Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Juli 2006, Az. 4b O 28/06
Rechtsmittelinstanz: 2 U 93/06
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Vermehrungsmaterial der Kartoffelsorte „A“ ohne Zustimmung der Klägerin zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen oder zu einem der vorstehend genannten Zwecke aufzubewahren, es sei denn, die vorgenannte Handlung
(1) erfolgt
(1.1) im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken (Art. 15 lit. a) GemSortV);
(1.2) zu Versuchszwecken, die sich auf die geschützte Sort beziehen (Art. 15 lit. b) GemSortV)
(1.3) zur Züchtung, Entdeckung und Entwicklung anderer Sorten (Art. 15 lit. c) GemSortV);
oder
(2) stellt eine Handlung gemäß Art. 13 Abs. 2, 3 und 4 GemSortV mit gemäß Art. 15 lit. c) GemSortV gezüchteten Sorten dar;
(3) stellt eine Handlung dar, deren Verbot gegen Art. 13 Abs. 8, Art. 14 oder Art. 29 GemSortV verstoßen würde
oder
(4) erstreckt sich auf Vermehrungsmaterial, für das der Sortenschutz erschöpft ist (Art. 16 GemSortV).
2.
an die Klägerin € 387,80 zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p.a. hierauf seit dem 23.02.2006 zu zahlen;
3.
Rechnung über die seit dem 01.01.2005 begangenen Sortenschutzverletzungen an der Kartoffelsorte „A“ zu legen, und der Klägerin hinsichtlich des Verkaufs die Namen und Anschriften der Abnehmer sowie die Menge des erzeugten, verkauften und ausgelieferten Materials dieser Sorte zu nennen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer 1. und 2. bezeichneten Handlungen entstanden ist und weiter entstehen wird.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Saatzuchtunternehmen, ist unter anderem Inhaberin der nach europäischem Sortenschutzrecht geschützten Kartoffelsorte „A“. Die Beklagte ist Landwirtin; sie betreibt den landwirtschaftlichen Betrieb am X-Weg in Herford.
In der Zeitschrift „Land und Forst“, Ausgabe Nr. 11, vom 17.03.2005 fand sich die als Anlage K 1 vorgelegte Anzeige mit folgendem Inhalt:
„Pflanzkartoffeln im Nachbau, Sorte A, abzugeben, 10 € /50 kg.
Tel. 0 52 21/6 39 35 (1290850)“
Am 18.03.2005 wählte Herr B als Testkäufer der Klägerin die in der Anzeige aufgeführte Telefonnummer und erreichte die Beklagte, welche ihm bestätigte, Pflanzgut der Kartoffelsorte „A“ sei vorhanden. Der Preis betrage 10,00 EUR/ztr. Drei Tage später führten Herr B und die Beklagte ein weiteres Gespräch bezüglich der Kartoffeln, in dem auch der 29.03.2005 als Abholtermin ausgemacht wurde.
Am 29.03.2005 suchte Herr B den landwirtschaftlichen Betrieb der Beklagten auf und erwarb 10,00 dt Pflanzengut der Kartoffelsorte „A“, wofür er insgesamt 200,00 EUR entrichtete. Bei der Übergabe war Herr C, der ebenfalls auf dem landwirtschaftlichen Betrieb am X-Weg wohnt, zugegen und half beim Verladen der Kartoffeln. Die Beklagte stellte über die von Herrn B geleistete Zahlung eine Quittung (Anlage K 2) aus.
Mit Schreiben vom 18.10.2005 und 30.11.2005 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadenersatz und Rechnungslegung auf (Anlage K 3). Die Beklagte erfüllte diese Forderungen nicht.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Sortenschutzverletzung auf Unterlassung, Schadenersatz und Rechnungslegung in Anspruch.
Die Klägerin beantragt,
wie zuerkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Passivlegitimation. Sie behauptet, sie habe weder die Anzeige aufgegeben noch die Kartoffeln verkauft. Dies habe beides ohne ihr Wissen und Wollen vielmehr Herr C getan. Da ihr Einzelheiten nicht bekannt gewesen seien, könne sie auch keine Angaben dazu machen, ob es sich tatsächlich um Kartoffeln der Marke „A“ gehandelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht sowie Schadenersatz nebst Zinsen gemäß Art. 94 Abs. 1 lit. a) GemSortV, §§ 37 b SortG i. V. m. § 259 BGB, Art. 94 Abs. 2 GemSortV und §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB zu.
I.
Die Beklagte bot in der Anzeige der Zeitschrift „Land und Forst“, Ausgabe Nr. 11, vom 17.03.2005 die geschützte Kartoffelsorte „A“ zum Verkauf an und verkaufte 10,00 dt. Pflanzgut dieser Kartoffelsorte am 29.03.2005 an Herrn Bs zu einem Preis von insgesamt 200,00 EUR. Sie ist passiv legitimiert.
Soweit sie einwendet, sie habe weder die Anzeige aufgegeben noch sei sie Verkäuferin der Kartoffeln, tatsächlich sei Herr C für beides verantwortlich, bleibt dies ohne Erfolg. Es handelt sich um reine Schutzbehauptungen.
Die Beklagte ist unstreitig Inhaberin des landwirtschaftlichen Betriebs, während Herr C lediglich (auch) dort wohnt und mithilft, nicht hingegen die dortige Landwirtschaft eigenständig betreibt. Dem Anzeigentext ist jedoch zu entnehmen, dass „Pflanzkartoffeln im Nachbau“ zum Verkauf angeboten werden. Nachbau setzt die Erzeugung im eigenen Betrieb voraus. Selbst erzeugte Kartoffeln kann nur derjenige verkaufen, der über entsprechende Flächen bzw. einen landwirtschaftlichen Betrieb verfügt.
Dass die in der Anzeige angegebene Telefonnummer unstreitig zum Anschluss des Herrn C gehört, ist unbeachtlich. Unstreitig erreichte Herr B unter diesem Telefonanschluss die Beklagte, welche – nach dem gleichfalls unbestritten gebliebenen Vortrag – sich keineswegs verwundert zeigte, sondern über die Anzeige und den Verkauf der Kartoffeln Bescheid wusste. Sie gab sowohl an, dass die angebotenen Kartoffeln vorhanden sind, als auch zu welchem Preis sie zu verkaufen sind. Irgendein Vorbehalt oder Hinweis darauf, dass die Beklagte hierbei nicht in eigenem Namen, sondern für Herrn Fese handelte, ist dem Parteivortrag nicht zu entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Anzeige ohne ihr Wissen und Wollen aufgegeben wurde, sind gleichfalls weder zu erkennen noch vorgetragen.
Darüber hinaus spricht auch das weitere Auftreten und Verhalten der Beklagten vor und am 29.03.2005 dafür, dass sie selbst Anbietende und Verkäuferin war. Die Klägerin hat zum weiteren Verlauf des Geschehens dargelegt, dass die Beklagte stets die Ansprechpartnerin des Herrn B und die Handelnde war. Mit ihr wurde der Abholtermin vereinbart, sie nahm Herrn B in Empfang, zeigte ihm die Kartoffeln, koordinierte die Verladung der Waren, nahm den Kaufpreis entgegen und unterzeichnete schließlich die Quittung vom 29.03.2005. Herr C hingegen hat lediglich beim Verladen der Kartoffeln geholfen. Dieser substantiierten Darstellung der Klägerin ist die Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten. Ohne das konkrete Geschehen im Einzelnen zu bestreiten und/oder dem Vortrag der Klägerin substantiiert einen eigenen Geschehensablauf entgegen zu stellen, beschränkt sie sich auf ein schlichtes Bestreiten.
In Anbetracht dieser Umstände ist die Beklagte als Anbietende und Verkäuferin anzusehen.
Soweit die Beklagte des Weiteren vorbringt, sie könne keine Angaben dazu machen, ob es sich tatsächlich um Kartoffeln der Marke „A“ gehandelt haben, ist auch dieses Bestreiten unsubstantiiert und damit unerheblich. In der Anzeige ist die geschützte Sorte „A“ genannt, ebenso in der Quittung.
Soweit in dem an die Kammer adressierten Schreiben des Herrn C vom 18.06.2006 zum Teil ein anderer Geschehensablauf geschildert ist, ist dies unbeachtlich. Herr C ist weder Partei dieses Rechtsstreits noch hat, der Beklagtenvertreter, dem in der mündlichen Verhandlung am 20.06.2006 das Schreiben zur Kenntnisnahme vorgelegt wurde, erklärt, die Beklagte mache sich das dortige Vorbringen zu Eigen. Zum Inhalt dieses Schreibens wurden keine Erklärungen abgegeben.
II.
Nach Art. 13 Abs. 2 GemSortV steht das Recht, Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte zu erzeugen, für Vermehrungszwecke aufzubereiten, zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen sowie einem der vorstehend genannten Zwecke aufzubewahren, ausschließlich dem Sortenschutzinhaber zu. Dies ist vorliegend die Klägerin.
Aufgrund der durch sie begangenen Sortenschutzverletzung ist die Beklagte der Klägerin gegenüber gemäß Art. 94 Abs. 1 lit. a GemSortV zur Unterlassung der Verletzung verpflichtet. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die bereits begangene Sortenschutzrechtsverletzung indiziert.
Die Beklagte ist infolge der – unstreitig – schuldhaften Verletzung des Sortenschutzes des weiteren gemäß Art. 94 Abs. 2 GemSortV verpflichtet, der Klägerin Schadenersatz zu leisten. Geltend gemacht werden kann insoweit der Verletzergewinn, so dass der Klägerin hiernach unstreitig ein Schadenersatz in Höhe von 120,00 EUR zusteht.
Hinzu tritt ein unstreitiger Schadenersatzanspruch wegen Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 1, 2 i. V. m. 286 BGB. Die Beklagte hat die der Klägerin entstandenen Kosten der außergerichtlichen Inanspruchnahme in Höhe von 267,80 EUR zu erstatten, da sie trotz Fälligkeit und wiederholter Aufforderung durch Schreiben vom 18.10.2005 und 30.11.2005 keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat.
Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die Sortenschutzverletzung ein weiterer Schaden entstanden ist, der von ihr noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus Art. 94 Abs. 2 GemSortV i. V. m. §§ 242, 259 BGB.
6
III.
Der Zinsanspruch folgt ab dem 23.02.2006 aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.
V.
Der Streitwert wird auf 7.887,80 € festgesetzt.