Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Mai 2015, Az. 4b O 18/14
I. Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren, wobei eine gegen die Beklagte festzusetzende Ordnungshaft an deren Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Tore mit
einem zwischen einer Schließstellung und einer Öffnungsstellung bewegbaren und einer Mehrzahl von bezüglich parallel zueinander verlaufenden Kippachsen gegeneinander verkippbaren Torblattelementen aufweisenden Torblatt,
einer in dem Torblatt integrierten Tür mit einem um eine etwa senkrecht zu den Kippachsen verlaufenden Schwenkachse bezüglich in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelementen verschwenkbaren, in seiner Schließstellung in einer Ausnehmung des Torblatts aufgenommenen und in der Schließstellung etwa in der Torblattebene angeordneten Türblatt sowie
zur Führung der Torblattbewegung zwischen der Schließstellung und der Öffnungsstellung dienenden Führungsschienen mit einem etwa gradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Schließstellung verlaufenden vertikalen Abschnitt, einem weiteren etwa gradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Öffnungsstellung verlaufenden horizontalen Abschnitt und einem die beiden geradlinigen Abschnitte miteinander verbindenden bogenförmigen Abschnitt und
einer Verformung des Torblatts entgegenwirkenden Stabilisierungsanordnung
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, gewerbsmäßig anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Stabilisierungsanordnung ein in der Schließstellung des Torblatts den unteren Rand der Ausnehmung bildendes und an den der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelementen befestigtes Schwellenelement aufweist, dessen Höhe in Richtung der Schwenkachse im Bereich seiner etwa parallel zu den Kippachsen verlaufenden Ränder weniger als 20 mm beträgt, wobei die Breite des Schwellenelements in einer senkrecht zur Torblattebene in der Schließstellung verlaufenden Richtung mehr als 150 % der Torblattdicke beträgt und sich das Schwellenelement über die gesamte Torblattdicke erstreckt.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 24.10.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe
2.1 der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen,
2.2 der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen,
2.3 für die Zeit ab dem 18.05.2013 darüber hinaus
der Mengen der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
der Namen und Anschriften der Abnehmer,
der Namen und Anschriften der Angeboteempfänger,
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
der Gestehungskosten, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Kostenfaktoren und dem erzielten Gewinn;
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
III. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. beschriebenen Tore zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die in dem Klageantrag Ziffer I. bezeichneten, seit dem 18.05.2013 in Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klageschutzrechtes erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. an die Klägerin für die im Klageantrag Ziffer I. bezeichneten, seit dem 24.10.2009 bis zum 17.05.2013 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Klageantrag I. bezeichneten, seit dem 18.05.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.
VI. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
VII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 2 103 XXX (Klagepatent, Anlage K1). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Bei dem Klagepatent handelt es sich um eine Teilungsanmeldung aus der früheren Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer EP 1 580 XXX, wobei das darauf erteilte Patent in einem Einspruchsverfahren in vollem Umfang widerrufen wurde.
Das Klagepatent wurde am 03.02.2005 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 23.09.2009. Der Hinweis auf die Patenterteilung erfolgte am 17.04.2013. Das Klagepatent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Mit Schriftsatz vom 16.01.2014 legte unter anderem die Beklagte Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents ein. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden worden.
Das Klagepatent betrifft ein Tor.
Der in diesem Rechtsstreit maßgebliche Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
„Tor mit einem zwischen einer Schließstellung und einer Öffnungsstellung bewegbaren und einer Mehrzahl von bzgl. parallel zueinander verlaufenden Kippachsen (20) gegeneinander verkippbaren Torblattelementen (12, 14) aufweisenden Torblatt (10), einer in dem Torblatt (10) integrierten Tür mit einem um eine etwa senkrecht zu den Kippachsen (29) verlaufenden Schwenkachse bzgl. in Richtung der Kippachsen (20) benachbarten Torblattelementen (12, 14) verschwenkbaren, in seiner Schließstellung in einer Ausnehmung des Torblattes (10) aufgenommenen und in der Schließstellung vorzugsweise etwa in der Torblattebene angeordneten Türblatt (100) und einer einer Verformung des Torblattes (10) entgegenwirkenden Stabilisierungsanordnung (50, 90) sowie zur Führung der Torblattbewegung zwischen der Schließstellung und der Öffnungsstellung dienenden Führungsschiene mit einem etwa geradlinig und etwa parallel zum Torblattrand in der Schließstellung verlaufenden vertikalen Abschnitt, einem weiteren etwa geradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Öffnungsstellung verlaufenden horizontalen Abschnitt und einem die beiden geradlinigen Abschnitte miteinander verbindenden bogenförmigen Abschnitt,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Stabilisierungsanordnung (90) ein in der Schließstellung des Torblattes (10) den unteren Rand der Ausnehmung bildendes und an den der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen (20) benachbarten Torblattelementen (12) befestigtes Schwellenelement (50) aufweist, dessen Höhe in Richtung der Schwenkachse zumindest im Bereich seiner vorzugsweise etwa parallel zu den Kippachsen (20) verlaufenden Ränder (52) weniger als 20 mm, vorzugsweise weniger als 10 mm, besonders bevorzugt weniger als 8 mm, insbesondere 5 mm oder weniger, beträgt, wobei die Breite des Schwellenelements (50) in einer senkrecht zur Torblattebene in der Schließstellung verlaufenden Richtung mehr als 150 %, bevorzugt mehr als 200 %, besonders bevorzugt mehr als 250 % der Torblattdicke, insbesondere 300 % der Torblattdicke oder mehr, beträgt, wobei sich das Schwellenelement (50) vorzugsweise über die gesamte Torblattdicke erstreckt.“
Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen, die der Klagepatentschrift entnommen sind. Figur 1 zeigt ein erfindungsgemäßes Tor zwischen der Öffnungsstellung und der Schließstellung von innen. Figur 3 zeigt eine Schnittdarstellung durch den unteren Rand eines Türblattelementes in einer senkrecht zu den Kippachsen verlaufenden Schnittebene.
Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 20 2005 021 XXX. Das Gebrauchsmuster wurde am 03.02.2005 angemeldet und nimmt den Anmelde- und Prioritätstag des Klagepatents in Anspruch. Es wurde am 07.11.2011 eingetragen und steht in Kraft. Hinsichtlich des Wortlauts des lediglich in Form eines Hilfsantrags geltend gemachten und mit Schreiben vom 21.07.2011 beim DPMA eingereichten Schutzanspruchs 1 wird auf den Inhalt des Schreibens vom 21.07.2011 (Anlage K3a) und der Gebrauchsmusterschrift (Anlage K3) verwiesen.
Die Beklagte stellt in der Bundesrepublik Deutschland Sektionaltore für Garagen her und vertreibt diese. Unter der Bezeichnung „A“ vertreibt sie insbesondere Sektionaltore, die sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents verwirklichen.
Die Klägerin beantragt,
I.
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren, wobei eine gegen die Beklagte festzusetzende Ordnungshaft an deren Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
1.1 Tore mit
einem zwischen einer Schließstellung und einer Öffnungsstellung bewegbaren und eine Mehrzahl von bezüglich parallel zueinander verlaufenden Kippachsen gegeneinander verkippbaren Torblattelementen aufweisenden Torblatt,
einer in dem Torblatt integrierten Tür mit einem um eine etwa senkrecht zu den Kippachsen verlaufenden Schwenkachse bezüglich in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelementen verschwenkbaren, in seiner Schließstellung in einer Ausnehmung des Torblatts aufgenommenen und in der Schließstellung etwa in der Torblattebene angeordneten Türblatt sowie
zur Führung der Torblattbewegung zwischen der Schließstellung und der Öffnungsstellung dienenden Führungsschienen mit einem etwa gradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Schließstellung verlaufenden vertikalen Abschnitt, einem weiteren etwa gradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Öffnungsstellung verlaufenden horizontalen Abschnitt und einem die beiden geradlinigen Abschnitte miteinander verbindenden bogenförmigen Abschnitt und
einer Verformung des Torblatts entgegenwirkenden Stabilisierungsanordnung
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, gewerbsmäßig anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen die Stabilisierungsanordnung ein in der Schließstellung des Torblatts den unteren Rand der Ausnehmung bildendes und an den der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelementen befestigtes Schwellenelement aufweist, dessen Höhe in Richtung der Schwenkachse im Bereich seiner etwa parallel zu den Kippachsen verlaufenden Ränder weniger als 20 mm beträgt, wobei die Breite des Schwellenelements in einer senkrecht zur Torblattebene in der Schließstellung verlaufenden Richtung mehr als 150 % der Torblattdicke beträgt und sich das Schwellenelement über die gesamte Torblattdicke erstreckt,
(EP 2 103 XXX B1, Anlage K1)
2.1 hilfsweise, wenn zusätzlich
das Schwellenelement zumindest abschnittsweise aus einem Material hoher Zugfestigkeit gebildet ist und es zur Aufnahme eines Befestigungsabschnitts eines Dichtungselements einen sich etwa parallel zu den Kippachsen erstreckenden, nach unten offenen Kanal zwischen seinen seitlichen Rändern aufweist;
die Breite des Schwellenelements in einer senkrecht zur Torblattebene in der Schließstellung verlaufenden Richtung weniger als 300 % der Torblattdicke aber mindestens 120 mm oder mehr beträgt;
ein einerseits am unteren Rand der Torblattelemente und andererseits an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelements befestigtes Befestigungselement vorgesehen ist;
das Befestigungselement einen in einer sich parallel zu den Kippachsen erstreckenden unten offenen Einbuchtung im unteren Rand der Torblattelemente aufgenommenen Vorsprung aufweist,
das Befestigungselement eine zwischen einem an der Innenfläche des Torblatts anliegenden Wandelement und dem Vorsprung gebildete Aufnahme zum Aufnehmen eines am unteren Rand des Torblattelements angeordneten Vorsprungs aufweist und
die Ausbildung einer Stolperkante an dem Schwellenelement durch Bereitstellung rampenförmiger Wandelemente verhindert ist;
(DE 20 2005 021 XXX U1, Anlage K3)
II.
die Beklagte zu verurteilen,
ihr darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 24.10.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe
2.1 der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen,
2.2 der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen,
2.3 für die Zeit ab dem 18.05.2013 darüber hinaus
der Mengen der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
der Namen und Anschriften der Abnehmer,
der Namen und Anschriften der Angeboteempfänger,
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
der Gestehungskosten, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Kostenfaktoren und dem erzielten Gewinn;
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
III.
die Beklagte zu verurteilen,
die in unmittelbarem Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1,. 1.1 – hilfsweise zusätzlich in Ziffer 1, 1.2 – beschriebenen Tore zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
IV.
die Beklagte überdies zu verurteilen,
die in dem Klageantrag Ziffer I., 1.1. – hilfsweise zusätzlich in Ziffer I., 1.2 – bezeichneten, seit dem 18.05.2013 in Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klageschutzrechtes erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;
V.
festzustellen,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie für die in Klageantrag Ziffer I. bezeichneten, seit dem 24.10.2009 bis zum 17.05.2013 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Klageantrag I. bezeichneten, seit dem 18.05.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise das Verfahren bis zum rechtskräftigen Ausgang des Einspruchsverfahrens auszusetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Klagepatent sei nicht schutzfähig, weil die patentgemäße Lehre durch die EP 1 375 805 A2 und die DE 1 659 585 neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Auch sei in den offenkundigen Vorbenutzungen „Fischer“ (Anlagenkonvolut B26) und „Hüver“ (Anlagenkonvolut B26) eine neuheitsschädliche Vorwegnahme zu sehen. Überdies fehle es unter Berücksichtigung der DE- A1 44 100 051 A1, der JP 2000-197713 A und der JP-A2000-84107 an einer erfinderischen Tätigkeit. Vor diesem Hintergrund werde sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren nicht als rechtsbeständig erweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung aus Art. 64 EPÜ in Verbindung mit den §§ 139 Abs. 1 und 3, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, 242, 259 BGB zu.
I.
Die Erfindung betrifft ein Tor mit einem Torblatt, das mehrere Torelemente aufweist, die bezüglich parallel zueinander verlaufender Kippachsen gegeneinander verkippbar sind.
Das Klagepatent führt einleitend aus, dass diese Tore in Form von Garagentoren und Industrietoren zum Verschließen von Durchfahrten in Garagen und Industriehallen eingesetzt werden. In beiden Fällen sei das Torblatt üblicherweise in der Schließstellung etwa in einer Vertikalebene und in der Öffnungsebene über Kopf etwa in einer Horizontalebene angeordnet. Zur Führung der Torblattbewegung zwischen der Schließstellung und der Öffnungsstellung seien üblicherweise Führungsschienen mit einem etwa gradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Schließstellung verlaufenden vertikalen Abschnitt, einem weiteren etwa geradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Öffnungsstellung verlaufenden horizontalen Abschnitt und einem die beiden geradlinigen Abschnitte miteinander verbindenden bogenförmigen Abschnitt vorgesehen. Zur Ermöglichung der Torblattbewegung längs des bogenförmigen Abschnittes seien die Torblattelemente des Torblattes um senkrecht zu den Führungsschienen verlaufenden Kippachsen gegeneinander verkippbar miteinander verbunden.
Falls eine Person einen mit einem derartigen Tor verschlossenen Raum zu verlassen wünsche, müsse das bei Industrietoren eine Breite von 5 m oder mehr aufweisende Torblatt als Ganzes von der Schließstellung in die Öffnungsstellung bewegt werden. Das bedeute nicht nur eine beachtliche Erhöhung der Belastung der mechanischen Elemente des Torblattes, sondern sei auch mit einem nennenswerten Zeitaufwand verbunden. Zur Lösung dieser Probleme sei bereits vorgeschlagen worden, eine Tür mit einem Türblatt in das Torblatt zu integrieren, das um eine etwa senkrecht zu den Kippachsen und in der Schließstellung des Torblatts etwa in Schwererichtung verlaufenden Schwenkachse bezüglich den benachbarten Torblattelementen verschwenkbar sei. Eine derartige „Schlupftür“ ermögliche das Verlassen des mit dem Torblatt verschlossenen Raumes auch ohne Öffnung des Torblattes als Ganzes. Vielmehr müsse nur das in das Torblatt integrierte Türblatt durch Verschwenken um die Schwenkachse geöffnet werden. Zur Ermöglichung einer Öffnungsbewegung des Torblattes mit dem darin integrierten Türblatt bestehe auch das Türblatt derartiger Konstruktionen üblicherweise aus einer Mehrzahl von bzgl. kolinear zu den Kippachsen verlaufenden Achsen gegeneinander verkippbaren Türblattelementen.
Bei derartigen Konstruktionen müsse gewährleistet sein, dass das Torblatt mit dem darin integrierten Türblatt in der Öffnungsstellung, in der das Torblatt etwa in einer Horizontalebene angeordnet sei, nicht in einer senkrecht zur Torblattebene verlaufenden Richtung durchhänge. Ferner müsse im Verlauf der Schließstellung gewährleistet werden, dass die beidseitig des Türblattes angeordneten Torblattelemente sich nicht in Richtung der Kippachsen voneinander entfernten. Dieses Problem trete besonders deutlich bei Industrietoren hervor, bei denen Torblatt-Antriebseinrichtungen mit Zugmitteln zum Einsatz kämen, die an den beiden seitlichen Rändern des Torblattes an die in der Schließstellung unteren Torblattelemente gekoppelt seien. Der Angriff der Zugmittel an den seitlichen Rändern des Torblattes könne bei diesen Konstruktionen die Neigung zum Aufspreizen der beidseitig der Türblattelemente angeordneten Torblattelemente in Richtung der Kippachsen fördern.
Bei herkömmlichen Toren der eingangs beschriebenen Art könne die erforderliche Stabilität mit Hilfe von Stabilisierungsanordnungen in Form von Zargenrahmen erreicht werden, die die Ausnehmung des Türblatts vollständig umlaufen und an benachbarten Torblattelementen befestigt seien. Dabei werde das den unteren Rand der Ausnehmung bildende Zargenelement üblicherweise an einem den unteren Rand der Ausnehmung bildenden Ausschnitt des unteren Torblattelements befestigt. Auf diese Weise würden mit Hilfe des sich in diesem Fall über die gesamte Torblattbreite erstreckenden unteren Torblattelements und dem unteren Zargenelement eine ausreichende Stabilität der Gesamtkonstruktion erreicht. Allerdings bilde das untere Torblattelement zusammen mit dem darauf befestigten unteren Zargenelement eine Stolperkante. Aus diesem Grund würden die herkömmlichen in einem Torblatt aufgenommenen Schlupftüren nicht als Fluchtweg anerkannt.
Zur Lösung dieses Problems beim Einsatz herkömmlicher Schlupftüren werde in der WO 01/055XXX eine Weiterbildung der bekannten Tore vorgeschlagen, bei der sich das in dem Torblatt aufgenommene Türblatt im geschlossenen Zustand des Tores unter Vermeidung der Bildung einer Stolperkante bis zum Boden hin erstrecke. Die erforderliche Stabilität dieser Gesamtkonstruktion in der Öffnungsstellung und während der Schliessbewegung solle bei dem aus der genannten Schrift bekannten Tor durch eine Stabilisierungsanordnung in Form einer Arretierungseinrichtung erreicht werden, welche in der Torblatt-Öffnungsstellung einer Bewegung des Türblattes bzgl. den benachbarten Torblattelementen entgegenwirke. Dazu weise das aus der genannten Schrift bekannte Tor mindestens einen parallel zu den Kippachsen horizontal verschiebbaren Schubbolzen im bodenseitigen Bereich der Zargenanordnung oder des Türblattes auf, welcher in der Arretierungsstellung in eine Öffnung in der Zarge oder dem Türblatt eingreife. Ferner umfasse die in Form der Arretierungseinrichtung gebildete Stabilisierungsanordnung des bekannten Tores ein um eine parallel zur Schwenkachse verlaufende Achse verschwenkbares Riegelelement, das beim verschieben des Schubbolzens in die Öffnung von dem Schubbolzen zur Seite gedrückt werde, wobei dieses Riegelelement mit einem rastenartige ausgebildeten Ende hinter die Kante eines Widerlagers am Tür- oder Torsegment fasse und dort einraste. Dadurch solle eine Bewegung der beidseitig des Türblattes angeordneten Torblattelemente in horizontaler Richtung in der Hauptebene des Tores verhindert werden, um so das vorstehend beschriebene Aufziehen eines Spaltes zwischen Türblatt und Zarge bzw. benachbarten Torblattelementen während der Öffnungs- oder Schließbewegung des Torblattes zu unterbinden.
Beim Einsatz von in der WO 01/055XXX beschriebenen Toren habe sich allerdings gezeigt, dass es trotz der beschriebenen Maßnahmen bei einer Torblatt-Öffnungs- und -Schließbewegung wegen des zur Sicherstellung eines zuverlässigen Betriebes unvermeidlichen Spiels der Bewegung vom Schubbolzen und Riegelelement zu einer beachtlichen Spaltbildung zwischen dem Türblatt und den benachbarten Torblattelementen komme und darüber hinaus das Torblatt in der Öffnungsstellung insgesamt in einer senkrecht zur Torblattebene verlaufenden Richtung in nicht hinnehmbarer Weise durchhänge. Angesichts dieser Probleme sei bereits eine Weiterbildung der in der WO 01/055XXX beschriebenen Tore vorgeschlagen worden, bei der die Arretierungseinrichtung, die die Stabilisierungsanordnung bilde, mindestens ein in einer etwa parallel zu der Schwenkachse bewegbare Spaltbildung verhindern werden. Allerdings sei die so ausgeführte Stabilisierungsanordnung mit einem beachtlichen konstruktiven Aufwand verbunden.
Angesichts der vorstehend beschriebenen Probleme im Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein konstruktiv einfach ausführbares Tor der eingangs genannten Art bereitzustellen, welches einerseits die Anforderungen an einen Fluchtweg erfüllt und andererseits eine ausreichende Gesamtstabilität aufweist.
Der geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents löst das aufgezeigte technische Problem durch ein Tor, das folgende Merkmale aufweist (vgl. Anlage K5):
Tor mit
1. einem Torblatt (10), einer Tür, einer Stabilisierungsanordnung und Führungsschiene.
2. Das Torblatt (10)
2.1 ist zwischen einer Schließstellung und einer Öffnungsstellung bewegbar und
2.2 weist eine Mehrzahl von Torblattelementen (12,14) auf, die bezüglich parallel zueinander verlaufender Kippachsen (20) gegeneinander verkippbar sind.
3. Die Tür,
3.1 ist in dem Torblatt integriert und
3.2 weist ein Türblatt (100) auf, das
3.2.1 um eine etwa senkrecht zu den Kippachsen (20) verlaufende Schwenkachse bezüglich in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelementen verschwenkbar ist,
3.2.2 in der Schließstellung in einer Ausnehmung des Torblatts aufgenommen wird und
3.2.3 in der Schließstellung etwa in der Torblattebene angeordnet ist.
4. Die Stabilisierungsanordnung
4.1 wirkt einer Verformung des Türblatts entgegen und
4.2 weist ein Schwellenelement (50) auf,
4.2.1. das den unteren Rand der Ausnehmung bildet,
4.2.2. das an den der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen (20) benachbarten Torblattelementen (12,14) befestigt ist,
4.2.3. dessen Höhe in Richtung der Schwenkachse zumindest im Bereich seiner etwa parallel zu den Kippachsen verlaufenden Ränder weniger als 20 mm beträgt,
4.2.4. dessen Breite in einer senkrecht zur Torblattebene in der Schließstellung verlaufenden Richtung mehr als 150 % der Torblattdicke beträgt und
4.2.5 das sich über die gesamte Torblattdicke erstreckt.
5. Die Führungsschienen
5.1 dienen zur Führung der Torblattbewegung zwischen der Schließstellung und der Öffnungsstellung,
5.2 weisen einen etwa geradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Schließstellung verlaufenden vertikalen Abschnitt auf,
5.3 weisen einen weiteren etwa geradlinig und etwa parallel zum seitlichen Torblattrand in der Öffnungsstellung verlaufenden horizontalen Abschnitt auf und
5.4 weisen einen die beiden geradlinigen Abschnitte miteinander verbindenden bogenförmigen Abschnitt auf.
Das erfindungsgemäße Tor zeichnet sich dadurch aus, dass durch baulich voneinander getrennte Elemente der Stabilisierungsanordnung die bei den herkömmlichen Toren beobachteten – eingangs beschriebenen – Verformungen des Torblattes verhindert werden können (Anlage K1, Abs. [0015]). Dabei kann das Durchhängen in einer senkrecht zur Torblattebene verlaufenden Richtung bereits mit einem im Bereich des unteren Randes der das Türblatt aufnehmenden Ausnehmung angeordneten als Schwellenelement ausgeführten Stabilisierungselement erreicht werden, welches nur in der Durchbiegerichtung eine beachtliche Ausdehnung und entsprechende Stabilität aufweist, während es in der senkrecht dazu verlaufenden Richtung der Schwenkachse nur eine geringe Höhe aufweisen muss, weil eine Stabilisierung in dieser Richtung durch das weitere ggf. oberhalb der Ausnehmung angeordnete Stabilisierungselement erfolgt. Daher kann das Schwellenelement mit einer besonders geringen Höhe von weniger als 20 mm der im Bereich der parallel zu den Kippachsen verlaufenden Ränder ausgeführt werden. Aufgrund dieser geringen Höhe des Schwellenelements bestehen keine Bedenken bei Verwendung der in das Torblatt integrierten Schlupftür eines erfindungsgemäßen Tores als Fluchttür (Anlage K1, Abs. [0015]).
Zum Erhalt einer ausreichenden Stabilisierungswirkung in einer senkrecht zur Torblattebene verlaufenden Richtung sieht der Klagepatentanspruch konkret vor, dass die Breite des Schwellenelementes in dieser Richtung 150 % der Torblattdicke beträgt (Merkmal 4.2.4). Die Höhe der Schwellenelemente soll weniger als 20 mm betragen (Merkmal 4.2.3).
II.
Die angegriffene Ausführungsform macht unstreitig von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Aufgrund der unstreitigen Patentverletzung stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte zu.
1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf §§ 9, 139 Abs. 1 PatG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.
2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus § 139 Abs. 1 und 2 PatG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ folgt.
Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 156 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht (vgl. Schulte/Voß/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 231).
Die Beklagte hat die streitgegenständliche Patentverletzung auch schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist zudem nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Dieser besteht bereits in der unberechtigten Benutzung des Klagepatents.
Für die Zeit vor Patenterteilung besteht ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung gemäß Art. II § 1 IntPatÜG.
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung in zuerkanntem Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt.
4.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 140a Abs. 1 PatG auch einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform. Dass die Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse unverhältnismäßig wäre, macht die Beklagte nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich.
5.
Schließlich kann die Klägerin von der Beklagten gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 140a Abs. 3 S. 1 Var. 1 PatG den Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen verlangen.
III.
Eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung in dem das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahren ist nicht veranlasst. Die technische Lehre des in diesem Verfahren geltend gemachten Patentanspruchs stellt sich gegenüber dem Stand der Technik als neu dar, auch dringt die Beklagte mit ihrem Einwand mangelnder Erfindungshöhe nicht durch.
Nach ständiger Rechtsprechung (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker; LG Düsseldorf, Mitt. 1988,91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995,121 – Hepatitis-C-Virus) stellt die Erhebung eines Einspruchs gegen das Klagepatent als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechts, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (BGH, Az. X ZR 61/13, Beschluss vom 16.09.2014). Ist dies nicht der Fall, so verdient das Interesse des Patentinhabers an einer alsbaldigen Durchsetzung seiner – zeitlich ohnehin begrenzten – Rechte aus dem Patent den Vorrang vor dem Interesse der Gegenpartei, nicht aus einem Patent verurteilt zu werden, das sich möglicherweise später als nicht rechtsbeständig erweist. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf des Klagepatents kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der ihm am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze besteht keine Veranlassung zur Aussetzung des vorliegenden Verletzungsrechtsstreits. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Klageschutzrechts widerrufen wird.
1.
Eine Aussetzung aufgrund der EP 1 375 805 A2 (nachfolgend: EP 805) scheidet aus. Denn diese nimmt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg.
Die Merkmale 4.2.3 und 4.2.4 werden nicht hinreichend deutlich und unmittelbar durch die Entgegenhaltung offenbart.
Zwar zeigt die Figur 1 eine Ausführungsform eines Sektionaltors mit Schlupftür und einer hohen Schwelle. Maßangaben zu der Breite des Schwellenelements finden sich dort allerdings weder in der Figur noch in der dazugehörigen Beschreibung. Es gilt damit der allgemeine Grundsatz, dass die Figur regelmäßig nur das Prinzip der beanspruchten Vorrichtung, nicht aber exakte Abmessungen offenbart (vgl. BGH GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung). Die Offenbarung der in Patentanspruch 1 zu findenden Maßangaben lässt sich somit nicht allein durch eine Vermessung der Figur 1 begründen. Da sich in der Beschreibung der Entgegenhaltung auch kein Hinweis darauf findet, dass es gerade auf die Breite des Schwellenelements ankommt, handelt es sich bei einer derartigen Vermessung der Figur um eine unzulässige rückschauende Betrachtung.
2.
Auch die DE 1 659 585 lässt nicht den Schluss zu, das Klagepatent werde mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Einspruchsverfahren widerrufen. Bei der diesbezüglichen Entgegenhaltung handelt es sich um geprüften Stand der Technik. Überdies fehlt es bereits an dem das Schwellenelement nach der technischen Lehre des Klagepatents kennzeichnenden Merkmal, nämlich einer Breite von mehr als 150 % der Torblattdicke. Bezüglich der von Beklagtenseite herangezogenen Figur 11 wird auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 1. zu der Entscheidung „Steckverbindung“ (BGH GRUR 2012, 1242) verwiesen.
Abgesehen davon stellt der Dichtungsstreifen 13 in der Figur 11 der Entgegenhaltung kein Schwellenelement im Sinne des Klagepatents dar. Die Funktion des Schwellenelements besteht unter anderem darin, der Verformung des Türblattes entgegenzuwirken (vgl. die Differenzierung zwischen Dichtung und Schwellenelement in Abs. 0023 der Klagepatentschrift). Dies ist für den Dichtungsstreifen in der Entgegenhaltung nicht offenbart. Vielmehr ist im Bereich der Schlupftür eine untere Schwelle 42 angeordnet (vgl. Unteranspruch 11), die die Funktion eines patentgemäßen Schwellenelements übernimmt.
3.
Soweit die Beklagte zur Begründung der Neuheitsschädlichkeit eine offenkundige Vorbenutzung unter dem Schlagwort „Fischer“ (Anlagenkonvolut B 26 mit Anlagen E24) heranzieht, dringt sie hiermit ebenfalls nicht durch.
Eine Aussetzung kommt nicht in Betracht, da es zur Feststellung des Vorbenutzungssachverhalts voraussichtlich einer Zeugenvernehmung bedarf. Zwar mag den Seiten 1-4 des als Anlage E24a vorgelegten Prospekts ein Schwellenelement zu entnehmen sein. Konkrete Formen, Maße oder Größenverhältnisse sind dort indes nicht angegeben. Soweit die Seiten 5-7 der vorzitierten Anlage in technischen Zeichnungen die Profile für die Schlupftür mit Maßen zeigen, wird hier nicht das zugehörige Tor abgebildet, zudem ist auch die Offenkundigkeit dieser Zeichnungen unklar.
Auch unter Berücksichtigung der Seite 8 der Anlage E24a wird die Offenkundigkeit der Maße und Größenverhältnisse bezüglich des Torblatts nicht ersichtlich. Gleiches gilt auch für den als Seite 10 überreichten Ausdruck des Warenbestands.
Selbst wenn unter Zugrundelegung der als Anlage E24b vorgelegten Lichtbilder und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zeichnung von der Patentgemäßheit der Breitenverhältnisse von Schwellenelement und Torblatt ausgegangen wird, steht die Offenkundigkeit der Merkmale dieses Tores im Prioritätszeitpunkt in Streit. Die Beklagte hat das Baujahr gemäß dem abgebildeten Typenschild bestritten. Allein aus den vorgelegten Lichtbildern ist nicht zweifelsfrei ersichtlich, dass das Tor im Jahr 2003 so eingebaut wurde wie es sich dort darstellt. Schließlich kann auch nicht aus den als F vorgelegten Rechnungen sicher der Einbau beziehungsweise der Umfang des Einbaus ersehen werden.
Anhaltspunkte dafür, dass das EPA das Klagepatent ohne Beweisaufnahme widerrufen wird, bestehen nicht und ergeben sich wie vorstehend erörtert insbesondere nicht aus den Anlagen E24 ff.. Ob das EPA überhaupt Beweis erheben wird und wie es die Beweise würdigt, ist nicht voraussehbar.
4.
Hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung „Hüver“ (Anlagenkonvolut B26, Seite 5 ff.) ist schon nicht ersichtlich, dass das Merkmal 4.2.4 offenbart ist. Zwar zeigen die Lichtbilder E2c ein Schwellenelement, konkrete Formen, Maße oder Größenverhältnisse sind aber nicht dargestellt. Selbst wenn von einer Patentgemäßheit der Breitenverhältnisse von Schwellenelement und Torblatt ausgegangen wird, ist die Offenkundigkeit der Merkmale im Prioritätszeitpunkt nicht ersichtlich. Allein aus den Lichtbildern kann nicht gefolgert werden, dass das Tor tatsächlich im Jahr 1993 so eingebaut wurde, wie es sich auf den vorgelegten Lichtbildern darstellt.
Es kommt hinzu, dass die Torblattelemente der Entgegenhaltung in Form von Paneelen durch Scharniere miteinander verbunden sind, so dass die Türblattelemente nicht gegeneinander verkippbar sind. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass Merkmal 2.2 offenbart ist.
5.
Eine Aussetzung scheidet auch unter Berücksichtigung der DE- A1 44 100 051 (fortan DE 051) sowie der JP 2000-197713A (fortan: JP 713) aus. Denn auch auf der Grundlage dieser Entgegenhaltungen ergibt sich, dass die Erfindung des Klagepatents nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik folgt. Unbeschadet dessen handelt es sich bei beiden Entgegenhaltungen auch um geprüften Stand der Technik.
Weshalb der Fachmann, ausgehend von der DE 051 auf die JP 713 zurückgegriffen hätte, um das aus der JP 713 bekannte Schwellenelement auf ein Tor nach der DE 051 zu übertragen, erschließt sich nicht. Die DE 051 formuliert ausdrücklich die Aufgabe, ein Sektionaltor anzugeben, das einen geringen Konstruktionsteileaufwand hat und darüber hinaus in der Öffnungsstellung nur sehr geringen vertikalen Bauraum benötigt. Das dem Klagepatent zugrundeliegende Problem der Integration von Schlupftüren in ein Torblatt und dem damit regelmäßig verbundenen Durchhängen von Torblättern und dem Aufziehen von Spalten zwischen Schlupftüren und Rolltorlamellen stellte die Entgegenhaltung nicht dar. Gleichlaufend bietet sie auch keine Lösung für das dargestellte Problem an. Die Figuren 5 und 6 der Entgegenhaltung zeigen zwar die Integration einer Schlupftür, weder ihrem Offenbarungsgehalt noch den dazugehörigen Beschreibungen ist indes eine Lösung für die Eignung der Schlupftür als Fluchttür unter Aufrechterhaltung der Gesamtstabilität wie von dem Klagepatent bezweckt, zu entnehmen.
Die Entgegenhaltung DE 051 enthält überdies auch keine Angaben zu der Höhe und Breite des Schwellenelements.
Zwar mag sich ausgehend von der DE 051 das Problem stellen, dass das Tor in der Öffnung in nicht hinnehmbarer Weise durchhängen kann. Gleichwohl kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Fachmann die JP 713 zur Lösung dieses Problems herangezogen und geprüft hätte, welche Ausgestaltungen von Schwellenelementen an beweglichen Raumabschlüssen eine Nutzung als Fluchtweg ermöglichen.
Die Entgegenhaltung JP 713 offenbart keine Lösung für die Integration von Schlupftüren in Torblätter eines Sektionaltores. Denn sie beschäftigt sich mit einem Behang aus einer Folie. Dass bei derartigen Behängen vergleichbare Probleme hinsichtlich des Durchhängens von Verschlusselementen auftreten, behauptet auch die Beklagte nicht. Welchen Anlass der Fachmann vor diesem Hintergrund haben sollte, sich mit der Lösung der Entgegenhaltung JP 713 zu beschäftigen, erschließt sich daher nicht.
6.
Es bestehen auch durchgreifende Zweifel, dass der Fachmann tatsächlich zur Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Patents auf die JP-A2000-84107 (fortan: JP 107) zurückgegriffen hätte. Auch dieser Entgegenhaltung ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass eine ausreichende Gesamtstabilität einer in einer Öffnungsstellung in einer Horizontalebene angeordneten Torblatts integrierten Schlupftür ohne Beeinträchtigung der Eignung der Schlupftür als Fluchttür durch die in dem Patentanspruch 1 des Klagepatents angegebene Stabilisierungsanordnung erreicht werden kann.
Die Entgegenhaltung offenbart wiederum keine Integration einer Schlupftür in ein Torblatt, sondern vielmehr Feuerschutzvorhänge, bei denen Vorhangstreifen auf eine Wickelwelle aufgewickelt werden. Probleme hinsichtlich des Durchhängens von Torblättern oder Probleme bezüglich des Aufziehens von Spalten zwischen Schlupftüren und Rolltorlamellen treten hierbei nicht auf. Auch fehlt es in der Entgegenhaltung an Hinweisen auf die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 angegebenen Bemessungsregeln, deren Einhaltung die Lösung bei gattungsgemäßen Toren auftretenden Problemen ermöglicht.
Welchen Anlass der Fachmann vor diesem Hintergrund haben sollte, bei dem zentralen Problem des Durchhängens von Torblättern auf eine sachgebietsferne Lösung, bei welcher es unstreitig nicht zu vergleichbaren statischen Problemen kommt, zurückzugreifen, erschließt sich nicht.
Die vorstehenden Ausführungen gelten in Bezug auf eine Kombination der Entgegenhaltung JP 107 mit den Schriften JP 713 und DE 051 entsprechend. Denn wie die Kammer bereits ausgeführt hat, fehlt es bereits in der DE 051 an der Offenbarung der anspruchsgemäßen Werte bezüglich der Höhe und Breite des Schwellenelements.
7.
Die weiteren im Einspruchsverfahren diskutierten Druckschriften (Anlagen B14 bis B 21) vermögen ebenfalls keine Aussetzung zu rechtfertigen. Die Parteien haben sie daher im hiesigen Verfahren zu Recht nicht weiter diskutiert.
IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Streitwert: 500.000,00 Euro.