendung des Partizips „disposés“ (nämlich im Merkmal 2 und im Merkmal 3) sei zwingend zu schließen, dass „joints“ zwangsläufig neben die vorbekannten Funktions- und Gehäusebestandteile des Mikrometrs tretende, zusätzliche technische Elemente sein müssten.

Zwar bilden die Merkmale eines Patentanspruchs eine Einheit und es verbietet sich demzufolge, einzelne Merkmale losgelöst vom Gesamtzusammenhang der im Anspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre zu interpretieren; vielmehr ist stets die Frage zu stellen, welcher technische Sinn den einzelnen Merkmalen in ihrer Gesamtheit zukommt und welcher Beitrag zum beabsichtigten Leistungsergebnis den einzelnen Merkmalen zugedacht ist (BGH, GRUR 2004, 844 – Drehzahlermittlung; BGH, GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum). Auch unter Beachtung dieser Auslegungsgrundsätze führt das vorliegende Verständnis jedoch nicht etwa dazu, dass die technischen Vorgaben des Merkmals 3 mit Blick auf die Merkmalsgruppe 2 obsolet bzw. redundant wären.

Der Schluss, dass die in der Merkmalsgruppe 2 gelehrte Anordnung der in den Merkmalen 2a) bis 2c) umschriebenen Bauteile im inneren Volumen nicht zugleich auch zu der vom Merkmal 3 vorgeschriebenen „Anordnung von Dichtungen“ beitragen könne, trifft ersichtlich nicht zu: Das jedwede patentrechtliche Auslegung beherrschende Gebot der Berücksichtigung der technischen Funktion gilt uneingeschränkt auch in Bezug auf solche Begriffe, die im Patentanspruch an verschiedenen Stellen gleichermaßen (d.h. mit demselben Wortlaut) verwendet werden. Diese müssen nicht zwangsläufig überall dieselbe Bedeutung haben, sondern können in Anbetracht der in jedem einzelnen Zusammenhang bestehenden technischen Funktion Unterschiedliches besagen bzw. auf unterschiedliche technische Aspekte bezogen sein (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. A., 2014, Rn. 41). Im letztgenannten Sinne verhält es sich im Ergebnis auch hier, wie dem Fachmann bei zwangloser Lektüre des Anspruchs 1 bewusst wird:

Soweit sich bereits die Merkmalsgruppe 2 des Partizips „disposés“ („angeordnet“) bedient, bezieht sich dies ausschließlich auf die technische Vorgabe, dass sich die einzelnen in den Merkmalen 2a) bis 2c) umschriebenen Komponenten überhaupt – also irgendwo – innerhalb der Gesamtheit des durch das Gehäuse definierten inneren Volumens befinden müssen. Diese Vorgabe beschränkt sich mithin auf das „ob“ der Anordnung dieser Einzelkomponenten im inneren Volumen, ohne irgendwelche darüber hinausgehenden Vorgaben lokaler Art zu machen. Insbesondere lässt die Merkmalsgruppe 2 es offen, wie die Einzelkomponenten relativ zueinander in der Gesamtheit des inneren Volumens anzuordnen sind, solange nur ein funktionsfähiges (damit aber noch nicht notwendig auch hinreichend abgedichtetes) elektronisches Mikrometer zur Verfügung steht.

Erst im Rahmen des Merkmals 3 geht es um die Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens im Wege einer geeigneten „Anordnung von Dichtungen“ („joints disposés“). Die Anordnung im Sinne von Merkmal 3 betrifft also bei der gebotenen abstrakt-funktionalen Betrachtung ein anderes Bezugsobjekt. Damit werden die zuvor schon in der Merkmalsgruppe 2 vorausgesetzten, im inneren Volumen anzuordnenden Vorrichtungsbestandteile jedoch keineswegs zwangsläufig aus den für die Abdichtung in Betracht kommenden technischen Mitteln ausgeklammert. Ebenso wenig wie es nach allgemeinen patentrechtlichen Grundsätzen ausgeschlossen ist, dass ein Vorrichtungsbestandteil der Umsetzung mehrerer funktionaler Vorgaben eines Vorrichtungsanspruchs dient, verbietet die abermalige – und nun auf ein anderes Bezugsobjekt bezogene – Verwendung des Partizips „disposés“ im Merkmal 3 des Anspruchs 1 eine Auslegung, nach der die Komponeneten gemäß Merkmalsgruppe 2 zugleich Abdichtungsmittel als Bestandteil der „Anordnung einer Dichtung“ sein können. Demgemäß ist es anspruchsgemäß nicht verboten, die Anordnung im Sinne von Merkmal 3 optional auf die Komponenten gemäß Merkmalsgruppe 2 zu beziehen, obwohl bereits im Merkmal 2 von deren „Anordnung“ die Rede ist. Damit ist das erneute Postulat einer „Anordnung“ im Merkmal 3 auch bei Zugrundelegung des hier vertretenen Verständnisses keineswegs redundant, sondern betrifft alsdann eine gegenüber der zuvor in Merkmal 2 vorausgesetzten Anordnung speziellere Anordnung: Soweit es im Merkmal 3 numehr um die Anordnung im Interesse der Abdichtung geht, bezieht sich dies – will der Fachmann die Vorrichtungskomponenten gemäß Merkmalsgruppe 2 zugleich als „Dichtungen“ oder als Teil derselben verwenden – nicht mehr auf die einzelnen Komponenten als „Individuen“, sondern betrifft deren relative Anordnung zueinander und damit die funktionale Einheit dieser Komponenten.

b)
Die gebotene funktionsorientierte Auslegung des Anspruchs 1 anhand der Beschreibung des Klagepatents bestätigt vorstehendes, am Anspruchswortlaut orientiertes Verständnis des Merkmals 3:

Bei der Ermittlung der objektiven Aufgabe einer Lehre zum technischen Handeln kommt es nicht darauf an, was in der Klagepatentschrift subjektiv als Aufgabe der Erfindung angesehen wird (BGH, GRUR 2010, 602, 605 – Gelenkanordnung), sondern es ist grundsätzlich eine funktionsorientierte Auslegung angezeigt (BGH, GRUR 2009, 655 – Trägerplatte). Maßgeblich für die Ermittlung der objektiven Problemstellung ist dabei, welche nicht nur bevorzugten, sondern zwingenden Vorteile mit den Merkmalen des Anspruchs erzielt und welche Nachteile des Standes der Technik zwingend beseitigt werden sollen (OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 599, 601 ff – Staubsaugerfilter; Senat, Urteil vom 08.07.2014 – I 15 U 29/14). Was die Erfindung tatsächlich (objektiv) leistet, ist also grundsätzlich den in der (allgemeinen) Beschreibung genannten Vor- und Nachteilen im eben genannten Sinne zu entnehmen. Jedoch bestimmt sich – wegen des Vorrangs des Patentanspruchs – im Zweifel anhand der in den Anspruch aufgenommenen Merkmale, was die Erfindung tatsächlich leistet (BGH, GRUR 2010, 602, 605 – Gelenkanordnung).

aa)
Soweit das Landgericht (LGU, ab S. 23 unten bis S. 24 oben) sein engeres Verständnis von der „Anordnung von Dichtungen“ unter anderem auf die im Absatz [0004] des Klagepatents erfolgte Kritik am gattungsbildenden Stand der Technik gemäß der US 5,433,AAF (Anlage K 16) gestützt hat, ist dem zu widersprechen.

Das Klagepatent hebt in Bezug auf das dort beschriebene, vorbekannte elektronische Mikrometer hervor, dass zwar verschiedene Mittel zum Verhindern des Eindringens von Wasser in gewisse Teile des Mikrometers enthalten seien – z.B. verhinderten Ringdichtungen das Eindringen von Wasser entlang der Schraube und ein Schrumpfschlauch schütze insbesondere den Einstellmechanismus für das Spiel zwischen Schraube und Hülse. Jedoch seien die kapazitiven Elektroden, der elektrische Mess- und Anzeigeschaltkreis oder der Gewindeteil der Mikrometerschraube und der Hülse nicht gegen das Eindringen von Wasser geschützt. Die betreffende Kritik des Klagepatents bezieht sich ersichtlich exklusiv auf den Umstand, dass bestimmte Bauteile bei diesem vorbekannten elektronischen Mikrometer nicht geschützt seien. Aus dieser Kritik am Stand der Technik lässt sich deshalb nicht etwa schließen, es ginge dem Klagepatent zwingend darum, die Abdichtung mittels zusätzlicher (d.h. von den Komponenten des inneren Volumnens verschiedener) Vorrichtungsbestandteile zwingend vorzuschreiben. Die betreffende Kritik zielt keineswegs auf im gattungsbildenden Stand der Technik verwendete, konkrete Dichtungstypen, sondern ausschließlich auf das vorbekannte, nicht zufrieden stellende Abdichtungsergebnis ab. Dies gilt entsprechend in Bezug auf den im Absatz [0005] gewürdigten Stand der Technik gemäß den Patentdokumenten JP-7-159AAG und JP-6-194AAH, bei denen laut Klagepatent ebenfalls nur ein Teil der Bestandteile vor Feuchtigkeit geschützt gewesen sei.

Ein zwingend mit der erfindungsgemäßen Lehre im Vergleich zum gewürdigten Stand der Technik zu erzielender Vorteil liegt demnach bereits darin begründet, dass nunmehr nicht bloß einzelne wichtige Bestandteile des gelehrten elektronischen Mikrometers geschützt werden, sondern alle insoweit relevanten Komponenten, darunter vor allem die elektronischen Teile (vgl. auch die Entscheidung der Beschwerdekammer im Einspruchsverfahren, Anlage B03, insbesondere S. 8, 2. und vorletzter Absatz).

bb)
Mit diesem Verständnis korrespondiert die Wiedergabe des Zieles der Erfindung im Absatz [0006] des Klagepatents, das nämlich darin besteht, ein im Vergleich mit den Mikrometern des Standes der Technik verbessertes elektronisches Mikrometer vorzuschlagen, insbesondere ein solches, das besser an ein Funktionieren in einer schmutzigen, feuchten oder zum Beispiel Staubablagerungen, Schmiermittel oder Schneidöl ausgesetzten Umgebung angepasst ist.

cc)
Als Kern der erfindungsgemäßen Lösung hebt der Absatz [0007] des Klagepatents dementsprechend Folgendes in deutscher Übersetzung gemäß der T2-Schrift hervor:

„Nach der Erfindung werden diese Ziele mit einem Mikrometer erreicht, der ein Gehäuse enthält, das ein inneres Volumen definiert, in welchem die hauptsächlichen mechanischen und elektronischen Bestandteile des Mikrometers angeordnet sind, insbesondere die elektronischen Komponenten und die mit Gewinde versehenen Teile der Hülse und der Mikrometerschraube. Das gesamte innere Volumen ist abgedichtet, somit ist die Gesamtheit der im Gehäuse angeordneten Komponenten geschützt.“

Diese im allgemeinen Teil der Beschreibung des Klagepatents enthaltene Passage enthält in Einklang mit dem Anspruchswortlaut gerade keine einschränkende Vorgabe, dass die vorteilhafte Abdichtung des gesamten inneren Volumens des Gehäuses nur mittels solcher Dichtungen zu erzielen sei, die zusätzliche, also von den in Merkmalsgruppe 2 genannten verschiedene Bauteile darstellen. Vielmehr lässt auch diese Passage gänzlich offen, welches die konkreten Mittel zur Erreichung der zwingend intendierten Abdichtung des gesamten inneren Volumens sind. Die betreffende Passage ist vielmehr ebenfalls „neutral“ in Bezug auf die Identifizierung der erfindungsgemäßen Abdichtungsmittel und belässt deren Auswahl insoweit dem Fachmann. Im Fokus des Klagepatents steht also auch in Anbetracht des Absatzes [0007] des Klagepatents allein die Abdichtung des gesamten inneren Volumens.

Im Absatz [0007] des Klagepatents kommt überdies zum Ausdruck, dass bereits die Anordnung aller wesentlichen, schutzbedürftigen Komponenten in einem durch das Gehäuse definierten inneren Volumen den ersten Lösungsschritt darstellt, auf dem der im Merkmal 3 postulierte Schritt 2 – die Abdichtung der Gesamtheit dieses inneren Volumens durch eine geeignte Anordnung von Dichtungen – aufbaut. Dem steht nicht entgegen, dass das erstgenannte (in der Merkmalsgruppe 2 umschriebene) Erfordernis in den Oberbegriff des Anspruchs 1 Eingang gefunden hat. Der Sinngehalt und die Bedeutung eines Merkmals (hier: der Merkmalsgruppe 2) hängen nämlich nicht davon ab, ob es im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Anspruchs befindlich ist (vgl. BGH, GRUR 2011, 129, 131 – Fetanyl-TTS).
Die vorerwähnte erfindungsgemäße zweiaktige Lösung kann deshalb im Einklang mit dem Anspruch und der Beschreibung im Absatz [0007] des Klagepatents auch so umgesetzt werden, dass die im ersten Schritt vorzusehende Anordnung der zu schützenden Bauteile im inneren Volumen fakultativ derart vollzogen wird, dass damit zugleich der zweite Schritt einhergeht, indem nämlich diese (über das Erfordernis der Merkmalsgruppe 2 noch hinausgehend) speziell so ausgestaltet wird, dass gerade die relative Anordnung der betreffenden Vorrichtungskomponenten zueinander zu einer solchen Dichtigkeit des gesamten inneren Volumens führt bzw. beiträgt, die zumindest den Kriterien des Schutzindexes IP54 und damit den Anforderungen des Klagepatents genügt (siehe näher unten ff)).

dd)
Soweit der – ebenfalls zum allgemeinen Beschreibungsteil gehörende – Absatz [0008] des Klagepatents ausführt, dass die Erfindung außerdem verschiedene Typen von Dichtungen betrifft, die gewählt und angeordnet sind, um die gewünschte Dichtigkeit zu erreichen, lässt auch dies nicht die einschränkende Auslegung zu, der Hauptanspruch 1 schütze keine berührungslosen Dichtungen wie Spalt- oder Labyrinthdichtungen. Abgesehen davon, dass sich der Absatz [0008] weder auf bestimmte Dichtungstypen festlegt noch bestimmte Dichtungstypen ausschließt, schützt das Merkmal 3 allgemein die Anordnung von Dichtungen, die eine Abdichtung des gesamten inneren Volumens gewährleisten. Auch im Lichte des Absatzes [0008] des Klagepatents kann sich der Fachmann dazu aller ihm geläufiger Dichtungstypen bedienen und diese so anordnen, dass die erfindungsgemäß intendierte Abdichtung aller relevanten, im inneren Volumen angeordneten Bauteile sichergestellt wird.

ee)
Der Absatz [0009] des Klagepatents, der sich ebenfalls im allgemeinen Beschreibungsteil befindet, betont schließlich noch einmal den zwingend zu erzielenden Vorteil der erfindungsgemäßen Lehre: Sie erlaubt den Schutz der Gesamtheit der Elektronik und des Aufnehmers des Mikrometers, wie auch den mit dem Gewinde versehenen Teil der Schraube und der Hülse.

ff)
Mit alldem steht auch der im besonderen Teil des Klagepatents befindliche Absatz [0042] des Klagepatents im Einklang, der Folgendes unterstreicht:

Die im besonderen Teil des Klagepatents exemplarisch vorgestellten verschiedenen Dichtungen erlauben es, ein Mikrometer mit einem Schutzindex nach der Norm DIN 40050 von mindestens gleich IP54 zu erhalten, d.h. geschützt gegen Staub (keine schädlichen Ablagerungen) und geschützt gegen aus allen Richtungen kommende Wasserstrahlen. Mit darüber hinausgehenden (z.B. aus der Uhrenindustrie bekannten) Mitteln kann fakultativ eine noch bessere (also über den Schtzindex IP54 hinausgehende) Abdichtung erzielt werden.

Der Absatz [0042] des Klagepatents konkretisiert damit den an zahlreichen anderen Stellen der Beschreibung des Klagepatents (vgl. Absätze [0006], [0007], [0009], [0013], [0015], [0016], [0018], [0031], [0033], [0035], [0038] und [0041]) zum Ausdruck gebrachten Zweck der Erfindung (nämlich die Verhinderung des Eindringens insbesondere von Wasser und Staub in das innere Volumen des Gehäuses), wobei der Absatz [0042] ausdrücklich klarstellt, dass eine erfindungsgemäße „Abdichtung“ bereits eine solche ist, die die Voraussetzungen des Schutzindexes IP54 gemäß DIN 40050 erfüllt.

gg)
Der Fachmann darf sich nach dem – über seine gesamte Breite betrachteten – Verständnis des Klagepatents demnach aller ihm geläufigen technischen Mittel als „Dichtungen“ bedienen, die infolge ihrer konkreten, vom Stand der Technik abweichenden Anordnung – anders als vorbekannte elektronische Mikrometer – nicht bloß einzelne, sondern alle – im inneren Volumen anzuordnenden – hauptsächlichen mechanischen und elektronischen Bestandteile iSv IP54 der DIN 40050 abdichten.

Wie die Beklagte auf konkrete Nachfrage zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt hat, waren dem Fachmann aus dem gewürdigten Stand der Technik durchaus bereits berührungslose Dichtungen bekannt:

Die DE 43 43 AAI (Anlage K 15), auf die die Beklagte in der Klageerwiderung selbst hingewiesen hat, korrespondiert – unstreitig – mit der im Klagepatent gewürdigten, bereits oben erwähnten US 5,433,AAF (Anlage K 16). Die DE ´AAI offenbart in ihrer Figur 18 unstreitig eine berührungslose Taststiftführung und Gewindeführungen, die auf reinen Spalt- bzw. Labyrinthdichtungen basieren. Wie der Absatz [0009] und insbesondere der Absatz [0065] der DE `AAI verdeutlicht, wird mittels einer solchen Dichtung bei Vermeidung von Druckdifferenzen, die – vgl. insoweit den Absatz [0039] der DE `AAI – nur bei plötzlichen Volumenänderungen auftreten, eine hinreichende Dichtwirkung erzielt.

Kannte der gattungsbildende Stand der Technik demnach bereits berührungsfreie Labyrinthdichtungen und kritisiert – wie oben erläuert – das Klagepatent den gattungsbildenden Stand der Technik nicht etwa in Bezug auf die dort bereits zum Einsatz gekommenen Mittel der Abdichtung, sondern die dort bloß auf einzelne Bauteile beschränkte Abdichtungswirkung, wird der Fachmann sich nicht gehindert sehen, alle – also auch berührungslose – vorbekannten Dichtungsmittel in Betracht zu ziehen, um die vom Klagepatent intendierte Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens im Wege einer verbesserten Anordnung zu erzielen. Dass dem so ist, verdeutlicht auch die Kontrollüberlegung, dass ansonsten auch einige der in den Unteransprüchen und Ausführungsbeispielen des Klagepatents gerade bevorzugt vorgesehenen Dichtungsmittel ausgeschlossen wären, weil auch diese ja schon im gattungsbildenden Stand der Technik bekannt waren. Auch dies belegt, dass der gattungsbildende Stand der Technik nicht in Bezug auf die Wahl der Abdichtungsmittel, sondern allein wegen des Abdichtungsumfangs kritisiert wird.

c)
Der vorstehenden funktionsorientierten Auslegung steht auch nicht die räumlich-körperliche Natur des Teilmerkmals „joints disposés“ im Merkmal 3 entgegen.

Zwar darf bei räumlich-körperlichen Merkmalen die an sich gebotene funktionale Betrachtung nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht, da ansonsten die Grenze zur äquivalenten (also gleichwirkenden) Benutzung überschritten und dem Anspruchsgegner der potenzielle sog. Formstein-Einwand entzogen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2013, Az. I-2 U 58/11; vgl. Meier-Beck, GRUR 2003, 905, 907). Diese Einschränkung einer technisch-funktional orientierten Auslegung beansprucht auch dann Geltung, wenn – wie vorliegend – ein Vorrichtungsteil in einem Teilmerkmal eine Umschreibung in Gestalt einer räumlich-körperlichen Vorgabe erfährt (hier: die Anordnung der Dichtungen), die alsdann noch zusätzlich durch eine Funktionsangabe (hier: Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens des Gehäuses) in einem weiteren Teilmerkmal ergänzt wird. Auch dann darf die räumlich-körperliche Vorgabe also nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass das fragliche erste Teilmerkmal ausschließlich auf die technische Funktion beschränkt wird.

Wie allerdings einleitend erläutert worden ist, besteht auch auf der Basis der vorliegenden Auslegung des Merkmals 3 durchaus eine räumlich-gegenständliche Differenzierung zwischen der Anordnung von Dichtungen im Sinne von Merkmal 3 und der Anordnung der sonstigen, in Merkmalsgruppe 2 genannten Komponenten (Hülse, Schraube und elektronisches Messsystem) im inneren Volumen. Demgemäß lässt auch die räumlich-körperliche Natur des Teilmerkmals 3 „joints disposés“ es zu, dass die Komponenten gemäß Merkmalen 2a) bis 2c) eine gegenüber Merkmal 2 speziellere Anordnung erfahren, die zu der gewünschten Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens beiträgt. Diese spezielle Anordnung ist etwas „gegenständlich Vorhandenes“, das sich von der vom Merkmal 2 vorausgesetzten „Anordnung“ unterscheidet.

Demnach kommt dem Begriff „disposés“ auch bei dieser Auslegung eine räumlich-körperliche Bedeutung zu, die bei einer solchen – fakultativ erfindungsgemäßen – Dichtung in der spezifisch relativen Anordnung der Bauteile nach Merkmalsgruppe 2 zueinander begründet liegt. Die in der Merkmalsgruppe 2 aufgezählten Komponenten können daher optional zugleich Objekt und – im Falle ihrer geeigneten Anordnung zueinander – Mittel der Abdichtung sein.

d)
Gegenteiliges folgt auch nicht aus der im zweiten Halbsatz des Merkmals 3 enthaltenen Wirkungs- bzw. Funktionsangabe („… de maniére á étanchefiér l`ensemble dudit volume interne.)“.

Grundsätzlich beschränken derartige Funktions- bzw. Wirkungsangaben den Schutzbereich nicht, sondern erläutern bloß exemplarisch den potenziellen Einsatzzweck der Vorrichtung. Allerdings kann es sich im Einzelfall so verhalten, dass die Wirkungsangabe mittelbar eine bestimmte, in den übrigen Merkmalen so nicht zum Ausdruck kommende Konstruktion umschreibt (vgl. BGHZ 187, 20 = GRUR 2010, 1081 – Bildunterstützung bei Katheternavigation; BGH, GRUR 2012, 475 – Elektronenstrahltherapiesystem). Im letztgenannten Falle ergeben sich also mittelbar aus der Wirkungsangabe zusätzliche (d.h. nicht anderswo im Anspruch explizit genannte) räumlich-körperliche Merkmale, welche sicherstellen, dass die geforderte Wirkung erzielt wird (BPatG, Mitt. 2007, 18 – Neurodermitis-Behandlungsgerät). Dann kommt der Wirkungsangabe Schutzbereichsrelevanz zu und der Fachmann muss die gelehrte Vorrichtung in geeigneter Weise mit Mitteln versehen, die die geforderte Wirkung sicherstellen. Welche Konstellation im Einzelfall vorliegt, muss mittels Auslegung der Patentschrift geklärt werden (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze; BGHZ 187, 20 = GRUR 2010, 1081 – Bildunterstützung bei Katheternavigation; BGH, GRUR 2012, 475 – Elektronenstrahltherapiesystem).

Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf das strittige Merkmal 3 ergibt, dass der hier in Rede stehenden Wirkungsangabe schutzbereichsrelevante Bedeutung zukommt, und zwar dergestalt, dass die Dichtungen nicht irgendwie, sondern gerade so anzuordnen sind, dass die intendierte Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass (siehe die oben erläuterten Gründe) bereits ein dem Schutzindex IP54 genügender Abdichtunggrad ausreicht. Das bedeutet, dass auch in Anbetracht des Begriffs „étanchefiér“ gerade keine weitreichendere Abdichtung erforderlich ist.

Auch unter Beachtung der betreffenden Zweckangabe genügt jedwede Anordnung von Dichtungen, die folgende Vorgaben des Schutzindexes IP54 der Norm DIN40050 bzw. der oben genannten Nachfolgenorm in Bezug auf „Wasser“ erfüllen (vgl. die Kennziffer 4 der betreffenden Tabelle 3):

(Kurzbeschreibung: „Geschützt gegen Spritzwasser“).

(Definition: Wasser, das aus jeder Richtung gegen das Gehäuse spritzt, darf keine schädlichen Wirkungen haben“).

Wie der Durchschnittsfachmann erkennt, kann die in der betreffenden Zweckangabe enthaltene (mittelbare) räumlich-körperliche Vorgabe für die Anordnung der erfindungsgemäßen Dichtungen grundsätzlich auch dann eingehalten werden, wenn er sich bei der Konstruktion eines erfindungsgemäßen Mikrometers der geeigneten Ausgestaltung einer berührungslosen Dichtung bedient. Wesentlich ist auch insoweit allein, dass die Erzielung der erfindungsgemäß intendierten Abdichtung des gesamten inneren Volumens des Gehäuses sichergestellt wird. Jedwede Dichtung, die über die entsprechende Eignung zur Abdichtung verfügt, genügt daher dieser im Merkmal 3 enthaltenen Wirkungsangabe. Der Fachmann ist nicht grundsätzlich in der Auswahl aus dem Kanon der ihm bekannten Dichtungstypen beschränkt.

Wie dem Fachmann bewusst ist, erreicht jedwede Dichtungsmaßnahme das gewünschte Ergebnis niemals isoliert und ohne Zusammenhang mit den anderen konstruktiven Merkmalen eines Mikrometers, sondern sie muss sich daran orientieren, wo und in welchem Ausmaß in Anbetracht der Anordnung der vorhandenen Bauteile eine Abdichtungsmaßnahme überhaupt erforderlich ist. Eine Abdichtung ist also stets ein funktionales Zusammenwirken verschiedener Elemente; beispielsweise hängt die Dimensionierung eines verformbaren Stopfens (vgl. Unteranspruch 17) davon ab, wie groß die zu schließende Öffnung im Bereich des Interfaces des Mikrometers ist.

e)
Soweit das Landgericht seine abweichende Auslegung (unter anderem) darauf gestützt hat, dass alle Ausführungsbeispiele nebst Figuren und Unteransprüchen des Klagepatents ausschließlich Dichtungen offenbarten, die sich durch zusätzliche Bauteile auszeichneten, und daraus entsprechende Rückschlüsse auf den vom Klagepatent zugrundegelegten Wortsinn des Merkmals 3 des Hauptanspruchs 1 gezogen hat, widerspricht dies den allgemeinen Grundsätzen der Patentauslegung, wie sie das Landgericht seiner Prüfung an sich auch ausdrücklich vorangestellt hat.

Unteransprüche betreffen als rückbezogene Unteransprüche definitionsgemäß bloß spezielle Ausführungsvarianten des im Hauptanspruch nach allgemeinen Merkmalen umschriebenen Erfindungsgedankens, weshalb der Sinngehalt des allgemeinen Merkmals weiter reicht und so auszulegen ist, dass – auch – die im Unteranspruch bevorzugt beschriebene Ausführungsvariante erfasst ist. Deshalb darf aus dem Umstand, dass das Klagepatent in seinen zahlreich vorhandenen Unteransprüchen durchgängig nur Dichtungen lehrt, die sich durch zusätzliche Bauteile auszeichnen, gleichwohl kein Schluss gezogen werden, auch der Hauptanspruch 1 sei global auf bestimmte Dichtungstypen beschränkt.

Entsprechendes gilt mit Blick darauf, dass sämtliche in der Beschreibung des Klagepatents abgehandelten bevorzugten Ausführungsbeispiele (vgl. z.B. in Absätzen [0013], [0015], [0018] [0033] und [0035]) und die Figuren ausschließlich zusätzliche Bauteile als Dichtungen heranziehen. Denn allein aus der Nichterwähnung einer bestimmten Ausführungsvariante in der Patentschrift darf nicht gefolgert werden, diese Variante liege außerhalb des Schutzbereichs. Ausführungsbeispiele und Zeichnungen erläutern den Erfindungsgegenstand regelmäßig nicht abschließend (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe; BGH, GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung).

Die Maßgeblichkeit der vorgenannten Grundsätze des Verhältnisses von Hauptanspruch und Unteransprüchen / Ausführungsbeispielen hängt – entgegen der Begründung des Landgerichts – auch nicht etwa davon ab, wie zahlreich die abweichenden Ausführungsbeispiele in der Patentschrift einschließlich der Unteransprüche sind. Selbst eine noch so hohe Anzahl rechtfertigt keinen einengenden, auf die gesamte Breite der Erfindung gezogenen Umkehrschluss.

Es ist daher unerheblich, dass das Klagepatent nirgendwo ausdrücklich offenbart, dass eine erfindungsgemäße Dichtung auch mittels einer bestimmten Anpassung der zur Gesamtheit des inneren Volumens gehörenden Vorrichtungsbestandteile erfolgen kann.

f)
Auf der Basis dieser Auslegung des Merkmals 3 machen beide angegriffenen Ausführungsformen von dessen technischer Lehre wortsinngemäßen Gebrauch.

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass beide angegriffenen Ausführungsformen unstreitig dem Schutzindex IP54 (angegriffene Ausführungsform 1) bzw. sogar IP65 (angegriffene Ausführungsform 2) gemäß DIN 40050 genügen und auch so beworben werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird dieses Abdichtungsergebnis jeweils auch mit der erfindungsgemäß geforderten „Anordnung von Dichtungen“ im Sinne des Merkmals 3 erzielt.

aa)
Was die angegriffene Ausführungsform 1 anbelangt, steht der Verwirklichung des Merkmals 3 insbesondere nicht entgegen, dass die vorderseitige Öffnung des inneren Gehäuses, durch die der an der Schraube befindliche Taststift das Gehäuse verlässt, bloß an den Umfang des Taststifts angepasst ist, mithin kein zusätzliches Abdichtungselement vorhanden ist.

aaa)
Gemäß der oben erläuterten Auslegung des Merkmals 3 genügt auch eine solche berührungslose Dichtung in Form der Anpassung zweier ohnehin vorgesehener Bauteile des Mikrometers dessen Anforderungen, wenn – wie hier – zumindest der Abdichtungsgrad IP54 erfüllt wird. Dieses Verständnis hat jedenfalls stillschweigend auch die gerichtliche Sachverständige Dr. Lehmann im parallelen selbständigen Beweisverfahren zugrunde gelegt und eine erfindungsgemäße Abdichtung (wenn auch ohne nähere Erläuterung) bejaht.

bbb)
Unstreitig ist ferner, dass die angegriffene Ausführungsform 1 noch über andere erfindungsgemäße Dichtungen zwecks Abdichtung des inneren Volumens verfügt, so dass auch dem Plural „Dichtungen“ im Merkmal 3 unabhängig von der Frage genügt ist, ob darin eine bloße Gattungsbezeichnung zu sehen ist oder nicht. Es sind nämlich mehrere erfindungsgemäße Dichtungen vorhanden.

bb)
Der Verwirklichung des Merkmals 3 durch die angegriffene Ausführungsform 2 steht nicht entgegen, dass am hinteren Ende des Gehäuses die Abdichtung allein aufgrund einer hochgenauen Anpassung der Gewinde von Taststift und Hülse erzielt wird. Auch dies ist erfindungsgemäß, weil der sogar dem Schutzindex IP65 genügende Abdichtunsgrad – wie oben im Einzelnen erläutert – erfindungsgemäß auch mittels einer berührungslosen Dichtung herbeigeführt werden kann.

Soweit die Beklagte sich gegenüber dem Verletzungsvorwurf auch damit verteidigt, dass das Gewinde des Taststifts und die Gewindehülse außerhalb des geschlossenen inneren Volumens lägen, ist dem zu widersprechen: Die angegriffene Ausführungsform 2 verfügt zunächst über ein erstes inneres Volumen, welches durch das Plastikgehäuse und die damit fest verbundene Skalierungshülse definiert wird. Darin sind Hülse und Schraube zumindest teilweise angeordnet. Daneben existiert – ganz im Einklang mit dem Merkmal 2 („mindestens ein inneres Volumen“; siehe auch den Absatz [0029] des Klagepatents) – bei der angegriffenen Ausführungsform 2 ein zweites inneres Volumen im hinteren Bereich des Mikrometers, das durch die Skalierungshülse sowie die zum Gehäuse zählende Messtrommel (die die Skalierungshülse im normalen Messbereich überlappt) definiert ist. Beide inneren Volumina sind abgedichtet, und zwar sogar gemäß dem Schutzindex IP65. Insoweit dichtet die vorerwähnte berührungslose Dichtung das erste innere Volumen ab. Das zweite innere Volumen wird unstreitig mittels einer anderen erfindungsgemäßem Dichtungsmaßnahme abgedichtet.

III.

Soweit die Beklagte unter Hinweis auf S. 8 des Gutachtens der Sachverständigen Dr. Lehmann im parallelen selbständigen Bewiesverfahrens vorsorglich auch die Verwirklichung des Merkmals 2b) bestreitet, verfängt auch dies nicht.

Die diesbezüglichen „Zweifel“ der gerichtlichen Sachverständigen an der Verwirklichung dieses Merkmals (nach der Gliederung der Sachverständigen: das „M 1.4“) beruhten allein darauf, dass diese das untersuchte Mikrometer auf der Messe „Control 2013“ nicht vollständig zerlegen konnte.

Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit jedoch auf S. 18 f. und S. 27 der Klageschrift in Bezug auf beide angegriffenen Ausführungsformen unter Vorlage von Lichtbildern nachvollziehbar und überzeugend dargetan, dass die Anforderungen des Merkmals 2b) jeweils wortsinngemäß erfüllt sind:

Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 ist im zusammengebauten Zustand eine Schraube mit gegengleichem Gewinde eingesetzt, so dass diese gegenüber der Hülse rotiert werden kann und in deren Längsachse und damit in der longitudinalen Messachse des Mikrometers verschiebbar ist. Dies belegen zweifelsohne die auf S. 7 unten des landgerichtlichen Urteils eingeblendeten Lichtbilder.

Analog dazu ist bei der angegriffenen Ausführungsform 2 eine Schraube mit gegengleichem Gewinde eingesetzt, so dass diese gegenüber der Hülse rotiert werden kann und in deren Längsachse und damit in der longitudinalen Messachse des Mikrometers verschiebbar ist.

IV.

Da die Beklagte unstreitig die angegriffenen Ausführungsformen entgegen § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in Deutschland angeboten sowie (über ihre deutsche Vertriebspartnerin) vertrieben hat und damit die patentierte Erfindung widerrechtlich benutzt hat, ist sie gegenüber der Klägerin nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.

Nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG hat die Beklagte außerdem den Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin seit dem 19.12.2003 aus den patentverletzenden Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz dem Grunde nach feststellen zu lassen. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Voraussetzung dafür ist, dass die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (vgl. BGH, MDR 2007, 792). Das ist der Fall: Die Beklagte hat das Klagepatent schuldhaft verletzt, nämlich zumindest fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie als Fachunternehmen erkennen können, dass die angegriffenen Ausführungsformen vom Klagepatent Gebrauch machen. Zudem ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass die Klägerin durch die patentverletzenden Handlungen der Beklagten geschädigt worden ist.

Da die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz dem Grunde nach feststeht, steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich wegen der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung folgt aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ.

Die Klägerin ist auf diese Angaben angewiesen, um den Schadenersatzanspruch berechnen und beziffern zu können, weil sie ohne eigenes Verschulden das Ausmaß der patentverletzenden Handlungen der Beklagten nicht kennt. Demgegenüber werden die Beklagten durch die ihr abverlangten und auch ohne Schwierigkeiten erteilbaren Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Im Hinblick auf die Angebotsempfänger ist der Beklagten allerdings von Amts wegen ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger).

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der von der Klägerin erstinstanzlich beantragten Festsetzung von Teilsicherheiten in Bezug auf die Vollstreckung des Auskunftsanspruchs und in Bezug auf die Kostenenscheidung (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 27.05.2014, Blatt 108 GA) bedarf es nicht, da das vorliegende Berufungsurteil für die Klägerin ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist und die Beklagte ihrerseits jedenfalls keine Festsetzung von Teilsicherheiten hinsichtlich der ihr einzuräumenden Abwendungsbefugnis beantragt hat.

Soweit die Beklagte erstinstanzlich hilfsweise Vollstreckungsschutz begehrt hat, ist dem nicht zu entsprechen, da sie die maßgeblichen Voraussetzungen des § 712 ZPO nicht dargetan hat.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert: EUR 250.000,00,-.