Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. August 2014, Az. 15 U 16/14
Vorinstanz: 4a O 63/12
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.
GRÜNDE:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem europäischen Patent EP 1 077 XXXB1 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach, Vernichtung und Rückruf in Anspruch.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Das Klagepatent wurde am 12.05.1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der schwedischen Schrift SE 9801XXY vom 14.05.1998 in englischer Sprache angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde vom Europäischen Patentamt am 22.09.2004 veröffentlicht. Das Klagepatent betrifft ein Stimmventil mit Filter. Sein hier streitgegenständlicher Patentanspruch 1 lautet in der ursprünglichen, erteilten Fassung in deutscher Übersetzung:
„Stimmventil zum Verbindung mit einer Tracheostoma, mit einem regenerativen Filter (16) zum Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch beim Atmen durch das Stimmventil, einem Gehäuse (15), das den Filter (16) aufnimmt und eine erste Öffnung (13A) an einer Seite von dem Filter zur Verbindung mit der Tracheostoma, zumindest eine zweite Öffnung an der gegenüberliegenden Seite von dem Filter, die mit der Umgebung verbunden ist, und ein manuell betätigbares Ventilelement (15′, 23) zum Blockieren eines Luftgangs durch den Filter aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass eine Hülse (13, 20, 30), die in das Innere von dem Gehäuse (15) ragt, einen Ventilsitz bildet, welcher die erste Öffnung (13A ) definiert, um mit dem Ventilelement (15′, 23) durch eine manuelle Betätigung von diesem abdichtend in Eingriff zu kommen.“
In der englischen Fassung lautet der kennzeichnende Teil wie folgt:
“…that a socket, projecting into the interior of the housing forms a valve seat defining said first opening, to be sealingly engaged by the valve element at manual operation thereof.”
Auf die Nichtigkeitsklagen der B SE & Co. KG und der Andreas Fahl Medizintechnik GmbH hat das Bundespatentgericht das Klagepatent mit Urteil vom 17.12.2013 (BPatG, Az. 4 Ni 17/12 verbunden mit 4 Ni 29/12, Anlage B 20) mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland aufgrund unzulässiger Erweiterung dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in der Fassung des Patentanspruchs 1 am Ende ergänzt wird:
„wobei die erste Öffnung (13A) durch eine Dichtfläche (13A) begrenzt ist, die durch das Gehäuse (15) ausgebildet ist, und wobei die Dichtfläche (13A) durch die Endfläche des Sockels (13, 20, 30) ausgebildet ist.“
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Dabei zeigt Figur 6 eine Seitenansicht einer Ausführungsform, teilweise im axialen Querschnitt.
Figur 2 zeigt eine Seitenansicht des Filters für den regenerativen Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch.
Figur 11 zeigt ein weiteres Ausführungsbeispiel der Erfindung in einer ähnlichen Ansicht wie Figur 6.
Schließlich zeigt Figur 15 eine axiale Querschnittsansicht einer weiteren Ausführungsform der Erfindung.
Die Beklagte vertreibt Produkte verschiedener Medizintechnikhersteller, in der Vergangenheit auch Produkte der Klägerin. Unter anderem vertreibt sie unter der Bezeichnung „C“ (im Folgenden: die angegriffene Ausführungsform) ein Wärme- und Feuchtigkeitsaustauscher für laryngektomierte Patienten, das heißt Menschen, denen der Kehlkopf zumeist aufgrund einer Krebserkrankung operativ vollständig entfernt wurde. Die Markteinführung fand auf einem Kongress vom 03. bis 06.07.2011 statt. In einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landgericht München I hatte sich die Klägerin bereits gegen den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform gewandt; ihren Antrag hatte sie jedoch im Hinblick auf die von der Kammer in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auslegung des Klagepatents zurückgenommen.
Darüber hinaus hatte die Klägerin die Beklagte vor dem Landgericht Mannheim bereits wegen einer anderen Ausführungsform, nämlich der „D“ wegen Verletzung des Klagepatents in Anspruch genommen. Jene Ausführungsform (im Folgenden:
„D“) hatte folgenden Querschnitt (Bl. 111 GA):
Während das Landgericht Mannheim die Klage abgewiesen hatte, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Verletzung des – damals noch unveränderten – Patentanspruchs 1 durch jene Ausführungsform bejaht, und zwar mit der Begründung, in der Bodenplatte sei ein patentgemäßer Sockel zu sehen, da die Materialstärke der Bodenplatte deutlich größer sei als die Materialstärke des Gehäuses (Anlage K 1, S. 31). Wegen des weiteren Inhalts des Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
Nachfolgend wiedergegeben sind Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsform, die die Klägerin gefertigt und zum Teil auch beschriftet hat.
Das nachfolgend dargestellte Lichtbild zeigt die einzelnen Bauteile der angegriffenen Ausführungsform.
Der genaue innere Aufbau der angegriffenen Ausführungsform, insbesondere die Frage, ob die Bodenplatte dieselbe Dicke hat wie die Seitenwände, ist zwischen den Parteien streitig: Die Klägerin behauptet unter Berufung auf die nachfolgend wiedergegebene technische Zeichnung (Anlage K 11), die die Beklagte in dem Verfügungsverfahren vor dem Landgericht München I selbst als Anlage AG 6 vorgelegt hatte, die Bodenplatte sei um etwa 10 % dicker ausgebildet als die Seitenwände.
Die Beklagte behauptet unter Berufung auf die nachfolgend wiedergegebene Konstruktionszeichnung der angegriffenen Ausführungsform (Anlage B 5), Bodenplatte und Seitenwände hätten dieselbe Stärke von jeweils 1 mm.
Zudem verweist sie auf die Konstruktionsskizze der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage B 4. Wegen der näheren Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform wird auf die als Anlage K 5 vorgelegten Muster Bezug genommen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die angegriffene Ausführungsform verletze Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß, jedenfalls aber mit äquivalenten Mitteln. Die Bodenplatte mit Loch, stelle einen „Sockel“ bzw. eine „Hülse“ dar, die – horizontal – in das Gehäuse rage. Da Anspruch 1 nicht erfordere, dass das Gehäuse den Filter von allen Seiten umgebe, sei dies für eine Verwirklichung des Patentanspruchs 1 ausreichend. Selbst wenn man für eine wortsinngemäße Verwirklichung des Patentanspruchs 1 verlange, dass der Sockel vertikal in das Gehäuse hineinrage, sei dies bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben, da der Sockelbereich der angegriffenen Ausführungsform um 10 % dicker ausgestaltet sei als die Seitenwände. Im Hinblick auf die tatsächliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Vortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren von der im Münchner Verfahren vorgelegten Konstruktionsskizze abweiche. Jedenfalls aber sei die durch die angegriffene Ausführungsform gewählte Gestaltung gleichwirkend und, ausgehend vom Offenbarungsgehalt der Klagepatentschrift, in naheliegender Weise als gleichwertige technische Lösung auffindbar gewesen. Dem in erster Instanz auf die eingangs genannten Rechtsfolgen gerichtete Klageantrag lag Patentanspruch 1 des Klagepatents in der ursprünglich erteilten Fassung zu Grunde.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und diesen Antrag im Wesentlichen wie folgt begründet: Die von der Klägerin vorgelegte technische Zeichnung zur tatsächlichen Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform sei im Hinblick auf die Dicke der Wandungen falsch. Das Klagepatent setze voraus, dass das Gehäuse den Filter umschließe, und zwar von allen Seiten. Sei danach aber auch eine untere Begrenzung durch eine Bodenplatte Teil des Gehäuses, so könne diese gelochte Bodenplatte nicht zugleich als eine Hülse bzw. als ein Sockel angesehen werden, die bzw. der „in das Innere des Gehäuses hineinragt“. Da das Klagepatent bezwecke, dass der Kraftaufwand zum Schließen des Stimmventils verringert wird, werde der Fachmann davon ausgehen, dass der Sockel vertikal in das Gehäuse hineinragen müsse. Denn nur dann werde zum einen die Wegstrecke zwischen dem Ventilelement und der ersten Öffnung verringert und zum anderen werde dadurch ein ringförmiger Ventilsitz bereitgestellt, der durch das Aufliegen des Ventilelements auf der Kante den Kraftaufwand zum Schließen des Ventils weiter reduziere.
Auch eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln könne nicht bejaht werden. Es fehle schon an einem Austauschmittel für den patentgemäß erforderlichen Sockel. Die horizontal angebrachte Bodenplatte mit Loch sei Teil des Gehäuses und könne schon deshalb kein Austauschmittel sein. Im Übrigen fehle es an der Gleichwirkung, da die Bodenplatte den Kraftaufwand zum Schließen des Stimmventils nicht maßgeblich verringert. Die Abwandlung liege auch nicht nahe und es fehle an der Gleichwertigkeit. Jedenfalls ergebe sich die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik (sog. Formsteineinwand), und zwar aus der US 5,738,XXZ(Anlage QE 7a). Das dort insbesondere in Figur 2 gezeigte Stimmventil weise sämtliche Ansprüche des Klagepatents auf mit Ausnahme des Sockels. An Stelle der Bodenplatte mit Loch, das die Klägerin als Austauschmittel für den Sockel ansehe, weise das dortige Stimmventil eine Platte vor, mit der die zweite Öffnung verschlossen werde. Ausgehend davon liege es für den Fachmann nahe, nicht die zweite, sondern die erste Öffnung zu verschließen und deshalb eine Bodenplatte mit Loch vorzusehen.
Die Beklagte hat ferner geltend gemacht, der Rechtsstreit müsse bis zur Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents gerichtete Nichtigkeitsklagen ausgesetzt werden.
Durch Urteil vom 23.05.2013 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die angegriffene Ausführungsform verletze Patentanspruch 1 des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln. Sie verfüge nicht über einen Sockel, der in das Innere des Gehäuses rage. Zwar gebe das Klagepatent nicht vor, dass das Gehäuse auf allen Seiten geschlossen sein müsse. Werde ein Gehäuse aber umschlossen ausgestaltet, so seien dann sämtliche den Filter umschließende Wandungen als Teile des Gehäuses anzusehen. Ausgehend von einem so definierten Rauminhalt des Gehäuses könne ein Bauteil nur dann in das Innere dieses Gehäuses hineinragen, wenn seine Ausdehnung in allen drei Raumdimensionen in das Gehäuseinnere, das heißt weg von den das Innere begrenzenden Flächen, feststellbar ist. Diesen Anforderungen genüge ein Bauteil nicht, welches selbst eine Gehäusewandung ausbildet, wie die Bodenplatte mit Loch der angegriffenen Ausführungsform. In diesem Zusammenhang sei irrelevant, ob der bodenseitige Einzug bei der angegriffenen Ausführungsform geringfügig dicker ausgeführt ist als die Seitenwände. Denn auch ein geringfügig dickerer Boden rage nicht in das Innere des Ventilgehäuses hinein. Für eine Verletzung mit äquivalenten Mitteln fehle es an der Gleichwertigkeit. Auch wenn der Fachmann der Patentbeschreibung einen konkreten Vorteil für das Merkmal nicht entnehmen könne, sei ihm schon aus Gründen der Rechtssicherheit eine technische Bedeutung zuzuweisen. Der Fachmann werde sich in einem derartigen Fall mangels abweichender Erkenntnisse im Zweifel eng an die Vorgabe des Patentanspruchs halten. Charakteristisch an der Vorgabe des Patentanspruchs sei aber, dass die Position der ersten Öffnung in das Gehäuseinnere verlagert werde, wodurch jedenfalls auch die Wegstrecke zwischen Ventilelement und erster Öffnung verkürzt und ein Ventilsitz zur Verfügung gestellt werde, der eine Dichtwirkung entlang einer definierten Presslinie ermögliche.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
Das Landgericht habe zu Unrecht zwischen Gehäuse einerseits und Sockel andererseits unterschieden und deshalb gemeint, ein Bauteil, das bereits Gehäuse sei, könne nicht den Sockel bilden. Der frühere Unteranspruch 3, dessen Merkmale nach dem Nichtigkeitsverfahren Gegenstand des Patentanspruchs 1 seien, zeige aber, dass Gehäuse und Sockel auch einstückig ausgebildet werden könnten. Zudem spreche Unteranspruch 9 gegen diese enge Auslegung, denn dort sei zum ersten Mal erwähnt, dass der Sockel als eine Hülse mit zwei Öffnungen ausgestaltet werden könne. Patentanspruch 1 müsse deshalb weiter verstanden werden. Im Übrigen beschreibe das Klagepatent in Absatz [0035] die Platte, die letztlich die Bodenplatte des oberen Abdeckungsteils bilde, als eine „Platte im Inneren des Abdeckungsteils“. Hier werde also für möglich gehalten, dass ein raumbegrenzendes Teil zugleich „im Inneren“ des Raumes liegt. Durch die Bodenplatte werde die Dichtfläche nach oben verschoben, wie die nachfolgende, von der Klägerin erstellte Illustration zeige:
Selbst aus der Konstruktionsskizze der Beklagten gemäß Anlage B 4 ergebe sich, dass jedenfalls der bodenseitige Einzug (1 mm) der angegriffenen Ausführungsform den in der ersten Öffnung angeordneten kreuzförmigen Steg (0,8 mm) um 20 % überrage. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weiter vorgetragen, dass beim Übergang von den kreuzförmig verlaufenden Armen, die in der ersten Öffnung angeordnet sind, zu dem bodenseitigen Einzug, ein kleiner Absatz vorhanden sei. Es handele sich um Bruchteile eines Millimeters. Nach außen hin flache der ringförmige Einzug dann wieder ab.
Entsprechend der Einschränkung des Klagepatents durch das Bundespatentgericht (welche kursiv hervorgehoben ist) beantragt die Klägerin,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
I.
1. a)
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 — ersatzweise Ordnungshaft — oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Stimmventile zur Verbindung mit einer Tracheostoma, mit einem regenerativen Filter zum Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch beim Atmen durch das Stimmventil, einem Gehäuse, das den Filter aufnimmt und eine erste Öffnung an einer Seite von dem Filter zur Verbindung mit der Tracheostoma, zumindest eine zweite Öffnung an der gegenüberliegenden Seite von dem Filter, die mit der Umgebung verbunden ist, und ein manuell betätigbares Ventilelement zum Blockieren eines Luftgangs durch den Filter aufweist, wenn ein Sockel, der in das Innere von dem Gehäuse ragt, einen Ventilsitz bildet, welcher die erste Öffnung definiert, um mit dem Ventilelement durch eine manuelle Betätigung von diesem abdichtend in Eingriff zu kommen, wobei die erste Öffnung durch eine Dichtfläche begrenzt ist, die durch das Gehäuse ausgebildet ist, und wobei die Dichtfläche durch die Endfläche des Sockels ausgebildet ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
hilfsweise,
b)
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vorn Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 — ersatzweise Ordnungshaft — oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, gegenüber der Klägerin zu unterlassen,
Stimmventile zur Verbindung mit einer Tracheostoma, mit einem regenerativen Filter zum Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch beim Atmen durch das Stimmventil, einem Gehäuse, das den Filter aufnimmt und eine erste Öffnung an einer Seite von dem Filter zur Verbindung mit der Tracheostoma, zumindest eine zweite Öffnung an der gegenüberliegenden Seite von dem Filter, die mit der Umgebung verbunden ist, und ein manuell betätigbares Ventilelement zum Blockieren eines Luftgangs durch den Filter aufweist, wenn ein Sockel, der horizontal in das Innere von dem Gehäuse ragt, einen Ventilsitz bildet, welcher die erste Öffnung definiert, um mit dem Ventilelement durch eine manuelle Betätigung von diesem abdichtend in Eingriff zu kommen, wobei die erste Öffnung durch eine Dichtfläche begrenzt ist, die durch das Gehäuse ausgebildet ist, und wobei die Dichtfläche durch die Endfläche des Sockels ausgebildet ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
2.
der Klägerin Auskunft zu erteilen und in einer geordneten Aufstellung darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. a.
– hilfsweise die unter Ziffer I. 1. b. – bezeichneten Handlungen seit dem 3. Juli 2011 begangen haben, unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen einschließlich der Rechnungsnummern und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, der Namen und Anschriften der Empfänger,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und der erzielten Gewinne,
wobei es der Beklagten gegebenenfalls vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch die Einschaltung des Wirtschaftsprüfers entstehenden Kosten tragen und ihn zugleich ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Angebotsempfänger oder nicht-gewerbliche Abnehmer in der erteilten Rechnungslegung enthalten sind, und
wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder
Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Einzelheiten außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3.
die in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I. 1. a. – hilfsweise unter Ziffer I. 1. b. – bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden oder zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
4.
die vorstehend zu Ziffer I. 1. a. – hilfsweise unter Ziffer I. 1. b. – bezeichneten, seit dem 3. Juli 2011 in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe, insbesondere notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie die mit der Rückgabe verbundenen Zoll- und Lagerkosten zugesagt wird und indem die Beklagte die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich nimmt;
II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. a. – hilfsweise in Ziffer I. 1. b. – bezeichneten Handlungen der Beklagten seit dem 3. Juli 2011 entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise:
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklagen der B SE & Co. KG und E GmbH gegen das Klagepatent auszusetzen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Sie ergänzt: Unteranspruch 9 stütze die Argumentation der Klägerin nicht. Er beziehe sich mit der dort genannten „Hülse“ nicht auf die Hülse, die in Patentanspruch 1 genannt ist, sondern auf das Gehäuse, das an beiden Enden offen sei – gemeint seien hier die an den Seitengittern offenen Stellen.
Auf den Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, der bodenseitige Einzug erhebe sich ausgehend von den kreuzförmig verlaufenden Armen und flache nach außen hin ab, hat der Geschäftsführer der Beklagten erwidert, bei der angegriffenen Ausführungsform betrage der Winkel zwischen den Seitenwänden und dem bodenseitigen Einzug durchgehend 90 Grad.
Wegen Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Denn die Klage ist zwar zulässig, sie ist aber vom Landgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.
A.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht etwa der von Amts wegen zu prüfende Einwand der anderweitigen Rechtskraft entgegen. Zwar haben die Parteien dieses Rechtsstreits bereits vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe einen Rechtsstreit geführt, der mit Urteil vom 22.09.2010 (Anlage K 1) beendet wurde. Die Rechtskraft jenes Urteils erstreckt sich jedoch nicht auf den dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt. Denn die materielle Rechtskraft bezieht sich jeweils auf den Streitgegenstand, der dem Rechtsstreit zu Grunde lag. Das vorliegende Verfahren hat einen anderen Streitgegenstand als das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe, denn sowohl der Lebenssachverhalt als auch der Klageantrag ist ein anderer. Das OLG Karlsruhe hatte über eine Ausführungsform (die „F“) zu befinden, bei der die Bodenplatte des Stimmventils fast doppelt so stark ausgebildet war wie dessen Seitenwände. Unabhängig davon, dass das vorliegende Verfahren eine andere Ausführungsform betrifft – das G– betrifft das vorliegende Verfahren jedenfalls deshalb einen anderen Lebenssachverhalt, weil sich die hier streitgegenständliche Ausführungsform wesentlich von der F unterscheidet. Denn selbst wenn man einmal von dem Klägervortrag ausgeht, ist die Bodenplatte nur geringfügig (maximal um 10 %) dicker ausgebildet als die Seitenwände. Bei der hier angegriffenen Ausführungsform handelt es sich nach den Entscheidungsgründen des Oberlandesgerichts Karlsruhe auch nicht um eine kerngleiche Verletzung, denn das Gericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Materialstärke der Bodenplatte deutlich größer ist als die Materialstärke der Seitenwände des Gehäuses (Anlage K 1, S. 31, 2. Absatz). Darüber hinaus ist auch der Klageantrag aufgrund der teilweisen
Vernichtung des Klagepatents durch das Bundespatentgericht anders gefasst.
B.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach, Vernichtung und Rückruf aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB gegen die Beklagte nicht zu, da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln Gebrauch macht.
I.
Das Klagepatent betrifft ein Stimmventil mit Filter, das bei einem Tracheostoma verwendet wird.
Wie das Klagepatent einleitend ausführt, wird ein Tracheostoma, also ein Zugang zur Luftröhre von der Außenseite der Kehle, unter anderem dann geöffnet, wenn ein Patient sich einer Laryngektomie, das heißt einer operativen Entfernung des Kehlkopfes, unterziehen musste. Um dem Patienten danach das Sprechen zu ermöglichen, kann eine sogenannte Stimmprothese bzw. ein Sprachventil in der Wand zwischen Luft- und Speiseröhre eingesetzt werden. Mit dessen Hilfe kann dann Sprache erzeugt werden, wenn Luft durch die Stimmprothese zur Speiseröhre ausgestoßen wird. Damit dies stattfinden kann, ist es notwendig, das Tracheostoma zu schließen, wenn gesprochen werden soll.
In dem in der Klagepatentschrift genannten Stand der Technik konnte dies entweder dadurch geschehen, dass der Patient das Tracheostoma mit den Fingern abdeckte, oder dadurch, dass ein Ventil, das an dem Tracheostoma angeordnet war, manuell geschlossen wurde. In den Entgegenhaltungen US-A-4,582,XYX und US-A-4,325,XZX wurden zudem automatische Stimmventile vorgeschlagen. Diese werden während des Atmens offen gehalten und bei einem Druckstoß, der in der Luftröhre erzeugt wird, geschlossen, wenn der Patient Sprache produzieren will. An diesem Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, diese Ventile funktionierten nicht gut bei Patienten, die eine Luftröhrenkanüle tragen, also eine Kanüle, die nach innen in die sich ausgehend vom Tracheostoma nach unten fortsetzende Luftröhre eingeführt ist.
Darüber hinaus beschreibt die Klagepatentschrift, dass es bei Tracheostoma-Patienten notwendig sei, einen regenerativen Feuchtigkeits- und Wärmeaustauscher vorzusehen, der wie eine „künstliche Nase“ funktioniere, mithin Feuchtigkeit und Wärme von der ausgeatmeten Luft absorbiere und diese danach an die eingeatmete Luft abgebe. In der WO-A-95/17XZX (im Folgenden: WO X) sei bereits vorgeschlagen worden, solch einen Filter mit einem Ventil, das manuell betätigt werden kann, zu kombinieren. Die Figuren 1 und 2 der WO X sind nachfolgend abgebildet.
Dabei bezeichnen in der Figur 1 die Bezugsziffer 10 das Gehäuse, die Ziffer 11 den Filter, die Ziffer 12 die erste Öffnung und die Ziffer 14 die zweite Öffnung. Figur 2 zeigt das mit einem Deckel 18 ausgebildete Ventilelement, das in das Stimmventil gemäß Figur 1 eingesetzt werden und die zweite Öffnung 14 verschließen kann.
An diesem Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, dass nur ein begrenztes Gebiet in einer Ebene von der Öffnung, also in der Ebene von dem Filter vorgesehen sein kann, um einen dichten Verschluss zu erreichen. Begrenze man aber die Größe der zweiten Öffnung, so hat dies Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Filters. Weise dieser eine kleine (Grund-)fläche auf, so impliziere dies einen schlechten Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch. Das Klagepatent sieht es aber ebenso als nachteilhaft an, wenn das Stimmventil unverhältnismäßig hoch ausgestaltet wird, was notwendig sein kann, um ein für einen Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch ausreichendes Filtervolumen zu erreichen.
An der WO X kritisiert das Klagepatent zudem, dass für das Schließen jenes Ventilelements bei Verwendung einer optimalen Filterfläche, eine merklich größere Kraft erforderlich sei. Dies führe zu Unannehmlichkeiten für den Patienten, insbesondere dann, wenn das Stimmventil mit einer Kanüle versehen sei, weil diese in einen sehr empfindlichen Bereich des Patienten reicht.
Dem Klagepatent liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, diesen Nachteil zu beheben, und so eine große Freiheit bezüglich der Konstruktion des Filters zu erreichen, welcher für eine optimale Feuchtigkeits- und Wärmeaustauschfunktion dimensioniert werden können soll. Gleichzeitig soll das Ventilelement nur eine kleine Fläche schließen müssen, was es ermöglichen soll, das Ventilelement mit einer sehr kleinen Kraft zu betätigen (vgl. Anlage K 2, Absatz [0008]).
Diese Aufgabe soll nach dem hier streitgegenständlichen Patentanspruch 1 in der vom Bundespatentgericht aufrecht erhaltenen Fassung durch eine Kombination der folgenden Merkmale gelöst werden:
1. Ein Stimmventil zur Verbindung mit einem Tracheostoma
1.1 mit einem regenerativen Filter (16) zum Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch beim Atmen durch das Stimmventil;
1.2 mit einem Gehäuse (15), das den Filter (16) aufnimmt.
2. Das Gehäuse (15) weist auf
2.1 eine erste Öffnung (13A) an einer Seite von dem Filter zur Verbindung mit dem
Tracheostoma;
2.2 zumindest eine zweite Öffnung an der gegenüberliegenden Seite von dem Filter
(16), die mit der Umgebung verbunden ist,
2.3 ein manuell betätigbares Ventilelement (15‘, 23) zum Blockieren eines Luftgangs
durch den Filter (16).
3. Die erste Öffnung (13A) ist durch eine Dichtfläche (13A) begrenzt.
4. Die Dichtfläche (13A)
4.1 ist durch das Gehäuse (15) ausgebildet;
4.2 ist durch die Endfläche des Sockels (13, 20, 30) ausgebildet.
5. Ein Sockel (13, 20, 30)
5.1 ragt in das Innere von dem Gehäuse (15),
5.2 bildet einen Ventilsitz, welcher die erste Öffnung (13A) definiert,
5.3 um mit dem Ventilelement (15‘, 23) durch eine manuelle Betätigung von diesem abdichtend in Eingriff zu kommen.
II.
Zwar ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale außer den Merkmalen 5.1 und 4.2 aufweist. Allerdings verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 5.1 weder wortsinngemäß noch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.
1.
Eine wortsinngemäße Patentbenutzung des Merkmals 5.1 liegt nicht vor.
a)
Merkmal 5.1 setzt voraus, dass ein Sockel bzw. – nach der Terminologie der Beklagten – eine Hülse in das Innere von dem Gehäuse ragt. Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, bedeutet dies, dass sich der Sockel ausgehend von einer Umgrenzung freistehend in das Innere des Gehäuses erstrecken muss.
aa)
Zunächst ist festzustellen, dass der gemäß Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgebliche englischsprachige Begriff „socket“ sowohl mit den deutschen Begriffen „Sockel“ als auch „Hülse“ übersetzt werden kann, wie die von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus technischen Wörterbüchern gemäß Anlage K 9 belegen. Ob als Übersetzung „Sockel“ oder „Hülse“ gewählt wird, macht für die Verwirklichung des Merkmals 5.1 letztlich keinen Unterschied.
bb)
Der Fachmann, ein Ingenieur mit Hochschulbildung der Fachrichtung Medizintechnik mit beruflicher Erfahrung in der Entwicklung von Stimm- bzw. Sprechventilen (vgl. BPatG, Urteil vom 17.12.2013, Az. 4 Ni 17/12 und 4 Ni 29/12, Anlage B 20, S. 17), der den Bedeutungsinhalt des Merkmals 5.1 erfassen will, wird zunächst erkennen, dass dieses Merkmal im Zusammenhang mit den Merkmalsgruppen 1 und 2 steht, in denen das Bauteil des Gehäuses näher beschrieben wird. In Merkmal 1.2 heißt es, das Gehäuse nehme den Filter auf. Aus dieser Vorgabe folgt zwar nicht zwingend, dass der Filter von allen Seiten umschlossen wird. Wenn der Filter aufgenommen werden soll, so bedeutet dies zunächst einmal nur, dass er verliersicher gehalten werden soll. Daraus ergibt sich, dass in Wänden des Gehäuses ohne Weiteres Öffnungen vorgesehen werden können, wie etwa bei den in Figur 2 gezeigten Endgittern, die dort zur seitlichen Begrenzung des Gehäuses genutzt werden (vgl. Absatz [0027] der Klagepatentschrift). Als weiteren für das Gehäuse notwendigen Bestandteil wird der Fachmann eine gewisse Begrenzung in Richtung der zweiten Öffnung ansehen, weil sonst ein Herausfallen des Filters aus der zweiten Öffnung drohen würde, und weil die Oberseite des Gehäuses zugleich das Ventilelement gemäß Merkmal 2.3 bildet oder ein solches jedenfalls halten muss. Der Klägerin ist auch insoweit Recht zu geben, als dass die in Merkmal 1.2 beschriebene Funktion des Gehäuses nicht zwingend vorgibt, dass dieses auch eine Bodenplatte aufweisen muss, und als dass tatsächlich in der in der Klagepatentschrift zitierten Entgegenhaltung WO X eine solche Ausgestaltung eines Gehäuses ohne Bodenplatte gezeigt wird (dort die Figuren 3 und 4).
Dass das Gehäuse gleichwohl eine bodenseitige Begrenzung aufweisen muss, ergibt sich für den Fachmann aber jedenfalls durch eine Zusammenschau mit der Merkmalsgruppe 4. Denn dort wird vorgegeben, dass eine Dichtfläche durch die Endfläche des Sockels und zugleich durch das Gehäuse ausgebildet sein soll. Dann aber muss das Gehäuse in Richtung der ersten Öffnung eine körperliche Begrenzung des für den Filter zur Verfügung stehenden Raumes bereitstellen. Denn da die Dichtfläche durch einen Sockel gebildet wird, liegt sie in einem ausgehend von den Seitenwänden radial innen liegenden Bereich, was erst durch das Vorsehen einer bodenseitigen Begrenzung ermöglicht wird.
Umfasst das Gehäuse aber bereits eine bodenseitige Begrenzung, so geht der Fachmann davon aus, dass der Sockel gemäß Merkmals 5.1 mehr ist als nur eine solche Bodenplatte mit Loch. Dies wird dem Fachmann zudem deutlich angesichts der weiteren Formulierung des Merkmals 5.1, wonach der Sockel „in das Innere des Gehäuses ragen“ („projecting into the interior“) soll. Da die Begriffe „das Innere“ und
„ragen“ im Klagepatent nicht definiert sind und im hier betroffenen Fachgebiet keinen speziellen Bedeutungsinhalt haben, wird sich der angesprochene Durchschnittsfachmann zunächst an demjenigen ausrichten, was diese Worte im alltäglichen Sprachgebrauch ausdrücken. Danach bezeichnet „das Innere“ einen Bereich, der sich innerhalb eines definierten Rauminhalts des Gehäuses befindet. Abzugrenzen ist das Innere demnach einerseits vom „Äußeren“ und andererseits von der Umgrenzung selbst, welche das Innere erst definiert. Mit dem Begriff des „Ragens“ wird der Fachmann ein freistehendes „Hervorstehen“ bzw. ein „sich Abheben“ eines Bauteils verbinden. Der Patentanspruch fordert daher ein Hervorstehen von einer bodenseitigen Umgrenzung des Gehäuses; „Ragen“ impliziert, dass das Bauteil freisteht. Demnach kann ein solches Bauteil keinen patentgemäßen Sockel bilden, das bei natürlicher Betrachtungsweise selbst als eine Umgrenzung des Gehäuses anzusehen ist.
cc)
Dieses Verständnis, wonach ein „Hineinragen“ verlangt, dass ein freistehendes Bauteil sich abheben soll von einer Umgrenzung, wird durch die Absätze [0027] und [0034] der Klagepatentschrift bestätigt, die – in anderem Zusammenhang – den Begriff des „Hineinragens“ verwenden. So wird in Absatz [0027] die Luftröhrenkanüle 10 erwähnt, die „in das Gehäuse hineinragt“ und in Absatz [0034] der Ventilschaft, der „durch eine Öffnung in das Ventilgehäuse in den Bereich 15‘ hineinragt“. In den entsprechenden Figuren ist dann jeweils eine Ausgestaltung gezeigt, bei der sich das jeweils beschriebene Bauteil jenseits der Umgrenzung des Gehäuses befindet, also in dieses hineinreicht (Figur 1 bis 3 zu Absatz [0027] und Figuren 12 und 13 zu Absatz [0034]).
dd)
Zudem wird dieses Verständnis durch eine Zusammenschau mit dem Merkmal 4.2 gestützt, wonach die Dichtfläche durch die Endfläche des Sockels ausgebildet ist. Der Sockel soll danach eine „Endfläche“ aufweisen, also eine bestimmte Fläche („die Endfläche“), die das Klagepatent offenbar als abgrenzbar ansieht vom restlichen Teil des Sockels. Eine solche abgrenzbare Fläche kommt aber nur dann zu Stande, wenn der Sockel ausgehend vom Boden in das Gehäuse hineinragt, so dass seine Stirnflächen als Dichtfläche für das Ventilelement zur Verfügung stehen. Würde schlicht eine Bodenplatte als Sockel angesehen, so würde zwar ein Teil dieser Bodenplatte die Dichtfläche bilden (nämlich die obere Seite der Bodenplatte, die mit dem Ventilelement in Berührung kommt). Darin lägen aber bei natürlicher Betrachtungsweise die „Seiten“ der Bodenplatte und nicht deren „Endfläche“.
ee)
Auch aus einer Zusammenschau der Merkmale der Merkmalsgruppe 5 schließt der Fachmann, dass sich der Sockel nach Merkmal 5.1 freistehend von einem Boden abheben muss.
Würde man nämlich das Merkmal 5.1 so verstehen, dass es auch eine Bodenplatte mit Loch erfasst, so käme dem Merkmal 5.1 kein eigenständiger Gehalt zu. Dann hätte es genügt, vorzugeben, dass es einen Sockel (Merkmal 5) geben muss, der einen Ventilsitz bildet, welcher die erste Öffnung definiert (Merkmal 5.2). Indem in Merkmal 5.2 nämlich vorgegeben wird, dass es einen Ventilsitz geben muss, ist dem Fachmann klar, dass es einen radial nach innen verlaufenden Materialvorsprung geben muss, auf dem sich das Ventilelement abstützen können soll. Dennoch bleibt das Klagepatent bei dieser Vorgabe nicht stehen, sondern fordert ein „Ragen in das Innere von dem Gehäuse“. Damit soll aber der Sockel vom Boden abstehen; die „Endfläche“ im Sinne des Merkmals 4.2 stellt dann die Stirnfläche dieses abstehenden Bauteils dar.
Aus diesem Grund kann für die Verwirklichung des Merkmals 5.1 auch nicht darauf abgestellt werden, ob ein bodenseitiger Einzug dünner, genauso dick oder dicker ausgebildet ist als die etwa die Seitenwände. Denn das Klagepatent macht dem Fachmann keine Vorgaben dazu, in welchem Verhältnis die bei den einzelnen Ausführungsformen vorhandenen Wandungen zueinander stehen sollen; lediglich im Hinblick auf die Oberseite des Gehäuses wird in Unteranspruch 8 vorgeschlagen, dass diese eine verminderte Wanddicke aufweisen soll. Das Verhältnis der Dicke einer bodenseitigen Begrenzung des Gehäuses zu den seitlichen Begrenzungen ist nicht angesprochen. Aus Unteranspruch 7 folgt nur, dass das Gehäuse insgesamt vorzugsweise aus relativ weichem Material ausgebildet werden soll. Der Fachmann erkennt daher, dass die Dicke einer bodenseitigen Begrenzung Bodenplatte kein greifbares Kriterium für die Ausführung der klagepatentgemäßen Erfindung darstellt: es erschiene willkürlich, aus der Dicke der Seitenwände, der Dicke der Oberseite des Gehäuses oder einer sonstwie bestimmten Dicke einen Maßstab für den Vergleich der Dicke der Bodenplatte auszuwählen.
ff)
Auch die technische Funktion des Merkmals 5.1 führt zu dieser Auslegung.
Wie sich aus der Zweckangabe in Merkmal 5.3 ergibt, besteht die Funktion des Sockels zum einen darin, dem Ventilelement eine Auflage zu bieten, um eine Abdichtung des Stimmventils durch manuelle Betätigung des Ventilelements zu erreichen.
Zum anderen besteht seine Funktion darin, sicherzustellen, dass die zu verschließende Öffnung kleiner ausgestaltet ist als die Grundfläche des Gehäuses, die zur Ausfüllung mit Filtermaterial zur Verfügung steht. Dass es dem Klagepatent um eine solche Entkopplung von der Größe der Öffnung und der Grundfläche des Gehäuses geht, entnimmt der Fachmann den Absätzen [0007] und [0008]. Denn das Klagepatent kritisiert insbesondere am Stand der Technik, dass nur dann ein dichter Verschluss des Stimmventils gewährleistet werden kann, wenn die zu verschließende Öffnung eher klein ist („ein begrenztes Gebiet“). Werden aber die im Stand der Technik bekannten Öffnungen verkleinert, so wird der Filter zu klein, um seine Funktion des Feuchtigkeits- und Wärmeaustauschs zu erfüllen. Das Klagepatent löst sich daher von der im Stand der Technik bekannten Ausgestaltung, nach der die zu verschließende Öffnung stets die gesamte Gehäusegrundfläche ausfüllt (vgl. Figur 1 der WO X: der Ventilteller 18 liegt dann auf der umlaufenden Schulter 15A auf). Der Filter kann dann die gesamte Gehäusegrundfläche ausfüllen, die zu verschließende Öffnung aber dennoch klein sein. Die Vorteile dieser Konstruktion liegen darin – so das Klagepatent –, dass der Filter für einen optimalen Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch ausreichend groß dimensioniert werden kann, das Ventilelement aber gleichzeitig nur eine kleine Fläche aufweist, was eine sehr kleine Kraft bei der Betätigung des Ventilelements erfordert (Klagepatentschrift, Abs. [0008]). Die Funktion des Merkmals 5.1 besteht also darin, eine im Vergleich zur Gehäusegrundfläche kleinere Öffnung bereitzustellen, wodurch der Kraftaufwand zum Schließen dieser Öffnung verringert wird.
Ein Sockel im Sinne des Merkmals 5.1, nämlich ein von der bodenseitigen Begrenzung des Gehäuses freistehend abstehendes Bauteil, erfüllt auch diese patentgemäßen Funktionen. Er stellt eine Auflage für das Ventilelement dar. Ferner stellt er eine erste Öffnung bereit, die kleiner ist als die Gehäusegrundfläche. Denn wenn der Sockel abgewinkelt von der bodenseitigen Begrenzung in das Innere hineinragt, dann muss sich die Öffnung, die er definiert, in einem Bereich im Inneren des Gehäuses befinden, also in einem Bereich, der ausgehend von den Seitenwänden nach innen versetzt liegt. Liegt die Öffnung aber nach innen versetzt, so bildet sie eine kleinere Fläche als der Gehäusequerschnitt.
Weitere Funktionen, wie etwa die Verkürzung der Entfernung zwischen der ersten und der zweiten Öffnung, eine besonders effiziente Abdichtung oder die Ersparnis einer exakten Dimensionierung des Ventilelements, schreibt die Klagepatentschrift dem Merkmal 5.1 nicht zu. Selbstverständlich soll der Sockel eine effektive Abdichtung bereitstellen, die jedoch – wenn auch mit dem Nachteil eines hohen Kraftaufwands – schon im Stand der Technik erreicht wurde. Dass gerade die Form des Sockels hier eine Verbesserung zum Stand der Technik bewirken sollte, nimmt der Fachmann nicht an, zumal das Klagepatent zur genauen Ausgestaltung der Sockelwände keine Vorgaben macht. Auch eine Verbesserung im Hinblick auf eine exakte Dimensionierung des Ventilelements leistet der Sockel objektiv nicht, denn auch im Stand der Technik stützte sich das Ventilelement bereits auf einer Schulter ab (vgl. WO X), so dass eine exakte Dimensionierung des Ventilelements schon im Stand der Technik nicht zwingend war. Dass es dem Klagepatent auch nicht maßgeblich auf eine „Wegverkürzung“ ankommt, zeigt das Ausführungsbeispiel in Figur 15 der Klagepatentschrift, das keine nennenswerte „Wegverkürzung“ zeigt.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass darüber hinaus auch eine bloße Bodenplatte mit Loch die Funktionen des Sockels gemäß Merkmal 5.1 erfüllt, da auch sie einen abdichtenden Eingriff mit dem Ventilelement ermöglicht und eine Verkleinerung der ersten Öffnung im Vergleich zur Gehäusegrundfläche erreicht. Allein der Umstand, dass eine bestimmte Ausführungsform auch die technische Funktion eines patentgemäßen Merkmals erfüllt, reicht jedoch für die Bejahung einer Patentverletzung nicht aus. Denn die gebotene funktionale Betrachtung darf bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen, dass deren Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (Rinken/Kühnen in: Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 14 Rn. 31). Aus dem Grundsatz der funktionsorientierten Auslegung ergibt sich, dass der Fachmann den Patentanspruch so auszulegen hat, dass die den einzelnen Merkmalen zugeschriebenen Funktionen erfüllt werden. Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluss, dass jede Ausführungsform, die die Funktion der Merkmale erfüllt, auch patentgemäß ist. Denn wenn sich aus dem Anspruchswortlaut in Zusammenschau mit dem Beschreibungstext ergibt, dass das Merkmal in einer Weise räumlich-körperlich definiert wird, die auf die in Betracht gezogene Ausführungsform nicht zutrifft, so ist eine Verwirklichung des Patentanspruchs abzulehnen. Der Schutzgegenstand darf nicht durch Verallgemeinerung konkreter, im Anspruch angegebener Lösungsmittel erweitert werden (BGH, GRUR 2011, 701, 703 – Okklusionsvorrichtung). Denn es besteht die Möglichkeit, dass eine Anspruchsfassung den erfinderischen Gehalt der Erfindung nicht vollständig ausschöpft (BGH, GRUR 1989, 205, 207 – Schwermetalloxidationskatalysator). Im Ergebnis stellt eine in ihrem Sinngehalt unter Berücksichtigung der Patentansprüche und der Beschreibung eindeutige Vorgabe eine Grenze der funktionsorientierten Auslegung dar (vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 12500; BGH, GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallszeitmessgerät). Diese Grenze wäre vorliegend aber überschritten, wenn man annehmen würde, dass eine Bodenplatte mit Loch das Merkmal 5.1 erfüllt.
gg)
Das vorstehend beschriebene Verständnis des Fachmanns wird gestützt durch die Figuren der Klagepatentschrift, die bevorzugte Ausführungsbeispiele zeigen. Bei sämtlichen Ausführungsbeispielen ist der Sockel als von der – jeweils vorhandenen – Bodenplatte abgewinkelt dargestellt und ragt damit in das Innere des Gehäuses hinein.
hh)
Auch die von der Klägerin angeführte Beschreibungsstelle in Absatz [0035] der Klagepatentschrift, eine Zusammenschau mit den Merkmalen 3 und 4.1 und Unteranspruch 9 sprechen nicht für ein anderes Verständnis.
(1)
In der von der Klägerin zitierten Beschreibungsstelle in Absatz [0035] heißt es zu Figur 17, „eine Platte 29 innerhalb des Abdeckungsteils 15B [weise] einen zentralen Ring auf,…“ („a plate 29 inside the cover part 15B has a central ring 30…“, K2, Abs. [0018]. Die Klägerin verweist darauf, dass sich in der entsprechenden Figur 17 die Platte 29 horizontal an die Seitenwände des Abdeckungsteils 15B anschließt. Daraus folgt aber kein generelles Verständnis des Klagepatents, dass ein Teil einer Umgrenzung ohne Weiteres zugleich als in den dadurch gebildeten Raum hineinragend angesehen werden kann. Dies schon deshalb, weil der Begriff “inside” unschärfer gewählt ist als die Formulierung „into the interior of“, die eine Richtungsbestimmung im Sinne eines „Hineinragens“ enthält.
(2)
Die Merkmale 3 und 4.1 (früher: Unteranspruch 3) geben vor, dass die erste Öffnung durch eine Dichtfläche begrenzt ist, die durch das Gehäuse ausgebildet ist. Das bedeutet, dass der Sockel einstückig mit dem Gehäuse ausgebildet sein soll. Die Klägerin argumentiert, daraus ergebe sich, dass man ein „Hineinragen in das Innere des Gehäuses“ nicht schon mit der Begründung ablehnen könne, dass alles, was im konkreten Fall Teil des Gehäuses sei, stets den Rauminhalt des Gehäuses mit definiere und deshalb nicht in dieses hineinragen könne. Diese Kritik der Klägerin an einer solchen Begründung ist nachvollziehbar. Jedoch verfolgt der Senat diesen kritisierten Ansatz auch nicht. In der Tat ergibt sich aus der Klagepatentschrift, dass auch ein solches Bauteil „in das Innere des Gehäuses hineinragen“ kann, das einstückig mit diesem verbunden ist. Dies ergibt sich aus Merkmal 4.1, wonach die (durch die Endfläche des Sockels ausgebildete) Dichtfläche durch das Gehäuse ausgebildet ist. Auch die Figur 11 der Klagepatentschrift zeigt eine solche Ausgestaltung. Der Umstand, dass das Klagepatent ein „Hineinragen“ eines Bauteils
„in das Innere des Gehäuses“ und eine einstückige Ausbildung nicht als Widerspruch ansieht, zeigt aber, dass es Bauteile geben kann, die zwar Bestandteil des Gehäusekörpers sind, die das Klagepatent aber dennoch nicht als Gehäuseumgrenzung ansieht, die das Innere definiert. Eine solche gedankliche Trennung ist für den Fachmann dann ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn sich das Bauteil – wenn auch einstückig mit dem anderen Bauteil verbunden – deutlich von diesem abhebt. Genau dies ist aber in den einschlägigen Ausführungsbeispielen gezeigt. So zeigt etwa die Figur 15 einen patentgemäßen Sockel, der in das Innere des Gehäuses ragt: obwohl er selbst Teil des Gehäuses ist, wird er also nicht selbst als Teil der Gehäuseumgrenzung angesehen. Die Umgrenzung des Gehäuseinneren sieht das Klagepatent hier vielmehr offensichtlich in einer (gedachten) Fortführung der Bodenplatte. Ausgehend hiervon ragt der Sockel ins Gehäuseinnere, obwohl er einstückig mit dem Gehäuseboden verbunden ist. Gleiches gilt für die Figur 11.
Zudem ergibt sich aus der Klagepatentschrift, dass die Vorgabe des Merkmals 4.1, die Dichtfläche einstückig mit dem Gehäuse auszubilden, nicht etwa dazu dient, eine Abgrenzung vorzunehmen zwischen solchen Ausgestaltungen, bei denen sich der Sockel an die Bodenplatte anschließt, aber dennoch ein separates Bauteil darstellt einerseits und solchen Ausgestaltungen, bei denen der Sockel und der Gehäuseboden einteilig ausgebildet sind. Vielmehr erkennt der Fachmann, dass das Merkmal 4.1 den Schutzbereich des Klagepatents dahingehend einschränkt, dass solche Ausgestaltungen nicht patentgemäß sein sollen, bei denen der die Dichtfläche bildende Flansch gar nicht am Gehäuse befestigt ist, sondern an der in das Innere des Gehäuses hineinragenden Luftröhrenkanüle. Hiervon ist auch das Bundespatentgericht ausgegangen (vgl. BPatG, Urteil vom 17.12.2013, S. 23). Daher kann Merkmal 4.1 nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass sich der Schutzumfang des Klagepatents auch auf eine Bodenplatte mit Loch bezieht.
(3)
Aus Unteranspruch 9 lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin für die Auslegung des Merkmals 5.1 nichts herleiten. Er bestimmt, dass das Gehäuse eine an beiden Enden offene Hülse umfasst, wobei die erste Öffnung zwischen zwei Filterkörpern angeordnet ist, die jeweils an einem Ende von der Hülse angeordnet sind. Die Klägerin meint, hier werde in Abgrenzung zu Patentanspruch 1 zu dem Sockel erstmals die Vorgabe gemacht, dieser müsse die Form einer an beiden Enden offene Hülse haben. Dieses Argument überzeugt jedoch nicht. Denn mit der in Unteranspruch 9 genannten Hülse ist nicht der Sockel im Sinne des Merkmals 5.1 beschrieben. Stattdessen bezieht sich Unteranspruch 9 auf das Gehäuse (15), das hier als Hülse bezeichnet wird und nicht auf den Sockel gemäß Merkmal 5.1 (so auch BPatG, Urteil vom 17.12.2013, S. 28, Anlage BP 4). Hierfür spricht bereits, dass in Unteranspruch 9 bei dem Begriff „Hülse“ nicht die für den Sockel gemäß Merkmal 5.1 üblichen Bezugszeichen (13, 20, 30) aufgeführt sind. Diese Überlegung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz, dass Bezugszeichen im Patentanspruch den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel einschränken (BGH, GRUR 2006, 316 – Koksofentür). Denn dieser Grundsatz besagt lediglich, dass der Umstand, dass im Patentanspruch durch ein Bezugszeichen Bezug auf bestimmte Ausführungsbeispiele genommen wird, nicht dazu führen darf, dass nur die in den Ausführungsbeispielen gezeigte Umsetzung des Merkmals für patentgemäß erachtet wird. Wird dagegen – wie vorliegend – in Patentansprüchen ein und derselbe Begriff mit verschiedener Bedeutung mehrfach verwendet, so können die Bezugszeichen durchaus Aufschluss darüber geben, auf welche Bedeutung sich der Begriff jeweils bezieht. Dass sich Unteranspruch 9 auf das Gehäuse als Ganzes bezieht, folgt darüber hinaus aus Absatz [0027], der die Ausführung gemäß Unteranspruch 9 beschreibt. Dort heißt es, das Gehäuse 15 umfasse eine an beiden Enden offene Hülse aus relativ weichem Kunststoff. Auch hier wird bei dem Begriff Hülse nicht das entsprechende Bezugszeichen (dort: 13) verwendet. Die Hülse bzw. der Sockel 13 wird in diesem Absatz – offenbar zur Vermeidung von Verwechslungen – auch abweichend als Endflansch 13 benannt. Unteranspruch 9 besagt, dass diese Hülse (= das Gehäuse 15) an beiden Enden offen ist. Damit ist – wie sich aus Absatz [0027] ergibt – gemeint, dass an den Seiten des Gehäuses Endgitter mit Öffnungen vorgesehen sind. Die beiden Filterkörper sind nun seitlich von dem Endflansch 13 angebracht, also „jeweils an den Enden“ der Hülse, das heißt in Richtung der Endgitter.
ii)
Schließlich steht diese Auslegung auch im Einklang mit der im Nichtigkeitsverfahren ergangenen Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 17.12.2013 (Anlage B 20). Danach liegt eine bloße Öffnung in einer Seitenwand des Gehäuses in der Ebene dieser Seitenwand und ist nicht ausgehend von der Wand in Richtung des Gehäuseinneren verlagert. Dies verlange aber das Merkmal 5.1 (Anlage B 20, S. 20).
Letztere Ausführungen des Bundespatentgerichts sind als eine gewichtige sachkundige Äußerung zu berücksichtigen, auch wenn sie rechtlich nicht bindend ist (vgl. Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 55). Denn eine rechtliche Bindung kommt nur denjenigen Entscheidungsgründen einer das Patent teilweise vernichtenden Nichtigkeitsentscheidung zu, die die Abweichungen von der Anspruchsfassung der Patentschrift betreffen (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 56). Vorliegend hat das Bundespatentgericht Patentanspruch 1 des Klagepatents teilweise vernichtet (indem es ihn auf eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 3 und 4 reduziert hat), weil sonst eine unzulässige Erweiterung vorgelegen hätte. Den Ausführungen hierzu auf S. 23 des Urteils und auch die Abgrenzung zu der als naheliegend angeführten Entgegenhaltung US 5,738,XXZ(= Anlage K 15 zu Anlage B 11; vgl. die auf Seite 16 des Votums eingeblendeten Figuren, die aus der parallelen Anmeldung WO X stammen) lassen sich aber keine weiteren Erkenntnisse zur Auslegung des Merkmals 5.1 oder 4.2 entnehmen, die rechtlich bindend wären.
b)
Da Merkmal 5.1 somit ein Bauteil voraussetzt, das sich ausgehend von einer bodenseitigen Begrenzung freistehend in das Innere des Gehäuses erstreckt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform dieses Merkmal nicht. Denn die angegriffene Ausführungsform weist lediglich einen bodenseitigen Einzug auf, der selbst die untere Gehäusebegrenzung bildet. Es kann auch dahinstehen, ob dieser bodenseitige Einzug um ca. 10 % dicker ausgebildet ist als die Seitenwände der angegriffenen Ausführungsform. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, würde er nicht in das Innere des Gehäuses hineinragen, da er an die Seitenwände angeschlossen und damit nicht freistehend ist. Auf die Frage, ob der bodenseitige Einzug dicker ausgebildet ist als die kreuzförmig in der ersten Öffnung angeordneten Stege, kommt es deshalb ebenfalls nicht an. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung anhand eines Exemplars der angegriffenen Ausführungsform erstmals behauptet hat, der ringförmige Einzug erhebe sich im Vergleich zu den kreuzförmig angeordneten Stegen und flache nach außen hin dann wieder ab, handelt es sich um neuen Vortrag, der gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen ist. Schriftsätzlich hatte die Klägerin eine solche schräge Erhebung des bodenseitigen Einzugs nicht vorgetragen. Die Beklagte hat diesen neuen Vortrag in der mündlichen Verhandlung bestritten. Der Geschäftsführer der Beklagten hat ausgeführt, der Winkel zwischen den Seitenwänden und dem bodenseitigen Einzug betrage bei der angegriffenen Ausführungsform durchgehend 90 Grad. Unabhängig davon, ob auch der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, er bestreite den neuen Vortrag der Klägerseite, war in Ermangelung eines Widerspruchs des Beklagtenvertreters gegen diesen Vortrag jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten diesen für die Beklagte günstigen Parteivortrag zu Eigen machen wollte (vgl. BGH, BeckRS 1964, 31188145; MüKo/Wagner, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 141 Rn. 6). Darauf, ob der Beklagtenvertreter den Vortrag als verspätet gerügt hat, kommt es ebenfalls nicht an, denn die Zulassung neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO ist auch ohne eine Rüge des Gegners zu prüfen. Vorliegend kommt eine Zulassung nicht in Betracht, denn die Klägerin hat auch auf entsprechende Nachfrage der Vorsitzenden, warum dieser neue Vortrag erst in der Berufungsinstanz erfolgt ist, einen Zulassungsgrund gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht dargetan. Dass der Vortrag grundsätzlich schon dem erstinstanzlichen Vorbringen entsprochen hatte – wie der Klägervertreter hierzu meinte -, trifft nicht zu, denn eine Abflachung des bodenseitigen Einzugs nach außen hin hatte die Klägerin im Prozess bisher nicht behauptet. Soweit die Klägerin hierzu im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.08.2014 weiter vorträgt, war dieser weitere Sachvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung schon nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Im Übrigen stünde der Vortrag der Annahme von Verspätung auch nicht entgegen, denn die Inaugenscheinnahme erfolgte anhand eines von der Klägerin vorgelegten Exemplars der angegriffenen Ausführungsform. Im ebenfalls nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13.08.2014 stellt die Klägerin nicht mehr auf eine Abflachung des bodenseitigen Einzugs nach außen ab, sondern auf einen Absatz zwischen den kreuzförmig verlaufenden Stegen und den bodenseitigen Einzug. Auf diesen Absatz kommt es aber – wie eingangs unter b) erläutert – nicht an, da die Materialverdickung jedenfalls nicht freistehend wäre.
2.
Das aus den vorstehenden Gründen nicht wortsinngemäß erfüllte Merkmal 5.1 wird von der angegriffenen Ausführungsform auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln verwirklicht.
a)
Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine im Prioritätszeitpunkt gegebenen Fachkenntnisse den Fachmann befähigt haben, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch (Gleichwertigkeit) erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. des BGH; vgl. BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffhohlprofil; BGH, GRUR 2002, 515, 518 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 2002, 519 – 521 – Schneidmesser II; BGH, GRUR 2002, 527, 528 f. – Custodiol II; BGH, GRUR 2007, 510, 415 f. – Kettenradanordnung; GRUR 2007, 961 – Pumpeinrichtung; BGH, GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallzeitmessgerät; BGH, GRUR 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV; vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 12504 – Chipkarte, unter B. 3.; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185, 191 – WC- Sitzgelenk). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, GRUR 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV).
b)
Diese Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz liegen hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.
aa)
Dabei kann dahinstehen, ob die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform, bei der nur eine Bodenplatte mit Loch vorgesehen ist, mit abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln dasselbe Problem löst wie der im Patentanspruch des Klagepatents unter Schutz gestellte Gegenstand (Gleichwirkung), und ob der Fachmann durch seine Fachkenntnisse dazu befähigt ist, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (Naheliegen).
bb)
Denn jedenfalls fehlt es an der Gleichwertigkeit. Für die Gleichwertigkeit ist es nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen sich seine Überlegungen am Patentanspruch orientieren. Die notwendige Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGH, GRUR 1989, 205 – Schwermetalloxidationskatalysator; BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; BGH, GRUR 1993, 886, 889 – Weichvorrichtung I; BGH, GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; BGH, GRUR 2002, 527, 528 – Custodiol II; BGH, GRUR 2007, 1059, 1062 – Zerfallszeitmessgerät; BGH, BGH, GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung).
Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Die angegriffene Ausführungsform stellt deshalb keine am Patentanspruch orientierte Abwandlung dar, weil der in Merkmal 5.1 genannte Sockel schlicht und ergreifend weggelassen wird. Bei der angegriffenen Ausführungsform ist für den patentgemäßen Sockel, der in das Innere des Gehäuses ragen soll, gar kein Austauschmittel vorhanden. Die Argumentation der Klägerin, das Austauschmittel bestehe darin, dass der Sockel horizontal in das Gehäuse hineinrage, überzeugt nicht. Denn die Vorgabe, dass die erste Öffnung durch einen irgendwie gearteten bodenseitigen Einzug gebildet wird, folgt bereits aus den Merkmalen 5.2 und 5.3. Danach soll es einen Sockel geben, der einen Ventilsitz bildet. Um einen solchen Ventilsitz zu bilden, muss der Sockel aber zwangsläufig in einem Winkel von den Seitenwänden nach innen abstehen, denn nur dann kann er einen Anschlag bzw. eine Auflagefläche für das Ventilelment bilden. Das Merkmal 5.1 verlangt von dem Sockel nun aber mehr als nur einen bodenseitigen Einzug zu bilden. Für dieses „Mehr“ gibt es bei der angegriffenen Ausführungsform keinen Ersatz. Sie bleibt bei dem bodenseitigen Einzug stehen.
Fehlt es aber an einem Austauschmittel insgesamt, so scheidet die Annahme einer Gleichwirkung aus. Denn der Schutzbereich eines Patents darf weder nach dem Wortsinn noch nach den Grundsätzen der Äquivalenz derart bestimmt werden, dass einzelne räumlich-körperliche Merkmale völlig außer Acht gelassen werden. Dies liefe darauf hinaus, der Schutzbereichsbestimmung nicht den erteilten Patentanspruch zu Grunde zu legen, sondern einen fiktiven Anspruch, der aus der Kombination lediglich einzelner Merkmale des Anspruchs besteht (BGH, GRUR
2007, 1059, 1063 – Zerfallszeitmessgerät). Auf die Frage, ob es sich bei dem fehlenden Merkmal um ein wesentliches Merkmal der Erfindung handelt, kommt es nicht an. Denn da der Schutzanspruch dieses Merkmal vorschreibt, kann er nur durch eine Ausführungsform verletzt werden, die entweder den Sockel aufweist oder sich eines gleichwertigen Ersatzmittels bedient (vgl. BGH, GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallszeitmessgerät). Eine andere Bewertung liefe auf einen Teilschutz hinaus. Dieser wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar, wonach erreicht werden soll, dass der Schutzbereich eines Patents für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist (OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 12504, unter II. B. 3. b) cc)).
Insbesondere wenn – wie im vorliegenden Fall – in der Klagepatentschrift kein zwingender Vorteil genannt ist, der außer der Bildung des Ventilsitzes und der Flächenverkleinerung mit der Ausgestaltung als Sockel verbunden sein soll, würde der Fachmann seine Überlegungen im Zweifel eng an den Vorgaben des Patentanspruchs ausrichten (vgl. LGU, S. 24; LG Düsseldorf, BeckRS 2012, 07557; LG Düsseldorf, Urteil vom 31.05.2005, Az. 4b O 210/04, zitiert nach Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 78). Unter diesen Umständen stellt es keine Orientierung mehr am Patentanspruch dar, wenn sich der Fachmann von der Vorgabe, es müsse jedenfalls irgendein in das Gehäuse hineinragendes Bauteil geben, abwendet und das gelehrte Hineinragen in das Innere des Gehäuses als technisch nicht notwendig einschätzt.
Es kommt daher auch nicht auf die Frage an, ob vorliegend ein Sachverhalt gegeben ist, bei dem nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Annahme von Gleichwertigkeit ausscheidet. Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen der Gleichwertigkeit bestimmte Fälle zur Fallgruppe der so genannten „Verzichtsfälle“ zusammengefasst, in denen die Gleichwertigkeit zu verneinen sei. Ein solcher Verzichtsfall liege vor – so der BGH -, wenn die Beschreibung des Patents mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH, GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung). Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof angenommen, der Schutz eines Patents könne sich auch dann nicht auf eine abgewandelte Lösung erstrecken, wenn die Beschreibung des Patents mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine Möglichkeit in den Patentanspruch aufgenommen worden ist und sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen zwar mit der unter Schutz gestellten Lösung deckt, sich aber nicht in ähnlicher Weise wie die unter Schutz gestellte Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruchs aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidet (BGH, BeckRS 2011, 25197 – Diglycidverbindung, Rn. 46). Im Hinblick auf diese „Verzichtsrechtsprechung“ geht der 2. Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf davon aus, dass für die Annahme eines solchen Verzichts allerdings zu verlangen sei, dass die technische Alternativlösung in der Beschreibung ausdrücklich genannt ist (es sich bei der Alternativlösung also nicht nur um eine für den Fachmann auf der Hand liegende Ersatzlösung handelt) und dass diese Nennung auch im Zusammenhang mit der Erfüllung desselben technischen Zwecks erfolgt (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185, 192 ff. – WC-Sitzgelenk). Im Allgemeinen ist die Gleichwertigkeit im Übrigen zu verneinen, wenn die angegriffene Ausführungsform mit ihrem abgewandelten Mittel genau das Gegenteil der Lehre des Klagepatents darstellt (OLG Düsseldorf, GRUR- RR 2014, 185, 195 – WC-Sitzgelenk; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 18740, S. 8 – Drospirenon) oder wenn der gattungsbildende Stand der Technik zur Lösung eines bestimmten technischen Problems zwei verschiedene konstruktive Varianten offenbart, die Gegenstand nebengeordneter Patentansprüche waren, der Hauptanspruch jedoch nur eine dieser Varianten aufgegriffen hat und die angegriffenen Ausführungsformen sich der anderen Variante bedient (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185, 195 – WC-Sitzgelenk; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 11783 – Regenschirm).
Wenn die Klägerin argumentiert, ein „Verzichtsfall“ im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung liege nicht vor, verkennt sie, dass diese Rechtsprechung lediglich Fallgruppen beschreibt, in denen die Gleichwertigkeit schon unter dem Aspekt eines
„Verzichts“ fehlt. Auch unabhängig von diesen Fallgruppen kann es aber aus anderen Gründen an der Gleichwertigkeit fehlen, insbesondere wenn – wie vorliegend – gar kein Austauschmittel vorhanden ist. Der vorliegende Fall liegt auch – entgegen der Ansicht der Klägerin – deutlich anders als der vorzitierte Fall „WC- Sitzgelenk“. In jenem Fall wurde eine Sacklochbohrung durch eine Durchgangsbohrung ersetzt, worin der Senat eine Verletzung mit äquivalenten Mitteln erblickt hat. Wenn die Klägerin argumentiert, die Fälle lägen deshalb gleich, weil in beiden Fällen „Material weggelassen“ werde (im Fall WC-Sitzgelenk, indem das Material komplett durchbohrt wurde und im vorliegenden Fall, indem das ins Innere ragende Bauteil weggelassen wurde), übersieht sie, dass in jenem Fall – anders als im vorliegenden – durch das Weglassen von Material nicht auch ein komplettes Merkmal entfallen ist: In jenem Fall lag das Austauschmittel für eine bestimmte Art der Bohrung eben in dem Vorsehen einer anderen Art der Bohrung. Selbst wenn man aber unterstellen würde, dass ein Austauschmittel vorliegt, so wäre „nach den Kategorien“ der vorgenannten Rechtsprechung die Gleichwertigkeit ebenfalls zu verneinen, da die angegriffene Ausführungsform mit ihrem abgewandelten Mittel (kein Nach-Innen-Ragen des Sockels) genau das Gegenteil der Lehre des Klagepatents (Nach-Innen-Ragen des Sockels) darstellt.
3.
Da bereits keine Verwirklichung des Merkmals 5.1 festzustellen ist, bedarf es keiner abschließenden Klärung der Frage, ob das Merkmal 42. Bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben ist.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
D.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der allgemeine Grundsätze der Auslegung von Patentansprüchen zur Anwendung kommen. Der Streitwert war entsprechend dem in erster Instanz festgesetzten und auch in der Berufungsinstanz unstreitig gebliebenen Streitwert auf 250.000,00 € festzusetzen.