2 U 24/13 – Drospirenon

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2099

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. September 2013, Az. 2 U 24/13

Vorinstanz: 4a O 191/12

I. Die Berufung gegen das am 23. April 2013 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 2.500.000,- € festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Die Antragstellerin und Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 1 149 XXX (Verfügungspatent) betreffend ein Verfahren zur Herstellung von Drospirenon. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Antragsgegnerinnen und Verfügungsbeklagten auf Unterlassung der gewerblichen Nutzung sowie Sequestration der angegriffenen Erzeugnisse in Anspruch.

Das Verfügungspatent ist eine Teilanmeldung zu dem europäischen Patent 0 918 XXY, das am 11. August 1997 unter Inanspruchnahme einer deutschen Unionspriorität vom 12. August 1996 angemeldet worden ist; der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatentes ist am 7. Januar 2009 mit folgenden Ansprüchen veröffentlicht worden:

1.
Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17 α-pregn-4ene-21, 17-carbolactone, DRSP) durch Wasserabspaltung aus 6β, 7β, 15β, 16β-dimenthylen-5β-hydroxsy-3-oxo-17α-androstan-21, 17-carbolacton durch Zugabe einer Säure oder Lewissäure.

2.
Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die anschließende Wasserabspaltung durch Zugabe von p-Toluosulfonsäure stattfindet.

3.
Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die anschließende Wasserabspaltung durch Zugabe von halbkonzentrierter Salzsäure stattfindet.

Auf einen Einspruch gegen die Erteilung des Verfügungspatentes hat die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes die Sache nach mündlicher Verhandlung vom 17. Oktober 2012 an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Schutzrecht mit folgendem hier geltend gemachten Anspruch und daran angepasster Beschreibung aufrechtzuerhalten:

Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17 α-pregn-4ene-21, 17-carbolactone, DRSP) durch Wasserabspaltung aus 6β, 7β, 15β, 16β-dimenthylen-5β-hydroxsy-3-oxo-17α-androstan-21, 17-carbolacton durch Zugabe von p-Toluosulfonsäure zu 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5β-hydroxy-3-oxo 17α-androstan-21, 17-carbolacton.

Bei der Herstellung der angegriffenen Kontrazeptiva der Verfügungsbeklagten „B“, „C“ und „D 3 mg/0,2 mg Filmtabletten“ wird zum Zwecke der Wasserabspaltung anstelle der im Patentanspruch genannten p-Toluolsulfonsäure (nachfolgend auch: p-TSA) Pyridin/Wasser eingesetzt.

Die Verfügungsklägerin sieht darin eine Verwirklichung der unter Schutz gestellten technischen Lehre mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Der in den angegriffenen Verhütungsmitteln enthaltene Wirkstoff stelle ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis des patentgemäßen Verfahrens dar, was zu ihren Gunsten einen derivativen Sachschutz nach § 9 Nr. 3 PatG begründe.

Mit Urteil vom 23. April 2013 hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Verfügungsklägerin ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Begehren weiter.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und es den Verfügungsbeklagten unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu insgesamt 2 Jahren, zu untersagen,

Arzneimittel mit Drospirenon 6β, 7β, 15β, 16β-Dimethylene-3-oxo-17a-pregn-4-ene-21, 17-carbolacton, DRSP, unmittelbar hergestellt durch Wasserabspaltung aus 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5 β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21, 17-carbolacton durch Zugabe von Pyridin und Wasser zu 6ß, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5 β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21, 17-carbolacton

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

den Verfügungsbeklagten aufzugeben, sämtliche in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, in Ziff. I. beschriebenen Erzeugnisse auf ihre Kosten zum Zweck der Verwahrung an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben, wobei die Verwahrung andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist,

hilfsweise,

es den Verfügungsbeklagten unter Androhung der vorbezeichneten Ordnungsmittel zu untersagen, die vorbezeichneten Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Zugabe erst im Anschluss an die Herstellung von 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5 β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21, 17-carbolacton erfolgt,

sowie den Verfügungsbeklagten aufzugeben, sämtliche in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen vorbeschriebenen Erzeugnisse unter den im Hauptantrag genannten Modalitäten an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die Berufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Ausführungen der Verfügungsklägerin unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen und das Bestehen eines Verfügungsanspruches mangels Verletzung des Verfügungspatentes durch das Herstellungsverfahren der angegriffenen Produkte verneint.

A.

Das Verfügungspatent schützt ein Verfahren zur Herstellung von Drospirenon.

1.
Die Patentbeschreibung führt aus, Drospirenon sei als steroidaler Wirkstoff – etwa aus der deutschen Patentschrift 26 52 761 und der deutschen Patentanmeldung 30 22 XXZ – bekannt. Die letzten vier Schritte zu seiner Herstellung werden herkömmlicherweise im sogenannten Eintopfverfahren ausgeführt. Der diesbezügliche Reaktionsablauf wird durch das nachstehende Schema erläutert („altes Betriebsverfahren“):

Er zeichnet sich durch folgende – des besseren Verständnisses wegen stichwortartig aufgelistete – Verfahrensschritte aus:

– Hydrieren von Dimethylenpropinol zu Dimethylenpropanol (Abs. [0004]);

– Oxidation des Dimethylenpropanols bei 40° C unter Anwesenheit von Pyridiniumdichromat (PDC = saure Chromverbindung) (Abs. [0005]);

der Einsatz von PDC hat dabei zur Folge, dass es nicht nur zu einer Oxidation des Propanols kommt (Ergebnis: 5ß-OH-DRSP = Hydroxy-Drospirenon), sondern in Bezug auf das erhaltene 5ß-OH-DRSP gleichzeitig eine (unerwünschte) Wasserabspaltung stattfindet (Ergebnis: DRSP); als Oxidationsprodukt wird somit ein Gemisch aus DRSP (Wasserabspaltung von 5ß-OH-DRSP) und 5ß-OH-DRSP (keine Wasserabspaltung) erhalten, wobei 5ß-OH-DRSP im Allgemeinen die Hauptkomponente mit wechselnden Anteilen im Verhältnis 2 : 1 bis 3 : 1 (= 25 % – 33 % DRSP-Anteil) darstellt (Abs. [0006]);

– Zugabe von halbkonzentrierter Salzsäure (HCl) zur Vervollständigung der Wasserabspaltung bzgl. des 5ß-OH-DRSP, damit DRSP erhalten wird (Abs. [0006]).

DRSP kann durch Säureeinwirkung in (nutzlose) Nebenprodukte zersetzt werden, was die Ausbeute an DRSP schmälert (Abs. [0007]). Die Zersetzung findet statt zu einem Teil in epimeres Isolacton, zu einem anderen Teil in ein Ringöffnungsprodukt der 6,7-Methylengruppe (Abs. [0015], [0016]). Beides geschieht während der Oxidation des Propanols, die infolge gleichzeitiger Wasserabspaltung – gleichsam zum falschen Zeitpunkt – DRSP entstehen lässt, welches sodann dem schädlichen Zersetzungsangriff des sauren PDC ausgesetzt ist (Abs. [0015], [0016]).

Vor dem aufgezeigten Hintergrund liegt dem Verfügungspatent die Aufgabe zugrunde, ein neues Herstellungsverfahren für Drospirenon bereitzustellen, das eine bessere Ausbeute ermöglicht (Abs. [0009]).

Zur Lösung dieses technischen Problems sieht der aufrechterhaltene Verfügungspatentanspruch 1 folgende Merkmalskombination vor:

1. Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-3-oxo-17a-pregn-4-ene-21,17-carbolacton = DRSP).

2. Das Verfahren umfasst folgenden Schritt:

a) Wasserabspaltung aus 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21,17-carbolacton (= 5ß-OH-DRSP)

b) durch Zugabe von p-Toluolsulfonsäure (= p-TSA) zu 5ß-OH-DRSP.

2.
Der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Anspruchsfassung entnimmt der Durchschnittsfachmann, dass die im Verfügungspatent unter Schutz gestellte technische Lehre durch Zugabe von p-Toluolsulfonsäure zu 5β-OH-DRSP ausgeführt werden soll. Die Zugabe von p-TSA ist die einzige konkrete Anweisung an den Fachmann, die der Anspruch zur Verfahrensführung enthält. Die zu verwendende p-Toluolsulfonsäure hat als starke Säure die Aufgabe, die gewünschte Reaktion – nämlich die Wasserabspaltung aus dem Alkohol 5-β-OH-DRSP – zu beschleunigen, und wirkt somit als Katalysator (vgl. Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes, Entscheidung vom 17. Oktober 2012, S. 15, Abschnitt 5.2.2).

Entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin ist Kern der Erfindung weder die Zweistufigkeit des DRSP-Herstellungsverfahrens durch Abtrennung des Oxidationsschritts von demjenigen der Wasserabspaltung unter Verzicht auf Pyridiniumdichromat (PDC) noch die Selektivität der Reaktion, also die gezielte Herstellung von 5β-OH-DRSP vor der Wasserabspaltung (vgl. Technische Beschwerdekammer, a.a.O., S. 16, Abschnitt 6). Der aufrecht erhaltene Patentanspruch, der die maßgebliche Grundlage für die Ermittlung der unter Schutz gestellten technischen Lehre bildet (Art. 69 EPÜ), erwähnt diese Zweistufigkeit nicht und auch die Patentbeschreibung besagt nur, dass das in der Stammanmeldung – dem europäischen Patent 0 918 XXY – beschriebene Verfahren, welches in der Tat zweistufig ausgestaltet ist, eine bevorzugte Möglichkeit darstellt, das benötigte und vom Patentanspruch vorausgesetzte Zwischenprodukt Hydroxy-Drospirenon (5-β-OH-DRSP) herzustellen. Auf welche Weise dieser Stoff jedoch im konkreten Einzelfall gewonnen und bereit gestellt wird, ist nicht Gegenstand des aufrechterhaltenen Patentanspruchs, sondern wird offen gelassen und somit in das Belieben des Fachmanns gestellt. Soweit die Verfügungspatentbeschreibung eine Oxidation in Gegenwart eines Rutheniumsalzes in 5β-OH-DRSP und eine anschließende Wasserabspaltung erwähnt (Abs. [0011]), gehört diese Aussage ebenso wie die Ausführungen im vorausgehenden Abs. [0010] ausschließlich zur Beschreibung des aus der Stammanmeldung bekannten Verfahrens (ähnlich Rechtbank Den Haag, Urteil vom 19. Juni 2013, Übersetzung Ziffer 4.15). Von seiner Lehre grenzt sich das Verfügungspatent mit der Aussage ab, die von ihm unter Schutz gestellte Erfindung beinhalte (nur) die Wassereliminierung von 5β-OH-DRSP zu Drospirenon gemäß Anspruch (Abs. [0012] und [0010]). Der damit in Bezug genommene Patentanspruch erfasst nach seiner Formulierung nicht jede beliebige Art der Wasserabspaltung, sondern schreibt zwingend p-TSA als Katalysemittel vor, obwohl die Patentbeschreibung auch andere Möglichkeiten aufzeigt, indem sie darauf hinweist, die β-OH-Funktion in 5β-OH-DRSP sei labil gegenüber Säuren und basischen Verbindungen, und in diesem Zusammenhang auch Pyridiniumdichromat (PDC) erwähnt (Abs. [0004] bis [0008]).

Soweit die Rechtbank Den Haag in ihrem Urteil vom 19. Juni 2013 ausgeführt hat, Kern der im Verfügungspatent unter Schutz gestellten Erfindung sei es, den Oxidationsschritt und den Wassereliminierungsschritt voneinander zu trennen und letzteren als einen gesonderten Schritt auszuführen (Übersetzung Ziffern 4.15, 4.16, 4.21 und 4.26), bringt dies nur zum Ausdruck, dass der Schritt der Wassereliminierung mit der Zugabe des Abspaltungsmediums p-TSA eingeleitet wird (a.a.O., Ziffer 4.21 a.E.), was nicht besagt, dass die Wasserabspaltung erst eingeleitet werden darf, wenn der Oxidationsschritt vollständig beendet ist. Insbesondere hat es das niederländische Gericht in seinem Urteil nicht für bedeutungslos erklärt, dass nach der Lehre des aufrechterhaltenen Patentanspruchs zur Wasserabspaltung p-TSA verwendet werden muss.

Das Verfügungspatent setzt in Anbetracht dessen nicht voraus, dass im Zeitpunkt der Zugabe von p-TSA zum Zwecke der Wasserabspaltung ausschließlich 5β-OH-DRSP und keinerlei reines DRSP vorhanden ist, sondern lässt auch Gemische beider Komponenten zu. Der Patentanspruch verhält sich ausweislich seines Wortlauts lediglich dazu, dass die Zugabe des Mittels zur Wasserfällung „zu 5ß-OH-DRSP“ geschieht. Das verlangt, dass im Zeitpunkt der Zugabe der p-Tulouolsulfonsäure 5ß-OH-DRSP vorhanden ist, was eine gleichzeitige Anwesenheit anderer chemischer Verbindungen, insbesondere DRSP, nicht notwendigerweise ausschließt. Folgerichtig befasst sich der Patentanspruch auch nicht näher mit den Einzelheiten der Oxidation und ihrem Resultat. Er setzt eine vorangegangene Oxidation bloß in dem Sinne voraus, dass sie zur Bildung von 5ß-OH-DRSP als dem notwendigen Ausgangsstoff der patentgemäßen Verfahrensweise zur Wasserabspaltung geführt hat. Ob infolge der Oxidation sonst noch Stoffe entstanden sind, überlässt der Anspruch dem Belieben des Fachmanns. Die Anweisung des Patentanspruchs, p-Toluolsulfonsäure zum Zwecke der Wasserabspaltung „zu 5ß-OH-DRSP“ hinzuzufügen, versteht der Fachmann dementsprechend im Sinne einer zeitlichen Vorgabe dahingehend, dass die Zugabe des Abspaltungsmittels nicht schon zu Beginn der Oxidation erfolgen soll (wenn überhaupt noch kein 5ß-OH-DRSP vorhanden ist), sondern erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Oxidation 5ß-OH-DRSP bereits in bedeutsamen Mengen hervorgebracht hat. Die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes hat den Sachverhalt genauso beurteilt (a.a.O., S. 22):

„Andererseits enthält der … vorveröffentlichte Stand der Technik keinen Hinweis darauf, dass DRSP mit p-Toluolsulfonsäure zu unerwünschten Nebenprodukten reagieren könnte. Daher hätte der Fachmann, wenn er trotzdem p-Toluolsulfonsäure verwendet hätte, keine Veranlassung gehabt, sie erst dann zuzugeben, wenn merkliche Mengen an 5ß-OH-DRSP entstanden sind, wie der vorliegende Anspruch fordert. Vielmehr wäre es ihm einfacher erschienen, p-Toluolsulfonsäure gleichzeitig mit dem Oxidationsmittel zuzugeben.“

Eine Zweistufigkeit der Verfahrensführung ergibt sich insofern lediglich daraus, dass das Mittel zur Wasserabspaltung (p-TSA) nicht bereits mit der Initiierung der Oxidationsreaktion zugesetzt werden darf, sondern erst später hinzugegeben werden muss, wenn so viel 5-β-OH-DRSP vorhanden ist, dass die Zugabe von p-Toluolsulfonsäure zu einer Wasserabspaltung und zur Herstellung von Drospirenon führen kann. Das zur Wasserabspaltung benötigte 5β-OH-DRSP kann dabei auch aus dem in der Verfügungspatentschrift als Stand der Technik beschriebenen Eintopf-Verfahren stammen, bei dem über einen längeren Zeitraum hinweg mehrere Reaktionen neben- und nacheinander – teilweise auch ungeordnet – verlaufen und durch Oxidation von Dimethylenpropanol unter Einsatz von Pyridindichromat ein Gemisch entsteht, das neben 5-β-OH-DRSP auch bereits Drospirenon aufweist. Der Fachmann weiß, dass die reaktionsbeschleunigende Wirkung von p-Toluolsulfonsäure unabhängig von den Verfahrensbedingungen ist, auch wenn diese Verfahrensbedingungen ebenfalls die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen können (vgl. Technische Beschwerdekammer, a.a.O., S. 15, Abschnitt 5.2.2).

Erst recht kann der Kern der Erfindung angesichts der eindeutigen Formulierung des geltenden Patentanspruchs nicht in der Wahl der Temperatur für die Wasser-eleminierung bestehen; hierzu enthält der Anspruch keinerlei Angaben.

B.

Von der vorstehend beschriebenen technischen Lehre macht das zur Herstellung der angegriffenen Präparate benutzte Verfahren keinen Gebrauch.

Streitig ist im Berufungsverfahren das Merkmal (2b) der obigen Merkmalsgliederung, wobei sich die Parteien – wie schon in erster Instanz – mit Recht darin einig sind, dass eine wortsinngemäße Verwirklichung nicht vorliegt, weil zur Wasserabspaltung statt der im Anspruch genannten p-Toluolsulfonsäure ein Gemisch aus Pyridin und Wasser eingesetzt wird. Diese Abwandlung ist entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin allerdings auch kein patentrechtlich äquivalentes Ersatzmittel für die im Anspruchswortlaut geforderte p-Toluolsulfonsäure.

1.
Zwar mögen zugunsten der Verfügungsklägerin die objektive Gleichwirkung und das Naheliegen des Austauschmittels zu bejahen sein.

a)
Der von der Verletzungsform eingesetzte Katalysator (Pyridin/Wasser) ist objektiv gleichwirkend zu dem im Patentanspruch genannten Mittel (p-TSA), wenn er die gleiche von dem Schutzrecht erstrebte Wirkung zur Lösung des zugrunde liegenden Problems entfaltet. Diese Wirkübereinstimmung bezieht sich nicht ausschließlich auf ein bestimmtes oder einige bestimmte Merkmale. Es ist gleichzeitig der geschützte Gegenstand als Ganzes zu berücksichtigen (BGH, GRUR 1983, 497 – Absetzvorrichtung; BGH, GRUR 2000, 1005, 1006 – Bratgeschirr). Es kommt mithin darauf an, dass sich – Erstens – trotz der gegebenen Abwandlung vom Wortsinn des Patentanspruchs (zumindest im Wesentlichen) diejenigen Wirkungen einstellen, die mit der patentgemäßen Lehre in ihrer Gesamtheit angestrebt werden, und es ist – Zweitens – erforderlich, dass darüber hinaus auch speziell diejenigen Vorteile realisiert werden, die von der Erfindung dem ausgetauschten wortsinngemäßen Mittel zugedacht sind (BGH, GRUR 2012, 1122 – Palettenbehälter III). Die von dem Schutzrecht im Zusammenhang mit dem fraglichen Merkmal intendierte Wirkung zur Lösung des zugrunde gelegten Problems ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Außer Betracht zu bleiben haben solche Effekte, die zwar mit der Verwendung des im Wortsinn des Patentanspruchs liegenden Mittels objektiv verbunden sein mögen, denen das Patent jedoch keine Beachtung schenkt, weil ihnen im Kontext der erfindungsgemäßen Lehre keine Bedeutung zukommt (BGH, GRUR 2012, 45 – Diglycidverbindung). Ist Gegenstand des Patents – wie hier – ein Verfahren, so genügt eine bloße Übereinstimmung im Verfahrensergebnis noch nicht. Gleichwirkend ist ein Ersatzmittel vielmehr nur dann, wenn bei dem angegriffenen Verfahren darüber hinaus auch von dem für die unter Schutz gestellte Lehre maßgebenden technischen Gedanken Gebrauch gemacht wird. Eine Gleichwirkung ist deshalb zu verneinen, wenn der mit dem angegriffenen Verfahren beschrittene Lösungsweg von dem im Patent unter Schutz gestellten Lösungsweg so weit entfernt ist, dass er nicht mehr als dessen Verwirklichung anzusehen ist.
Dies vorausgeschickt, mag die Gleichwirkung hier zu bejahen sein. Aufgabe der p-Toluolsulfonsäure bei Durchführung des patentgemäßen Verfahrens ist es, von dem als Ausgangsstoff der Verfahrensführung dienenden 5ß-OH-DRSP Wasser abzuspalten, um DRSP zu erhalten. Die besagte katalytische Funktion der p-Toluol-suflonsäure – Abspaltung von Wasser aus 5ß-OH-DRSP – erschließt sich dem Fachmann bereits mit aller Deutlichkeit aus dem Anspruchswortlaut. Andere Aufgaben und Wirkungen hat die p-Toluolsulfonsäure erfindungsgemäß nicht. Wie die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (a.a.O., S. 15) ausdrücklich bestätigt hat, handelt es sich bei 5ß-OH-DRSP um einen Alkohol, bei dem die Wasserabspaltung zur Ausbildung einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppel-bindung führt, wobei es allgemeines Wissen des Fachmanns ist, dass diese Reaktion durch starke Säuren wie p-Toluolsulfonsäure beschleunigt (katalysiert) wird.

b)
Weil die p-Toluolsulfonsäure die geschilderte Abspaltung von Wasser aus 5ß-OH-DRSP forcieren soll und ihr darüber hinaus keine weiteren, sonstigen Funktionen zugewiesen sind, wird sich der Fachmann bei der Suche nach einer etwaigen Alternativlösung die Frage stellen, ob die Wasserabspaltung von 5ß-OH-DRSP und die dadurch bedingte Bildung von DRSP nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift eine Spezialität der im Patentanspruch benannten p-Toluolsulfonsäure ist oder ob sie sich in gleicher Weise auch bei anderen ihm bekannten Säuren und/oder Basen einstellt. Im Hinblick auf die Zwecke der Erfindung ist es dabei ohne Belang, ob die chemischen Abläufe bei der Wasserabspaltung exakt dieselben sind. Da es für den technischen Erfolg des Klagepatents allein darauf ankommt, dass im Ergebnis (auf welche mechanistische Weise auch immer) Wasser von 5ß-OH-DRSP abgespalten (und damit das gewünschte DRSP erhalten) wird, kommt es einzig darauf an, ob der Durchschnittsfachmann bei Lektüre des Patentanspruchs und der ihn erläuternden Beschreibung ausschließlich p-Toluolsulfonsäure als geeignetes Wasserabspaltungsmittel für 5ß-OH-DRSP ansieht oder ob er dieselbe Fähigkeit und Wirksamkeit im Grundsatz auch anderen Säuren und/oder Basen zuschreibt.

Letzteres ist der Fall. Es mag sein, dass der Fachmann bei dem einen oder anderen Abspaltungsmittel im Unklaren über den genauen Abspaltungsmechanismus ist, und dies mag insbesondere auf Pyridin/Wasser zutreffen. Ausweislich der von der Verfügungsklägerin überreichten Nachweise (eidesstattliche Versicherungen von Prof. Ottenheijm) gehörte es jedoch zum allgemeinen Grundlagenwissen des Fachmanns, dass prinzipiell jede Säure und jede Base zur Wasserabspaltung in der Lage ist, namentlich wenn es sich wie bei 5ß-OH-DRSP um einen Alkohol mit einer Carbonylgruppe handelt. Zu gewährleisten ist zwar, dass das eingesetzte Abspaltungsmittel DRSP nicht zersetzt, was sich jedoch durch einen simplen Test leicht verifizieren lässt. In Übereinstimmung mit diesem allgemeinen Fachwissen stellt auch die Patentschrift nirgends die spezielle Eignung gerade von p-Toluol-sulfonsäure heraus, sondern benennt die Säure lapidar als ein geeignetes Mittel zur Wasserabspaltung nach erfolgter Oxidation zu 5ß-OH-DRSP.

2.
Einer Einbeziehung des angegriffenen Verfahrens in den Schutzbereich des Ver-fügungspatents steht jedoch entgegen, dass der Fachmann das ausgetauschte Mittel (Pyridin/Wasser = basische Verbindung) nicht in naheliegender Weise als gleichwirkenden Ersatz für die im Patentanspruch als Wasserabspaltungsmittel benannte p-Toluolsulfonsäure auffinden konnte, wenn er seine Überlegungen an der technischen Lehre orientiert hat, die ihm der Patentanspruch gibt. Es ist insofern nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens die abgewandelte Lehre (Verwendung von Pyridin/Wasser) als technisch sinnvoll und in gleicher Weise zielführend wie die im Patentanspruch formulierte Lehre (Wasserabspaltung mittels p-TSA) erkennt. Es reicht auch nicht aus, die Gleichwertigkeit isoliert für das abgewandelte Mittel festzustellen; vielmehr muss die angegriffene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH, GRUR 2007, 959 – Pumpeneinrichtung). Bei allem ist der Patentinhaber an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil). Die vom Patent gegebene technische Lehre muss von ihm als sinnhaft hingenommen und darf bei der Suche nach einem gleichwirkenden Ersatzmittel in ihrer sachlichen Berechtigung nicht infrage gestellt werden. Die Gleichwertigkeit eines Austauschmittels muss deswegen verneint werden, wenn der Fachmann mit seiner Benutzung das Gegenteil von dem unternimmt, was ihn der Patentanspruch – sei es objektiv zu Recht oder objektiv zu Unrecht – nun einmal lehrt. Verlangt das Klagepatent z.B. eine symmetrische Ausgestaltung, ist eine asymmetrische Ausbildung nicht gleichwertig, selbst wenn der Fachmann keinen rechten Sinn in der Forderung erkennen kann, die Anordnung symmetrisch zu treffen. Sieht das Klagepatent vor, zwei Bauteile der geschützten Vorrichtung mittels einer Schraubverbindung aneinander zu befestigen, so können unter Umständen eine Rast- oder eine Klipsverbindung, weil sie konstruktiv andere Arten der lösbaren Verbindung darstellen, als gleichwertige Austauschmittel anzusehen sein; jede unlösbare (z.B. einstückige) Ausgestaltung der mittels Schrauben (lösbar) zu verbindenden Bauteile setzt sich jedoch in Widerspruch zu der technischen Lehre des Klagepatents und ist deswegen als nicht mehr gleichwertig zu beurteilen.

Genau so liegt der Fall auch hier.

a)
Nach den Anweisungen des Verfügungspatents soll die Wasserabspaltung von 5ß-OH-DRSP durch die Zugabe einer katalytischen chemischen Verbindung zu Hy-droxy-Drospirenon (und nicht etwa durch die Anwendung bestimmter Temperaturen oder dergleichen Verfahrensmaßnahmen) erfolgen. Bereits der erteilte Patentanspruch hat sich insoweit auf eine ganz bestimmte „Stoffklasse“, nämlich auf Säuren festgelegt. Daran lassen die erteilten Ansprüche und auch die Beschreibung keinerlei Zweifel; sie befassen sich ausschließlich mit sauren Wasserabspaltungsmitteln und nicht mit Basen (vgl. erteilte Fassung, Ansprüche 1 bis 3 und Abs. [0012], [0013] und [0022]). Basische Verbindungen werden – wie in der geänderten Patentschrift – nur im Rahmen der Beschreibung des vorbekannten Eintopfverfahrens (und somit außerhalb der erfindungsgemäßen Lehre) erwähnt (vgl. erteilte Fassung, Abs. [0003] und [0005]). Unabhängig davon, anhand welcher genauen Parameter Säuren und Basen zu definieren und voneinander zu unterscheiden sind, ist für den Fachmann jedenfalls eines gewiss, nämlich dass es sich um zwei übergeordnete Stoffkategorien handelt, die den Kreis potenzieller Katalysatoren umfassend abdecken, weil jede denkbare katalytische Verbindung für die Wasserabspaltung von 5ß-OH-DRSP entweder der einen (Säure) oder der anderen (Base) Kategorie angehört. Präparate, die weder saure noch basische Eigenschaften besitzen, kommen auch nach dem Begriffsverständnis des Verfügungspatents nicht in Betracht. Die Verfügungspatentschrift bringt dies deutlich zum Ausdruck, indem sie – wie bereits erwähnt – auf die Labilität von 5-β-OH-DRSP gegenüber Säuren und basischen Bedingungen hinweist, ohne andere, dritte (weder saure noch basische) Bedingungen zu erwähnen. Das auch im Verständnis des Verfügungspatents gegebene Begriff-Gegensatzpaar (Säuren/Basen) zwingt zu der Erkenntnis, dass mit der erfolgten Aufnahme nur der einen (Säuren) von prinzipiell zwei möglichen Stoffkategorien (Säuren und Basen) in den Patentanspruch die andere, einzig mögliche alternative Stoffkategorie (Basen) als Lösungsvariante der Erfindung ausgeschlossen ist. Bereits für die erteilte Fassung gilt daher, dass der Fachmann, nachdem basische wasserabspaltende Substanzen im Stand der Technik als gegensätzlich, aber geeignet erwähnt werden, im Rahmen der erfindungsgemäßen Lösung jedoch nicht aufgegriffen sind, davon ausgehen muss, dass das Verfügungspatent Schutz nur für die Wasserabspaltung durch Zugabe von Säuren, nicht aber für die Katalyse unter Verwendung basischer Substanzen beansprucht. Das schließt eine Erstreckung des Schutzbereichs auf basische Abspaltungsmittel aus, weil ihr Einsatz die vom Patentanspruch getroffene Auswahl zugunsten saurer und gegen basische Katalysatoren ignoriert.

b)
Raum für eine erweiternde Schutzbereichsbestimmung ist vorliegend umso weniger, als der erteilte Patentanspruch 1 ursprünglich allgemein auf die „Zugabe einer Säure oder Lewissäure“ und lediglich in einer besonders bevorzugten Ausführungsform (Unteranspruch 2) auf die „Zugabe von p-Toluolsulfonsäure“ gerichtet war, und das Klagepatent im Einspruchsbeschwerdeverfahren auf p-Toluolsulfonsäure beschränkt worden ist. Aus dem geschilderten Ergebnis des Rechtsbestandsverfahrens folgt im Gegenteil ein weiterer Ausschluss – nämlich aller anderen Säuren außer p-TSA – aus dem Schutzbereich des Verfügungspatents.

In der Entscheidung „Okklusionsvorrichtung“ (GRUR 2011, 701, 740 Tz. 25) hat der BGH bereits in Erwägung gezogen, aus einer dem Klagepatent zugrunde liegenden und weiter als das erteilte Patent gefassten Offenlegungsschrift beschränkende Rückschlüsse auf den Schutzbereich des späteren Patents zu ziehen. Dem mag mit Skepsis zu begegnen sein, weil es sich bei der Offenlegungsschrift im Grunde genommen um nichts anderes als einen öffentlich zugänglichen Teil der Erteilungsakte handelt, welcher nach der gesetzlichen Regelung in Art. 69 EPÜ – mithin aus Rechtsgründen – keine Relevanz für die Patentauslegung zukommt (Kühnen, GRUR 2012, 664). Vorliegend geht es indessen um einen Vergleich zwischen erteilter und beschränkt aufrechterhaltener (sogar neu veröffentlichter) Anspruchsfassung, d.h. um die Heranziehung von Unterlagen, die Art. 69 EPÜ als Auslegungs- und Interpretationsmaterial für das Verständnis des Patents zulässt. Ein Abgleich zwischen ursprünglicher und geänderter Patentschrift ist mit Rücksicht darauf – was der BGH (a.a.O.) ebenfalls bereits erwogen hat – nicht nur statthaft, sondern auch geboten. Weil das Verletzungsgericht an den Erteilungsakt – und damit auch an dessen weiteres Schicksal im Rechtsbestandsverfahren – gebunden ist, darf eine dort vorgenommene Beschränkung des Patents durch Schutzbereichserwägungen nicht wieder rückgängig gemacht werden. Das ist trivial für solche Merkmale, die im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren zusätzlich in den Patentanspruch aufgenommen worden sind und die als Folge dessen ebenfalls verwirklicht sein müssen, damit nach dem Ausgang des Rechtsbestandsverfahrens noch von einer Patentverletzung ausgegangen werden kann. Eine Schutzbereichsbestimmung, die in der Sache auf das beschränkende Merkmal verzichtet, ist deshalb nicht zulässig. Wird im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren ein ursprünglich generischer Begriff des Patentanspruchs (hier: Zugabe einer Säure oder Lewissäure) auf ein einzelnes Mitglied der generischen Gattung (hier: Zugabe von p-Toluolsulfonsäure) zurückgeführt, so liegt auch hierin eine – bloß andere – Art der Beschränkung des Patents, die mithin gleichfalls vom Verletzungsgericht hinzunehmen und bei seiner Schutzbereichsbestimmung zu beachten ist. Dies kann grundsätzlich nur in der Weise geschehen, dass jede Auslegung der Anspruchsmerkmale und jede anderweitige Schutzbereichsbestimmung unterbleibt, die dazu führt, dass das Patent auf solche Lösungsvarianten erstreckt wird, die im Rechtsbestandsverfahren aus dem Patentanspruch entfernt worden sind.

Im vorstehenden Zusammenhang spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen die Beschränkung des Klagepatents erfolgt ist; vielmehr ist bei der Bestimmung von dessen Schutzbereich dem Umstand der Beschränkung an sich Rechnung zu tragen. Dementsprechend hat es für die Beurteilung des Streitfalles auch keine Bedeutung, dass die Reduzierung des Patentanspruchs auf ein einziges Wasserabspaltungsmittel (p-Toluolsulfonsäure) nicht darauf beruht, dass p-Toluol-sulfonsäure die einzige chemische Verbindung gewesen ist, die für den besagten Zweck noch nicht vorbekannt oder nahegelegt war, während alle anderen Säuren ihre Streichung aus dem Patentanspruch dem Umstand verdanken, dass sie für die Wasserabspaltung aus 5ß-OH-DRSP entweder nicht neu oder nicht erfinderisch gewesen sind, sondern dass die Begrenzung des Patentanspruchs auf p-Toluolsul-fonsäure vielmehr der Tatsache geschuldet ist, dass dem Fachmann im Text der Ursprungsanmeldung lediglich p-Toluolsulfonsäure als Wasserabspaltungsmittel hinreichend (unmittelbar und eindeutig) offenbart ist, so dass sich auch nur eine auf diese Substanz beschränkte Anspruchsfassung als gewährbar erwiesen hat. Weil die Beschränkung und deren Umfang als solche den Ausschlag geben, dürfen alle diejenigen Ausführungsformen nicht mehr in den Schutzbereich des Patents einbezogen werden, die im Rechtsbestandsverfahren – aus welchen Gründen auch immer – auf der Strecke geblieben sind. Dass dem so sein muss, folgt bereits aus dem Umstand, dass die in eine vergleichende Betrachtung einzubeziehenden Patentschriften regelmäßig keinen Aufschluss über die Gründe für die erfolgte Patentbeschränkung geben und der Rechtsverkehr, der die Weite des Patentschutzes aus Gründen der Rechtssicherheit verlässlich beurteilen können muss, deswegen mit der schlichten Tatsache konfrontiert ist, dass das zunächst weitergehende generische Anspruchsmerkmal im Nachhinein auf eine einzige Ausführungsform zurückgeführt worden ist. Diesem Tatbestand darf berechtigterweise entnommen werden, dass alle übrigen, ursprünglich ebenfalls beanspruchten, aber nachträglich aus dem Patentanspruch gestrichenen Ausführungsvarianten eben keinen Patentschutz mehr genießen sollen. Insoweit geht es nicht nur um den durch den Wortsinn umrissenen Schutzbereich des Patents, sondern um den Schutz des Wettbewerbs vor jedweder Inanspruchnahme aus dem eingeschränkten Patent. Dieses darf deshalb auch unter Äquivalenzgesichtspunkten nicht auf etwas ausgedehnt werden, was im Rechtsbestandsverfahren als nicht gewährbar aus dem Patent entfernt worden ist. Erst recht geht es nicht an, den Schutzbereich auf basische Verbindungen zu erstrecken, die nicht einmal im erteilten Patentanspruch aufscheinen.

c)
Dass in Belgien und in der Schweiz mit dieser Frage befasste Gerichte teilweise zu anderen Ergebnissen gekommen sind und die Äquivalenz bejaht haben, veranlasst keine andere Sichtweise als vorstehend dargelegt. Das Urteil des Berufungsgerichts in Brüssel vom 25. März 2013, welches die Äquivalenz als gegeben betrachtet hat, geht im Wesentlichen darauf zurück, dass zu Unrecht die einzige konkrete Anweisung, p-TSA zu 5β-OH-DRSP hinzuzufügen, um die Wasserabspaltung zu katalysieren, nicht zum Kern der schutzbeanspruchten technischen Lehre des Verfügungspatentes gezählt worden ist (Übersetzung S. 49 Abs. 1). Mit dem Verlauf des Einspruchsverfahrens setzt sich das Gericht in Brüssel nicht auseinander. Dass das Schweizer Bundespatentgericht in seinem Urteil vom 21. März 2013 (S. 25 f., Abs. 18.3) die Äquivalenz bejaht hat, beruht darauf, dass lediglich auf die technische Gleichwirkung und das Naheliegen eines Ersatzes einer Säure durch eine Base abgestellt und damit der Primat der Patentansprüche zu gering bewertet worden ist.

Das niederländische Gericht in Den Haag hat in seinem Urteil vom 24. Januar 2013 (Übersetzung S. 13 und 14, Ziffer 4.12 und 4.13) das Vorliegen einer äquivalenten Schutzrechtsverletzung im Ergebnis zu Recht verneint; es hat insbesondere auf das Gebot der Rechtssicherheit hingewiesen und dazu ausgeführt, wenn der Fachmann nach Ansicht der Verfügungsklägerin wisse, die Wasserabspaltung von 5β-OH-DRSP könne sowohl mit Säuren als auch mit Basen erfolgen, weil 5β-OH-DRSP unter Einwirkung beider sehr labil sei (Verfügungspatentschrift Abs. [0005] und [0013]), der Inhaber sich aber dennoch dafür entscheide, ausschließlich die Wasserabspaltung unter Säureeinwirkung zu beanspruchen, dürften Dritte grundsätzlich davon ausgehen, dass sich der Schutzbereich des Patentes offensichtlich hierauf beschränke und die Abspaltung mit Hilfe einer Base nicht umfasse.

III.

Da die Berufung der Verfügungsklägerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.