Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. November 2006, Az. 4b O 346/05
I. Die Bekl. werden verurteilt, es zu unterlassen,
1. DLT-Tapes, DVD-R`s und/oder Master mit codierten Bilddaten eines Bilddecodierverfahrens zum Decodieren eines codierten Bildsignals,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
2. Stamper mit codierten Bilddaten eines Bilddecodierverfahrens zum Decodieren eines codierten Bildsignals,
in der Bundesrepublik Deutschland zu gebrauchen oder zu dem genannten Zweck zu besitzen,
das in einem Codiervorgang durch Codieren von Bilddaten, zusammengesetzt aus Vollbildern, erzeugt worden ist, wobei jedes Vollbild zwei Halbbilder umfasst, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
o Extrahieren eines Signals von dem codierten Bildsignal, wobei das extrahierte Signal anzeigt,
ob die Vollbilder des codierten Bildsignals durch eine Vollbild-Einheit-Codierung durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des Vollbilds codiert worden ist, wobei jedes aus Pixeln beider der zwei Halbbilder zusammengesetzt wird, die in dem Vollbild umfasst sind, und Codieren jedes der kleinen Blöcke des Vollbilds,
oder codiert durch eine Halbbild-Einheit-Codierung durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des ersten Halbbilds, wobei jeder aus Pixeln von nur einem der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind, und in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des zweiten Halbbilds, wobei jeder aus Pixeln von nur dem anderen der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind, und Codieren jedes kleinen Blockes des ersten und zweiten Halbbilds,
o Decodieren jedes Vollbilds des codierten Bildsignals auf einer Basis Vollbild für Vollbild oder auf einer Basis Halbbild für Halbbild in Abhängigkeit des extrahierten Signals.
II. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehende Unterlassungsgebot wird den Bekl. die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Bekl. zu 1 an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist.
III. Die Bekl. werden weiterhin verurteilt, der Kl. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Bekl.)
1. DLT-Tapes, DVD-R`s und/oder Master der unter Ziffer I.1. bezeichneten Art
a) seit dem 10.11.2001 gebraucht oder zum Zwecke des Gebrauchs entweder eingeführt oder besessen haben,
b) seit dem 31.12.2001 angeboten oder in Verkehr gebracht haben,
2. Stamper der unter Ziffer I.2. bezeichneten Art seit dem 10.11.2001 gebraucht oder zum Zwecke des Gebrauchs besessen haben,
und zwar unter Angabe
aa) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
bb) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
cc) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
dd) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
ee) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
w o b e i
o hinsichtlich der unter 1.a) und 2. bezeichneten Handlungen nur die Angaben zu aa), dd) und ee) zu machen sind,
o den Bekl. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Kl. einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Bekl. dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Kl. auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.
IV. Es wird festgestellt, dass die Bekl. verpflichtet sind, der Kl. allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer III. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
V. Die Bekl. werden verurteilt, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend unter I. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten.
VI. Die weitergehenden Klagen werden abgewiesen.
VII. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kl. zu 5 % und die Bekl. zu 95 %.
VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kl. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 2.500.000,– € und für die Bekl. gegen Sicherheitsleistung von 4.000,– €.
IX. Der Streitwert wird auf 2.500.000,– € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Die Kl. ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer japanischen Unionspriorität vom 25.11.1992 am 15.11.1993 angemeldeten europäischen Patents X (im Folgenden: Klagepatent), dessen Erteilung am 10.10.2001 veröffentlicht worden ist. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benannt.
Das in englischer Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent trägt die Bezeichnung „Verfahren und Gerät zur Bildkodierung und Verfahren und Gerät zur Bilddekodierung“. Patentanspruch 11, der im Rechtsstreit allein interessiert, lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
„Bilddecodierverfahren zum Decodieren eines codierten Bildsignals, das in einem Codiervorgang durch Codieren von Bilddaten, zusammengesetzt aus Vollbildern, erzeugt worden ist, wobei jedes Vollbild zwei Halbbilder umfasst, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
Extrahieren eines Signals von dem codierten Bildsignal, wobei das extrahierte Signal anzeigt, ob die Vollbilder des codierten Bildsignals durch eine Vollbild-Einheit-Codierung durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des Vollbilds codiert worden ist, wobei jedes aus Pixeln beider der zwei Halbbilder zusammengesetzt wird, die in dem Vollbild umfasst sind, und Codieren jedes der kleinen Blöcke des Vollbilds, oder codiert durch eine Halbbild-Einheit-Codierung durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des ersten Halbbilds, wobei jeder aus Pixeln von nur einem der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind, und in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des zweiten Halbbilds, wobei jeder aus Pixeln von nur dem anderen der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind, und Codieren jedes kleinen Blocks des ersten und zweiten Halbbilds, und Decodieren jedes Vollbilds des codierten Bildsignals auf einer Basis Vollbild für Vollbild oder auf einer Basis Halbbild für Halbbild in Abhängigkeit des extrahierten Signals.“
Die Bekl. zu 1, deren Geschäftsführer die Bekl. zu 2 und 3) sind, ist ein weltweit tätiges, auf die industrielle Fertigung optischer Speichermedien und ihren Vertrieb spezialisiertes Unternehmen. In ihrem Presswerk, das zu den größten in Europa zählt, stellte sie im Jahre 2005 insgesamt 672.600.000 Disc`s, darunter 220.000.000 DVD`s, her.
Zur Produktion benötigt und verwendet die Bekl. zu 1 eine Pressvorlage, die als „DLT-Tape“, „DVD-R“ oder „Master“ bezeichnet wird. Angefertigt werden diese Vorlagen von sogenannten Authoring-Studios, die von den Kunden der Bekl. zu 1 – vielfach in analoger Form – Filmmaterial bzw. Videodaten sowie sonstige Daten, Designs und Software erhalten, die auf den zu pressenden DVD`s enthalten sein sollen. Die Authoring-Studios codieren die Rohdaten des aufgezeichneten Videofilms, formatieren die codierten Daten in ein DVD-Format und stellen damit die für die DVD-Serienproduktion notwendigen Pressvorlagen her. Nach Erhalt eines „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ oder „Masters“ fertigt die Bekl. zu 1 zunächst einen „Glassmaster“ an, aus dem anschließend ein „Stamper“ (= Stempel) herstellt wird. Mit Hilfe dieses „Stampers“, der ähnlich einer Matrize lediglich eine Negativabbildung der Dateninhalte der „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ oder „Master“ ist, werden die Dateninhalte der ursprünglichen Vorlage in einer automatischen Pressanlage unverändert in Kunststoffscheiben eingeprägt, die als DVD`s aus dem Produktionsprozess hervorgehen und nach Auslieferung an die Kunden der Bekl. zu 1 z.B. in den Handel gelangen oder als Beilage in Zeitschriften („Covermounts“) verwendet werden. Die DVD`s können auf handelsüblichen DVD-Playern abgespielt werden.
Zu den Authoring-Studios gehört die X, welche im Jahre 2001 von X, ihrem heutigen alleinigen geschäftsführenden Vorstand, gegründet wurde. Seit Mitte 2004 hält die Bekl. zu 1 insgesamt 51 % der Aktien; der Bekl. zu 2 ist ihr Aufsichtsratsvorsitzender. Die X bietet an und erbringt Leistungen des Authorings und der Digitalisierung bis hin zur Herstellung eines „Masters“, wobei sie u.a. den MPEG 2-Standard verwendet. Darüber hinaus vermittelt sie als unabhängiger Broker Aufträge zur Pressung optischer Speichermedien an verschiedene Presswerke.
Die X ist Eigentümerin der Domain-Adressen X und X. Die Bekl. zu 1 besitzt die Internet-Domain X. Wegen des genauen Inhalts der Internetauftritte wird auf die zu den Akten gereichten Auszüge verwiesen. Am 19.07.2005 sandte die Firma Xan die Adresse X eine Anfrage zur Erstellung eines Angebots über die Herstellung einer DVD 5 bzw. DVD 9 in einer Stückzahl von 500, wobei sie angab, dass das DVD-Master von ihr auf DLT-Tape geliefert werden könne. Drei Tage später erhielt die X- ohne vorherige Mitteilung über eine Weiterleitung – von X ein Angebot (Nr. 200507086). Nach dessen Annahme versandte die X am 29.07.2005 eine Auftragsbestätigung und am selben Tag sowie am 5.08.2005 Rechnungen. Die Auslieferung und die Ausstellung des Lieferscheins vom 31.08.2005 nahm die Bekl. zu 1 vor. Die Kl. folgert aus der Internetgestaltung sowie dem Bestellvorgang der Firma Artmedia, dass zwischen der Bekl. zu 1 und der X eine mittäterschaftliche Arbeitsteilung bestehe.
Da das Codierverfahren des Klagepatents zum MPEG 2-Standard gehöre, welcher nicht nur von der X, sondern ganz überwiegend auch von den anderen Authoring-Studios angewandt werde, sei – so meint die Kl. – nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass bei der Erstellung der Pressvorlagen, die die Bekl. zu 1 für ihre Geschäftstätigkeit benutze, vielfach auch das patentgemäße Verfahren angewandt worden sei. Die rekursive Struktur des MPEG 2-Standards erfordere, dass bereits bei der Codierung von P- und B-Bildern das Referenzbild decodiert werde, um anhand von dessen Bilddaten eine Berechnung des (P- oder B-)Differenzbildes vorzunehmen. Die im Zusammenhang mit der Codierung hervorgebrachten „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“, „Master“ und „Stamper“ stellten unmittelbare Verfahrenserzeugnisse dar, auf die sich die patentrechtlichen Verbietungsrechte nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG ebenfalls bezögen.
Aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung nimmt die Kl. die Bekl. vorliegend auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Vernichtung in Anspruch.
Die Kl. beantragt – sinngemäß -, es zu unterlassen,
DLT-Tapes, DVD-R#und##180;s, Master und/oder Stamper mit Bilddaten, die unter Anwendung des in Anspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten Verfahrens codiert wurden, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen und/oder zu besitzen.
Darüber hinaus begehrt die Kl. in Bezug auf die besagten Handlungen/Erzeugnisse für die Zeit seit dem 10.11.2001 Rechnungslegung und Schadenersatz sowie schließlich Vernichtung.
Wegen der genauen Antragsfassung wird auf die Klageschrift vom 14.07.2005 (GA I 3-5) Bezug genommen.
Die Bekl. beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreiten ihre Passivlegitimation. Das Authoring biete die Bekl. zu 1 weder an noch führe sie ein solches durch. Pressvorlagen stelle sie unstreitig nicht her. Sie verwende lediglich „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und sonstige „Master“ ihrer Kunden. Auf die Gestaltung und Anordnung der Dateien und insbesondere das dabei verwendete Codierverfahren habe sie keinerlei Einfluss; sie habe auch keine Kenntnisse von der jeweiligen „Entstehungsgeschichte“ der ihr übergebenen „Master“. Eine Einzelfallprüfung sei ihr angesichts der vielfältigen Codierverfahren nicht zumutbar. Die „Stamper“ verwende die Bekl. zu 1 ausschließlich für interne Zwecke, nämlich dazu, die in Auftrag gegebenen DVD`s zu reproduzieren. Ein Anbieten oder Inverkehrbringen scheide insofern aus. Das gelte auch mit Blick auf das Geschäftsfeld der X, deren Aktivitäten der Bekl. zu 1 weder auf Grund der gesellschafts- bzw. aktienrechtlichen Verknüpfungen noch auf Grund der Internetwerbung zugerechnet werden könne.
Die Bekl. sind des weiteren der Ansicht, dass die angegriffenen Gegenstände („DLT-Tapes“, „DVD-R#und##180;s“, „Master“ und/oder „Stamper“) keine unmittelbaren Erzeugnisse eines Herstellungsverfahrens i.S. von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG seien, und berufen sich unter Hinweis auf Art. 82 EG, §§ 19, 20 GWB ferner auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand. Insoweit sind sie der Auffassung, dass weder der von der MPEG LA LLC (als zentraler Lizenzagentur für sämtliche Schutzrechte des MPEG 2-Standards) angebotene Standard-Lizenzvertrag noch das im Rechtsstreit abgegebene Einzellizenzangebot der Kl. vom 19.10.2005 angemessen und diskriminierungsfrei sei. Statt dessen beziehen sich die Bekl. auf eigene Lizenzangebote, wegen deren genauen Inhalts auf die Schriftsätze vom 16.03.2006 (S. 44-46, GA I, 221-223) und 17.08.2006 (S. 82-84, GA II 451-453) Bezug genommen wird. Die Bekl. sehen etwaige Verbietungsrechte der Kl. als erschöpft an, weil die Videodaten z.B. von der X mit Hilfe eines Encoders codiert würden, dessen Hersteller Lizenznehmer der MPEG LA LLC sei, und erheben die Verjährungseinrede. In der abgestimmten Klageserie mehrerer Patentinhaber des MPEG 2-Pools, die insgesamt 15 in separaten Klagen verhandelte Patente zum Gegenstand habe, sehen die Bekl. schließlich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Bilddecodierung, und insbesondere ein Verfahren zur Bilddecodierung, das zum Übertragen und Aufzeichnen digitaler Bilder effektiv ist.
Ausgehend von der ähnlichkeit aufeinanderfolgender Bilder beruht die Datenkompression auf dem Prinzip, nicht jedes Videobild mit seiner gesamten Datenmenge zu übertragen, sondern Einzelbilder im Bildstrom zur Kompression anderer, ihm ähnlicher Bilder heranzuziehen. Dieses als „interframe-dropping“ bezeichnete Verfahren basiert auf drei Kategorien von Bildtypen, die verschiedene Codierungsverfahren verwenden und einen variierenden Komprimierungsgrad aufweisen. Zu unterscheiden sind intrarahmen-codierte Bilder (I-Bilder) von interrahmen-codierten Bildern, wobei letztere wiederum P-Bilder oder B-Bilder sein können. I-Bilder stellen Referenzbilder für die von ihnen abhängigen P- und B-Bilder dar. Sie werden unter Verwendung von Informationen nur von sich selbst codiert und stellen Zugriffspunkte auf die codierte Sequenz bereit, an denen die Decodierung beginnen kann. Ihre Kompression ist gering. P-Bilder sind demgegenüber solche, die in Anwendung bewegungskompensierter Prädiktion von einem vergangenen Referenzvollbild oder -teilbild, und zwar einem I- oder einem P-Bild, codiert sind. Sie ermöglichen im Vergleich zu I-Bildern eine deutlich höhere Kompressionsrate und werden im Allgemeinen als Referenz für weitere Prädiktion verwendet. B-Bilder schließlich sind unter Verwendung bewegungskompensierter Prädiktion aus einem bzw. mehreren vergangenen und/oder zukünftigen Referenzvollbildern codiert. Sie liefern – wegen ihres Rückgriffs auf mehrere Referenzbilder – den höchsten Kompressionsgrad.
Bei der bewegungskompensierten Prädiktion wird die Größe einer Bewegung (ein Bewegungsvektor) zwischen einem Eingangsbild und einem Vergleichsbild ermittelt und vom Eingangsbild das Vorhersagebild subtrahiert, das durch den Bewegungsvektor als Vergleichsbild verschoben wurde. Dieser Fehlerwert und der Bewegungsvektor werden codiert.
Die aufeinander Bezug nehmenden Bilder sind in einer Gruppe (Sequenz) zusammengefasst, welcher eine weitere Gruppe (Sequenz) – wiederum bestehend aus I-, P- und/oder B-Bildern – folgt, usw. Da bei der Datenverarbeitung im Zusammenhang mit dem Videosignal eine unterschiedliche Bearbeitung von I-Bildern einerseits und von B- und P-Bildern andererseits erfolgt, sind die jeweiligen dazugehörigen Daten in besonderer Weise gekennzeichnet, um ein intrarahmen-codiertes Bild (I-Bild) von einem interrahmen-codierten Bild (P- oder B-Bild) unterscheiden zu können.
Prinzipiell ist eine Art Rasterung vorgesehen, bei der die Bilder in 8 x 8 Bildpunkte umfassende Blöcke unterteilt werden. Der Inhalt der Bildblöcke wird zusammenhängend übermittelt; im Gegensatz zum Fernsehbild erfolgt also keine zeilenweise Übertragung.
Im Stand der Technik war es bekannt, die Bewegung zwischen zwei Bildern zu ermitteln und für jeden einzelnen Block des Bildes zu entscheiden, ob dieser (bei Nichtvorliegen einer Bewegung) als Vollbild-Einheit oder (bei Vorliegen einer Bewegung) als Halbbild-Einheit codiert und mit einem die gewählte Codierungsart anzeigenden Signal versehen wird.
Dem Klagepatent liegt – ausgehend hiervon – die Aufgabe zugrunde, eine effektive Codierung zu ermöglichen.
Zu diesem Zweck schlägt Patentanspruch 1 ein Codierverfahren vor, bei dem auf Grund der Ermittlung der Bewegung zwischen zwei Bildern durch Beurteilung anhand eines zuvor festgelegten Maßstabes entschieden wird, ob das Bild als Vollbild-Einheit oder als Halbbild-Einheit codiert wird. Dabei wird die Entscheidung über die Codierungsart nicht Block für Block, sondern einheitlich für das gesamte zu codierende Bild getroffen. Anschließend wird das codierte Bildsignal mit einem Signal versehen, das die Art der vorgenommenen Codierung – Vollbild für Vollbild oder Halbbild für Halbbild – anzeigt. In Ergänzung zu dieser technischen Lehre stellt das Klagepatent in seinem – für den Rechtsstreit maßgeblichen – Nebenanspruch 11 ein (reziprokes) Decodierverfahren unter Schutz, das sich durch folgende Merkmale auszeichnet:
(1) Bilddecodierverfahren zum Decodieren eines codierten Bildsignals.
(2) Das codierte Bildsignal ist in einem Codiervorgang durch Codieren von Bilddaten erzeugt worden.
(3) Die Bilddaten sind aus Vollbildern zusammengesetzt, wobei jedes Vollbild zwei Halbbilder umfasst.
(4) Das Bilddecodierverfahren weist die folgenden Schritte auf:
(a) Extrahieren eines Signals von dem codierten Bildsignal;
(b) Decodieren jedes Vollbilds des codierten Bildsignals
o auf einer Basis Vollbild für Vollbild oder auf einer Basis Halbbild für Halbbild
o in Abhängigkeit von dem extrahierten Signal.
(5) Das extrahierte Signal zeigt an, ob die Vollbilder des codierten Bildsignals
(a) durch eine Vollbild-Einheit-Codierung
o durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des Vollbilds codiert worden ist,
o wobei jeder Block aus Pixeln beider der zwei Halbbilder zusammengesetzt wird, die in dem Vollbild umfasst sind,
o und wobei jeder der kleinen Blöcke des Vollbilds codiert ist;
(b) oder durch eine Halbbild-Einheit-Codierung
o durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des ersten Halbbilds und in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des zweiten Halbbilds codiert worden ist,
o wobei jeder Block des ersten Halbbildes aus Pixeln von nur einem der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind,
o jeder Block des zweiten Halbbildes aus Pixeln von nur dem anderen der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind,
o und jeder der kleinen Blöcke des ersten und zweiten Halbbilds codiert ist.
Der Durchschnittsfachmann versteht ohne weiteres, dass die Decodierung der Bildsignale in derselben Weise vorgenommen werden muss wie die vorausgegangene Codierung erfolgt ist. Wurde z.B. auf der Basis Vollbild für Vollbild codiert, ist es notwendig, dass auch die Decodierung auf derselben Basis, d.h. Vollbild für Vollbild, stattfindet. Weil dem so ist, muss für das Decodierverfahren bekannt sein, in welcher Weise die zu decodierenden Bilddaten jeweils codiert worden sind. Nicht nur der die eigentliche Codierung betreffende Patentanspruch 1 sieht aus diesem Grund vor, dass die codierten Bilddaten mit einem ihre jeweilige Codierungsart – Vollbild für Vollbild oder Teilbild für Teilbild – anzeigenden Signal (Kennzeichen) versehen werden. Spiegelbildlich hierzu ordnet auch der das streitbefangene Decodierungsverfahren beschreibende Nebenanspruch 11 an, dass die Bilddaten in Abhängigkeit von eben diesem (die Codierungsart kennzeichnenden) Signal vorgenommen wird. Damit das „Kennzeichnungssignal“ – wie es seine Aufgabe ist – die Decodierung steuern kann, muss es zu Beginn des Decodierungsverfahrens erfasst (ausgelesen) werden. Merkmal (4) sieht dementsprechend vor, dass das die Codierungsart repräsentierende Signal (vgl. Merkmal 5) vor der Decodierung (vgl. Merkmal 4b) von dem codierten Bildsignal „extrahiert“ wird. Das „Extrahieren“ dient ersichtlich dem Zweck, Aufschluss darüber zu erhalten, ob das zu decodierende Bild in einer Vollbild-Einheit oder in einer Teilbild-Einheit codiert worden ist und demzufolge auch auf derselben Basis – nämlich Vollbild für Vollbild bzw. Teilbild für Teilbild – decodiert werden muss.
Dem Fachmann ist in diesem Zusammenhang geläufig, dass die geschilderte Decodierung nicht nur in einem Decodierer (der z.B. Teil eines DVD-Players ist) erfolgt, sondern dass es einer – lokalen – Decodierung des gerade codierten Bildsignals auch im Zuge der Codierung abhängiger (P- oder B-)Bilder bedarf. Sie ist notwendig, um das in Bezug genommene (I- oder P-)Bild als Referenzobjekt für die abhängige Codierung zur Verfügung zu haben. Der beschriebene Sachverhalt ist in der europäischen Patentschrift 0 573 665 (Seite 19 Zeilen 9-12) ausdrücklich erläutert, in der eigenen Nichtigkeitsklage der Bekl. zu 1 hervorgehoben (Seite 8, 3. Absatz) und war im Verhandlungstermin vom 9.11.2006 zwischen den Parteien auch unstreitig.
Die lokale Decodierung unterscheidet sich dabei nicht grundsätzlich von der endgültigen Decodierung z.B. in einem DVD-Gerät. Bereits vor diesem Hintergrund verbietet sich die Überlegung der Bekl., das Decodierverfahren nach Anspruch 11 betreffe ausschließlich die endgültige Decodierung beim Auslesen z.B. einer DVD, nicht jedoch die lokale Decodierung im Zuge der Datencodierung. Da der Decodierungsschritt nicht Inhalt und Gegenstand des das eigentliche Codierverfahren beschreibenden Patentanspruchs 1 (und der auf ihn zurückbezogenen Unteransprüche) ist, bliebe die lokale Decodierung, obschon sie technisch notwendig ist und den gleichen Regeln wie die endgültige Decodierung folgt, völlig außerhalb des Patentschutzes, wenn sie nicht in den Anspruch 11 einbezogen würde. Eine derartige Beschränkung des Schutzgegenstandes wäre letztlich willkürlich und widerspräche zudem dem Umstand, dass das Klagepatent in den Figuren 1 und 6 ausdrücklich Codier -Schaltungen zeigt und im korrespondierenden Beschreibungstext erläutert, die Bauteile zur lokalen Decodierung aufweisen. Solcher Ausführungsbeispiele hätte es ersichtlich nicht bedurft, wenn die Maßnahmen zur lokalen Decodierung in einem Encoder außerhalb des Klagepatents lägen, weil sie von Patentanspruch 1 nicht erfasst werden und weil sie – folgt man den Darlegungen der Bekl. – auch dem auf die endgültige Decodierung in einem Decoder beschränkten Nebenanspruch 11 nicht unterfallen.
Unter den gegebenen Umständen kann dahinstehen, ob das „Kennzeichnungssignal“, das in einem Decoder „extrahiert“ wird, als „integraler“ Bestandteil eines zusammengesetzten Bitstroms vorliegt und deshalb von den codierten Bildsignalen im eigentlichen Sinne abgespalten wird, während das „Kennzeichnungssignal“ im Zuge der lokalen Decodierung nicht separiert, sondern (lediglich) „ausgelesen“ wird. Da das Klagepatent – wie dargelegt – beide Decodierungssituationen gleichermaßen erfasst, ist das Merkmal „extrahieren“ notwendigerweise so zu interpretieren, dass es beiden Decodierungskonstellationen gerecht wird. Sollte deshalb bei der lokalen Decodierung bloß ein Zugriff auf das „Kennzeichnungssignal“ in dem Sinne erfolgen, dass die von ihm repräsentierten Informationen für das Decodierverfahren herangezogen werden, so muss auch der Begriff „Extrahieren“ in exakt diesem – weiten – Sinne verstanden werden. Die Anspruchsformulierung lässt ein solches Verständnis ohne weiteres zu. Das „Signal“ stellt nicht mehr als ein äußeres Zeichen für eine bestimmte Art der Datencodierung dar; dieses Zeichen wird „extrahiert“, nämlich aus den codierten Bildsignalen gewonnen (herausgezogen), wenn sein Informationsgehalt über die Codierungsart zugänglich gemacht wird. Ob dies auf dem Weg einer gegenständlichen Abspaltung des „Kennzeichnungssignals“ geschieht oder dadurch, dass das „Kennzeichnungssignal“ schlicht ausgelesen wird, ist unerheblich.
II.
Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§ 286 I ZPO) ist davon auszugehen, dass die Bekl. zu 1 bei ihrer DVD-Herstellung auf „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ oder „Master“ zurückgegriffen hat, die ihre Entstehung (u.a.) der Anwendung des patentgemäßen Decodierverfahrens verdanken.
1.
Zwar trifft es zu, dass DVD-Abspielgeräte rückwärts, d.h. MPEG 1-kompatibel sind. Aus der Tatsache, dass die von der Bekl. zu 1 produzierten DVD`s unstreitig von auf dem Markt befindlichen DVD-Geräten abgespielt werden können, lässt sich deswegen nicht der Schluss ziehen, dass jede einzelne von der Bekl. zu 1 seit dem 22.09.2001 gefertigte DVD dem MPEG 2-Standard genügt. Auf eine solche Feststellung kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits allerdings auch nicht an. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Kl. stellt der MPEG 2-Standard jedenfalls das in der Praxis dominierende Codierverfahren dar. Dass der MPEG 1-Standard nach der Installierung der MPEG 2-Technik eine zahlenmäßig nennenswerte Bedeutung behalten hat und/oder sogar heute noch besitzt, machen auch die Bekl. nicht – zumindest nicht substantiiert – geltend. In Anbetracht dessen ist mit Rücksicht auf die umfangreiche Geschäftstätigkeit der Bekl. zu 1, die unstreitig eines der größten Presswerke in Europa betreibt, die tatrichterliche Feststellung gerechtfertigt, dass die Bekl. zu 1 seit dem 22.09.2001 in einer unbestimmten Anzahl von Fällen „Master“ verwendet hat, die nach den Vorgaben des (aktuellen) MPEG 2-Standards codiert waren. Lediglich exemplarisch wird dies durch die Ergebnisse der von der Kl. mittels des Analyseprogramms VISUALmpeg durchgeführten Untersuchungen zum Bestellvorgang „Artmedia“ belegt, welche ergeben haben, dass die von der Bekl. zu 1 gepressten DVD`s nach Maßgabe des MPEG 2-Standards codiert waren. Die Resultate sind ungeachtet dessen rechtlich erheblich, dass die Kl. die Bestellung als „Testgeschäft“ initiiert hat. Zwar ist die Anfertigung (Herstellung) des von der Firma X zur Verfügung gestellten „Masters“ dieser gegenüber von einer Einwilligung der Kl. gedeckt; die Erlaubnis ist jedoch zweckgebunden und beinhaltet oder vermittelt für die Bekl. zu 1 bzw. die X offensichtlich nicht die Befugnis, nach Belieben mit der Sache zu verfahren.
Der von der Internationalen Organisation für Standardisierung (ISO) ausgearbeitete MPEG 2-Standard befasst sich u.a. mit der Kombination eines oder mehrerer Datenströme zum Zwecke der Speicherung oder Übertragung (ISO/IEC 13818-1 „Systems“). Speziell für die Verarbeitung von Videosignalen enthält er darüber hinaus technische Vorschriften für die Bildkomprimierung und -dekomprimierung (ISO/IEC 13818-2 „Video“). Die Vorgaben des MPEG 2-Standards sind zwar nicht in dem Sinne zwingend, dass sie lediglich eine einzige Vorgehensweise – unter Ausschluss aller anderen – tolerieren. Im Gegenteil enthält der Standard an verschiedenen Stellen Optionen, von denen im Einzelfall (d.h. bei der Codierung konkreter Videodaten) Gebrauch gemacht werden kann oder nicht bzw. die nur unter speziellen Anwendungsbedingungen bedeutsam sind, unter anderen hingegen nicht. Das gilt auch für den Video-Standardteil, welcher sich mit der „zeitlichen Verarbeitung“ der Daten befasst. AaO (Intro 4.1.1) heißt es:
„Aufgrund des Konflikts zwischen dem Erfordernis des Direktzugriffs und der hocheffizienten Kompression werden drei Hauptbildarten definiert. Intracodierte Bilder (I-Bilder) werden ohne Bezugnahme auf andere Bilder … mit nur mäßiger Kompression codiert. Prädiktiv codierte Bilder (P-Bilder) werden effizienter codiert unter Verwendung bewegungskompensierter Prädiktion aus einem vergangenen intracodierten oder prädiktiv codierten Bild … . Bidirektional-prädiktiv codierte Bilder (B-Bilder) liefern den höchsten Kompressionsgrad, erfordern jedoch sowohl vergangene als auch zukünftige Bezugsbilder für die Bewegungskompensation. … Die Anordnung der drei Bildarten in einer Sequenz ist sehr flexibel. Die Wahl wird dem Codierer überlassen und hängt von den Anforderungen der Anwendung ab . Figur I-1 veranschaulicht ein Beispiel der Beziehung zwischen den drei verschiedenen Bildarten.“
Dass die dem Anwender im Standard zur Verfügung gestellten Verhaltensoptionen -d.h. einzelne von ihnen – rein theoretischer Natur wären und in der Praxis keine Anwendung fänden, tragen auch die Bekl. nicht vor. Wenn aber von dem gesamten Standard (einschließlich seiner Optionen) bei der Datencodierung Gebrauch gemacht wird, so ist grundsätzlich auch der Standard mit seinem gesamten Inhalt (einschließlich der Optionen) geeignet, eine Aussage darüber zu treffen, in welcher technischen Weise bei Einhaltung des MPEG 2-Standards verfahren wird. Steht – wie hier – fest, dass ein Benutzer den MPEG 2-Standard beachtet, und ist des weiteren gesichert, dass eine mögliche dem Standard entsprechende Vorgehensweise zur (wortsinngemäßen oder äquivalenten) Benutzung des Klagepatents führt, so ist deshalb von einer Patentverletzung auszugehen, wenn der Umfang der Geschäftstätigkeit des Bekl. (oder sonstige vom Kl. darzulegende Umstände) den sicheren Schluss zulassen, dass die Vorgaben des Standards bei Ausübung der Geschäftstätigkeit in ihrer gesamten Breite ausgeschöpft worden sind. Dem Bekl. obliegt unter solchen Umständen der konkrete Vortrag dazu, dass und weshalb er bei der Befolgung des Standards die zur Merkmalsverwirklichung führende Option keinesfalls angewandt hat.
2.
Der MPEG 2-Standard sieht eine rekursive Struktur der codierten Bilder vor, bei der für bestimmte Bilder auf Daten aus anderen (Bezugs-)Bildern zurückgegriffen wird. So ist beispielsweise eine Verarbeitung eines verschachtelten Eingangssignals durch Auswahl von Bezugs-Vollbildern und Intra-Teilbild-Codierung eines Teilbildes des Bezugs-Vollbildes sowie Inter-Teilbild-Codierung des anderen Teilbildes des Bezugs-Vollbildes bekannt.
Dass der MPEG 2-Standard für die Codierung die Bestimmung von Bezugs-Vollbildern voraussetzt, von denen die Codierung anderer Bilder abhängt, bestreiten die Bekl. nicht. Im Standard selbst sind diese Bilder wie folgt definiert:
„Referenzvollbild: Ein Referenzvollbild ist ein rekonstruiertes Vollbild, das in Form eines codierten I-Vollbildes oder eines codierten P-Vollbildes codiert wurde. Referenzvollbilder werden für Vorwärts- und Rückwärtsprädiktion verwendet, wenn P-Bilder und B-Bilder verwendet werden.“ (Def. 3.111)
„Referenzteilbild: Ein Referenzteilbild ist ein Teilbild eines rekonstruierten Vollbildes. Referenzteilbilder werden für Vorwärts- und Rückwärtsprädiktion verwendet, wenn P-Bilder und B-Bilder decodiert werden. Es ist zu beachten, dass, wenn P-Teilbilder decodiert werden, die Prädiktion des zweiten P-Teilbildes eines codierten Vollbildes das zuerst rekonstruierte Teilbild desselben codierten Vollbildes als Referenzteilbild verwendet.“ (Def. 3.110)
In den Abschnitten „Intro 4.1.1 Zeitliche Verarbeitung“ sowie „6.1.1.5 Bildarten“ werden des weiteren die drei zuvor erwähnten Arten von Bildern (I-, P- und B-Bilder) näher definiert, wobei die nur mäßig komprimierten I-Bilder als Referenzbilder beschrieben werden, die als Basis für die von ihnen abhängigen, höhere Kompressionsraten aufweisenden P- und B-Bilder dienen.
Maßgeblich für die Intra-Teilbild-Codierung des Bildsignals eines der beiden Teilbilder jedes der Bezugs-Vollbilder und die Inter-Teilbild-Codierung des anderen der beiden Teilbilder jedes der erwähnten Bezugs-Vollbilder unter Verwendung von Daten des zuerst erwähnten einen Teilbildes des gleichen Bezugs-Vollbildes sind die Abschnitte 6.1.1.4.1 („Teilbilder“) und 7.6.3.5 („Prädiktion bei P-Bildern“). Darin heißt es:
„Wenn Teilbilder verwendet werden, treten sie paarweise auf (ein oberes Teilbild gefolgt von einem unteren Teilbild oder ein unteres Teilbild gefolgt von einem oberen Teilbild), und zusammen bilden sie ein codiertes Vollbild. […]
Wenn das erste Bild eines codierten Vollbildes ein I-Teilbild ist, dann ist das zweite Bild des Vollbildes entweder ein I-Teilbild oder ein P-Teilbild. Wenn das zweite Bild ein P-Teilbild ist, dann kommen bestimmte Beschränkungen zur Anwendung, vgl. 7.6.3.5.“ (Auszug aus Abschnitt 6.1.1.4.1)
„Im Fall, dass ein P-Teilbild als zweites Teilbild eines Vollbildes verwendet wird, in dem das erste Teilbild ein I-Teilbild ist, trifft eine Reihe von semantischen Beschränkungen zu. Diese stellen sicher, dass eine Prädiktion nur von dem I-Teilbild gestellt wird.“ (Auszug aus Abschnitt 7.6.3.5)
Die zitierten Textstellen des Standards belegen, dass das eine Teilbild eines Bezugs-Vollbildes ein I-Bild ist, also intra-codiert wird. Das andere Teilbild kann ebenfalls ein I-Bild sein, es kann aber auch als P-Teilbild inter-codiert werden. Bei der Inter-Codierung ist wiederum sicherzustellen, dass diese nur auf das vorhergehende I-Teilbild, also das zuvor bereits codierte eine Teilbild des Bezugs-Vollbildes Bezug nehmen darf.
Der MPEG 2-Standard kennt zudem in Abschnitt 6.3.10 („Bildcodierungsextension“) und Tabelle 6-14 („Bedeutung von picture_structure“) eine Kennzeichnung, die ein Signal erzeugt, welches die Codierung einer Vollbild-Einheit oder einer Teilbild-Einheit anzeigt und das so codierte Bildsignal zusammen mit dem zuvor erzeugten (Anzeige-)Signal ausgibt. Die Beschreibungsstellen aus dem MPEG 2-Standard legen die Bedeutung der Erweiterung fest, verhalten sich aber in keiner Weise dazu, ob und ggf. wie diese „extension“ während des Codiervorgangs Verwendung findet.
3.
Die Kl. hat schlüssig dargelegt, dass die vom MPEG 2-Standard vorgegebene rekursive Struktur für eine ordnungsgemäße Decodierung erfordert, dass bereits beim Codieren auf gerade codierte Bilder zurückgegriffen wird, was wiederum bedingt, dass die codierten Bilder, um als Referenzobjekt für die abhängige Codierung verwendet werden zu können, lokal decodiert werden. Entsprechendes ergibt sich auch aus den soeben dargestellten Vorgaben, die der MPEG 2-Standard für die Inter-Codierung macht. Die Kl. hat ferner unwidersprochen vorgetragen, dass zum Zwecke der lokalen Decodierung in der Praxis eine Umschaltung des Betriebsmodus der jeweiligen Bauteile stattfindet. Die Umschaltung bezieht sich auf ein jeweils einmal vorhandenes Bauteil, das in der Lage ist, in beiden Betriebsmodi zu arbeiten. Nach den Darlegungen der Kl. wird auf diese Weise der – selbstverständliche – Effekt erzielt, dass ein doppelter Einbau der Bestandteile DCT-Schaltung, Quantisierer, inverser Quantisierer, inverse DCT-Schaltung, Einzelbildspeicher, Zwischen-Bild/ Feld-Bewegungskompensationsschaltung und Zwischen-Bild/Feld-Bewegungserfassungsschaltung vermieden wird. Um bei einfacher Geräteausstattung diese Umschaltung herbeizuführen, bedarf es eines Auslesens, also des Extrahierens desjenigen Signals i.S. der Merkmale (4a) und (5), das die Codierungsart angibt.
Dem sind die Bekl. mit dem Einwand, es sei sehr wohl möglich, die Bestandteile in einer Schaltung doppelt vorzusehen, nicht in beachtlicher Weise entgegengetreten. Die aufgezeigte Möglichkeit bleibt rein theoretisch; sie lässt insbesondere die konkrete Behauptung der Kl. unwidersprochen, dass in der Praxis eine doppelte Ausstattung – jeweils eine für jeden Betriebsmodus – schon aus Kostengründen nicht in Betracht kommt. Soweit in Figur 1 des Klagepatents eine Schaltung gezeigt ist, in der die erwähnten Bestandteile doppelt vorgesehen sind, geschieht dies ersichtlich aus Gründen der übersichtlichen Darstellung. Dementsprechend sind auch in Figur 6 des Klagepatents beide Schaltkreise zusammengelegt dargestellt.
a)
Erfordert mithin der MPEG 2-Standard, dass codierte Bilder während des Codiervorgangs sogleich wieder decodiert werden, und ist dabei hinreichend wahrscheinlich, dass auf Grund der Ausgestaltung der in der Praxis verwendeten Vorrichtungen dazu ein Signal extrahiert wird, das die Codierungsart angibt, bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Bekl. zu 1 im Rahmen ihrer umfangreichen Geschäftstätigkeit von der technischen Lehre des Klagepatents und insbesondere auch von den das Klagepatent betreffenden Optionen des Standards Gebrauch gemacht hat. Dies hat zur Folge, dass es Sache der Bekl. ist, darzutun, dass es trotz Befolgung des MPEG 2-Standards nicht zu einer patentgemäßen Verfahrensführung gekommen ist. Dieser Darlegungslast sind die Bekl. nicht nachgekommen.
b)
Erfolglos wenden sie ein, zu den geforderten Darlegungen außerstande zu sein. Eine Erklärung mit Nichtwissen, wie sie von den Bekl. vorgebracht wird, sieht § 138 IV ZPO nur für solche Tatsachen vor, die nicht eigene Handlungen der Partei betreffen oder Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind. Im Streitfall mag dies mit Rücksicht darauf zu bejahen sein, dass die Bekl. zu 1 im Zuge ihrer DVD-Herstellung das patentgemäße Decodierverfahren nicht selbst anwendet. Auch wenn die Einzelheiten der Verfahrensführung keine „eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen“ der Bekl. zu 1 sein mögen, scheidet eine Anwendung des § 138 IV ZPO dennoch aus, wenn die Unkenntnis der sich mit Nichtwissen erklärenden Partei darauf beruht, dass sie bestehende Erkundigungspflichten verletzt hat. Solche Erkundigungspflichten werden in ständiger Rechtsprechung des BGH (BB 2001, 2187; NJW 1999, 1965; vgl. auch OLG Köln, NZG 2002, 870) angenommen, wenn es sich bei dem entgegnungsbedürftigen Sachverhalt um Vorgänge im Bereich von Personen – nicht nur der eigenen, sondern auch einer fremden Firma – handelt, die unter Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung derjenigen Partei tätig geworden sind, die sich im Prozess zu den Behauptungen des Gegners zu erklären hat. Von einer solchen Sachlage ist jedenfalls für den Zeitraum ab Mitte 2004 auszugehen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Bekl. zu 1 seit dieser Zeit mit 51 % des Aktienbestandes Mehrheitsgesellschafterin der im Bereich des Authoring tätigen X ist. Gemäß §§ 17 II, 16 I AktG hat dies zur Folge, dass kraft Gesetzes ein Beherrschungsverhältnis vermutet wird, demzufolge die Bekl. zu 1 unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die X ausübt (§ 17 I AktG). Die Vermutung ist im Streitfall unwiderlegt. Zwar machen die Bekl. – pauschal – geltend, dass die X den Weisungen der Bekl. zu 1 nicht unterstehe. Die Einlassung ist jedoch unzureichend, weil mit ihr auch lediglich das Fehlen eines Beherrschungsvertrages i.S. von § 291 I Satz 1 AktG gemeint sein kann, was einen beherrschenden Einfluss nach § 17 I AktG nicht ausräumen würde. Darüber hinaus kann der Vermutungstatbestand nicht mit der Behauptung beseitigt werden, ein beherrschender Einfluss werde tatsächlich nicht ausgeübt; vielmehr muss die Unabhängigkeit des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens rechtlich abgesichert sein (Bayer in MK zum AktG, 2. Aufl., § 17 Rn. 93 f.). Zu letzterem verhält sich der Sachvortrag der Bekl. in keiner Weise. Steht infolgedessen für die rechtliche Beurteilung fest, dass die X seit Mitte 2004 von der Bekl. zu 1 beherrscht wird, so ist damit zugleich die Feststellung gerechtfertigt, dass die X – die zweifelsfrei Kenntnis über die Details der Datencodierung hat – i.S. der besagten Rechtsprechung „unter der Verantwortung“ der Bekl. zu 1 ihre Geschäftstätigkeit ausgeübt. Belanglos ist die – ohnehin nicht näher substantiierte – Einlassung der Bekl., nur in geringem Umfang mit der X als Authoring-Studio zusammengearbeitet zu haben. In Anbetracht der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung verstrichenen Zeit von weit mehr als 2 Jahren und des erheblichen Ausmaßes der Geschäftstätigkeit der Bekl. zu 1 besagt das – pauschale – Vorbringen der Bekl. schon nicht, dass etwa nur ganz vereinzelt auf „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Master“ der X zurückgegriffen worden ist. Selbst wenn dem jedoch so gewesen sein sollte, wäre den Bekl. immer noch vorzuwerfen, dass sie sich zu den „Mastern“ der X nicht mit Nichtwissen erklären durften, sondern unter Beachtung der Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht gem. § 138 I ZPO konkret dazu hätten vortragen müssen, ob bei der Herstellung der „Master“ von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht worden ist oder nicht.
c)
Abgesehen von dem Gesagten wären die Bekl. mit Hilfe des Programms VISUALmpeg auch selbst in der Lage gewesen, anhand der von ihnen gepressten DVD`s Aufschluss darüber zu erhalten, ob und in welcher Form der MPEG 2-Standard beim Codieren der Daten angewandt worden ist. Es ist weder ersichtlich, dass die Bekl. über keine Muster für eine solche Analyse mehr verfügen, noch ist vorgetragen, dass die Bekl. zumindest bei den jeweiligen Auftraggebern versucht hätten, geeignete Musterstücke zu erhalten bzw. ein solches Unterfangen ersichtlich aussichtslos wäre. Das VISUALmpeg-Programm ist – über den Inhalt der vorgelegten Screenshots hinaus – in der Lage, Auskunft über die Verwirklichung sämtlicher Verfahrensmerkmale des Klagepatents zu geben. Auch wegen dieser bei zumutbarer Anstrengung zur Verfügung stehenden Wahrnehmungsmöglichkeit erweist sich die Erklärung der Bekl. mit Nichtwissen als unzulässig (vgl. Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 138 ZPO Rn. 53).
III.
Die von den Authoring-Studios bzw. der X hergestellten „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ oder „Master“ sowie die von der Bekl. zu 1 hergestellten „Stamper“. stellen unmittelbare Erzeugnisse des durch Patentanspruch 11 geschützten Verfahrens dar.
1.
Für die rechtliche Beurteilung ist insoweit von folgenden technischen Gegebenheiten auszugehen:
Filmaufzeichnung
Zunächst wird ein Spielfilm mittels einer Kamera aufgezeichnet. Entweder handelt es sich um einen auf Magnetband (analog) gespeicherten Film oder um einen mit einer digitalen Kamera aufgenommenen Videofilm, wobei die Bildpunkte 1:1 mit allen zugehörigen Informationen (wie z. B. Helligkeit, Farbe etc.) auf einem Band bzw. einer Kassette namens „Digibeta“ abgespeichert sind.
Codierung
Im Anschluss erfolgt die Codierung des Videofilms, der sich ein Authoring-Studio widmet. Das Codierverfahren geschieht unabhängig von der ursprünglichen Aufzeichnungsart in einer in einem PC eingebrachten Codier- bzw. Encodersteckkarte. Dort werden das Ausgangsmaterial bzw. die primären Quelldaten komprimiert, nach dem MPEG 2-Standard codierte Daten erzeugt und diese gespeichert. Zur Codierung abhängiger (P- oder B-)Bilder wird das Referenzbild (ein I- oder P-Bild) im Encoder lokal decodiert, um ein Bezugsobjekt für die abhängige Codierung der P- oder B-Bilder zu erhalten. Die Codierung gem. dem MPEG 2-Standard liefert unstreitig eine Datenmenge, die gegenüber der ursprünglichen Datenmenge um mehr als 90% reduziert ist.
Speicherung der codierten Daten
Die MPEG 2-codierten Daten werden nachfolgend auf der Festplatte gespeichert
DVD-Formatierung
und sodann in das DVD-Format formatiert. Diese Formatierung geschieht ohne Veränderung oder (weitere) Bearbeitung der codierten MPEG 2-Daten. Der Sinn der DVD-Formatierung liegt in der „verlustfreien“ Speicherung der gem. MPEG 2-Standard codierten Daten auf einer DVD und deren „verlustfreien“ Wiedergabe auf einem DVD-Abspielgerät.
Master
Das Authoring-Studio fertigt nach der DVD-Formatierung ein „DLT-Tape“, eine „DVD-R“ oder ein „Master“ an, auf dem die gem. dem MPEG 2-Standard codierten Daten gespeichert sind. Die „Master“ werden entweder an den Kunden oder direkt an ein Presswerk ausgeliefert.
Glassmaster
Das „DLT-Tape“, die „DVD-R“ oder der „Master“ dienen als Pressvorlage für die von der Bekl. zu 1 serienmäßig vorgenommene Pressung des Endproduktes, der DVD. Die Bekl. zu 1 verwendet die „Master“ dabei zunächst, um einen „Glassmaster“ zu erstellen.
Stamper
Der „Glassmaster“ bildet sodann die Vorlage für die Herstellung eines „Stamper“ (= Stempel), bei dem es sich – ähnlich einer Matrize – lediglich um eine Negativabbildung der Dateninhalte der „DLT-Tapes“, der „DVD-R`s“ oder der „Master“ handelt.
DVD
Mit Hilfe des „Stampers“ werden in der automatischen Pressanlage der Bekl. zu 1 die Dateninhalte der ursprünglichen Pressvorlage unverändert in Kunststoff- bzw. Polycarbonatscheiben eingeprägt, die als DVD`s aus dem Produktionsprozess hervorgehen. Die DVDs werden sodann von der Bekl. zu 1 an die Kunden ausgeliefert und können auf handelsüblichen DVD-Playern abgespielt werden.
2.
Nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG genießen Erzeugnisse, die auf Grund eines patentierten Verfahrens unmittelbar hergestellt sind, in dem gleichen Umfang Schutz, wie dies gem. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG für Erzeugnisse vorgesehen ist, die Gegenstand eines Sachpatents sind. Hintergrund der in § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG enthaltenen Regelung ist die Vorstellung des Gesetzgebers, dass der Inhaber eines Verfahrenspatents den ihm zustehenden wirtschaftlichen Wert der Erfindung nicht in angemessener Weise ausschöpfen kann, wenn ihm neben dem Angebot und der Anwendung des Verfahrens (§ 9 Satz 2 Nr. 2 PatG) nicht auch der Handel mit den durch das Verfahren unmittelbar hervorgebrachten Erzeugnissen vorbehalten bleibt (Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 798).
a)
Entgegen der Ansicht der Bekl. stehen im Streitfall als Verfahrenserzeugnisse keine Videosignale oder Daten i.S. rein virtueller Gedanken ohne jegliche Materialisierung in Rede. Schutz wird von der Kl. vielmehr zu Recht für die unter Anwendung des klagepatentgemäßen Verfahrens erzeugten Informations- und Aufzeichnungsstrukturen reklamiert, die auf einem Aufzeichnungsträger – hier den „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“, „Mastern“ und „Stampern“ – vorhanden sind. Allesamt sind körperliche Erzeugnisse gem. § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG (vgl. BPatG, Mitt 1969, 75; Bruchhausen, GRUR 1979, 743; Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl., § 9 Rn. 53; Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 9 Rn. 100 ff.; Wolfram, Mitt 2003, 57):
Anspruch 11 des Klagepatents betrifft ein Verfahren zum Bilddecodieren mit hoher Effektivität, ungeachtet der Größe einer Bewegung des Bildes. Um die Codierung zutreffend zu erkennen, lehrt das Klagepatent ein Extrahieren eines die Codierungsart anzeigenden Signals und eine entsprechende Decodierung. Die Anwendung des Decodierverfahrens bereits im Rahmen der Codierung von Eingangssignalen ist erforderlich, um das gerade codierte Bild als Grundlage für die weitere Codierung abhängiger Bilder nutzen zu können. Ohne die lokale Decodierung gäbe es keine prädiktiven P- oder B-Bilder, denen für eine Kompression des Bit-Datenstromes kardinale Bedeutung zukommt. Die lokal decodierten Signale sind zwar insofern flüchtig, als sie nach erfolgter Prädiktion gelöscht werden, weil die Rekonstruktion der P- und -Bilder im Zuge der endgültigen Decodierung unter Rückgriff auf das ursprünglich codierte und übertragene I- oder P-Bild vorgenommen wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Resultat der lokalen Decodierung etwa verloren ginge und ohne dauerhafte Verkörperung bliebe. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, weil jedes abhängig codierte Bild äußerer Ausdruck der erfindungsgemäßen lokalen Decodierung ist. In Gestalt der P- oder B-Bilder erhält infolge dessen auch das Decodierverfahren des Klagepatents eine greifbare Materialisierung als Grundlage für die weiteren Codierungsschritte nach dem MPEG 2-Standard. Es handelt sich um eine Aufzeichnungsstruktur mit physikalischen Eigenschaften, welche die optische Auswertbarkeit der mittels der Aufzeichnungsstruktur gespeicherten Informationen verbessern (vgl. BGH, GRUR 2005, 749 – Aufzeichnungsträger).
Die erfindungsgemäßen Informations- bzw. Aufzeichnungsstrukturen sind Speicherkapazitäten beanspruchende Informationseinheiten, die auf dem jeweiligen Speichermedium körperlich durch Speichereinheiten festgehalten werden und – nur – infolge des Speicherplatzes existieren. Die zu übertragenden, aufzunehmenden, zu speichernden und wiederzugebenden Videodaten sind Informationen in Folge von Zeichen, die auf einem Magnetband als Übergang zwischen zwei Zuständen von Magnetisierung oder auf einer optisch auslesbaren Platte als Übergang zwischen Orten optisch unterschiedlich aktiver Bereiche vorhanden sind. Die Aufzeichnungsträger weisen eine durch verschiedene Magnetisierungszustände oder durch bestimmte Vertiefungen („Pits“) und Erhebungen („Lands“) in der Laufspur hervorgerufene räumlich-körperliche Struktur auf, weswegen die codierte bzw. komprimierte Informationsstruktur auf dem Aufzeichnungsträger gegenständlich vorhanden ist. Die Grundlage für die Ausbildung dieser gegenständlichen Informations- und Aufzeichnungsstruktur zu schaffen, entspricht dem Sinn und Zweck des erfindungsgemäßen Codierverfahrens, welches eine Decodierung der Daten auf Empfängerseite voraussetzt. Um eine solche fehlerfrei zu ermöglichen, bedarf es einer Materialisierung bzw. Perpetuierung der erfindungsgemäß decodierten und für die Codierung und Komprimierung weiterverwendeten Daten. Die Decodierung darf – mit anderen Worten – nicht nur rein gedanklicher oder flüchtiger Art sein, da anderenfalls die Wiedergabe des Videofilms auf einem beliebigen Abspielgerät nicht möglich wäre. Wie die Informations- und Aufzeichnungsstruktur bzw. die magnetisch aktiven oder nicht aktiven bzw. optisch aktiven bzw. nicht aktiven Bereiche „zu lesen“ sind, ergibt sich schließlich aus der technischen Konvention.
Da mithin von einem körperlichen Erzeugnis auszugehen ist, bedürfen die von den Parteien diskutierten Fragen, ob nicht körperliche Gegenstände vom Verfahrenserzeugnisschutz ausgenommen sind, und wenn ja, ob und unter welchen Umständen dies zu Recht geschieht, keiner Erörterung. Ebenso wenig ist an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit der Problematik nötig, ob insbesondere bei Berücksichtigung des § 1 II Nr. 3, 4 PatG eine patentfähige Erfindung anzunehmen ist.
b)
Das erfindungsgemäße Decodierungsverfahren ist ein Herstellungs-, und nicht bloß ein Arbeitsverfahren (zur Abgrenzung beider Verfahren vgl. BGH, GRUR 1998, 130 – Handhabungsgerät; 1990, 508 – Spreizdübel; 1986, 163 – Borhaltige Stähle; 1951, 314 – Motorblock). Es lehrt, wie mittels der benannten Verfahrensschritte aus einem bestimmten Ausgangsprodukt ein von diesem abweichendes Endprodukt entsteht.
Abzustellen ist insoweit nicht – wie die Bekl. meinen – auf den auf einem Datenträger gespeicherten Spielfilm als solchen. Dieser (bzw. sein Inhalt) ist nicht Gegenstand des Klagepatents, weshalb es ohne Belang ist, dass „die Sache nach der Verkehrsanschauung vor und nach der Komprimierung nach dem klagepatentgemäßen Verfahren der gespeicherte Spielfilm“ ist.
Die technische Lehre des Klagepatents bezieht sich vielmehr – wie dargelegt – auf die Codierung bzw. Komprimierung der gespeicherten Videodaten. Bei Anwendung des patentierten Verfahrens werden – wie die Bekl. an anderer Stelle selbst ausführen – die Daten des auf den Rechner überspielten Videofilms im Arbeitsspeicher der Codierkarte des Rechners verschiedenen Komprimierungsschritten unterzogen, um dem MPEG 2-Standard zu genügen. Nach der Komprimierung ergeben sich „reduzierte Daten“. Unstreitig ist folglich, dass die – von einem zunächst analogen oder digitalen Videofilm stammenden – „primären Quelldaten“ während des erfindungsgemäßen Verfahrens – in einer Codier- oder einer Encodereinsteckkarte – codiert und komprimiert werden. Dies geht einher mit der Veränderung und Bearbeitung der anfänglich vorhandenen Informations- und Aufzeichnungsstruktur einschließlich der Reduzierung der erforderlichen Speicherkapazitäten. Die nach dem Verfahren vorhandenen Ausgangsdaten unterscheiden sich auf Grund dessen von den Eingangsdaten, den primären Quelldaten. Im Vergleich zu diesen ist ihr Umfang bzw. der erforderliche Speicherplatz auf einem Aufzeichnungsträger – unstreitig – um bis zu 90 % verringert.
Soweit die Bekl. bei dieser Sachlage ein Herstellungsverfahren dennoch mit der Überlegung in Zweifel ziehen, die Video-DVD lasse eine Codierung, also eine Veränderung der auf ihr gespeicherten Daten, nicht zu, ist dies unbehelflich. Das Endprodukt – die gepresste Video-DVD – ist nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits; angegriffen werden von der Kl. lediglich die dafür notwendigen Pressvorlagen. Darüber hinaus findet sich kein Anhalt dafür, dass das Verfahren nach Anspruch 11 eine von den Bekl. eingewandte Veränderbarkeit der bereits auf einem Aufzeichnungsträger codierten Daten erfordert.
c)
Die streitgegenständlichen „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“, Master“ und „Stamper“ sind schließlich „unmittelbare“ Erzeugnisse des erfindungsgemäßen Verfahrens.
aa)
Eine „Unmittelbarkeit“ zwischen Verfahren und Erzeugnis i.S. des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG ist zunächst und ohne weiteres dann zu bejahen, wenn es sich bei dem angegriffenen Produkt um einen Gegenstand handelt, der mit Abschluss des allerletzten Schritts des geschützten Verfahrens erhalten wird (Benkard, aaO, § 9 Rn. 55; Busse, aaO, § 9 Rn. 105; Kraßer, aaO, S. 800 ff.; Schulte, aaO, § 9 Rn. 69). Losgelöst von dieser rein zeitlich-chronologischen Betrachtung ist eine „Unmittelbarkeit“ ferner dann gegeben, wenn sich das angegriffene Erzeugnis zwar nicht als Resultat des allerletzten Verfahrensschritts darstellt, sondern als ein Zwischenprodukt, dass im Anschluss an das patentgeschützte Verfahren weiteren Behandlungsmaßnahmen unterzogen worden ist, sofern das patentierte Verfahren zur Hervorbringung des Erzeugnisses bestimmungsgemäß und nach der Verkehrsanschauung wesentlich beigetragen hat und das durch die Erfindung geschaffene Erzeugnis seine charakteristischen Eigenschaften und seine Selbständigkeit nicht durch die weiteren Behandlungsschritte eingebüßt hat. Entscheidend ist die Beibehaltung der dem Erzeugnis durch das patentgemäße Herstellungsverfahren aufgeprägten Identität (OLG Düsseldorf, Urteil v. 10.04.2005 – U (Kart) 44/01; LG Düsseldorf, Urteil v. 02.08.2002 – 4 O 63/00; Court of Appeal, GRUR Int 1998, 718 – Compact Disk ; Benkard, aaO, § 9 Rn. 55; Busse, aaO, § 9 Rn. 106 ff.; Kraßer, aaO, S. 800 ff.; Schulte, aaO, § 9 Rn. 69).
bb)
Bei Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze sind die streitbefangenen „Master“ und „Stamper“ als unmittelbar durch das geschützte Verfahren hervorgebracht anzusehen.
(1)
Zwar bleibt das lokal decodierte Bild nicht gegenständlich erhalten; nach der Codierung des von ihm abhängigen Bildes wird es vielmehr aus dem Zwischenspeicher gelöscht und bei der späteren Decodierung (im DVD-Abspielgerät) zur Rekonstruktion des abhängigen Bildes auf das im Bit-Strom übertragene codierte Bild zurückgegriffen (wobei nur das Ergebnis des Vergleichs zwischen dem Referenzbild und dem davon abhängigen Bild als Grundlage für die Codierung des abhängigen Bildes dient). Ungeachtet dessen stellt das lokal decodierte Bild jedoch eine zentrale und schlechterdings unverzichtbare Voraussetzung dafür dar, dass eine Codierung nach dem MPEG 2-Standard überhaupt stattfinden kann. Die erhebliche Kompression als wesentliche Eigenschaft des MPEG 2-Standards wird in entscheidendem Umfang gerade dadurch erreicht, dass lediglich ausgewählte Bilder in sich codiert werden, während die Codierung eines Großteils der Bilder des Eingangssignals von einem oder mehreren der ausgewählten Referenzbilder abhängig ist. Hierfür ist es zwingend erforderlich, ein bereits codiertes Bild, aus dem andere Bilder codiert werden sollen, zu decodieren, wie dies zwischen den Parteien auch bis zur mündlichen Verhandlung vom 9.11.2006 zu Recht auch unstreitig. Soweit die Bekl. erstmals im Verhandlungstermin die Behauptung aufgestellt haben, es könne ebenso gut das Originalbild des Eingangssignals als Vergleichsbild herangezogen werden, übersehen sie, dass die Codierung nach dem MPEG 2-Standard verlustbehaftet ist. Infolge dessen unterscheidet sich das codierte Bild mehr oder weniger stark vom Eingangssignal, weswegen für die Codierung eines abhängigen Bildes notwendigerweise das codierte (und sodann decodierte) Bild benutzt werden muss. Bei der gegebenen Sachlage ist unbestreitbar, dass a) die Anwesenheit abhängig codierter Bilder auf einem „DLT-Tape“, einer „DVD-R“, einem „Master“ oder „Stamper“ deren technische Eigenart prägt, und dass b) das auf dem „Master“ verkörperte Verfahrensergebnis (in der äußeren Gestalt von P- und Bildern) zu einem ganz wesentlichen Teil auf dem Decodierverfahren des Klagepatents beruht, welches gleichsam den Schlüssel für die abhängige Codierung von P- und B-Bildern darstellt.
(2)
Auch im Übrigen besteht kein Anlass, ein „unmittelbares Verfahrenserzeugnis“ zu verneinen.
Da die Kl. ihre Klage allein gegen die als Pressvorlagen dienenden „Master“ und „Stamper“ und nicht gegen die als Endprodukt vertriebenen DVD`s richtet, sind etwaige nach der Erstellung der Pressvorlagen vorzunehmenden Bearbeitungsschritte oder Umwandlungen ebenso unerheblich wie die Frage, ob die DVD selbst (noch) als unmittelbares Verfahrenserzeugnis angesehen werden könnte. Zu beurteilen sind allein die „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“, „Master“ und „Stamper“, wobei es auf die von den Bekl. aufgeworfene Unterscheidung – DVD-ROM, DVD-Audio, DVD-Video – nicht ankommt. Maßgeblich ist allein das Vorhandensein von codierten Videodaten.
(a)
Für die „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Master“ ist dabei entscheidend, dass nach Abschluss sämtlicher im Patentanspruch 11 vorgesehenen Verfahrensschritte die codierten Informations- und Aufzeichnungsstrukturen (in Form von P- oder B-Bildern) auf der Festplatte des Rechners gespeichert sind. Mittels dieser dem Ende des Verfahrensablaufs folgenden Speicherung werden die MPEG 2-Videodaten dauerhaft materialisiert. Insoweit handelt es sich um das (erste) Zwischenprodukt, da die auf der Festplatte gespeicherten Daten anschließend einer DVD-Formatierung und sodann einer Aufzeichnung bzw. Speicherung auf einem anderen Aufzeichnungsträger, den „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Mastern“, unterzogen werden. Weil weder die Transformierung in das DVD-Format noch die Speicherung auf die genannten Aufzeichnungsträger zu einer weiteren Bearbeitung oder Veränderung der durch Anwendung des Verfahrens gem. Anspruch 1 gewonnenen codierten Daten führt, diese mithin ihre durch das Verfahren hervorgerufenen charakteristischen Eigenschaften ohne Einschränkung beibehalten, ist die mit dem Komprimierungsverfahren verbundene Identität auch in den „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Mastern“ gewahrt. Die Eigenschaften des erfindungsgemäßen Codierens und Komprimierens gehen nicht verloren; ein unabhängiges und selbständiges neues Produkt ist nicht zu erkennen.
Soweit die Bekl. dieser Feststellung mit der Behauptung entgegentreten, die gespeicherten Daten und ihre Datenstruktur würden in den von ihnen aufgelisteten Herstellungsschritten grundlegend verändert, ist ihr Sachvortrag ohne jede Substanz und deshalb prozessual unbeachtlich. Ohne Erfolg bleibt gleichermaßen der Hinweis auf einen „mehrfachen Substratwechsel“ und das Fehlen einer „Stoffübertragung“. Zwar ist es zutreffend, dass eine Übertragung und Speicherung der Daten von der Festplatte auf verschiedene Aufzeichnungsträger erfolgt. Dies geschieht jedoch unstreitig ohne Veränderung oder Bearbeitung der bereits gem. dem MPEG 2-Standard codierten Bilddaten; es handelt sich um nichts anderes als den schlichten Wechsel eines Speichermediums. Die Perpetuierung bzw. Materialisierung der nach dem durchgeführten Verfahren gewonnenen Informations- und Aufzeichnungsstruktur erfolgt – unter Beibehaltung dieser Strukturen – anstatt auf der Festplatte auf einer Kunststoff- bzw. Polycarbonatscheibe. Die technisch entscheidende Informations- und Aufzeichnungsstruktur ist ein und dieselbe. Der Austausch des Substrats ist bloß als eine andere „Verpackung“ anzusehen, die den hinreichenden Zusammenhang zwischen Verfahren und Erzeugnis nicht zerfallen lässt (vgl. BGH, GRUR 2004, 495 – Signalfolge).
(b)
Die gleiche Beurteilung ist für die von der Bekl. zu 1 hergestellten „Stamper“ angebracht. Auch wenn sie – ähnlich einer Matrize – eine Negativabbildung der Dateninhalte der „DLT-Tapes“, der „DVD-R`s“ oder der „Master“ sind, bleiben die ursprünglich mit dem klagepatentgemäßen Verfahren gewonnen Informations- und Aufzeichnungsstrukturen unverändert. Eine Bearbeitung oder Veränderung der standardentsprechenden codierten Daten bei der Erstellung des „Stampers“ erfolgt nicht, weswegen es sich auch bei den „Stampern“ um Erzeugnisse handelt, die unmittelbar aus dem Komprimierungsverfahren nach Patentanspruch 1 hervorgegangen sind.
IV.
Die Rechte aus dem Klagepatent sind – anders als die Bekl. meinen – nicht dadurch erschöpft, dass die angegriffenen „Master“ durch Anwendung des patentgeschützten Verfahrens in einem Codierer unter Einsatz von Codierkarten (im folgenden: Codiergeräte) hergestellt worden sind, für die die Anbieter der Codiergeräte (Philips, Pinnacel Systems, Sonic Solution) eine Lizenzvereinbarung mit der MPEG LA LLC getroffen haben.
1.
Grundsätzlich werden die Verbietungsrechte aus einem Patent konsumiert, sobald der Schutzrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung ein Dritter (beispielsweise ein Lizenznehmer im Rahmen der ihm erteilten Benutzungsbefugnis) den geschützten Gegenstand in Verkehr gebracht hat. Besonderheiten gelten allerdings für Verfahrenspatente. Sie werden nicht dadurch verbraucht, dass die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens oder das aus der Verfahrensanwendung hervorgegangene Erzeugnis (§ 9 Satz 2 Nr. 3 PatG) in den Handelsverkehr gelangen (BGH, GRUR 1980, 38 – Fullplastverfahren; 2001, 223 – Bodenwaschanlage). Das dem Willen des Patentinhabers entsprechende Inverkehrbringen unmittelbarer Verfahrenserzeugnisse erschöpft ausschließlich die Verbietungsrechte an diesen Erzeugnissen selbst (Busse, aaO, § 9 PatG Rn. 151; Benkard, aaO, § 9 PatG Rn. 25).
2.
Vorliegend sind die „Master“ – als unmittelbare Erzeugnisse des patentgeschützten Herstellungsverfahrens – nicht mit Zustimmung der Kl. in Verkehr gelangt.
Auszugehen ist insoweit von dem Sachvortrag der Kl., dass die Bedingungen der den Codiergeräteherstellern verliehenen Lizenz mit dem Inhalt des im Rechtsstreit überreichten Standard-Lizenzvertrages übereinstimmen. Die Bekl. ziehen dies zwar in Zweifel und verlangen von der Kl. eine Vorlage der mit den Codiergeräteherstellern abgeschlossenen Lizenzverträge. Eine Rechtsgrundlage für dieses Begehren besteht jedoch nicht. Selbst wenn mit Rücksicht auf die BGH-Entscheidung „Restschadstoffentfernung“ (Urteil v. 01.08.2006 – X ZR 114/03) angenommen wird, dass eine Anordnung nach § 142 ZPO bereits dann in Betracht kommt, wenn lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die behauptete und mittels der vorzulegenden Unterlage aufzuklärende Tatsache spricht, verbietet sich eine Vorlegungsanordnung im Streitfall, weil die Bekl. für einen von den Behauptungen der Kl. abweichenden Vertragsinhalt nicht einmal auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Vermutungen anstellen können. Ihr Ansinnen läuft vielmehr auf eine reine Ausforschung hinaus, die auch im Anwendungsbereich des § 142 ZPO unzulässig ist.
Die Bedingungen des Standard-Lizenzvertrages berechtigen gem. Ziffer 2.3 (lediglich) zur Herstellung, zum Verkauf, zum Angebot und zum sonstigen Vertrieb von Codierungsprodukten, Übertragungscodierungsprodukten, Codierungssoftware und gebündelter Codierungssoftware, wohingegen der Gebrauch der lizenzierten Produkte nur zu anderen Zwecken als der Codierung eines MPEG 2-Videoereignisses auf einem MPEG 2-gepackten Medium erlaubt ist. Ausdrücklich beinhaltet die Lizenz nicht die Erlaubnis zur Codierung eines oder mehrerer MPEG 2-Videoereignisse zur Aufnahme auf einem MPEG 2-gepackten Medium durch gewerbliche Kunden der Codiergeräte-Lizenznehmer. Vor dem Hintergrund dieser Beschränkungsregelung geht der Einwand der Bekl. fehl, die den Codiergeräteherstellern eingeräumte Lizenz umfasse auch den Gebrauch der lizenzierten Geräte auf der Abnehmerstufe, weil der Verkauf eines Codiergerätes wirtschaftlich nur Sinn mache, wenn die veräußerte Vorrichtung auch in Betrieb genommen werden dürfe. Abgesehen davon, dass die Lizenzvertragsparteien vertraglich etwas anderes vereinbart haben, ist darauf zu verweisen, dass sich die Benutzungserlaubnis auf der Stufe der Codiergeräteabnehmer selbstverständlich aus einer eigenen Lizenznahme am Klagepatent (für eben den Gebrauch des erworbenen Codiergerätes) ergeben kann. Wie die Kl. dargetan hat, entspricht es auch der Praxis, dass Authoring-Studios an den Schutzrechten des MPEG 2-Standards eine auf die Benutzung der Codiergeräte begrenzte Lizenz erteilt wird.
3.
Gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit der vertraglichen Lizenzbeschränkung sind unter diesen Umständen rechtliche Bedenken nicht zu erheben. Grundsätzlich steht es dem Patentinhaber als Ausfluss seiner alleinigen Verfügungsmacht über den Erfindungsgegenstand frei, den Inhalt der Lizenzgewährung nach seinem Ermessen zu bestimmen (vgl. Benkard, aaO, § 15 PatG Rn. 61). Die Erschöpfung reicht infolge dessen nur so weit wie die von der Lizenzerteilung erfassten Benutzungshandlungen (Benkard, aaO, Rn. 72). Erzeugnisse, die unter Missachtung der eingeräumten Lizenzbefugnisse in den Verkehr gelangt sind, verletzen das Patent. Sie werden nicht gemeinfrei, so dass auch der Abnehmer des Lizenznehmers durch das Gebrauchen solcher Gegenstände eine Patentverletzung begeht (vgl. Benkard, aaO, Rn. 73).
V.
Ohne Erfolg berufen sich die Bekl. auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand.
1.
Allerdings gehen beide Parteien zurecht davon aus, dass der Kartellrechtseinwand im Prozess über die Verletzung eines Patents zu berücksichtigen ist.
In seiner Entscheidung „Spundfass“ (InstGE 2, 168) hat der Kartellsenat des OLG Düsseldorf zwar die – gegenteilige – Auffassung vertreten, dass derjenige, der das Patent eines anderen benutzt, auch dann, wenn er vom Patentinhaber nach kartellrechtlichen Vorschriften die Einräumung eines (entgeltlichen) Benutzungsrechtes (d.h. den Abschluss eines Lizenzvertrages) verlangen kann, den Ausschließlichkeitsrechten aus dem Patent ausgesetzt bleibt, wenn er die Benutzung aufnimmt, ohne den Schutzrechtsinhaber um die Erteilung einer Lizenz ersucht oder – im Falle einer Ablehnung – ein Verfahren vor einer Kartellbehörde oder einem Kartellgericht betrieben zu haben, in welchem die Einräumung einer Lizenz hätte angeordnet werden können. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich der Bekl. durch ein derartiges Verhalten zur Durchsetzung einer vermeintlichen oder wirklichen Rechtsposition (scil.: seines Anspruchs auf Lizenzierung) eine Selbsthilfe anmaßt, die (sofern nicht die besonderen Voraussetzungen des § 229 BGB vorliegen) von der Rechtsordnung missbilligt wird.
Diesen Erwägungen – deren Berechtigung der BGH in seiner Revisionsentscheidung „Standard-Spundfass“ (GRUR 2004, 966) ausdrücklich offen gelassen hat – vermag die Kammer nicht zu folgen. § 229 BGB regelt lediglich einen Rechtfertigungsgrund, der besagt, dass derjenige, der zur Durchsetzung eines ihm zustehenden Anspruchs eine Sache wegnimmt etc rechtmäßig handelt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die eine eigenmächtige Rechtsdurchsetzung ausnahmsweise als geboten erscheinen lassen, insbesondere staatliche Hilfe zur Rechtsverfolgung nicht erreichbar ist. Mit Blick auf die Benutzung eines Patents im Vorgriff auf einen dem Benutzer in Ansehung des Patents zustehenden Lizenzierungsanspruch auf Grund kartellrechtlicher Vorschriften bedeutet dies, dass der Benutzer, der die Benutzung des Patents unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 229 BGB aufnimmt, rechtmäßig agiert und folglich keine Patentverletzung begeht. Etwaige Verbietungsrechte des Patentinhabers scheitern in einem solchen Fall bereits daran, dass es – wegen des Platz greifenden Rechtfertigungsgrundes nach § 229 BGB – an einer rechtswidrigen Patentbenutzung fehlt. Liegen die Selbsthilfevoraussetzungen des § 229 BGB nicht vor, so folgt daraus zwar umgekehrt, dass die Benutzungshandlungen des Lizenzsuchers rechtswidrig sind.
Mehr als ein Urteil über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Patentbenutzung ist mit der Antwort auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Selbsthilfevoraussetzungen allerdings nicht gefällt. Es ist insbesondere nichts darüber entschieden, ob der bestehende Anspruch auf Einräumung einer Lizenz an dem benutzten Patent den Verbietungsansprüchen des Schutzrechtsinhabers nicht auf einer anderen rechtlichen Ebene (als der der Rechtswidrigkeit) entgegengehalten werden kann. Im Gegenteil: Die Rechtsordnung kennt Derartiges in anderem Zusammenhang sehr wohl, wie beispielsweise § 1007 BGB für den Fall verdeutlicht, dass der hinsichtlich einer Sache materiell Berechtigte die Sache, die sich im Besitz eines anderen befindet, eigenmächtig an sich nimmt. Können die Selbsthilfevoraussetzungen des § 229 BGB nicht dargetan werden, ist die Besitzverschaffung rechtswidrig. Dem auf § 1007 BGB gestützten Herausgabeverlangen des früheren Besitzers kann der Bekl. dennoch – obgleich die von ihm begangene Selbsthilfe unberechtigt war – sein materielles Recht zum Besitz einredeweise entgegensetzen (§ 1007 III BGB), was zur Folge hat, dass die gegen ihn gerichtete Herausgabeklage abgewiesen wird. Es entspricht darüber hinaus einem allgemein gültigen Rechtssatz, dass niemand von einem anderen etwas soll verlangen können, was dieser sogleich wieder – wegen eines in der Person des in Anspruch Genommenen begründeten Gegenanspruchs – zurückverlangen könnte. Ein solches Begehren ist – unabhängig von der Art des im Einzelfall in Rede stehenden Anspruchs – rechtsmissbräuchlich, weshalb sich der Bekl. stets mit dem Einwand verteidigen kann, dass der Kl. ihm das, was er klageweise verlangt, augenblicklich wieder zu belassen habe. Dieser allgemeine, aus den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleitete Grundsatz findet auch im Patentverletzungsprozess Anwendung. Voraussetzung für die dolo-petit-Einrede ist freilich, dass der Bekl. beim Patentinhaber um die Erteilung einer Lizenz zu angemessenen Bedingungen nachgesucht hat, was in der Regel beinhaltet, dass er Letzterem ein konkretes Vertragsangebot unterbreitet hat, welches sich sachlich als interessengerecht und damit für den Patentinhaber annehmbar erweist. Ist solches geschehen, was im Streitfall vom Bekl. darzulegen sein wird, so setzt sich der Patentinhaber dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus, wenn er das Lizenzangebot entweder kategorisch zurückweist oder aber den Vertragsschluss von Bedingungen abhängig macht, die ihrerseits (kartell-)rechtswidrig sind und auf die sich deshalb der Bekl. redlicherweise nicht einzulassen braucht.
2.
Führt der Verletzungsbeklagte zu seiner Rechtsverteidigung an, der Patentinhaber sei auf Grund kartellrechtlicher Vorschriften (z.B. Art 82 EG, §§ 19, 20 GWB) verpflichtet, ihm am Gegenstand des Klagepatents eine (Zwangs-)Lizenz zu erteilen, so sind zwei grundsätzliche Fallkonstellationen auseinander zu halten:
a)
Denkbar ist zunächst, dass sich der Patentinhaber unter Berufung auf sein Ausschließlichkeitsrecht generell weigert, Dritten eine Lizenz, egal zu welchen Bedingungen, zu erteilen. Unter solchen Umständen stellt sich die Frage, ob den Schutzrechtsinhaber auf Grund Wettbewerbsrechts eine Pflicht zur Lizenzerteilung trifft. Sie kann sich vordringlich aus europäischen Kartellvorschriften – und hier namentlich aus Art 82 EG – ergeben und setzt voraus, dass der Patentinhaber eine marktbeherrschende Stellung innehat und außergewöhnliche Umstände gegeben sind. Solche liegen nach der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2004, 524 – IMS Health) vor, wenn (kumulativ)
o die begehrte Patentbenutzung für die Ausübung der Tätigkeit des Benutzers dergestalt unentbehrlich ist, dass für sie auch bei gehöriger eigener Anstrengung des Patentbenutzers kein tatsächlicher oder realistischer potenzieller Ersatz vorhanden ist,
o das lizenzsuchende Unternehmen beabsichtigt, auf dem Markt neue Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten, die der Schutzrechtsinhaber nicht offeriert und für die eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht,
o die Lizenzverweigerung nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist und
o durch die Weigerung jeglicher Wettbewerb auf einem abgeleiteten (benachbarten) Markt ausgeschlossen wird.
Ob auch das deutsche Kartellrecht eine Handhabe für eine Zwangslizenz in Fällen der Lizenzverweigerung bietet, ist streitig. Nach zutreffender und in der Literatur ganz herrschender Meinung (Constanze Kübel, Zwangslizenzen im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2004, S. 256 f.; Immenga/Mestmäcker, GWG, 3. Aufl., § 19 Rn. 218; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2, 2006, § 19 Rn. 90; a.A.: v. Bechtolsheim/ Bruder, WRP 2002, 55, 59, 63) kommt § 19 IV Nr. 4 GWB als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, weil Immaterialgüterrechte nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers nicht als „wesentliche Einrichtung“ angesehen werden können. Ob dieser Sachverhalt es verbietet, einen Kontrahierungszwang aus den Generalklauseln in § 19 I GWB und § 19 IV Nr. 1 GWB herzuleiten, wird kontrovers beurteilt (verneinend z.B. Constanze Kübel, aaO, S 257 f.; Immenga/Mestmäcker, aaO, § 19 Rn. 218 a.E.; bejahend: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO, § 19 Rn. 90).
Vorliegend bedarf dies jedoch keiner Entscheidung. Denn der Tatbestand einer Lizenzverweigerung liegt schon im Tatsächlichen nicht vor. Die Kl. ist – ganz im Gegenteil – zur Lizenzvergabe bereit, und zwar zu den Bedingungen des Standard-Lizenzvertrages, wie er von der MPEG LA LLC verwendet wird, oder zu den Konditionen ihres im Rechtsstreit unterbreiteten Einzel-Lizenzangebotes vom 19.10.2005.
b)
Ist der Schutzrechtsinhaber – wie hier – prinzipiell zur Lizenzierung gewillt, stellt sich unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten allein die Frage, ob seine Lizenzierungspraxis diskriminierend ist (weil Lizenzsucher ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden) oder ob unangemessene Lizenzgebühren verlangt werden (sog. Ausbeutungsmissbrauch). Einschlägig sind insoweit Art 82 EG (EuGH, Slg 1988, S. 6039, 6073 – Renault; Slg 1988, S. 6211, 6235 – Volvo/Veng) und § 19 IV Nr. 2, 3 GWB, § 20 GWB (vgl. Constanze Kübel, aaO, S. 259 f.). Für die Lizenzierung durch Patentpools, d.h. Zusammenschlüsse mehrerer Schutzrechtsinhaber zur gemeinsamen Lizenzierung der von ihnen gehaltenen Patente, gilt im Grundsatz auch dann nichts anderes, wenn die Schutzrechte zusammen einen Industriestandard bilden und Dritten eine Lizenzierung nur im Paket zu festen Lizenzgebühren angeboten wird.
aa)
Außer Frage steht zunächst, dass die Festlegung von Industriestandards auf bestimmten Technologiegebieten nicht nur wirtschaftlich sinnvoll und zweckmäßig ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit darstellt, deren äußeres Zeichen die verschiedenen Normungsorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene (z. B. DIN, CEN/CENELEC, ETSI, ISO/IEC) sind. Die Standards dienen beispielsweise der allgemeinen Sicherheit, dem Arbeits- oder Umweltschutz und kommen insofern staatlichen Vorgaben nach, oder sie schaffen Kompatibilitätsnormen, die unabdingbare Voraussetzung dafür sind, dass junge Technologiebereiche in angemessener Zeit einer breiten Öffentlichkeit zu akzeptablen Preisen erschlossen werden können. Ein Beispiel für den zuletzt erwähnten Anwendungsfall ist neben dem Bereich der Nachrichtentechnik mit seinem GSM-Standard auch der MPEG-Standard, ohne dessen technische Vereinheitlichungen die massenhafte Verbreitung der DVD-Technik undenkbar wäre. Die besagten – neuen – Technologiebereiche zeichnen sich regelmäßig durch eine hohe Innovationsrate und dementsprechend eine hohe Patentdichte aus, was zwangsläufig zur Konsequenz hat, dass für den Standard auf patentierte Technologien zurückgegriffen werden muss (Constanze Kübel, aaO, S. 64 f.).
In einem gebündelten Lizenzangebot der am Standard beteiligten Schutzrechtsinhaber als solchem liegt nichts Kartellrechtswidriges. Im Gegenteil dient es dem wohlverstandenen Interesse etwaiger Lizenzsucher, dass ihnen eine Benutzungserlaubnis für den gesamten Standard aus einer Hand zu einheitlichen Konditionen offeriert wird, weil sie damit der Notwendigkeit (und Last) enthoben werden, bei jedem einzelnen Schutzrechtsinhaber um eine Lizenz für dessen Patent(e) nachsuchen zu müssen. In ihren „Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 EG-Vertrag auf Technologietransfer-Vereinbarungen“ äußert dementsprechend auch die Europäische Kommission keine prinzipiellen Vorbehalte gegenüber Technologiepools, selbst wenn sie – de facto oder de jure – einen bestehenden Industriestandard unterstützen (Rn. 210-211). In Rn. 214 wird vielmehr ausdrücklich die den Wettbewerb stärkende Funktion von Technologiepools mit der Bemerkung hervorgehoben:
„Technologiepools können aber auch wettbewerbsfördernde Wirkungen haben, insbesondere, indem sie Transaktionskosten senken und der Kumulierung von Lizenzgebühren Grenzen setzen, so dass eine doppelte Gewinnmaximierung vermieden wird. Sie ermöglichen eine zentrale Lizenzvergabe für die vom Pool gehaltenen Technologien. Dies ist vor allem in Sektoren wichtig, in denen Rechte an geistigem Eigentum von größter Bedeutung sind, und es für die Marktpräsenz erforderlich ist, von einer erheblichen Anzahl von Lizenzgebern Lizenzen zu erhalten.“
Soweit der Pool lediglich aus Technologien besteht, zu denen es kein Substitut gibt und die für die Herstellung der Produkte oder die Anwendung der Verfahren, auf die sich der Pool bezieht, unerlässlich sind, gelangt die Kommission (Rn. 216, 220) zu der abschließenden Erkenntnis, dass die Einrichtung eines solchen Pools unabhängig von der Marktstellung der beteiligten Parteien in der Regel nicht unter das Kartellverbot nach Art. 81 I EG fällt.
Wettbewerbsrechtliche Bedenken können sich erst ergeben, wenn substituierbare Techniken in einem gewissen (dominierenden) Umfang Eingang in den Pool finden. Die Leitlinien führen hierzu in den Rn. 213 und 221 aus:
„Technologiepools können den Wettbewerb beschränken, denn ihre Gründung impliziert zwangsläufig den gemeinsamen Absatz der verbundenen Technologien, was bei Pools, die ausschließlich oder vorwiegend aus substituierbaren Technologien bestehen, zu einem Preiskartell führen kann. Darüber hinaus können Technologiepools nicht nur den Wettbewerb zwischen den Vertragsparteien verringern, insbesondere, wenn sie einen Industriestandard unterstützen oder de facto begründen, sondern durch den Ausschluss alternativer Technologien auch den Innovationswettbewerb. Ein vorhandener Standard und ein entsprechender Technologiepool können den Marktzugang für neue und verbesserte Technologien erschweren.“
„Werden nicht wesentliche, aber sich ergänzende Patente in den Pool einbezogen, besteht die Gefahr des Ausschlusses fremder Technologien. Denn sobald eine Technologie Bestandteil eines Pools ist und als Teil eines Pakets in Lizenz vergeben wird, dürfte es für die Lizenznehmer wenig Anreize geben, Lizenzen für konkurrierende Technologien zu erwerben, zumal dann, wenn die für das Paket gezahlten Lizenzgebühren bereits eine substituierbare Technologie umfassen. Darüber hinaus zwingt die Einbeziehung von Technologien, die für die Herstellung von Produkten oder die Anwendung von Verfahren, auf die sich der Technologiepool bezieht, nicht notwendig sind, die Lizenznehmer, auch für Technologien zu zahlen, die sie möglicherweise nicht benötigen. … „
bb)
Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Ausgangslage bleibt die Einlassung der Bekl., der MPEG 2-Standard sei kartellrechtswidrig zustande gekommen, ohne Erfolg.
(1)
Die Bekl. machen geltend, bei Errichtung des Standards sei nicht – wie geboten – soweit als möglich auf patentierte Technologien verzichtet worden. Im Gegenteil sei es das – am Ende erfolgreiche – Bestreben der an der Standardsetzung beteiligten Industrieunternehmen gewesen, möglichst viele ihrer Schutzrechte zu etablieren. Dieser Zielsetzung folgend seien auch erst nach – und nicht schon vor – der Ausarbeitung des Standards Erkundigungen nach etwa bestehenden Schutzrechten im Bereich des Standards eingeholt worden.
Unter dem Gesichtspunkt des Ausbeutungsmissbrauchs könnte das Vorbringen seine rechtliche Relevanz aus der Erwägung beziehen, dass, weil bei der Festlegung des Standards durch die Normungsorganisation IOS unnötigerweise patentierte Techniken berücksichtigt worden seien, die betreffenden Schutzrechte Eingang auch in den Standard-Lizenzvertrag der MPEG LA LLC gefunden und die den Lizenzsuchern abverlangten Gebühren unangemessen nach oben beeinflusst haben. Bei einer solchen Betrachtung bliebe allerdings unberücksichtigt, dass es sich bei den Normungsgremien – ungeachtet der Tatsache, dass in ihnen neben Anderen auch Vertreter der beteiligten Industrie mitwirken – um rechtlich und organisatorisch selbständige Institutionen mit eigenem Regelwerk zur Normsetzung handelt. Selbst wenn der klagende Patentinhaber an den Beratungen zur Standardsetzung beteiligt worden ist, bedeutet dies noch nicht, dass gerade er (ggf. im kollusiven Zusammenwirken mit anderen Schutzrechtsinhabern) die Arbeit des Normungsgremiums gelenkt und entscheidend veranlasst hat, dass statt einer zur Verfügung stehenden gleichwertigen patentfreien Lösung die zu seinen Gunsten patentierte Technik in den Standard aufgenommen worden ist. Für einen derartigen, die Kl. betreffenden Sachverhalt vermögen auch die Bekl. keinerlei Anhaltspunkte aufzuzeigen. Ob ein Patentinhaber dem Vorwurf kartellrechtswidrigen Verhaltens schon dann und allein deswegen ausgesetzt ist, weil ihm der ohne seine Einflussnahme zustande gekommene Industriestandard objektiv zugute kommt, erscheint äußerst fraglich, weil unter solchen Umständen nicht ersichtlich ist, dass und inwiefern Marktmacht missbraucht wird. Einer abschließenden Stellungnahme hierzu bedarf es jedoch nicht. Zur Darlegung einer missbräuchlichen Normsetzung wäre es nämlich Sache der für ihren Verteidigungseinwand beweispflichtigen Bekl. gewesen, nicht nur – wie geschehen – bloß pauschale Anschuldigungen und Verdächtigungen zu erheben, sondern substantiiert darzutun, welche gleichwertige patentfreie anstelle welcher patentierten Technik in den Standard hätte aufgenommen werden können. Entsprechende Alternativen hätten namentlich für das Klagepatent aufgezeigt werden müssen, wobei selbstverständlich ein einzelner Fall noch keinen „Missbrauch“ begründet. Erforderlich wäre vielmehr der Nachweis eines systematischen, im Zweifel mehrere Schutzrechte betreffenden Vorgehens gewesen, für die eine zur Verfügung stehende patentfreie Ausweichtechnik nicht übersehen werden konnte, aber bei der Standardsetzung übergangen worden ist. Zu den insoweit erforderlichen Details, ohne die jedwede Missbrauchsprüfung bereits im Ansatz scheitern muss, verhält sich der Sachvortrag der Bekl. in keiner Weise. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang die Ankündigung der Bekl. im Schriftsatz vom 17.08.2006 (S. 21; GA II 389), erforderlichenfalls spezifizierter vortragen und Beweise anbieten zu können. Für die rechtlich beratenen Bekl. konnte schlechterdings kein Zweifel daran bestehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer missbräuchlichen Lizenzierungspraxis, da es sich um einen gegenüber den Verbietungsrechten aus dem Klagepatent erhobenen Einwand zur Rechtsverteidigung handelt, nach allgemeinen Grundsätzen zu ihrer Darlegungs- und Beweislast stehen. Angesichts der Eindeutigkeit der prozessualen Rechtslage bedurfte es auch eines gerichtlichen Hinweises hierzu nicht. Bei ordnungsgemäßer Prozessführung verstand es sich deswegen von selbst, dass der Vorwurf einer missbräuchlichen Einbeziehung gewerblicher Schutzrechte in den MPEG 2-Standard mit substanzlosen Behauptungen, wie sie in den Schriftsätzen vom 16.03.2006 und 17.08.2006 enthalten sind, nicht zu untermauern ist, sondern einer ins Einzelne gehenden, der Erwiderung durch die Kl. und der Überprüfung durch das Gericht zugänglichen Substantiierung bedarf.
(2)
Dieselbe Beurteilung gilt für den Einwand der Bekl., in den MPEG 2-Standard seien ungültige Schutzrechte aufgenommen worden.
Im Rahmen ihrer kartellrechtlichen Ausführungen verhalten sich die Bekl. nicht näher dazu, um welche Patente es sich hierbei handeln soll. Selbst wenn angenommen wird, dass die Bekl. diejenigen Schutzrechte im Blick haben, die sie in den vor der Kammer geführten Rechtsstreitigkeiten mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen haben, so bleibt festzustellen, dass es sich um … (von derzeit insgesamt 134 zum MPEG 2-Standard gehörenden Patentfamilien) handelt. Keine der Nichtigkeitsklagen bietet dabei eine Erfolgsaussicht, die eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits vertretbar erscheinen lässt. Selbst wenn sich diese Prognose in dem einen oder anderen Fall als unzutreffend erweisen und es tatsächlich zur Vernichtung eines (oder mehrerer) zum Standard zählender Schutzrechte kommen sollte, ist damit noch keinesfalls ein „Missbrauch“ belegt. Von ihm könnte – wenn überhaupt – allenfalls dann gesprochen werden, wenn feststünde, dass nicht nur in einem einzelnen Fall versehentlich, sondern wiederholt systematisch schutzunfähige Patente in den MPEG 2-Standard aufgenommen worden sind, und zwar in Kenntnis und Billigung ihrer mangelnden Rechtsbeständigkeit. Allein der Erfolg einer Nichtigkeitsklage besagt deshalb noch nichts für einen Missbrauch, solange nicht festgestellt ist, dass die Vernichtungsentscheidung nicht auf einem erst nachträglich aufgefundenen Stand der Technik, sondern einer Entgegenhaltung beruht, die bereits bei der Standardsetzung positiv bekannt, zumindest aber ohne weiteres ermittelbar war, und angesichts derer die Schutzunfähigkeit klar zutage lag. Für ein derartiges Szenario bietet das Vorbringen der Bekl. keine Grundlage.
cc)
Erfolglos bemängeln sie gleichfalls, dass vor Aufnahme der einzelnen Schutzrechte in den Standard-Lizenzvertrag der MPEG LA LLC keine unabhängige Begutachtung daraufhin durchgeführt worden sei, ob das fragliche Schutzrecht durch den MPEG 2- Standard gestützt sei. Dieses Versäumnis eröffne die Möglichkeit, dass der den Lizenzsuchern angebotene Vertrag in missbräuchlicher Weise Schutzrechte berücksichtige, deren Benutzung durch den Standard nicht vorgegeben sei, was sich in unangebracht hohen Lizenzgebühren niederschlage.
Zwar ist den Bekl. zuzugestehen, dass ein Ausbeutungstatbestand regelmäßig zu bejahen sein wird, wenn nicht bloß in einem einzelnen, ggf. selbst bei gewissenhafter Prüfung nicht zu vermeidenden Fall, sondern planmäßig für die Einhaltung des Standards nicht notwendige Schutzrechte Eingang in den Lizenzvertrag finden, so dass der Zweck erkennbar wird, die Lizenzgebühren durch die Aufnahme möglichst vieler Patente ungerechtfertigt zu steigern. Die Beklagen haben indessen schon nicht vorgetragen, welche Lizenzschutzrechte aus welchen Gründen über den MPEG 2-Standard hinausgehen sollen. Allein der Umstand, dass die von der MPEG LA LLC für die Prüfung von Aufnahmeanträgen in den Standard hinzugezogenen Patentanwälte (denen auch die Bekl. die fachliche Eignung für die Beurteilung der maßgeblichen technischen Fragen nicht absprechen) nicht völlig unabhängig sind, sondern in Verletzungsprozessen aus zum Standard gehörenden Patenten als Parteivertreter von Schutzrechtsinhabern agieren, lässt für sich keinesfalls den Schluss auf eine missbräuchliche Bestückung des Lizenzvertrages mit Schutzrechten zu. Dass der Gutachter „im Lager der Schutzrechtsinhaber steht“, kann allenfalls die Gefahr mit sich bringen, dass bei der Begutachtung wirtschaftliche Interessen der dem Pool angehörenden Unternehmen – bewusst oder unbewusst – übermäßig berücksichtigt werden. In Übereinstimmung hiermit sehen auch die Leitlinien der Kommission in der Unabhängigkeit der Sachverständigen keine unverzichtbare Voraussetzung für eine kartellrechtsgemäße Poolbildung und Lizenzvertragsgestaltung, sondern lediglich einen indiziellen Faktor unter mehreren im Rahmen der Missbrauchsbeurteilung. Die Rn. 232, 233 führen in diesem Sinne aus:
„Ferner ist von Bedeutung, in welchem Umfang unabhängige Sachverständige bei der Gründung und den Tätigkeiten des Pools herangezogen werden. Beispielsweise ist die Bewertung, ob eine Technologie für einen vom Pool geschützten Standard wesentlich ist oder nicht, häufig ein komplexer Vorgang, der besonderes Fachwissen erfordert. Die Einschaltung unabhängiger Sachverständiger bei der Auswahl der Technologien kann langwierig sein, bis gewährleistet ist, dass die Auflage, lediglich wesentliche Technologien aufzunehmen, in der Praxis erfüllt ist.“
„Die Kommission wird berücksichtigen, wie die Sachverständigen ausgewählt werden und welche Aufgaben sie genau haben. Die Sachverständigen sollten von den Unternehmen, die den Pool bilden, unabhängig sein. Falls sie mit den Lizenzgebern verbunden oder sonst wie von ihnen abhängig sind, wird ihrem Beitrag weniger Gewicht beigemessen. Die Sachverständigen müssen ferner über das notwendige Fachwissen verfügen, um die verschiedenen Aufgaben zu erfüllen, mit denen sie betraut werden. …“
Generelle Verdächtigungen und Unterstellungen allein auf Grund der Nähe des Sachverständigen zu einzelnen Poolmitgliedern verbieten sich schon aus grundsätzlichen Erwägungen. Erst recht sind sie jedoch im Streitfall verfehlt, weil es sich bei den betroffenen Personen nicht um weisungsgebundene Angestellte, sondern um Patentanwälte handelt, die jedenfalls nach deutschem Verständnis einen freien Beruf ausüben (§ 2 PAO) und unabhängiges Organ der Rechtspflege sind (§ 1 PAO). Mit Rücksicht auf diese Stellung und Verantwortlichkeit ist der Grad einer etwaigen „Abhängigkeit“ von vornherein begrenzt und die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung des Begutachtungsergebnisses eher fernliegend. Angesichts dessen hätte es greifbarer Anhaltspunkte dazu bedurft, dass das ständige Mandatsverhältnis der Sachverständigen zu am Pool beteiligten Schutzrechtsinhabern tatsächlich zu unangemessenen Entscheidungen bei der Aufnahme einzelner Schutzrechte in den Standard-Lizenzvertrag geführt hat. Solche Umstände zeigt der Sachvortrag der Bekl. jedoch nicht einmal ansatzweise auf.
Hinzu kommt, dass dem Verletzer – wie vorliegend den Bekl. – ein etwaiger Kartellverstoß nur zugute kommen kann, wenn er von denjenigen Lizenzschutzrechten, die durch den Standard nicht gestützt werden, keinen Gebrauch macht. Benutzt er die betreffenden Schutzrechte nämlich gleichfalls, muss er hierfür auch eine Benutzungsgebühr zahlen, so dass das Fordern einer auch die für den Standard entbehrlichen Schutzrechte umfassenden Lizenzgebühr jedenfalls in Bezug auf ihn keinen Rechtsverstoß begründen kann. Zu einem rechtserheblichen Verteidigungsvorbringen gehört demgemäß nicht nur die Behauptung, bestimmte (konkret zu bezeichnende) Lizenzvertragsschutzrechte lägen außerhalb des Standards; vorgetragen werden muss darüber hinaus, dass von ihnen kein Gebrauch gemacht werde. Gemessen hieran sind die Darlegungen der Bekl. unzureichend. Sie ergeben nämlich nicht die Behauptung, dass und welches für den MPEG 2-Standard verzichtbare Lizenzschutzrecht von ihnen nicht benutzt werden soll.
dd)
Dass der Standard-Lizenzvertrag der MPEG LA LLC als Vergütung eine feste Stücklizenzgebühr und keinen prozentualen Anteil am Fabrikabgabepreis vorsieht, ist (kartell-)rechtlich unbedenklich.
In Lizenzverträgen wird als Bemessungsgrundlage für die Vergütungsberechnung zwar vielfach der vom Lizenznehmer mit der lizenzierten Vorrichtung oder Sachgesamtheit erzielte Umsatz vereinbart. Dahinter steht die Erwägung, dass eine Umsatzlizenz auf einfache Weise eine angemessene Beteiligung des Patentinhabers an denjenigen Vorteilen gewährleistet, die der Lizenznehmer aus der Benutzung des Lizenzschutzrechtes tatsächlich gezogen hat. Die Gebräuchlichkeit einer Umsatzlizenz besagt jedoch noch nicht, dass eine andere Art der Vergütungsberechnung (namentlich eine Stücklizenz) unangemessen wäre. Für den Streitfall trifft sogar das Gegenteil zu. Mit Recht verweist die Kl. darauf, dass eine Stücklizenzgebühr in besonderem Maße die kartellrechtlich gebotene Gleichbehandlung aller Lizenznehmer sicherzustellen vermag, weil die feste Stücklizenz für jeden Wettbewerber den selben preisbildenden Kostenfaktor schafft. Eine Umsatzlizenz würde demgegenüber zur Folge haben, dass sich die Lizenzgebühr proportional mit sinkenden Abgabepreisen reduzieren würde, was vor allem umsatzstarke Lizenznehmer begünstigen und ihnen einen Preiskampf zu Lasten kleinerer Lizenznehmer ermöglichen würde. Im Übrigen müssten die Lizenznehmer bei Vereinbarung einer Umsatzlizenz das Risiko auf sich nehmen, nicht mehr angemessen für ihre Erfindungen entlohnt zu werden, wenn die prozentual vom Umsatz berechneten Lizenzgebühren im Falle eines Preisverfalls auf dem Markt für die Lizenzprodukte nachhaltig sinken. Derartiges ist unzumutbar, weil jeder Lizenzgeber – auch der marktbeherrschende – unbestritten Anspruch auf Lizenzgebühren hat, die seinen Investitionen und seiner Innovationsleistung gebührend Rechnung tragen (Constanze Kübel, aaO, S. 278). Eine Lizenzgebührenregelung, die – wie die Vereinbarung einer Stücklizenz – diesem legitimen Anliegen dient, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
ee)
Die Einwände der Bekl. gegen die Lizenzhöhe greifen sämtlich nicht durch.
Das Fordern einer unangemessen hohen Lizenzgebühr kann für sich den Vorwurf des Missbrauches einer marktbeherrschenden Stellung rechtfertigen. Als „unangemessen“ ist eine Lizenzforderung zu betrachten, wenn sie den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt gebildet hätte, erheblich überschreitet, es sei denn, es gibt eine wirtschaftliche Rechtfertigung für diese Preisgestaltung (zu Art. 82 EG: EuGH, Slg 1978, S. 207, 305 – United Brands; zu § 19 IV Nr. 2 GWB: Immenga/Mestmäcker, aaO, § 19 Rn. 153, 159, 160). Zur Ermittlung des sich ohne Marktbeherrschung mutmaßlich ergebenden „als ob-Wettbewerbspreises“ ist das sog. Vergleichsmarktkonzept gebräuchlich, das aus einem räumlich, sachlich oder zeitlich vergleichbaren Markt mit intaktem Wettbewerb Rückschlüsse auf die hypothetische Lizenzgebührenbildung im beherrschten Markt zieht (zu Einzelheiten vgl. Immenga/Mestmäcker, aaO, § 19 Rn. 161-167 und Constanze Kübel, aaO, S. 250 f.). „Sachlicher Vergleichsmarkt“ meint in diesem Zusammenhang Märkte verwandter Waren oder Leistungen mit ähnlicher Produktionstechnik sowie ähnlicher Lieferanten- und Abnehmerstruktur. Die Vergleichsmärkte müssen nicht nur ohne Marktbeherrschung sein, sondern außerdem geeignetes und ausreichend sicheres Vergleichsmaterial liefern (BGH, WuW/E 2309, 2311 – Glockenheide). In geeigneten Fällen kann statt einer Vergleichsmarktbetrachtung auch das Konzept der Gewinnbegrenzung herangezogen werden, das die Entwicklungskosten des lizenzbereiten Patentinhabers und eine ihm zugebilligte (übliche) Gewinnspanne mit den tatsächlich geforderten Lizenzgebühren in Beziehung setzt (vgl. dazu Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO, § 19 Rn. 80; Constanze Kübel, aaO, S. 251 f.). Die Beweislast für die Voraussetzungen eines Ausbeutungsmissbrauchs liegt dabei nach allgemeinen Regeln beim Bekl., der sich zu seiner Rechtsverteidigung darauf beruft. Lediglich im Rahmen des Gewinnbegrenzungskonzepts treffen den Patentinhaber sekundäre Darlegungslasten zu seinen Entwicklungskosten, die dem Bekl. naturgemäß unbekannt sind und zu denen der Patentinhaber unschwer vortragen kann.
(1)
Zu keinem der vorgenannten – im eigenen Privatgutachten der Bekl. angesprochenen – Konzepte verhält sich der Vortrag der Bekl. in ausreichender Weise. Dass für die Lizenzierung der den MPEG 2-Standard betreffenden Schutzrechte ein räumlich oder zeitlich selbständiger, zum Vergleich geeigneter Markt mit Wettbewerb existiert (hat), ist nicht zu erkennen. Nachdem die Lizenzschutzrechte von Hause aus territorial beschränkt sind, die durch einen Industriestandard gesicherte Möglichkeit ihrer Vergabe den maßgeblichen „Markt“ für die Verleihung von Benutzungserlaubnissen begründet (BGH, GRUR 2004, 966, 967 f. – Standard-Spundfass) und die bei einer solchen Sachlage mit der Inhaberschaft der Lizenzschutzrechte verbundene Ausschließlichkeitsbefugnis die marktbeherrschende Position der Lizenzgeber hervorruft, wäre ein eben diese Schutzrechte und ihre Lizenzierung betreffender vergleichbarer Markt, der die Lizenzvergabe in einem anderen Territorium oder zu einer anderen (früheren) Zeit unter regulären Wettbewerbsbedingungen zum Gegenstand hat, von vornherein nur denkbar, wenn es zu einer Lizenzvergabe bereits vor der Etablierung des MPEG 2-Standards gekommen wäre. Dafür fehlen jedwede Anhaltspunkte. Auch zu einem sachlich vergleichbaren Markt, der nicht nur ein ähnliches technisches Gebiet voraussetzen, sondern außerdem einen funktionierenden Wettbewerb verlangen würde, haben die Bekl. nichts vorgetragen. Gänzlich pauschal ist ebenso ihre Einlassung, die Lizenzgebühren des Standard-Lizenzvertrages der MPEG LA LLC stünden zu den zu amortisierenden Entwicklungskosten der Lizenzgeber außer Verhältnis. Um plausibel zu machen, dass die verlangten Lizenzentgelte zu einem übermäßigen (unangemessenen) Gewinn auf Seiten der Poolmitglieder führen, hätte zumindest überschlägig dargetan werden müssen, welche Investitionen für die gesamten vom Standard gestützten Lizenzschutzrechte in Ansatz zu bringen sind, welche Einnahmen die Lizenzgeber in der Vergangenheit aus dem Standardvertrag erzielt haben und welche Einkünfte ihnen während der Restlaufzeit der Lizenzpatente voraussichtlich noch zufließen werden. Zu alledem verhalten sich die Bekl. nicht einmal andeutungsweise.
(2)
Substantiiert und einlassungsfähig ist allein ihr Vortrag zur Entwicklung der Fabrikabgabepreise für die den Markt dominierenden DVD 5 und DVD 9, deren Anteile im Jahr 2004 bei 44 % (DVD 5) und 54 % (DVD 9) gelegen hat. Für die rechtliche Beurteilung können insoweit die auf statistischen Erhebungen der Understanding #und# Solutions Ltd. gestützten Behauptungen der Bekl. unterstellt werden, dass die von einem Presswerk erzielten Fabrikabgabepreise für DVD 5 und DVD 9 von 1997 bis 2004 bzw. 2005 nach Maßgabe der nachfolgenden Übersichten um durchschnittlich etwa 80 % eingebrochen sind.
Entwicklung der DVD-Abgabepreise (1997 bis 2005):
1997
2005
Veränderung in %
DVD 5
DVD 9
Preisverteilung in 2004:
DVD 5
DVD 9
Kleine Produktionsmenge
(15 % Marktanteil)
Große Produktionsmenge, Filmgesellschaften
(70 % Marktanteil)
Zeiten geringer Auslastung
(10 % Marktanteil)
Covermounts
(5 % Marktanteil)
Es mag des weiteren – wie die Bekl. geltend machen – sein,
o dass nach den – allerdings nicht weiter belegten – aktuellen Feststellungen der Future plc. aus Februar 2006 derzeit keine Angebote für DVD-Pressaufträge mit einem Stückpreis über 0,30 EUR (DVD 5 und DVD 9) mehr nachgefragt werden und
o dass Universal Pictures kürzlich eine Ausschreibung für seine gesamte den europäischen Markt betreffende DVD-Produktion mit einem Stückpreis von 0,195 EUR (DVD 5) und 0,20 EUR (DVD 9) ausgeschrieben hat.
Sämtliche vorerwähnten Preise dürfen nicht ohne Rücksicht darauf bewertet werden, dass die DVD-Stückzahlen in demselben Zeitraum „explodiert“ sind. Unter Berufung auf die Daten der Understanding #und# Solutions Ltd. nennen die Bekl. für den Bereich der Europäischen Union zuzüglich der Schweiz selbst die nachstehend eingeblendeten Werte:
1997
2004
Es ist eine wirtschaftliche Selbstverständlichkeit, dass die seit 1997 rasant gestiegenen Stückzahlen eine Massenproduktion ermöglicht haben, die weitreichende Rationalisierungseffekte, Einsparungen beim Einkauf von Rohmaterialien und damit letztlich eine deutlich verbesserte Kostenstruktur erlaubt, als sie mit Blick auf die anfänglich nachgefragten Kleinserien gegeben war. Vor diesem Hintergrund stellt es eine natürliche und volks- wie betriebswirtschaftlich völlig berechtigte Erscheinung dar, dass die Fabrikabgabepreise mit steigender Nachfrage sinken. Das Nachgeben des Preisniveaus an sich kann deshalb keinesfalls rechtliche Folgerungen nach sich ziehen.
In Betracht kämen sie allenfalls dann, wenn der eingetretene Preisverfall für DVD`s ein Ausmaß erreicht hätte, bei dem die geforderten Lizenzgebühren einen außerverhältnismäßigen Anteil an dem unter Verwendung der Lizenzschutzrechte erzielbaren Umsatz ausmachen würden. Derartiges haben die Bekl. indessen nicht substantiiert vorgetragen. Es mag zutreffen, dass die von sämtlichen Patentpools (3C/4C, 6C, MPEG LA LLC, Philips-AC3) beanspruchten Stücklizenzgebühren in ihrer Summe – bei fallenden Fabrikabgabepreisen – einen stetig steigenden und mittlerweile durchaus beachtlichen Umsatzanteil ausmachen, wie dies aus der nachfolgenden Übersicht hervorgeht.
DVD 5
DVD 9
1997
2004
Der Lizenzgebührenanteil von ca. 20 % mag prima facie auch hoch erscheinen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei den lizenzpflichtigen DVD`s um Massenprodukte handelt, bei denen im Allgemeinen nur geringe Lizenzsätze vereinbart zu werden pflegen, weil sich hinreichende Lizenzsummen für den Schutzrechtsinhaber im Ergebnis über die erheblichen Stück- und Umsatzzahlen seines Lizenznehmers einstellen. Zu bedenken ist jedoch, dass der Lizenzanteil nicht nur eine einzelne Erfindung vergütet, sondern eine Vielzahl von Patenten verschiedener Inhaber abdeckt. Allein mit Blick auf den MPEG 2-Standard handelt es sich um ca. 700 Schutzrechte aus 134 Patentfamilien. Hinzuzurechnen sind die Schutzrechte (unbekannter Anzahl), welche vom 3C/4C-Pool, vom 6C-Pool und von Philips (AC3) verwaltet werden. Jeder der an einem der streitigen Technologiepools beteiligten Schutzrechtsinhaber hat – wie oben bereits angesprochen – für jede seiner in den Pool eingebrachten und benutzten Erfindungen Anspruch auf ein Entgelt, das nicht nur seine Entwicklungskosten amortisiert, sondern ihm darüber hinaus eine angemessene Belohnung für seine Innovationsleistung verschafft. Dass angesichts dieser zugunsten der Schutzrechtsinhaber einzustellender Bemessungsfaktoren die geforderte Stücklizenz – zumindest inzwischen – unangemessen wäre, gibt das Vorbringen der Bekl. nicht her.
Es bietet ebenso wenig einen Anhalt dafür, dass die Lizenzgebühren aus den erzielbaren Umsätzen nicht mehr unter Wahrung eines ausreichenden Eigengewinns bestritten werden können. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die – allein mitgeteilte – Situation der Bekl. zu 1 an (bei der sich die Fertigungskosten für eine DVD 5 auf 0,1985 US-Dollar und für eine DVD 9 auf 0,2016 US-Dollar belaufen sollen), sondern darauf, wie sich die Herstellungskosten bei den Presswerken – unter Ausschöpfung möglicher und zumutbarer Einsparpotenziale – allgemein darstellen. Nur eine in diesem Sinne auf den Durchschnitt abstellende Betrachtung stellt sicher, dass der Vorwurf eines Ausbeutungsmissbrauchs nicht ungerechtfertigt an die betriebswirtschaftlichen Sonderbedingungen eines einzelnen Wettbewerbers anknüpft, dessen Rationalisierungsgrad ggf. unzureichend oder dessen sonstige betriebliche Effizienz verbesserungsbedürftig ist, sondern an die für den beherrschten Markt typischen Produktions- und Vertriebsbedingungen. Zur allgemeinen Kostenlage bei den Presswerken fehlen hingegen jegliche Angaben der Bekl..
(3)
Soweit die Bekl. darauf aufmerksam machen, dass ein besonders krasser Preisverfall im Bereich der Pressung von Covermounts eingetreten sei, welche etwa 45-50 % ihres gesamten Auftragsvolumens ausmachten, rechtfertigt auch dies keine andere Beurteilung. Es mag sein, dass die über alle Marktsegmente (kleine Produktionsmengen, Aufträge von Filmgesellschaften, Bestellungen zu Zeiten geringer Auslastung, Covermounts) hinweg einheitliche Lizenzgebührenbelastung die Bekl. auf Grund der weit überdurchschnittlichen Bearbeitung von Covermounts in besonderem Maße unter Kostendruck setzt. Der Vorwurf eines Ausbeutungsmissbrauchs lässt sich daraus schon deshalb nicht ableiten, weil es nicht Aufgabe des Kartellrechts ist, jedem Wettbewerber unabhängig von seiner konkreten Ausrichtung im fraglichen Markt eine gewinnbringende Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Gerade weil die Poolmitglieder – worauf die Bekl. in anderem Zusammenhang selbst abheben – gehalten sind, alle Lizenzsucher gleich zu behandeln, ist es gerechtfertigt, dass sich die Lizenzbedingungen an den durchschnittlichen Verhältnissen auf dem beherrschten Markt orientieren. Die Fabrikabgabepreise speziell auf dem Marktsegment der Pressung von Covermounts können von daher bei der Festsetzung angemessener Lizenzgebühren allein deswegen nicht den Ausschlag geben (oder auch nur einen irgendwie nennenswerten Einfluss ausüben), weil ihr Marktanteil mit etwa 5 % vernachlässigbar gering ist.
ff)
Einen Kartellverstoß unter Diskriminierungsgesichtspunkten haben die Bekl. ebenso wenig nachgewiesen.
(1)
Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend stehen die Bekl. auf dem Standpunkt, dass eine Diskriminierung insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Zugang zu einem nachgelagerten Markt auf Grund einer Norm oder normähnlichen Rahmenbedingung von der Einhaltung der patentgemäßen Lehre abhängig ist und der Patentinhaber diesen Umstand dazu ausnutzt, den Marktzutritt nach Kriterien zu beschränken, die der Zielsetzung des GWB (die Freiheit des Wettbewerbs zu gewährleisten) widersprechen (BGH, GRUR 2004, 966 – Standard-Spundfass). Will der Patentinhaber Lizenzinteressenten unterschiedlich behandeln, indem er einzelne von ihnen entweder vollständig von einer Lizenzerteilung ausschließt oder Lizenzen zu schlechteren Konditionen anbietet als anderen Lizenznehmern, muss er hierfür sachliche Gründe anführen können. An sie dürfen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden, wenn die technische Lehre des Lizenzpatents zu einer Industrienorm erhoben worden ist, so dass der Schutzrechtsinhaber seine marktbeherrschende Stellung nicht allein dem in der patentierten Erfindung liegenden technischen Fortschritt verdankt, sondern im wesentlichen auch der Tatsache, dass sich auf Grund des bestehenden Industriestandards von vornherein keine Nachfrage nach anderen konkurrierenden technischen Lösungen entwickeln kann (BGH, GRUR 2004, 966, 968 – Standard-Spundfass). Ob die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, richtet sich danach, ob die relative Schlechterbehandlung der betroffenen Unternehmen als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige Angebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder aber auf Willkür bzw. wirtschaftlich/unternehmerisch unvernünftigem Handeln beruht (BGH, GRUR 2004, 966, 969 – Standard-Spundfass). Die Beweislast für die Ungleichbehandlung hat der Bekl., der sich auf den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot beruft; sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung sind vom marktbeherrschenden Patentinhaber nachzuweisen.
Dies vorausgeschickt, ist der Vortrag der Bekl. grundsätzlich beachtlich, freie Presswerke würden dadurch diskriminiert, dass die Mitglieder des 4C- und des 6C-Pools sowie die X sich kostenlose Kreuzlizenzen eingeräumt hätten, wovon die konzernzugehörigen Presswerke – X und X – im Wettbewerb profitierten. Rechtlich erheblich ist genauso die weitere Behauptung der Bekl., der Firma X seien von der MPEG LA LLC insgeheim Vorzugsbedingungen eingeräumt worden, wonach als Jahreslizenz ein maximaler (der X angesichts ihrer ganz erheblichen Stückzahlen vorhersehbar zugute kommender) Betrag von 2.000.000 US-Dollar geschuldet werde. Dass die Verteidigung der Bekl. dennoch erfolglos ist, findet seinen Grund darin, dass die Diskriminierungsbehauptungen von der Kl. zulässig bestritten und seitens der darlegungspflichtigen Bekl. beweislos geblieben sind.
(a)
Für die angeblichen Kreuzlizenzen beziehen sie sich ausschließlich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches offensichtlich keine Aufklärung bringen kann. Nachdem es um vertragliche Absprachen zwischen verschiedenen Unternehmen geht, kommt von vornherein lediglich ein Zeugenbeweis in Betracht, der von den Bekl. indessen nicht angeboten wird. Die Bekl. beziehen sich auch nicht auf schriftliche Vertragsunterlagen über die Kreuzlizenzierungen, für deren Vorhandensein auch sonst jegliche Anhaltspunkte fehlen. Ein Urkundenbeweis kommt von daher ebenso wenig in Betracht wie eine – von Amts wegen mögliche – Vorlageanordnung nach §§ 142, 144 ZPO. Sie liefe überdies auf eine unzulässige Ausforschung hinaus, nachdem nicht vorgetragen ist, auf Grund welcher tragfähigen Erkenntnisse die Bekl. zu der Annahme gekommen sind, die Poolmitglieder hätten sich wechselseitig Freilizenzen eingeräumt. Der gleiche Einwand ist gegenüber dem Verlangen der Bekl. zu erheben, die Kl. möge sämtliche Lizenzverträge über zum MPEG 2-Standard gehörende Patente einschließlich der dazugehörenden Lizenzabrechnungen vorlegen, die mit einem in der Europäischen Union ansässigen Presswerk abgeschlossen worden sind. Es steht nicht zur Darlegungs- und Beweislast der Kl., dass Presswerke von der MPEG LA LLC gleich behandelt werden; vielmehr ist es umgekehrt Sache der Bekl., eine Ungleichbehandlung in wenigstens einem Fall darzutun. Insofern genügen keine bloßen Verdächtigungen, sondern belastbare Tatsachen, die eine Nichtzahlung von Lizenzgebühren mindestens wahrscheinlich machen. Solche Umstände werden von den Bekl. nicht aufgezeigt, und zwar schon deshalb nicht, weil substantiiert lediglich zur eigenen Kostenstruktur der Bekl. zu 1 vorgetragen wird, die nicht ohne weiteres aussagekräftig für die gesamte Branche ist. Selbst wenn die Kosten- und Gewinnsituation der Bekl. zu 1 Lizenzzahlungen in der dem Standard-Lizenzvertrag entsprechenden Höhe nicht zulassen sollte, bedeutet dies deshalb noch keineswegs, dass die Verhältnisse bei den übrigen Presswerken gleichgelagert sind, so dass die Annahme in Betracht zu ziehen wäre, dass solche Lizenzzahlungen – wie behauptet – auch tatsächlich nicht geleistet werden.
(b)
Was den DVD-Hersteller SX betrifft, ist der Kammer aus einem parallelen Verletzungsverfahren bekannt, dass dieser zwischenzeitlich im Vergleichswege eine Lizenz zu den Bedingungen des Standard-Vertrages genommen hat.
(c)
Für die behaupteten Vorzugskonditionen der Firma X hat die durchgeführte Beweisaufnahme keinen stichhaltigen Beleg erbracht. Eigenem Bekunden zufolge hat der Zeuge Küstner keine Vertragsurkunde eingesehen, mit der der Firma X – abweichend vom Inhalt der seitens der Kl. vorgelegten Vertragsurkunden – von der MPEG LA LLC eine Maximallizenz der behaupteten Art eingeräumt worden ist. Er gibt lediglich an, am 16.11.2004 bei der X in London ein an diese gerichtetes Schreiben der Firma Thomson gesehen zu haben. In dem Brief, dessen genauer Wortlaut dem Zeugen nicht erinnerlich war, sei von einer Vereinbarung die Rede gewesen, derzufolge für die europäische DVD-Produktion eine Jahres-MPEG-Lizenzgebühr von 2.000.000 US-Dollar „zu kalkulieren“ sei. Dass die besagte Summe als maximaler Betrag ausgewiesen gewesen sei, hat der Zeuge auf Nachfrage nicht bestätigt.
Mit dem geschilderten Inhalt vermag die Aussage den Beweis für eine Vorzugsbehandlung der Firma X nicht zu erbringen. Eine erste Unwägbarkeit ergibt sich bereits daraus, dass der Zeuge lediglich von einer Mitteilung über den Vertragsinhalt berichtet. Insofern ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass die Mitteilung auf einem unzutreffenden Verständnis des tatsächlich Vereinbarten beruht. Selbst wenn dieses Bedenken jedoch zurückgestellt wird, kann die von dem Zeugen bekundete Aussage, für die MPEG-Lizenzgebühren seien pro Jahr 2.000.000 US-Dollar „zu kalkulieren“, zwanglos und sogar naheliegend als bloße Voraussage darüber verstanden werden, auf welchen Betrag sich die Vertragslizenzgebühren bei Berücksichtigung der für den europäischen Raum in Aussicht genommenen Stückzahlen wahrscheinlich summieren werden – und deshalb in die Finanzplanung von X einzustellen sind. Ein dahingehendes Verständnis könnte sich allenfalls dann verbieten, wenn das europäische Produktionsvolumen von X bei Anwendung der Vertragsstücklizenz einen über 2.000.000 US-Dollar hinausgehenden Betrag sicher hätte erwarten lassen. Dafür fehlen indessen zureichende Anhaltspunkte. Sie ergeben sich auch nicht aus den von der Kl. für die X mitgeteilten Lizenzzahlungen von mehr als 100.000.000 US-Dollar seit 1.01.2003. Zum einen betrifft der Lizenzbetrag die weltweite DVD-Produktion und nicht nur den europäischen Raum; zum anderen schließt sie sämtliche Konzerngesellschaften ein, während sich das von dem Zeugen erwähnte Schreiben wahrscheinlich nur auf die britische Technicolorgesellschaft und deren Produktion bezieht. Für etwas anderes fehlen jedenfalls Anhaltspunkte.
Sichere Rückschlüsse auf die Einräumung einer Maximallizenz lässt ebenso wenig die Bemerkung des Zeugen zu, bei der Bewerbung um Pressaufträge der Firma X (welche diese aus Kapazitätsgründen nicht selbst habe ausführen und deshalb an dritte Firmen vergeben habe) seien die Angebotspreise ohne Berücksichtigung einer 3C-, 4C-, MPEG- und DVA-Lizenz auszuweisen gewesen. Hintergrund für diese Vorgehensweise kann ohne weiteres gewesen sein, dass X die Lizenzgebühren in Fällen der Drittvergabe von Pressaufträgen selbst wie für von in eigenen Fertigungsstätten hergestellte DVD`s abführt und deswegen – zurecht – nicht bereit ist, die betreffenden Lizenzgebühren als Teil der Vergütung für die ausgelagerte Produktion nochmals (mithin doppelt) zu zahlen. Voreilige gegenteilige Schlüsse verbieten sich vorliegend um so mehr, als es die Bekl. durch Benennung der verantwortlichen von X als Zeugen in der Hand gehabt hätten, den Sachverhalt einer weiteren Aufklärung zuzuführen.
(d)
Soweit die Bekl. – pauschal – behaupten, die polnische Firma Takt zahle, sofern sie Lizenznehmerin der MPEG LA LLC sei, jedenfalls nicht die Stücklizenzgebühr von 0,03 US-Dollar, und hierzu Zeugenbeweis anbieten, ist dem nicht weiter nachzugehen. Die Bekl. tragen nicht vor, welche Lizenzbedingungen der Firma X statt dessen eingeräumt worden sein sollen. Dies ist jedoch rechtlich erheblich, weil eine Diskriminierung beispielsweise zu verneinen wäre, wenn zwar ein verringerter Lizenzsatz ab einer bestimmten Stückzahl vereinbart worden wäre, die tatsächliche Produktionskapazität des Lizenznehmers es jedoch ausschließen würde, in den Genuss dieser Vergütungsregelung zu kommen. Nachdem die Bekl. sich zu der Art der angeblichen Vorzugsbehandlung nicht weiter verhalten, liefe eine Vernehmung der benannten Zeugen darauf hinaus, rechtserheblichen Tatsachenvortrag, der von den Bekl. zu leisten wäre, im Wege der Beweisaufnahme erst zu Tage zu fördern. Solches ist prozessual unzulässig.
(e)
Fehl geht der von den Bekl. erst im Verhandlungstermin vom 31.10.2006 (4b O 508/05) vorgebrachte Hinweis auf ein Schreiben der MPEG LA LLC vom 15.11.2004 an die X. Soweit das Dokument unter Ziffer (7) Regelungen zur Lizenzzahlung in Fällen von Kunden-Retouren enthält, ergibt sich hieraus schon deshalb keine Bevorzugung eines einzelnen Lizenznehmers am MPEG 2-Standard, weil die Kl. unwidersprochen vorgetragen hat, dass das besagte Schriftstück allen Lizenznehmern nach Abschluss des MPEG 2-Standard-Lizenzvertrages übermittelt wird. Bestätigt wird diese Behauptung durch die Eingangsbemerkung des Schreibens, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass dem Lizenznehmer im Hinblick auf die Vollziehung der vertraglichen Lizenz Hinweise zum Verständnis und zur Handhabung verschiedener Vertragsklauseln durch die X gegeben werden. Übereinstimmend ist auch am Ende des Schreibens davon die Rede, dass es sich bei den Auslegungshinweisen und Durchsetzungsgepflogenheiten um eine Zusatzvereinbarung zum Lizenzvertrag handelt. Die unmittelbar vorangehende Bemerkung, wonach sich der Lizenznehmer auf die im Schreiben vom 15.11.2004 niedergelegten Interpretationen bereits bei Abschluss des Lizenzvertrages verlassen hat, bringt nicht mehr zum Ausdruck, als dass es sich um Inhaltsbestimmungen handelt, die für das Vertragsverhältnis von Anfang an gelten sollen und mithin keinen erst nachträglich in Kraft tretenden Regelungsgehalt darstellen. Ungeachtet all dessen gibt der Sachvortrag der – für den Tatbestand einer Ungleichbehandlung beweispflichtigen – Bekl. nicht her, wann der Lizenzvertrag zwischen der X und der X zustande gekommen ist. Allein deswegen ist die Behauptung der Kl. unwiderlegt, dass das Anschreiben vom 15.11.2004 nach – und nicht vor – dem Abschluss des Lizenzvertrages datiert. Wird aber das Erläuterungsschreiben nicht im Vorfeld versandt, so können die Bekl. auch nichts daraus herleiten, dass ihnen im Zuge der – ergebnislosen – Lizenzverhandlungen mit der X ein derartiges Schreiben nicht vorgelegt worden ist. Prozessual unbeachtlich ist gleichfalls das im Schriftsatz vom 6.11.2006 enthaltende Beweisangebot der Bekl. dahingehend, „ den Zeugen X ( dazu zu vernehmen, dass X Lizenznehmern wie beispielsweise X Vorzugskonditionen, nämlich Lizenzgebührenerleichterungen, eingeräumt hat. „ Der Beweisantritt ist auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet, nachdem die Bekl. nicht angeben, welche „Lizenzgebührenerleichterungen“ genau den besagten Firmen gewährt worden sein sollen. Im Zusammenhang mit dem Beweisangebot wird weder die angebliche Maximallizenz von 2.000.000 US-Dollar erwähnt noch sonst eine konkrete Vertragsregelung benannt, welche die Firmen X und X gegenüber den anderen Lizenznehmern besser stellen würde. Die begehrte Vernehmung liefe somit darauf hinaus, rechterhebliche Tatsachen, die von den Bekl. vorzutragen gewesen wären, erst mit Hilfe des Zeugen zu ermitteln. Dazu ist das Beweisrecht der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen.
(f)
Zugunsten der Bekl. kann schließlich unterstellt werden, dass die X – was die Bekl. allein konkret vorgetragen haben – am 10.10.2005 der X ein Angebot für die Pressung von X zu einem Betrag von 0,19 EUR (DVD 5) und 0,20 EUR (DVD 9) unterbreitet hat. Aus dieser Preisgestaltung allein lässt sich nicht die tatrichterliche Feststellung (i.S. eines jeden anderen Geschehensablauf vernünftigerweise ausschließenden Sachverhaltes) ableiten, dass die X von einer Lizenzzahlungspflicht freigestellt sein muss. Vielmehr ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass die X nur auf Grund einer überdurchschnittlich günstigen und auch den Verhältnissen bei der Bekl. zu 1 überlegenen betrieblichen Kostenstruktur zu dem besagten Angebot in der Lage war. Des weiteren ist denkbar, dass es sich bei dem Angebot um eine vereinzelte Aktion zu Zwecken des Preisdumpings ohne eigenen nennenswerten Gewinnaufschlag gehandelt hat. Zumindest bietet das Vorbringen der Bekl. keine Grundlage dafür, eine derartige Sachverhaltsgestaltung von vornherein auszuschließen.
(2)
Eine Ungleichbehandlung liegt tatbestandlich nicht nur vor, wenn der marktbeherrschende Patentinhaber einzelnen Lizenzsuchern vertragliche Vorzugskonditionen einräumt, die er anderen verweigert, sondern gleichermaßen dann, wenn er seine Verbietungsrechte aus dem Patent selektiv durchsetzt, indem er gegen einzelne Wettbewerber Verletzungsklage erhebt, um sie in den Lizenzvertrag zu zwingen, andere Wettbewerber hingegen bei der Benutzung seines Schutzrechts gewähren lässt. In ihren faktischen Auswirkungen bedeutet eine solche Prozessstrategie nichts anderes, als dass einem Teil der Wettbewerber unentgeltliche, einem anderen Teil der Wettbewerber hingegen nur entgeltliche Lizenzen eingeräumt werden. Nicht jede über einen gewissen Zeitraum objektiv unterlassene Verletzungsklage rechtfertigt allerdings den Vorwurf der Diskriminierung. Ein „Missbrauch“ setzt vielmehr voraus, dass es sich bei dem verschonten Konkurrenten um einen dem Schutzrechtsinhaber bekannten oder lediglich infolge Verletzung der Marktbeobachtungspflicht unbekannten Verletzer handelt, gegen den vorzugehen dem Patentinhaber nach den gesamten Umständen – zu denen beispielsweise der Umfang der Benutzungshandlungen und die Rechtsschutzmöglichkeiten im Verfolgungsland zählen – zuzumuten ist. Im Interesse der kartellrechtlich gebotenen Gleichbehandlung ist die Zumutbarkeitsschwelle freilich nicht allzu hoch anzusetzen.
Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen ist das Vorbringen der Bekl. nicht geeignet, einen Diskriminierungstatbestand auszufüllen. Die Kl. hat eine namentliche Liste von weltweit insgesamt 1063 Lizenznehmern der X vorgelegt und erläuternd ausgeführt, dass sich unter den Lizenznehmern 114 Presswerke mit einem Marktanteil von 88 % befinden, wobei es sich in 44 Fällen um in Europa beheimatete Unternehmen handelt. Die Bekl. machen demgegenüber zwar geltend, dass in Europa mehr als 100 Presswerke aktiv seien, ohne diese Behauptung jedoch näher zu konkretisieren. Abgesehen von der polnischen Firma X, die jedoch ausweislich Ziffer 911 der vorliegenden Liste Lizenznehmerin der MPEXist, und der ebenfalls in Polen ansässigen X, die unstreitig nicht zu den Lizenznehmern der X gehört, haben die Bekl. kein einziges Presswerk namhaft gemacht, das, ohne im Besitz einer Lizenz zu sein, unbeanstandet vom MPEG 2-Standard Gebrauch macht. Nur mit entsprechend spezifizierten, für die Kl. einlassungsfähigen Angaben hätten die Bekl. indessen ihrer Darlegungslast dafür genügen können, dass die Mitglieder des MPEG 2-Pools Benutzer des Standards ungleich behandeln, indem sie Patentverletzungen des von ihnen in die Verwaltung der MPEG LA LLC gegebenen Technologiepools missbräuchlich dulden. Nur soweit sich die Bekl. auf die Aktivitäten der lizenzfreien X beziehen, hat ihr Vortrag hinreichende Substanz. Mit der Bezugnahme auf das von den Bekl. überreichte Angebotsschreiben ergibt jedoch das eigene Vorbringen der Bekl., dass die X – Gegenteiliges wird zumindest nicht konkret vorgetragen – erst seit Februar 2006 auf dem europäischen Markt tätig ist, wobei die betreffenden Angebotsunterlagen weder (z.B. im Internet) öffentlich zugänglich waren noch an die X oder eines der Poolmitglieder adressiert sind, sondern an die X in X versandt wurden. Bei dieser Sachlage ist die Einlassung der Kl. glaubhaft und zur Ausräumung des Diskriminierungsvorwurfs ausreichend, dass sie von den Geschäftsaktivitäten der X erst im Mai 2006 erfahren und daraufhin die zur Rechtsverfolgung gegen die X notwendigen Schritte eingeleitet hat. Nach dem unwidersprochenen gebliebenen Vorbringen der Kl. im Verhandlungstermin vom 31.10.2006 sind in der vorgerichtlichen Korrespondenz zwischenzeitlich etwa zehn Schreiben ausgetauscht. Für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen hat die Kl. angekündigt, selbstverständlich auch ein gerichtliches Vorgehen in Erwägung zu ziehen. Dass diese Ankündigung ernsthaft ist, wird nicht nur durch die bei der Kammer gegen ein anderes deutsches Presswerk anhängigen Verletzungsklagen gestützt, die zwischenzeitlich durch Vergleich beendet sind, sondern findet seine Bestätigung zusätzlich in den darüber hinaus auch in der Vergangenheit vor dem LG Düsseldorf gegen verschiedene europäische Presswerke geführten Patentverletzungsstreitigkeiten.
3.
Bei dem gefundenen Resultat geht der Einwand der Bekl., es sei kartellrechtswidrig, dass in den bei dem LG Düsseldorf zeitgleich eingereichten Klagen insgesamt 15 Patente aus dem MPEG 2-Technologiepool gegen sie – die Bekl. – geltend gemacht würden, bereits im Ansatz fehl. Wie dargelegt, weigern sich die Bekl., den Standard-Lizenzvertrag abzuschließen. Nachdem rechtliche Bedenken gegen die Lizenzbedingungen – wie dargelegt – nicht aufgezeigt worden sind, so dass den Bekl. eine Lizenznahme zu den ihnen angebotenen Bedingungen zumutbar war, ist es das gesetzlich verbriefte Recht eines jeden Patentinhabers, Ansprüche wegen der widerrechtlichen Verletzung seines Patents notfalls auch mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen. Dass dies vorliegend abgestimmt in einer Prozessserie geschieht, ist weder unter kartellrechtlichen noch unter sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden; die Klageerhebungen sind insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt: Die Argumentation der Bekl. läuft darauf hinaus, dass die Schutzrechtsinhaber die fortgesetzt patentverletzenden Handlungen der Bekl. hinnehmen sollen, obwohl die Bekl. eine Lizenz zu angemessenen und gleichen Bedingungen nicht nehmen wollen. Eine derartige Konsequenz – welche die Bekl. in anderem Zusammenhang selbst als kartellrechtswidrig brandmarken – ist schlechterdings unhaltbar.
VI.
Aufgrund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Klageansprüche im zuerkannten Umfang begründet.
1.
Die Kl. wendet sich nicht gegen die von der Bekl. zu 1 unstreitig hergestellten und vertriebenen DVD`s mit codierten Videodaten bzw. Videofilmen. Gegenstand ihres Angriffs sind allein die zur Pressung der DVD`s notwendigen Vorlagen, nämlich die „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“, „Master“ und/oder „Stamper“. Als Verletzer ist die Bekl. zu 1 insoweit zunächst deshalb anzusehen, weil sie die patentierte Erfindung durch das Pressen von „Stampern“ und DVD`s selbst unberechtigt benutzt hat, wobei als taugliche Benutzungshandlungen gem. § 9 I Satz 2 Nr. 3 PatG das Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen oder zu diesen Zwecken entweder Einführen oder Besitzen in Betracht kommen. Darüber hinaus muss sich die Bekl. zu 1 die Handlungen der X zurechnen lassen. Die Bekl. zu 2 und zu 3) haften auf Grund ihrer Geschäftsführerstellung als Mittäter (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 182 – Miss 17) gem. § 831 BGB persönlich in demselben Umfang wie die Bekl. zu 1
a)
Bezüglich der eigenen Herstellungs- und Vertriebsaktivitäten der Bekl. zu 1 ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Bekl. zu 1 von ihren Auftraggebern direkt oder von einem Authoring-Studio als Pressvorlage „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ oder „Master“ erhält. Mittels dieser Vorlagen, welche die Bekl. zu 1 in ihrem Presswerk nicht selbst produziert, erstellt die Bekl. zu 1 einen „Glassmaster“, aus dem ein „Stamper“ angefertigt wird, welcher schließlich zur Vervielfältigung der DVD`s dient.
aa)
Bei der geschilderten Sachlage ist in Bezug auf die streitbefangenen „ Stamper „ ein Gebrauchen gegeben. Letzteres unternimmt die Bekl. zu 1, wenn sie die „Stamper“ bestimmungsgemäß dazu verwendet, DVD`s mit übereinstimmendem Dateninhalt in Serie zu pressen. Gleichermaßen trifft auf die Bekl. zu 1 die Handlungsalternative des Besitzes zu. Die nach wirtschaftlichen Kriterien erforderliche tatsächliche Sachherrschaft (Benkard, aaO, § 9 Rn. 48; Busse, aaO, § 9 Rn. 82; Schulte, aaO, § 9 Rn. 50) muss zwar zum Zwecke der in § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG genannten Benutzungshandlungen erfolgen, was nicht mit Bezug auf das Herstellen der „Stamper“ durch die Bekl. zu 1 bejaht werden kann, weil der Besitz des Erzeugnisses gedanklich zwingend dem Herstellen nachfolgt, so dass, wenn die Sache bereits hergestellt ist, nicht mehr von einem Besitz zum Zwecke der Herstellung gesprochen werden kann (Busse, aaO, § 9 Rn. 82). Die Bekl. zu 1 besitzt die von ihr hergestellten „Stamper“ jedoch, um sie im obigen Sinne als Pressvorlage zu gebrauchen.
Nicht festzustellen ist demgegenüber ein Anbieten, Inverkehrbringen und Einführen der „Stamper“.
Als Anbieten i.S. des § 9 PatG ist jedwede wirtschaftlich zu betrachtende Handlung anzusehen, die das Zustandekommen eines Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patentes stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern soll. Ausreichend ist eine Handlung, die einem bestimmten oder beliebigen Dritten erkennbar macht, dass eine Veräußerung oder Gebrauchsüberlassung beabsichtigt ist, und die den Empfänger anregen soll, das Erzeugnis, das von der Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, zum Eigentum oder zur Benutzung zu erwerben (BGH, Mitt 2005, 372 – Radschützer; 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; 1970, 358 – Heißläuferdetektor; OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417; Benkard, aaO, § 9 Rn. 41; Busse, aaO, § 9 Rn. 72; Schulte, aaO, § 9 Rn. 45).
Eine derartige Handlung ist mit Blick auf den „Stamper“ nicht zu erkennen. Die Bekl. selbst haben ein Anbieten ausdrücklich bestritten und geltend gemacht, die „Stamper“ nur zu internen Zwecken, nämlich der Vervielfältigung von DVD`s, zu verwenden. Die Kl. ist dem nicht entgegen getreten. Ein Sachvortrag dazu, worin eine Angebotshandlung in Bezug auf den „Stamper“ gesehen werden könnte, fehlt. Die Kl. beschränkt sich statt dessen auf Ausführungen zu einer Beteiligung der Bekl. an einem Angebot der von der X bereitgehaltenen Dienstleistung „Authoring und Digitalisierung“. Der von der Bekl. zu 1 hergestellte „Stamper“ ist jedoch unstreitig kein Bestandteil dieser Leistung. Auch aus den bei der Akte befindlichen Unterlagen – dem Bestellvorgang „Artmedia“ oder den diversen Internetauszügen – ist nicht zu ersehen, dass der „Stamper“ zu anderen als den von den Bekl. erläuterten „internen“ Zwecken erstellt und gebraucht wird, dass er beispielsweise bestimmungsgemäß das Presswerk der Bekl. zu 1 verlassen und/oder von den Kunden selbst benutzt werden soll. Vielmehr legt die Internetseite X einen gegenteiligen Schluss nahe. AaO (1. Absatz) heißt es, dass ein Muster der Master-DVD an die Kunden gesandt und sodann ein Masterband erzeugt wird, das die Kunden einem Presswerk zur Verfügung stellen bzw. bei der X pressen lassen können. In Aussicht genommen wird mithin (nur) eine Veräußerung oder eine Gebrauchsüberlassung des „Masters“ und/oder des „Masterbandes“; nicht hingegen eine solche des „Stampers“. Der Letztere ist somit zwar eine notwendiger Bestandteil des Herstellungsverfahrens für das Enderzeugnis „DVD“; ihm kommt jedoch außerhalb des Presswerkes keine eigene, selbständige Bedeutung als handelbares „Produkt“ zu.
Aus ähnlichen Erwägungen scheitert die Annahme eines Inverkehrbringens, das den Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt an dem patentierten Erzeugnis bzw. dem unmittelbaren Verfahrenserzeugnis in einer Weise voraussetzt, dass der Dritte das Erzeugnis benutzen kann (Benkard, aaO, § 9 Rn. 44; Busse, aaO, § 9 Rn. 77; Schulte, aaO, § 9 Rn. 46). Für derartiges fehlen im Sachvortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Kl. Anhaltspunkte. Nach dem unwiderlegten Vorbringen der Bekl. werden die „Stamper“ lediglich im eigenen Presswerk als Vorlage verwendet. Ein Übergang der Sachherrschaft an oder eine Benutzung durch die Kunden der Bekl. zu 1 ist nicht ersichtlich.
Für die Handlungsalternative des Einführens fehlt es ebenfalls an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Nicht herangezogen werden kann in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Bekl. zu 1 in Österreich und der Schweiz Kundenkontakte unterhält. Unstreitig erhält die Bekl. zu 1 von ihren Auftraggebern (niemals) „Stamper“; diese werden von ihr vielmehr selbst im Inland angefertigt.
bb)
Für die als Pressvorlage dienenden „ DLT-Tapes „, „ DVD-R`s „ oder „ Master „ ergibt sich eine vergleichbare Rechtslage. Sie werden unstreitig nicht in dem Presswerk der Bekl. zu 1 hergestellt, sondern von den Kunden bzw. den Authoring-Studios bereitgestellt und an die Bekl. zu 1 übergeben. Ebenso wenig bietet die Bekl. zu 1 die Herstellung dieser „Master“ bzw. die erstellten „Master“ an; sie bringt sie selbst auch nicht in Verkehr. Die Bekl. zu 1 liefert lediglich das fertige Endprodukt (DVD`s) aus.
Die Bekl. zu 1 gebraucht jedoch die „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ oder „Master“, weil sie als Vorlage für den „Stamper“ dienen, welcher wiederum als „Stempel“ das Pressen der DVD`s ermöglicht. Die Bekl. zu 1 besitzt die „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ oder „Master“ auch zu dem Zweck, sie zu gebrauchen. Anders als bei den „Stampern“ ist zudem ein Einführen anzunehmen. Die Bekl. zu 1 arbeitet nicht nur mit/für die in Deutschland ansässige X eigenem Vorbringen zufolge verfügt sie vielmehr über verschiedene Kunden, wobei zu ihrem Vertriebsgebiet auch die Schweiz und Österreich gehören. Vor diesem Hintergrund ist eine grenzüberschreitende Gebrauchsüberlassung eines von einem dort ansässigen Kunden gefertigten „Masters“ an die Bekl. zu 1 zum Zwecke der Serienpressung möglich und wahrscheinlich.
b)
Eine Haftung der Bekl. ergibt sich ferner unter Zurechnungsgesichtspunkten (§ 830 BGB) für die von der X vorgenommene Herstellung und den Vertrieb von „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Master“.
aa)
Für eine Anwendung des § 830 BGB ist es ohne Belang, ob von einer Mittäterschaft oder einer Beihilfe auszugehen ist, denn beide Teilnahmeformen werden nach § 830 II BGB i.S. einer umfassenden wechselseitigen Zurechnung der jeweiligen Tatbeiträge deliktsrechtlich gleich behandelt. Es genügt deswegen die Feststellung, dass die einzelnen Beteiligten neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen haben, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern; objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist (BGH, NJW 1998, 377; BGHZ 89, 383). Für den Bereich des Patentrechts hat der BGH in Ansehung dieser Grundsätze jede Form der Teilnahme an einer Patentverletzung zur Haftungsbegründung ausreichen lassen (BGH, GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung) und jeden, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Patentverletzung mitgewirkt hat, als Verletzer angesehen, wobei auch die Unterstützung oder Ausnutzung einer Patentverletzungshandlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlungen hatte (BGH, NJW 2000, 213 – Räumschild; GRUR 1995, 62 – Betonerhaltung).
(1)
Eine Teilnahme der Bekl. an den Patentverletzungshandlungen der X kann allerdings nicht allein mit dem Umstand begründet werden, dass die Bekl. zu 1 mit 51 % der Aktien Mehrheitsgesellschafterin der AG ist und/oder der Bekl. zu 2 nicht nur Geschäftsführer der Bekl. zu 1, sondern zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der X ist. Hierdurch haben weder die Bekl. zu 1 noch der Bekl. zu 2 willentlich und adäquat-kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Patentverletzung mitgewirkt bzw. eine solche gefördert und damit einen eigenen Haftungsgrund gesetzt (vgl. BGH, NJW 2000, 213 – Räumschild).
Nach §§ 76 I, 77 I AktG obliegt die Leitung der Aktiengesellschaft und die Geschäftsführung eigenverantwortlich dem Vorstand, welcher die Gesellschaft gem. § 78 AktG nach außen vertritt. Der Vorstand ist mithin im Rahmen seiner Leitungskompetenz für die Unternehmensplanung, -koordination, -kontrolle und die Besetzung der Führungsstellen und im Rahmen seiner Geschäftsführungszuständigkeit für jedwede tatsächliche oder rechtliche Tätigkeit der Aktiengesellschaft zuständig. Sowohl die Leitungsfunktion wie auch die Geschäftsführungsfunktion übt der Vorstand in eigener Befugnis und nach eigenem Ermessen aus. Er ist an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane nicht gebunden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Aufsichtsrat, der gem. § 111 I AktG auf Überwachungstätigkeiten beschränkt ist. Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm nicht übertragen werden (§ 111 IV Satz 1 AktG). Obwohl der Aufsichtsrat insbesondere auf eine rechtmäßige Geschäftsführung zu achten hat, steht ihm trotz der Möglichkeit, bestimmte Tätigkeiten des Vorstandes zu verhindern oder die in § 111 AktG genannten Einzelmaßnahmen zu ergreifen, kein Weisungsrecht zu, mit dem er positiv bestimmte Maßnahmen durchsetzen könnte. Ebenso weisungsfrei ist der Vorstand gegenüber Aktionären. Diese vermögen nur dann auf die Geschäftsführung und Unternehmensleitung Einfluss zu nehmen, wenn sie herrschendes Unternehmen sind und ein Beherrschungsvertrag gem. §§ 308, 291 besteht oder wenn sie infolge Eingliederung der Aktiengesellschaft zur Hauptgesellschaft geworden sind, § 323 I AktG (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 76 Rn. 10 f., 18 f.; § 111 Rn. 6 ff.). Das bloße Bestehen eines Beherrschungsverhältnisses i.S. von § 17 AktG, wie es hier vermutet wird, reicht dafür nicht aus.
Vor dem Hintergrund dessen können die bestehenden Verflechtungen zwar bei der Frage, welche Kenntnisse und welches Wissen die Bekl. zu 1 als Mehrheitsaktionärin und der Bekl. zu 2 als Aufsichtsratsvorsitzender hatten, von Bedeutung sein. Beiden sind der Unternehmensgegenstand der X und die von dieser erbrachten Dienstleistungen bestens bekannt. Allein auf Grund ihrer Stellung als Aktionärin bzw. Vorsitzender des Aufsichtsrates haben sie jedoch keinen (positiven) Einfluss auf die konkrete Geschäftsführung und -leitung. Gerade davon sind sie ausgeschlossen, weil beide – Geschäftsführung und Geschäftsleitung – in der alleinigen Verantwortung des einzigen Vorstands A. Kaben liegen. Dass die Bekl. zu 1 mit der X einen Beherrschungsvertrag geschlossen hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
(2)
Mit dem unter der Adresse www.ods-deutschland.de geschalteten Internetauftritt wirkt die Bekl. zu 1 indessen adäquat-kausal an der Herbeiführung einer Patentverletzung durch die X mit, weil die Herstellung und der Vertrieb der „Master“ hierdurch objektiv jedenfalls gefördert wird.
Die genannte Internetseite ist ein Werbeauftritt der Bekl. zu 1. Unerheblich ist, dass die X die Eigentümerin der dazugehörigen Domain ist und die Seite gestaltet hat. Abgesehen davon, dass der Adressenteil „X“ das der Firma der Bekl. zu 1 vorangestellte Kürzel ist, heißt die Bekl. zu 1 unter Nennung ihrer Firmierung, ihrer Rufnummer und ihres Firmenlogos die Besucher der Internetseite willkommen. In dem unter „Aktuell“ aufgeführten Hinweis wird sodann zu Beginn auch die Vertriebstätigkeit der Bekl. zu 1 in Deutschland, Österreich und der Schweiz beschrieben und die X lediglich als die insoweit für die Bekl. zu 1 tätige Tochtergesellschaft benannt. Es folgt der Verweis auf das von der Bekl. zu 1 betriebene Presswerk. Dass all diese Angaben ohne Wissen und Wollen der Bekl. zu 1 und ohne ihr Zutun bzw. ihre Zustimmung von der X erfolgt sind, ist nicht behauptet und erscheint vor dem Hintergrund der gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zwischen der Bekl. zu 1 und der X auch erfahrungswidrig.
Die Bekl. zu 1 stellt auf der Internetseite die weitere – originäre – Dienstleistung der X vor, indem sie diese als ein auf den Service rund um das Thema der optischen Datenträger spezialisiertes Unternehmen sowie als eines der größten DVD-Authoring-Studios in Deutschland mit umfangreicher und langjähriger Erfahrung in der Programmierung von DVD`s bezeichnet. Sie bewirbt die Dienstleistung ferner mit dem Hinweis, dass die X für die Produktion der DVD-Projekte eine Technologie „state-of-the-art“ biete.
Bereits mit dieser werbenden Vorstellung der X unterstützt die Bekl. zu 1 deren Geschäftstätigkeit als DVD-Authoring-Studio. Die Bekl. zu 1 – die unstreitig ein für das Pressen von DVD`s notwendiges Codierverfahren nicht selbst vornimmt – macht ihre Kunden auf die X aufmerksam und fördert hierdurch deren Angebot von „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Master“. Die Unterstützung ist um so nachhaltiger, als die Bekl. zu 1 ausschließlich die X als Erbringerin der für den Pressvorgang erforderlichen Vorleistung in Form der Datencodierung und des Erstellens der Pressvorlagen benennt. Ein potentieller Kunde, der an die Bekl. zu 1 einen Auftrag für die Serienproduktion einer DVD vergeben will, wird damit zum einen auf das Erfordernis des Authorings und zum anderen auf ein einziges, bestimmtes (ihm bis dahin möglicherweise nicht bekanntes) Authoring-Studio hingewiesen, von dem er die notwendigen Vorleistungen erbringen lassen kann – und soll.
Verstärkt wird die Bezugnahme auf die Leistungen der X durch das Setzen des Hyperlinks „X“ auf der Internetseite. Klickt der Benutzer auf den Link, gelangt er unmittelbar auf die Seite X. Die Zugriffsmöglichkeit auf das Angebot der X wird damit bewusst und willentlich erleichtert; der Benutzer wird ohne weiteres in die Lage versetzt, die Internetseite der X zu finden und von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen. Zwar ist das Anbringen eines Hyperlinks für sich genommen zunächst eine neutrale Handlung, die ähnlich einem textlichen Fundstellennachweis das Auffinden der Internetseite durch einen entsprechenden Verweis erleichtert; auch erkennt der Benutzer durch die Adresszeilen, dass er beim Anklicken des Hyperlinks die von ihm ursprünglich aufgerufene Seite verlässt und auf die Seite eines anderen Unternehmens wechselt (vgl. zur Haftung für Hyperlinks die zumeist zum Urheber- oder Kennzeichnungsrecht ergangenen Entscheidungen BGH, NJW 2004, 2158 – Schöner Wetten; 2004, 3102 – Störerhaftung des Internet-Auktionshauses bei Fremdversteigerung; 2003, 3406 – Paperboy; OLG München, GRUR-RR 2005, 220 – Kennzeichenrelevante Handlung durch Verlinkung mit Gewinnspiel; LG Hamburg, NJW 1998, 3650; grundsätzlich: Hoffmann, NJW 2005, 2595; ders. NJW 2004, 2569; MüKo-BGB Ergänzungsband – 28.02.2005 Rn. 534 f.; Ott, WRP 2006, 691; Schreiber, WRP 2005, 442; Spindler, MMR 2002, 495; Stadler, JurPC Web-Dok. 2/2003, I-95). Angesichts der Gesamtgestaltung der Internetseite X ist vorliegend jedoch jede Neutralität aufgegeben. Von Seiten der Bekl. zu 1 erfolgt eine gezielte, von Vorsatz getragene, direkte und ausschließliche Bezugnahme auf eine bestimmte Firma, deren Gegenstand bereits in der Bewerbung des eigenen Unternehmens herausgestellt wird. Aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs macht sich die Bekl. zu 1 den Inhalt der Internetseiten der X – und damit im Ergebnis deren patentverletzende Handlungen, auf denen die Bekl. zu 1 mit ihrer DVD-Pressung aufbaut – ersichtlich zu eigen. Der Bekl. zu 1 ist der Inhalt der Internetseiten der X und insbesondere die Verwendung des MPEG 2-Standards beim Authoring bekannt. Schon auf der eigenen Internetseite beschreibt die Bekl. zu 1, dass die X eine Technologie „state-of-the-art“ verwendet. Hierunter ist jedenfalls auch der MPEG 2-Standard zu fassen, der – wie bereits die erste Seite des Internetauftritts der X erkennen lässt – nicht nur bei den von ihr selbst hergestellten „Mastern“ Anwendung findet, sondern über den Qualitätstest auch dann, wenn die Kunden über die X reine DVD-Pressungen abwickeln. Die auf der ersten Seite der X zu erkennenden Rubriken leiten den Benutzer hinsichtlich der beworbenen Dienstleistung „Authoring“ auf die Seite X, die den „Komplettservice“ der X hinlänglich beschreibt. Ausdrücklich findet dort eine Digitalisierung in das Format MPEG 2 Erwähnung. Gleiches gilt für die Rubrik „Video Encoding“.
(3)
Der von der Kl. vorgelegte Bestellvorgang betreffend die Firma Artmedia vom 19.07.2005 bestätigt die hier in Rede stehende Teilnahme.
Den Unterlagen ist zunächst die zwischen den Parteien unstreitige Vertriebstätigkeit der X für von der Bekl. zu 1 gepresste DVD`s in Deutschland für die Zeit ab Juni 2005 zu entnehmen. Darüber hinaus ist belegt, dass die Bekl. zu 1 an sie herangetragene (Klein-)Aufträge, bei denen die Kunden bereits über Pressvorlagen verfügen, auch zur technischen Bearbeitung an die X weiterleitet und diese somit automatisch einbindet. Es erfolgt nicht lediglich eine Weitergabe der Kontaktdaten. Denn bei zutreffendem Verständnis ist die Email-Adresse X der Bekl. zu 1 und nicht der X zuzurechnen. Dies folgt nicht nur aus der Verwendung des Firmenkürzels der Bekl. zu 1, sondern gleichermaßen aus der Erwähnung der besagten Email-Adresse auf der Internetseite der Bekl. zu 1 sowie schließlich aus der Existenz der Email-Adresse X, die von der X im Schriftwechsel als eigene Email-Verbindung verwendet wird. Obwohl die Artmedia eine Anfrage an die Adresse der Bekl. zu 1 gerichtet hat, setzte sich die X ohne eine Weiterleitungsmitteilung mit ihr in Verbindung. Dies geschah nicht nur auf rein kaufmännischer Ebene, wie aus dem Internetauftritt der X folgt. Dort heißt es, dass die X seit Anfang Dezember 2003 alle DVD-Produktionen auf Qualität hinsichtlich Encoding, Authoring und Matering testet. Dieser Service stehe auch denjenigen zur Verfügung, die reine Pressaufträge über X abwickeln. Auch die „Master“ der Kunden werden mithin auf die korrekte MPEG 2-Codierung hin geprüft. Die Pressvorlagen, die letztlich zu der Bekl. zu 1 gelangen, entsprechen folglich dem Standard.
Durch die Weiterleitung eingehender Anfragen fördert die Bekl. zu 1 ebenfalls wissentlich und willentlich das von der X betriebene Authoring. Ob es dabei zu einem „eigenen“ Vertragsverhältnis des Kunden mit der X kommt oder nicht, ist für die Frage der deliktischen Teilnahmehandlung ebenso unerheblich wie eine Unterscheidung zwischen Klein- und Großaufträgen.
c)
Soweit die Kl. für ihre Pressungen nicht auf eine Zusammenarbeit mit der X zurückgreift, sondern Unternehmen zu ihren Kunden zählt, die die notwendigen „Master“ in anderen Authoring-Studios herstellen lassen, scheidet eine Handlungszurechnung aus. Die Bekl. zu 1, die das fertige Endprodukt „DVD“ presst, ist für ihre Geschäftstätigkeit zwar darauf angewiesen, dass sie die für die Pressung erforderlichen Vorlagen in Form von „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Mastern“ erhält. Für die Hersteller der Pressvorlagen ist es – umgekehrt – unverzichtbar, dass die von ihnen gefertigten „Master“ einen Abnehmer finden. Die Vorlagen werden nicht auf Vorrat, sondern erst aus Anlass und im Zusammenhang mit einem konkreten Pressauftrag produziert. Beide – Presswerk und Authoring-Studio – sind so gesehen faktisch miteinander verbundene, in ihrem geschäftlichen Agieren aufeinander abgestimmte und ineinandergreifende Glieder eines Herstellungsablaufs. Ausschließlich unter Kausalitätsgesichtspunkten lässt sich daher nicht bestreiten, dass die Bekl. zu 1 durch ihr Angebot zur DVD-Pressung und die damit einhergehende Nachfrage nach „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Mastern“ die Herstellung und das Angebot solcher patentverletzender „Vorprodukte“ fördert. Es kann dahinstehen, ob unter den gegebenen Umständen ein Zurechnungstatbestand schon aus grundsätzlichen Erwägungen zu verneinen ist, weil die Bekl. zu 1 die „Master“ nicht selbst (als eine Art Generalunternehmer) bei den Authoring-Studios in Auftrag gibt, sondern die von dritter Seite (z.B. einer Filmgesellschaft oder dergleichen) bereitgestellten „DLT-Tapes“, „DVD-R`s“ und „Master“ lediglich dazu verwendet, um – darauf aufbauend – ihre eigene gewerbliche Leistung (scil.: das Pressen der DVD`s) zu erbringen. Die Tatsache, dass die Bekl. zu 1 durch ihre Geschäftstätigkeit einen Bedarf nach Produkten schafft, die vorhersehbar von einem technischen Schutzrecht Gebrauch machen, käme, weil das Authoring ohne weiteres unter dem Schutz einer Lizenz und damit rechtmäßig vorgenommen werden kann, in jedem Fall nur dann in Betracht, wenn den Bekl. vorgeworfen werden könnte, mit einem nicht lizenzierten Authoring-Studio zusammengearbeitet zu haben. Dafür hat die Kl. nichts Substanzielles vorgetragen. Da nach ihren Darlegungen feststeht, dass Authoring-Studios zu den Lizenznehmern der MPEG LA LLC gehören, die genaue Anzahl der lizenzierten und der nicht lizenzierten Studios jedoch nicht mitgeteilt ist, verbietet sich auch die Annahme, nach der Lebenserfahrung und mit Rücksicht auf die umfangreiche Geschäftstätigkeit der Bekl. zu 1 könne davon ausgegangen werden, dass es in der Vergangenheit in mindestens einem Fall zu einer Verwendung unlizenzierter „Master“ gekommen ist.
2. a)
Im Umfang der eigenen und der zurechenbaren fremden Benutzungshandlungen sind die Bekl. der Kl. gem. Art. 64 EPÜ, § 139 I PatG zur Unterlassung verpflichtet.
b)
Da die Patentverletzungen bei Beachtung der von den Bekl. als Fachunternehmer im Geschäftsverkehr zu verlangenden Sorgfalt erkennbar und vermeidbar gewesen wären, trifft sie ein zumindest fahrlässiges Verschulden, das ihre Schadenersatzhaftung begründet (Art. 64 EPÜ, § 139 II PatG). Der Schuldvorwurf ergibt sich daraus, dass die Bekl. ihnen mögliche und zumutbare eigene Erkundigungen und Untersuchungen nach einer etwaigen Benutzung des Klagepatents unterlassen haben und sie auch kein Vertrauen dahingehend für sich in Anspruch nehmen können, dass die patentrechtliche Situation bereits auf der Stufe der Authoring-Studios verlässlich geprüft worden ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 575 – Melanie). Mangels näherer Kenntnis der Kl. über das genaue Ausmaß der Verletzungshandlungen besteht ein rechtliches Interesse der Kl. daran, dass die Schadenersatzpflicht der Bekl. zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Außerdem haben die Bekl. der Kl. – wie zuerkannt – Rechnung zu legen, damit die Kl. in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).
Die Haftung der Bekl. auf Schadenersatz und Auskunftserteilung ist, soweit Benutzungshandlungen in Rede stehen, die den Bekl. allein über die Zurechnung des Verhaltens der X anzulasten sind, nicht auf die Zeit seit dem 27.06.2005 (dem Datum des haftungsauslösenden Internetauszuges) bzw. 19.07.2005 (dem Datum der Bestellung „X“) beschränkt. Es gehört im Allgemeinen nicht zu einem schlüssigen Vortrag, dass der Kl. die erste unberechtigte Benutzungshandlung datiert; vielmehr kann, sofern eine einzige schadenersatzbegründende Patentverletzung dargetan ist, regelmäßig Schadenersatz und korrespondierende Rechnungslegung für die Zeit seit der Veröffentlichung der Patenterteilung zzgl. eines Karenzmonats begehrt werden. Eine andere Handhabung ist auch vorliegend nicht angebracht. Zwar ist ungewiss, seit wann die Bekl. zu 1 die erörterte Internetwerbung geschaltet hat. Dies aufzuklären, um der Kl. eine Berechnung des ihr zustehenden Schadenersatzanspruchs zu ermöglichen, ist jedoch Sache der Bekl. im Rahmen der von ihnen geschuldeten Rechnungslegung. Eine zeitliche Beschränkung ist allerdings mit Rücksicht auf das Gründungsdatum der X im Dezember 2001 vorzunehmen, weil vor der Existenz der X eine deren geschäftliche Tätigkeit fördernde Unterstützungshandlung der Bekl. zu 1 undenkbar ist.
Einer darüber hinausgehenden zeitlichen Beschränkung bedürfen die Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadenersatz demgegenüber nicht. Zwar haben die Bekl. erstmals im Verhandlungstermin vom 9.11.2006 behauptet, mit der DVD-Produktion im Jahr 2002 begonnen zu haben. Der diesbezügliche Sachvortrag, den die Kl. bestritten hat, ist jedoch verspätet und hat, weil seine Berücksichtigung den Rechtsstreit verzögern würde, außer Betracht zu bleiben (§§ 296 II, 282 I ZPO). Die Verspätung beruht auch auf grober Nachlässigkeit. Nachdem die Kl. von Beginn an Rechnungslegung und Schadenersatz für Benutzungshandlungen in der Zeit vor 2002 beansprucht hatte, hätte es den Grundregeln einer ordnungsgemäßen Prozessführung entsprochen, die angeblich späte Benutzungsaufnahme so rechtzeitig vor dem Haupttermin vorzubringen, dass die Kl. hierauf hätte erwidern und das Gericht die ggf. notwendigen vorbereitenden Maßnahmen zur Sachaufklärung treffen können.
c)
Der Vernichtungsanspruch ergibt sich aus § 140a PatG.
VII.
Die Ansprüche der Kl. sind nicht verjährt.
Gemäß § 141 Satz 1 PatG, § 199 BGB setzt die Verjährung eines Anspruchs wegen Patentverletzung voraus, dass der Inhaber in rechtsverjährter Zeit – vorliegend also vor dem 01.01.2002 (§§ 195, 199 I, 204 I Nr. 1 BGB, § 147 I PatG, Art. 229 § 6 EGBGB) – positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen (d.h. dem Verletzungstatbestand) sowie der Person des Schuldners erlangt hat oder eine solche Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Derartiges lässt sich nach dem Sachvortrag der Bekl. nicht feststellen.
1.
Dass die Kl. selbst innerhalb einer zur Verjährung führenden Zeit von den Verletzungshandlungen erfahren hat, machen die Bekl. selbst nicht geltend.
Unter Verweis auf vorgerichtlichen Schriftwechsel vom 17.09.2002 und 30.12.2003 berufen sie sich allein auf eine Kenntnis der MPEG LA LLC, die der Kl. jedoch nicht zugerechnet werden kann. Es entspricht der – auch im Rahmen von § 141 PatG zu beachtenden – Rechtsprechung des BGH zu § 852 BGB, dass die Kenntnis eines rechtsgeschäftlichen Vertreters grundsätzlich unbeachtlich und nur die Kenntnis des verletzten Rechtsinhabers selbst geeignet ist, den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen (vgl. BGH, GRUR 1998, 133, 137 – Kunststoffaufbereitung). Nur wenn und soweit der Verletzte einen Dritten mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut hat, darf dem Rechtsinhaber ausnahmsweise dasjenige Wissen zugerechnet werden, welches der andere in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich erlangt hat (BGH, NJW 1989, 2323 mwN; NJW 1968, 988). Bei Patentverletzungen kommt eine Wissenszurechnung nach diesen Regeln nur in Betracht, wenn der Patentinhaber den Dritten mit der Geltendmachung von Rechten aus dem Patent beauftragt hat (BGH, aaO – Kunststoffaufbereitung).
Dafür bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte. Die MPEG LA LLC hat den Bekl. zu 2 zwar – ersichtlich im Rahmen der ihr von den Poolmitgliedern zugedachten Obliegenheiten bei der Verwaltung des Technologiepools – wiederholt dazu angehalten, den (auch das Klagepatent umfassenden) Standard-Lizenzvertrag abzuschließen. Die Aufforderung zur Lizenznahme stellt jedoch noch keine Geltendmachung von Verbietungsrechten aus dem Patent dar. Bei der MPEG LA LLC handelt es sich unstreitig um eine bloße Agentur zur Vergabe von Lizenzen, der als solcher keine weitergehenden Befugnisse im Hinblick auf die zwangsweise Durchsetzung der Lizenzschutzrechte zukommen. Unstreitig haben die Pool-Mitglieder der MPEG LA LLC auch lediglich eine nicht ausschließliche Lizenz eingeräumt und sich vorbehalten, selbst Lizenzen an ihren Patenten zu vergeben. Mit Rücksicht auf ihre Stellung als einfacher Lizenznehmerin wäre die MPEG LA LLC nur bei einer Ermächtigung durch den jeweiligen Patentinhaber des Pools zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch wegen Patentverletzung befugt; für die Geltendmachung der übrigen Ansprüche (insbesondere auf Schadenersatz) bedürfte es sogar einer materiellrechtlichen Abtretung. Für beides zeigen die Bekl. nichts auf. Im Gegenteil beweist die tatsächliche Verfolgung der Rechte aus Pool-Patenten (in diesem Verfahren, den Parallelverfahren und früheren bzw. weiteren Verfahren vor der Kammer), dass es stets die Patentinhaber selbst sind, die Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Verbietungsrechte ergreifen.
2.
Der Kl. ist auch nicht zum Vorwurf zu machen, dass ihr Verletzungshandlungen der Bekl. infolge grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben sind. Zwar ist der Kl. bekannt, dass die Bekl. zu 1 eines der größten Presswerke in Europa betreibt, und macht die Kl. selbst geltend, dass das Klagepatent zum MPEG 2-Standard gehört, der von jedem Presswerk eingehalten werden muss, damit die dort hergestellten Erzeugnisse in einem handelsüblichen DVD-Gerät ordnungsgemäß abgespielt werden können. Unter diesen Umständen lag es für die Kl. unmittelbar auf der Hand, dass sich die Bekl. zu 1 des MPEG 2-Standards bedienen muss und bedienen wird. Nicht durch Sachvortrag belegt ist indessen sowohl der Zeitpunkt, zu dem die Bekl. zu 1 tatsächlich die DVD-Pressung, insbesondere nach dem MPEG 2-Standard, in einem für die Kl. unübersehbaren Umfang aufgenommen hat, sowie der Zeitpunkt, zu dem sich der MPEG 2-Standard so weit durchgesetzt hat, dass mit hinreichender Gewissheit davon ausgegangen werden konnte, dass die Presswerke sich dieses Standards bedienen. In anderem rechtlichen Zusammenhang ist zwar vorgetragen worden, dass die DVD-Stückzahlen von 55.0000 im Jahr 1997 auf 1.800.000.000 im Jahr 2004 gestiegen sind. Welche Werte für die Zeit vor 2002 zugrunde zu legen sind, ist jedoch unklar. Gleichermaßen offen ist, ob und ggf. in welchem Umfang die Bekl. zu 1 vor 2002 bereits mit der Pressung von DVD befasst war. Eigenem Vorbringen zufolge will die Bekl. zu 1 erst im Laufe des Jahres 2002 die DVD-Produktion aufgenommen haben. Nach allem mangelt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass vor dem 01.01.2002 solche Gesamtverhältnisse vorhanden waren, dass die Kl. vernünftigerweise davon ausgehen musste, dass die Bekl. zu 1 nach dem MPEG 2-Standard arbeitet.
VIII.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 148 ZPO wegen der seitens der Bekl. zu 1 beim Bundespatentgericht gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhobenen Nichtigkeitsklage ist nicht veranlasst.
1.
Wegen der langen Dauer von Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren stellt die Aussetzung einen erheblichen Einschnitt in die Rechte des Patentinhabers, namentlich im Hinblick auf den zeitlich ohnehin begrenzten Unterlassungsanspruch, dar. Das Zeitmoment ist auch im Streitfall von Bedeutung. Zwar mag die Nichtigkeitsverhandlung vor dem Bundespatentgericht in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 stattfinden und es im unmittelbaren Anschluss an die Verhandlung zu einer Entscheidung kommen. Für den Fall, dass das Klagepatent aufrechterhalten bleibt, so dass die ausgesetzte Verhandlung nach Vorliegen der Nichtigkeitsentscheidung neu terminiert werden müsste, wäre die Kammer mit Rücksicht auf die bestehende Terminslage jedoch keinesfalls vor Ende 2008 in der Lage, den Rechtsstreit abermals zu verhandeln und die der Kl. auf Grund der Patentverletzung zustehenden Ansprüche durchzusetzen. Eine derartige Suspendierung der gesetzlichen Verbietungsrechte könnte der Kl. lediglich zugemutet werden, wenn es nicht nur möglich, sondern in hohem Maße wahrscheinlich wäre, dass das Klagepatent auf Grund der Nichtigkeitsklage vernichtet werden wird. Es entspricht insofern gefestigter Rechtsprechung der Kammer, dass eine Aussetzung nicht in Betracht kommt, wenn der dem Klageschutzrecht entgegengehaltene Stand der Technik entweder bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder der Erfindung nicht näher steht als ein bereits im Prüfungsverfahren gewürdigter Stand der Technik. Wird der Nichtigkeitsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit eingewandt, verbietet sich eine Aussetzung auch dann, wenn neuer Stand der Technik herangezogen wird, sich jedoch auch angesichts der bislang nicht geprüften Entgegenhaltungen für eine Bejahung der Erfindungshöhe noch vernünftige Argumente finden lassen.
Speziell im Streitfall kommt hinzu, dass das Klagepatent in der Vergangenheit bereits wiederholt in bei der Kammer anhängig gewesenen Klageverfahren gegen namhafte Unternehmen geltend gemacht worden ist. Obwohl die betreffenden Parteien ebenfalls sachkundig anwaltlich vertreten waren, haben sie überwiegend keine Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents erhoben und sich vor einer gerichtlichen Entscheidung entschlossen, im Vergleichswege eine Lizenz zu den Bedingungen des Standard-Vertrages zu nehmen. Mindestens indiziell erfordert dieser Sachverhalt eine besondere Zurückhaltung bei der Aussetzung des auf das Klagepatent gestützten Verletzungsrechtsstreits.
2.
Dies vorausgeschickt, ist eine Aussetzung im Streitfall nicht gerechtfertigt.
a)
Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der in Anspruch 11 des Klagepatents niedergelegten technischen Lehre durch die US-Schrift 5,091,782 bzw. die EP 0 451 545 ist nicht zu erkennen.
Gegenstand beider Entgegenhaltungen ist ein Verfahren zur adaptiven Kompression von aufeinanderfolgenden Blöcken eines digitalen Videosignals, bei dem eine Entscheidung über die Art der Codierung auf der – untersten – Blockebene getroffen wird. Im Abstract heißt es ganz in diesem Sinne:
„The compression of successive blocks of digital data is optimized by selecting between different compression algorithms or different data formats on a block-by-block basis.“
Dem Klagepatent kommt es demgegenüber darauf an, dass die Entscheidung über die Codierungsrat pro Bild nur ein einziges Mal mit Gültigkeit für sämtliche Blöcke erfolgt. Derartiges offenbaren die Entgegenhaltungen an keiner Stelle.
b)
Die – ebenfalls als neuheitsschädlich entgegengehaltene – europäische Anmeldung 0 573 665 A1 vermag eine Aussetzung schon aus formalen Gründen nicht zu rechtfertigen. Sie nimmt die Unionspriorität der JP 3467718/91 vom 27.12.1991 in Anspruch, ist am 15.12.1993 veröffentlicht worden und stellt damit gegenüber dem am 15.11.1993 angemeldeten Klagepatent nachveröffentlichten Stand der Technik gem. Art. 54 III EPÜ dar, der ausschließlich im Rahmen der Neuheitsprüfung beachtlich ist. Der Offenbarungsgehalt der EP 0 573 665 ist dabei nur insoweit von Interesse, als er sich mit dem Inhalt des Prioritätsdokuments deckt (vgl. Benkard/Melullis, EPÜ, 2002, Art. 54 Rn. 207). Eine solche Übereinstimmung besteht vorliegend indessen offenkundig nicht. Zu Recht weist die Kl. darauf hin, dass die – von ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9.11.2006 vorgelegte – englischsprachige Übersetzung des japanischen Prioritätsdokuments weit weniger umfangreich ist als die entgegengehaltene EP 0 573 665. Insbesondere umfasst Figur 1 lediglich die Ebenen A und B, nicht hingegen die Ebene C. Ferner fehlen die Figuren 11 und 12 vollständig. Soweit die Bekl. geltend machen, Anspruch 1 der JP 3467718/91 sei wortgleich mit Anspruch 3 der EP 0 573 665 B1, ist dies unbehelflich. Wie Begriffe in einer Anmelde- oder Patentschrift auszulegen sind, erschließt sich immer nur anhand des der betreffenden Anmelde- oder Patentschrift beigegebenen Beschreibungstextes. Da sich schon auf erste Sicht feststellen lässt, dass die dem Prioritätsdokument beigegebene Beschreibung nicht mit der der X übereinstimmt, sondern von dieser signifikant abweicht, ließe sich nur unter Rückgriff auf die Beschreibung der X zuverlässig beurteilen, welche technische Lehre dem Durchschnittsfachmann mit ihr vermittelt wird. Entgegen der ausdrücklichen Auflage der Kammer haben die Bekl. jedoch keine deutschsprachige Übersetzung der Prioritätsschrift vorgelegt. Schon deswegen war es der Kammer nicht möglich, den Offenbarungsgehalt der JP X mit hinreichender Gewissheit zu ermitteln, was im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu Lasten der Bekl. geht.
c)
Ohne Erfolg bleibt gleichfalls der Hinweis auf die europäische Patentanmeldung X Die besagte Entgegenhaltung war bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens und ist demzufolge von der sachkundigen Erteilungsbehörde als nicht schutzhindernd gewürdigt worden. Diese Einschätzung erscheint auch zutreffend, weil die Bildcodierverfahren und -vorrichtungen der Entgegenhaltung davon ausgehen, dass die Aktivität für jeden einzelnen Block – und nicht blockübergreifend – berechnet wird (Seite 10 2. und 3. Absatz).
3.
Soweit die Bekl. ihr Aussetzungsgesuch darüber hinaus mit einem der Bekl. zu 1 zustehenden Gegenanspruch auf Erteilung einer Lizenz, einem kartellrechtlich bedenklichen Vorgehen der Kl. und Zweifeln an der Rechtsbeständigkeit sämtlicher MPEG 2-Schutzrechte zu begründen versuchen, bleibt dies ohne Erfolg. Hinsichtlich der ersten beiden vorgebrachten Punkte kann auf die Ausführungen unter V. verwiesen werden. Es besteht weder ein Anspruch der Bekl. zu 1 auf Erteilung einer Lizenz zu anderen Bedingungen als denen des Standardvertrages noch ist das Handeln der Kl. als kartellrechtswidrig einzustufen. Der Einwand der zweifelhaften Rechtsbeständigkeit sämtlicher MPEG 2-Schutzrechte verfängt gleichfalls nicht. Das hiesige Verletzungsverfahren hat lediglich das Klagepatent zum Gegenstand, so dass allein dessen Schutzfähigkeit von Belang ist. Der Vortrag zu anderen Schutzrechten ist zudem unsubstantiiert. Welche konkreten Schutzrechte auf Grund welcher konkreten Erwägungen mangels Neuheit oder wegen fehlender Erfindungshöhe nicht rechtsbeständig sein sollen, ist nicht dargelegt. Der schlichte Hinweis, „keines dieser Schutzrecht (sei) jemals ernsthaft in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überprüft worden“, ist offensichtlich unzureichend. Die Durchführung eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens ist keine notwendige Voraussetzung der Rechtsbeständigkeit.
IX.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I ZPO. Sie berücksichtigt, inwieweit die Kl. – bei wirtschaftlicher Betrachtung – mit ihrem Klageangriff durchgedrungen und in welchem Umfang sie den Bekl. unterlegen ist.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 709, 108 ZPO.