4b O 64/07 – Magnetfeld-Meßgerät

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 925

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 7. Februar 2008, Az. 4b O 64/07

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

a) Magnetfeld-Meßgeräte in Deutschland an nicht zur Benutzung des deutschen Patentes DE 100 00 706 C2 berechtigte Personen anzubieten oder zu liefern, die eingerichtet sind zur Durchführung eines Verfahrens zur Bewertung der Bestrahlung in niederfrequenten magnetischen Feldern, bei dem frequenzabhängige Referenzwerte im Zeitbereich entsprechend einer vorgegebenen Norm zur Bewertung der Bestrahlung vorgegeben sind, mit den folgenden Schritten:

Durchführen einer Frequenzgangbewertung mindestens eines Zeitsignals der drei orthogonalen räumlichen Komponenten eines magnetischen Feldes (bx(t), by(t), bz(t)), in dem das jeweilige Zeitsignal mit einer Impulsantwort (h(t)) einer frequenzabhängigen Übertragungsfunktion (H(f)) gefaltet wird, wobei der Betrag der Übertragungsfunktion dem Kehrwert der frequenzabhängigen Referenzwerte der magnetischen Flussdichte (B) entspricht;

Ermitteln des Effektivwertes der erhaltenen normierten Zeitsignale;

Quadrieren der erhaltenen Effektivwerte;

Addieren der quadrierten Effektivwerte zur Ermittlung des Quadrats des Effektivwertes des momentanen Betragsquadrates des normierten Feldes;

Ermitteln der normgerechten bewerteten Bestrahlung für das jeweilige Feld durch Ziehen der Quadratwurzel aus dem ermittelten Wert.

b) Magnetfeld-Meßgeräte zur Durchführung des vorstehend unter I. 1. a) umschriebenen Verfahrens

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in den Verkehr einzuführen oder zu besitzen

mit Sensoren für die jeweilige räumliche Feldkomponente, eine Auswerteeinrichtung und einer Anzeige, wobei zwischen den Sensoren und der Auswerteeinrichtung ein Bewertungsfilter zur Durchführung der Frequenzgang-bewertung mit Hilfe einer aus frequenzabhängigen Referenz-werten gebildeten Übertragungsfunktion und anschließend daran ein A/D-Wandler angeordnet und die Auswerteeinrichtung als programmierbare digitale Signalverarbeitung ausgebildet ist;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, die zu I. 1. a) und I. 1. b) bezeichneten Handlungen seit dem 21.04.2002 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen nebst Produktbezeich-nung sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen nebst Produktbezeich-nung sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c) der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) sowie desjenigen erzielten Gewinns – unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten –, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den schutzrechtsverletzenden Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu I. 1. a) und/oder I. 1. b) bezeichneten, seit dem 21.04.2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Gerichtskosten werden der Beklagten auferlegt. Diese trägt auch ihre eigenen Kosten selber. Die Klägerin hat eine Hälfte der Gerichtskosten sowie ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

V.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 100 00 xxx (Anlage K 1, Klagepatent), welches am 10.01.2000 angemeldet und dessen Erteilung am 21.03.2002 veröffentlicht wurde.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Anordnung zur normgerechten Bewertung der Bestrahlung in niederfrequenten elektrischen und/oder magnetischen Feldern.

Die im vorliegenden Rechtsstreit interessierenden Ansprüche 1 und 8 haben den nachfolgenden Wortlaut:

Die nachfolgend eingeblendete Figur 1 des Klagepatents zeigt ein Blockschaltbild, aus dem der Verfahrensablauf ersichtlich ist:

Die in Patentanspruch 1 aufgeführten Verfahrensschritte sind erforderlich, um der von der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) mit Sitz in Genf erlassenen Norm IEC 62233 mit der Bezeichnung „Measurement methods for electromagnetic fields of household appliances and similar apparatus with regard to human exposure“ zu entsprechen.

Zwei Mitarbeiter der Klägerin waren in Arbeitsgruppen der Internationalen Elektrotechnischen Kommission tätig, die sich mit der Normgebung für hochfrequente elektromagnetische Felder befasste.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Magnetfeld-Meßgeräte mit der Typenbezeichnung X zur Messung der magnetischen Flussdichte sowie zur Beurteilung der magnetischen Strahlungsposition von Personen am Arbeitsplatz und in öffentlichen Bereichen, deren Aussehen und generelle Funktionsweise sich aus dem nachfolgend verkleinert eingeblendeten Prospekt gemäß Anlage K 7 ergibt:

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die von der Beklagten hergestellten Magnetfeld-Meßgeräte des Typs X solche Anordnungen seien, die das mit dem Klagepatent geschützte Verfahren wortsinngemäß anwendeten. Für diese Frage sei es unerheblich, ob die einzelnen Verfahrensschritte in der von dem Patentanspruch angeführten Reihenfolge durchgeführt würden, da für diese in Rede stehenden Verfahrensschritte das mathematische Distributivgesetz gelte, welches einen Austausch in der Reihenfolge der Durchführung bestimmter Rechenoperationen zulasse. Ein treuwidriges Verhalten der Klägerin könne nicht bereits darin gesehen werden, dass Mitarbeiter von ihr in Arbeitsgruppen der Internationalen Elektrotechnischen Kommission tätig gewesen seien. Diese hätten in einem ganz anderen technischen Bereich der Normungstätigkeit gewirkt und insofern habe bei ihr, der Klägerin, keine Kenntnis über die geplante Norm 62233 bestanden. Die Klägerin nimmt die Beklagte daher wegen unmittelbarer sowie mittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunfterteilung sowie Schadenersatz in Anspruch.

Sie beantragt,

die Beklagte in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass es nach dem Verständnis des Fachmanns sehr wohl darauf ankomme, dass die einzelnen Verfahrensschritte des patentgemäßen Verfahrens in der durch den Anspruch 1 vorgegebenen Reihenfolge eingehalten würden. Eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents scheitere für die angegriffene Ausführungsform bereits daran, dass mit dieser lediglich der jeweilige Effektivwert und nicht der Spitzenwert ermittelt werde, so dass es auch nicht zu einer Gewichtung des Quadrats der beiden Werte komme. Die Klägerin verhalte sich zudem treuwidrig, wenn sie aktiv in einer Normierungskommission tätig sei, um ein Verfahren normieren zu lassen, für welches sie, die Klägerin, Patentschutz beanspruchen könne. Jedenfalls hätten insoweit Hinweis- und Aufklärungspflichten gegenüber der Internationalen elektrotechnischen Kommission bestanden, die die Klägerin verletzt habe. Dieses treuwidrige Verhalten führe zudem dazu, dass es der Klägerin an dem für die Zulässigkeit der vorliegenden Klage erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Schließlich hätte die Klägerin jedenfalls die Verpflichtung ihr, der Beklagten, aufgrund der erfolgten Normierung des patentgemäßen Verfahrens eine Lizenz zu angemessenen Konditionen einzuräumen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht das für die gerichtliche Geltendmachung der Klageansprüche erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu. Herstellung und Vertrieb des Messgerätes „X“ der Beklagten stellen eine unmittelbare Verletzung des Vorrichtungsanspruchs 8 des Klagepatentes im Sinne des § 9 PatG dar. Bei diesem Messgerät handelt es sich zudem um ein wesentliches Element zur Verwirklichung der technischen Lehre des Verfahrensanspruchs 1 des Klagepatentes, § 10 PatG. Folglich ist die Beklagte der Klägerin gegenüber nach § 139 Abs. 1, 2 PatG zur Unterlassung und zum Schadenersatz verpflichtet sind. Die daneben geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche folgen aus §§ 242 BGB, 140b PatG.

I.
Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe sich treuwidrig verhalten, indem sie zwei Mitarbeiter in die Internationale Elektrotechnische Kommission entsandt habe, die an der Erstellung der Norm IEC 62233 mitgewirkt hätten, weswegen es der Klägerin an dem für die Erhebung der Klage erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses fehle, greift vorliegend nicht durch. Ein solches treuwidriges Verhalten der Klägerin scheitert vorliegend bereits daran, dass nicht erkennbar ist, dass die Klägerin in zurechenbarer Weise auf den Erlass der in Rede stehenden Norm hingewirkt hat. Diese Norm, die IEC 62233, bezieht sich auf Messungen elektromagnetischer Felder von Haushaltsgeräten im Niederfrequenzbereich von 10 Hz bis 400 kHz. Demgegenüber haben die Mitarbeiter der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin in Arbeitsgruppen der Internationalen Elektronischen Kommission in Genf mitgearbeitet, die mit der Entwicklung eines Standards für die Messung elektromagnetischer Felder im Hochfrequenzbereich befasst waren. Es kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits dahingestellt bleiben, ob – wie die Beklagte geltend macht – ein technisch relevanter Unterschied zwischen dem sogenannten Niederfrequenz- und dem Hochfrequenzbereich besteht, denn unstreitig hat die Internationale Elektrotechnische Kommission für die beiden unterschiedlichen Bereiche jeweils verschiedene Arbeitsgruppen und Normierungsgruppen eingesetzt, die für den Niederfrequenzbereich bereits in die Norm 62233 einmündeten, während solche Arbeiten für den Hochfrequenzbereich nach wie vor andauern. Für den vorliegenden Rechtsstreit kommt es daher nur auf diese organisatorische Unterscheidung im Bereich der Internationalen Elektrotechnischen Kommission an.

Es ist auch nicht erkennbar, dass jeder einzelne Mitarbeiter in solchen Arbeitsgruppen die Pflicht hat, die Kommission auch auf solche ihm zur Kenntnis gelangten Schutzrechte hinzuweisen, die nicht Gegenstand der Aufgabenstellung seiner Arbeitsgruppe sind. Zunächst ist hierzu festzustellen, dass die Behauptung der Beklagten, eine solche Hinweispflicht treffe die „Mitwirkenden“ in der Normierungstätigkeit, sich nicht bereits aus dem Wortlaut der vorgelegten Regularien der Kommission ergibt. Nach diesen Regeln sind die „Mitglieder“ zu solchen Hinweisen verpflichtet. Nach Anlage B 1 sind Mitglieder der IEC die dort genannten „Nationalen Komitees“ (NC), wobei jedes NC die nationalen elektrotechnischen Interessen in der IEC vertritt. Für Deutschland ist dieses NC die deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik-Informationstechnik im DIN und VDE. Wie sich diese deutsche Kommission zusammensetzt, wie diese die Mitarbeiter für die Normierungsarbeiten bei der IEC auswählt und bestimmt und welche Rechte und Pflichten in dem Verhältnis der deutschen Kommission zu den berufenen Mitarbeitern vereinbart werden, ist von der Beklagten nicht vorgetragen. Dass die Mitarbeiter der Klägerin, die Herren A und B, als Vertreter für die Klägerin dort tätig waren, ist nicht behauptet. Dass es sich bei diesen Mitarbeitern um „leitende Mitarbeiter“ der Klägerin gehandelt hat, ist erkennbar eine Behauptung ins Blaue hinein und wurde von der Klägerin auch in Abrede gestellt. Schon aufgrund dessen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin eine Pflicht getroffen haben kann, die IEC auf das Klagepatent hinzuweisen. Hinzu tritt, dass nicht erkennbar ist, aufgrund welcher Umstände die Klägerin positive Kenntnis davon gehabt haben soll, dass die IEC in gerade dem in Rede stehenden Niederfrequenzbereich an der Erstellung einer Norm arbeitete. Reine „Verdachtsmitteilungen“ von Unternehmen an die IEC werden von dem Regelwerk der Internationalen Elektrotechnischen Kommission nicht gefordert und es ist auch sonst keine rechtliche Verpflichtung einzelner Unternehmen erkennbar. Hinzu tritt, dass von der Beklagten nicht geltend gemacht wurde, dass die Mitarbeiter A und B selber Kenntnis von dem Klagepatent hatten. Ein bewusstes Verschweigen trotz Kenntnis einer Offenbarungspflicht durch die Klägerin lässt sich nach alledem nicht feststellen.

II.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Bewertung der Bestrahlung in niederfrequenten elektrischen und/oder magnetischen Feldern, bei dem frequenzabhängige Referenzwerte im Zeitbereich entsprechend einer vorgegebenen Norm zur Bewertung der Bestrahlung vorgegeben sind. Daneben betrifft das Klagepatent eine Anordnung zur Durchführung dieses Verfahrens.

Die Bewertung der Bestrahlung in solchen Fällen ist erforderlich, um die Strahlenbelastung feststellen zu können. Hierfür besteht ein Bedürfnis, da diese Strahlung für den menschlichen Organismus schädlich sein kann. Aufgrund dessen gibt es eine Reihe von Normen und Richtlinien, die regeln, ab wann der Aufenthalt von Personen in elektromagnetischen Feldern gefährlich ist. Um diese Richtlinien und Normen einhalten zu können, ist es erforderlich, die Bestrahlung in niederfrequenten Feldern zuverlässig zu bestimmen. In dem in der Klagepatentschrift gewürdigten Stand der Technik waren verschiedene Methoden bekannt, diese elektrischen oder magnetischen Felder zu bewerten. Nach einer Methode erfolgte eine Bestimmung derart, dass die jeweiligen Spitzenwerte der gemessenen Feldstärken begrenzt wurden, nach einer anderen Methode wurden die jeweilige Effektivwerte der bewerteten Zeitsignale begrenzt. Beide Methoden sind aber unzureichend und fehlerbehaftet, da sie nur näherungsweise in der Lage sind, die tatsächliche Strahlenbelastung zu bewerten.

Vor dem gewürdigten Stand der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, eine Möglichkeit vorzuschlagen, mit der unter Berücksichtigung der geltenden Normen möglichst eine allgemein gültige Bewertung erreicht werden kann, die dem Anwender erlaubt, aufgrund eines ermittelten Wertes die Belastung in dem jeweiligen Feld zu erkennen.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Anspruch 1 ein Verfahren mit den folgenden Merkmalen vor:

a) Verfahren zur Bewertung der Bestrahlung in niederfrequenten elektrischen und/oder magnetischen Feldern, bei dem frequenzabhängige Referenzwerte im Zeitbereich entsprechend einer vorgegebenen Norm zur Bewertung der Bestrahlung vorgegeben sind, mit den folgenden Schritten:

b) Durchführen einer Frequenzgangbewertung mindestens eines Zeitsignals der drei orthogonalen räumlichen Komponenten eines elektrischen oder magnetischen Feldes (ex(t), ey(t), ez(t); bx(t), by(t), bz(t))

b1) in dem das jeweilige Zeitsignal mit einer Impulsantwort (h(t)) einer frequenzabhängigen Übertragungsfunktion (H(f)) gefaltet wird

b2) wobei der Betrag der Übertragungsfunktion dem Kehrwert der frequenzabhängigen Referenzwerte der elektrischen Feldstärke (E) bzw. der magnetischen Flussdichte (B) entspricht

c) Quadrieren der erhaltenen normierten Zeitsignale

d) Addieren der quadrierten Zeitsignale zur Ermittlung des momentanen Betragsquadrats des normierten Feldes

e) Ermittlung des Quadrats des Spitzenwertes und/oder des Quadrats des Effektivwertes des momentanen Betragsquadrats des normierten Feldes

e1) Gewichtung des Quadrats des Spitzenwertes bzw. des Quadrats des Effektivwertes

e2) Auswählen des größeren der beiden Werte.

f) Ermitteln der normgerechten bewerteten Strahlung für das jeweilige Feld durch Ziehen der Quadratwurzel aus dem größeren Wert.

Daneben beansprucht das Klagepatent im Nebenanspruch 8 eine Anordnung mit den nachstehenden Merkmalen:

a) Anordnung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 – 7

b) mit Sensoren für die jeweilige räumliche Feldkomponente,

c) eine Auswerteeinrichtung und

d) einer Anzeige.

e) Zwischen den Sensoren (10) und der Auswerteeinrichtung (15) ist ein Bewertungsfilter angeordnet
e1) zur Durchführung der Frequenzgangbewertung mit Hilfe einer aus frequenzabhängigen Referenzwerten gebildeten Übertragungsfunktion

f) und anschließend daran ein A/D-Wandler.

g) Die Auswerteeinrichtung (15) ist als programmierbare digitale Signalverarbeitung ausgebildet.

III.
Die Beklagte hat ohne Zustimmung der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und geliefert, indem sie die angegriffene Ausführungsform über die Firma ASM anbot und veräußerte. Dabei war es für die angesprochenen Verkehrskreise offensichtlich, dass die Messgeräte zur Durchführung eines Verfahrens nach Anspruch 1 des Klagepatents geeignet und bestimmt sind (§ 10 PatG). Bei den Messgeräten handelt es sich um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Denn mit diesen Messgeräten kann ein Verfahren zur Bewertung der Bestrahlung in niederfrequenten elektrischen und/oder magnetischen Feldern im Sinne des Merkmals a) des Anspruchs 1 durchgeführt werden.

Dass die Abnehmer dieser Messgeräte der Beklagten zur Benutzung der Erfindung berechtigt wären, ist nicht ersichtlich. Es steht zudem zwischen den Parteien zu Recht außer Streit, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform ohne die Zustimmung der Klägerin angeboten und geliefert hat. Die Beklagte hatte Kenntnis von der objektiven Eignung der von ihr gelieferten Messgeräte zur Durchführung dieses Verfahrens, da sie in ihrem Werbeprospekt ausdrücklich darauf hinweist, dass das – dem patentierten Verfahren entsprechende – Verfahren der IEC-Norm 62233 eingehalten werden kann.

Mit dem von der angegriffenen Ausführungsform durchgeführten Verfahren werden die Merkmale des Patentanspruchs 1 wortsinngemäß verwirklicht. Für die Merkmale a) und b) des Anspruchs 1 steht dies zwischen den Parteien zu Recht außer Streit.

Die angegriffene Ausführungsform führt aber auch ein Verfahren durch, welches die weiteren Merkmale des Verfahrensanspruchs 1 in wortsinngemäßer Weise verwirklicht.

a)
Zugestanden wird von der Beklagten, dass die Rechenschritte gemäß den Merkmalen c), d) und f) ebenfalls ausgeführt werden. Diese werden jedoch in einer anderen Reihenfolge ausgeführt. Unbestritten ist von der Klägerin jedoch dargelegt worden, dass aufgrund des in der Mathematik allgemein herrschenden Distributivgesetzes die Reihenfolge jedenfalls für die beiden in Rede stehenden Reihenfolgen aufgrund des Distributivgesetzes beliebig ist. Der Fachmann, ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung elektrischer Messverfahren und Konstruktion elektrischer Messgeräte, kennt das Distributivgesetz aus seiner allgemeinen Hochschulausbildung und weiß, dass es auf die Reihenfolge der Benennung der mathematischen Rechenoperationen dann nicht ankommt, wenn – wie vorliegend – das Distributivgesetz für die benannten Rechenarten gilt.
Hinzu tritt, dass der Patentinhaber sich bei der Beschreibung des Verfahrens für eine Reihenfolge entscheiden muss. Erfolgt dies aber ohne die Angabe einer bestimmten Reihenfolge, etwa in Form einer Nummerierung oder durch die Verwendung der Worte „dann, danach, sodann“, oder wie bei der gewählten Formulierung des Merkmals „c“, wonach erhaltene Werte weiterverarbeitet werden sollen, liest der Fachmann die Beliebigkeit der Reihenfolge aufgrund der bestehenden Gesetzmäßigkeit mit.

b)
Auch die Merkmalsgruppe e) wird entgegen der Ansicht der Beklagten verwirklicht. Dieses Merkmal verlangt, dass das Quadrat des Spitzenwertes und/oder das Quadrat des Effektivwertes des momentanen Betragsquadrates des normierten Feldes ermittelt wird, das Quadrat des Spitzenwertes bzw. des Effektivwertes gewichtet wird und sodann der größere der beiden Werte ausgewählt wird. Bereits nach dem Wortsinn ist es für die Frage der Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents nicht erforderlich, dass sowohl das Quadrat des Spitzenwertes als auch das Quadrat des Effektivwertes ermittelt wird. Bereits der Wortlaut dieses Merkmals fordert nur, dass eines der beiden Quadrate ermittelt werden soll (und/oder). Darüber hinaus lässt die Aufgabenstellung des Klagepatents (Anl. K1, Abs. [ 0013 ]) erkennen, dass es darauf ankommt, die drei Zeitsignale nach ihrer Normierung in einen einzelnen, für das Maß der Bearbeitung repräsentativen Wert umzusetzen. Es soll ein Verfahren geschaffen werden, das an verschiedene Normen mittels Parametersätzen angepasst werden kann und auf beliebige Signale anwendbar ist (Anl. K1, Abs. [ 0033 ]). Der Fachmann versteht folglich auch dies als Hinweis, dass nicht stets beide Werte (Spitzen- und Effektivwert) zu ermitteln sind, sondern dass –je nach zugrunde zu legender Norm– die Ermittlung eines der genannten Werte genügen kann. Er wird dann auch nur die Rechenschritte vornehmen, die zur Ermittlung dieses Wertes erforderlich sind.

Hinsichtlich der „Gewichtung“ entnimmt der Fachmann der Beschreibung des Klagepatentes in Abschnitt [0023],

„das Quadrat des Spitzenwertes und des Effektivwertes werden mit je einem Gewichtungsfaktor multipliziert. Mit einem Gewichtungsfaktor von 0 kann eine nicht benötigte Größe ausgeschaltet werden.“

Nach dieser Beschreibungsstelle ist es ausreichend, wenn ein Quadrat (entweder des Spitzen- oder des Effektivwertes) ermittelt wird. Wird nur einer der beiden Werte ermittelt, so wird der andere mit Null gewichtet und diese Größe wird ausgeschaltet. Es ist in das Belieben des Fachmannes gestellt, diese Gewichtung bereits vorzuverlagern, wenn er erkennt, dass es ihm nur auf einen der beiden Werte für die Bewertung der Bestrahlung ankommt. Daher stellt die von der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte Ermittlung lediglich des Effektivwertes ebenfalls eine Gewichtung im Sinne des Merkmales e) des Klagepatentes dar, da der Spitzenwert bei der angegriffenen Ausführungsform mit Null gewichtet wird. Da der Betrag des Spitzenwertes bei der Gewichtung mit dem Faktor Null stets dem Wert Null entspricht, stellt das Quadrat des Effektivwertes auch immer den größeren Wert dar.

c)
In dem vorliegenden Fall ist es aufgrund der Umstände offensichtlich, dass der Abnehmer des angegriffenen Messgerätes dieses auch patentverletzend verwenden will. Es kommt ihm gerade darauf an, die technische Lehre des Verfahrensanspruches zu verwirklichen, da er die normgemäße Bestimmung der Strahlenbelastung durchführen will.

d)
Schließlich ist es aufgrund der Auslegung des Messgerätes sowie der darauf bezogenen Beschreibung des Hinweises auf die IEC-Norm 62233 offensichtlich, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Angebotes auch um die Eignung ihrer Messgeräte sowie um die Verwendungsbestimmung ihrer Abnehmer wusste.

IV.
Angebot und Lieferung der angegriffenen Messgeräte mit der Typenbezeichnung X stellen daneben auch eine unmittelbare Verletzung des Nebenanspruchs 8 des Klagepatents im Sinne des § 9 PatG dar.

Dass es sich bei diesen Messgeräten um Anordnungen zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 – 7 (Merkmal a) handelt, folgt aus den vorstehend unter III. gemachten Ausführungen zur Frage der Verwirklichung des Verfahrensanspruches 1.

Die Verwirklichung der weiteren Merkmale des Anspruchs 8 stehen zwischen den Parteien zu Recht außer Streit. Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform auch ein Analog/Digital-Wandler im Sinne des Merkmales f) befindet. Diesem Vortrag ist der Beklagtenvertreter nicht entgegengetreten.

V.
Da die Beklagte den Gegenstand sowie das Verfahren nach dem Klagepatent sowohl unmittelbar wie auch mittelbar verletzt, ist sie der Klägerin gegenüber insoweit zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG. Es besteht auch die für den Ausspruch der Unterlassungsverpflichtung erforderliche Besorgnis, dass es künftig zu Patentverletzungen kommen wird, denen mit dem Unterlassungsanspruch begegnet werden soll, da bereits Verletzungshandlungen für die beanstandeten Handlungsalternativen vorgefallen sind. Infolge dessen ergibt sich aus diesen bereits gegebenen Verletzungshandlungen ohne weiteres die Gefahr, dass in Zukunft weitere Rechtsverletzungen stattfinden werden. Die Beklagte hat infolge der patentverletzenden Handlungen der Klägerin außerdem dem Grunde nach Schadenersatz zu leisten, § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentbenutzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohneeigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Gemäß § 140b PatG hat die Beklagte schließlich über Herkunft, Weg und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen.

VI.
Der Schriftsatz der Klägervertreter vom 09.01.2008 enthielt keinen entscheidungserheblichen neuen Sachvortrag, so dass für die von dem Beklagtenvertreter im Termin beantragte Gewährung einer Schriftsatzfrist keine Veranlassung bestand.

VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S.2 ZPO.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.