2 U 8/14 – Ubichinon Qn

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2307

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 7. August 2014, Az. 2 U 8/14

Vorinstanz: 4c O 36/13

I. Die Berufung gegen das am 21. Januar 2014 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
1. der zweite Absatz von Ziffer I.1. des landgerichtlichen Urteilsausspruchs folgende Fassung erhält:
E Qn oder Qn-Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, dadurch sinnfällig herzurichten, dass auf der Umverpackung und/oder im Beipackzettel eine Einnahme zur diätetischen Behandlung der Migräne empfohlen wird, und derart hergerichtete Präparate in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

2. als Belege lediglich Kopien der Rechnungen, hilfsweise der Lieferscheine, verlangt werden können und diese auch nur in Bezug auf die gemäß Ziffer I.2. a) bis c) des landgerichtlichen Urteilsausspruchs auskunftspflichtigen Daten,
3. im Urteilsausspruch zu I.2. e) das Wort „betrieblichen“ durch das Wort „betriebenen“ ersetzt wird.
II. Die Beklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,– € abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird auf 250.000,– € festgesetzt.

GRÜNDE :

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents EP 1 150 XXX B1(im Folgenden: Klagepatent, Anlage CBH 1), das auf einer Anmeldung vom 09.02.2000 beruht und eine Priorität vom 11.02.1999 in Anspruch nimmt. Der Hinweis auf die Patenterteilung ist am 17.08.2005 bekannt gemacht worden. Das Klagepatent steht in Kraft. Aus ihm nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz und zur Entschädigung in Anspruch.

Das Klagepatent betrifft E Qn zur Behandlung von Migräneschmerzen. Sein im vorliegenden Rechtsstreit interessierender Anspruch 1 lautet wie folgt:

„Verwendung von E Qn oder E Qn-Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.“

Die Beklagte zu 1) vertreibt unter der Marke „B“ spezialisierte Mikronährstoff-Kombinationen zur gezielten Nahrungsergänzung. Dabei bietet sie – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse – unter der Marke „C“ eine ergänzende bilanzierte Diät zur diätetischen Behandlung von Migräne an (angegriffene Ausführungsform). Die Beklagte zu 2) ist die Komplementärin der Beklagten zu 1); der Beklagte zu 3) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 2).

Die angegriffene Ausführungsform enthält eine Kombination des Coenzyms Q10 mit Magnesium, Vitamin B2 (Riboflavin), B-Vitamine, Zink und Selen. Es handelt sich nicht um ein Arzneimittel im zulassungsrechtlichen Sinne, sondern um eine ergänzende bilanzierte Diät i.S.v. § 1 Abs. 4a DiätV. D soll Defizite der Ernährung bei Migränekranken beheben. Jede Kapsel enthält 37,5 mg E Q10.

Die Beklagte zu 1) hat C u.a. wie folgt auf ihrer – insoweit zwischenzeitlich gelöschten – Internet-Homepage beworben (Anlage CBH 6):

„Aktuelle Studie bei Migräne: 48 % weniger Migränetage mit D“: Patienten können mit der einzigartigen 3er Kombination aus hoch dosiertem Magnesium, Vitamin B2 und Conenzym Q10 (D) plus weiteren Mikronährstoffen ihre Migränetage um 48% senken […].

„Schon nach einer vierwöchigen Einnahme von D konnte eine Verringerung der Migränetage, Migränedauer und Migräneintensität sowie der Verbrauch von Schmerzmitteln festgestellt werden. Nach drei Monaten waren die Migränetage um 48 % gesenkt. Ebenso kam es zu einer Verminderung der Migränedauer und der Schmerzintensität.“

Außerdem enthält die Umverpackung von D (Anlage BK 1) die Aufschrift „Zur diätetischen Behandlung der Migräne“. In der Packungsbeilage (Anlage BK 2) ist ebenfalls die Angabe „Zur diätetischen Behandlung der Migräne“ enthalten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.09.2009 hat die Klägerin die Beklagten wegen des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform abgemahnt. Hierfür sind Gebühren in Höhe von 2.667,60 € entstanden.

Die Klägerin sieht im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents und beruft sich hilfsweise auf eine äquivalente Patentverletzung. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht: Ob es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein „Arzneimittel“ im zulassungsrechtlichen Sinne handele, sei unerheblich, weil das Merkmal „Arzneimittel“ im Klagepatentanspruch 1 nicht im Sinne der arzneimittelrechtlichen Definition auszulegen sei. Entscheidend sei die Zweckbestimmung zur Behandlung von Krankheiten. Auch bewürben die Beklagten die angegriffene Ausführungsform ausdrücklich als zur Behandlung von Kopfschmerz geeignet. Der Einsatz erstrecke sich auf alle Phasen und Zustände der Migräne-Erkrankung und schließe den akuten Migräneanfall ein. Damit stehe die Behandlung von Schmerzen und die Schmerztherapie im Vordergrund der Anwendung der angegriffenen Ausführungsform.

Die Klägerin hat beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen: Die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht, da es sich um ein diätetisches Lebensmittel und nicht um ein Arzneimittel handele. Außerdem diene es nicht der Behandlung akuter Migräneschmerzen, sondern der Behebung von Ernährungsdefiziten bei Migränekranken. Dies gelte auch dann, wenn mittelbar über den Ausgleich ernährungsbedingter Defizite im Einzelfall eine Besserung der Migräne eintreten sollte.

Nachdem die Klägerin die Klage hinsichtlich einer weiteren angegriffenen Ausführungsform zurückgenommen hat, hat das Landgericht durch Urteil vom 21.01.2014 dem Klagebegehren hinsichtlich der noch in Streit stehenden angegriffenen Ausführungsform stattgegeben und – bei Kostenteilung – wie folgt erkannt:

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

E Qn oder E Qn – Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, sinnfällig herzurichten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
wie es insbesondere die von den Beklagten unter dem Namen „D“ vertriebenen Mittel zur ergänzenden bilanzierten Diät betrifft.
2. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziff. I 1 begangenen Handlungen seit dem 7. Dezember 2001 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten,

b) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der ab dem 1. September 2008 belieferten Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der betrieblichen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Fall von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,

f) sowie ab dem 17. September 2005 der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

– wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. nur die Beklagte zu 1): die im Besitz und Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I.1 zu vernichten;

4. nur die Beklagte zu 1): die von ihr ab dem 30. April 2006 in den Verkehr gebrachten und noch im Umlauf befindlichen Produkte gemäß Ziffer I.1 zurückzurufen und aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem diejenigen, denen durch die Beklagten oder mit ihrer Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 150 XXX B1erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse unterbreitet wird und für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits bezahlten Kaufpreises beziehungsweise eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendekosten für die Rückgabe zugesagt wird;

5. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.667,60 € als Gesamtschuldner zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 17. September 2005 entstanden ist.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen zwischen dem 7. Dezember 2001 und dem 16. September 2005 zu zahlen.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß vom Klagepatent Gebrauch mache. Der in der Patentschrift verwendete Begriff „Arzneimittel“ setze nicht voraus, dass am Ende der patentierten Verwendung ein Arzneimittel im zulassungsrechtlichen Sinn stehe. Das Merkmal „Arzneimittel“ umfasse vielmehr jedes Mittel, das zur Erreichung eines gesundheitsfördernden Zweckes benutzt werde. Regulatorische Zulassungen im Sinne des Arzneimittelgesetzes seien nicht Gegenstand des Klagepatents. Außerdem gäben die Beklagten der angegriffenen Ausführungsform den Anschein, ein Produkt mit einem arzneilichen Zweck im weiteren Sinne zu sein, da eine Dosierungsempfehlung gegeben und außerdem empfohlen werde, das Medikament unter ärztlicher Aufsicht einzunehmen. Hierauf deuteten auch die Produktempfehlungen im Internet (Anlage CBH 6) hin. Die angegriffene Ausführungsform falle auch nicht deshalb aus dem Schutzbereich, weil sie eine Kombination des Coenzyms Q10 mit Magnesium, Vitamit B2 (Riboflavin), B-Vitami-ne, Zink und Selen beinhalte. Das Klagepatent setze nicht voraus, dass E Q10 oder E Q10-Vorstufen als isolierte Wirkstoffe zur Behandlung von Migräneschmerzen verwendet würden. Ebenso wenig verlange das Klagepatent eine bestimmte Einzeldosierung von Ubichonon Q10 oder E Q10-Vorstufen.

Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Landgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass der Gebrauch der angegriffenen Ausführungsform keine Verwendung zur Behandlung von akuten Schmerzen sei, die durch Migräne verursacht würden. Auch ergebe sich aus der im Patentanspruch enthaltenen Zweckbestimmung, dass eine gesundheitsfördernde Absicht für sich allein nicht zur Verwirklichung der patentgeschützten Lehre genüge, sondern das patentgemäß hergestellte Material ein Arzneimittel i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG zu sein habe. Arzneimittel seien hiernach „Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind“. Die Verwendung eines Mittels zur prophylaktischen Beseitigung der Ursache einer Erkrankung sei von der Verwendung eines Mittels zur Behandlung („Linderung“) ihrer akut auftretenden Symptome zu unterscheiden. Eine prophylaktische Behandlung der Migräne sei keine Schmerzbehandlung, weil Schmerz keine Ursache der Migräne, sondern eines ihrer vielen Symptome sei. Die Aussagen auf der Homepage, die ohnehin nicht Streitgegenstand seien und keine Patentverletzung begründen könnten, unterstützten lediglich die prophylaktische Wirkung. Außerdem liege das technische Problem des Klagepatents in der Bereitstellung eines hochdosierten Mittels, wogegen die angegriffene Ausführungsform nur eine sehr niedrige Dosierung von 37,5 mg E enthalte. Zudem habe die Verwendung von E zum Prioritätszeitraum zum freien Stand der Technik gehört, so dass die Klägerin dazu gezwungen gewesen sei, die Verwendung von Q10 auf den zu diesem Zeitpunkt möglicherweise neuen Bereich der Arzneimittel zur Linderung akuter Schmerzen bei Migräne zu beschränken.
Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Düsseldorf aufzuheben und die Klage auf die Berufung hin abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und tritt – ihr erstinstanzliches Vorbringen ergänzend – den Ausführungen der Beklagten entgegen. Sie betont insbesondere, dass die arzneimittelrechtliche Differenzierung für den patentrechtlichen Fachmann beim Studium des Klagepatents keine Rolle spiele. Die Aussagen der Beklagten zu der angegriffenen Ausführungsform legten die Linderung akuter Migräne-Schmerzen nahe. Der Bezug zu der Behandlung von Schmerzen ergebe sich schon daraus, dass das angegriffene Produkt gegen Migräne helfen solle, was im Verkehr als Behandlung von Kopfschmerz aufgefasst werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt weitestgehend ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die angegriffene Ausführungsform als wortsinngemäße Benutzung der in Anspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten technischen Lehre beurteilt.

A.

Das Klagepatent betrifft die Behandlung von Migräneschmerzen mithilfe von E.

E sind ausweislich der Patentbeschreibung (Abs. [0001]) prenylierte Chinone und in der Pflanzenwelt verbreitet. Es handelt sich um Derivate von 2,3 Dimethoxy-5-methyl-1,4-benzochinon, die in Sechsstellung linear verknüpfte Isopreneinheiten aufweisen. Je nach Anzahl der Isopreneinheiten werden die E als Q-1, Q-2 usw. bezeichnet. Bei den meisten Säugetieren einschließlich des Menschen überwiegt Q-10. E dienen als Elektronenüberträger in der Atmungskette und sind Voraussetzung für die Energieversorgung aller Zellen. Der oxidative Stress, der unter anderem durch hohen Sauerstoffverbrauch entsteht, löst Schäden an den Membranen von Mitochondrien und Zellen aus, die zu aktiven oder degenerativen Störungen des Nervensystems führen.

Wie der Klagepatentschrift zu entnehmen ist (Abs. [0001]), wurde E Q10 bisher in der Therapie von Herzerkrankungen verwendet. Überraschenderweise wurde nun herausgefunden, dass sich E Qn und E Qn-Vorstufen auch zur Behandlung von Schmerzen eignen. Sie können daher in Verfahren zur Herstellung von Mitteln zur Behandlung von Schmerzen (Abs. [0003]) eingesetzt werden. Insbesondere lassen sich Schmerzen mittels E behandeln, die durch Störung der Reizleitung in den Nerven verursacht werden und/oder in unangemessenem Verhältnis zur äußeren Ursache stehen (Abs. [0006]). E taugen speziell zur Behandlung von Migräne-schmerzen. Dabei kann die Behandlung durch Applikation in oraler, parenteraler, lokaler, inhalativer oder intranasaler Form erfolgen, wobei die Art der Applikation auf den zu behandelnden Schmerzzustand abgestimmt werden muss (Abs. [0007]).

Das Klagepatent lehrt vor diesem Hintergrund die Verwendung von E Qn zur Behandlung von Migräneschmerzen. Im Einzelnen lassen sich die Anspruchsmerkmale wie folgt gliedern:

1. Verwendung von

a) E Qn oder
b) E Qn – Vorstufen.

2. Die Verwendung erfolgt zur Herstellung eines Arzneimittels.
3. Das Arzneimittel dient zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.

Die geschützte Verwendung besteht insofern in einer symptomatischen Bekämpfung von Schmerzen, die als Folge einer Migräneattacke aufgetreten sind, und nicht in einer Therapie, die bereits das Entstehen von Migräneschmerzen durch Ausschaltung ihrer Ursachen unterbindet.

1.
Klagepatentanspruch 1 setzt voraus, dass die „Verwendung“ von E Qn bzw. F Qn-Vorstufen „zur Herstellung“ eines Arzneimittels erfolgt, das wiederum einem bestimmten therapeutischen Zweck (sic.: der Behandlung von Migräneschmerzen) dient. Anspruch 1 des Klagepatents ist mit diesem Inhalt ein sog. „Schweizer Anspruch“, dessen spezifische Fassung durch folgenden Anspruchsaufbau gekennzeichnet ist: „Verwendung des Stoffes A zur Herstellung eines Präparates zur Behandlung der Krankheit B“ (vgl. Gruber/Zumbusch/Haberl/Oldekop, Europäisches und Internationales Patentrecht, 7. Aufl. 2012, 12. Kap. Rdnr. 12.35 unter bb). Die Charakteristik dieser Anspruchsfassung hat ihren rechtlichen Hintergrund in Art. 53 c) EPÜ, wonach europäische Patente unter anderem nicht für Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers erteilt werden. Zweck des Art. 53 c) EPÜ ist es – wie bei Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 -, die Tätigkeiten des Arztes auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen freizuhalten. Der Arzt soll in der Auswahl von Maßnahmen zur Behandlung und Heilung von Krankheiten frei sein (BGH, GRUR 2007, 404 – Carvedilol II; GRUR 2001, 321 – Endoprotheseneinsatz; vgl. auch BGH, GRUR 2010, 181 – Bildunterstützung bei Katheternavigation; Senat, Urteil vom 31.01.2013 – I-2 U 54/11 – Cistus Incanus). Insoweit wurde im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung insbesondere die Verwendung des „Schweizer Anspruches“ durch die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes anerkannt (EPA G 01/83 – ABl. 1985, 60 ff. = GRUR Int. 1985, 193 – Zweite medizinische Indikation/BAYER). Im EPÜ 2000 wurde als Ausnahme zu Art. 53 c) S.1 EPÜ der Schutz der zweiten und weiterer Indikationen im neuen Art. 54 Abs. 5 EPÜ kodifiziert, wonach die Patentierbarkeit von Stoffen zur spezifischen Anwendung in einem therapeutischen Verfahren möglich ist, wenn diese spezifische Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört. Art. 54 Abs. 5 EPÜ ist ebenfalls als Ausnahme vom Grundsatz zu verstehen, dass Erzeugnisansprüche nur für – absolut – neue Produkte gewährt werden, wobei es sich um einen zweckgebundenen Stoffschutz handelt (Meier-Beck, GRUR 2009, 300, 304 f.; BGH, GRUR 2014, 461, 462 [Rn. 17] – Kollagenase I).

Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 31.01.2013 – I-2 U 54/11 – Cistus Incanus), steht dem Schutz einer patentgemäßen Lehre durch einen Schweizer Anspruch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer des EPA eine solche Anspruchsfassung unter Geltung des EPÜ 2000 nicht mehr zulässig ist, da es einer derartigen Fassung mit Blick auf Art. 54 Abs. 5 EPÜ nicht mehr bedarf (EPA-GB, ABl. 2010, 456 – Dosieranleitung/ABBOTT RESPIRATORY). Denn letztgenannte Rechtsprechung gilt erst für Anmeldungen, deren Anmelde-/Prioritätstag drei Monate nach Veröffentlichung dieser Entscheidung liegt; eine Rückwirkung hat die Große Beschwerdekammer ausdrücklich nicht angeordnet. Diese zeitliche Komponente ist hinsichtlich des Klagepatents ersichtlich nicht erfüllt, da die betreffende Entscheidung der Großen Beschwerdekammer erst am 19. Februar 2010 erging und das bereits am 9. Februar 2000 angemeldete Klagepatent nicht erfasst. Unabhängig davon ist allgemeinen Grundsätzen zufolge für den Verletzungsprozess ohnehin allein die in Kraft stehende und geltend gemachte Anspruchsfassung maßgeblich, auch wenn diese heute in dieser Form nicht mehr erteilungsfähig wäre. Der Kläger hat seinerzeit diese Anspruchsfassung gewählt, um auf der Basis der bis dahin vom Europäischen Patentamt angewandten Kriterien Patentschutz zu erhalten. Es geht nicht an, den bestandskräftig erteilten Anspruch im Nachhinein mit Blick auf eine nur ex nunc wirkende, geänderte Rechtsprechung des EPA in einem Sinne auszulegen, der durch die erteilte Fassung gerade nicht gedeckt wäre.

Für die Frage der Patentbenutzung ist vor diesem Hintergrund entscheidend, dass Anspruch 1 des Klagepatents ein Verwendungsanspruch ist, der letztlich auf den Einsatz eines bestimmten Stoffes (E) zu einem speziellen Zweck (Schmerzbehandlung bei Migräne) gerichtet ist und insofern einen zweckgebundenen Stoffschutz repräsentiert. Gegenstand eines nach Schweizer Vorbild erteilten Patentanspruchs ist der Sache nach dasjenige, was herkömmlicherweise unter der der eigentlichen therapeutischen Anwendung vorausgehenden sinnfälligen Herrichtung des Mittels zu dem geschützten Zweck verstanden wird (BGH, GRUR 2001, 730 – Trigonellin). Unmittelbar patentbenutzend ist deswegen nicht nur der unmittelbare Einsatz von E zur Migräneschmerzbehandlung, sondern bereits jede Handlung, durch welche die Sache zu der betreffenden therapeutischen Verwendung sinnfällig hergerichtet wird (BGH, GRUR 1983, 729 – Hydropyridin). Solches kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der auf den speziellen Verwendungszweck abgestellten Formulierung und Konfektionierung der Sache sowie in dessen Dosierung liegen. Sie kann darüber hinaus aber auch durch die Beifügung eines den fraglichen Einsatz empfehlenden Beipackzettels oder einen entsprechenden Hinweis auf der Umverpackung des Mittels geschehen (vgl. BGH, GRUR 1983, 729 – Hydropyridin; vgl. BGH, GRUR 1990, 505 – geschlitzte Abdeckfolie; vgl. BGH, GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung). Immer ist Voraussetzung, dass die in Verkehr zu bringende Sache als solche auf die patentgeschützte Verwendung ausgerichtet wird, und zwar in einer Weise, dass dank dieser Ausrichtung verlässlich zu erwarten steht, dass es im Anschluss an die getroffene Herrichtungsmaßnahme zu der unter Patentschutz stehenden Verwendung der Sache kommt. Allgemeine Werbeankündigungen, die sich losgelöst von der konkreten Sache mit der patentierten Verwendung befassen, sind hierfür unzureichend (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rdnr. 217; Senat, Urteil vom 31.01.2013 – I-2 U 54/11 – Cistus Incanus). Sie weisen nicht die notwendige Nähe mit dem Produkt auf, die erst dessen Verwendung in der zweckgerichteten Weise gewährleistet. Anders als bei einer Herrichtungsmaßnahme an der Sache selbst bleibt bei einer Gebrauchsempfehlung, die bloß in allgemeinen Werbeunterlagen (Prospekt- oder Internetwerbung) ihren Niederschlag gefunden hat, gänzlich im Ungewissen, ob der Empfänger der (zu verwendenden) Sache überhaupt von ihr Notiz nimmt, weswegen es dementsprechend auch ungewiss bleibt, ob es zu der patentgeschützten Verwendung der Sache kommt oder nicht.

2.
Was den technischen Gehalt der Klagepatentschrift anbelangt, hat das Landgericht Merkmal 2 („… zur Herstellung eines Arzneimittels“) zutreffend dahingehend ausgelegt, dass der Begriff „Arzneimittel“ nicht im zulassungsrechtlichen Sinne (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) zu verstehen ist, sondern jedes Mittel erfasst, das zur Erreichung eines gesundheitsfördernden Zwecks benutzt wird.

Gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich eines europäischen Patents durch die Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bei der Auslegung eines europäischen Patents nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe ist entscheidend, sondern das Verständnis des unbefangenen technischen Fachmanns. Patentschriften stellen im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar, weswegen der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgebend ist (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; GRUR 1988, 896 – Ionenanalyse; GRUR 1991, 447 – Autowaschvorrichtung; GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I). Er erschließt sich dem Fachmann anhand derjenigen technischen Effekte und Wirkungen, die mit der im Patent unter Schutz gestellten technischen Lehre erzielt werden sollen.

Im Streitfall kommt es deswegen nicht auf die Sicht einer mit Zulassungsfragen für Arzneimittel befassten Person an, sondern auf das Verständnis desjenigen technischen Durchschnittsfachmanns, an den sich die Klagepatentschrift mit ihrer Lehre zum technischen Handeln wendet. Bei diesem Fachmann handelt es sich im Streitfall um einen an einer Hochschule ausgebildeten Chemiker, der über mehrjährige Berufserfahrungen im Bereich der Entwicklung von migränebedingten Schmerzmitteln verfügt. Dieser Fachmann ist an therapeutischen Ergebnissen und den ihnen zugrundeliegenden technischen Wirkzusammenhängen, aber nicht an Zulassungsdetails interessiert. Schon deshalb hat er keinen Anlass, den Begriff des Arzneimittels im Zusammenhang mit den technischen Anweisungen des Klagepatents im zulassungsrechtlich-regulatorischen Sinne auszulegen. Vielmehr steht für den Fachmann im Mittelpunkt, dass die patentgemäße Lehre eine vorteilhafte Verwendung von E als therapeutisches Mittel zur Behandlung von Migräneschmerzen schützt. Genau in diesem technischen Kontext wird der Fachmann deshalb auch den Begriff des „Arzneimittels“ begreifen, nämlich als ein Präparat (sei es nun als Arzneimittel im Rechtssinne zulassungspflichtig oder zulassungsfrei), das diesem therapeutischen Zweck dient. In Übereinstimmung hiermit stellt auch die Patentbeschreibung durchgängig auf die Verwendung von E zur Migränebehandlung ab. Der Fachmann wird das Klagepatent deshalb dahingehend verstehen, dass mit ihm – gänzlich unabhängig von Fragen der arzneimittelrechtlichen Zulassung, die im Klagepatent im Übrigen mit keinem Wort erwähnt sind – die Herstellung eines therapeutischen Mittels bestimmter Zusammensetzung und bestimmter Indikation gelehrt wird. Der vom Klagepatent vorausgesetzte therapeutische Zweck des E erschließt sich insbesondere aus Abs. [0003], wo dargelegt wird, dass E „als Mittel (Anm.: nicht Arzneimittel) zur Behandlung von Schmerzen“ zu verwenden ist. Gerade die Verwendung des unspezifischen Begriffs „Mittel“ verdeutlicht, dass regulatorische Zulassungsfragen für die patentgeschützte Lehre irrelevant sind. Weiter ergibt sich das rein therapeutische – und nicht zulassungsrechtliche – Verständnis des Begriffs „Arzneimittels“ i.S.d. Klagepatents aus Abs. [0006]. Hier wird die patentgemäße Lehre näher dahingehend konkretisiert, dass mit Hilfe des Wirkstoffes insbesondere Schmerzen behandelt werden können, die durch Störung der Reizleitung in den Nerven verursacht werden. Abs. [0007] führt weiter aus, dass die erfindungsgemäß zu verwendenden Substanzen zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt werden. Im weiteren Verlauf beschäftigt sich das Klagepatent damit, wie das E zur Erzielung des therapeutischen Effekts am besten eingesetzt werden muss, ohne dass eine Einschränkung auf solche Mittel erfolgt, die Gegenstand eines erfolgreichen arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens waren oder sein könnten. Aus der maßgeblichen technischen Sicht gäbe es ersichtlich auch keinen vernünftigen Sachgrund dafür, Präparate, die dank Befolgung der erfindungsgemäßen Lehre in der Migräneschmerzbehandlung erfolgreich sind, nur deshalb vom Patentschutz auszuschließen, weil es sich bei ihnen rein zulassungsrechtlich betrachtet nicht um „Arzneimittel“ handelt. Eine derartige Differenzierung wäre technisch gesehen willkürlich, sinnlos und würde dem von der Klagepatentschrift angesprochenen technischen Fachmann daher nicht in den Sinn kommen.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Anspruch 1 des Klagepatents um einen Schweizer Anspruch handelt. Dieser Anspruch ist – wie vorstehend ausgeführt – in Anbetracht der Bestimmung von Art. 53 c) EPÜ erforderlich. Die Formulierung des Klagepatents ist dadurch motiviert, dass die Erfindung nicht unter dieses Patentierungsverbot fällt – und nicht etwa dadurch, dass regulatorische Anforderungen i.S.d. AMG verwirklicht werden könnten. Nicht patentfähige Verfahren, für die Verwendungsansprüche in Betracht kommen, sind Verfahren zur Behandlung von Krankheiten, ihre Heilung oder die Linderung von Leiden und Schmerzen (EPA – T 144/83, ABl. 1986, 301 – Appetitzügler; Benkard/Mellulis, EPÜ, 2. Aufl. 2012, Art. 53 Rn. 111). Ob deren jeweilige Ursachen oder lediglich Symptome bekämpft werden, ist unerheblich (EPA – T 81/84, ABl. 1988, 207 – Dysmenorrhoe). Auf die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit kommt es für den Ausschluss der Patentierbarkeit nicht an, so dass dem Begriff des „Arzneimittels“ auch insoweit kein regulatorisch-arzneimittelrechtlicher Bezug zukommt.

B.

Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch macht.

1.
Mit Hilfe der angegriffenen Ausführungsform erfolgt eine sinnfällige Herrichtung von E.

Es ist zwar nicht ersichtlich, dass den angegriffenen Präparaten der erfindungsgemäße Verwendungszweck unmittelbar durch eine ganz bestimmte Abmischung (d.h. besondere Mengenverhältnisse oder Begleitstoffe) und erst recht nicht durch eine spezielle äußere Gestaltung (Formgebung) verliehen worden wäre.

Die Aussagen auf der Homepage der Beklagten über die Verwendung der angegriffenen Ausführungsform (Anlage CBH 6) genügen – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ebenfalls nicht den Anforderungen, die an eine sinnfällige Herrichtung der in Verkehr gebrachten Sache zu stellen sind. Die besagten Äußerungen sind nicht in hinreichender Weise auf das angegriffene und in bestimmter Weise zu verwendende Präparat ausgerichtet. Denn es ist unsicher, ob der Nutzer der angegriffenen Ausführungsform, der das Präparat in der Apotheke erwirbt, die Werbeaussagen im Internet überhaupt zur Kenntnis nimmt. Es handelt sich um allgemeine Werbehinweise, die sich losgelöst vom Vertrieb der konkreten Sache mit der patentierten Verwendung befassen und die mangels ausreichender Nähe zum Gegenstand des zweckgebundenen Stoffschutzes für eine die nachfolgende patentgeschützte Verwendung verbürgenden Gebrauch unzureichend sind (Senat, Urteil vom 31.01.2013 – I-2 U 54/11 – Cistus Incanus; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rdnr. 217).

Die sinnfällige Herrichtung ergibt sich im Streitfall aber daraus, dass die angegriffenen Produkte, die E enthalten, nach dem Inhalt des dem Präparat beigefügten Beipackzettels und der Aufschrift auf der Umverpackung „zur diätetischen Behandlung der Migräne“ empfohlen werden. Die als Anlage BK1 vorgelegte Umverpackung und der als Anlage BK 2 vorgelegte Beipackzettel genügen aus der maßgeblichen Perspektive des Abnehmers der Produkte den Anforderungen, die an eine sinnfällige Herrichtung zu stellen sind. Die Beklagte zu 1) erklärt auf Beipackzettel und Umverpackung, dass das E zur Verwendung „als diätetisches Mittel zur Behandlung der Migräne“ einzusetzen ist. Der Nutzer, der die Hinweise auf dem Beipackzettel und auf der Umverpackung liest, erkennt ohne weiteres die Zweckbestimmung und wird die angegriffene Ausführungsform dem ausgelobten Verwendungszweck entsprechend einsetzen.

2.
Die Verwendung von E erfolgt bei der angegriffenen Ausführungsform auch zur Herstellung eines Arzneimittels im Sinne von Merkmal 2.

Wie vorstehend ausgeführt, genügt für die Erfüllung dieses Merkmals jede therapeutische Verwendung des Mittels, ohne dass es auf die Qualifikation des Präparats als Arzneimittel im Sinne des AMG ankäme. Unstreitig dient die angegriffene Ausführungsform zur Deckung eines medizinisch bedingten Nährstoffbedarfs, der Migräne vorbeugen soll. Damit verfolgt die angegriffene Ausführungsform insoweit einen therapeutischen Zweck und ist folglich als „Arzneimittel“ im Sinne des Klagepatents zu qualifizieren.

3.
Das Arzneimittel wird auch zur Behandlung von „durch Migräne verursachten Schmerzen“ empfohlen und dementsprechend verwendet (Merkmal 3).

Der patentgemäße Schutz bezieht sich auf die Verwendung des Wirkstoffes durch dessen sinnfällige Herrichtung, die sich aus den entsprechenden Hinweisen auf der Umverpackung sowie auf dem Beipackzettel (Anlagen BK 1 und BK 2) ergibt. Die Verwendung der angegriffenen Ausführungsform für die Bekämpfung von durch Migräne verursachten Schmerzen ist keine Frage der objektiven Eignung des Mittels zur Behandlung von migränebedingten Schmerzen, sondern eine Frage des speziellen Einsatzzwecks (Senat, Urteil vom 31.01.2013 – I-2 U 54/11 – Cistus Incanus). Ob eine patentgemäße Verwendung verwirklicht wird, richtet sich demgemäß danach, wie der angesprochene Verkehr – hier der Nutzer des angesprochenen Wirkstoffs – den gegebenen Verwendungshinweis versteht. Dabei ist auf den Verständnishorizont eines Patienten als medizinischem Laien abzustellen, der in einer Apotheke das Mittel ohne weitere fachliche Beratung erwirbt.

Für den Nutzer ergibt sich angesichts der auf der Verpackung wiedergegebenen und im Beipackzettel festgelegten Zweckbestimmung „Zur diätetischen Behandlung von Migräne“, dass die angegriffene Ausführungsform zur Behandlung von Migräne und deshalb in erster Linie zur Behandlung migräneverursachter Kopfschmerzen zu verwenden ist. Der Nutzer wird die Verwendungshinweise so verstehen, dass er ein Präparat erwirbt, das generell zur Behandlung von Migräne und damit – jedenfalls auch – zur Behandlung gegenwärtiger, durch Kopfschmerzen geprägter Migräneanfälle geeignet ist. Diese Vorstellung drängt sich ihm umso mehr auf, als die Umverpackung von der fotografischen Abbildung einer jungen Frau mit geschlossenen Augen dominiert wird, die sich mit beiden Händen an die Schläfen fasst und damit eindeutig signalisiert, dass sie unter akutem Kopfschmerz leidet. Für den Verbraucher ergeben sich unter diesen Umständen keine Hinweise darauf, dass die angegriffene Ausführungsform ausschließlich zur Prophylaxe verwendet werden soll und zur Behandlung von akuten Migräne-Schmerzen ungeeignet sein könnte. Zwar wird der Nutzer dem Hinweis, dass die angegriffene Ausführungsform eine „diätetische“ Behandlung vorsieht, die Aussage entnehmen, dass das angegriffene Präparat als Migränemittel einen Ernährungsbezug aufweist. Er wird aber aus diesem Hinweis keine weiteren Schlüsse auf eine mögliche Unwirksamkeit des Präparats gegen akute Kopfschmerzen ziehen, sondern allenfalls eine – zusätzliche – Langzeitwirkung für möglich erachten.

Auch die übrigen erläuternden Hinweise schließen die laienhafte Vorstellung von einer symptomatischen Wirksamkeit des Präparates gegen Migräneschmerzen nicht aus.

Was zunächst die Umverpackung betrifft, so findet sich der von den Beklagten angeführte Hinweis – „C unterstützt gezielt den Energiestoffwechsel im Gehirn. Die gezielte Kombination ausgewählter Mikronährstoffe ist auf den besonderen Bedarf von Personen mit Migräne abgestimmt.“ – in deutlich kleinerer Schrift an einem ganz anderen Ort als die prominent herausgestellte Bemerkung „Zur diätetischen Behandlung der Migräne“. Selbst wenn der Nutzer den Hinweis dennoch in Betracht ziehen sollte, ist er inhaltlich jedenfalls nicht in der von den Beklagten geltend gemachten Weise aussagekräftig. Ein medizinischer Laie, dem die Unterscheidung zwischen den Ursachen und den Symptomen einer Migräne nicht jederzeit vor Augen steht, kann den zitierten Text – „… Die gezielte Kombination ausgewählter Mikronährstoffe ist auf den besonderen Bedarf von Personen mit Migräne abgestimmt.“ – zwanglos dahin begreifen, dass die angesprochene Zielgruppe, nämlich die „Personen mit Migräne“, denen die Einnahme von C empfohlen wird, solche Individuen sind, die (akut) unter Migräne leiden und denen dank der gezielten Nährstoffkombination bei der Bekämpfung ihrer Kopfschmerzen (Migräne) geholfen werden kann.

Ähnliche Überlegungen gelten in Bezug auf den Beipackzettel, der im Anschluss an den Hinweis „Zur diätetischen Behandlung der Migräne“ folgende Erläuterungen enthält:

„Migränepatienten haben nachweislich häufig erniedrigte Magnesium-, Vitamin B2- und Coenzym Q 10-Werte. Bei einem Defizit an diesen Schlüsselstoffen wird der Energiestoffwechsel gestört und Migräneattacken können ausgelöst werden.

Eine diätetische Behandlung mit hochdosiertem Magnesium, Vitamin B2 und Coenzym Q 10 gleicht dieses Defizit aus, so dass sich die Anzahl der Migräneanfälle und Migränetage verringern kann.“

Für den Kundigen, der weiß, dass die Ernährung des Patienten – neben anderem – eine mögliche Ursache für das Auftreten eines Migräneanfalls sein kann, mögen die vorstehenden Ausführungen die Überlegung nahelegen, dass C der Bekämpfung eines Migräne auslösenden Faktors dient, aber nicht für die akute Schmerztherapie nach erfolgtem Migräneanfall hilfreich und vorgesehen ist. Der maßgebliche Verständnishorizont wird jedoch nicht durch einen solchen Wissensträger repräsentiert, sondern von einem Patienten gebildet, der ohne medizinischen Wissenshintergrund ist. Eine derartige Person unterscheidet nicht zwischen einerseits den Ursachen für eine Migräne und andererseits ihren Symptomen, sondern erwartet in Anbetracht des für C ausgelobten Anwendungsge-bietes („Zur … Behandlung der Migräne“), dass das fragliche Präparat, wenn er unter einer Migräneattacke leidet und medikamentöse Hilfe benötigt, ihm eine Linderung verschafft. Der genaue Wirkmechanismus ist für ihn dabei nur von untergeordneter Bedeutung. Die im Packungszettel gegebenen Erläuterungen versteht der Laie deshalb zwangslos dahin, dass der aufgetretenen Migräne bei C durch eine gezielte Zufuhr von Magnesium, Vitamin B2 und Coenzym Q 10 entgegengewirkt wird, deren Fehlen als Migräneauslöser ausgemacht sind. Soweit in den Erläuterungen von einer Verringerung der Migräneattacken und -tage die Rede ist, sieht er darin einen weiteren Nutzen für die Zukunft, der jedoch die eigentliche therapeutische Wirkung bei einem Migräneanfall nicht in Frage stellt.

Dass die Angabe „Zur diätetischen Behandlung der Migräne“ gesetzlich vorgeschrieben sein mag, hat patentrechtlich keine Bedeutung. Um die rein prophylaktische (und damit patentfreie) Verwendung ihres Präparates herauszustellen, haben die Beklagten die Möglichkeit, zusätzlich einen entsprechenden Hinweis auf der Umverpackung bzw. dem Beipackzettel anzubringen.

4.
Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Dosierung der angegriffenen Ausführungsform für die Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre nicht von Belang. Patentanspruch 1 enthält keine Dosierungsanweisung und setzt dementsprechend keine bestimmte Einzeldosierung von E Qn voraus. Eine Einschränkung der patentgeschützten Lehre findet sich auch nicht im Abs. [0007], der keine zwingende Dosierungsanordnung oder auch nur eine Dosierungsempfehlung vorsieht, sondern nur eine besonders vorteilhafte Dosierung exemplarisch charakterisiert. Abgesehen davon kommt gegenüber dem Beschreibungstext ohnehin dem in Bezug auf die Wirkstoffmenge einschränkungslosen Anspruchswortlaut der Vorrang zu.

5.
Die Zugabe weiterer Stoffe ist für die Frage der Benutzung der patentgeschützten Lehre gleichfalls irrelevant. Die Verwendung zusätzlicher Inhaltsstoffe liegt außerhalb der technischen Lehre des Klagepatents. Das Klagepatent sieht nicht vor, dass E Qn zwingend isoliert und ohne Beigabe anderer Stoffe zu verwenden ist. Daher kommt es nicht darauf an, dass die angegriffene Ausführungsform den Wirkstoff E mit anderen Wirkstoffen kombiniert.

6.
Die Beklagten können sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Verwendung von E in Lebensmitteln zum Prioritätszeitpunkt zum freien Stand der Technik gehört habe. Ein in der Patentschrift nicht erwähnter Stand der Technik ist kein zulässiges Auslegungsmaterial, sofern nicht der Nachweis geführt werden kann, dass es sich bei diesem um allgemeines Fachwissen auf dem fraglichen technischen Gebiet gehandelt hat (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rn. 36). Einen solchen Nachweis haben die Beklagten nicht erbracht.

C.

Aufgrund der begangenen Patentverletzung stehen der Klägerin gegen die Beklagten – abgesehen von geringfügigen Modifikationen – die vom Landgericht zuerkannten Ansprüche zu. Warum dies so ist, hat das Landgericht zutreffend dargelegt, worauf der Senat Bezug nimmt. Auch die Beklagten erheben hiergegen keine Berufungsangriffe. Aus Gründen der hinreichenden Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) des Urteilsausspruchs ist lediglich die sinnfällige Herrichtung näher zu konkretisieren. Zu korrigieren ist weiterhin, dass sich der Entschädigungsanspruch, da es sich um eine europäische Patentanmeldung handelt, aus Art. II § 1a IntPatÜG ergibt und dass als Belege aus Verhältnismäßigkeitsgründen lediglich Kopien von Rechnungen, hilfsweise von Lieferscheinen, begehrt werden können. Weil für deren Üblichkeit im Rahmen der Rechnungslegung (§ 259 Abs. 1 BGB) weder etwas vorgetragen noch ersichtlich ist, kann die Klägerin die Vorlage von Belegen überdies nur zu den nach § 140b Abs. 1 und 3 PatG auskunftspflichtigen Daten verlangen, aber nicht zu denjenigen Umständen, die lediglich Gegenstand der aus § 242 BGB folgenden Rechnungslegungspflicht sind.

D.

Da die Berufung der Beklagten weitestgehend erfolglos geblieben ist, haben sie die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die in § 543 ZPO hierfür aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als reine Einzelfallentscheidung wirft die Rechtssache keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht bedürfen.