Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Februar 2013, Az 2 U 68/11
Vorinstanz: 4a O 95/10
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des am 16.06.2011 verkündeten Urteils der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zwangsweise beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
A.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 664 XXX (nachfolgend: „Klagepatent“, Anlage K 5), das am 21.12.1994 unter Inanspruchnahme einer österreichischen Priorität vom 17.01.1994 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet wurde und einen Beschlag zur Befestigung einer Rückwand einer Schublade an Schubladenteilen zum Gegenstand hat. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 19.02.2003. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim DPMA unter dem Aktenzeichen 594 10 XXY.6 geführt. Das Klagepatent steht in Kraft.
Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
„Beschlag zur Befestigung einer Rückwand einer Schublade an Schubladenteilen wie Schubladenzargen oder Ausziehschienen einer Schublade mit einem an einem Schubladenteil befestigbaren Tragteil (7), der Befestigungszapfen (27) aufweist, die in Befestigungslöchern (17) eines korrespondierenden, an der Rückwand befestigbaren Halteteiles (5, 10) einrasten an jeder Seite der Schublade,
dadurch gekennzeichnet, dass die Halteteile (5, 10) parallel zur Rückwand (6, 11) ausgerichtete Befestigungsstege (14) aufweisen, die in Montagelage außen an der Rückwand (6, 11) anliegen und über die sie mit der Rückwand (6, 11) verbunden, vorzugsweise verschraubt sind, und gehäuseartige Abschnitte (15) mit je einer in Montagelage parallel zur Rückwand (6, 11) ausgerichteten Abschlusswand (19), die in Montagelage mit der Schubladeninnenseite der Rückwand (6, 11) abschließt und mit je einer in Montagelage von der Stirnseite der Rückwand (6, 11) entfernten Seitenwand (16), in der sich die Befestigungslöcher (17) befinden, in denen die Befestigungszapfen (27) von außen einrasten.“
Die nachfolgend in verkleinerter Form eingeblendeten Figuren aus der Klagepatentschrift illustrieren die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele, wobei Figur 2 die Explosionsansicht einer Schublade, Figur 3 die Rückwand einer Schublade und Figur 5 ein Halteteil zeigt.
Auf der Messe „Interzum 2009“, die vom 13. bis 16.05.2009 in Köln stattfand, verteilte die Beklagte Prospekte, in denen ein Schubkastensystem unter Verwendung eines Holzrückwandhalters (angegriffene Ausführungsform) abgebildet war. Die Klägerin erwarb in der Türkei ein Muster der angegriffenen Ausführungsform. Nachfolgend sind Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform wiedergegeben, wobei die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu Illustrationszwecken einzelne Bestandteile entsprechend ihrer Rechtsauffassung mit Bezeichnungen versehen haben.
Die unten ersichtliche von der Beklagten erstellte schematische Zeichnung zeigt die angegriffene Ausführungsform in einer perspektivischen Ansicht, wobei die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu Illustrationszwecken einzelne Bestandteile entsprechend ihrer Rechtsauffassung deklariert haben.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht die Ansicht vertreten, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß: Die Seitenwand weise zwei Öffnungen auf, die erfindungsgemäße Befestigungslöcher darstellten. Durch diese Öffnungen griffen nämlich zwei am Tragteil angeformte – von der Beklagten jeweils als „Führungselement, starr“ bezeichnete – Bauteile („Haltehaken“) ein. Diese Bauteile seien als „Befestigungszapfen“ im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs anzusehen. Der Begriff des „Einrastens“ umfasse auch Verbindungen zwischen zwei Bauteilen, deren Verbindungsflächen so ausgebildet seien, dass diese bei mechanischem Stoß gegeneinander eine mechanische Verriegelung ausbildeten, was bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht sei. Die Haltehaken bewirkten insbesondere die intendierte Befestigung, wie sich anhand des Musters gemäß Anlage K 9, bei dem die Rastklinke entfernt ist, nachvollziehen lasse. Auf eine klemm- und/oder formschlüssige Verbindung komme es insoweit nicht an. Ginge man von der abweichenden Auffassung der Beklagten aus, sei jedenfalls eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln gegeben, weil durch das Einhängen des Halteteils in das Tragteil wie durch das Einrasten beide Bauteile miteinander verbunden würden.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
wie vom Landgericht erkannt (siehe unten).
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
Die Beklagte ist dem Vorwurf der wortsinngemäßen Patentverletzung folgendermaßen entgegengetreten: Mit „Einrasten“ sei erfindungsgemäß ein mechanisches Ineinandergreifen, welches eine feste Verbindung durch Formschluss herbeiführe, gemeint. Das erfordere in der Regel flexible Elemente, die zu Beginn des Einrastvorgangs eingebogen würden und nach Durchführen durch das Befestigungsloch wieder in ihre ursprüngliche Position zurückfederten. Nach dem Zurückfedern verhindere der Befestigungszapfen eine Bewegung des korrespondierenden Teils. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde das Tragteil demgegenüber mit dem Halteteil verbunden, indem die elastische Rastklinke des Tragteils mit einer in der Abschlusswand befindlichen Öffnung in Eingriff gebracht werde. Dabei dienten die beiden Öffnungen in der Seitenwand des Halteteils lediglich dazu, das Halteteil an zwei durch diese Öffnungen durchgreifenden Führungselementen in senkrechter Richtung solange zu führen, bis es mit der Rastklinke verraste. Da die Haltehaken nicht elastisch seien und allenfalls ein Reibschluss erfolge, finde mittels dieser keine Verrastung statt.
Mit Urteil vom 16.06.2011 hat das Landgericht dem Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen und wie folgt erkannt:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren – die Ordnungshaft zu vollziehen an den gesetzlich für sie handelnden Personen – zu unterlassen,
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
Beschläge zur Befestigung einer Rückwand einer Schublade an Schubladenteilen wie Schubladenzargen oder Ausziehschienen einer Schublade mit einem an einem Schubladenteil befestigbaren Tragteil, der Befestigungszapfen aufweist, die in Befestigungslöchern eines korrespondierenden, an der Rückwand befestigbaren Halteteiles einrasten an jeder Seite der Schublade,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen,
wenn die Halteteile parallel zur Rückwand ausgerichtete Befestigungsstege aufweisen, die in Montagelage außen an der Rückwand anliegen und über die sie mit der Rückwand verbunden, vorzugsweise verschraubt sind, und gehäuseartige Abschnitte mit je einer in Montagelage parallel zur Rückwand ausgerichteten Abschlusswand aufweisen, die in Montagelage mit der Schubladeninnenseite der Rückwand abschließt und mit je einer in Montagelage von der Stirnseite der Rückwand entfernten Seitenwand, in der sich die Befestigungslöcher befinden, in denen die Befestigungszapfen von außen einrasten;
2. der Klägerin durch Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20.03.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, Bestellzeiten und Bestellpreisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu a) Rechnungen oder Lieferscheine vorzulegen hat,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem im Antrag zu I. 2. bezeichneten Zeitpunkt begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe durch ihre Auslegung des Begriffs „Einrasten“ nichts anderes als eine „Schnappverbindung“ beschrieben, die im Unteranspruch 5 des Klagepatents ausdrücklich genannt sei. Es genüge erfindungsgemäß, wenn die Befestigungszapfen – entsprechend eingeführt in die Befestigungslöcher – diese hintergriffen und dadurch überhaupt eine formschlüssige Verbindung entstehe, durch die die Rückwand der Schublade an den übrigen Schubladenteilen mittels Halteteil und Tragteil befestigt werde. Dies könne jedenfalls auch dadurch erfolgen, dass der Befestigungszapfen hakenförmig ausgebildet sei und das Halteteil mittels seiner Öffnungen lediglich eingehängt werde. Es sei unter funktionalen Gesichtspunkten nicht zwingend, dass durch ein Einrasten in alle Richtungen eine formschlüssige Verbindung hergestellt werde. „Befestigungszapfen“ im Sinne der Lehre des Klagepatents sei ein Bauteil, das im Zusammenwirken mit den Befestigungsöffnungen eine Verbindung von Tragteil und Halteteil herstellte. „Befestigungszapfen“ seien bei der angegriffenen Ausführungsform in Gestalt der vermeintlichen „Führungselemente“ vorhanden: Das Halteteil werde formschlüssig mit dem Tragteil verbunden. Beide Bauteile befänden sich in einer durch den Befestigungszapfen und die Befestigungslöcher festgelegten Endposition. Dass das Halteteil in senkrechter Richtung nach oben abgezogen werden könne, führe nicht aus der Lehre des Klagepatentanspruchs heraus. Insbesondere rasteten die Befestigungszapfen von außen in die Befestigungslöcher ein, da sie durch die Befestigungslöcher geführt die Seitenwand hintergriffen und dadurch zu einer formschlüssigen Verbindung führten. Es sei erfindungsgemäß nicht ausgeschlossen, dass weitere Bauteile an der Befestigung von Halteteil und Tragteil mitwirkten. Wegen der Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen (Blatt 62 ff. GA).
Mit ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren: Erfindungsgemäß sei erforderlich, dass die Bauteile in alle Bewegungsrichtungen zueinander festgelegt seien, vor allem in Einschubrichtung. Das erfindungsgemäße Einrasten müsse gerade durch die Befestigungszapfen erfolgen, wobei ein Befestigungselement mit einem federelastischen Element zusammenwirken müsse – durch die „Rastbewegung“ müsse die formschlüssige Verbindung zwischen dem Befestigungszapfen und dem Befestigungsloch herbeigeführt werden. Das landgerichtliche Verständnis des Unteranspruchs 5 und die daraus gezogene Schlussfolgerung in Bezug auf das „Einrasten“ sei zumindest nicht zwingend. Die „Zapfen“ und „Löcher“ der angegriffenen Ausführungsform entfalteten keine Befestigungswirkung, und zwar weder in vertikaler – letzteres ist unstreitig – noch in horizontaler Richtung. Die Befestigungswirkung werde bei der angegriffenen Ausführungsform angesichts eines zwischen Führungshaken und Halteteil vorhandenen Spiels allein durch die seitlich angeordnete Rastklinke hervorgerufen (vgl. auch Anlage B 15). In Bezug auf die hilfsweise geltend gemachte Äquivalenz beruft sich die Beklagte hilfsweise auf den Formstein-Einwand, da die seitliche Rastklinke schon im Stand der Technik bekannt gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.06.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen;
2. hilfsweise, das angefochtene Urteil derart abzuändern, dass in der Tenor-Ziffer I.1. des landgerichtlichen Urteils im 3. Absatz vor dem Wort „Befestigungszapfen“ das Wort „hakenförmige“ eingefügt und im 3. und im letzten Absatz das Wort „einrasten“ durch „einhaken“ ersetzt wird, und dass am Ende von Ziffer I.1. die Worte „und wenn ein zusätzliches Paar von Befestigungszapfen und Befestigungslöchern vorhanden und derart ausgebildet ist, dass das Befestigungsloch von der entfernten Seitenwand in die Abschlusswand hineinreicht und der Befestigungszapfen in dieses von außen als eine am Tragteil ausgebildete Rastklinke einrastet.“ eingefügt werden, und die Beklagte mit den vorbezeichneten Änderungen entsprechend dem Tenor des angefochtenen Urteils zu verurteilen und die Berufung im übrigen zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages: Die Beklagte setze den Begriff der „Befestigung“ verfehlt mit einer starren Verbindung gleich. Der Anspruch schließe eine Beteiligung anderer Bauteile an der Befestigung (also über „Befestigungszapfen“ und „Befestigungslöcher“ hinaus) nicht aus. Ein „federndes Einschnappen“ möge zwar eine vorteilhafte Ausgestaltung eines „Einrastens“ sein, jedoch sei der Anspruch darauf nicht beschränkt. Hinsichtlich ihres erstmals im Berufungsverfahren formulierten und im Haupttermin vom 31.01.2013 ergänzten Hilfsantrages (vgl. Sitzungsprotokoll vom 31.01.2013, S. 1 f.), mit dem sie eine äquivalente Patentverletzung geltend macht, führt die Klägerin im Wesentlichen aus: Die notwendige objektive Gleichwirkung sei gegeben. Das Einhaken der Befestigungszapfen in die Befestigungslöcher bewirke eine Kupplung von Tragteil und Halteteil im Sinne einer gegenseitigen Festlegung der Bauteile. Die zusätzlich in vertikaler Richtung erforderliche Befestigung werde durch die Rastklinke der angegriffenen Ausführungsform bewirkt. Insofern sei eine Verletzung des Klagepatents jedenfalls in der Weise gegeben, dass letztlich drei Befestigungszapfen in Befestigungslöcher einrasteten und insoweit als Verbund („Triple“) die erfindungsgemäßen Vorteile erzielten. Insbesondere raste die Rastklinke auch von außen ein. Eine solche Ersatzlösung sei für den Fachmann ohne Weiteres auffindbar gewesen. Auch die erforderliche Gleichwertigkeit sei vorhanden: Beim Studium des Patentanspruchs sei dem Fachmann klar, dass es nicht auf die genaue Art bzw. Position der Befestigungselemente ankomme. Der von der Beklagten geltend gemachte Formstein-Einwand greife nicht durch, weil sich jedenfalls das bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte „Einhaken“ nicht aus dem Stand der Technik ergebe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Zu Unrecht hat das Landgericht eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents bejaht und die Beklagte deshalb zur Unterlassung, zur Auskunft und zur Rechnungslegung verurteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt. Auch die hilfsweise geltend gemachte äquivalente Patentverletzung, mit der das Landgericht sich auf der Basis seines rechtlichen Standpunktes nicht weiter auseinanderzusetzen hatte, liegt nicht vor.
I.
Das Klagepatent betrifft mit seinem Anspruch 1 einen Beschlag zur Befestigung einer Rückwand einer Schublade an Schubladenteilen wie Schubladenzargen oder Ausziehschienen einer Schublade.
In den einleitenden Bemerkungen der Klagepatentschrift ist ausgeführt, dass solche Beschläge im Stand der Technik (z.B. aus der EP-A-0 012 XXZ, Anlage B 2) bekannt seien. Die vorbekannten Beschläge verfügen über einen an einem Schubladenteil befestigbares Tragteil mit Befestigungszapfen, die ihrerseits in Aufnahmeöffnungen eines korrespondierenden Teils an jeder Seite der Schublade einrasten.
Sodann erläutert das Klagepatent, dass Schubladen im modernen Möbelbau üblicherweise komplett aus Kunststoff gespritzt würden oder aus Zargen aus Kunststoff oder Metall bestünden, die mit einer ebenfalls aus Kunststoff oder Metall hergestellten Rückwand verbunden würden. Insbesondere bei der Herstellung kleiner Serien sei es allerdings für den Möbelhersteller vorteilhaft, wenn er – mit Blick auf die Breite der Schublade – nicht auf vorgefertigte Teile zurückgreifen müsse, sondern selbst im Rahmen der Herstellung des Möbels ohne nennenswerten Aufwand Schubladen jeder beliebigen Breite herstellen könne.
Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik will das Klagepatent die (objektive) Aufgabe (das technische Problem) lösen, einen Beschlag zu schaffen, der es ermöglicht, eine Rückwand, insbesondere aus Holz oder stranggepresstem Kunststoff, die in gewünschter Länge abgeschnitten wurde, mit einer Schubladenzarge oder mit einem mit der Schubladenzarge oder einer Ausziehschiene der Schublade verbundenen Adapter in einer Schnellmontage zu verbinden.
Hierzu schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 einen Beschlag mit folgenden Merkmalen vor:
1. Beschlag zur Befestigung einer Rückwand (6, 11) einer Schublade an Schub-ladenteilen einer Schublade.
2. Der Beschlag hat
a) ein Tragteil (7) und
b) ein korrespondierendes Halteteil (5, 10).
3. Das Tragteil (7)
a) ist an einem Schubladenteil befestigbar und
b) weist Befestigungszapfen (27) auf.
4. Die Halteteile (5, 10)
a) sind an der Rückwand (6, 11) der Schublade befestigbar,
b) haben Befestigungslöcher (17) und
c) weisen Befestigungsstege (14) sowie
d) gehäuseartige Abschnitte (15) auf.
5. Die Befestigungsstege (14)
a) sind parallel zur Rückwand (6, 11) der Schublade ausgerichtet,
b) liegen in Montagelage außen an der Rückwand (6, 11) der Schublade an;
c) über die Befestigungsstege (14) sind die Halteteile (5, 10) mit der Schubladen-Rückwand (6, 11) verbunden.
6. Die gehäuseartigen Abschnitte (15) haben
a) je eine Abschlusswand (19),
– die in Montagelage parallel zur Rückwand (6, 11) der Schublade ausgerichtet ist und
– die in Montagelage mit der Schubladeninnenseite der Rückwand (6, 11) abschließt,
b) je eine Seitenwand (16),
– die in Montagelage von der Stirnseite der Schubladen-Rückwand (6, 11) entfernt ist,
– in der sich die Befestigungslöcher (17) befinden.
7. In die Befestigungslöcher (17) rasten die Befestigungszapfen (27) des Tragteils (7) an jeder Seite der Schublade von außen ein.
II.
Die angegriffene Ausführungsform macht keinen wortsinngemäßen Gebrauch von den Voraussetzungen des Merkmals 7, wonach Befestigungszapfen des Tragteils an jeder Seite der Schublade von außen in Befestigungslöcher einrasten.
1.
Vor die Frage gestellt, was klagepatentgemäße Befestigungszapfen und -löcher sind, und wie in diesem Zusammenhang erfindungsgemäß der Begriff des „Einrastens“ zu verstehen ist, stellt der Fachmann folgende technische Überlegungen an:
a)
Der patentgemäße Beschlag dient dazu, die Rückwand einer Schublade an den beiden Seitenwänden der Schublade zu befestigen. Zu diesem Zweck besitzt der Beschlag zwei korrespondierende Kupplungsteile, von denen jedes an einem der zu verbindenden Schubladenteile befestigt wird. Die Kupplungsteile sind das Tragteil (7), welches an der Seitenwand der Schublade angebracht wird, und die Halteteile (5, 10), die mit der Rückwand der Schublade verbunden werden. Tragteil (7) und Halteteile (5, 10) ihrerseits sind – gemäß der ihnen zugedachten technischen (Kupplungs-)Funktion – so ausgestaltet, dass sie miteinander gekuppelt werden können. Dies gelingt mithilfe von Befestigungszapfen (27), die am Tragteil (7) vorgesehen sind, sowie korrespondierenden Befestigungslöchern (17), die am Halteteil ausgebildet sind. Die Art der Kupplung beschreibt der Patentanspruch näher dahin, dass die Befestigungszapfen des Tragteils von außen in die Befestigungslöcher des Halteteils einrasten. Erhalten werden soll hierdurch eine schnellmontierte Schublade, die – wie dem Fachmann unmittelbar einleuchtet – denjenigen Anforderungen genügen muss, die bei der Handhabung der Schublade im Zuge der (z.B. Küchen-)Montage und bei ihrem späteren Gebrauch auftreten können. Denn der Patentanspruch will selbstverständlich eine funktionstaugliche Schublade bereitstellen.
Es sind vor allem die besagten praktischen Anforderungen, die darüber entscheiden, was der Patentanspruch mit einer „Befestigung“ der Rückwand an den Seitenwänden mittels in die Befestigungslöcher einrastender Befestigungszapfen meint. Ohne dass die Klägerin dem substantiiert widersprochen hätte, hat die Beklagte dargetan, dass sich im Rahmen der Montage die Situation ergeben kann, dass die Schublade umgedreht wird, z.B. um Schmutz aus der Schublade zu entfernen. In diesem Zusammenhang ist ferner denkbar, dass die umgedrehte Schublade im Zuge der Montagearbeiten vorübergehend abgestellt wird und dies in der Weise geschieht, dass nur auf die Rückwand eine vertikale Kraft ausgeübt wird. Weiterhin hat die Beklagte aufgezeigt, dass es bei mehreren übereinander angeordneten Schubladen zu einer Überfüllung der Schubladen kommen kann, so dass die obere Schublade durch den nach oben überstehenden Inhalt der darunter befindlichen Schublade bereichsweise angehoben wird.
All dies leuchtet ein und kann zur Folge haben, dass auf die Rückwand nicht nur horizontal (d.h. in der Ebene des Schubladenbodens) auftretende Kräfte einwirken, sondern auch vertikale Kräfte, und zwar in beiden Richtungen (nach unten durch das Gewicht des Schubladeninhalts, nach oben in den dargestellten Montage- und Benutzungsfällen). Es ist daher aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns eine technische Selbstverständlichkeit, dass die Rückwand der Schublade auch unter den geschilderten zwar besonderen, aber eben doch praktisch vorkommenden Bedingungen ihre Verbindung (Kupplung) mit den Seitenwänden der Schublade nicht verlieren darf, was wiederum verlangt, dass die miteinander im Eingriff stehenden Kupplungsteile (Befestigungszapfen, Befestigungslöcher) von Tragteil und Halteteil in keiner Richtung außer Eingriff geraten. Dementsprechend hat die Klägerin auf entsprechende Nachfrage des Vorsitzenden im Haupttermin ausdrücklich bestätigt, dass jedenfalls der Beschlag in seiner Gesamtheit eine Stabilität auch in vertikaler Richtung gewährleisten muss.
b)
Bestätigt wird dieses Verständnis durch den gattungsbildenden Stand der Technik nach der EP 0 012 XYX (Anlage B 2), aus dem die in Befestigungslöcher einrastenden Befestigungszapfen laut dem Klagepatent bekannt sind (vgl. den Oberbegriff von Patentanspruch 1 des Klagepatents sowie Absatz [0001] der Klagepatentschrift). Zwar ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass die Erfindung nicht auf die konkreten in der Anlage B 2 gezeigten „Rastnasen“ als Befestigungszapfen beschränkt ist. Wesentlich ist aber, dass sämtliche Ausführungsbeispiele dieser Druckschrift Lösungen beinhalten, bei denen die Loch-Zapfen-Rastverbindung die Rückwand und die Seitenwände der Schublade in allen Richtungen aneinander fixiert. Diesen im gewürdigten Stand der Technik bereits verwirklichten technischen Ausgangspunkt hat das Klagepatent übernommen und allein derart weiterentwickelt, dass eine in gewünschter Länge abgeschnittene Rückwand in einer Schnellmontage mit einer Schubladenzarge verbunden werden kann. Insoweit ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass die erfindungsgemäß intendierten Vorteile nicht etwa in einer Weise erzielt werden dürfen, dass erfindungsgemäß Abstriche in Bezug auf die üblichen Anforderungen genügende Stabilität einer Schublade in Kauf genommen werden dürften.
c)
Alsdann erkennt der Fachmann, dass nach der gegebenen Anspruchsfassung des Klagepatents die patentgemäßen Mittel zum Erhalt einer – wie zuvor beschrieben – geeigneten Befestigung (Kupplung) zwischen Tragteil (Seitenwand) und Halteteil (Rückwand) gerade in den Befestigungszapfen und den Befestigungslöchern, die miteinander verrasten sollen, liegen. Da der Patentanspruch diese Lösungsmittel benennt, genügt es – anders als die Klägerin und ihr folgend das Landgericht meinen – für eine Patentbenutzung nicht, dass die Befestigungszapfen und die Befestigungslöcher nur (irgendwie und untergeordnet) dazu beitragen, dass eine hinreichende Kupplung erhalten wird. Es müssen vielmehr die Zapfen und die Löcher sein, die eine – möglicherweise noch nicht optimale, aber jedenfalls technisch brauchbare – Kupplung zwischen Trag- und Halteteilen herbeiführen.
Ohne Erfolg wendet die Beklagte diesbezüglich ein, dass der Anspruch 1 es nicht ausdrücklich ausschließe, dass noch andere Mittel zu der gewünschten Befestigung beitrügen. Sie verkennt in diesem Zusammenhang, dass der Patentanspruch es zwar nicht verbietet, den Beschlag noch mit anderen Komponenten zu versehen. Jedoch gilt dies nur mit Blick auf etwaige weitergehende Vorteile, mit welchen sich die erfindungsgemäße Lehre gar nicht beschäftigt und welche sie erst recht nicht als zwingend ansieht. Demgegenüber müssen die anspruchsgemäß explizit vorgesehenen Befestigungsmittel (Befestigungszapfen und -löcher) bereits für sich allein für eine zumindest für den üblichen Gebrauch (einschließlich Montage) einer Schublade hinreichende Befestigung sorgen. Andernfalls bliebe es für den Fachmann auch völlig im Dunkeln, wie er denn – wenn nicht mit den anspruchsgemäß ausdrücklich vorgesehenen Mitteln – die zweifelsohne notwendige Befestigung erzielen sollte. Die technische Lehre des Anspruch 1 wäre dann mehr oder weniger beliebig, was nicht damit in Einklang zu bringen ist, dass der Anspruch 1 dezidiert und detailliert die erfindungsgemäße Befestigungsweise beschreibt, und dabei nicht nur die einzusetzenden Mittel, sondern auch deren Wirkungsweise („von außen einrasten“) vorgibt.
Vor diesem Hintergrund verfängt auch nicht das Argument der Klägerin, der Fachmann wisse, dass es bei jedem Beschlag zusätzlich Anschläge, Befestigungsränder, Anlageflächen, -rippen oder -kanten oder komplementäre Konturen an Halte- und Tragteil gebe, die die Fixierung der Rückwand stabilisieren. Solche Komponenten mögen die Fixierung ggf. optimieren. Gleichwohl versteht der Fachmann die technische Lehre des Klagepatents aus oben genannten Gründen unter keinen Umständen so, dass andere Bauteile als die Befestigungszapfen und die korrespondierenden Befestigungslöcher erfindungsgemäß für die Fixierung – und sei es auch nur in eine relevante Richtung – allein- oder auch bloß hauptverantwortlich sein dürften.
d)
Der Klägerin mag darin zu folgen sein, dass ein Umkehrschluss aus dem rückbezogenen Unteranspruch 5 dem Fachmann verdeutlicht, dass das „Einrasten“ nicht notwendig ein federelastisches Einschnappen verlangt. Demzufolge können vom breiteren Hauptanspruch 1 auch andere Verbindungstechniken umfasst sein, wobei z.B. ein in die Ausnehmung eines eingeschobenen Zapfens eingeführter Rastschieber in Betracht kommt. Allerdings muss auch jedwede andere Befestigungsform, um vom Fachmann als erfindungsgemäßes „Einrasten“ verstanden zu werden, zu einer solchen Kupplung von Befestigungszapfen mit Befestigungslöchern führen, die die oben genannten Wirkungen erzielt. Insofern gewährt auch der grundsätzlich richtige Umkehrschluss der Klägerin aus dem Unteranspruch 5 keinen Dispens vom Erfordernis einer in alle Richtungen zu bewirkenden Fixierung der Schubladenteile.
e)
Gegenteiliges lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin – welcher sich auch das Landgericht angeschlossen hat – nicht aus dem Ausführungsbeispiel gemäß Absatz [0011] des Klagepatents herleiten. Dort heißt es:
„Die Tragteile (7) weisen zum Inneren der Schublade gerichtete Befestigungs- zapfen (27) auf, die elastisch und vorzugsweise hakenförmig ausgeführt sind. Die Befestigungszapfen (27) weisen dabei zur Mittelebene der Schublade, die senkrecht zur Rückwand 6, 11 und senkrecht zum Schubladenboden 3 ausge- richtet ist.“
Die Worte „vorzugsweise hakenförmig“ veranlassen den Fachmann nicht zu der Annahme, dass es bezüglich der Befestigungszapfen ausreiche, dass diese auch ähnlich Bilderhaken zum Aufhängen eines Bildes ausgestaltet sein könnten, um der erfindungsgemäßen Befestigungsfunktion zu genügen. Namentlich wird der Fachmann hieraus nicht folgern, dass die Befestigungszapfen keine Befestigung in vertikaler Richtung gewährleisten müssten. Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die bevorzugte Hakenform der Befestigungszapfen gemäß oben zitierter Passage kumulativ mit einer weiteren Anforderung vorhanden ist, nämlich der Elastizität der Befestigungszapfen. Diese weitere Eigenschaft der Befestigungszapfen soll erkennbar eine Befestigung auch in vertikaler Richtung sicherstellen.
Zwar hat die Kammer grundsätzlich richtig angenommen, dass obige Passage lediglich ein Ausführungsbeispiel darstellt, auf das die allgemeine Lehre der Erfindung nicht beschränkt ist (vgl. BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe). Gleichwohl berechtigt dies nicht zu der Schlussfolgerung, es reiche erfindungsgemäß aus, wenn die Befestigungszapfen einfach nur hakenförmig (d.h. ohne gleichzeitige Elastizität oder ggf. sonstige in vertikaler Richtung wirkende Eigenschaften) ausgebildet sind. Diese Annahme verbietet sich nämlich aufgrund der oben näher erläuterten allgemeinen Anforderungen, die das Klagepatent an die „Befestigungszapfen und –löcher“ sowie an das „Einrasten“ stellt.
f)
Auf der Basis dieses fachmännischen Verständnisses von „Befestigungszapfen und -löchern“ sowie vom erfindungsgemäßen „Einrasten“ ist eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 7 durch die angegriffene Ausführungsform nicht feststellbar.
aa)
Zunächst ist festzuhalten, dass die in der oben eingeblendeten schematischen Zeichnung des Tragteils der angegriffenen Ausführungsform jeweils als „Führungselement, starr“ bezeichneten Haken (nachfolgend: „Haltehaken“) jedenfalls für sich allein betrachtet keine erfindungsgemäßen „Befestigungszapfen“ sind, die in korrespondierende Befestigungslöcher „einrasten“.
Wie zwischen den Parteien nämlich unstreitig ist, vermögen diese Haltehaken – wovon auch das Landgericht ausgegangen ist – jedenfalls nicht zu einer Befestigung in vertikaler Richtung entgegen der Einschubrichtung zu führen. Damit fehlt es aber aus den oben näher erläuterten Gründen gerade an der klagepatentgemäß intendierten Kupplung zwischen Befestigungszapfen und Befestigungslöchern, weil das Halteteil dadurch nicht entgegen seiner Einschubrichtung festgelegt wird, sondern unter geringem Kraftaufwand zurückgeschoben werden kann, wodurch es sich wieder vom Tragteil löst. Die – unstreitig – fehlende Befestigung in vertikaler Richtung lässt sich anschaulich anhand des als Anlage K 9 eingereichten Musters, bei dem die Rastklinke des Tragteils zu Demonstrationszwecken entfernt wurde, nachvollziehen.
bb)
Die angegriffene Ausführungsform ist demnach zusätzlich auf die Rastklinke angewiesen, um der zusammengesetzten Schublade auch in vertikaler Richtung Stabilität und Halt zu verleihen. Auch diese Rastklinke, welche in eine weitere Öffnung (in Anlage B 15 unten als „seitliche Öffnung“ bezeichnet) einschnappt, die sich vorwiegend in der Abschlusswand des Halteteils befindet und sich geringfügig (über Eck) in die Seitenwand hinein erstreckt, erfüllt – für sich allein – nicht die wortsinngemäßen Anforderungen des Merkmals 7.
Diesbezüglich kann dahinstehen, ob schon die Rastklinke allein nach dem Einschnappen in die korrespondierende Öffnung eine in alle Richtungen wirkende Befestigung gewährleistet. Denn der Patentanspruch 1 verlangt für jedes Tragteil mehrere Befestigungszapfen und für jedes Halteteil mehrere Befestigungslöcher. Der Anspruchswortlaut ist in dieser Hinsicht eindeutig auf mindestens zwei Befestigungszapfen und mindestens zwei korrespondierende Befestigungslöcher pro Trag- bzw. Halteteil gerichtet (siehe auch Sp. 3, Z. 29 – 32: “ … Tragteil (7), der Befestigungszapfen (27) aufweist, die in Befestigungslöchern (17) eines korrespondierenden … Halteteiles (5, 10) einrasten …“).
Diese Vorgabe eines Plurals ergibt sich auch schon aus dem Oberbegriff des Klagepatents (siehe Merkmale 3b) und 4b)). Insoweit übernimmt das Klagepatent die Lösung des Standes der Technik gemäß dem EP 0 012 XYX (Anlage B 2). Der Fachmann nimmt diese Vorgabe auch deshalb ernst, weil vorstehender Befund im allgemeinen Beschreibungstext gemäß Absatz [0005] des Klagepatents, in welchem der Kern der erfindungsgemäßen Lösung wiedergegeben ist, unterstrichen wird (Hervorhebung durch den Senat):
„Die erfindungsgemäße Aufgabe wird dadurch gelöst, dass jeder Tragteil mittels der Befestigungszapfen mit einem … Halteteil kuppelbar ist, wobei die Halteteile … einen gehäuseartigen Abschnitt aufweisen, in dessen Seitenwand sich Löcher befinden, in denen die Befestigungszapfen einrasten.“
Da die Rastklinke als solche aber (allenfalls) einen einzigen erfindungsgemäßen Befestigungszapfen pro Tragteil darstellen kann, vermag sie allein dem anspruchsgemäßen Erfordernis von mindestens zwei Befestigungszapfen pro Tragteil nicht in wortsinngemäßer Weise zu genügen.
cc)
Schließlich lässt sich eine wortsinngemäße Klagepatentverletzung auch nicht in der Weise begründen, dass man die Haltehaken nebst korrespondierenden Löchern und die seitliche Rastklinke nebst korrespondierendem, um die Ecke in die Seitenwand hineinragendem Loch als Verbund („Triple“) in den Blick nimmt und auf deren synergetische Wirkung abstellt.
Zwar gewährleisten all diese Komponenten in ihrem Zusammenwirken eine Fixierung in alle relevanten Richtungen. Gleichwohl stellt das „Triple“ aus zwei (voneinander unabhängigen) Gründen keinen erfindungsgemäßen Beschlag dar:
aaa)
Entgegen der Ansicht der Klägerin wird der betreffende Verbund aus den beiden Haltehaken und der Rastklinke nicht etwa aus drei eigenständigen, erfindungsgemäßen Befestigungszapfen gebildet.
Die Sichtweise der Klägerin entspricht schon deshalb nicht dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns, weil sie dazu führen würde, dass der Begriff des „Einrastens“ – je nach dem, um welchen (vermeintlichen) „Befestigungszapfen“ der angegriffenen Ausführungsform es geht – eine ganz unterschiedliche technische Bedeutung erhielte. Zwar mag der Klägerin noch darin zu folgen sein, dass die anspruchsgemäß vorgesehenen Befestigungszapfen unter dem Blickwinkel der Befestigungsart grundsätzlich nicht völlig typgleich sein müssen: Beispielsweise wäre es erfindungsgemäß ohne Weiteres denkbar, dass ein Befestigungszapfen vom Prinzip eines elastischen Federelements (vgl. Unteranspruch 5) Gebrauch macht, während ein anderer nach Art eines vom Hauptanspruch 1 auch umfassten Rastschiebers, der in die Ausnehmung eines Zapfens eingeschoben wird, ausgebildet ist. Die Grenze der erfindungsgemäßen Lehre wird allerdings dann überschritten, wenn einzelne an der Bildung des Beschlages beteiligte Komponenten als „in Befestigungslöcher einrastende Befestigungszapfen“ aufgefasst werden müssten, obwohl sie – für sich betrachtet – gar nicht die entsprechenden Anforderungen erfüllen. So verhält es sich jedoch hinsichtlich der beiden Haltehaken der angegriffenen Ausführungsform: Sie stellen mangels durch sie allein nicht erzielbarer Fixierung in vertikaler Richtung aus oben erläuterten Gründen keine eigenständigen, erfindungsgemäßen Befestigungszapfen dar. Sie werden es auch nicht etwa dadurch, dass die Stabilität des Beschlages als Ganzes in vertikaler Richtung durch ein weiteres Bauteil (hier: die Rastklinke) bewirkt wird. Denn jedwedes Bauteil, das ein erfindungsgemäßer „Befestigungszapfen“ sein soll, muss gemäß Merkmal 7 selbst in ein Befestigungsloch des Halteteils einrasten, mithin eine Befestigung in alle Richtungen bewirken. Anders ausgedrückt: Jedes Paar aus einem Befestigungszapfen und dem korrespondierendem Befestigungsloch muss zu einer Einrastung und dementsprechend zu einer Fixierung in allen relevanten Richtungen führen. Bei der angegriffenen Ausführungsform gibt es daher (allenfalls) einen einzigen erfindungsgemäßen Befestigungszapfen, nämlich die Rastklinke. Die Haltehaken sind hingegen aus vorgenannten Gründen keine einrastenden Befestigungszapfen.
bbb)
Davon abgesehen fehlt es mit Blick auf den Verbund aus Haltehaken und Rastklinke auch deshalb an einer wortsinngemäßen Verwirklichung des Merkmals 7, weil zwar die Rastklinke ein Befestigungszapfen sein mag, diese jedoch nicht „von außen“ einrastet. Damit erfüllt dasjenige Element der angegriffenen Ausführungsform, welches allein die zwingend erforderliche Fixierung in vertikaler Richtung zur Verfügung stellt, ein anderes notwendiges Teilmerkmal nicht.
(1)
Die Bedeutung eines Einrastens „von außen“ ergibt sich in Abgrenzung zum Stand der Technik gemäß Anlage B 2 (vgl. auch Anlage B 10). Beim Stand der Technik gemäß B2 verhält es sich so, dass vom gehäuseartigen Abschnitt (body portion 7) parallel zur Wand (nicht notwendig der Rückwand) ein Steg ragt, der nicht an der Wand 6 außen anliegt, sondern in diese eingeschoben werden muss, da sich der Befestigungszapfen 9 an der Außenseite des Steges befindet; die Seitenwand weist keine Öffnungen auf, in die Haken des Halteteils 5 von außen einrasten.
Die Klägerin hat den Anspruch 1, wie sie ihn ursprünglich zum Gegenstand des Erteilungsverfahrens gemacht hatte, in der Weise beschränkt, dass sie die genaue Position und Lage der Befestigungselemente, mit welchen die Beschläge mit der Rückwand befestigt werden, definiert hat. Daraus resultiert die erfindungsgemäße Notwendigkeit eines von außen erfolgenden Einrastens der vorbekannten Befestigungszapfen in Befestigungslöcher. Der Fachmann versteht dies so, dass die Befestigungszapfen gerade in die Seitenwand des gehäuseartigen Abschnitts eingeführt werden müssen, um so in die Befestigungslöcher einzurasten.
In diesem Zusammenhang erkennt der Fachmann, dass anspruchsgemäß schon der Vorgang des Einrastens als solcher von außen her erfolgen muss. Es genügt also nicht, dass erst die nach dem Einrasten vom Befestigungszapfen erreichte Endlage so ist, dass dieser (teilweise) in die Seitenwand ragt, während der eigentliche Einrastvorgang allein durch die Abschlusswand von statten geht. Verfehlt wendet die Klägerin dagegen ein, dass der Anspruch 1 nicht vorgebe, an welchem Ort der Befestigungszapfen angebracht ist. Selbst wenn dieser Ort nicht einmal mittelbar durch die in Merkmal 7 enthaltene Anforderung eines Einrastens von außen festgelegt sein sollte, muss gleichwohl die Bewegung des Befestigungszapfens in Abgrenzung zum Stand der Technik gerade durch die Seitenwand erfolgen. Es reicht demnach nicht aus, wenn die Endposition des (durch die Abschlusswand) eingeführten Befestigungszapfens letztlich auch eine Fixierung in vertikaler Richtung bewirkt, indem er (auch) in die Seitenwand hineinragt, weil das korrespondierende Befestigungsloch um die (durch die Seiten- und die Abschlusswand gebildete) Ecke verläuft.
(2)
Selbst wenn man unterstellt, vorstehende Auslegung sei zu eng, ließe sich gleichwohl kein Einrasten der Rastklinke „von außen“ feststellen. Betrachtet man in diesem Zusammenhang nämlich das als Anlage B 1 vorliegende Muster der angegriffenen Ausführungsform, so lässt sich gerade nicht feststellen, dass die Endposition der eingerasteten Rastklinke so verläuft, dass diese sich zumindest teilweise auch im auf die Seitenwand entfallenden Teil der maßgeblichen Öffnung befindet. Jedenfalls ist die betreffende „Überlappung“ derart minimal, dass nahezu die gesamte Rastklinke über demjenigen Teil des Loches liegt, der sich in der Abschlusswand befindet, weshalb kein Einrasten „von außen“ konstatiert werden kann.
Ob mit Blick auf das im Haupttermin überreichte Muster gemäß Anlage K 10 Anderes zu gelten hätte, kann offen bleiben. Die Beklagte hat der Verwertung dieses Musters, welches in der Türkei hergestellt und nicht in Deutschland vertrieben wurde, widersprochen, ohne dass die Klägerin Beweis dafür angetreten hätte, dass es mit der in Deutschland angebotenen angegriffenen Ausführungsform im hier interessierenden Zusammenhang übereinstimme.
III.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie eine äquivalente Patentverletzung geltend macht, ist unbegründet.
1.
Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein: Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anzustellen hat, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch kumulativ erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot von Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 2002, 515, 516 f – Schneidmesser I; 2007, 959, Rn 24 – Pumpeneinrichtung; 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV).
2.
Keines der vom Hilfsantrag der Klägerin umfassten Ersatzmittel erfüllt alle drei Voraussetzungen:
a)
Die beiden Haltehaken sind bereits nicht gleichwirkend. Gleichwirkend ist nur eine Lösung, die nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube; GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; GRUR 2011, 313 – Crimpwerkzeug IV).
Weil – wie oben bei der Prüfung einer wortsinngemäßen Verletzung näher ausgeführt – die beiden Haltehaken des Tragteils im Zusammenwirken mit den Löchern in der Seitenwand des Halteteils zu keiner verrasteten Kupplung zwischen Trag- und Halteteilen führen, stellen sie zugleich auch kein gleichwirkendes Ersatzmittel dar.
b)
Auch die Rastklinke allein oder der oben bereits angesprochene Verbund aus Rastklinke plus den beiden Haltehaken stellen jeweils keine patentrechtlich äquivalenten Ersatzmittel dar.
Diesbezüglich können die Fragen der Gleichwirkung und des Naheliegens dahinstehen, weil es jedenfalls am Erfordernis der Gleichwertigkeit fehlt. Die bei der angegriffenen Ausführungsform abgewandelten Mittel waren nicht aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, für den Fachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse auffindbar. Erforderlich ist dafür, dass sich seine Überlegungen am Patentanspruch orientieren, wobei sich aus einer objektiven Betrachtung des Patentes eine engere Anspruchsfassung ergeben kann, als dies nach dem technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre. Der Patentanmelder ist an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil). Es reicht auch nicht aus, die Gleichwertigkeit isoliert für das abgewandelte Mittel festzustellen; vielmehr muss die angegriffene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH, GRUR 2007, 959 – Pumpeneinrichtung).
Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden: Die erfindungsgemäße Lehre zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass nicht eine beliebige Verrastung von Befestigungszapfen und Befestigungslöchern gelehrt und beansprucht wird, sondern eine ganz spezielle Variante, bei der die Befestigungszapfen des Tragteils von außen in die korrespondierenden Befestigungslöcher des Halteteils einrasten. Diesen konstruktiven Weg verlässt die angegriffene Ausführungsform vollständig, indem bei ihr die einen Eingriff von außen gestattenden Haken nicht zu einer patentgemäßen Befestigung führen, die eine relative Beweglichkeit von Trag- und Halteteil in allen Richtungen unterbindet, und hierfür ein zusätzliches (drittes) Bauteil (Rastklinke) vorgesehen ist, das seinerseits nicht von außen einrastet. Den nach dem Klagepatent maßgeblichen Kupplungsteilen wird ihre entscheidende Wirksamkeit genommen und das dadurch entstandene Wirkungsdefizit wird anschließend durch (ebenfalls der erfindungsgemäßen Lehre nicht genügende) Zusatzmaßnahmen ausgeglichen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) besteht nicht. Die vorliegende Rechtssache wirft als reine Einzelfallentscheidung weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung noch solche auf, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht erfordern.